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Full text of "Denkschriften - Österreichische Akademie der Wissenschaften"

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Ba CRRLEBR 


DENKSCHRIFTEN 


DER 


KAISERLICHEN 


AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN 


MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHE KLASSE 


90. BAND 


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WIEN \ 
AUS DER KAISERLICH-KÖNIGLICHEN HOF- UND STAATSDRUCKEREI 
1914 


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Imhallt 


Müller J.: Beiträge zur Kenntnis der Höhlenfauna der Ostalpen und der Balkanhalbinsel, I. (mit 1 Ver- 
breitungskarte im Texte und 2 Textfiguren) 


— Beiträge zur Kenntnis der Höhlenfauna der Ostalpen und der Balkanhalbinsel, II. (mit 1 Stamm- 
baum und 9 Textfiguren) . 


Lämmermayr L.: Die grüne Pflanzenwelt der Höhlen 
Abel O.: Die Vorfahren der Bartenwale (mit 12 Tafeln und 20 Textfiguren) . . 


Mazelle E.: Die stündliche Veränderlichkeit der Temperatur im Tageslaufe und die tägliche Periode 
der Temperatur . 


[ 


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Toldt K. jun.: Über die äußere Körpergestalt eines Fetus von Elephas maximus (= Indicus) L., nebst 


vergleichenden Betrachtungen über sein Integument, insbesondere über die Behaarung (mit 
Swlafeln).. . 


Herzfeld St.: Studien über Juglandaceen und Julianiaceen (mit 7 Tafeln und 1 Textfigur) 


'Steindachner F.: Bericht über die von Hans Sauter auf Formosa gesammelten Schlangenarten (mit 


4 Tafeln und 21 Textfiguren) 


Erdheim J.: Rachitis und Epithelkörperchen (mit 11 Tafeln und 16 Textfiguren) 


Seite 


225 


259 


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319 
363 


BEITRÄGE ZUR KENNTNIS DER HÖHLENFAUNA 
BR OSTALPEN UND DER BALKANHALBINSEL 


VON 


PROF. D*: JOSEF MÜLLER 


TRIEST 


Mit einer Verbreitungskarte im Texte und 2 Textfiguren 


VORGELEGT IN DER SITZUNG AM 2. MAI 1913 


1. 
Die Gattung Aphaobius Abeille (Coleopt., Silphid.). 


Die Gattung Aphaobius wurde von ABEILLE de PERRIN 1878! für den von Ferdinand SCHMIDT 
1855 ? beschriebenen Adelops Milleri aufgestellt und durch die im männlichen Geschlecht bloß vier- 
| gliederigen Vordertarsen charakterisiert. Eine zweite hieher gehörige Art beschrieb REITTER 1885? 

unter dem Namen Aphaobins Heydeni. 

1902 wurde von GANGLBAUER * darauf hingewiesen, daß auch die früher als Bathyscia beschriebenen 
Arten Gobanzi, Dorotkana, narentina sowie eine neue Art, Paganettii, im männlichen Geschlechte bloß 
viergliedrige Vordertarsen besitzen und daher nach der ABEILLE’schen Definition zu Aphaobius zu stellen 
sind. Da jedoch die eben genannten Arten, abgesehen von der Beschaffenheit der männlichen Vordertarsen, 
in der Körperform mehr mit Bathyscia übereinstimmen, so schlug GANGLBAUER vor, Aphaobius als Unter- 
gattung von Bathyscia zu betrachten. 

Dem Vorschlage GANGLBAUER’s folgend, beschrieb ich 1903? eine neue Bathyscia von Lissa 
(issensis m.) als Aphaobius; ebenso APFELBECK 1907 ® seine neue Bathyscia insularis von der Insel 
Curzola. 


1 E. ABEILLE de PERRIN: Note sur les Leptoderites. (Bull. Soc. Hist. nat. Toulouse, XII, 1878, p. 144— 155. 

2 F. SCHMIDT: Beschreibung zweier neuer Höhlentiere, eines Käfers und einer Schnecke. (Verh. zool. bot. Ges. Wien, 
V, 1855, p. 1.) 

3 E. REITTER: Bestimmungstabellen der europäischen Coleopteren, XII, Necrophaga.(Verh.naturforsch. Ver. Brünn, XXIII, 1885). 

* L. GANGLBAUER: Zwei neue Bathyscien aus Dalmatien. (Verh. zool. bot. Ges. Wien, LII, 1902, p. 45—51.) 

5 J. MÜLLER: Beschreibungen neuer dalmatinischer Coleopteren. I. (Münch. Koleopt. Zeitschr. I, 1903, p. 192— 194). 


6 V,. APFELBECK: Zur Höhlenfauna der Balkanhalbinsel. (Wien. entom. Zeitg. XXVI, 1907, p. 313— 321). 
Denkschriften der mathem.-naturw, Kl. XC. Bd. 1 


[8 


J. Müller, 


1908 trennte REITTER ! fast gleichzeitig mit JEANNEL ? die als Aphaobius beschriebenen Arten 
von bathysciaartigem Habitus als eigene Gruppe unter dem Namen Dathyscina ab, so daß nur die zwei 
zuerst beschriebenen Arten, Milleri und Heydeni, als Vertreter von Aphaobius s. str. verblieben. In Über- - 
einstimmung mit GANGLBAUER faßte REITTER auch die echten Aphaobien bloß als Untergattung der 
großen Gattung Bathyscia auf, während JEANNEL (a. a. O.) sowohl Aphaobius als auch Bathyscina zum 
Range eigener Genera erhob. 

Zu der in diesem Sinne restringierten Gattung (beziehungsweise Untergattung) Aphaobius kam ein 
weiterer Zuwachs in den Jahren 1909 beziehungsweise 1910 durch die von mir beschriebenen Formen 
Aphaobius Maneki? aus Bulgarien, Kraussi* aus Südsteiermark und Milleri Springeri* aus dem Triester 
Karst. 

1911 hat JEANNEL in seiner dankenswerten Monographie der Höhlensilphiden ? die Vermutung 
ausgesprochen, daß Aphaobius Maneki wahrscheinlich einer eigenen, in die phyletische Reihe von Hexaurus 
gehörigen Gattung zuzuweisen sein dürfte. ß 


Die von mir inzwischen vorgenommene Untersuchung des männlichen Kopulationsapparates bestätigte 
die JEANNEL’sche Vermutung insofern, als ich mich nun tatsächlich auf Grund der wesentlichen Unter- 
schiede im Baue der Begattungsorgane gezwungen sehe, den Aphaobius Maneki von den echten Aphaobien 
generisch abzutrennen; nur paßt auf diese neue Gattung mit ihren dreiborstigen Parameren nicht ganz 
genau die von JEANNEL für die Hexaurus-Gruppe gegebene Diagnose‘, wonach die Parameren am Ende 
bloß zwei Borsten besitzen. ; 

Die Diagnose der eben besprochenen neuen Gattung, die ich nach ihrem Entdecker, meinem lieben 


Freunde, Prof. Dr. Fritz Netolitzky in Czernowitz, benenne, lautet: 


Netolitzkya nov. gen. Bathysciinarum. 


Caput prothorace multo angustius; antennae in tertia parte media capitis insertae, articnlo primo 
secundo paullo breviore. Ocnli nulli. 

Prothorax transversus, lateribus antice rotundato-convergentibus, basin versus subparallelis, facie 
basali utringue, ante angulos posticos, foveola vel impressione lineiformi instructa. 

Elytra ovata, prothorace paulo latiora, modice convexa, transversim strigosa, angnlis humeralibus 
rotundatis,; stria suturalis nulla. 

Femora anteriora ultra latera prothoracis haud vel vix prominentia. Tibiae anticae margine 
externo haud spinularıum serie instructae. Maris tarsi antici qnadri-articulati, haud dilatatı. 

Penis exiguus ac tenwis, sacco interno simplici. Paramera apice setnlis tribus instructa. 


Hierher als einzige Art: Netolitzkya Maneki m. aus einer Höhle bei Trevna in Bulgarien. 


Die morphologischen Unterschiede zwischen Aphaobius und Netolitzkya, deren große habituelle 
Ähnlichkeit wohl nur auf Konvergenz zurückzuführen ist, lassen sich folgendermaßen definieren: 


1. Schultern eckig. Die beiden ersten Fühlerglieder etwa gleichlang; das achte Fühler- 
glied sehr klein, kaum halb so lang als das neunte. Die Halsschildbasis vor den Hinterecken 


1 E. REITTER: Übersicht der blinden Silphiden-Gattungen. (Wien. entom. Zeitg. 1908, p. 103— 118.) 

2 R. JEANNEL: Biospeologica V. Coleopteres. (Archiv de zool. exper. 4e serie, tome VIII, 1908, p. 267— 326, pl. XII—XIV. 
Vergl. speziell p. 298.) 

3 J. MÜLLER: Sechs neue Höhlenkäfer aus den südlichen Kalkalpen, dem istrisch-dalmatinischen Karstgebiet und dem Balkan. 
(Wien. entom. Zeitg. XXVII, 1909, p. 273— 282.) 

4 J. MÜLLER: Diagnosen neuer Höhlensilphiden. (Zool. Anzeiger, Bd. XXXVI, 1910, p. 184— 186.) 

5 R. JEANNEL: Biospeologica XIX: Revision des Bathysciinae. (Arch. zool. exper., 5® serie, Tome VII, 1911, p. 1—641, 
pl. I-XXIV. Vergl. speziell p. 566.) 

6 R. JEANNEL: Bathysciinae, a. a. O., p. 408. 


Höhlenfauna der Ostalpen und des Balkan. T. | 3 


ohne deutlichen Eindruck. Der männliche Kopulationsapparat (Fig. 1) groß, etwa !/,—!/, der 
Körperlänge erreichend. Penis breit, am Ende mit breiter Öffnung; der im Penis gelegene 
ausstülpbare Teil des Ductus ejaculatorius (»sacce interne« nach JEANNEL) mit verschie- 
denen chitinösen Differenzierungen (Häkchen, Stacheln etc.) versehen. — Verbreitungsgebiet: 


‚Südsteiermark, Krain und Küstenland. 
Gen. Aphaobius Abeille. 


2. Schultern abgerundet. Das erste Fühlerglied etwas kürzer als das zweite; das 
achte nur mäßig verkleinert, etwas schmäler aber nur wenig kürzer als das neunte. Die 
Halsschildbasis vor denHinterecken mit einer grübehen- oder linienartigen Vertiefung, 


Big.l. Fig. 2. 


Fig. 1. Penis von Aphaobius Milleri Pretneri J. Müller. — Fig. 2. Penis von Netolitzkya Maneki J. Müller. 


(Beide in der Dorsalansicht; Nr. 2 relativ viel stärker vergrößert als Nr. 1.) 


wodurch der Seitenrand vor den Hinterecken etwas aufgebogen erscheint. Der männ- 
liche Kopulationsapparat (Fig. 2) im Verhältnis zum Körper viel kleiner, Penis schmal, 
zZusespitzt, der darin befindliche Teil des Ductus ejaculatorius einfach, ohne chitinöse 
Differenzierungen. — Verbreitungsgebiet: Schipka-Balkan (Bulgarien). 


“ 


Gen. Netolitzkya Jos. Müll. 


Von den nach Ausscheidung des Aphaobius Maneki den echten Aphaobien verbleiben den drei Arten 
muß ich wenigstens eine, auf Grund des mir nunmehr vorliegenden Materiales, in den Rassenkreis des 
Milleri verweisen; es ist dies der südsteirische A. Kraussi m. aus der Gegend von Leutsch. Ob auch 
A. Heydeni etwa bloß als eine extreme Form des Milleri aufzufassen sei, kann ich noch nicht mit Sicherheit 
entscheiden; doch ist dies nicht wahrscheinlich, da A. Heydeni in mehreren Grotten zusammen mit Milleri 
vorzukommen scheint?, ähnlich wie Bathyscia Freyeri und Robici, die bei gemeinsamem Vorkommen 
fast nur durch analoge Unterschiede im Halsschildbau differieren, wie die beiden eben genannten 
Aphaobien. 


1 Das genaue Verhältnis der Penis zur Körperlänge kann ich nicht angeben, .da mir der Kopulationsapparat nach Anfertigung 
der Zeichnung in Verlust geraten ist. 
2 Vergl. R. JEANNEL, Revision des Bathysciinae, 1. c., p. 575 und 576. 


4 J. Müller, 


Mit Rücksicht auf vorstehende Ausführungen sowie auf zwei neue, im nachfolgenden näher zu 
charakterisierende Rassen des A. Milleri gebe ich folgende 


Übersicht der bisher bekannten Formen der Gattung Aphaobius, 


1. Halsschildseiten mehr oder weniger gerundet, vor den Hinterecken erweitert oder parallelseitig, 
selten bereits von der Basis an schwach verengt, dann aber schon hinter der Mitte deutlich gerundet. 


1. A. Milleri F. Schmidt. 


2. Halsschildseiten von den spitzen Hinterecken an bis weit über die Mitte hinaus fast geradlinig 
verengt, oder vor den Hinterecken leicht ausgeschweift. 


2. Heydeni Reitter. 


1. Aphaobius Milleri F. Schmidt. 


Von dieser über Untersteiermark, Ober- und Unterkrain sowie einen Teil des Küstenlandes ver- 
breiteten Art kann ich vorläufig folgende Lokalrassen unterscheiden: 


a) A. Milleri F. Schmidt forma typica. 


Der Halsschild relativ groß und breit, wenig schmäler als die Flügeldecken, an der Basis meist ebenso 
breit als die Flügeldecken an den Schultern, davor stärker (3) oder schwächer (@) gerundet erweitert, 
die größte Breite im basalen Drittel oder Viertel gelegen. Der Seitenrand der Flügeldecken gegen die Basis 
sehr schwach verengt und hinter den deutlich vortretenden Schulterecken meist schwach ausgeschweift. 
Die Fühlerlänge und meist auch die Körperform in beiden Geschlechtern auffallend verschieden: die 
Männchen sind schlank und haben lange und dünne Fühler, an denen besonders die’ letzten Glieder 
gestreckt erscheinen; die Weibchen sind meist erheblich breiter und haben deutlich kürzere Fühler, ihre 
vorletzten Glieder sind aber immerhin noch gut doppelt so lang als breit. Länge: 24—3 mm. 


Geographische Verbreitung. Über das Vorkommen des Aphaobius Milleri sagt F. SCHMIDT 
in der Originalbeschreibung (Verh. zool. bot. Ver. Wien, V, 1856, p. 1): »Ich habe diese neue Art in der 
Pasica-Grotte und in jener am Mokrizberge in Krain aufgefunden.« Mir liegen von den Original- 
fundstellen keine Exemplare vor; doch glaube ich, die zahlreichen Exemplare, die ich durch Herrn Franz 
Tax von der Piuka jama bei Nußdotf erhielt (gesammelt im Mai 1898), auf die typische Form beziehen 
zu dürfen. | 

Die von mir seinerzeit notierten Fundorte: Kevderca.jama am Ljubnikberge (Stussiner, 30./8. 
1895), Berlova jama bei Nußdorf (Moser), St. Peter (Stussiner), Dreibrüder-Grotte bei Gottschee 
(Penecke und Tax) und Castitljiva jama bei Radmannsdorf (Wiener Hofmuseum) bedürfen einer 
Nachuntersuchung. Es wäre nämlich noch einmal festzustellen, ob es sich an allen diesen Fundorten 
wirklich um den typischen A. Milleri handelt. Leider liegt mir das betreffende Material nicht mehr vor. 

Ebenso wäre noch durch gewissenhafte Aufsammlungen festzustellen, ob sich die zahlreichen von 
JEANNEL, ! zumeist nach JOSEPH’schen Angaben angeführten Grotten durchwegs auf den echten 
A. Milleri beziehen, Aus den JEANNEL’schen Angaben ist leider nicht immer zu ersehen, welche Fund- 
ortsangaben von ihm selbst auf Grund des Materials nachgeprüft wurden und welche lediglich der 
Literatur entnommen sind. 

Ich unterlasse daher die Aufzählung aller dieser nicht ganz sicheren Fundorte in der Hoffnung, daß 
es mir selbst in absehbarer Zeit möglich sein wird, die Verbreitung des A. Milleri und seiner Rassen in 
Krain festzustellen und die bisherigen Fundortsangaben zu berichtigen. Vorläufig kann ich nur bekannt- 


1 R, JEANNEL: Revision des Bathyseiinae, 1. c., p. 432. 


Höhlenfauna der Ostalpen und des Balkan. T. 5 


geben, daß der aus der Adelsberger Gegend (Magdalenen-Grotte, Crna jama) angeführte Aphaobius 
nach mir vorliegendem, zuverlässigem Material sicher nicht zum typischen Milleri gehört, wie bisher in 
der Literatur angegeben wurde, sondern eine Übergangsform von diesem zur Rasse Pretneri m. darstellt, 
wie weiter unten näher ausgeführt werden soll; ferner, daß der ebenfalls in der Literatur zu findende 
Fundort Görtschach, nach einem mir von dort durch Freund Stussiner zugekommenen Exemplar 
ebenfalls nicht auf den typischen Milleri zu beziehen sein dürfte, da dieses Stück durch wesentlich 
schmäleren und vor der Basis absolut nicht erweiterten Halsschild vom typ. Milleri erheblich abweicht 
und eher mit Subsp. Knirschi m. zusammenzufallen scheint. Allerdings wird sich die Rassenzugehörigkeit 
der Görtschacher Form erst nach einem Vergleich einer größeren Anzahl von Exemplaren genau feststellen 
lassen, 

Die JOSEPH’schen Angaben! über das Vorkommen des A. Milleri in den Grotten von St. Kanzian 
bei Matavun, in der Grotte von Corgnale bei Divaca und in der Fernece-Grotte ? bei Sessana haben sich 
bisher nicht bestätigt. In den Grotten von St. Kanzian und Corgnale, die ich genau kenne, fand ich keinen 
Aphaobius, dafür aber wohl Bathyscia Khevenhülleri. Sollte übrigens in diesen oder anderen Grotten des 
Triester Karstes der Aphaobins Milleri wirklich vorkommen, so würde es sich höchstwahrscheinlich um 
die nächste Rasse handeln. 


b) A. Milleri Springeri m. (Zool. Anzeig. 1910, 185). 


Vom typischen Milleri vor Allem durch kleineren, gewölbteren Halsschild verschieden. Derselbe ist 
erheblich schmäler als die Flügeldecken, die Basis selbst deutlich schmäler als die Flügeldecken an den 
Schultern, der Seitenrand vor den Hinterecken stärker erweitert und daher gegen dieselben deutlicher 
eingezogen, die größte Breite des Halsschildes weiter vorne, der Mitte näher gelegen. Ferner sind die 
Flügeldecken gegen die Basis deutlicher verengt, die Schulterecken nicht deutlich vortretend, der Seiten- 
rand dahinter nicht ausgeschweift. Die Fühler, besonders ihre letzten Glieder, kürzer und gedrungener’°. 
Länge 2':4—2'8 mm. 


Geographische Verbreitung. Diese Rasse ist in prägnanter Ausbildung bisher nur von der 
Höhle »Petnjak« bei Storje unweit Sessana im Triester Karst bekannt, wo ich sie zum erstenmal am 
4./X. 1909 fand. Seither ist sie dort noch am 17./X. 1909 und 15./X. 1911 gesammelt worden, 


c) A. Milleri Pretneri nov. subsp. 


Vom typischen Milleri durch plumperen Körperbau, kürzere, bauchigere Flügeldecken, vor allem 
aber durch kürzere Fühler verschieden. Überhaupt sind die Fühler bei dieser Rasse kürzer und 
gedrungener als bei jeder anderen bisher bekannten Milleri-Form, die beiden vorletzten Fühlerglieder 
des © sind nicht viel länger als breit. Der Halsschild ist relativ breit, kaum schmäler als bei der typischen 
Form, beim / im hinteren Drittel deutlich gerundet erweitert und gegen die Hinterwinkel eingezogen, 
beim © im hinteren Drittel bis zu den Hinterecken fast parallelseitig, nicht oder kaum gerundet erweitert. 
Die Halsschildbasis meist ein wenig schmäler als die Flügeldecken an den Schultern. Der Seitenrand der 
Flügeldecken hinter den Schulterecken nicht deutlich ausgeschweift. Länge: 2°2— 25 mm. 


1 Dr. G. JOSEPH: Beobachtungen über Lebensweise und Vorkommen der in den Krainer Tropfsteingrotten einheimischen 
Arten der blinden Gattungen Machaerites, Leptoderus, Oryotus und Troglorrhynchus. (49, Jahresbericht der Schles. Ges, vaterl. 
Kultur. Breslau 1871). 

2 Diese Grotte scheint nicht zu existieren. Wahrscheinlich handelt es sich um die Grotte von FernetiC zwischen Op£ina und 
Sessana. 

3 Bei einem Vergleich der Fühlerlänge sowie der Körperform sind stets Individuen gleichen Geschlechts zu wählen, 
da die genannten Charaktere beim Z' und ® oft recht verschieden ausgebildet sind. Dasselbe gilt auch mehr oder weniger für die 
anderen Milleri-Rassen. 


6 J.Müller, 


Von Milleri Springeri durch breiteren Körperbau, breiteren und beim © zur Basis nicht deutlich 
verengten Halsschild, kürzere zur Basis und Spitze weniger stark verengte und daher an der Spitze zei 
breiter abgerundete Flügeldecken sowie durch kürzere Fühler, von Milleri Kraussi durch flachere, seitlich 
weniger gerundete Flügeldecken, dickere und .kürzere Fühlerglieder sowie den, wenigstens beim /, im 
hinteren Drittel deutlich gerundet erweiterten und gegen die Hinterecken eingezogenen Halsschild, von 
Milleri Knirschi durch breiteren Halsschild, zur Basis und Spitze weniger stark verengte, an der Spitze 
breiter abgerundete Flügeldecken und viel kürzere, kräftigere Fühler differierend. 


Geographische Verbreitung. Der einzige bisher bekannte Fundort ist ein aufgelassener Stollen 
am Stou (Hochstuhl) in den Karawanken, wo ihn mein Schüler Egon Pretner im September 1911 
entdeckte. Weitere Stücke köderte er ebenda im August 1912. Vielleicht gehören zu dieser Rasse die 
oberwähnten Stücke von der Castitljiva jama bei Radmannsdorf. | 


Übergangsformen zwischen Aphaobius Milleri und Preineri kommen in der Adelsberger 
Gegend und im Tarnowaner Walde vor. 

Die Exemplare von der Adelsberger Gegend (Crna jama, legit Pretner 7/9 10! und Magdalenen- 
schacht, legit Dr. Knirsch) erinnern durch die meist noch deutliche, schwache Ausschweifung des Seiten- 
randes der Flügeldecken hinter den Schulterecken und durch die ziemlich schlanken Fühler an den typ. 
Milleri; durch den Halsschildbau und die kürzeren Flügeldecken nähern sie sich ganz entschieden der 
Rasse Pretmeri. Länge: 2:4—2'8 mm. | b 

Die von mir und meinen Freunden am Eingang einer kleinen Höhle im Tarnowaner Walde 
zwischen Tarnowa und Karnizza (VI. 1911) unter Buchenlaub gesammelte Form ist von den Exemplaren 
aus der Adelsberger Gegend nur wenig verschieden: kleiner 22—2'5 mm lang, im .allgemeinen etwas 
schmäler und der Seitenrand der Flügeldecken hinter den Schulterecken stets ohne deutliche Ausschweifung. 
Abgesehen von der geringeren Größe differieren sie vom typischen Milleri durch gedrungenere Fühler und 
etwas kürzere, hinter den Schulterecken nicht deutlich ausgeschweifte Flügeldecken; von Pretneri fast 
nur durch schlankere Fühler verschieden. 


d) A. Milleri Kraussi m. (Zool. Anzeig. 1910, p. 185). 


Vom typischen Milleri durch erheblich breiteren Körperbau, vor der Basis auch beim Z nicht 
deutlich erweiterten Halsschild, breitere und gewölbtere, seitlich stärker gerundete Flügeldecken und 
kürzere Fühler verschieden. Der Halsschild des einzigen mir vorliegenden 5 im basalen Viertel parallel- 
seitig, bei den Q@ © von den Hinterecken an nach vorne in fast gleichmäßiger, sanfter Rundung verengt. 
Schulterecken stumpf, der Seitenrand der Flügeldecken dahinter nicht ausgeschweift. Die beiden vorletzten 
Fühlerglieder des @ etwa anderthalbmal so lang als an der Spitze breit. Länge: 2:5 — 2:8 mm. 


Geographische Verbreitung. Die der Originalbeschreibung zugrunde gelegten Exemplare 
stammen von der Ermenz-Grotte (Trbiska—Zialka) bei Leutsch in Untersteiermark, wo sie von 
meinen Freunden Dr. Hermann Krauss und Dr. Karl A. Penecke im Juli 1906 entdeckt wurden. 
Wahrscheinlich gehört hieher auch der von Dr. Krauss! aus der Eriauc-Grotte bei Leutsch ange- 


gebene, mir momentan nicht vorliegende Aphaobins. 


e) Milleri Knirschi nov. subsp. 


Vom typ. Milleri durch kleineren beim © vor den Hinterecken nicht gerundet erweiterten Halsschild, » 
schmälere Halsschildbasis und in oder hinter der Mitte stärker gerundete, gegen die Basis stärker ver- 
schmälerte Flügeldecken, von Kraussi durch schlankeren, nach vorne stärker verengten Körperumriß, 


1 Dr. Hermann KRAUSS: Berg- und.Höhlenwanderungen im oberen Sanntal. (Mitt. nat. Ver. f. Steiermark: Bericht d. entom. 


Sektion pro 1907, 311—314, Graz 1908.) 


=] 


Höhlenfauma der Östalpen und des Balkan. T. 


schärfer markierte Schulterecken und etwas längere, seitlich meist stärker gerundete, nach vorn deutlicher 
verschmälerte und an der Spitze weniger breit verrundete Flügeldecken sowie meist längere Fühler, von 
Pretneri durch schlankeren Körperbau, erheblich längere Fühlerglieder sowie die beim Q seitlich stärker 
“gerundeten, gegen die Spitze stärker verschmälerten und an der Spitze selbst weniger breit abgerundeten 
Flügeldecken verschieden. Der Halsschild beim 3 vor der Basis schwach gerundet erweitert, schwächer 
als beim typ. Milleri, die Maximalbreite etwa zu Beginn des basalen Drittels gelegen; beim Q sind die 
Halsschildseiten im basalen Drittel fast gerade, parallel oder nach vorne schwach konvergent, dann aber 
in sanfter Rundung gegen die Vorderecken verengt. Die Halsschildbasis etwas schmäler als die Flügel- 


decken an den Schultern. Länge: 2:5—2'6 mm. 


Geographische Verbreitung. Ich beschreibe diese Rasse nach Exemplaren aus der Skadaunica- 
Höhle bei Franz in Untersteiermark, woher mir durch Herrn Dr. Eduard Knirsch eine kleine Serie 
vorliegt. Zwei @ Q, vom Herrn Oberleutnant PoZ in einer Höhle des Dobrovlje-Gebirges oberhalb 
Fraßlau bei Cilli gesammelt, sandte mir vor wenigen Tagen Herr Hauptmann Matzenauer in Mostar. 

Nach einem einzigen @ zu schließen, das mir Freund Stussiner in Laibach zur Untersuchung 
vorlegte, scheint diese Rasse auch in der Höhle »Babja luknja« bei Görtschach vorzukommen (gesam- 
melt am 21./II. 1912). Doch ist zur sicheren Identifizierung der Rasse ein größeres Material erforderlich. 

Wahrscheinlich gehört zu dieser Rasse, dem Fundorte nach, auch die von Prof. Dr. PENECKE !! von 
der Stabirnca-Grotte bei Franz unter dem Namen Aphaobius Milleri Schmidt angeführte Form. Mir 
liegen augenblicklich von dieser Höhle keine Stücke vor. 


2. Aphaobius Heydeni Reitter. 


Von sämtlichen Rassen der vorigen Art durch den in beiden Geschlechtern von der Basis an bis über 
die Mitte geradlinig oder etwas ausgeschweift verengten und erst weiter vorn, gegen die Vorderecken, 
gerundeten Halsschild verschieden. Länge: 3 mm. 

Vollständige Übergänge zwischen Aphaobius Milleri und Heydeni sind mir nicht bekannt, obwohl 
nicht geleugnet werden kann, daß sich gewisse Milleri-Formen (wie Kraussi und namentlich die Weibchen 
von Knirschi) bezüglich der Halsschildform dem Heydeni nähern. 


Geographische Verbreitung. Die Originalbeschreibung des Aphaobius Heydeni enthält nur die 
allgemeine Fundortsangabe »Krainer Grotten«. Als mir bekannte Fundorte kann ich, nach vorgenommener 
Untersuchung der betreffenden Exemplare, angeben: Ljubnik-Höhle bei Bischoflack (Paganetti 
1 Exemplar!) und Brezno-Höhle bei Lach (v. Gspan in coll. Stussiner, 1./VI. 1911, 1 Exemplar!) 
Im Wiener Hofmuseum sah ich Stücke aus der Picina jama in Krain; die genauere Lage derselben ist 
mir nicht bekannt. 

Weiter dürften wohl als richtig angenommen werden die von JEANNEL ? nach Angaben von 
Dr. Hermann KRAUSS angeführten Höhlen: Ledena jama und Pasica jama am Krimberg, während die 
nur nach SEVER zitierten Grotten erst der Bestätigung bedürfen. 

Aphaobius Heydeni scheint in den meisten Höhlen — nach den jedenfalls verläßlichen KRAUSS’schen 
Angaben ? wenigstens in der Ljubnik-Grotte und in jener von Brezno — zusammen mit Milleri vor- 
zukommen, was für die spezifische Verschiedenheit dieser beiden Aphaobien spricht. Mir sind zusammen 
mit Heydeni gesammelte Milleri-Stücke leider noch nicht vorgelegen. 


1 Dr. Karl A. PENECKE: Die ersten in Steiermark aufgefundenen Höhlen-Coleopteren. (Mitt. nat. Ver. f.-Steiermark: Bericht 
d. entom. Sektion pro 1902 bis 1903, p. LX bis LXI. Erschienen in Graz 1904.) 

2 JEANNEL: Revision des Bathysciinae, 1. c., p. 435. 

3 In JEANNEL, Revision des Bathysciinae, 1. c., p. 433 und 435. 


J. Müller, 


Verbreitungskarte der Aphaobien. 


3e Hochstuhl 


Bischoflack 


J krimberg 


1-36: 
@ Adelsberg 
1@\ Nulsdorf 


® Aphaobius Milleri F. Schmidt und seine Rassen. 


© Aphaobius Heydeni Reitter. 


". 1. Aphaobius Milleri Milleri F. Schmidt. 
. 2. Aphaobins Milleri Springeri J. Müller. 
. 3. Aphaobius Milleri Pretneri J. Müller. 

. 4. Aphaobius Milleri Kraussi J. Müller. 

'. 5. Aphaobius Milleri Knirschi J. Müller. 

. 6. Aphaobius Heydeni Reitter. 

. 1-3. Übergangsformen zwischen 1 und 3. 


Höhlenfauna der Ostalpen und des Balkan. I. 


Katalog 


der in dieser Arbeit behandelten Höhlensilphiden. 


Genus Netolitzkya J. Müller 1913. 


J. Müller, Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 2. 


Maneki J. Müller 1909. 


Aphaobius Maneki J. Müller, Wien, entom. Zeitg., 1909, 281. 
— (?) Maneki Jeannel, Archiv zool. exper., 5 serie, tome VII, 1911, 566. 


Netolilzkya Maneki J. Müller, Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 2. 


Genus Aphaobius Abeille 1878. 


Abeille de Perrin, Bull. Soc. Hist. nat. Toulouse, XII, 1878, 148. 


Milleri F. Schmidt 1855. 


Adelops Milleri F. Schmidt, Verh. zool. bot. Ver. Wien, V, 1855, 1. 
— — L.Miller, Verh. zool. bot. Ver. Wien, V, 1855. 505. 
Aphaobius Milleri Abeille de Perrin, Bull. Soc. Hist. nat. Toulouse, XII, 1878, 148. 


—  — Reitter, Verh. nat. Ver. Brünn, XXIII, 1885, 17, und Natg. Ins. Deutschl., III, 
221116: 


— — Ganglbauer, Käf. von Mitteleur., III, 1899, 95. 
— — f.typ. Jeannel, Archiv zool. exper., 5e serie, tome VII, 1911, 432. 
— — f£ typ. J. Müller, Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 4. 


Subsp. Springeri J. Müller 1910. 


Aphaobius Milleri Springeri J. Müller, Zool. Anzeiger, 1910, 185. 
— — -— Jeannel, Archiv. zool. exper. de serie, tome VII, 1911, 432. 
— —- -— J.Müller, Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 5. 


Subsp. Pretneri J. Müller 1913. 


Aphaobius Milleri Preineri J. Müller, Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 5. 


Subsp. Kraussi J. Müller 1910. 
Aphaobius Kraussi J. Müller, Zool. Anzeiger, 1910, 185. 


Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC. Bd. 


y 


Höhle bei Trevna im 


Schipka-Balkan (Bulgarien). 


Pasica-Grotte am Mokrizberg 
in Krain (loc. class.!); Piuka 


jama bei Nußdorf in Krain. 


Höhle »Petnjak« im Triester 


Karst. 


Stollen am Hochstuhl 


(Karawanken). 


Höhlen bei Leutsch 


(Südsteiermark). 


00 


10 J. Müller, Höhlenfauna der Ostalpen und des Balkan. I. 


Aphaobius Kraussi Jeannel, Archiv zool. exper., 5© serie, tome VII, 1911, 433. 
— Milleri Kraussi J. Müller, Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 6. 


Subsp. Knirschi J. Müller 1913. Höhlen bei Franz und 


Fraßlau (Südsteiermark). 
Aphaobius Milleri Knirschi J. Müller, Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 6. 


Heydeni Reitter 1885. " Höhlen bei Bischoflack und 


am Krimberg (Krain). 
Aphaobius Heydeni Reitter, Verh. nat. Ver. Brünn, 1885, 17. 


— — Ganglbauer, Käf. von Mitteleur., III, 1899, 96. 


— — Jeannel, Archiv zool. exper., 5 serie, tome VII, 1911, 434. Zu 


— — J. Müller, Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 7. 


BEITRÄGE ZUR KENNTNIS DER HÖHLENFAUNA 
DER OSTALPEN UND DER BALKANHALBINSEL 


VON 


PROF. D* JOSEF MÜLLER 


TRIEST 


Mit einem Stammbaum und 9 Textfiguren 


1 VORGELEGT IN DER SITZUNG AM 2. MAI 1913 


11. 


Revision der blinden Treehus-Arten. 


Vorbemerkungen. 


Nach dem Tode meines unvergeßlichen Freundes und Lehrers, Regierungsrates Ludwig GANGL- 
BAUER, wurde mir die ehrenvolle Aufgabe übertragen, eine von ihm begonnene Revision der blinden 
Trechen der Ostalpen und ihrer Vorlagen fertigzustellen und herauszugeben. Für die Überlassung der vom 
Verstorbenen verfaßten Notizen sage ich der Witwe, Frau Regierungsrat Eugenie GANGLBAUER, und 
meinem Freunde Dr. Karl HOLDHAUS meinen herzlichsten Dank. 

Das mir übergebene GANLBAUER’sche Manuskript behandelt die blinden Trechen der »Ostalpen und 
ihrer Vorlagen«, das sind die aus Südtirol, den Bergamasker und Venetianer Alpen, Kärnten, Südsteier- 
mark, Krain und Istrien bekannten Arten. Es enthält außer verschiedenen Notizen über Trechus Bilimekt, 
Scopolii, Fiorii, Targionii, Holdhausi, Müllerianus, globnlipennis und hirtus sowie einer ausführlichen 
Beschreibung des Trechus capillatus, nicht weniger als fünf verschiedene Versuche einer systema- 
tischen Gruppierung der im obgenannten Gebiet vorkommenden Arten, worin die vom Verstorbenen jeweils 
aufgefundenen, neuen Merkmale zur Gruppeneinteilung verwertet werden. 

Von dem Grundsatze ausgehend, daß ein System desto natürlicher ausfällt, je größer das behandelte 
Faunengebiet ist und weil sich viele dalmatinische und bosnische Arten in die von GANGLBAUER ent- 
worfenen Klassifikationsversuche nicht einreihen ließen, erweiterte ich die GANGLBAUER'sche Arbeit, indem 
ich auch sämtliche blinden Trechen der Balkanhalbinsel (Kroatien, Bosnien, Herzegowina, Dalmatien, 
Montenegro, Griechenland, Türkei) und: der Krim in den Kreis meiner Untersuchungen zog. Auf eine 
Revision sämtlicher europäischer Arten, namentlich jener Westeuropas, mußte ich wegen Mangels an dem 


nötigen Material leider verzichten. 
Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC. Bd. 3 


12 J, Müller, 


Wenn es mir im Laufe meiner Untersuchungen gelungen ist, eine Anzahl neuer Merkmale auf- 
zufinden und, auf eine breite Basis gestützt, den Entwurf zu einer natürlichen Gruppierung der zahlreichen 
blinden Trechen zu schaffen, so verdanke ich dies in erster Linie dem Entgegenkommen der Herren Josef 
BREIT (Wien), Dr. Ed. KNIRSCH (Wien), Otto LEONHARD (Blasewitz-Dresden), Dr. G. MESSA (Graz), 
H. F. NEUMANN (Graz), Dr. Karl A. PENECKE (Czernowitz), Franz TAX (Graz), Anton VALLE (Triest) 
und A. WINKLER (Wien), die mich sowohl durch Zusendung von wertvollen Arten als auch durch wichtige 
Mitteilungen und Ratschläge in liberalster Weise unterstützten. Den größten Dank schulde ich aber Herrn 
Dr. Karl HOLDHAUS, der mir mit gewohnter Liebenswürdigkeit das gesamte einschlägige Material des 
k. u. K. naturhistorischen Hofmuseums in Wien zur Untersuchung überließ. 


° 


Klassifikation. 


Der erste blinde Trechus wurde 1842 von Ferdinand SCHMIDT in der Luegger Höhle in Krain 
entdeckt und 1844 von STURM (Deutschl. Ins. XV, 131) unter dem Namen Anophthalmns Schmidti 
beschrieben. Bald darauf wurden von demselben Autor mehrere andere Anophthalmus-Arten bekannt 
gemacht (Bilimeki 1847, Scopolii 1851, Hacgueti 1853 und hirtus 1853). N 

Die Gattung Anophthalmus wurde auch von SCHAUM (Natg. Ins. Deutschl. I, 1860, 658) zur 
Bezeichnung der damals bekannten, blinden Trechen aus Krain übernommen. 

Bereits ein Jahr vor dem Erscheinen des SCHAUM'’schen Werkes hatte: DELAROUZEE auf eine 
neue, blinde Trechus-Art aus dem Trou des Fades bei Hyeres (Raymondi Del.), die Gattung Duvalius 
aufgestellt (Ann. Soc. entom. France, 1859, 65). 

1861 wurde von BONVOULOIR für eine höchst aberrante neue Art aus den Pyrenäen (Leschnaulti 
Bonv.) die Gattung Aphaenops beschrieben (Ann. Soc. entom. France, 1861, 567). 

1872 wurde der Name Duvalius von ABEILLE de PERRIN zur Bezeichnung einer aus weiteren 
südfranzösischen Arten bestehenden Gruppe verwendet (Etudes sur les Coleopt. cavernicoles, Marseille 
1872, 9). 

1891 unterschied SEIDLITZ in seiner Fauna transsylvanica (p. 15) die beiden Gattungen Trechus 
und Aphaenops durch die abweichende Gestalt des Halsschildes; Anophthalmus stelle er als Untergattung 
zu Trechus und faßte damit alle blinden Trechen (mit Ausnahme von Aphaenops) zusammen. 

1892 zog GANGLBAUER auch Aphaenops als Untergattung zu Trechus (Käf. v. Mitteleur. I, p. 187), 

1902 faßte CSIKI sämtliche ungarischen Arten unter dem Namen Anophthalmus zusammen und 
trat für die generische Trennung von Trechus und. Anophthalmus ein (Allattani közlemenyek, I, 43—58, 
91—104; Ref. in Münch. Kol. Zeitschr. II, p. 120). 

1904 erschien ein für die Systematik der blinden Trechen ungemein wichtiger Aufsatz GANGL- 
BAUER’s (Münch. Kol. Zeitschr. II, 190—194). Hier wurde wieder einmal auf den halbvergessenen 
Namen Diwalius hingewiesen und derselbe zur Bezeichnung einer größeren, weitverbreiteten Untergattung 
vorgeschlagen. GANGLBAUER erkannte hier zuerst die Homologie des bei den echten Anophthalmen 
auftretenden isolierten Borstenpunktes an der Basis des siebenten Streifens mit dem ersten Punkt der 
Series umbilicata bei den Diwahius-Arten und brachte die Verschiebungen, welche dieser Punkt im Laufe 
der phylogenetischen Entwicklung erleidet, in Korrelation mit der fortschreitenden Abrundung der 
Schultern; er wies auf das Vorhandensein aller Übergänge zwischen den freilebenden mit normalen Augen 
versehenen Arten und den blinden cavernicolen Formen hin; er sprach die Vermutung aus, daß die zahl- 
reichen blinden Trechen polyphyletischer Abstammung sind und teilte dieselben folgendermaßen in drei 
Untergattungen ein: 


Höhlenfauna der Ostalpen und des Balkan. II. [3 


1. Die Flügeldecken in der dem Seitenrande genäherten Series umbilicata vorne mit vier in einer mit 
dem Seitenrande parallelen Reihe stehenden Punkten. Die Schultern der Flügeldecken vortretend oder 
in konvexer Kurve gerundet. — Hieher die Arten des Kaukasus, des Karpathengebirges, die Arten der 
Balkanhalbinsel mit Ausschluß der meisten Arten des ostadriatischen Litoralgebietes, Kurydice 
Schauf. und KReitteri Mill. vom litoralen Kroatien, Knauthi Ganglb. aus Südtirol und die Arten der 
Westalpen und des Apennin. Duvalius Del. 


— Die Flügeldecken in der vom Seitenrande oft abgerückten Series umbilicata vorn mit drei hinter- 
einander stehenden Punkten und innerhalb dieser Reihe mit einem weiteren, von ihr losgelösten, nach 
innen oder auch nach hinten gerückten Punkt. Selten ist dieser Punkt nicht oder nur wenig weiter 
als die übrigen vom Seitenrande entfernt, dann sind aber die Flügeldecken an den Schultern sehr 
stark abgerundet oder die Series umbilicata ist vom Seitenrande der Flügeldecken weiter abgerückt. 2 


8) 


. Die Fühler und Beine nicht von außergewöhnlicher Länge und schlanker Ausbildung. Der Kopf oval 
oder länglich oval. Die Stirnfurchen meist nach hinten und außen verlängert und die Schläfen von 
hinten umschreibend. Der Halsschild weniger schmal, seine Epipleuren normal umgeschlagen und 
nur ausnahmsweise senkrecht gestellt. — Hieher die Arten des ostadriatischen Litoralgebietes, mit 
Ausnahme von Eurydice Schauf. und Keitteri Mill. ferner Hilfi Reitt. und Apfelbecki Ganglb,, 
und viele oder vielleicht alle nicht dem Alpengebiet angehörigen Arten von Südfrankreich. 

Anophthalmus Sturm. 


— Die Fühler und Beine außerordentlich lang und schlank. Kopf und Halsschild stark in die Länge 
gezogen. Der Kopf gegen die Halseinschnürung allmählig verengt. Die Stirnfurchen nach hinten ver- 
kürzt. Der Halsschild mit senkrecht gestellten, oft sehr schmalen Epipleuren. — Hieher die Arten aus 
den Departements Ariege und Hautes-Pyrenees. Aphaenops Bonv. 


1908 bestätigt JEANNEL (Biospeologica V, 273) die Unmöglichkeit Anophthalmus und Trechus 
scharf zu trennen, will aber Aphaenops als eigene Gattung erhalten wissen, die er bloß durch die Ver- 
kürzung der Stirnfurchen gut definiert zu haben glaubt. 

Auf die Unhaltbarkeit der im JEANNEL’schen Sinne begrenzten Gattung Aphaenops wurde von mir 
1909, gelegentlich der Beschreibung eines merkwürdigen blinden Trechus aus Südsteiermark (Treulandi) 
hingewiesen. Gleichzeitig hob ich hervor, daß die Einreihung dieser neuen Art im System nach dem 
damaligen Stand der Gruppensystematik nicht gut durchführbar ist (Wien. entom. Zeitg. 1909, 276— 277). 

Die letzte Literaturangabe über die subgenerische Einteilung der blinden Trechen ist in der kürzlich 
erschienenen Arbeit von A. WINKLER (Coleopt. Rundschau, 1912, 134) enthalten. Hier wird auf eine neue 
Art aus der Krim (fauricus Winkler) die Untergattung Pseudaphaenops aufgestellt und auf die Beziehungen 
dieser neuen Untergattung zu Aphaenops, Anophthalmus, Duvalius und Trechus Treulandi hingewiesen. 

Durch die von GANGLBAUER und mir in der letzten Zeit vorgenommenen Untersuchungen sah ich 
mich veranlaßt, weitere sechs neue Untergattungen aufzustellen und die bekannten schärfer zu präzisieren. 
So werden die blinden Trechen in vorliegender Arbeit in folgende zehn Untergattungen eingeteilt: 

Duvalius, Neoduvalius (nov.), Typhlotrechus (nov.), Anophthalmus, Aphaenopsis (nov.), Aphaenopi- 
dius (nov.), Psendaphaenops, Aphaenops, Neotrechus (nov.) und Orotrechus (nov.). — Vergl. Anz. Akad. 
Wiss. Wien 1913, Sitzung vom 2. Mai. 

Die bereits von GANGLBAUER (1904) ausgesprochene polyphyletische Abstammung der blinden 
Trechen tritt dadurch immer deutlicher hervor. 

Ob die Zahl der Untergattungen noch einer weiteren Vermehrung bedarf, wird vor allem von einer 
eingehenden vergleichenden Untersuchung der westeuropäischen und amerikanischen Arten abhängen. 


14 | J. Müller, 


Die wichtigsten morphologischen Merkmale und ihr mutmaßlicher 
Wert für dıe Stammesgeschichte der blinden Trechen. 


Die Abstammung der blinden Trechen von mit Augen versehenen Formen als selbstverständlich voraus- 
gesetzt, kann man wohl annehmen, daß nicht alle blinden Formen von einer bestimmten Trechus-Art oder 
Gruppe abzuleiten sind, sondern daß die in verschiedenen Gegenden lebenden, zahllosen Anophthalmen von 
verschiedenen mit Augen begabten Vorfahren — also. polyphyletisch — durch Anpassung an das 
unterirdische Leben entstanden sind. Denn es ist nicht gut denkbar, daß eine einzige seinerzeit entstandene 
Urform nach erfolgtem Augenverlust und anderen mehr oder weniger weitgehenden Anpassungen an das 
unterirdische Leben ihr eigenartiges Milieu hätte verlassen können, um andere, oft weit entlegene Höhlen- 
gebiete zu bevölkern. Wir sind vielmehr gezwungen, uns vorzustellen, daß seinerzeit in jedem Karstgebiet 
verschiedene Trechus-Arten sich an das unterirdische Leben angepaßt und, je nach Umständen, mehr oder 
weniger stark verändert haben. : 

Daß dabei gewisse durch Anpassung an ähnliche Lebensbedingungen entstandene Merkmale bei den 
blinden Trechen verschiedener Gegenden wiederkehren, ist keineswegs auf nähere natürliche Verwandt- 
schaft, sondern auf Konvergenz zurückzuführen. 

Solche direkt oder indirekt durch Anpassung an das unterirdische Leben entstandene, also sekundär 
erworbene Merkmale sind meines Erachtens: 


1. Die Körpergröße. Arten von geringerer Größe sind, weil diesbezüglich den mit Augen versehenen 
Trechen am nächsten stehend, im allgemeinen als primitivere Formen zu betrachten. Tatsächlich sind auch 
die größten Arten unter den höher differenzierten Untergattungen Neoduvalius, Aphaenopidius, Aphaenops 
und Neotrechus zu suchen, während die kleinsten bisher bekannten blinden Trechus-Arten der auf der 
niedrigsten Entwicklungsstufe stehenden Untergattung Duvalius angehören. 


2. Grad der Augenreduktion. Hierin lassen sich innerhalb der großen Gattung Trechus alle 
erdenklichen Übergänge von den mit vollkommen entwickelten Augen versehenen Arten zu den ganz augen- 
losen Formen erkennen.! Die mit deutlicheren, oft schwach pigmentierten Augenrudimenten versehenen 
Arten sind natürlich als ursprüngliche, die mit vollkommen geschwundenen Augen als abgeleitete Formen 


zu betrachten. 


3. Die mit der Augenreduktion Hand in Hand gehende Verlängerung der Beine und Fühler. 
Formen mit kürzeren Beinen und Fühlern lehnen sich an die echten Trechen an und sind daher als phyio- 
genetisch tiefer stehend zu betrachten. Die mit abnorm langen Beinen und Fühlern versehenen Formen, so 
namentlich die pyrenäischen Aphaenops-Arten, stehen auch durch ihre sonstigen Merkmale auf der höchsten 
Differenzierungsstufe der großen Gattung Trechus. 


4. Veränderungen der Kopf- und Halsschildform. Während bei den mit. Augen versehenen 
Trechen der Kopf und Halsschild relativ kurz sind, v@rlängern sich diese Körperteile bei fortschreitender 
Anpassung an das Höhlenleben. 

Hand in Hand mit dieser Verlängerung des Vorderkörpers findet oft eine Vergrößerung des 
Kopfes auf Kosten des Halsschildes statt, so daß die extremen Formen (Aphaenopsis, Aphaenopidius, 


1 Es ist daher direkt unsinnig, wenn CSIKI auf Grund der Augenreduktion die blinden Trechen unter dem Namen Anoph- 


Ihalmus als eigene Gattung von Trechus abtrennen will (Allattanı közlemenyek, I, 1902). 


Höhlenfauma der Ostalpen und des Balkan. II. 15 


Pseudaphaenops und Aphaenops) einen abnorm großen Kopf, der die Halsschildbreite deutlich übertrifft, 
besitzen. 

Auf die ganz analogen Veränderungen bei den Höhlensilphiden und ihre Bedeutung für das unter- 
irdische Leben habe ich vor längerer Zeit hingewiesen. ! 


5. Randung der Halsschildseiten und Stellung der Epipleuren. Die Streckung des Hals- 
schildes hat eine seitliche Abplattung des Prothorax zur Folge, wodurch die Pleuralteile der Vorder- 
brust aus der ursprünglichen schrägen Lagerung nach unten und innen allmählich in die senkrechte 
Stellung gelangen. Hand in Hand damit erfährt die aufgebogene Seitenrandleiste des Halsschildes 
eine fortschreitende Reduktion, bis sie bei den Formen mit senkrechten Halsschildepipleuren (Psenda- 
phaenops und Aphaenops) fast gänzlich obliteriert und nur noch durch eine feine Randlinie abgesetzt 
erscheint. 


6. Verkürzung der Stirnfurchen. Die echten Trechen besitzen vollständige, hinten um die 
Schläfen nach außen und unten gebogene Stirnfurchen. Mit der fortschreitenden Anpassung an das Höhlen- 
leben, namentlich mit der Vergrößerung des Kopfes, obliteriert oft der apikale Teil der Stirn- 
furchen, so daß die Schläfen ohne scharfe Grenzlinie in die Halspartie übergehen. 

Diese Verkürzung der Stirnfurchen tritt als Rassenmerkmal bei einigen Formen des Trechus hirtus 
auf; als Gruppenmerkmal bei Neoduvalius und den extrem angepaßten Untergattungen Aphaenopsis, 
Aphaenopidius, Pseudaphaenops und Aphaenops. 


7. Behaarung des Körpers. Nachdem die Vertreter der mit Augen versehenen Untergattung 
Trechus s. str. einen kahlen Chitinpanzer besitzen, müssen wir die bei vielen blinden Trechen auftretende 
Pubeszenz als ein sekundäres, durch Anpassung an gewisse Lebensbedingungen der unterirdischen Fauna 
bedingtes Merkmal betrachten. R 

Die Pubeszenz der Körperbekleidung tritt uns bei den blinden Trechen in allen erdenklichen 
Abstufungen der Ausbildung entgegen und ist vielfach, weil nur äußerst fein und daher nur bei starken 
Vergrößerungen wahrnehmbar, übersehen worden. 

Vollkommen kahl sind vor allem viele Vertreter der Untergattung Duvalius, ferner Neoduvalius, 
Typhlotrechus und Neotrechus, lauter Gruppen, welche relativ wenig differenzierte Arten umfassen. Aber 
schon innerhalb der Untergattung Duvalins treten pubeszente Arten auf. Die feine, oft nur mit dem 
Mikroskop sichtbare Behaarung ist bei einigen Arten bloß auf die Schläfen beschränkt (Diwalius Oertzeni, 
Knanuthi u. a.), bei anderen ist die ganze Oberseite pubeszent (Duv. balcanicus und viele ungarische 
Diuvalius-Arten). Eine Mittelstellung nimmt Duv. pilifer ein, der am Vorderkörper kahl, auf den Flügel- 
decken deutlich abstehend behaart ist. Auch manche ungarische Duvalien sind auf den Flügeldecken deut- 
lich behaart, während am Vorderkörper nur bei starker Vergrößerung kleine, spärliche Härchen zu 
sehen sind. 

Ähnliche Verhältnisse zeigen die Vertreter der Untergattung Anophthalmus s. str. Die primitiven 
Formen dieser Gruppe (Scopolii-Verwandte) haben nur mikroskopisch sichtbare Härchen; höher ent- 
wickelte Formen, wie Mariae, sind bloß auf den Flügeldecken deutlich pubeszent; die höchst entwickelten 
Arten (hirtus und pubens) besitzen auf der ganzen Körperoberfläche ziemlich lange, schon bei mäßiger 
Lupenvergrößerung sichtbare Härchen. 

Ebenfalls abstehend pubeszent ist die hoch differenzierte Untergattung Pseudaphaenops aus der 
Krim. Andere gleichfalls hoch entwickelte Formen, wie Aphaenopidius und Aphaenopsis, zeigen jedoch 
keine deutliche Pubeszenz oder sind nur auf der Unterseite behaart. 

Man ersieht daraus, daß nicht bei allen blinden Trechen, wie in der Untergattung Anophthalmus s, str., 
die Ausbildung der Behaarung mit der morphologischen Differenzierung der übrigen Merkmale gleichen 


1 J. Müller: Beitrag zur Kenntnis der Höhlensilphiden. (Verhandl. zool. bot. Ges. Wien, 1911, p. 20-22). 


16 J. Müller, 


Schritt hält, eine Erscheinung, die uns übrigens auch bei einem Vergleich der übrigen Merkmale unter- 


einander immer wieder entgegentritt. 


8. Supraorbitalborsten. Außer der ebenbesprochenen, nicht bei allen Arten vorhandenen feinen 
Pubeszenz einzelner oder aller Körperteile treten bei den blinden Trechen mit großer Konstanz an ganz 
bestimmten Stellen längere, steifere Borsten auf, die sich teilweise schon bei den mit Augen versehenen 
Trechen vorfinden und aus eigenen, scharf markierten »Borstenpunkten« entspringen. 

So befinden sich jederseits am Kopfe zwei bis drei »Supraorbitalborsten«, so genannt, weil sie bei den 
mit Augen versehenen Formen oberhalb, beziehungsweise innerhalb der frontalen Augenbegrenzung 
gelegen sind. Inre ursprüngliche Zahl ist jedenfalls zwei; das Hinzutreten einer dritten Supraorbital- 
borste (bei Aphaenopidius und Aphaenops) ist sicherlich als eine sekundäre Neuerwerbung zu 


betrachten. 


9. Marginalborsten des Halsschildes. Wie bei den meisten Carabiden befindet sich auch bei 
den meisten blinden Trechen am Seitenrand des Halsschildes je eine vordere und hintere Marginal- 
borste. Jene ist in der distalen Hälfte, meist an der Stelle der stärksten Krümmung, diese in oder etwas. 
vor den Hinterecken des Halsschildes gelegen. 

Eine Vermehrung der Zahl der Marginalborsten habe ich nur bei gewissen hirtus-Exemplaren als 
individuelles Merkmal beobachtet. Es handelt sich in diesen Fällen um eine sekundäre Verdoppelung 
der vorderen Marginalborsten, die oft nur einseitig ausgebildet ist. 


(Die bei gewissen blinden Trechen beobachtete Reduktion der hinteren Marginalseta des Halsschildes scheint nicht vom Grad 
der Anpassung an das unterirdische Leben abzuhängen und soll daher weiter unten bei den ursprünglichen Merkmalen besprochen 
werden.) 

10. Vermehrung der Dorsalborsten der Flügeldecken. Bei den mit Augen versehenen 
Trechen und bei vielen blinden Formen sind im Verlaufe des dritten Flügeldeckenstreifens drei grübchen- 
artige Punkte vorhanden, aus denen die »Dorsalborsten« der Flügeldecken entspringen. Diese Zahl muß 
daher als die ursprüngliche betrachtet werden. Eine Vermehrung derselben auf vier bis fünf ist als ein 
sekundär erworbenes Merkmal aufzufassen, ebenso das Auftreten von Borstenpunkten auf anderen 
Streifen und Zwischenräumen der Flügeldecken (Dwvalius Winneguthi). 3 


11. Verschiebung des vordersten Punktes der Series umbilicata. Innerhalb des Seiten- 
randes der Flügeldecken, im Verlaufe des achten Streifens, befindet sich eine Reihe ungleich starker, 
borstentragender Punkte, welche bei den Carabiden als »Series umbilicata« bekannt ist. Die vier vorderen 
Punkte dieser Reihe bilden bei den Trechen eine enger zusammengehörige Gruppe, die wir im folgenden 
allein besprechen wollen. 

Bei allen mit Augen versehenen und vielen blinden Trechen (namentlich Duvalius-Arten) bilden die 
vier vorderen Punkte der Series umbilicata eine mit dem Seitenrande der Flügeldecken vollkommen 
parallele Reihe (normales, ursprüngliches Verhalten). Bei nicht wenigen blinden Arten rückt aber der erste 
Punkt der Series umbilicata weiter nach innen und hinten, so daß er vom Seitenrande der Flügeldecken 
weiter entfernt ist als der zweite. Meist verschieben sich dabei auch der dritte und vierte Punkt nach innen, 
so daß die Punkte 2, 3 und 4 eine mit dem Seitenrand der Flügeldecken nach hinten mehr oder weniger 
divergierende Reihe bilden. Die größte Verschiebung erleidet aber dabei immer der vorderste Punkt, 
der so weit nach innen und hinten rücken kann, daß seine Zugehörigkeit zur Series umbilicata nicht 
mehr ohne weiteres zu ersehen ist. 

Trotz dieser weitgehenden sekundären Lageveränderung der vorderen Punkte der Series 
umbilicata, die erst vor wenigen Jahren von GANGLBAUER richtig erfaßt und gedeutet wurde, eignet 
sich dieses Merkmal nicht gut als oberstes Kriterium zur Einteilung. der blinden Trechen, wie eben von 


1 L. GANGLBAUER: Nova aus Judicarien. (Münch. Koleopt. Zeitschr. II, 1904, 186 — 200). Vergl. speziell p. 190 — 194. 


Höhlenfauna der Ostalpen und des Balkan. II. 17 


-GANGLBAUER! damals versucht wurde. Denn erstens sind in bezug auf den Grad der Verschiebung der 
genannten Punkte alle erdenklichen Übergänge von der ursprünglichen normalen Lagerung zu der 


sekundär erworbenen vorhanden und zweitens hat sich meines Erachtens dieser Verschiebungsprozeß 
innerhalb der einzelnen natürlichen Artengruppen (Untergattungen) vollkommen unabhängig vollzogen, so 
zwar, daß er nicht überall denselben Grad der Ausbildung erlangt hat. 

Am schwierigsten wäre es danach die Vertreter der Untergattung Neotrechus einzureihen, da bei 
denselben der erste Punkt der Series umbilicata eben erst im Begriffe ist, sich aus der ursprünglichen Lage 
zu entfernen. 

Eine schöne Entwicklungsreihe, bei der sich die eben angedeutete Lageverschiebung der vorderen 
Punkte der Series umbilicata schrittweise verfolgen läßt, bilden die Arten der Untergattung Anophthalmus 
s. str, vom Scopolüi bohiniensis bis zum hirtus. 

Die größte Verschiebung erleidet der erste Punkt der Series umbilicata bei den pyrenäischen Aphae- 
nops-Arten, wo er bisweilen vom Seitenrande fast ebenso weit entfernt ist als von der Naht. 


12. Reduktion der Schultern und Verlängerung der Flügeldeckenbasis. Einige ober- 
irdische Trechus-Arten besitzen noch funktionsfähige Flügel und im Zusammenhange damit deutlich ent- 
wickelte Schulterhöcker. Da jedoch viele terricole und alle cavernicolen Trechen infolge ihrer eigenartigen 
Lebensweise der Flügel entbehren, sind bei ihnen auch die Schultern mehr oder weniger reduziert, das 
heißt flacher und breiter verrundet. 

Bei den blinden Trechen kommt aber noch ein Faktor hinzu, der auf die Gestaltung der Schultern 
einen Einfluß hat. Die Streckung, die der Kopf und Halsschild erfahren (siehe oben bei Nr. 4), bleiben nicht 
ohne Einfluß auf den Hinterkörper und speziell auf den vordersten Teil desselben, die Mittelbrust. Ähnlich 
wie bei den Höhlensilphiden (Antroherpon) verschmälert sich auch hier die Mittelbrust halsartig nach 
vorne, offenbar um dem Vorderkörper eine größere Beweglichkeit zu verleihen. Während jedoch bei den 
Höhlensilphiden die Flügeldecken an dieser Verlängerung nicht teilnehmen, werden sie bei den blinden 
Trechen in gleichem Maße als die Mittelbrust nach vorne gestreckt, so daß dadurch der basale Schulter- 
rand immer stärker abgeschrägt, ja sogar ausgebuchtet erscheint. 

Als Folgeerscheinung der Abrundung der Schultern beziehungsweise der stärkeren Basalverensung 
der Flügeldecken hat GANGLBAUFR! die Einwärtsverlagerung des vordersten Punktes der Series 
umbilicata angesehen. Daß jedoch dies nicht immer zutrifft, beweist Aphaenopidius Treulandi und Pseuda- 
phaenops tauricus, wo trotz der starken Abschrägung der Schultern der erste Punkt der Series umbilicata 
nicht oder nur wenig weiter nach innen verschoben erscheint als die folgenden. 


13.Reduktion der Flügeldeckenstreifung. Die bereits bei vielen terricolen Trechen zu beob- 
achtende Reduktion der Flügeldeckenstreifung müssen wir auch bei den cavernicolen Arten zu den 
sekundären Merkmalen rechnen. Primär sind bekanntlich bei den Trechen acht Flügeldeckenstreifen vor- 
handen. 

Diese ursprüngliche Streifenzahl kommt speziell bei einigen Duvalius-Arten (Krüperi, pilifer u. a.) 
vor. Eine mehr oder weniger weitgehende Reduktion der äußeren Streifen tritt uns schon bei vielen 
Diwalius-Arten entgegen und kommt bei allen anderen Gruppen vor; den höchsten Grad der Reduktion 
zeigen einige Aphaenops-Arten, wo auch die inneren Streifen nur äußerst schwach zu erkennen sind. 


Außer den bisher besprochenen, sekundär erworbenen Merkmalen gibt es auch solche, die sich 
keinesfalls als verschiedene Anpassungsstufen an das unterirdische Leben deuten lassen, da sie innerhalb 
gewisser Entwicklungsreihen sowohl bei den niedrig stehenden als auch bei den hoch differenzierten 
Formen unverändert auftreten, wogegen sie in anderen natürlichen Artengruppen eine gänzlich verschiedene 


1 L. GANGLBAUER: Nova aus Judicarien. (Münch. Koleopt. Zeitschr. II, 1904, 186— 200). Vergl. speziell p. 190— 194. 


> 


18 J. Müller, 


Ausbildung zeigen. Wir müssen daher diese Merkmale als ursprüngliche, bereits bei den Vorfahren der 
betreffenden Artengruppen fixierte Charaktere auffassen. 
Solche ursprüngliche »Stammesmerkmale« der blinden Trechen sind: 


1. Die Zahl der beim Z erweiterten Vordertarsenglieder. Danach zerfallen die blinden 
Trechen in zwei scharf begrenzte Gruppen. Bei der einen, welche die Untergattungen Duvalius, Neoduvalius, 
Typhlotrechus, Anophthalmus, Aphaenopsis, Aphaenopidius, Pseudaphaenops und Aphaenops umfaßt, sind 
an den männlichen Vordertarsen die zwei ersten Glieder erweitert und am inneren Apicalwinkel zahn- 
förmig vortretend. Bei der anderen Gruppe, mit den Untergattungen Neotrechus und Orotrechus, ist bloß 
das erste Glied der männlichen Vordertarsen erweitert und am inneren Apicalwinkel zahnförmig aus- 
gezogen, das zweite durchaus einfach. 

Die einzige sekundäre Veränderung, welche diese ursprünglichen Merkmale mit der zunehmenden 
Anpassung an das Höhlenleben erfahren, besteht in einer allmählichen Streckung der erweiterten Tarsal- 
glieder, welche nur eine Folgeerscheinung der allgemeinen Streckung ist, welche fast sämtliche Körperteile 
erleiden. Nachdem sich aber diese Veränderung vollkommen gleichmäßig an allen Tarsalgliedern vollzieht, 
erfährt dadurch die Zahl der erweiterten Glieder keine Veränderung. Selbst bei den höchst differen- 
zierten Formen, den pyrenäischen Aphaenops-Arten, bei denen die Tarsalglieder ebenso wie alle anderen 
Körperteile eine außerordentliche Verlängerung erfahren haben, ist die ursprüngliche Zweizahl der beim g 
erweiterten Vordertarsenglieder noch deutlich zu erkennen. 

Die mit zwei erweiterten Tarsalgliedern versehenen blinden Trechen der eiktenl Gruppe (Duvalius 
bis Aphaenops) lehnen sich diesbezüglich unmittelbar an die mit Augen versehenen Trechen an. Die blinden 
Trechen der zweiten Gruppe (Neotrechus und Orotrechus), bei denen bloß das erste Tarsalglied erweitert 
st, scheinen unter den jetzt lebenden, mit Augen versehenen Arten keine Vertreter zu haben. 


2. Die Ausbildung der hinteren Marginalborsten des Halsschildes. Unabhängig von der 
Anpassung an das Höhlenleben und daher bereits primär fixiert, scheint auch der Ausbildungsgrad der 
hinteren Marginalseta des Halsschildes zu sein. Ebenso wie die Zahl der beim Männchen erweiterten 
Vordertarsenglieder ist auch dieses Merkmal in gewissen natürlichen Artengruppen (Untergattungen) 
konstant. 

Eine normal ausgebildete hintere Marginalseta des Halsschildes besitzen die Untergattungen Duvalius, 
Neodwvalius, Aphaenopidius, Aphaenops, Neotrechus und Anophthalmus.* Durch eine weitgehende 
Reduktion der hinteren Marginalseta ist die Untergattung Orotrechus charakterisiert; durch konstantes 
Fehlen derselben die Untergattungen Typhlotrechus und Aphaenopsis. 


Die in meiner Einteilung der blinden Trechen (p. 12— 13[22—23]) herangezogenen Merkmale sind teils 
ursprüngliche Stammesmerkmale, teils durch Adaptation an das Höhlenleben sekundär entstandene 
Anpassungscharaktere. Wo es anging, habe ich natürlich in erster Linie die ursprünglichen Merkmale zur 
Abgrenzung der Untergattungen herangezogen, so vor Allem als oberstes Einteilungsprinzip die ver- 
schiedene Beschaffenheit der männlichen Vordertarsen, fernerhin den Ausbildungsgrad der hinteren 
Marginalseta des Halsschildes. Andere Untergattungen mußten jedoch durch sekundäre Anpassungs- 
charaktere definiert werden. 

Die Anwendung der sekundären Merkmale erwies sich vor allem dort als notwendig, wo dieselben 
innerhalb gewisser natürlicher Artengruppen eine verschiedene Ausbildungstendenz zeigen, so daß sich die 
betreffenden Artengruppen nicht voneinander ableiten lassen. 


1 Nur bei einer Anophthalmus-Art (pubens Bed.) scheinen beide Marginalborsten des Halsschildes zu fehlen, was vielleicht 


als eine sekundäre Reduktion zu deuten ist. 


Höhlenfauna der Ostalpen und des Balkan. II. 19 


Als Beispiel hiefür mögen die Untergattungen Anophthalmus s. str. und Aphaenopidius angeführt 
werden. Letztere erweist sich in bezug auf die Ausbildung gewisser Merkmale (Verkürzung der Stirn- 
furchen, Größe des Kopfes, Zahl der Supraorbitalborsten, Länge der Beine und Fühler etc.) als höher ent- 
wickelt als die Anophthalmus-Arten. Da jedoch der erste Punkt der Series umbilicata bei Anophthalmaus 
die Tendenz zeigt, sich nach innen zu verschieben, bei Aphaenopidius hingegen in der ursprünglichen 
Stellung verbleibt, kann man den letzteren unmöglich als ein hoch differenziertes Glied der Anophthalmus- 
Serie auffassen und wird ihn daher am besten als eine eigene Untergattung betrachten. 

Wenn wir das von mir nach diesen Gesichtspunkten entworfene System der blinden Trechen mit der 
geographischen Verbreitung der einzelnen Untergattungen vergleichen, so müssen wir von fol- 
senden allgemeinen Gesichtspunkten ausgehen: 

a) Je niedriger die Entwicklungsstufe einer Tiergruppe ist, desto größer ist gewöhnlich 
ihre geographische Verbreitung. 

b) Hoch spezialisierte, extrem und einseitigangepaßte Gruppen sind imallgemeinen auf 
kleinere Faunenbezirke beschränkt. 

Diesen Anforderungen der Tiergeographie entsprechen nun in der Tat die von mir angenommenen 
Untergattungen. Das größte Verbreitungsgebiet hat nämlich die Untergattung Duvalius, die sich am 
wenigsten von den mit Augen versehenen Trechen entfernt. Das Verbreitungsgebiet der Duvalius-Arten 
reicht von Südfrankreich über Norditalien, den Apennin und die Insel Sizilien bis nach Nordafrika, andrer- 
seits über die Ostalpen, den Karst, einen Teil der Karpathen und der Balkanhalbinsel bis in den Kaukasus. 

Die übrigen Untergattungen sind durchwegs auf kleinere Gebiete beschränkt, wie nachfolgende 
Zusammenstellung zeigt: 


Neoduvalius: Kroatisches Litorale (Lika-Krbava) und Nordwest-Bosnien. 

Typhlotrechus: Karstgebiet von Krain, dem Küstenlande, Kroatien und Nord-Dalmatien, südlich bis 
zur Zermanja. 

Anophthalmus: Südsteiermark (Sanntaleralpen), Kärnten (Karawanken und Dobratsch), Krain, Küsten- 
land und der nördliche Teil von Kroatien. 

Aphaenopsis: BjelaSnica planina im bosnisch-herzegowinischen Grenzgebiet. 

Aphaenopidius: Südsteiermark (Sanntaleralpen). 

Psendaphaenops: Krim. 

Aphaenops: Pyrenäen. 

Neotrechus: Zentral- und süddalmatinische Gebirge, Montenegro, bosnisch-herzegowinisch-montene- 
grinisches Grenzgebiet. Eine Art auch im Velebit. 


Orotrechus: Venezianer Alpen und Colli Berici, Südtirol, Triester Karst und Krain. 


Auf Grund obiger Erwägungen über den Wert der einzelnen Merkmale und die geographische Ver- 
breitung der einzelnen Untergattungen stelle ich mir die Phylogenie der blinden Trechen etwa 
folgendermaßen vor: 

Wir haben es vor Allem mit zwei ursprünglich getrennten Entwicklungsgruppen zu tun, 
deren eine (mit zwei erweiterten Gliedern an den männlichen Vordertarsen) von verschiedenen Vertretern 
der eigentlichen, mit Augen versehenen Trechen abzuleiten ist, während die andere (mit einem einzigen 
erweiterten Tarsalglied) unter den jetzt frei lebenden Trechen keine Vertreter zu haben scheint. 

Die an verschiedenen Orten heterophyletisch zunächst entstandenen, am wenigsten modifizierten 
Abkömmlinge der ersten Gruppe sind unsere zahlreichen, weit verbreiteten Duvalius-Arten. Als ein einseitig 
höher entwickelter, kleiner Zweig der Duvalius-Gruppe ist die Untergattung Neoduvalius aufzufassen. 


1 In diesem Erdteil erst in neuester Zeit durch die Entdeckung des Duvalius Jurjurae Peyerimh. im Djurdjura-Gebirge 
(Kabylie, Nordafrika) nachgewiesen. Zeigt Beziehungen zur Gruppe des Trechus fulvus Dej. (Vergl. PEYERIMHOFF, Bull. Soc, 
entom. France, 1910, 149.) 

Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC. Bd. 4 


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"UOoy99AL uopumg d9p SruadoLkyug 


Höhlenfauma der Ostalpen und des Balkan. 11. 21 


Die übrigen Untergattungen der ersten Gruppe sind unabhängig voneinander entstandene, meist hoch 
über das Duvalius-Stadium hinaus differenzierte Entwicklungsreihen, von denen oft nur die Endglieder 
bekannt sind. Fine Ausnahme bildet die Untergattung Anophthalmaus s. str, bei der sich neben hoch ent- 
wickelten Formen (wie hirtus und pubens) auch sehr niedrig stehende, terricole Formen (bohiniensis, 
Weberi usw.) erhalten haben. 

Die Arten der zweiten Gruppe (mit einem erweiterten Tarsalglied beim 5) zerfallen in zwei sehr 
frühzeitig divergierende, vielleicht von vorneherein getrennte Serien: Die eine, Neofrechus, hat ihr Ent- 
wicklungszentrum im südillyrischen Karstgebiet, die andere, Orotrechus, am Südfuß der Ostalpen und ihrer 


Vorlagen. 
Beiliegendes Entwicklungsschema (p. 10 [20]) möge diese' Verhältnisse besser veranschaulichen. 


Diagnosen neuer Trechus-Formen. 


Verfaßt vom Regierungsrat L. GANGLBAUER. 1 


1. Trechus (Anophthalmus) Bilimeki subsp. nov. Hauckei Ganglb. 


Von der Größe des typischen Bilimeki Sturm. Der Halsschild wie bei subsp. Zergestinus J. Müll. mit 
stumpfen oder etwas abgerundeten Hinterecken, jedoch die Flügeldecken ihre Maximalbreite weiter hinten 
erreichend, gegen die Spitze weniger verengt und die Schultern im Allgemeinen weniger stark abgeschrägt 
als bei Zergestinus. 

Länge: 7 bis 8 mm. 

In der Höhle von Luegg und in der Graf Falkenhayn-Höhle bei Laze von Herrn Ober- 
förster A. HAUCKE, in der Kreuzberg-Höhle bei Laas von Herrn Dr. E. KNIRSCH gesammelt. 


2. Trechus (Anophthalmus) hirtus subsp. nov. Micklitzi Ganglb. 


Durch relativ kleinen Körper mit dem typischen hirtus Sturm übereinstimmend, jedoch von diesem 
durch vorne stärker gerundeten Halsschild, breiteren Kopf, stärker gerundete Schläfen, vor allem aber 
durch die an der Spitze tief stumpfwinkelig ausgeschnittene und dadurch deutlich zweispitzige Ligula des 
Penis differierend. 

Länge: 6 mm. 
In der Grotte bei Radmannsdorf in Oberkrain von MICKLITZ und Franz TAX gesammelt. 


3. Trechus (Anophthalmus) hirtus subsp. nov. Aidovskanus Ganglb. 


Von der Größe des typischen hirtus und der subsp. Micklitzi, jedoch die Stirnfurchen nach hinten 
undeutlich. Von Micklitzi außerdem durch etwas längeren, nach hinten stärker verengten Halsschild ver- 
schieden. Die Ligula des Penis an der Spitze abgestutzt und sehr seicht ausgerandet. 

Länge: 6 mm. 

Ein einziges Exemplar wurde von Herrn Dr. Fritz NETOLITZKY in der Höhle bei Bründl nächst 
Gurkfeld in Unterkrain aufgefunden. In derselben Höhle kommt die Bathyscia Freyeri Netolitzkyi 
J. Müll. vor. 


1 Um meinem verstorbenen Freunde die volle Priorität über die von ihm beschriebenen neuen Formen zu wahren, soll gleich 
an dieser Stelle der Wortlaut seiner Diagnosen zum Abdruck gelangen. Als Autor dieser Formen ist daher GANGLBAUER zu 


zitieren. 


[ö8) 
D&D 


J. Müller, 


4. Trechus (Anophthalmus) hirtus subsp. nov. istrianus Ganglb. 


Ebenfalls von der Größe des typischen hirtus, jedoch der Kopf breiter, die Schläfen stärker backen- 


artig erweitert, der Halsschild etwas kürzer ung breiter, die Flügeldecken breiter, gewölbter und seitlich 
stärker gerundet. Die verjüngte Apicalpartie des Penis länger ausgezogen, die Ligula kurz, breit abgerundet. 


Länge: 55 bis 6 mm. _ 
In der Dimnice-Grotte bei MarkovSina in Istrien von Dr. Josef MÜLLER und Hans v. KREKICH- 


STRASSOLDO entdeckt. ! 


| 


Übersicht der Untergattungen. ° 


. An den Vordertarsen des Z auch das zweite Glied mehr oder weniger erweitert und am inneren 


Apicalwinkel zahnförmig vortretend. Selten sind die Vordertarsen bei beiden Geschlechtern fast 
gleichartig ausgebildet, dann (Subgen. Aphaenops) sind aber Körper, Fühler und Beine außerordent- 
lich lang und die Epipleuren des Halsschildes senkrecht gestell? 2 7 2 A 


An den Vordertarsen des ZJ' nur das erste Glied erweitert und am inneren Apicalwinkel zahnartig 
vortretend . “Ana mn pe En ehe keep er nee ee 


. Die hintere Marginalseta des Halsschildes normal ausgebildet (nur bei einer, deutlich behaarten 


Art. scheint sie'zu fehlen). . ... ==. ur. sun el a 


Die hintere Marginalseta des Halsschildes fehlend. Oberseite des Körpers glänzend und kahl . . 8 


. Halsschild weniger schlank, mehr oder weniger herzförmig, mit deutlich aufgebogenem Seitenrand 


und schräg nach unten und innen gerichteten, von oben nicht sichtbaren Epipleuren ..... 4 


Halschild schlank, länglich, ohne deutlich aufgebogenen, nur durch eine feine Randlinie abgesetzten 
Seitenrand und senkrecht gestellten, auch von oben sichtbaren Epipleuren. Beine und Fühler außer- 
ordentlich Tang und schlank 2. "ER TEN Me NN SR Se 


. Kopf mit zwei Supraorbitalborsten . 2 0. 2 Se Le 


Kopf auffallend groß, mit drei Supraorbitalborsten und abgekürzten Stirnfurchen. Aphaenops-artiger 
Habitüs : ©. ea se 2 San na en an ee ne ee en 0, AD AED u 


. Der erste Punkt der Series umbilicata vom Seitenrande der Flügeldecken nicht weiter entfernt als 


der zweite 0.0 2 Nena a ee ee Et; 


Der erste Punkt der Series umbilicata nach innen gerückt, vom Seitenrande weiter entfernt als der 
zweite, bei den extremen Formen innerhalb und hinter dem zweiten gelegen. 
4. Anophthalmus Sturm. 


. Stirnfurchen vollständig. . ». 22». son. see ee ee Da Be 


Stirnfurchen hinten verkürzt . . ©» sn. 2... nun ea. 2 Neoduyzalı ie ia 


. Der erste Punkt der Series umbilicata vom Seitenrande der Flügeldecken nicht abgerückt. Körper 


dicht abstehend behaart . » - u ne 0 un mu ne anna 2. Pseudaphaenopsarnd 


Der erste Punkt der Series umbilicata weit nach innen gerückt . . . . . „8. Aphaenops Bonv. 


1 Eine fünfte von GANGLBAUER in litteris beschriebene Form (hirtus Stilleri aus der Höhle von Lokve in Kroatien) wurde 


kurz nach dessen Tode von CSIKI (Ann. Mus. Nat. Hung.) unter dem Namen hirtus Kerleszi Csiki veröffentlicht, „obwohl Herr 


CSIKI 


vorbeh: 


aus der Literatur hätte ersehen können, daß sich GANGLBAUER die Beschreibung derselben unter einem anderen Namen 


alten hat (vgl. Deutsche entom. Zeitschr. 1911, 472). 


2 Über die während des Druckes beschriebene Untergattung Scotoplanetes Absolon vergleiche den Anhang, p. 87 [97]. 


[&) 


Höhlenfauma der Ostalpen und des Balkan. II. 


8. Stirnfurchen vollständig. Kopf schmäler als der Halsschild. Unterseite nicht pubeszent. 
3. Typhlotrechus J. Müll. 

—  Stirnfurchen hinten abgekürzt. Kopf breiter als der Halsschild. Unterseite dicht behaart. 
5. Aphaenopsis J. Müll. 
9, Hintere Marginalseta des Halsschildes normal entwickelt. Mittelgroße oder sehr große Arten aus dem 
DES SNenEeirsteeDie ee ee ac. 9, Nentrechus ). Müll. 
— Hintere Marginalseta des Halsschildes rudimentär oder fehlend. Kleine Arten aus den südlichen 
BeikalpeununekdemEwarste ee 2. 102 Orotrechus ).. Müll, 


1. Untergattung Duvalius Delar. 1859. 
Typus: Trechus (Duvalius) Raymondi Del. 


Allgemeine Merkmale. Kopf mit vollständigen Stirnfurchen und zwei Supraorbitalborsten. 

Halsschild quer oder herzförmig, mit deutlich abgesetzten, aufgebogenen Seitenrändern und schräg 
nach unten und innen gerichteten Epipleuren. Die vordere und hintere Marginalseta normal entwickelt. 

Flügeldecken mit stark konvexem oder etwas abgeschrägtem Schulterrand, in letzterem Falle die 
Schulterecke breit verrundet. 

Der erste Punkt der Series umbilicata vom Seitenrande nicht weiter entfernt als der zweite, der 
vierte vom dritten nicht weiter abgerückt als der dritte vom zweiten. An den männlichen Vordertarsen die 
zwei ersten Glieder erweitert und am inneren Apicalwinkel zahnförmig vortretend. 

Kleine oder mittelgroße Arten mit kurzen oder mäßig langen Beinen und Fühlern. 


Begrenzung. Ich fasse die Untergattung Duvalius im allgemeinen im GANGLBAUER’schen Sinne 
auf, jedoch mit Ausschluß der Zurydice-Reitteri-Gruppe aus der Lika und Nordwest-Bosnien und mit 
Einbeziehung des Anophthalmus lucidus aus Dalmatien. 

Es gehören somit bisher alle blinden Trechen des Kaukasus, des Karpathenzuges und der Biharer 
Berge, der Balkanhalbinsel mit Ausschluß etlicher Arten des illyrischen Gebietes, ferner Knauthi und 
Ghidinii aus den südl. Kalkalpen sowie die Arten der Westalpen, des Apennin und Nordafrikas (Djurdjura- 
gebiet). 


Bestimmungstabelle der Arten. 


1. Sehr kleine oder mittelgroße Arten von 3 bis 6 mm Länge. Fühler und Beine kurz oder mäßig lang. 
Das vierte Fühlerglied deutlich kürzer als das dritte-und nicht oder nur wenig länger als das zweite. 
Hinterschenkel, wenn nach hinten gezogen, das Körperende nicht oder kaum überragend. Flügel- 
decken gegen den Seitenrand stärker herabgewölbt, hinter der Basis nur bei wenigen Arten einge- 
drückt, sonst meist gewölbt, an der Naht nie dachförmig vortretend und stets mit einem deutlichen, 
furchenartig vertieften, außen fältchenartig begrenzten, umgebogenen Ende des Nahtstreifens! .2 


— Größere, 5:5—6'5 mm lange Art vom Parnaß mit längeren Beinen und Fühlern. Das vierte 
Fühlerglied kaum kürzer als das dritte und mehr a's anderthalbmal so lang als das zweite. Die 
Hinterschenkel überragen, wenn nach hinten gezogen, um ein gutes Stück das Hinterleibsende. Die 
Flügeldecken breit, vollständig gestreift, gegen den breit aufgebogenen Seitenrand nur sehr 
flach gewölbt, hinter der Basis mit einem großen, dreieckigen Eindruck, an der Naht, gegen 
die Spitze, meist deutlich dachförmig erhoben. Das für gewöhnlich als das »umgebogene Ende 
des Nahtstreifens« bezeichnete, furchenartig vertiefte Endstück des fünften Dorsalstreifens 
meist nicht deutlich hervortretend, das heißt von den übrigen im Apikalteil der Flügeldecken 


1 Das in der Literatur so oft genannte »umgebogene Ende des Nabtstreifens« ist eigentlich der furchenartig vertiefte und längs 
des Spitzenrandes der Flügeldecken in den Nahtstreif einmündende Apicalteil des fünften Dorsalstreifens. Doch will ich 
aus praktischen Gründen die alte Bezeichnung beibehalten. 


ID 


6. 


J. Müller, 


befindlichen Streifen kaum verschieden. Die Maximalbreite des Halsschildes sehr 
weit nach vorn gerückt, etwa im apikalen Fünftel oder Sechstel der Halsschildlänge 
gelegen .....4 self nekvegteit.k betreuen ellessndinertsinen pe ET eG RI 


. Die vier vorderen Punkte der Series umbilicata bilden eine mit dem Seitenrande der Flügeldecken 


parallele Reihe. Die Flügeldecken unmittelbar hinter der Basis gewölbt, der Schulterrand in stark 
konvexer Kurve gerundet oder schwach abgeschrägt. Das erste Glied der männlichen Vordertarsen 
etwa so lang als breit (ob auch bei Winneguthi und treskavicensis?) . . . ». - » 2.222.998 


Die vier vorderen Punkte der Series umbilicata bilden eine mit dem Seitenrande nach hinten diver- 
gierende Reihe. Flügeldecken unmittelbar hinter der Basis etwas verflacht oder mehr oder weniger 
eingedrückt. Der Schulterrand flacher verrundet oder deutlich abgeschrägt. Das erste Glied der 
männlichen Vordertarsen länglich (ob auch bei maglajensis?) 2» 2 2... un Sr 


. Sehr kleine Art von 3 mm Länge, mit sehr kurzen Fühlern, das achte und neunte Fühlerglied nur 
kurz oval, wenig länger als breit. Das umgebogene Ende des Nahtstreifens kontinuierlich in den 
fünften Dorsalstreifen übergehend. — Türkei (Belgraderwald bei Konstantinopel) 1. tureicus Friv. 


Meist erheblich größere Arten von 3’4—6 mm Länge. Fühler länger, das achte und neunte Glied 
selbst von der Breitseite betrachtet, länglich, mindestens doppelt so lang als breit. Das umgebogene 
Ende des Nahtstreifens scharf ausgeprägt, nicht allmählig in den fünften Dorsalstreifen über- 


gehend . 2 RBAREIEREZ ANFITOSTER BEARSESRENIIST PEST NEE INN U BEREIST NE Fee 
. Flügeldeceken außer den normalen Borstenhaaren kahl 2 zn) 
Flügeldecken außer den normalen Borstenhaaren dicht abstehend behaart. . . . . 2.2... 11 
. Flügeldecken nur im dritten Zwischenraume mit drei bis vier borstentragenden Punkten . . . . 6 
Flügeldecken im dritten, fünften und siebenten Zwischenraum mit borstentragenden Punkten. Länge: 
9:4—5'6 mm. — Südost-Bosnien (Romanja planina). . . . . » .. .. 10. Winneguthi Apfb.! 
Im Verlaufe des dritten Streifens nur drei Borstenpunkte” 7 2 2.2 er 


Im Verlaufe des dritten Streifens befinden sich vier Borstenpunkte. Nur die drei bis vier inneren 
Dorsalstreifen der Flügeldecken erkennbar, die äußeren vollständig erloschen. Länge etwa 45 mm. 
— Montenegro (Durmitor, hochalpin) . . ». . a 2... 2.2, ..9 durmıtoreus Non: 


. Flügeldecken viel stärker und vollzähliger gestreift, wenigstens die zwei innersten Streifen stark 


vertieft, der dritte und vierte meist feiner und seichter, aber noch sehr deutlich sichtbar. Schläfen 
kahl, selten (bei Knauthi) äußerst fein behaart, dann aber der Halsschild auch in der Mitte deutlich 


Benetzt .. „en Zar ee ee ae a ee a 


Nur der erste (innerste) Flügeldeckenstreifen deutlich vertieft, der zweite bereits sehr fein, durch 
eine teilweise obsolete, kaum vertiefte Linie angedeutet, vom dritten und vierten nur ganz schwache 
Spuren vorhanden. Schläfen fein abstehend behaart; Halsschildscheibe spiegelglatt. Länge: 4 mm. — 
Griechenland (Parnaß).! „anidseneb. ERBE san U EBEN NINE MOELEZESERBETNN 


. Der vordere Borstenpunkt am dritten Flügeldeckenstreifen vom Basalrand der Flügeldecken weiter 
entfernt als vom Nahtrand. Augenrudimente nicht deutlich, nur bei genauer mikroskopischer Unter- 
suchung und einer bestimmten Beleuchtung erkennbar. Halsschild quer, vor den kleinen, nicht vor- 


, Hieher auch: 11. Trechus (Duvalius) Kautianus Apfb., aus Süidost-Bosnien (Banja stijena). Mir in natura unbekannt. 


Über die Unterschiede gegenüber Winneguthi siehe p. 22 [32] und 86 [96]. 


10. 


Late 


12. 


13. 


14. 


Höhlenfauma der Ostalpen und des Balkan. II. 25 


springenden Hinterecken nur sehr schwach ausgeschweift. Schläfen mit feinen, nur bei sehr starker 
Vergrößerung sichtbaren Härchen. Länge: 3’3—3°5 mm. — Südtirol (Monte Pari). 
2. Knauthi Ganglb. 


’ 


Der vordere Borstenpunkt am dritten Flügeldeckenstreifen weniger weit nach hinten verschoben, 
vom Basal- und Nahtrand etwa gleichweit entfernt. Augenrudimente deutlich, als weißliche, oft 
schwärzlich umrandete Feldchen sichtbar. Hinterecken des Halsschildes spitz vortretend. Schläfen 
Er ee a a se en a een lie ale seen tac da ed 


. Arten mit breiteren, länglich-ovalen Flügeldecken und weniger stark herzförmigem Halsschilde . 10 


Schlankere Art mit viel längeren Flügeldecken, dieselben etwa doppelt so lang als breit. Halsschild 
sehr stark herzförmig, vor den lang abgesetzten, spitz vortretenden Hinterecken ziemlich stark 
ausgeschweift. Augenrudimente ziemlich schmal und quer. Länge: 3°8--4'2 mm. — Herzego- 
wina und Südost-Bosnien (Velez planina, Volujak, Maglic) . . . . . . ..8. Speiseri Ganglb. 


Augenrudimente sehr deutlich und relativ groß, oval, mit schwarzen Rändern. Flügeldecken etwas 
flacher, kräftiger punktiert, gestreift, mit drei sehr starken Borstenpunkten im Verlaufe des dritten 
Dorsalstreifens. Fühler schlanker, Kopf hinten deutlich backenartig erweitert. Länge: 4:5 mm. — 
BEdnErEle a VaneSe)e m sehe ent cn Afecttraren dunsı erathnett nenn: 6: Ghidinüi.Gestro, 


Augenrudimente mehr in die Quere gezogen, schmäler und daher undeutlicher. Flügeldecken etwas 
gewölbter, feiner gestreift, mit drei viel feineren Borstenpunkten am dritten Dorsalstreifen. Fühler 
kürzer, Kopf hinten nicht deutlich backenartig erweitert. Länge: 4:5 mm. — Südost-Bosnien 
WERESkaviealplanıma)e garen 2 2 en 1 anne el eu, Gtreskäaviicensis Ganglb. 


Vorderkörper kahl. Flügeldecken vollständig gestreift. Länge: 4:8—5 mm. — Süd-Bosnien 
eelasııca, Breskayiea- und Visociea planina) . . . ..n..n..n22.. 2.8 pilfer Ganglb. 


Auch der Vorderkörper abstehend behaart. Die äußeren Flügeldeckenstreifen erloschen. Länge: 
4 mm. — Bulgarien (Hoher Balkan). (Ex Apfelbeck) . . . . . ........ 4. balcanicus J. Friv. 


Flügeldecken vollzählig, innen sehr kräftig gestreift. Der dritte und vierte Dorsalstreif vereinigen sich 
am vorderen und mittleren im Verlaufe dieser Streifen befindlichen Borstenpunkte. Schulterrand 
wenig abgeschrägt, die Schultern in stark konvexer Kurve gerundet. Das umgebogene Ende des 
Nahtstreifens nicht über das Niveau des präapikalen’ Borstenpunktes der Flügeldecken verlängert. 
Länge: 4:7 bis 5 mm. — Nord-Bosnien (Maga) . . . ......... 12. maglajensis Apfb. 


Flügeldecken mit viel feineren, außen erloschenen Punktstreifen. Der dritte und vierte Dorsalstreif 
der Flügeldecken sind wenigstens am mittleren Borstenpunkt nicht vereinigt. Schultern breiter ver- 
rundet oder deutlicher abgeschrägt. Hieher drei nahe verwandte Arten aus Dalmatien . . . . . 183 


Kopf hinten nicht backenartig erweitert, mit langen Fühlern. Halsschild vor der Mitte nur sehr 
schwach gerundet erweitert, die Scheibe auch in der Mitte mit schmal quermaschiger Retikulierung. 
Die Flügeldeckenbasis deutlich eingedrückt, der Schulterrand in flachem Bogen abgeschrägt. 
Länge: 4:5—6 mm. — Mittel-Dalmatien (Dugopolje, Labin).. . . . . . . 13. Novaki J. Müll. 


Kopf hinten deutlich backenartig erweitert, mit etwas kürzeren Fühlern. Halsschild deutlich herz- 
förmig, vor der Mitte viel stärker gerundet-erweitert. Schulterrand gegen die Basis fast geradlinig 
AuBeVehracen ale es nah ai. mals tik ah eh. 14 


Größer, 5—5°3 mm lang. Der Halsschild auch in der Mitte eng quermaschig genetzt. Der zweite, 
dritte und vierte Punkt der Series umbilicata vom Seitenrande weniger abgerückt. — Mittel- 
datmaibien (Mosorgebirge) AN W a I En. enserlen. Tl Netolitzkyi,J. Müll. 


J. Müller, 


14. Kleiner, 4 — 4°3 mm lang. Halsschild in der Mitte auch bei mikroskopischer Betrachtung spiegel- 


glatt, an den Seiten genetzt, jedoch die Maschen weniger stark in die Quere gezogen. Der zweite, 
dritte und vierte Punkt der Series umbilicata weiter nach innen gerückt und mit dem Seitenrande 
deutlicher divergierend. — Mittel-Dalmatien (Insel Brazza) . ... ... .15. lucidus J. Müll, 


Um die Bestimmung der Duvalius-Arten zu erleichtern, habe ich noch folgende Tabelle nach prakti- 


schen Gesichtspunkten, ohne Rücksichtnahme auf natürliche Verwandtschaft, zusammengestellt: 


Ile 


[&) 


| 


(do) 


— 


Kleinste Art von 3 mm Länge mit sehr kurzen Fühlen . 2 2... 22.2.2 treieasikrı,. 


Größere Arten von 3-3—6-5 mm Länge mit längeren Kühlern 7 22,2 Yen er 
. Flügeldecken abstehend behaart „41. HIN, RR Far SIEIRION EIN ER 
Flügeldecken kahl. :, a... nun ma ee LA N) 1 
. Auch der -Vorderkörperbehaart , . sv... 0. 20 a A Dale 
Nur die Flügeldeekensbehaart ur... want Yaape Telen lin alle a pilkenerae 
. Flügeldecken im dritten, fünften und eventuell auch im siebenten Zwischenraum mit borstentragen- 
den Punkten 3... 20121. Wels Aner aslernrin ln n 10., Winnesuthi, und dl gRaukannse 
Flügeldeckennurim’dritten, Zwischenraum mit Botstenpunkten 2 u. 1 
. Im dritten Zwischenraum mit vier Borstenpunkten . . . . . ........9. durmitorensis Apfb. 
Im dritten Zwisehenraum mit drei Borstenpunkten 2 ne 


. Der dritte und vierte Dorsalstreif der Flügeldecken am vorderen und mittleren Borstenpunkt ver- 


EIMISE. 200 ee ee ee ee A U Ze 
Der dritte und vierte Dorsalstreif der Flügeldecken wenigstens am mittleren Borstenpunkt nicht 
vereimist . . nn ee ee en Sn Tel 2 BR 
. Kleinere Arten von höchstens 4° 5 mm... 2 un > 
Wenigstens 5m. lange Arten. ., „yr.rsl ware, ae lud den len ee ee 


. Die vier ersten Punkte der Series umbilicata dem Seitenrande stark genähert und mit diesem parallel 


laufende 7 0m. we an ER ANIE EEE = RT RE 3 RE A |) 


Die vier ersten Punkte der Series umbilicata vom Seitenrande weiter entfernt und mit diesem nach 
hinten deutlich divergierend.+. 1. amt. nat. Tas rate Ss loser HR 


. Wenigstens die vier bis fünf ersten Dorsalstreifen der Flügeldecken ausgebildet . . . . ...10 


Außer dem deutlich vertieften Nahtstreif nur noch ein bis zwei Dorsalstreifen schwach angedeutet. 
Schläfen fein behaart. Halsschildscheibe in der Mitte nicht genetzt . . . . „3. OertzeniLl. Mill. 


. Kleine Art aus Südtirol mit querem, vor den kleinen, rechtwinkeligen Hinterecken nur schwach aus- 


geschweiftem Halsschild. Der vordere Borstenpunkt am dritten Flügeldeckenstreifen vom Basalrand 
der Flügeldecken weiter entfernt als vom Nahtrand. Schläfen mikroskopisch fein behaart. Länge 3°3 
bis 8-5 mmas\. ach usa hrtetertle]he Friesen Beeren Serial © Die sraetaBe m 2 ISHITICHNEE TE 


Größere Arten mit deutlich herzförmigem, vor den spitzen Hinterecken deutlicher ausgeschweiftem 
Halsschild. Erster Punkt am dritten Dorsalstreifen weiter vorn gelegen. Schläfen kahl... ... 11 


. Schlanke Art von 3':8—4'2 mm Länge aus der Herzegowina und Süd-Bosnien. Halsschild sehr - 


stark herzförmig; Flügeldecken etwa doppelt so lang als breit . . . . . ...8, Speiseri Ganglb. 


Höhlenfauna der Ostalpen und des Balkan. II. 27 


—  Breitere und größere Arten mit weniger stark herzförmigem Halsschild. Länge: 45 mm. . . .12 


12. Augenrudimente sehr deutlich, oval, mit schwarzen Rändern. Flügeldecken kräftig punktiert gestreift, 
mit drei sehr starken Borstenpunkten im dritten Zwischenraum. — Lombardei 6. Ghidinii Gestro. 


—  Augenrudimente undeutlicher, schmal. Flügeldecken feiner punktiert gestreift, mit drei viel feineren 
Borstenpunkten im dritten Zwischenraum. — Südost-Bosnien . . . . 7. trescavicensis Ganglb. 


13. Flügeldecken vollzählig gestreift. Maximalbreite des Halsschildes etwa im vorderen Fünftel oder 
Sechstel der Halsschildlänge gelegen. Länge: 5°5 bis 6'5 mm. — Parnass . 16. Krüperi Schaum. 


— Flügeldeckenstreifen nach außen feiner werdend oder erloschen. Maximalbreite des Halsschildes 
etwa im vorderen Drittel gelegen. Länge: 4:5 bis 6 mm. — Mittel-Dalmatien . . ......14 


14. Kopf hinten backenartig erweitert. Halsschild herzförmig, vorne stärker gerundet 
14. Netolitzkyi J. Müll. 
— Kopf hinten nicht backenartig erweitert. Halsschild vorne viel schwächer gerundet 
13. Novaki J. Müll. 


1. Trechus (Duvalius) turcicus Friv. Termesz. Füz., IV, 1880, 261; Apfelbeck, Käferfauna Balk. 
I, 1904, 137. 


Die kleinste in unserem Gebiet vorkommende blinde Trechus-Art. Rötlich gelb, glänzend. Der Kopt 
etwas schmäler als der Halsschild; die Schläfen mikroskopisch fein abstehend behaart. Der Halsschild 
herzförmig, im vorderen Drittel gerundet erweitert und daselbst etwas breiter als lang, vor den Hinterecken 
deutlich ausgeschweift, letztere scharf rechteckig. Die Flügeldecken etwa 1?/, so breit als der Halsschild, 
länglich, an den Seiten wenig gerundet, etwas hinter der Mitte am breitesten; der Schulterrand kaum 
abgeschrägt, daher die Schultern sehr weit nach vorne gerückt, jedoch nicht eckig vortretend, sondern 
ziemlich breit verrundet. Der vordere Borstenpunkt am dritten Dorsalstreifen vom Basal-, Naht- und Seiten- 
rand ziemlich gleichweit entfernt, der mittlere sehr klein, in oder knapp hinter der Flügeldeckenmitte gelegen. 
Die Dorsalstreifen bis zum sechsten erkennbar, dieser allerdings sehr fein, der siebente fast spurlos 
erloschen. — Länge: 3 mm (nach APFELBECK 2°8 bis 3 mm). 

Vorkommen. Türkei (Belgrader Wald bei Konstantinopel; Merkl). Mir lagen zur Untersuchung 
zwei übereinstimmende Stücke vor, eines aus dem Wiener Hofmuseum mit der Bezeichnung » Turcia 
Merkl 1883«, das andere aus der Stierlin’schen Sammlung (jetzt coll. Leonhard), ohne nähere Fundorts- 
angabe. 


2. Trechus (Duvalius) Knauthi Ganglb. Münch. Koleopt. Zeitschr., II, 1904, 189 bis 190. — Subsp. 
serianensis Breit. Entom. Mitteil. II, 1913, 12. 


Klein, rötlich- oder bräunlichgelb, ziemlich langgestreckt. Der Kopf wenig schmäler als der Halsschild. 
Die an der Fühlerwurzel beginnenden Seitenrandleisten der Stirn nach hinten schwach divergierend und 
bis zum Niveau des großen vorderen Supraorbitalpunktes reichend. Die Fühler etwas über die Körpermitte 
nach hinten reichend, ihr drittes Glied kaum länger als das leicht verdickte Basalglied, das zweite Glied 
wenig kürzer als das dritte und etwa ebenso lang als das vierte. Die beiden vorletzten Glieder gut andert- 
halbmal so lang als breit. Der Halsschild quer, im vorderen Drittel in mäßiger Krümmung erweitert, nach 
hinten bis zu den kleinen scharf rechtwinkeligen Hinterecken fast geradlinig verengt. Die Flügeldecken 
länglich, seitlich schwach gerundet, hinter der Mitte am breitesten, mit nicht vortretenden, mäßig stark 
verrundeten Schultern. Die inneren Dorsalstreifen ziemlich stark vertieft, die äußeren nur sehr schwach 
angedeutet oder fast ganz erloschen. Der vordere Borstenpunkt am dritten Streifen etwa am Ende des 


Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC. Bd. ° 


28 J. Müller, 


basalen Fünftels, der mittlere etwa in der Flügeldeckenmitte gelegen. Das umgebogene Ende des Naht- 
streifens das Niveau des Präapicalpunktes der Flügeldecken nicht oder wenig überragend. — Länge: 
3'3 bis 3°5 mm. | 

Nach GANGLBAUER mit Trechus strigipennis Kiesw. vom Monte Rosa zunächst verwandt. Von 
diesem durch den gänzlichen Mangel der Augen, geringere Größe und schmälere Körperform, etwas kürzere 
und schlankere Fühler, etwas schwächere Basaleindrücke des Halsschildes, schmälere, am Schulterrande 
flacher gerundete, außen undeutlich gestreifte Flügeldecken sowie kürzere Beine verschieden. 

Verbreitung und Lebensweise. Diese Art wurde von Ganglbauer unter dem Gipfel des 
Monte Pari (1991 m) in Südtirol, am reich mit Erlen bewachsenen Nordabhang desselben gegen die Bocca 
di Saval, unter tief in den Boden eingebetteten Steinen entdeckt und in Anzahl gesammelt. Eine Varietät 
desselben (serianensis Breit) fand Herr Direktor Hugo Diener in der Umgebung des Rifugio Curo 
(zirka 1900 m) im obersten Val Seriana (Bergamasker Alpen). Diese Varietät soll sich von der typischen 
Form durch etwas weniger kurzen Halsschild und konvexere Schultern unterscheiden. 


3. Trechus (Duvalius) Oertzeni Mill. Verh. zool. bot. Ges. Wien, XXXII, 1884, 264; Apfelbeck, 
Käferfauna Balk., I, 1904, 140. 

Klein, glänzend, bräunlichgelb mit etwas dunklerem, rötlichgelbem Vorderkörper. Der Kopf sehr wenig 
schmäler als der Halsschild, mit fein abstehend behaarten Schläfen. Fühler etwas über die -Körpermitte nach 
hinten reichend, das zweite Glied kürzer als das erste, das dritte wenig länger als das zweite und vierte, die 
beiden vorletzten Glieder etwa doppelt so lang als breit. Der Halsschild herzförmig, im vorderen Drittel am 
breitesten, nach hinten ziemlich stark verengt, vor den etwas spitz nach außen vortretenden Hinterecken 
ausgeschweift. Flügeldecken länglich oval, etwas hinter der Mitte am breitesten, mit ziemlich breit ver- 
rundeten Schultern. Im Verlaufe des dritten, bei dieser Art kaum mehr erkennbaren Streifens befinden sich 
drei borstentragende Punkte, von denen der erste im basalen Fünftel, vom Basalrand etwas weiter entfernt 
als vom Nahtrand, der zweite ziemlich genau in der Mitte der Flügeldeckenlänge und der dritte im apicalen 
Sechstel gelegen ist. Das umgebogene Ende des Nahtstreifens reicht bis zum Niveau des borstentragenden 
Präapicalpunktes der Flügeldecken und erlischt weit außerhalb desselben, ohne nach innen umzubiegen. — 
Länge: 4 mm. 

Auf den ersten Blick sieht diese Art einem großen Trechus Knanthi ähnlich; doch unterscheidet sie 
sich von diesem durch stärkeren Glanz, etwas längere Fühler, den weniger queren, deutlich herzförmigen, 
vor den spitzen Hinterecken viel stärker ausgeschweiften, auf der Scheibe nicht deutlich genetzten Hals- 
schild und außerhalb des Nahtstreifens nicht deutlich gestreifte Flügeldecken. Auch sind die Schläfen 
deutlicher als bei Knauthi behaart. 

Vorkommen und Lebensweise. Trechus Oertzeni wurde nach einem am Parnass, hochalpin, am 
Rande eines Schneefeldes von v. Oertzen gesammelten Exemplar beschrieben. Mir lag ein am Original- 
fundort von F. Rambousek am 1. Juli 1909 gesammeltes, jetzt in der Sammlung des Herrn Otto 
Leonhard befindliches Exemplar (9) vor. 


4. Trechus (Duvalius) balcanicus J. Friv. Termesz. Füz., III, 1879, 231; Apfelbeck, Käferfauna 
Balk. I, 1904, 136. 

»Rötlichgelb, oben kurz, aufstehend, auf dem Halsschild etwas länger dicht behaart. Kopf hinten ein- 
geschnürt, mit tiefen Stirnfurchen, zwischen diesen undeutlich quer gerunzelt, an Stelle der Augen mit 
elliptischer, hellerer Makel. Halsschild herzförmig, fein gerandet, vorn gerundet, gegen die Basis ziemlich stark 
verengt, mit scharfen, mäßig vorspringenden Hinterecken, oben schwach gewölbt, mit längeren, etwas nach 
hinten gerichteten Haaren bekleidet, mit in den Hinterecken vertieftem Quereindruck an der Basis. Flügel- 
decken länglich eiförmig, an der Basis fast gerade und beiderseits leicht eingedrückt, an den Seiten sanft 
gerundet, die Spitzen einzeln abgerundet, oben abgeflacht gewölbt, mit kurzer, aufstehender, ziemlich dichter 


Höhlenfauna der Ostalpen und des Balkan. II. 29 


Behaarung, auf der Scheibe punktiert gestreift; die vier inneren, mäßig tiefen Streifen fein punktiert und an 
der Spitze abgekürzt, der fünfte erlöschend, die übrigen sehr undeutlich; der dritte Zwischenraum mit zwei 
Punkten, vorn und in der Mitte, und einem dritten Punkte an der Spitze. Hinterschienen mäßig gekrümmt. 
Kleiner als A. Budae, von diesem durch an den Seiten stärker gerundeten und gegen die Basis seitlich tiefer 
ausgeschnittenen Halsschild und undeutliche äußere Streifen der Flügeldecken, von A. Bielzi durch 
bedeutendere Größe, herzförmigen Halsschild, scharf vorspringende Hinterecken desselben und an den 
Seiten stärker gerundete Flügeldecken differierend. — Länge: 4 mm« (ex APFELBECK nach FRIVALDSZKY). 

Vorkommen. Bulgarien (Hoher Balkan). Von MERKL entdeckt und in neuerer Zeit, wie es 
scheint, nicht wieder aufgefunden. 


5. Trechus (Duvalius) pilifer Ganglb. Wien. Ent. Zeitg., X, 1891, 124; Käf. v. Mitteleur., I, 1892, 
209; Apfelbeck, Käferfauna Balk., I, 1904, 146.—Subsp. Leonhardianus Breit. Entom. Mitteil., II, 1913, 12. 


Rotbraun, glänzend. Kopf wenig schmäler als der Halsschild. Fühler etwa halb so lang als der Körper, 
ihr zweites Glied wenig kürzer als das erste und vierte, das dritte deutlich länger als diese, die beiden vor- 
letzten von der Breitseite betrachtet etwa doppelt so lang als breit. Der Halsschild breiter als lang, im 
vorderen Drittel am breitesten und mäßig stark gerundet erweitert, nach hinten fast geradlinig verengt, mit 
ziemlich großen, etwas spitzwinkeligen, nach außen kaum vorspringenden Hinterecken. Die Seitenrandkehle 
bis zu den Vorderecken fast gleichbreit, letztere gerundet, nicht lappenförmig vorspringend. Flügeldecken 
länglich oval, hinter der Mitte am breitesten, von da an gegen die deutlich markierten, wenn auch ziemlich 
breit abgerundeten Schulten fast geradlinig, schwach verengt, der leicht abgeschrägte Schulterrand ganz 
allmählich in die Schulterrundung übergehend. Alle Dorsalstreifen ausgebildet, wenn auch die äußeren fein. 
Von den drei am dritten Streifen befindlichen Borstenpunkten liegt der mittlere hinter der Flügeldeckenmitte 
und ist in der Regel vom vorderen deutlich weiter entfernt als vom hinteren, präapikalen Borstenpunkt. 
Letzterer ist bei dieser Spezies weit nach hinten gerückt und vom Spitzenrand etwa bloß um ein Zwölftel 
der Flügeldeckenlänge entfernt. Das umgebogene Ende des Nahtstreifens ist daher, obwohl selbst ziemlich 
kurz, deutlich über das Niveau des Präapicalpunktes nach vorne verlängert. Die schwach gewölbten 
Zwischenräume der Flügeldecken sind mit einer etwas unregelmäßigen Reihe verschieden starker Pünktchen 
versehen, aus denen je ein aufrechtes, schwach nach vorn geneigtes Härchen entspringt. — 
Länge: 4:8 bis 5 mm. 

Vorkommen. Diese Art wurde von V. Apfelbeck auf der BjelaSnica planina bei Sarajevo, 
hochalpin unter Steinen entdeckt. Die von mir untersuchten Exemplare wurden am Originalfundort von 
Apfelbeck (5. Juni 1889) und Matzenauer gesammelt. Nach BREIT (Wien. entom. Zeitg. 1911, 108) auch 
auf der Treskavica planina. 

In neuester Zeit wurde Tr. pilifer auch auf der Visocica planina in Südbosnien gefunden. Nach 
BREIT (Entom. Mitteil. II, 1913, 12) bilden die Exemplare dieser Lokalität eine Lokalrasse (pilifer Leon- 
hardianus Breit), die sich von der typischen Form durch schmäleren, vorn weniger stark gerundeten und 
daher etwas schwächer herzförmigen Halsschild unterscheiden soll. 


6. Trechus (Duvalius) Ghidinii Gestro. Ann. Mus. Civ. di storia natur. Genova, XLIV, 1909, 202. 


Rötlichgelb, glänzend. Der Kopf schmäler als der Halsschild, mit schwach backenartig erweiterten 
Schläfen. Fühler die Körpermitte etwas überragend, das zweite Glied etwas kürzer als das erste und vierte, 
das dritte deutlich länger als das vierte, das neunte mehr als doppelt so lang als breit. Der Halsschild breiter 
als lang, im vorderen Drittel am breitesten, nach hinten in sehr schwacher Rundung verengt, unmittelbar 
vor den mäßig großen, spitzen Hinterecken stärker eingezogen. Die Halsschildfläche mit netzartiger, aus 
queren Maschen bestehender, gegen die Mitte der Scheibe schwächer werdender Mikroskulptur. Die Flügel- 
decken länglich oval, flach gewölbt, etwas hinter der Mitte am breitesten, mit schwach abgeschrägtem, 
gegen die Schulterkonvexität allmählich stärker gekrümmtem Schulterrand. Die inneren Dorsalstreifen als 


30 J. Müller, 


kräftige, vertiefte Punktstreifen ausgebildet, die äußeren allmählich schwächer, der siebente wenigstens gegen 
die Spitze zu erloschen und nur vorne durch eine obsolete Punktreihe angedeutet. Die Intervalle sind äußerst 
fein und eng quergerieft, jedoch ist diese Riefung sehr schwach und nur bei aufmerksamer, mikroskopischer 
Betrachtung zu sehen. Von den drei im Verlaufe des dritten Punktstreifens befindlichen Borstenpunkten 
liegt der mittlere in oder etwas vor der Mitte der Flügeldecken. Das umgebogene Ende des Nahtstreifens 
reicht etwa bis zum Niveau des borstentragenden Präapicalpunktes oder überragt dasselbe nur wenig. — 
Länge: 45 mm. 

Vorkommen. Varese (Lombardei). Die von mir im Wiener Hofmuseum untersuchten Exemplare 
tragen die nähere Bezeichnung: »Lombardei, Varese, 2. Mai 1909, A. Fiori«< und »Grotta del Monte Tre 
Crocette, Campo dei fiori sopra Varese, Provincia di Como (1100 n), 13. April 1909.« 


7. Trechus (Duvalius) trescavicensis Ganglb. Wien. entom. Zeitung, X, 1891, 125, und Käf. v. 
Mitteleur. I, 1892, 210; Apfelbeck, Käf. Balk., I, 1904, 146. 

Rötlichgelb, glänzend. Kopf erheblich schmäler als der Halsschild, mit mäßig gerundeten Schläfen. Die 
Fühler etwa halb so lang als der Körper, das dritte Glied deutlich, das vierte kaum länger als das zweite, das 
neunte und das etwas kürzere zehnte Glied kaum doppelt so lang als breit. Der Halsschild im vorderen 
Drittel breiter als lang, nach hinten in schwach konvexer Kurve ziemlich stark verengt und vor den mäßig 
großen, spitzwinkeligen Hinterecken sanft ausgeschweift. Die Flügeldecken flach gewölbt, länglich oval, 
seitlich schwach gerundet, knapp hinter der Mitte am breitesten, von da an nach vorne und hinten ziemlich 
gleichmäßig, schwach verengt, der Basalrand der Schultern schwach abgeschrägt, die Schulterecke mäßig 
breit verrundet. Das Nahtende klaffend und die Flügeldecken daselbst einzeln stumpf verrundet. Die 
inneren Dorsalstreifen stark vertieft und die Zwischenräume daselbst deutlich gewölbt; nach außen werden 
die Streifen allmählich feiner, der sechste ist bereits stark obsolet, der siebente vollständig geschwunden. Im 
Verlaufe des dritten Streifens befinden sich drei ziemlich feine, borstentragende Punkte, wovon der erste im 
basalen Sechstel, vom Basal- und Nahtrand gleichweit entfernt, liegt, der zweite etwa in der Mitte der 
Flügeldeckenlänge. Das umgebogene Ende des Nahtstreifens ist über das Niveau des Präapicalpunktes der 
Flügeldecken nur wenig verlängert. — Länge: 45 mm. 


Vorkommen und Lebensweise. Diese Art wurde von Apfelbeck in Süd-Bosnien, auf der 
Treskavica planina bei Sarajevo entdeckt, wo sie in der subalpinen und alpinen Region unter Steinen 
lebt. Ein mir vorliegendes Stück verdanke ich Herrn Otto Leonhard (Blasewitz). 


8. Trechus (Duvalius) Speiseri Ganglb. Wien. entom. Zeitung XI, 1892, 233; Apfelbeck, Käfer- 
fauna Balk. I, 1904, 138. — Subsp. hercegovinensis Krauss. Wien. entom. Zeitung 1906, 259. 


Forma typica. Heller oder dunkler rotbraun, glänzend. Der Kopf etwas schmäler als der Halsschild 
mit schwach backenartig erweiterten Schläfen. Die Fühler etwas über die Mitte des Körpers nach hinten 
reichend, ziemlich kräftig gebaut mit kurzen Gliedern, das zweite viel kürzer als das erste und dritte, dieses 
etwa 1!/, so lang als das vierte, die beiden vorletzten Glieder nicht ganz doppelt so lang als breit. Der 
Halsschild quer herzförmig, im vorderen Drittel stark gerundet erweitert, nach hinten stark verengt, mit 
ziemlich großen, spitzwinkeligen, etwas nach außen gerichteten Hinterecken. Die Flügeldecken länglich 
oval, hinter der Mitte am breitesten, seitlich wenig gerundet, mit schwach abgeschrägtem Basalrand der 
Schultern und mäßig stark gerundeten, deutlich markierten Schultern. Die inneren Flügeldeckenstreifen tief 
eingeschnitten, kräftig punktiert, die äußeren allmählich feiner, der siebente nur durch eine feine Punktreihe 
angedeutet oder fast gänzlich erloschen. Von den drei Borstenpunkten des dritten Streifens befindet sich 
der mittlere in oder knapp hinter der Mitte der Flügeldeckenlänge. Das umgebogene Nahtende etwas über 
das Niveau des Präapicalpunktes nach vorn verlängert. — Länge: 3'8 bis 4 2 mm. 

Vorkommen und Lebensweise. Diese Art wurde von Prof. Speiser am Volujakin der Her- 
zegowina in der hochalpinen Region unter Steinen ‘entdeckt und später auch auf dem Maglic (bosnische 


Höhlenfauna der Ostalpen und des Balkans. II. 31 


Seite des Volujak) von Kustos Reiser aufgefunden. Außer zwei von Speiser selbst stammenden, 1892 
gesammelten Exemplaren aus dem Wiener Hofmuseum lagen mir noch weitere Stücke vom Originalfundort 
vor (ex coll. Leonhard und Matzenauer, jetzt im Wiener Hofmuseum). 


Subsp. hercegovinensis Krauss. Wie ich mich an der Hand der beiden (nunmehr im Besitze des 
Herrn Ingenieurs H. F. Neumann in Graz befindlichen) Typen überzeugen konnte, gehört Trechus Budae 
hercegovinensis Krauss als Rasse zu Speiseri Ganglb. Diese Form unterscheidet sich vom Typus durch 
den vorn schmäler verrundeten, von der Gegend der vorderen Marginalseta nach hinten mehr geradlinig 
verengten Halsschild und weniger deutlich abgeschrägten, mehr gleichmäßig gerundeten Schulterrand. 
Ferner ist bei hercegovinensis die Mikroskulptur des Halsschildes in der Mitte der Scheibe deutlicher und 
aus nahezu isodiametrischen Maschen gebildet, während der echte Speiseri vom Volujak eine gegen die 
Mitte zu sehr fein werdende oder fast erloschene Mikroskulptur besitzt, die aus engen stark in die Quere 
gezogenen Maschen besteht. — Länge: 3:5 bis 4 mm. 


Vorkommen. Trechus Speiseri hercegovinensis ist bisher nur von der Velez planina in der Her- 


zegowina bekannt. 


9. Trechus (Duvalius) durmitorensis Apfelbeck. Käferfauna der Balkanhalbinsel, I, 1904, 138. 


»Dem T. Speiseri sehr nahe verwandt, von demselben durch vorn schmäleren, zur Basis weniger 
verengten, vor derselben stärker ausgeschweiften Halsschild, undeutlicher abgesetzte Hinterecken desselben, 
namentlich aber die spärlich gestreiften Flügeldecken und das Vorhandensein von vier (anstatt drei) borsten- 
tragenden Punkten im dritten Zwischenraum derselben differierend. Erster und zweiter Streifen der Flügel- 
decken ziemlich tief, spärlich und schwach punktiert, der dritte Streifen schon erloschen, nur hinten (hinter 
dem dritten Porenpunkt) noch deutlich erkennbar, nach vorn nur durch seichte Punkte angedeutet, die 
übrigen vollständig erloschen, höchstens der vierte hinten noch teilweise erkennbar. — Montenegro 
(Durmitor-Curcic) ; hochalpin« (ex APFELBECK). 


Zu dieser mir in natura unbekannten Art dürften auch zwei Exemplare (j J) aus der Leonhard’- 
schen Sammlung gehören, die als Anophthalmus subeylindricus Reitter bezeichnet waren. Ich konnte 
nicht ermitteln, ob, beziehungsweise wo dieses Tier beschrieben ist. Da seine Identität mit Trechus durmito- 
vensis noch nicht sicher feststeht, gebe ich nachfolgend eine Beschreibung der Leonhard’schen Exem- 
plare. Sollte sich später ihre Zugehörigkeit zu T. durmitorensis als richtig herausstellen, so dürfte diese 
Beschreibung als Ergänzung zu der APFELBECK’schen Originalbeschreibung nicht unwillkommen sein. 


Der Kopf breit, kaum schmäler als der Halsschild, mit deutlich backenartig erweiterten, ziemlich stark 
gerundeten Schläfen. Der Halsschild herzförmig, breiter als lang, am Ende des vorderen Drittels am 
breitesten und hier in gleichmäßiger Kurve erweitert, nach hinten ziemlich stark verengt, die Hinterecken 
ziemlich lang abgesetzt, spitzwinkelig und nach außen gerichtet. Flügeldecken länglich, hinter der Mitte am 
breitesten, mit nur ganz schwach abgeschrägten, daher deutlich eckig vortretenden, an der Spitze ver- 
rundeten Schultern. Bloß die zwei innersten Dorsalstreifen der ganzen Länge nach gleichmäßig scharf ver- 
tieft, der dritte nur im hinteren Teile schärfer eingeschnitten, die weiteren Streifen nach außen allmählich 
erlöschend. Im Verlaufe des dritten Streifens befinden sich vier voneinander ziemlich gleichweit entfernte 
Borstenpunkte, davon der erste im basalen Sechstel der Flügeldeckenlänge, der zweite vor, der dritte hinter 
der Mitte, der vierte (Präapicalpunkt) weit hinten, vom Apicalrand nicht oder nur wenig weiter entfernt als 
von der Naht. Das umgebogene Ende des Nahtstreifens etwa bis zum Niveau des Präapicalpunktes oder 
nur wenig weiter nach vorn reichend. Die Fühler ziemlich kurz, das dritte Glied anderthalbmal so lang 
als das vierte, die vorletzten Glieder, von der Breitseite betrachtet, etwa doppelt so lang als breit. — 
Länge: 4:6 mm. — Fundort: Bosnisch-montenegrinische Grenze, Ljubilen planina (Coll. Leonhard, 


2 IT). 


32 J. Müller, 


10. Trechus (Duvalius) Winneguthi Apfelbeck. Glasnik zemaljskog Muzeja u Bosni i Hercegovini, 
XIX, 1907, 305, und Wien. entom. Zeitung, 1907, 318. 


Rötlichgelb, glänzend. Kopf fast so breit als der Halsschild, mit ziemlich stark backenartig vorspringen- 
den Schläfen. Die Fühler etwa von halber Körperlänge, das zweite Glied wenig kürzer als das erste und 
dritte, das vierte erheblich länger, das neunte etwa doppelt so lang als breit. Der Halsschild quer-herzförmig, 
im vorderen Drittel am breitesten und gleichmäßig gerundet, nach hinten ziemlich stark, jedoch in sehr 
schwacher Kurve verengt, mit ziemlich großen, etwas spitzwinkeligen Hinterecken; die Vorderecken wenig 
vortretend, die Seitenrandkehle innerhalb derselben nicht breiter als weiter hinten. Die Flügeldecken länglich 
mit schwach abgeschrägtem Schulterrand und daher sehr deutlichen, wenn auch verrundeten Schulterecken, 
hinter der Mitte am breitesten und von da an gegen die Schultern in äußerst schwach gekrümmter Kurve 
verengt. Die inneren Dorsalstreifen kräftig, die äußeren nur durch Punktreihen markiert und nach hinten 
erlöschend. Im Verlaufe des dritten Streifens befinden sich drei bis vier borstentragende Punkte; außerdem 
auf dem dritten und fünften Zwischenraum sowie ganz vorne auch im zweiten Zwischenraum vereinzelte 
Borstenpunkte. Das umgebogene Ende des Nahtstreifens ist nur ganz wenig über das Niveau des Prä- 
apicalpunktes nach vorne verlängert. Die polygonale Mikroskulptur in der Mitte der Halsschildscheibe sowie 
die feine Querriefung der Flügeldecken nur sehr undeutlich, fast erloschen. — Länge der mir vorliegenden 
Exemplare 5°4 bis 5:6 mm. ? 

Vorkommen und Lebensweise. Diese Art wurde vom Präparator des Landesmuseums in Sarajevo, 
Adolf Winneguth am Eingang einer kleinen Höhle der Romanja planina, bei Pale (Umgebung von 
Sarajevo) 1907 entdeckt. Mir sind zwei Exemplare aus dem Wiener Hofmuseum, darunter eine Apfel- 
beck’sche Type, vorgelegen. 


11. Trechus (Duvalius) Kautianus Apfelbeck. Glasnik zemaljskog Muzeja u Bosni i Hercegovini, 
XIX, 1907, 401. ; 


Da mir diese Art nicht vorliegt, muß ich mich auf eine Wiedergabe der APF ELBECK’schen Original- 
diagnose beschränken. 

» Anophthalmo (Duvalio) Winneguthi Apf. valde affinis, temporibus longioribus, prothoracis lateribus 
antice fortius rotundato-dilatatis, corpore latiore et majore, elytris multo latioribus, profundius striato- 
punctatis, interstitiis convexis; antennarum articulo primo longiore, minus incrassato, subcylindrico; tarsorum 
anticorum articulo primo et secundo in mare fortius incrassato, magis transverso, distinguendus. Long. 5:5 
(Q)bis 6 mm (Z).— Bosnia merid. or. In antro prope »Banja stijena<«; rarissime« (ex APFELBECK, I. c.) 

Die darauf folgende cyrillische Beschreibung ist im wesentlichen eine Übersetzung der lateinischen 
Diagnose. 

Nach den in der Originalbeschreibung angegebenen Unterschieden halte ich es nicht für ausge- 
schlossen, daß Trechus Kautianus bloß eine Rasse des Winneguthi darstellt. (Vgl. Nachtrag p. 86 [96]). 


12. Trechus (Duvalius) maglajensis Apfelbeck. Glasnik zemaljskog Muzeja u Bosni i Hercegovini, 


XX, 1908, 415. 

Heller oder dunkler rötlichbraun, glänzend. Der Kopf schmäler als der Halsschild, mit mäßig vor- 
gewölbten Schläfen. Die Fühler fast bis zur Mitte der Flügeldecken reichend, die beiden vorletzten Glieder 
etwa zweieinhalbmal so lang als breit. Der Halsschild herzförmig, etwas breiter als lang, im vorderen Drittel, 


an der Ursprungsstelle der vorderen Marginalseta am breitesten und daselbst fast winkelig erweitert, von 


1 Nach APFELBECK (Wien. ent. Zeitg., 1907, 318) finden sich mitunter auch auf den übrigen Zwischenräumen der Flügel- 


decken vereinzelte Borstenpunkte. ' 
2 Nach APFELBECK (Glasnik etc., p. 305) beträgt die Länge 5 mm, nach der Beschreibung in der Wien.ent. Zeitg,,p.318, wird 


sie mit 5 bis 5'2 mm angegeben, : 


Höhlenfauna der Ostalpen und des Balkan. II. 33 


da an nach hinten zunächst in schwacher Rundung, dann geradlinig verengt, die Hinterecken ziemlich groß, 
etwas spitzwinkelig. Die Flügeldecken länglich oval, hinter der Mitte am breitesten, mit sehr breit abge- 
rundeter Spitze, nach vorne mäßig, fast geradlinig verengt, mit deutlich markierten, wenn auch konvex 
verrundeten Schultern und schwach abgeschrägtem, fast geradlinigem Basalrand, vollzählig gestreift, die 
äußeren Streifen allerdings stellenweise nur durch Punktreihen angedeutet, die inneren stark vertieft. Von 
den drei inneren im Verlaufe des dritten Streifens befindlichen Borstenpunkten liegt der erste nahe am Ende 
des basalen Viertels, der zweite etwas hinter der Mitte der Flügeldecken. An diesen beiden Punkten 
vereinigen sich der dritte und vierte Dorsalstreif der Flügeldecken. Das umgebogene Ende des 
Nahtstreifens reicht etwa bis zum Niveau des Präapikalpunktes. — Länge: 4:7 bis 5 mm. 

Mir lagen zwei von Hauptmann Matzenauer in einer Höhle bei Maglaj in Nord-Bosnien 1907 
gesammelte 9 © (jetzt in der Wiener Musealsammlung) vor. 


13. Trechus (Duvalius) Novaki J. Müller. Wien. entom. Zeitung, 1911, 1. — Subspec. Giromettai 
J. Müller. Wien. entom. Zeitung, 1912, 297. 

Rötlichgelb, glänzend. Der Kopf ziemlich langgestreckt, erheblich schmäler als der Halsschild, mit 
schlanken, mehr als zwei Drittel der Körperlänge erreichenden Fühlern, ihr zweites Glied etwas kürzer 
als das verdickte erste, das vierte etwas kürzer als das dritte, dabei aber immer noch viel länger als das 
zweite, das neunte mindestens dreimal so lang als breit. Der Halsschild herzförmig, kaum breiter als lang, 
im vorderen Drittel in mäßiger Rundung erweitert, nach hinten gegen die etwas spitzen Hinterecken in 
fast gleichmäßiger Kurve verengt und davor nur kurz ausgeschweift. Die Flügeldecken flach gewölbt, 
länglich, an den Seiten schwach gerundet, in oder vor der Mitte am breitesten mit relativ breit abgesetztem 
Seitenrand; Basalrand der Schultern in schwach konvexer Kurve abgeschrägt, die Schulterecken selbst 
breit verrundet. Die Dorsalstreifen deutlich punktiert, innen mäßig tief, nach außen allmählich erloschen, 
der sechste und siebente fast spurlos verschwunden. Von den drei Borstenpunkten am dritten Streifen 
liegt der vordere knapp hinter dem basalen Fünftel, der mittlere etwa in der Mitte und der hintere (der 
Präapicalpunkt) im apicalen Achtel der Flügeldeckenlänge. Das umgebogene Ende des Nahtstreifens 
gerade und deutlich über das Niveau des Präapicalpunktes nach vorne verlängert. — Länge: 45 bis 5-5 mm. 


Subsp. Giromettai unterscheidet sich von der typischen Form durch bedeutendere Durchschnitts- 
größe, gestrecktere, nach hinten meist deutlicher verengte Flügeldecken sowie feinere und nach außen 
früher erlöschende Dorsalstreifen. — Länge: 5:3 bis 6 mm. 

Verbreitung und Lebensweise. Die typische Form wurde vom Herrn Weinbaukommissär Peter 
Novak in einer kleinen Höhle bei Dugopolje (an der Bahnstrecke Spalato— Sinj) in Zentraldalmatien 
1910 entdeckt und seither dort auch vom Herrn Arthur Schatzmayr in wenigen Exemplaren wieder 
aufgefunden. 

Die Rasse Giromettai findet sich in prägnanter Ausbildung in einigen Schachthöhlen bei Labin 
(Bahnstrecke Spalato— Sebenico) in Zentral-Dalmatien und zwar vor allem in der sogenannten »Velika 
Zelica« und »Mala Zelica«, wo sie zunächst von Professor H. Girometta, später auch von Peter 
Novak und mir, im Schutt am Grunde der Schächte gesammelt wurde (Mai 1912 und Juli 1912). 

Weniger prägnante Exemplare dieser Rasse, beziehungsweise Übergangsstücke zum typischen 
Novaki liegen mir aus folgenden zentraldalmatinischen Höhlen vor: Jama na krstali bei Prgomet 
(Girometta Juni 1912 und Novak Juli 1912); Jama na docu bei Prgomet (Girometta Mai 1912); 
Bunarina bei Lelevica (Girometta, April 1912 und August 1912); Jama na kuku zwischen Radosic 
und Leceyica (Novak und Girometta August 1912); LabiSnica beiLabin (Girometta September 1912); 
Slipacka pec bei Dugopolje (Martincid August 1912). 


Anmerkung. Trechus Novaki ist mit Netolitzkyi nahe verwandt, unterscheidet sich aber von diesem 
durch den schlankeren, hinten nicht backenartig erweiterten Kopf, den weniger herzförmigen, an den 
Seiten vor der Mitte viel schwächer gerundeten, nach hinten weniger verengten und daher an der Basis 


34 J. Müller, 


breiteren Halsschild, stärker vorgezogene und in breiterem Bogen verrundete Schultern und flachere, an 
der Basis deutlich eingedrückte Flügeldecken mit breiter abgesetztem Seitenrand. 

Da sich diese Unterschiede, trotz der sonstigen Variabilität des Trechus Novaki bezüglich seiner 
Größe und Flügeldeckenstreifung, bisher als konstant erwiesen und noch keine ausgesprochenen Über- 
gänge zu Netolitzkyi bekannt sind, halte ich nunmehr den Trechus Novaki für eine eigene Art. Damit ist 
natürlich nicht ausgeschlossen, daß spätere eventuelle Funde in neuen Grotten vielleicht doch noch Über- 
gangsformen zwischen diesen beiden Trechen ergeben könnten. So lange jedoch dies nicht der Fall ist, 
muß, in Anbetracht der nicht unbedeutenden morphologischen Differenzen, an der spezifischen Verschieden- 
heit von Tr. Novaki und Netolitzkyi festgehalten werden. 


14. Trechus (Duvalius) Netolitzkyi J. Müller. Wien. entom. Zeitung, 1908, 223. 


Rötlichgelb, glänzend. Der Kopf etwas schmäler als der Halsschild mit deutlich backenartig erweiterten 
Schläfen. Die Fühler fast zwei Drittel so lang als der Körper, das zweite Glied etwas kürzer als das erste, 
das dritte fast anderthalbmal so lang als das zweite, das vierte kürzer als das dritte aber länger als das 
zweite, das neunte etwa dreimal so lang als breit. Der Halsschild stark herzförmig, kaum breiter als lang, im 
vorderen Drittel ziemlich stark gerundet erweitert, gegen die ziemlich scharf abgesetzten, spitzen Hinter- 
ecken in sehr schwacher Kurve oder fast geradlinig, ziemlich stark verengt. Die Flügeldecken etwas stärker 
als bei der vorhergehenden Art gewölbt, in oder hinter der Mitte am breitesten, von hier aus nach vorne 
stärker als bei Novaki verengt und daher an den Schultern relativ schmäler, die Schulterecken der Anlage 
nach stumpfwinklig, aber breit verrundet, der Basalrand der Schultern fast geradlinig und ziemlich stark 
abgeschrägt. Die Dorsalstreifen innen deutlich vertieft, nach außen allmählig schwächer werdend, der fünfte 
sehr fein, der sechste höchstens vorne durch eine obsolete Punktreihe angedeutet, der siebente spurlos 
erloschen. Der erste borstentragende Punkt am dritten Dorsalstreifen liegt am Ende des basalen Fünftels 
oder knapp dahinter, der zweite in oder etwas hinter der Mitte, der dritte etwa im apicalen Achtel der 
Flügeldeckenlänge. Das umgebogene Ende des Nahtstreifens ein wenig über das Niveau des Präapical- 
punktes der Flügeldecken nach vorne verlängert. Die Basalpartie der Flügeldecken um das Schildchen 
herum weniger deutlich als bei Novaki eingedrückt, der Seitenrand der Flügeldecken schmäler abgesetzt. — 
Länge: 5 bis 5°3 mm. 


Verbreitung und Lebensweise. Diese Art wurde 1908 in einer hochgelegenen Höhle am Nord- 
abhang des Mosorgebirges (Zentral-Dalmatien), oberhalb Kotlenice, zusammen mit Trechus dalmatimus 
entdeckt. Später wurde sie auch in anderen Höhlen und Schluchten des Mosorgebirges aufgefunden, und 


zwar: in der SnijeZnica unter dem Ljubljan östlich vom Mosorkamm (Novak und Schatzmayr, 


Juli 1911, unter Steinen, nicht selten); Jama na Osovo (Schatzmayr 14. Juli 1911); Jama pod An- 
drinim guvnom oberhalb Gata (J. Müller, Juli 1911, selten); Dana pecina, am Mosorplateau oberhalb 


Kotlenice, in schwarzer, lehmiger Erde zusammen mit vielen Trechus dalmatinus 1 Exemplar (Novak, 
16. Juli 1910). 


Anmerkung. Trechus Netolitzkyi ist einer der wenigen blinden Trechen, die einen noch jetzt leben” 
den, mit) Augen versehenen, oberirdischen Verwandten besitzen. Als solchen betrachte ich den von 
A. Hoffmann 1911 in einer Schneespalte des Biokovogebirges (südliche Fortsetzung des Mosorgebirges) 
entdeckten Trechus biokovensis Holdh.! Dieser unterscheidet sich von 7. Netolitzkyi durch dunklere 
Färbung, deutliche, schwarz pigmentierte, wenn auch relativ kleine Augen, etwas kleinere, weniger spitzige 
Hinterecken des Halsschildes, breitere und flachere, hinter der Mitte stärker erweiterte, innen kräftiger 
gestreifte Flügeldecken und deutlicher stumpfeckig vortretende Schultern. n 

Daß sich eine mit Augen versehene, der Stammform des Trechus Netolitzkyi jedenfalls nahe ver- 
wandte Art gerade im Biokovo-Gebirge erhalten konnte, schreibe ich den ausgedehnten Buchenwaldbeständen 


1 Dr. Karl HOLDHAUS: Ein neuer Trechus aus Dalmatien..(Entom. Blätter, 1911, 165.) 


er 


in a Don 


Höhlenfauna der Ostalpen und des Balkan. II. 39 


und den zahlreichen bis in den Sommer hinein mit Schnee gefüllten, feuchten Dolinen dieses Gebirges zu. 
Im kahlen, niedrigeren und daher wärmeren Mosor-Gebirge, wo die Buchenwälder und schattigen Schluchten 
nunmehr gänzlich fehlen, hat sich die betreffende, freilebende Urform in die Höhlen geflüchtet, wo sie unter 
Verlust der Augen und nach anderen relativ geringfügigen Modifikationen zum Trechus Netolitzkyi 
geworden ist. 


15. Trechus (Duvalius) lucidus J. Müller. Sitzungsber. Akad. Wiss. Wien, math.-naturw. Klasse, 
Bd. CXL, Abt. I, 1903, 876. 

Stark glänzend, rötlichgelb, mit etwas dunklerem Vorderkörper. Der Kopf nur wenig schmäler als der 
Halsschild, mit schwach backenartig erweiterten Schläfen. Die Fühler die Mitte des Körpers deutlich über- 
ragend, ihr zweites Glied etwas kürzer als das erste, das dritte fast anderthalbmal so lang als das zweite, das 
vierte etwas kürzer als das dritte, das neunte etwa zweiundeinhalbmal so lang als breit. Der Halsschild 
herzförmig, kaum breiter als lang, im vorderen Drittel am breitesten und gleichmäßig gerundet, nach hinten 
bis zu den ziemlich scharf abgesetzten, spitzen Hinterecken ziemlich stark verengt. Die Flügeldecken fast 
regelmäßig elliptisch, mehr als anderthalbmal so lang als zusammengenommen breit, mit flach verrundeten, 
wenig vortretenden Schultern. Bloß die drei inneren Dorsalstreifen deutlich, aber auch diese ziemlich fein, 
der vierte sehr undeutlich, die übrigen vollkommen erloschen. Am dritten Streifen befinden sich drei borsten- 
tragende Punkte, von denen der erste noch im basalen Fünftel, der zweite knapp hinter der Mitte und der 
dritte im apicalen Fünftel der Flügeldeckenlänge liegt. Das umgebogene Ende des Nahtstreifens überragt 
ein wenig den Präapicalpunkt nach vorn, ohne umzubiegen oder sich mit diesem zu verbinden. — Länge: 
4 bis 4°3 mm. 

Diese Art ist nur mit Trechus Netolitzkyi und Novaki verwandt und von diesem durch die in der 
Tabelle angegebenen Merkmale leicht zu unterscheiden. 

Vorkommen und Lebensweise. Trechus lucidus ist die einzige bisher bekannte insulare blinde 
Art aus dem adriatischen Inselgebiet. Er wurde im August 1903 in der Bazgova jama ! auf der Insel 
Brazza von Dr. H. Krauss, Dr. K. A. Penecke und mir entdeckt und auf dem lehmigen Boden unter 
Steinen und Brettern in wenigen Exemplaren gesammelt. 


16. Trechus (Duvalius) Krüperi Schaum. Berl. entom. Zeitschr, VI, 1862, 111; Apfelbeck, .Käf. 
- Balk., I, 1904, 139. 

Rötlichgelb, glänzend. Kopf etwas schmäler als der Halsschild. Die Fühler lang, wenig kürzer als der 
Körper; das erste verdickte Glied etwa anderthalbmal so lang als das zweite, dieses fast nur halb so lang als 
das dritte, das vierte sehr wenig kürzer als das dritte; das neunte Glied mindestens viermal so lang als breit. 
Der Halsschild breiter äls lang, hinter dem apicalen Fünftel, an der Ursprungsstelle der vorderen Marginal- 
seta am breitesten, daselbst bisweilen fast winkelig erweitert, von da an gegen die lappenförmig vortretenden 
Vorderecken schwach gerundet verengt, der aufgebogene Seitenrand von der vorderen Marginalseta gegen 
die Vorderecken allmählich breiter abgesetzt, nach hinten in schwacher Rundung oder fast geradlinig verengt, 
vor den etwas spitz nach außen vorspringenden, mäßig großen Hinterecken deutlich ausgebuchtet. Die 
Flügeldecken länglich, viel breiter als der Halsschild, hinter der Mitte am breitesten, vollzählig gestreift, die 
äußeren Streifen fein. Von den drei im Verlaufe des dritten Dorsalstreifens befindlichen Borstenpunkten ist 
der erste fast am Ende des basalen Viertels, der zweite etwa in der Mitte, der dritte im apicalen Sechstel 
oder Siebentel der Flügeldeckenlänge gelegen. Der Basalrand der Schultern in deutlich konvexer Rundung 
abgeschrägt, die Schultern selbst deutlich vortretend, wenn auch ziemlich breit verrundet. Die Beine ziemlich 
lang; das über die Körperseiten hinausragende Stück der quer zur Medianlinie des Körpers gestellten Hinter- 
schenkel ist länger als eine Flügeldecke daselbst breit. — Länge: 5°5 bis 6°5 mm. 


1 Nicht »Bazdovata jama«, wie in der Originalbeschreibung irrtümlich angegeben wurde. (Nach freundlicher Mitteilung des 
Herrn P. NOVAK in Spalato.) 
Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC. Bd. 


36 J. Müller, 


Verbreitung. Höhlen des Parnass (Griechenland). Von Dr. Theobald Krüper entdeckt und später 
namentlich von Leonis in Anzahl gesammelt. 


2. Untergattung: Neoduvalius J. Müller 1913. 
Typus: Trechus (Neoduvalius) Reitteri L. Mill. 


Allgemeine Merkmale. Kopf mit hinten verkürzten Stirnfurchen und zwei Supraorbitalborsten. 

Halsschild quer, herzförmig, mit deutlich abgesetzten Seitenrändern und schräg nach innen und unten 
gerichteten Epipleuren. Die vordere und hintere Marginalseta normal entwickelt. ! 

Flügeldecken mit stark konvexem, nicht abgeschrägtem Schulterrand. Der erste Punkt der a 
umbilicata vom Seitenrande nicht weiter entfernt als der zweite; der vierte vom dritten nicht weiter abge- 
rückt als der dritte vom zweiten. 

An den männlichen Vordertarsen die zwei ersten Glieder erweitert und am inneren Apicalwinkel 
zahnförmig vortretend. 

Mittelgroße und große Arten mit mäßig langen Beinen und Fühlern. 


Geographische Verbreitung. Zu dieser Untergattung gehören einige eng verwandte Arten aus der 
Lika und Bosnien. 
Bestimmungstabelle der Arten.? 
1. Die Stirnfurchen reichen bis zum hinteren Supraorbitalpunkt. Die Schläfen nicht backenartig 
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— Die Stirnfurchen enden bereits vor dem hinteren Supraorbitalpunkt. Die Schläfen mehr oder weniger 


deutlich backenartig: erweitert... 2. Se 2 ea u. 
2. Kleinere Artenıyvon Abs 5 Bu. ange Hi IN EN I REIN DR. TE 
— “Größere Arten von’7 bis 8 mm Länge’ Te I A N EN Ne ee} 


3. Schultern sehr stark vortretend, fast rechtwinkelig, an der Spitze verrundet. Halsschild nach hinten 
fast geradlinig verengt, die schwach spitzwinkeligen, ein wenig nach außen vortretenden Hinterecken 
äußerst klein. Länge: 5 mm. — Vran planina (Süd-Bosnien) . . . . . .. . 18. vranensis Breit. 


— Schultern weniger stark vortretend, breiter abgerundet. Halsschild schmäler, vor den Hinterecken 
ausgeschweift, diese groß, viel länger abgesetzt, scharf spitzwinkelig und nach außen gerichtet. 
Länge: 4:3 bis 5 mm — Lika beziehungsweise Bosnien . .19. Reitteri Mill. und 20. Styx Apfb. 


4. Schmälere Art aus der Lika (Kroatien) mit mehr eckig vortretenden, weniger verrundeten Schultern, 
schmäleren, vollzählig gestreiften Flügeldecken und bis zu den kleinen, kurz abgesetzten Hinter- 
ecken fast geradlinig verengten Halsschildseiten. Das umgebogene Ende des Nahtstreifens reicht 
etwa bis zum Niveau des borstentragenden Präapicalpunktes der Flügeldecken. Vor diesem befinden 
sich im dritten Zwischenraume noch zwei weitere Borstenpunkte. Kopf breiter, mit stark backen- 
artig erweiterten Schläfen, kaum schmäler als der Halsschild. Länge: 7 mm . 21. Eurydice Schauf. 


—  Breitere Arten aus Bosnien mit breiteren Flügeldecken, stärker verrundeten Schultern und vor den 
länger abgesetzten Hinterecken deutlich ausgeschweift-verengten Halsschildseiten. Kopf schlanker, 
schmäler,als.derHalsschild..*. u. es ee te a ae an Bee Re 1 


5. Das umgebogene Ende des Nahtstreifens erreicht das Niveau des Präapicalpunktes der Flügeldecken; 
vor diesem befinden sich im dritten Zwischenraum noch drei weitere Punkte. Die äußeren Flügel- 
deckenstreifen fast erloschen. Der Halsschild nach hinten weniger stark verengt, mit breiterer Basis, 
vor den Hinterecken schwächer ausgeschweift, letztere scharf rechtwinkelig. Der Vorderrand des 


1 Ob auch bei Trechus Reiseri und Siyx? 
2 Über den während des Druckes beschriebenen Trechus Langhofferi Csiki vgl. die Nachträge, p. 86 [96]. 


Höhlenfauna der Ostalpen und des Balkan. II. 37 


Halsschildes seicht ausgerandet, die Vorderecken nicht deutlich vortretend. Länge: 75 bis 8 mm. 
— Dinarische Alpem.(Nordwest-Bosnien) N... ran ran et. #22. Schatzmayri J. Müll. 
— Das umgebogene Ende des Nahtstreifens erreicht nicht das Niveau des Präapicalpunktes der Flügel- 
decken; vor diesem befinden sich im dritten Zwischenraume noch zwei borstentragende Punkte. Die 
äußeren Flügeldeckenstreifen noch deutlich erkennbar. Der Halsschild nach hinten viel stärker ver- 
engt, vor den Hinterecken stärker ausgeschweitt, letztere spitz. Der Halsschildvorderrand tiefer aus- 
geschnitten, die Vorderecken spitz vortretend. Länge: 7 bis 7” 5 mm . . .23. Neumanni J. Müll. 


17. Trechus (Neoduvalius) Reiseri Ganglbauer. Wien. entom. Zeitung, 1891, 126, und Käfer von 
Mitteleur., I, 1892, 212; Apfelbeck, Käf. Balk., I, 1904, 147. 


Rotgelb. Der Kopf wenig schmäler als der Halsschild, länger als breit, mit schwach angedeuteten 
Augen und nach hinten nicht erweiterten Schläfen. Die Stirnfurchen lang und tief, ziemlich parallel, nach 
hinten nur mäßig divergierend und bis zum hinteren Supraorbitalpunkt reichend. Der Halsschild nicht breiter 
als lang, im vorderen Viertel am breitesten, gerundet-erweitert, nach hinten verengt und vor der Basis lang 
und seicht ausgebuchtet; die Hinterecken klein, spitzig und nach außen vortretend; der Vorderrand bogen- 
förmig ausgerandet, die Basis fast gerade abgeschnitten und nicht schmäler als der Vorderrand. Der Seiten- 
rand des Halsschildes schmal aufgebogen, die Scheibe mäßig gewölbt, vor der Basis mit einem tiefen Quer- 
eindruck und feinen Längsfältchen; die Basaleindrücke klein und tief. Die Flügeldecken länglich, hinter der 
Mitte mehr als doppelt so breit als der Halsschild, mit winkelig vorspringenden, am Ende verrundeten 
Schultern und schwach abgeschrägtem Basalrand; die Fläche der Flügeldecken ziemlich konvex, hinter der 
Basis und längs der Naht eingedrückt, mit ziemlich tiefen, weitläufig punktierten inneren Dorsalstreifen, 
diese, mit Ausnahme des Nahtstreifens, gegen die Spitze allmählich schwächer, der siebente Streifen nicht 
angedeutet, der dritte mit drei borstentragenden Punkten. Länge: 48 mm. 

Der Halsschild ist ähnlich gestaltet wie bei Trechus Redtenbacheri Friv., aber schmäler und länger, 
vorn weniger erweitert, nach hinten mehr allmählich verengt. Die Flügeldecken sind länger und gestreckter 
als bei Tr. Eurydice Schauf., gegen die Basis mehr abgeschrägt, ihre Schultern treten stärker winkelig 
hervor, die Scheibe ist gewölbter, hinter der Basis und längs der Naht eingedrückt, die Streifen sind weit- 
läufiger punktiert und gegen die Seiten und, mit Ausnahme des ersten, auch gegen die Spitze erloschen. 

Ein Exemplar dieser Art fand Herr Viktor Apfelbeck in der Brateljevicka pecCina bei Kladanj, 
nordöstlich von Sarajevo in Bosnien (ex GANGLBAUER, Wien. entom. Zeitg. 1891, 126). 

Nach einer freundlichen Mitteilung des Herrn Direktors Otto Leonhard ist das einzige, nunmehr in 
Verlust geratene Originalexemplar im Geröll vor dem Eingang der Brateljevicka pecina im Spätherbst 
gefangen worden. Spätere durch Leonhard veranlaßte Nachforschungen am Originalfundort blieben 
erfolglos. 


18. Trechus (Neoduvalius) vranensis Breit. Münch. Koleopt. Zeitschr. II, 1904, 28. 


Kleiner als Trechus Eurydice und größer als KReitteri, von allen Typhloduvalius-Arten durch die sehr 
stark markierten, fast rechtwinkeligen und nur an der Spitze verrundeten Schultern differierend. Die Fühler 
mäßig lang, das zweite Glied fast nur ein Drittel kürzer als das erste, das dritte erheblich länger als das 
zweite und deutlich länger als das vierte, das zehnte Glied von der Breitseite betrachtet etwa doppelt so 
lang als breit. Halsschild quer, im vorderen Drittel gleichmäßig gerundet erweitert, hinter der Mitte bis gegen 
die kleinen, etwas spitz vortretenden Hinterecken geradlinig verengt und nur unmittelbar vor denselben mit 
einer kleinen, seichten Ausbuchtung; die Vorderecken des Halsschildes deutlich lappenförmig vorgezogen. 
Flügeldecken länglich, hinter der Mitte am breitesten und daselbst schwach gerundet, von da an gegen die 
Schultern geradlinig verengt, vollzählig gestreift, die äußeren Streifen fein. Der erste Borstenpunkt im Ver- 
laufe des dritten Streifens befindet sich knapp hinter dem basalen Fünftel, der zweite in der Mitte, der dritte 


38 hi MÄlber, 


etwa zu Beginn des apicalen Siebentels der Flügeldeckenlänge, vor dem Niveau des umgebogenen Naht- 
endes. Die vier ersten Punkte der Series umbilicata mit dem Seitenrande nach hinten deutlich divergierend. 
Länge: 9 mm. 


Vorkommen. Höhle der Vran planina (Bachofen 1904). Mir lag zur Beschreibung eine der Breit’- 
schen Typen aus der Sammlung des Wiener Hofmuseums vor. 


19. Trechus (Neoduvalius) Reitteri Miller. Verh. zool. bot. Gesellsch. Wien, XXX, 1880, 203; 
Ganglbauer, Käf. v. Mitteleur., I, 1892, 212; Apfelbeck, Käf. Balk., I, 1904, 147; Acherontius Schau- 
fuss, Ann. Soc. ent. France, 1881, Bull. LXXXVI. ee 


Rötlichgelb oder rotbraun, glänzend. Der Kopf etwas schmäler als der Halsschild. Die Fühler mäßig 
lang, das zehnte Glied etwa doppelt so lang als breit. Der Halsschild weniger quer als bei Trechus vranensis, 
im vorderen Drittel gleichmäßig, bald stärker, bald schwächer gerundet erweitert, die Hinterecken ziemlich 
lang abgesetzt, etwas spitzwinklig; die Vorderecken nicht deutlich lappenförmig vortretend, der Seitenrand 
namentlich innerhalb der Vorderecken, viel schmäler abgesetzt als bei vranensis und Eurydice. Flügeldecken 
etwas hinter der Mitte am breitesten, daselbst weniger erweitert als bei vranensis und nur sehr schwach 
gerundet, vollzählig gestreift, die äußersten Punktstreifen fein und oft nicht deutlich vertieft. Von den drei 
am dritten Streifen befindlichen Punkten liegt der erste knapp hinter dem basalen Fünftel, der zweite etwas 


vor der Mitte, der dritte im apicalen Siebentel der Flügeldeckenlänge. — Länge: 4 bis 4:6 mm. 


Verbreitung und Lebensweise. Diese Art wurde von E. Reitter im Juni 1879 im vordersten 
Teil der Grotte bei Mogorice in der Lika entdeckt. Weitere Exemplare von Perusic in der Lika sah ich 
in der Sammlung des Herrn F. Tax (Graz). Ein Exemplar, das mit den Likaner Stücken genau überein- 
stimmt, fand Herr Ingenieur H. F. Neumann in der Höhle auf der Prjeka glavica bei Drvar in Nord- 
west-Bosnien (1911). A. Winkler sammelte diese Art im Freien, unter Steinen, und zwar in der Wald- 
region des Senjsko Bilo und der PljeSsevica bei Zengg, in 900 bis 1300 m Höhe. 


20. Trechus (Neoduvalius) Styx Apfb. Käferfauna Balkanhalbinsel, 1904, 139. 


»Dem Trechus Reitteri Mill. sehr nahe stehend und ähnlich, von demselben durch etwas schmäleren, 
gleichmäßiger ovalen, gegen die Fühlereinlenkung schwächer verengten Kopf, schwächer backenartig nach 
hinten erweiterte, in den Hals allmählicher verlaufende Schläfen, seichtere, weniger scharf begrenzte, 
schwächer gekrümmte Stirnfurchen, zur Basis etwas weniger und allmählicher verengten Halsschild, fast 
rechtwinkelige, undeutlicher abgesetzte und kaum nach außen vorspringende Hinterecken, etwas stärker 
verrundete Schultern der gleichmäßiger flach gewölbten, oben nicht niedergedrückten Flügeldecken diffe- 
rierend. Die Stirnfurchen wie bei Trechus Reitteri nach hinten verkürzt, den hinteren Supraorbitalpunkt 
nicht erreichend. — Länge: 45 mm« (ex APFELBECK, 1. c.). 


Fundort: Eine größere Höhle bei Vacar Vakuf (Zentral-Bosnien). 


Mir ist diese Art nicht vorgelegen. Nach der obigen Beschreibung halte ich es nicht für ausgeschlossen, 


daß es sich um eine Rasse des Tr. Reitteri handeln könnte. 


21. Trechus (Neoduvalius) Eurydice Schauf. Annal. Soc. ent. France, 1881, Bul. LXXXV]; Gangl- 
bauer, Käf. v. Mitteleur., I, 1892, 212; Apfelbeck, Käf. Balk., I, 1904, 147. 


Gesättigt rötlichgelb, glänzend. Der Kopf groß, an den backenartig erweiterten Schläfen fast so breit 
als der Halsschild. Die Fühler etwa bis zur Mitte der Flügeldecken nach hinten reichend, das zweite Glied 
deutlich kürzer als das erste, das dritte gut anderthalbmal so lang als das zweite und einundeindrittel so 
lang als das vierte, das zehnte Glied mindestens dreimal so lang als breit. Der Halsschild herzförmig, erheblich 


Höhlenfauna der Ostalpen und des Balkan. II. 39 


breiter als lang, etwa an der Basis des apicalen Viertels am breitesten, von da an gegen die lappenförmig 
vortretenden Vorderecken und zunächst auch nach hinten in sanfter Rundung verengt; hinter der Mitte 
konvergieren die Seitenränder des Halsschildes geradlinig gegen die ziemlich kleinen, scharf rechtwinkligen 
oder etwas spitz vortretenden, durch eine leichte Ausbuchtung abgesetzten Hinterecken. Die Flügeldecken 
länglich, hinter der Mitte am breitesten und daselbst sehr flach gerundet, von da an gegen die ziemlich stark 
vortretenden, wenn auch abgerundeten Schultern sehr schwach und fast geradlinig verengt, vollzählig 


Fig 1. EBE2 


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Fig. 1. Trechus (Neodwvalius) Eurydice Schauf. (Originalzeichnung des Verfassers. — Vergr. etwa 10 mal). 
Fig. 2. Trechus (Neodiwalius) Schatzmayri J. Müller. (Originalzeichnung des Verfassers. — Vergr. etwa 1Omal). 


gestreift, am dritten Streifen mit drei borstentragenden Punkten, davon der erste etwa am Ende des basalen 
Fünftels, der zweite etwa in der Mitte, der dritte weit gegen die Flügeldeckenspitze verschoben und vom 
zweiten weiter entfernt als dieser vom ersten. — Länge: 7 mm. 

Verbreitung. Diese Art wurde aus Grotten im kroatischen Küstengebiet (Lika) beschrieben. 
Eine nähere Fundortsbezeichnung war auch bei den von mir untersuchten kroatischen Stücken (leg. 
Dobiasch, jetzt im Wiener Hofmuseum) nicht vorhanden. Nur zwei im Wiener Hofmuseum befindliche 
Stücke haben eine genauere Fundortsangabe: Sanskimost (Pfeiffer). — Vgl. auch die Nachträge, p. 86 [96]. 


22. Trechus (Neoduvalius) Schatzmayri J. Müll. Wien. entom. Zeitung, 1912, 297. 

Glänzend rötlichgelb, mit etwas dunklerem Kopf und Halsschild. Der Kopf ebenso breit als der Hals- 
schild. Dieser quer herzförmig, im vorderen Drittel ziemlich stark gerundet erweitert, nach hinten aus- 
geschweift verengt, mit großen, lang abgesetzten, scharf rechtwinkligen oder etwas spitzen, jedoch seitlich 
nicht vortretenden Hinterecken, der Vorderrand und die Basis mäßig stark ausgerandet. Die Flügeldecken 


40 J. Müller, 


länglich, in ihrer größten Breite hinter der Mitte etwa doppelt so breit als der Halsschild, mit stumpf vor- 


tretenden, jedoch an der Spitze selbst ziemlich stark verrundeten Schultern; die Punktstreifen gegen die 


Naht zu stark vertieft, nach außen jedoch fast vollkommen erloschen; am dritten Streifen befinden sich vier 
borstentragende Punkte, von denen sich der letzte (der »Präapicalpunkt«) im Niveau des kurzen umge- 
bogenen Nahtstreifens befindet. Der erste Punkt der Series umbilicata nicht weiter vom Seitenrande entfernt 
als die drei darauf folgenden Punkte. Die Beine und Fühler ziemlich lang, letztere etwa drei Viertel der 


Körperlänge erreichend. Beim 5/ die zwei ersten Glieder der Vordertarsen schwach erweitert und innen 


dornförmig ausgezogen. — Länge: 75 bis 8 mm. 
Mit Trechus Eurydice aus der Lika zunächst verwandt, jedoch von ihm durch noch größeren, breiteren 

Körperbau, stärker queren Halsschild mit großen, lang abgesetzten Hinterecken, etwas breitere, seitlich 

stärker . gerundete Flügeldecken und fast erloschene äußere Streifen derselben sowie durch das Vorhanden- 


Fig. 3. 


Trechus (Neodivalius) Neumanni J. Müller. (Originalzeichnung des Verfassers. — Vergr. etwa 10 mal.) 


sein von vier borstentragenden Punkten im Verlaufe des dritten Streifens differierend. Durch das letzt- 
genannte Merkmal auch von dem.bei Petrovac vorkommenden Trechus Neumani zu unterscheiden, der 
übrigens von Schatzmayri auch durch den wesentlich stärker herzförmigen Halsschild, die breiter ver- 
rundeten Schultern, vor allem aber durch die Lage des Präapicalpunktes der Flügeldecken (vor dem um- 
gebogenen Nahtende) wesentlich abweicht. 


Vorkommen und Lebensweise. Diese Art wurde am 14. Juli 1912 von Artur Schatzmayr und 
mir in der Mracna pe£ina (Prolog-Gebirge, an der bosnisch-dalmatinischen Grenze) entdeckt. Wir fanden 
trotz eifrigen Suchens nur wenige Exemplare im mittleren Teil der Höhle, auf lehmigem Boden, unter 
Steinen, wo sie ziemlich rasch umherliefen. In derselben Höhle, unter Steinen, auch Trechus dalmatin. 
dinariens und an den Wänden Haplotropidius pubescens, ziemlich häufig. 


Höhlenfauna der Ostalpen und des Balkan. II. 41 


23. Trechus (Neoduvalius) Neumanni J. Müller. Wien. entom. Zeitung, 1911, 1. 


Etwas größer und erheblich breiter als Trechus Eurydice. Der Kopf hinten weniger stark backenartig 
erweitert. Die Halsschildseiten vor der Mitte stärker gerundet erweitert, gegen die viel länger 
abgesetzten, scharf spitzigen Hinterecken stärker verengt und vor diesen ausgeschweift. Die Flügel- 
decken erheblich breiter als bei Eurydice, an den Schultern stärker verrundet, die Seitenränder weniger 
parallel, mehr eiförmig gerundet. Der borstentragende Präapicalpunkt der Flügeldecken vor dem kurzen, 
umgebogenen Ende des Nahtstreifens gelegen. Die Beine etwas schlanker als bei Eurydice. — Länge: 7 bis 
75mm. * 

Mit Trechus Schatzmayri zunächst verwandt, von diesem durch die oben (bei Schatzmayri) angege- 
benen Merkmale differierend. 


Vorkommen. — DragiSica-Höhle bei Petrovac (Nordwest-Bosnien). Vom Herrn Ingenieur H.F. Neu- 
mann (Graz) 1910 in zwei Exemplaren entdeckt. 


3. Untergattung Typhlotrechus J. Müller 1913. 
Typus: Trechus (Typhlotrechus) Bilimeki Sturm. 


Allgemeine Merkmale. Der Kopf schmäler als der Halsschild mit vollständigen, im hintersten Teil 
jedoch bisweilen nicht scharf eingeschnittenen Stirnfurchen. Der mittlere Stirnwulst hinten nicht durch einen 
Quereindruck begrenzt. Die Halseinschnürung bisweilen auch auf der Dorsalfläche des Kopfes angedeutet. 

Die Fühler mäßig lang, das zweite Fühlerglied: kaum kürzer als das erste, das dritte und vierte 
gleich lang. 

Der Halsschild mit deutlich aufgebogenen Seitenrändern und schräg nach innen und unten gerichteten 
Epipleuren. Nur die vordere Marginalseta des Halsschildes vorhanden, diese stark entwickelt, 
die hintere vollkommen fehlend. 

Die Flügeldecken mit mehr oder weniger abgeschrägtem Basalrand und breit und flach verrundeten 
Schultern. Der erste Punkt der Series umbilicata aus der Reihe der drei folgenden nach innen gerückt, vom 
Seitenrande weiter entfernt als der zweite Punkt, der mit den drei folgenden eine vom Seitenrande der 
Flügeldecken divergierende Reihe bildet. 

An den männlichen Vordertarsen die zwei ersten Glieder erweitert. 

Hieher gehören zwei glänzende und bis auf die normalen Tastborsten vollkommen kahle, glatte Arten 
aus dem krainisch-istrisch-kroatischen Karstgebiet. 


Bestimmungstabelle der Arten. 


1. Kleine Art von 4:7 bis 4:8 mm Länge, mit schwächer abgeschrägtem Schulterrande. Der zweite, 
dritte und vierte Punkt der Series umbilicata etwa gleichweit voneinander entfernt, ‘eine mit dem 
Seitenrande der Flügeldecken nur mäßig divergierende Reihe bildend. Die Fühler gedrungener mit 
viel kinzeten Cell E NE EE ei . 24. velebiticus Ganglb. 


— Große Art von 6°5 bis 8 mm Länge, mit stark abgeschrägtem Schulterrande. Der vierte Punkt der 
Series umbilicata weiter nach hinten gerückt, vom dritten viel weiter entfernt als dieser vom zweiten 
und mit diesen beiden eine mit dem Seitenrande der Flügeldecken stärker divergierende Reihe 
Deus sEunlerswelssehlanker ae. er en 2.95, Bilimeki Sturm: 


24. Trechus (Typhlotrechus) velebiticus Ganglbauer. Münch. Kol. Zeitschr., II, 1904, 350. 


Rötlichgelb, glänzend. Der Kopf sehr w enig schmäler als der Halsschild, mit backenartig erweiterten 
Schläfen. Das zweite Fühler glied wenig kürzer als das erste, das dritte etwa einundeinviertel so lang als das 


42 J. Müller, 


zweite und kaum länger als das vierte; die zwei vorletzten Glieder von der Breitseite betrachtet etwa zwei- 
undeinhalbmal so lang als breit. Der Halsschild herzförmig, im vorderen Drittel etwas breitet als lang, vor 


den ziemlich kleinen, etwas spitz nach außen vortretenden Hinterecken ausgebuchtet, Die Flügeldecken 
oval, etwas hinter der Mitte am breitesten, fast vollzählig gestreift, mit schwach gewölbten inneren Zwischen- 
räumen. Längs des dritten Streifens befinden sich drei Borstenpunkte, von denen der mittlere vor der 
Flügeldeckenmitte liegt. Das umgebogene Ende des Nahtstreifens fast bis zum Niveau des präapicalen 
Borstenpunktes der Flügeldecken reichend. — Länge: 4:7 bis 5 mm. | 


Verbreitung. Die im Wiener Hofmuseum befindliche, von Herrn Oberrevidenten J..Breit her- 
rührende Type stammt aus der Lika (Kroatien) ohne nähere Angabe. Der erste genauere Fundort wurde 
erst heuer durch Herrn A. Winkler (Wien) bekannt, der diese Art auf der Pljesevica im Velebitgebirge 
(Juni 1912) in 1300 »n Höhe sammelte und mir ein Exemplar zur Untersuchung vorlegte. Diese Art kommt 
dort im Walde, nur unter tief im Humus eingebetteten Steinblöcken vor und ist äußerst selten. 


25. Trechus (Typhlotrechus) Bilimeki Sturm. Deutschl. Ins. XIX, 114, XXI, t. 392, f. B.;; Schaum, 
Natg. Ins. Deutschl., I, 1860, 659; Jacq. Duval, Gen. Col., I, t. 8, f. 37; Ganglbauer, Käf. v. Mitteleur,, I, 
1892, 216; robustus Motsch., Etud. ent., XI, 1862, 44; oblongicollis Joseph, Berl. ent. Zeitschr. 1870, 272. 
— Subsp. tergestinus J. Müller. Wiener entom. Zeitung, 1905, 32. — Subsp. Hauckei Ganglbauer. 


Denkschr. Akad. Wiss. Wien, math.-naturw. Klasse, Bd. XC., 11 [21]. — Subsp. Kiesenwetteri Schaum. \ 


Berl. ent. Zeitschr., 1862, 419; Ganglbauer, Käf. Mitteleur., I, 1892, 217; Apfelbeck, Käferfauna Balk,, I, 
1904, 147; rectangularis Schauf., Ann. Soc. ent. France, X, 1882, 158. — Subsp. Hacqueti Sturm. 
Deutschl. Ins., XXI, 91, t. 408, f. a, A; Schaum, Natg. Ins. Deutschl,, I, 1860, 659; Ganglb., Käf. Mittel- 
eur., I, 1892, 216. — Subsp. ozaljensis Bedel. Ann. Soc. entom. France, 1876, Bull. CXXIV; Ganglb,., 
Käf. Mitteleur., 1, 1892, 217; croaticus Hampe, Berl. ent. Zeitschr., 1870, 332. — Subsp. likanensis Schauf. 
Ann. Soc. entom. France 18382, Bull. CXXV, Ganglb., Käf. Mitteleur. I, 1892, 217; vexator Schauf.,, Ann. 
Soc. ent. France, 1832, Bull. CXXVl. 


Bräunlichgelb bis dunkel rotbraun, glänzend. Der Kopf bald gestreckter, bald gedrungener, doch stets 
schmäler als der Halsschild. Das zweite Fühlerglied kaum kürzer als das erste, das dritte deutlich länger als 
das zweite, jedoch nicht oder nur unwesentlich länger als das vierte, das neunte Glied etwa viermal so lang 
als breit. Der Halsschild sehr variabel. Die Flügeldecken entweder vollzählig gestreift, mit schwächeren 
äußeren Streifen oder es sind diese gänzlich erloschen. Längs des dritten Streifens ‘befinden sich drei 
Borstenpunkte, von denen der mittlere hinter der Mitte der Flügeldecken gelegenist. Das um- 
gebogene Ende des Nahtstreifens erreicht in der Regel nicht das Niveau des borstentragenden Präapical- 
punktes. — Länge: 6°5 bis 8 mm. 


Verbreitung und Lebensweise. Trechus Bilimeki ist wohl die häufigste blinde Trechus-Art in 
Krain, im Küstenlande, in der Lika und den angrenzenden Teilen Dalmatiens. Die Nordwestgrenze des Ver- 
breitungsgebietes liegt im Karst von Opachiesela, nördlich von Monfalcone, die Südgrenze im Velebitgebirge. 


Folgende biologische Angaben beziehen sich auf meine eigenen Beobachtungen an dem im Küsten- 
lande häufigen 7. Bilimeki tergestinus. Diese Rasse findet sich sowohl in großen als auch in kleinen Höhlen, 
in solchen von großer und in solchen von geringer Tiefe, und zwar unter Steinen an lehmig-feuchten 
Stellen. In kleinen Höhlen mit relativ trockenem Eingang ist dieser Trechus meist nur im Inneren, an bereits 
vollkommen dunklen Stellen zu finden. In großen Höhlen mit schachtartigem Eingang, wie zum Beispiel in 
der Grotta delle Torri bei Nabresina und in der Dimnice-Grotte bei MarkovSina, lebt hingegen dieser Trechus 


fast ausschließlich in den oft ganz belichteten, lotrecht unter der Eingangsöffnung der Schächte befindlichen 


Schuttkegeln. Dieses Vorkommen beweist die ganz ausgesprochene Vorliebe von T. Bilimeki tergestinus 
für die kühlsten Stellen der Höhlen, unbekümmert um die Lichtverhältnisse. An diesen Stellen, unmittelbar 
unter dem Eingang tiefer Schächte herrscht nämlich infolge der größeren Verdunstung die tiefste Temperatur, 


Höhlenfauma der Östalpen und des Balkan. IT. 43 


die, neben der Feuchtigkeit, entschieden einen größeren Einfluß auf das Vorkommen des Tr. tergestinus 
ausübt als das Vorhandensein oder Fehlen des Lichtes. 

Was die Erscheinungszeit betrifft, so fand ich dieses Tier, selbst am Grunde der weiten, offenen 
Schächte, während des ganzen Jahres, selbstim Winter, ziemlich gleich häufig, ganz im Gegen- 
satze zu einigen Höhlensilphiden (Zeptoderus Hohenwarti reticulatus und Bathyscia Khevenhülleri), die im 
Winter in den meisten Höhlen entschieden seltener sind oder gänzlich fehlen. 

Bezüglich der Nahrung kann ich mitteilen, daß dieses Tier in der Gefangenschaft Rindfleisch und 
Rindsleber gerne frißt. In den Höhlen selbst habe ich den Trechus Bilimeki noch nie fressend beobachtet. 
Vielleicht dienen ihm die im Höhlenlehm unter Steinen so häufigen Regenwürmer als Nahrung. 


Variabilität. Die Variabilität dieses relativ weit verbreiteten und häufigen blinden Trechus ist derartig 
groß, daß sie in früheren Zeiten zur Aufstellung verschiedener Arten Veranlassung gegeben hat. GANGL- 
BAUER (Münch. Koleopt. Zeitschr., II, 191, Fußnote) hat die spezifische Identität aller dieser sogenannten 
»Arten« richtig erkannt. 

Die Unterscheidung dieser ehemaligen Arten, jetzt Rassen des Tr. Bilimeki ist bisweilen außer- 
ordentlich schwierig. Erstens wegen der bloß in kleinen Bezirken, oft sogar nur in wenigen Höhlen, prägnant 
ausgebildeten Rassenmerkmale und der in allen Zwischengebieten zahlreich vorhandenen Übergangs- 
formen; noch mehr aber wegen der oft erstaunlichen individuellen Variabilität der aus einer und derselben 
Höhle stammenden Tiere. 

Wollte man alle die lokal mehr oder weniger fixierten Formen des BDilimeki beschreiben und benennen, 
so würde sich ihre Zahl bedeutend vermehren. Ich werde mich jedoch im folgenden darauf beschränken, 
die Hauptrassen in ihrer prägnanten Ausbildung zu definieren und darauf die in den Zwischengebieten 
vorkommenden, mit den hier definierten Rassen nicht ganz übereinstimmenden Formen nur kurz anzuführen. 


a) Trechus Bilimeki Bilimeki Sturm. Der Halsschild ebenso lang oder etwas länger als breit 
(oblongicollis Joseph), vor den kleinen, scharf rechtwinkeligen oder etwas spitz vortretenden Hinterecken 
meist schwach ausgeschweift. Die Flügeldecken ziemlich breit, mäßig gewölbt, relativ stark gestreift, mit 
etwas gewölbten Zwischenräumen, in der Mitte oder wenig weit davor am breitesten und von da an nach 
hinten nicht oder kaum stärker als zu den Schultern verengt, diese deutlich vortretend, wenn auch flach 
verrundet. — Länge 7 bis 8 mm. 

Der echte Bilimeki ist aus der Seleer Grotte bei Gottschee beschrieben, woher mir ein Exemplar 
aus dem Wiener Hofmuseum vorliegt. Weitere Stücke wurden von Herrn Franz Tax in folgenden Grotten 
in der Umgebung von Gottschee gesammelt: Franziska-Grotte, Jagdloch, Schafloch, Dreibrüder- 
Grotte; ferner in der KonjSca-Grotte bei Gr. Laschitz und in der Skednenca-Grotte bei RaSica nächst 
Gr. Laschitz. 


b) Trechus Bilimeki tergestinus J. Müll. Flügeldeckenform und -breite von jener des Bilimeki 
wenig verschieden, bisweilen (aber durchaus nicht immer) nach hinten etwas stärker verengt. Dagegen sind 
die Flügeldeckenstreifen, namentlich die beiden innersten, im allgemeinen seichter und die Zwischenräume 
eben. Vom vorderen Supraorbitalpunkt aus zieht eine schräg nach hinten gerichtete und sich mit den Stirn- 
furchen vereinigende Vertiefung, welche meist mit den Stirnfurchen so breit verschmilzt, daß diese an den 
entsprechenden Stellen (knapp hinter der Kopfmitte) tief dreieckig eingedrückt erscheinen. (Beim typischen 
Bilimeki ist diese vom vorderen Supraorbitalpunkt ausgehende Schrägfurche nicht oder nur schwach ein- 
gedrückt.) Der beste Unterschied gegenüber dem echten Bilimeki besteht aber in der Form des Hals- 
schildes. Dieser ist bei fergestinus etwas kürzer und breiter, an den Seiten gleichmäßiger, bisweilen bis zu 
den Hinterecken schwach gerundet oder im hinteren Teil geradlinig (nicht ausgeschweift) verengt, die 
Hinterecken selbst sind stumpfwinkelig und nie zahnförmig vortretend. — Länge: 7 bis 8 mım. 


Ich habe ursprünglich diese Rasse auf Exemplare aus der Grotta delle torri bei Slivno in der 


Umgebung von Nabresina aufgestellt. Ihr Verbreitungsgebiet erwies sich später als ziemlich ausgedehnt, 
Denkschriften der mathem.-naturw. Kl, XC. Bd, 7 


44 J.Müller, 


indem es den ganzen Triester- Karst und einen großen Teil von Istrien umfaßt; es reicht im Westen bis zum 
Isonzo, im Osten bis in die Gegend von Jurdani bei Fiume, im Süden bis Lupoglava; nach Norden scheint 
es den Triester Karst nicht zu überschreiten. 


Die einzelnen mir bekannten Höhlen, in denen diese Rasse bisher aufgefunden: wurde, sind folgende: 


Perhavcja jama bei Novavas (Karst nördlich von Monfalcone), sehr häufig (Dr. H. Springer), 
1. Mai 1910). 

Zajepleni dol bei Novavas, häufig (1. Mai 1910, J. Müller). 

Grotta delle torri bei Slivno, nördlich von Nabresina, nicht selten (17. September 1895, G. A.. Perko. 
— 30. Jänner 1910, J. Müller. — 6. Februar 1910, K. Wolf. — 5. Februar 1911, J. Müller und 
K. Wolf. — 5. Jänner 1913, J. Müller, H. Springer undK. Wolf). 

Schacht zwischen Zgonik und Gabrovica im Triester Karst, wenige Exemplare (13. März 
1910, A. Schatzmayr und H. Springer). 

Schacht bei Kozina im Triester Karst, nicht häufig (E. Pretner und H. Sp ringer, 9. Februar 
1913). 

Grotte »Trijamah« bei Materia in Nordistrien (G. A. Perko, 21. Oktober 1904). 

Dimnice-Grotte bei MarkovSina in Nordistrien. Meist sehr häufig (22. Oktober 1904, G.A.Perk o.— 
10. Oktober 1908, H. v. Krekich und C. de Mayer, sehr häufig. — 12. April 1909, V. KuScer. — 
29. Mai 1909, J. Müller. — 25. Februar 1911, K. Wolf, wenige Exemplare. — 10. März 1911, J. Müller 
und H. Springer, nicht häufig. — 27. September 1911, E. Pretner und A. Schatzmayr, in Anzahl. 
13. Oktober 1912, E. Pretner). — In derselben Grotte auch Trechus hirtus istrianus Ganglb., Oryotus 
Schmidti subdentatus J. Müll. und Leptoderus Hohenwarti reticulatus J. Müll. 

Medvedova jama bei Markovsina (30. Oktober 1904 und Anfangs Dezember 1904, G. A. Perko). 

Höhle »Pod Morovcam« bei MarkovSina (28. Oktober 1904, G. A. Perko). 

Macinove jame bei MarkovSina (nach G. A. PERKO, Il Tourista, 1906, 60 bis 62). 

Vidalova jama bei Obrov in Nordistrien (Ostern 1907, F. Mühlhofer, 1 Exemplar). 

Grotte an der Straße Golac-Obrovin Nordistrien, wenige Exemplare (F. Blasigund J. Müller, 
31. Mai 1909). 

Polina pec bei Poljane in der Umgebung von Illyrisch Castelnuovo (10. Juni 1909, J. Müller und 
H. Springer. — 13. Oktober 1912, E. Pretner). — In derselben Höhle auch Trechus Schmidti istriensis 
J. Müll. 

Pecina »na PadeZu« bei Poljane in Nord-Istrien (10. Juni 1909, J. Müller und H. Springer). 

Peclina pod strzen bei Poljane in Nordistrien (10. Juni 1909, J. Müller und H. Springer). 

Jabucinov strzen in der Umgebung von Castelnuovo (30. Mai 1909, F. Blasig, H. v. Krekich 
und J. Müller). In dieser Höhle von J. Stussiner bereits im Juni 1879 in einem Exemplare aufgefunden 
und in seinen »Streifzügen durch Istrien« (Deutsche entom. Zeitschr., 1881, p. 89) als Anophthalmus 
Bilimeki var. angeführt. — In derselben Höhle kommt auch Trechus Schmidti istriensis J. Müll. vor. 

Höhle von Ralice bei Castelnuovo (30. Mai 1909, H.v. Krekich und J. Müller; nicht häufig 
Ebenda von J. STUSSINER bereits im Juni 1879 gesammelt und als Anophthalmus Bilimeki var. angeführt 
(Deutsche entom. Zeitschr., 1. c.). 

Jama »za glavice« in Nord-Istrien (13. April 1911, J. Müller). 

"Schacht in der Lokalität »Bliznice« bei Lupoglava, in Zentral-Istrien (1. November 1912, 
H. Springer, wenige Exemplare). 

Höhle bei Jurdani in der Umgebung von Fiume (März 1907, F. Netolitzky. — H.F. Neu- 
mann, 1907. — März 1909, A. Schatzmayr). | 

Höhle bei Dolenje im Fiumaner Karst (2 Juni 1912, G. Depoli). 


Dem Bilimeki tergestinus äußerst nahe stehend sind die beiden folgenden Rassen (c und a): 


Höhlenfauna der Ostalpen und des Balkan. II. 45 


c) Trechus Bilimeki Hauckei Ganglb. — Die Halsschildform von jener des Zergestinus meist nicht 
verschieden, jedoch die Flügeldecken die Maximalbreite weiter hinten, in oder häufig hinter der Mitte, 
erreichend, gegen die Spitze weniger verengt und daselbst breiter abgerundet, die Schultern im allgemeinen 
weniger stark abgeschrägt. Die Stirnfurchen meist nicht oder nur schwach dreieckig eingedrückt. — 
Länge: 7 bis 8 mm. 

Die von mir untersuchten Exemplare stammen aus der Höhle von Luegg (Haucke) und der Graf 
Falkenhayn-Höhle bei Laze in der Gemeinde Planina (Haucke), ferner aus der Kreuzberghöhle 
bei Laas (Dr. Knirsch). 


 d) Trechus Bilimeki Kiesenwetteri Schaum. Die Halsschildform ähnlich wie bei Zergestinus, nur ist 
die Basis jederseits häufig etwas abgeschrägt, so daß dann die Hinterecken noch stumpfer oder abgerundet 
erscheinen!. Der Kopf seitlich weniger deutlich backenartig erweitert und gleichmäßiger, flacher verrundet, in 
den Stirnfurchen meist nicht deutlich dreieckig eingedrückt. Die Flügeldecken im allgemeinen etwas kürzer 
und gewölbter und meist vor der Mitte am breitesten. Die Dorsalstreifen fein, die Zwischenräume eben. — 
Länge: 6:5 bis 75 mm. 
Die mir vorgelegenen Exemplare stammen aus verschiedenen Grotten des Likanergebietes, so aus der 
Höhle von Studence (Padewieth 1891), Samograd (Dobiasch 1889), PerusSic (Tax, loc. class.!) und 
PazariSte (Padewieth 1891). 


e) Trechus Bilimeki Hacqueti Sturm. Die Flügeldecken erheblich schlanker als beim typischen 
Bilimeki, in oder hinter der Mitte am breitesten und von da an nach vorn viel stärker verengt als bei allen 
anderen vorher erwähnten Rassen, daher die Schultern weniger vortretend und breiter, flacher abgerundet. 
Der Halsschild etwas breiter als lang und vor den scharf rechtwinkligen Hinterecken deutlich ausgeschweift. 
Die Stirnfurchen hinter der Kopfmitte nicht deutlich dreieckig eingedrückt. — Länge: 6°5 bis 7 mm. 

Die mir vorgelegenen Exemplare stammen aus der Velka Pasica bei Oberigg am Ostgehänge des 
Krimberges in Krain (Dr. H. Krauss, Juni 1896; v. Gspan, 15. November 1911), und aus einer Höhle bei 
St. Canzian in Krain (Sesek 1892, Wiener Hofmuseum). 


f) Trechus Bilimeki ozaljensis Bedel. Dem Aacgueti recht ähnlich, jedoch die Flügeldecken von 
der Mitte gegen die Schultern schwächer verengt, diese daher mehr vortretend. Die größte Breite des Kopfes 
ist weiter nach hinten verschoben, die Schläfen im hinteren Teil weniger flach verrundet. Der Halsschild 
ähnlich wie bei Hacqueti vor den scharf rechtwinkligen oder etwas spitzen Hinterecken ausgeschweitt, 
jedoch noch etwas kürzer und an der Basis breiter als bei den meisten Facqueti-Exemplaren. Die Stirn- 
furchen einfach. — Länge: 6°5 bis 75 mm. 

Vorkommen: Höhle von Ozalj an der Kulpa in Kroatien. Ich untersuchte zwei Exemplare aus dem 
Agramer Museum, jetzt im Wiener Hofmuseum, gesammelt am Originalfundort am 5. Juli 1909. 


g) Trechus Bilimeki likanensis Schauf. — Dem Hacqueti ähnlich, namentlich durch die von der Mitte 
gegen die Schultern sehr deutlich verengten Flügeldecken, doch sind diese im allgemeinen breiter und der 
Kopf erheblich schmäler und schlanker, die Schläfen sehr flach verrundet. Die Stirnfurchen lang und meist 
einfach. Von ozaljensis durch die von der Mitte gegen die Schultern stärker verengten Flügeldecken, den 
schlankeren Halsschild und die hinten nicht deutlich backenartig vortretenden Schläfen verschieden. — 
Länge: 6 5 bis 75 mm. 

Von SCHAUFUSS nach zahlreichen durch Dobiasch erhaltenen Stücken beschrieben. Als Fundort 
wird »Croatia, Dalmatia (contree de Lika)« angegeben. Die meiner Beschreibung zugrunde gelegten Exem- 
plare stammen aus dem Velebit-Gebirge (Paklenicatal), wo sie in großer Zahl, besonders durch Forstrat 


Gobanz gesammelt wurden. 


1 Exemplare mit stumpfen Hinterecken des Halsschildes wurden von SCHAUFUSS als var. rectangularis beschrieben. Der 
echte Kiesenwetteri soll abgerundete Hinterecken des Halsschildes besitzen. Ich bemerke aber, daß mir die Typen nicht vor- 


gelegen sind. 


46 J. Müller, 


SCHAUFUSS beschreibt nach einem Exemplar aus Dalmatien und drei Exemplaren aus Kroatien 
eine Varietät des likanensis mit nicht vorspringenden Hinterecken des Halsschildes (var. vexator Schauf.). 


Bezüglich des während des Druckes beschriebenen Trechus Bilimeki Prochäskai aus Bosnien ver- 
gleiche man den Nachtrag, p. 87 [97]. 


Mit den im vorigen definierten Bilimeki-Rassen nicht ganz übereinstimmend sind folgende 
Exemplare: 


2 Stücke aus der Grotte von Treffen in Unterkrain (Wiener Hofmuseum). Stimmen am ehesten mit 
dem typischen Bilimeki überein, unterscheiden sich jedoch von Gottscheer Stücken desselben durch den 
schlanken, länglichen Halsschild. Vielleicht var. oblongicollis Joseph. 


2 Stücke aus der Eleonorengrotte bei Gottschee (F. TAX, Wiener Hofmuseum) sind dadurch 
interessant, daß sie individuell recht verschieden sind. Das eine hat einen länglichen Halsschild mit der 
größten Breite im vorderen Drittel; beim anderen ist der Halsschild schwach quer, mit der Maximalbreite 
wenig weit vor der Mitte. Die Flügeldecken sind bei beiden Stücken gestreckter und schmäler als beim 
typischen Bilimeki, ihre größte Breite in oder etwas hinter der Mitte gelegen. 


4 Exemplare aus Kroatien und zwar aus der Höhle bei Josipdol, aus jener bei Lakve und jener bei 
Tounj, sämtlich vom Herrn V. Stiller in Agram gesammelt, ferner zwei Exemplare aus der Luska 
pecina bei Jasenak (Weingartner, 17. Mai 1904), differieren vom typischen Bilimeki ganz konstant 
durch schmälere und gegen die Schultern etwas mehr verengte Flügeldecken. Sie nähern sich dadurch der 
Rasse Hacgueti, von der sie sich durch schlankeren, vor den Hinterecken meist nur äußerst schwach aus- 
geschweiften Halsschild und weniger verrundete Schultern unterscheiden. Von ozaljensis durch viel 
schlankeren Halsschild mit Leichtigkeit zu trennen. 

1 Stück mit der Bezeichnung »Kapela, unbenannte Höhle« (Wiener Hofmuseum) steht dem 
echten ozahjensis äußerst nahe; nur sind die Schultern etwas weniger verrundet und der Halsschild vor der 


Mitte weniger stark gerundet erweitert. 


6 Exemplare von Peuc bei Idria (Gobanz 1910, Wiener Hofmuseum) stimmen am ehesten mit 
Subsp. Fauckei überein; sie sind nur durchschnittlich etwas kleiner und schmäler. 


Dem Hacgueti sehr nahe stehend sind zwei Exemplare aus Zoll im Birnbaumerwald (Wiener 
Hofmuseum). Sie stimmen mit dieser Rasse in der Form und flachen Wölbung der Flügeldecken fast voll- 
kommen überein, jedoch ist der Halsschild vor den Hinterecken nur äußerst schwach ausgeschweift. 


3 Stücke aus einer Grotte bei Pliskovica im Triester Karst (ex coll. Kaufmann, Wiener Hof- 
museum) stimmen in der Flügeldeckenform mit Hauckei fast völlig überein, in der Halsschildform nähern 
sie sich dem typischen Bilimeki, indem die Hinterecken, namentlich bei einem Exemplar, spitzig ausgezogen 
sind. Das Auffälligste bei diesen drei Stückenist ein tiefer, zwischen den Stirnfurchen vor- 
handener Quereindruck, der den Mittelwulst der Stirne von der Scheitelwölbung scharf absetzt. Da 
jedoch dieser Quereindruck nur bei einem der drei Exemplare regelmäßig ausgebildet ist, während er bei 
den anderen etwas schräg, und zwar bei jedem in anderer Richtung, verläuft und da außerdem ein solcher 
Quereindruck auch sonst bei Bilimeki ausnahmsweise vorkommt (zum Beispiel bei einem der beiden Exem- 
plare von Josipdol in Kroatien und bei einem der Stücke vom Monte Maggiore), so handelt es sich wahr- 
scheinlich auch bei den Exemplaren aus Pliskovica bloß um eine abnorme Ausbildung des Kopfes und nicht 
um ein Rassenmerkmal. Sicher läßt sich jedoch dies nur an der Hand eines größeren Materials von Plisko- 
vica entscheiden. 

Durch ihre Breite recht auffällig sind sechs Exemplare, die Herr Winkler 1912 in einer Höhle am 
Monte Maggiore gefunden hat. Die Größe und Halsschildform ist jene des fergestinus; nur bei einem 


Höhlenfauma der Ostalpen und des Balkan. II. 47 


Exemplar ist der Halsschild vor den Hinterecken etwas ausgeschweift, was bei fergestinus sonst nie vor- 
kommt. Dieses Stück zeichnet sich auch durch einen schmäleren Kopf aus, während die übrigen von Herrn 
Winkler am Monte Maegiore gesammelten Stücke sowie der tergestinus einen hinten deutlich backen- 
artig erweiterten Kopf besitzen. Die Stirnfurchen hinten meist deutlich dreieckig eingedrückt, bei einem 
Exemplar außerdem noch durch einen scharfen Quereindruck untereinander verbunden. Vom kroatischen 
Kiesenwetteri, der auch ziemlich kurze und breite Flügeldecken besitzt, durch bedeutendere Größe und 


noch breitere Flügeldecken verschieden. 


4. Untergattung: Anophthalmus Sturm 1844, sens. str. 
Typus: Trechus (Anophthalmus) Schmidti Sturm. 


Allgemeine Merkmale. Der Kopf schmäler als der Halsschild, meist mit vollständigen, selten hinten 
undeutlichen Stirnfurchen und zwei Supraorbitalborsten. 

Der Mittelwulst der Stirn von der Scheitelwölbung meist durch einen Quereindruck abgesetzt. ! Die 
Halseinschnürung auf die Dorsalseite des Kopfes nicht übergreifend. 

Die Fühler stets kürzer als der Körper, ihr zweites Glied deutlich kürzer als das erste. 

Der Halsschild quer oder herzförmig, mit deutlich abgesetzten Seitenrändern und schräg nach innen 
und unten gerichteten Epipleuren. 

Neben dem Halsschildseitenrand befinden sich (mit Ausnahme von T. pubens) die zwei normalen 
borstentragenden Punkte. Die hintere Marginalseta ist stark entwickelt, der Punkt, woraus sie entspringt, 
befindet sich ziemlich weit vor dem Basalrand unmittelbar am Seitenrande, wodurch die verdickte 
Randleiste häufig eingeengt oder unterbrochen wird. 

Die Flügeldecken gegen die Basis stark abgeschrägt mit deutlich stumpfwinkelig vortretenden, an det 
Spitze verrundeten Schultern. 

Der erste Punkt der Series umbilicata aus der Reihe der drei folgenden deutlich (meist sehr stark) nach 
innen abgerückt und vom Seitenrande weiter entfernt als der zweite, der mit den folgenden eine vom 
Seitenrande der Flügeldecken nach hinten divergierende Reihe bildet. Der vierte Punkt vom dritten meist 
weiter abgerückt als der dritte vom zweiten. 

An den männlichen Vordertarsen die zwei ersten Glieder erweitert. 


Geographische Verbreitung. Zu dieser Untergattung gehören eine Anzahl kleiner oder mittel- 
großer Arten mit länglichen, ziemlich flachen, oft matten Flügeldecken aus Kärnten, Südsteiermark, Krain 
dem Küstenlande und einem Teil von Kroatien. Meist Höhlenbewohner, einige auch im Freien unter tief 
eingebetteten Steinen. 


Bestimmungstabelle der Arten. 


1. Der Halsschild kahl oder höchstens mit äußerst kleinen, schwer sichtbaren Härchen besetzt. . . 2 
.— Die ganze Oberseite mit ziemlich langen, nach hinten geneigten Haaren bedeckt. . ......2..8 


2. Die Fühler gedrungener, ihre mittleren Glieder erheblich kürzer, das vierte Glied nicht oder wenig 
ansezalssdaspzyveiten Korperlänsezacorbis’ ro mm. = 2 en. 


— Die Fühler schlanker, ihre mittleren Glieder erheblich länger, das vierte Glied mindestens um die 


Balzer ameenalsıdas zygeite Banger4 bislT Dam an ee ee ee d 


8. Der Mittelwulst der Stirne hinten ohne Quereindruck, in die Scheitelwölbung gleichmäßig über- 


gehend. Kleine stark slanzende Art vom Grintouz 2.7... VD N 26. Weberi Ganglb. 
— Der Mittelwulst der Stirn hinten durch einen Quereindruck von der Scheitelwölbung getrennt . . 4 


1 Undeutlich bei Schmidti, tehlend bei Weberi. 


48 


| 


J. Müller, 


. Der Kopf hinten außerordentlich stark backenartig erweitert, die Backen von der Halseinschnürung 


sehr scharf abgesetzt. Länge: 3°8 bis 4 mm. — Höhle im Vellachtal (Kärnten). 
27. Gobanzi Ganglb. 


Der Kopf hinten viel schwächer erweitert und von der Halseinschnürung weniger scharf abgesetzt. 
Länge: 3°8 bis 4:6 mm. — Julische Alpen und ihre Vorlagen, Südkrain und Nord-Kroatien 


(bis in die Gegend von Agram) . » „. . . 2» nn ven non nen... 28. Scania 
. Flügeldecken im dritten Zwischenraum mit drei borstentragenden Punkten . . .2..2.....%6 
Flügeldecken im dritten Zwischenraume mit vier borstentragenden Punkten. . . re 


. Flügeldecken am Ende gerundet, Nahtwinkel nicht vortretend. Kleinere Art von 4 bis 5 mm Länge. 


— Kärnten, Südsteiermark, Krain tınd angrenzende Teile von Kroatien. 
29. Schaumi Schmidt. 


Flügeldecken am Ende mehr oder weniger deutlich abgestutzt, innerhalb des Nahtwinkeis meist 
schwach ausgebuchtet, letzterer daher etwas vortretend. Größere Art von 5 bis 7:5 mm Länge. — 
Krain, Küstenland, Kroatien. . en 0 u u See 


. Flügeldecken am Ende verrundet, Nahtwinkel nicht vorgezogen. Die Schultern deutlich stumpf- 


winklig, der abgeschrägte Schulterrand schwach ausgebuchtet. Die Flügeldecken, nur äußerst fein 
und spärlich, schwer sichtbar behaart. Länge: 6 bis 7 mm. — Südsteiermark. 
31. Erebus Krauss. 


Flügeldecken am Ende abgestutzt, innerhalb des vortretenden Nahtwinkels ausgebuchtet. Die 
Schultern weniger eckig, der abgeschrägte Schulterrand nicht eingebuchtet. Flügeldecken und 
Abdomen deutlich, wenn auch bei weitem nicht so stark als bei hirtus, behaart. Länge: 55 bis 6 mm. 
— Kärnten (Eggerloch bei Villach) und Krain (Stou, Karawanken) . . . . 32. Mariae Schatzm. 


. Die Behaarung der Oberseite schräg abstehend. Der Halsschild im vorderen Drittel am breitesten, 


flach gewölbt, mit etwas breiterer Seitenrandkehle, in der sich die zwei normalen Borstenpunkte 
befinden. Länge: 5 bis 7 mm. — Krain, Küstenland und Fiumaner Karst. . 33. hirtus Sturm. 


Die Behaarung der Oberseite mehr anliegend. Der Halsschild etwa in der Mitte am breitesten, mit 
sehr schmaler Seitenrandkehle. Die beiden Borstenpunkte am Seitenrande des Halsschildes an- 
scheinend nicht vorhanden. Länge: 6 mm. — Krain . . . . ..........834. pubens Bedel. 


26. Trechus (Anophthalmus) Weberi Ganglbauer. Wien. entom. Zeitg., 1911, 239. 


Blaß rötlichgelb, stark glänzend. Der Kopf kürzer als bei Scopolii, bis zum Vorderrande des Clypeus 


nicht länger als breit, wenig schmäler als der Halsschild, mit mäßig gewölbten, nur sehr spärlich mit kurzen, 
abstehenden Härchen besetzten Schläfen. Der Scheitel von der Stirn durch keinen Quereindruck gesondert. 
Die Fühler etwas kürzer als bei Scopolii, das vierte Fühlerglied kürzer als das dritte und wenig länger als 
das zweite. Der Halsschild im vorderen Drittel mäßig stark gerundet, daselbst etwas breiter als lang, nach 
hinten leicht ausgeschweift verengt, mit kaum abgesetzten, kleinen, rechtwinkeligen Hinterecken, an der 
Basis jederseits etwas abgeschrägt. Die Flügeldecken weit hinter der Mitte am breitesten, von da an gegen 
die Schultern fast geradlinig verengt, flach gewölbt, nur äußerst spärlich mit sehr kurzen, schwer sichtbaren, 
abstehenden Härchen besetzt, neben der Naht mit drei seichten, sehr schwach und undeutlich punktierten 
Streifen, der vierte und fünfte Streifen nur schwach angedeutet, die äußeren erloschen. Der dritte Zwischen- 
raum mit drei kräftigen, borstentragenden Punkten. Der nach innen gerückte erste Punkt der Series umbili- 
cata steht schräg vor dem zweiten und ist vom Schulterrand mehr als doppelt so weit entfernt als jener. 


— Länge: 3:6 mm. 


Höhlenfauna der Östalpen und des Balkan. II. 49 


Mit Trechus Gobanzi und Scopolii nahe verwandt, von beiden durch geringere Größe, die stark 
glänzende Oberseite, etwas kürzere und dickere Fühler und den Mangel eines Quereindruckes zwischen 
Stirn und Scheitel, von Gobanzi außerdem durch den viel schmäleren Kopf, weniger vorgewölbte Schläfen, 
schmäleren, an den Seiten im vorderen Drittel sanfter gerundeten Halsschild und erheblich kürzere Flügel- 
decken verschieden (ex typ.). 

Vorkommen. In der alpinen Region des Grintouz (Steiner Alpen). Vom Herrn Professor Eugen 
Weber (Graz) im Juli 1907, unweit des markierten Weges, der von der Zoishütte zur Spitze des Grintouz 
führt, am Rande eines Schneefeldes unter einem Stein in einem weiblichen Exemplare entdeckt, das sich 
derzeit im Wiener Hofmuseum befindet. 


27. Trechus (Anophthalmus) Gobanzi Ganglbauer. Wien. entom. Zeitg., 1911, 237. 


Rötlichgelb, Flügeldecken etwas heller. Kopf und Halsschild stark glänzend, Flügeldecken etwas 
matter. Der Kopf nur unbedeutend schmäler als der Halsschild, mit backenartig erweiterten, außen stark 
gewölbten, hinten durch die sie umschreibende Verlängerung der Stirnfurchen sehr scharf begrenzten 
Schläfen. Letztere auf der seitlichen Wölbung spärlich mit kurzen, feinen, abstehenden Härchen besetzt. Das 
von den Stirnfurchen eingeschlossene mittlere Stirnfeld durch einen schwachen Quereindruck vom Scheitel 
abgesetzt. Die Fühler ebenso kurz wie bei Scopoliti, das vierte Fühlerglied viel kürzer als das dritte und nur 
sehr wenig oder kaum länger als das zweite. Der Halsschild herzförmig, an den Seiten im vorderen Drittel 
stark gerundet, daselbst etwas breiter als lang und etwa halb so breit als die Flügeldecken zusammen- 
genommen, nach hinten geradlinig oder ein wenig ausgeschweift verengt, mit sehr kurz abgesetzten, kleinen, 
rechtwinkeligen oder etwas nach außen vorspringenden Hinterecken, am Vorderrande sehr flach ausge- 
buchtet, die Vorderecken nicht oder kaum vorspringend. Die Flügeldecken länglich oval, hinter der Mitte am 
breitesten, hinten gemeinsam abgerundet, mit ziemlich rechtem Nahtwinkel, flach gewölbt, weitläufig mit 
äußerst kurzen, abstehenden Borstenhaaren besetzt, seicht gestreift, in den vom vierten ab sehr schwachen 
Streifen mit undeutlichen, etwas weitläufig aufeinanderfolgenden Punkten, im dritten Zwischenraum mit drei 
borstentragenden Punkten. Die vorderen vier Punkte der Series umbilicata fast gleichweit voneinander 
entfernt, der erste, nach innen gerückte Punkt steht schräg vor dem zweiten und ist vom Schulterrand mehr 
als doppelt so weit entfernt als jener. — Länge: 38 bis 4 mm. 

Mit Trechus Scopolii zunächst verwandt, von diesem hauptsächlich durch den auffällig breiten, an 
den Schläfen stark gerundet erweiterten und gewölbten, in der Breite hinter dem Halsschilde kaum zurück- 
bleibenden Kopf verschieden (ex typ.). ; 

Vorkommen. In einer Höhle des Vellachtales bei Eisenkappel (Kärnten). Von Herrn Forstrat 
A. Gobanz entdeckt und in wenigen, weiblichen Exemplaren gesammelt. 

Anmerkung zu Trechus Gobanzi und Weberi. Da von diesen beiden Arten bisher nur weibliche 
Exemplare bekannt sind, ist ihre systematische Einreihung nicht ohne weiteres durchführbar. Haben die 
dd tatsächlich zwei erweiterte Vordertarsenglieder, so sind sie zur Untergattung Anophthalmus s. str. zu 
stellen; sollte es sich jedoch herausstellen, daß nur das erste Glied der Vordertarsen erweitert ist, so müßte 
man sie nach dem hier vorgeschlagenen System am ehesten der Untergattung Orotrechus zuweisen. 
Letzteres glaube ich aber ausschließen zu können wegen der starken Ausbildung und der Lage der hinteren 
Marginalseta des Halsschildes. Diese befindet sich nämlich bei Tr. Weberi und Gobanzi ziemlich weit vor 
der Halsschildbasis, während sie bei Orotrechus, falls sie überhaupt ausgebildet ist, im äußersten Winkel 
der Halsschildhinterecken selbst entspringt. Daher stelle ich diese beiden Arten, vorläufig wenigstens, zu 


Anophthalmus s. str. Eine definitive Entscheidung wird jedoch erst nach Bekanntwerden der J'Z' möglich 
sein. ! 


1 Nach Fertigstellung dieser Arbeit teilt mir Herr Oberrevident Josef Breit mit, daß bei Trechus Gobanzi Ganglb. tatsächlich 
die zwei ersten Vordertarsenglieder im männlichen Geschlechte erweitert sind, womit seine Einreihung unter die echten Anophthalmen 
gerechtfertigt erscheint. Es erübrigt also nur noch den Tr. Weberi auf dieses Merkmal hin zu untersuchen. 


50 J. Müller, 


28. Trechus (Anophthalmus) Scopolii Sturm. Deutschl. Ins, XXI, 1851, 111, t. 392, Fig. A; 
Schaum, Naturg. Ins. Deutschl., I, 1860, 662; Ganglbauer, Käf. Mitteleur., I, 1892, 217; Winkler, Entom. 
Blätter, 1912, 244. — Subsp. bohiniensis Ganglbauer. Wien. entom. Zeitg., 1903, 118, und 1911, 240; 
Winkler, Entom. Blätter, 1912, 244. — Subspec. Paveli Csiki. Term. Füz. 1899, 479; Ganglbauer, 
Wien. entom. Zeitg., 1911, 241 ex parte; Scopolii Ganglb., Verh. zool. bot. Ges. Wien, 1899, 530 ex parte; 
Bartkoi Winkler, Entom. Blätter 1912, 245. — Subspec. Bartkoi Csiki. Ann. Mus. Hung,., 1912, 510; 
Scilagyi Csiki, ebenda, 510; Scopolii Ganglb., Verh. zool. bot. Ges., Wien, 1899, 529 ex parte; Paveli 
Ganglb., Wien. entom. Zeitg. 1911, 241 ex parte; Winkler, Entom. Blätter, 1912, 244. — Subspec. Kauf- 
manni Ganglbauer. Verh. zool. bot. Ges. Wien, 1899, 530, und Wien. entom. Zeitg., 1911, 241; Winkler, 
Ent. Blätter, 1912, 246. — Subspec. Weingärtneri Winkler. Entom. Blätter, 1912, 246. 


Rötlichgelb, wenig glänzend. Der Kopf etwas schmäler als der Halsschild, mit ziemlich kurzen, die 
Körpermitte nicht oder nur wenig überragenden Fühlern, die beiden vorletzten Glieder anderthalb bis 
doppelt so lang als breit. Der Halsschild mehr oder weniger herzförmig, im vorderen Drittel gerundet 
erweitert und hier breiter als lang, nach hinten ziemlich stark verengt und vor den kleinen, rechtwinkligen 
oder etwas spitz vortretenden Hinterecken bald geradlinig, bald sanft ausgeschweift. Die Flügeldecken mäßig 
gewölbt, länglich oval, hinter der Mitte am breitesten, von da an nach hinten etwas stärker als nach vorne 
verengt, mit stumpf verrundetem Nahtwinkel. Die Schultern der Anlage nach stumpfwinklig, jedoch an der 
Spitze mehr oder weniger verrundet, der abgeschrägte Basalrand geradlinig oder schwach ‚konvex, der Seiten- 
rand hinter den Schultern meist ein wenig eingezogen. Die inneren Dorsalstreifen mäßig tief und nur 
schwach oder undeutlich punktiert, die äußeren allmählich seichter, der siebente immer, bisweilen auch der 
sechste erloschen. Am dritten Dorsalstreifen befinden sich die drei normalen borstentragenden Punkte. Der 
erste Punkt der Series umbilicata mehr oder weniger weit nach innen gerückt, bald schräg vor dem zweiten, 
bald im Niveau desselben befindlich. Die ganzen Flügeldecken sind, ebenso wie der Vorderkörper, mit 
äußerst kurzen und feinen, nur im Profil bei starker Vergrößerung deutlich sichtbaren aufgerichteten 
Härchen besetzt. Die Mikroskulptur der Oberseite besteht aus ziemlich weiten, auf den Flügeldecken etwas 
schuppig aussehenden Quermaschen. — Länge: 3°5 bis 4°6 mm. 


Verbreitung und Lebensweise. Dieser stellenweise nicht seltene Trechus bewohnt West- und 
Südkrain, das Gebiet von Görz nördlich der Wippach, den Fiumaner Hochkarst und das Sljeme-Gebirge bei 
Agram. Der nördlichste Fundort ist die Crna prst (Julische Alpen), der westlichste die Berge bei St. Gendra 
am rechten Isonzoufer, der südlichste der Berg Bitoraj im Fiumaner Karst, der östlichste das Sljeme-Gebirge 
bei Agram. In Krain ist diese Art nördlich vom Laibacher Moor und der Gurk nicht aufgefunden worden; 
im Küstenland überschreitet sie nicht die Talfurche Wippach-Reka gegen Süden. 

Es ist mir aufgefallen, daß diese Art bisher nur in oder über der Region der Buchenwälder auf- 
gefunden wurde, wo sie teils unter Steinen, teils in Höhlen vorkommt. Die in der alpinen Region der Crna 
prst unter Steinen lebende Rasse bohiniensis Ganglb. ist infolge der Lage des ersten Punktes der Series 
umbilicata als die phylogenetisch am niedrigsten stehende Form aufzufassen. 


Übersicht der Rassen. 


a) Scopolii bohiniensis Ganglb. Durch die Lage des ersten Punktes der Series umbilicata genügend 
charakterisiert. Während derselbe bei allen übrigen Rassen etwa im Niveau des zweiten Punktes der Series 
umbilicata gelegen ist, erscheint er bei Scopolüi bohiniensis weniger weit vom Seitenrande abgerückt und 
befindet sich weit vor dem zweiten Punkt. 

Im übrigen vom typischen Scopolii in folgenden Punkten verschieden. Durchschnittlich kleiner und in 
allen Teilen kürzer und gedrungener gebaut. Die Fühler kürzer und merklich dicker. Der Halsschild gegen 
die als sehr kleine Zähnchen nach außen vorspringenden Hinterecken etwas weniger stark und ganz gerad- 
linig verengt. Die Flügeldecken weniger gestreckt. Der Penis ähnlich wie beim typischen Scopolii. — Länge: 
3'8 bis dmm. 


o Höhlenfauna der Ostalpen und des Balkan. IT. ol 


Vorkommen. In der alpinen Region der Crna prst in den Julischen Alpen auf Trümmerhalden unter 
großen, tief in die Erde eingebetteten Steinen. VonL. Ganglbauer undR. Pinker Ende Juni 1902 ent- 
deckt und in einiger Anzahl oberhalb des Mallner Schutzhauses und der Lisic-Almen gesammelt. An der 
ersten Fundstelle auch Zaemostenus Schreibersi Küst., Lathrobium (Glyplomerus) cavicola Müll., und 
Otiorrhynchus (Troglorrhynchus) anophthalmus F.-Schmidt. Seither wurde diese Rasse, namentlich durch 
Herrn Baron A. Bachofen v. Echt, in großer Zahl gesammelt. 


b) Scopolii Scopolii Sturm. Relativ kleine, wenig gestreckte Form mit ziemlich kurzen Fühlern. Der 
Halsschild schwach herzförmig, nach hinten mäßig stark verengt und vor den spitz vortretenden oder scharf 
rechtwinkligen, kleinen Hinterecken mehr oder weniger deutlich ausgeschweift, Die Flügeldecken länglich- 
eiförmig, mäßig gewölbt, mit breit verrundeten Schulterecken. Der erste Punkt der Series umbilicata steht 
meist im Niveau des zweiten oder wenig weit davor und bildet daher mit diesem und dem dritten Punkt 
meist einen rechten Winkel. Der Penis schmal, von der Seite betrachtet im Apicalteil gegen die kurz um- 
gebogene Spitze ganz allmählich verengt. — Länge: 3°8 bis 4°3 mm. 


Vorkommen. Dieses Tier wurde nach Ferdinand Schmidt 1850 in der Grotte von Setz in Inner- 
krain, auf dem Wege von Adelsberg nach Luegg entdeckt. Nach Dr. JOSEPH (Berl. ent. Zeitschr., 1870, 266) 
ist diese Höhle nicht eruierbar. 

Die Type blieb mir zwar unbekannt; doch sah ich ein anderes Exemplar aus der Adelsberger Gegend, 
und zwar aus der Ösojnica-Höhle bei Kaltenfeld (Haucke). Weitere Fundorte sind: Nanos, im Walde 
unter Steinen (Dr. Knirsch und Winkler, Sommer 1910); Karnizza im Tarnowaner Wald, im 
Buchenwald, unter Steinen (J. Müller, Juni 1903 und 1911, und H. Springer 1911); Höhle bei Cvetrez 
im Tarnowaner Wald (A. Gobanz, Wiener Hofmuseum, 1 Exemplar); Höhle bei Tarnowa (J. Müller, 
Juni 1911); Schachthöhle bei S. Gendra, am rechten Isonzoufer (J. Müller und H. Springer 1912); 
Zawinka-Höhle bei Präwald (J. Sever, nach GANGLBAUER, Verh. zool. bot. Ges. Wien, 1899, 529, 
und Wien, ent. Zeitg., 1911, 240); Vel. Javornik, östlich von Adelsberg, unter einem Stein im Walde, Juni 
1912 (nach WINKLER, Ent. Blätter, 1912, 244). 


c) Scopolii Paveli Csiki. Von der typischen Form nur durch schmäleren Körperbau und vom ersten 
Drittel an nach hinten deutlich verengten Halsschild zu unterscheiden. Hinterecken des Halsschildes als 
kleine Spitze seitlich vorspringend. — Länge: 4 bis 4:5 mm. 


Verbreitung. Diese Form wurde. nach zwei von Joh. Pavelin einer »unbenannten Höhle« bei FuZine 
im Fiumaner Karst gesammelten Exemplaren beschrieben. Nach GANGLBAUER (Verh. zool. bot. Ges. 
Wien, 1899, 530) stammen die Typen des Paveli aus der Höhle »Bukova kusa«, welche, wie mir jetzt Herr 
A. Winkler mitteilt, nicht in der unmittelbaren Nähe von FuZine, sondern ungefähr 25 km weiter nördlich, 
liegen soll. Daher istnach Winkler der echte Paveli gar nicht identisch mit der von Dr. Spaeth, Moczarski, 
Stolz und ihm selbst im Wald bei Fuzine gesammelten und von GANGLBAUER (Wien. ent. Zeitg., 1911, 
241) für Paveli gehaltenen Form. Dagegen soll Scopolii Bartkoi Winkler (nec CSIKI) vom Risnjak 
Ostabhang) und Kupjakberg bei Skrad mit dem echten Paveli aus der Bukova kusa übereinstimmen. ! 


d) Scopolii Bartkoi Csiki. Von der typischen Form durch stärker und fast geradlinig nach hinten 
verengten Halsschild mit schmälerer Basis verschieden. Von Paveli Csiki durch etwas breitere Körperform 
und nach hinten stärker und geradlinig verengten Halsschild differierend.? — Länge: 4 bis 45 mm. 


1.Die Synonymie der Scopolüi-Rassen aus dem Fiumaner Karst — Paveli und Bartkoi — verdanke ich einer freundlichen Mit 
teilung des Herrn A. WINKLER (Wien), der erst nach der Veröffentlichung seiner interessanten Arbeit über die Rassen von Trechus 
Scopolii und Schaumi (Ent. Blätter 1912, 243 bis 249) Gelegenheit hatte, durch Herrn ©. MIHOK die Typen der kroatischen Scopolii- 
Rassen zu untersuchen und mir die Erlaubnis gab, die Resultate seiner Untersuchungen hier zu verwerten. 

2 Es ist äußerst merkwürdig, daß Herr CSIKlin den Originalbeschreibungen seiner kroatischen Scopolii-Varietäten (Bartkoi 
und Szilagyi) den Trechus Paveli gar nicht erwähnt, obwohl er mit ihnen äußerst nahe verwandt ist. Überhaupt sind die letzten CSIKI- 
schen Beschreibungen sehr mangelhaft und zeugen von einer leider auch sonst verbreiteten Sucht, sich die Autorschaft möglichst 

Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC. Bd, Ss 


52 J. Müller, “ 


Verbreitung. In der Originalbeschreibung des Bartkoi wird als Fundort der Berg RiSnjak angegeben. 
Laut einer Mitteilung des Herrn O. Mihok an A. Winkler soll jedoch die Originalfundstelle dieser Rasse 
südwestlich vom Ri$njak liegen. Mit den Typen des Bartkoi stimmen nach Winkler überein die bei 
Fuzine von Dr. Spaeth unter Steinen gesammelten Exemplare, ferner die auf der Plasa, östlich von 
Fuzine von Moczarski, Dr. Stolz und Winkler gefundenen Stücke sowie auch die vom Berge 
Bitoraj östlich von FuZine beschriebene Form Szilagyi Csiki. 


e) Scopolii Kaufmanni Ganglb. Größere Rasse mit längeren Fühlern, etwas längerem Halsschild und 
schlankeren, seitlich weniger gerundeten Flügeldecken und deutlicher vortretenden Schultern. Hinterecken 
des Halsschildes seitlich nicht vorspringend. Der Penis von der Seite gesehen im Apicalteil gegen die kurz 
umgebogene Spitze plötzlich verengt. — Länge: 42 bis 4:6 mm. i 


Verbreitung. Der echte Kaufmanni ist aus dem Friedrichsteiner Wald bei Gottschee be- 
schrieben, wo ihn namentlich Herr F. TAX (Graz) in beträchtlicher Zahl unter großen Steinen sammelte. 
Zwei Stücke, die Herr A. WINKLER 1912 auf der Javorova kosa in einer tiefen Seitenschlucht der 
Dobra, östlich von Skrad (Kroatien), sammelte, stimmen am ehesten noch mit dieser Rasse überein; sie 
unterscheiden sich nur durch etwas kürzeren und breiteren Umriß der Flügeldecken. 


JP) Scopolii Weingärtneri Winkler. Vom typischen Scopolüi durch bedeutendere Körpergröße, viel 
schlankere Fühler, im Verhältnis zu den Flügeldecken kürzeren Halsschild und durch längere, gewölbtere, 
beiderseits stärker verengte und besonders beim @ mattere Flügeldecken verschieden. Die fünf bisher 
bekannten Exemplare zeigen eine große Variabilität im Habitus und in der Halsschildform. Die Seiten des 


Halsschildes sind zumeist viel stärker gerundet als beim typischen Scopolii, die Rundung reicht weiter nach‘ 


hinten, die Ausrandung vor den Hinterecken ist tiefer und die Hinterecken sind zumeist in eine große, 
scharfe Spitze ausgezogen. Der erste Punkt der Series umbilicata befindet sich ein wenig schräg vor dem 
zweiten. — Länge: 3:5 bis 4 mm ? (ex WINKLER). Ss 


Vorkommen. Sljemegebirge bei Agram. Das erste Exemplar wurde vor einigen Jahren von Herrn 
R. v. Weingärtner in einer Schlucht bei Podsused aus Laub gesiebt. Weitere fünf Exemplare 
wurden im August 1912 von obigem und Herrn Prof. Hochetlingerin der Höhle von Bizek ge- 
sammelt. 4 


29. Trechus (Anophthalmus) Schaumi Schmidt. Ztschr. Krain. Landes-Mus., 1859; Schmidt, Verh. 
zool. bot. Ges. Wien, X, 1860, 670, t. XII, Fig. 4; Schaum, Natg. Ins. Deutschl. 1860, 661; Joseph, Berl. 
ent. Ztschr., 1870, 263; Ganglbauer, Käf. v. Mitteleur., I, 1892, 218; Winkler, Ent. Blätt. 1912, 247. — 
Aberr. oder Subspec. (?) planipennis Joseph; Berl. ent. Ztschr., 1870, 264; Ganglbauer, Käf. v. Mitteleur. 
I, 1892, 218. — Subsp. Knirschi Winkler. Ent. Blätter, 1912, 247. — Subsp. Hochetlingeri Winkler, 
Ent. Blätter, 1912, 248. — Subsp. Bernhaueri Ganglbauer. Wien. entom. Zeitg. 1895, 262; RR Ent. 
Blätter, 1912, 247. 


vieler, wenn auch nur schlecht definierbarer Formen zu sichern. Dabei wird gewöhnlich mit der Publikation gehastet, um ja nicht die 
Priorität zu verlieren, und notdürftige, in aller Eile verfaßte Diagnosen werden der Öffentlichkeit übergeben. Die Unterscheidungs- 
merkmale sind vielfach übertrieben, um die Aufstellung an und für sich schlechter Formen plausibel erscheinen zu lassen. 

Charakteristisch für die CSIKI’sche Methode ist seine jüngst erschienene Beschreibung des Apholenonus Bokori (Ann. Mus. 
Hung., 1912). CSIKI unterscheidet ihn von Apholeuonus Taxi, den er den nächsten Verwandten nennt, hauptsächlich durch den nicht 
trapezförmigen, sondern in der Basalhälfte parallelseitigen Halsschild, erwähnt aber mit keinem Wort meinen Apholeuonus pubescens, 
den ich schon 1903, und zwar speziell durch den im Basalteil parallelseitigen Halsschild von Taxi untefschieden habe. Weiß viel- 
leicht CSIKI nichts von der Existenz des Apholeonus pubescens? Abgesehen vom Catalog. Coleopt. 1906, wo diese Art bereits 
figuriert, hätte ihn schon ein Blick in die JEANNEL’sche Monographie der Höhlensilphiden belehren müssen, daß es ein Tier gibt, 
welches bezüglich der Halsschildform mit Apholenonus Bokori Csiki übereinstimmt und daher in einer vergleichenden Beschreibung 
nicht verschwiegen werden kann. 


2 Dürfte wohl größer sein! (Anmerkung des Verfassers.) 


Höhlenfauna der Ostalpen und des Balkan. II. 53 


Rötlichgelb oder rostfarben, mehr oder weniger glänzend, auf der Oberseite nur äußerst kurz und fein, 
schwer sichtbar behaart. Der Kopf etwas schmäler als der Halsschild, mit vollständigen Stirnfurchen und 
mehr oder weniger backenartig erweiterten Schläfen. Die Fühler meist die Körpermitte ein wenig über- 
ragend, ihre beiden vorletzten Glieder zwei- bis dreimal so lang als breit. Der Halsschild herzförmig, nicht 
oder nur wenig breiter als lang, im vorderen Drittel am breitesten und dort mehr oder weniger stark 
gerundet erweitert, nach hinten fast geradlinig oder in sehr sanft ausgeschweifter Kurve verengt mit kleinen 
scharf stumpfwinkeligen oder rechtwinkeligen Hinterecken. Die Flügeldecken wenig gewölbt, länglich, hinter 
der Mitte am breitesten, mit deutlich markierten, stumpfwinkeligen, an der Spitze wenig verrundeten 
Schultern, gerade abgeschrägtem oder leicht ausgebuchtetem Basalrand und stumpf verrundetem Naht- 
winkel. Hinter den Schulterecken erscheint der Seitenrand ein wenig eingezogen. Die Dorsalstreifen innen 
mäßig tief mit schwach gewölbten Zwischenräumen, nach außen allmählich erloschen. Am dritten Dorsal- 
streifen befinden sich die drei normalen Borstenpunkte. Der erste Punkt der Series umbilicata stark nach 
innen gerückt, unmittelbar vor, in oder hinter dem Niveau des ersten Seitenrandpunktes gelegen. — 
Länge: 4 bis 5 mm. 

Mit Trechus Scopolii zunächst verwandt und von ihm nur durch etwas bedeutendere Körpergröße, 
schlankere Fühler und Beine, etwas längeren Halsschild, gestrecktere Flügeldecken und durchschnittlich 
weiter nach hinten gerückten ersten Punkt der Series umbilicata verschieden. Da diese Merkmale bei 
Trechus Schaumi, besonders aber auch bei Trechus Scopolii nicht unbedeutend variieren, so zwar, daß 
sich die extremen Formen dieser beiden Arten recht nahe stehen, könnte man leicht geneigt sein, ihre 
spezifische Verschiedenheit anzuzweifeln, wenn nicht bereits an zwei Lokalitäten (Friedrichsteiner Wald 
bei Gottschee und Cvetrez-Höhle im Tarnowaner Wald) Trechus Schaumi und Scopolii ohne Übergänge 
zusammenlebend gefunden worden wären. 

° Von Trechus Schmidti, mit dem einige Autoren unsere Art verglichen haben, unterscheidet sich 
Trechus Schaumi schon durch die grundverschiedene Bildung der Flügeldeckenspitze beziehungsweise des 
Nahtwinkels und ist daher mit ihm nicht näher verwandt. 

Verbreitung und Lebensweise. Das Verbreitungsgebiet dieser Art erstreckt sich über einen 
großen Teil von Krain und reicht teilweise auch in die Nachbargebiete von Steiermark, Kärnten, Görz und 
Kroatien hinein. Die Art lebt meist in Höhlen; im Friedrichsteiner Wald bei Gottschee kommt sie unter 
Steinen vor; eine sehr markante Rasse (Bernhaueri) wurde in der alpinen Region des Hochobir (Karawanken) 
zunächst im Freien unter Steinen, dann in einem aufgelassenen Bergwerkstollen aufgefunden. 


Übersicht der Rassen. 


Trechus Schaumi i. w. S. umfaßt zwei recht verschiedene Hauptrassen, die sich folgendermaßen 

unterscheiden: 

1. Flügeldecken wenig glänzend, der abgeschrägte Basalrand schwach eingebuchtet. Der nach innen 
gerückte Punkt der Series umbilicata befindet sich in oder hinter dem Niveau des ersten am Seiten- 
kande,beiindiichen Punktes .........: Beer o)Schaumt Schaum Schmidt. 

> Flügeldecken stark glänzend, der ee Basalrand nicht eingebuchtet. Der nach innen 
gerückte Punkt der Series umbilicata befindet sich meist knapp vor dem Niveau des ersten Seiten- 
Br Ken ee an 20a. . d),Schaumi Bernhaueri Ganglb. 


a) Schaumi Schaumi Schmidt. Vom Originalfundort (Höhle »Dolga Cirkva« bei Domzale, nördlich 
von Laibach) lag mir kein Material vor, wohl aber aus folgenden Lokalitäten: 

Höhle bei St. Canzian! in Krain, zusammen mit Trechus hirtus, in Anzahl (Sessek 1892, Wiener 
Hofmuseum). — Höhle bei Bründl an der südsteierischen Grenze (H. F. Neumann, 1 Exemplar). — 


1 Ein Exemplar aus der Sammlung des Herrn Prof. Dr. K. MOSER (Triest) trägt als genauere Fundortsbezeichnung: »Bosto- 


nova jama, St. Canzian, Vier.« 


54 \ J. Müller, 


Cvetrez-Grotte im Tarnowaner Wald (A. Gobanz 1909, 1 Exemplar, Wiener Hofmuseum). — Konjsca- 
Grotte bei Laschitz nördlich von Gottschee (H. Krauss und K. A. Penecke). — Friedrichsteiner 
Wald bei Gottschee, unter Steinen, zusammen mit Trechus Scopolii Kaufmanni (F. Tax). — Höhle 
von Ozalj an der Kulpa in Kroatien (J. Hochetlinger). — Skadanca-Höhle bei Franz in Süd- 
steiermark (v. Krekich, Juli 1909; Krauss und Penecke, Sommer 1902). — Vracka luknja und 
Soteska luknja bei Praßberg (Krauss und Penecke, Oktober 1904). — Rabosca lukna bei Liboje 
im Sanntal (Krauss, 1 Exemplar). — Pongraz-Grotte bei Hellenstein (v. Krekich, Juli 1909). 


Als weitere Fundorte führt Dr. JOSEPH (Berl. entom. Zeitschr., 1870, 263) verschiedene Grotten um 
Vir, Aich, Moräutsch und Bischoflack an. — 


Die Exemplare aus der Höhle von St. Canzian in Krain dürften der typischen Form angehören. 


Als eine Unterrasse des Schaumi ist die von WINKLER als Schaumi Knirschi beschriebene Form 
aus der Skadanca-Höhle bei Franz aufzufassen. Sie unterscheidet sich von den Exemplaren aus St. Can- 
zian durch größere, robustere Körperform, stärker backenartig erweiterten Kopf, kräftigere, kürzere Fühler, 
etwas breiteren Halsschild und breitere, gewölbtere und mattere Flügeldecken. Auch steht der erste Punkt 
der Series umbilicata häufig etwas weiter vorne, im Niveau des zweiten, während er bei den Krainer 
Exemplaren etwas weiter nach hinten gerückt erscheint. Doch kommt die letztgenannte Stellung auch bei 
einzelnen Stücken aus Steiermark vor. | 

Das Stück aus dem Tarnowaner Wald, ein 9, ist ebenso groß wie die steirischen Stücke, der Kopf 
ebenfalls ziemlich breit; jedoch ist der erste Punkt der Series umbilicata etwas weiter hinter dem Niveau 
des zweiten gelegen. 


Die Exemplare aus Gottschee sind ebenfalls größer als der Typus. Von der untersteierischen Form 
unterscheiden sie sich durch schmäleren und schlankeren Kopf, etwas schlankere Fühler und schärfer 
markierte Schulterecken. Der erste Punkt der Series umbilicata liegt hinter dem Niveau des zweiten. 

Die Stücke aus der Ozailer Höhle in Kroatien bilden die Unterrasse Hochetlingeri Winkler, die 
(nach der Originalbeschreibung) durch die gedrungene Gestalt und den matten Glanz der Flügeldecken 
der Unterrasse Knirschi am nächsten steht, von der sie sich durch längere Fühler und Beine, den nach 
hinten stärker verengten Halsschild, die breiteren, im Verhältnis zum Vorderkörper kürzeren Flügeldecken 
und den weiter nach hinten gerückten ersten Punkt der Series umbilicata unterscheidet. — Länge: 
4 bis 45 mm. 

Unbekannt ist mir die von JOSEPH beschriebene var. planipennis, nach einem Exemplar aus Unter- 
krain. Sie soll sich von der typischen Form durch auffallend flachen Körper und länglicheren, vorne weniger 
erweiterten Halsschild unterscheiden. 


b) Schaumi Bernhaueri Ganglbauer. Von den vorigen Schaumi-Rassen durch die gerade abge- 
schrägten (nicht eingebuchteten) Schulterränder, die Lage des ersten Punktes der Series umbilicata 
(unmittelbar vor dem Niveau des zweiten) und die in beiden Geschlechtern glänzende Oberseite ver- 
schieden. Da jedoch die Lage des ersten Punktes der Series umbilicata bei Schaumi variiert! und da die 


Ausbuchtung des abgeschrägten Schulterrandes nicht immer deutlich hervortritt, so halte ich es in Über- 


einstimmung mit WINKLER für angezeigt, den Trechus Bernhaueri in den Rassenkreis des Schaumi 
einzubeziehen, zumal auch im Baue des Penis keine wesentlichen Unterschiede bestehen. 

Die im Wiener Hofmuseum befindliche Type (Z) wurde von Dr. Bernhauer bei der meteorologi- 
schen Station auf dem Hochobir (Karawanken) unter einem großen Stein im Juli 1895 aufgefunden. Ein 
zweites Stück (9) vom Originalfundort wurde dem Hofmuseum in Wien von Herrn Forstrat Gobanz 
überlassen (gesammelt am 9. Juli 1910). Weitere Exemplare wurden in neuester Zeit in einem verlassenen 
Stollen auf dem Obir gesammelt und gelangten in den Besitz des Herrn E. Mocsarsky in Wien. 


1 Wie ich später durch Herrn A. Winkler erfuhr, ist auch bei Tr. Bernhaueri die Lage dieses Punktes variabel. 


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Höhlenfauna der Ostalpen und des Balkan. II. 


30. Trechus (Anophthalmus) Schmidti Sturm. Deutschl. Ins, XV, 1844, 131, 1. 303; Schaum, 
Natg. Ins. Deutschl., I, 1860, 661; Joseph, Berl. entom. Zeitschr., 1870, 262; Ganglbauer, Käf. v. Mittel- 
eur., I, 1892, 217. — Subsp. insignis J. Müller. Wien. entom. Zeitg., 1912, 299. — Subsp. nova opacipennis 
m. — Subsp. istriensis J. Müller. Wien. entom. Zeitg., 1909, 273. — Subsp. Flachi Winkler. Ent. Blätter, 
1912, 248. — Subsp. Soösi Csiki. Ann. Mus. Hung., 1912, 511.; Winkler, Ent. Blätter, 1912, 248. 


Zweifelhafte Formen. Anophthalmus Motschulskyi F. Schmidt. Verh. zool. bot. Ges. Wien, 
1860, 671. — A. cordicollis Motschulsky, Etud. entom., 1862, 43. — A. rostratus Motschulsky, |. c., 43. 
"— A. trechioides Motschulsky, |. c., 44. 


Rötlichgelb, mit glänzendem Vorderkörper; die Flügeldecken bald in beiden Geschlechtern, bald nur 
beim Männchen glänzend. Die Oberseite nur äußerst kurz und fein, schwer sichtbar behaart. Der Kopf 
sehr wenig schmäler als der Halsschild mit vollständigen, scharfen Stirnfurchen und deutlich backenartig 
erweiterten Schläfen. Die Fühler überragen ein wenig die Mitte der Flügeldecken, ihr drittes Glied mehr 
als anderthalbmal so lang als das zweite, das vierte ein wenig kürzer als das dritte, die beiden vorletzten 
drei- bis viermal so lang als breit. Der Halsschild höchstens so lang als breit, mehr oder minder deutlich 
herzförmig, im vorderen Drittel gleichmäßig gerundet erweitert, vor den scharf rechtwinkeligen Hinter- 
ecken sanft ausgeschweift oder gegen dieselben geradlinig verengt. Die Flügeldecken länglich-oval, hinter 
der Mitte am breitesten, mit sehr deutlich stumpfwinkelig vortretenden, nur an der Spitze schmal ver- 
rundeten Schultern und winkelig vorspringender Nahtecke; der Apicalrand abgestutzt und neben der Naht- 
ecke mehr oder weniger deutlich ausgebuchtet. Die inneren Dorsalstreifen mäßig vertieft, schwach 
punktiert und mäßig gewölbte Zwischenräume einschließend, die äußeren allmählich schwächer, aber 
meist nicht ganz erloschen. Von den drei am dritten Dorsalstreifen befindlichen Borstenpunkten ist der 
mittlere meist vor der Flügeldeckenmitte gelegen und dem postbasalen deutlich näher gerückt als dem 
präapicalen Punkt. Der nach innen gerückte vorderste Punkt der Series umbilicata meist im oder etwas 
hinter dem Niveau des ersten Seitenrandpunktes befindlich. — Länge: 5 bis 75 mm. 


Verbreitung und Lebensweise. Das Verbreitungsgebiet von Trechus Schmidti reicht vom Tarno- 
waner Wald bei Görz über Innerkrain, den Triester Karst und Nordistrien bis nach Kroatien (Bitoraj- 
Gebirge). Die verschiedenen Rassen leben teils in Buchenwäldern unter Steinen (Nanos, Monte Maggiore, 
Bitoraj), teils in Höhlen. 


Übersicht der Rassen. 


l.Flügeldecken in beiden Geschlechtern glänzend. Halsschild herzförmig, vor der Basis 
deutlich ausgeschweift. 


a) Schmidti insignis J. Müller. Sehr kräftige, 7 bis 75 mm lange Rasse aus dem Tarnowaner Wald 
"bei Görz. Flügeldecken stärker gewölbt, ihr Seitenrand hinter den stark vortretenden Schultern sanft aus- 
gebuchtet. 

Vorkommen. In einer kleinen, weit offenen Schachthöhle (Jama za lesom) im Tarnowaner Wald 
bei Karnizza, am Grunde des Schachtes, unter Steinen und abgefallenem Buchenlaub (J. Müller, 
A. Schatzmayr und H. Springer, 4. Juni 1911). 


b) Schmidti Schmidti Sturm. Kleinere und schmälere Form mit flacheren Flügeldecken, breiter ver- 
rundeten Schultern und dahinter nicht ausgebuchtetem Seitenrand. — Länge: 5 bis 6°5 mm. 

Von Ferd. J. Schmidt 1842 in der Grotte von Luegg in Innerkrain entdeckt, woher mir durch 
Haucke und Winkler (Juni 1912) einzelne Exemplare vorgelegen sind. Die von JOSEPH (Berl. entom. 
Zeitschr., 1870, 263) erwähnten Stücke aus der Adelsberger Grotte, Magdalenen Grotte! und Nuß- 
dorfer Grotte in Innerkrain gehören vielleicht auch hierher. 


1 In dieser Grotte auch von Dr. H. Krauss aufgefunden (vgl. H. KRAUSS in HAMANN, Europ. Höhlenfauna, 1896, 259). 


06 J. Müller, 


Zum typischen Schmidti stelle.ich vorläufig auch die Form aus dem Triester Karste, vonder bisher 
bloß zwei Exemplare bekannt sind. Das eine wurde am 25. Juli 1895 in der Kalna jama bei Divada vom 
Herrn Prof. A. Valle, das andere, ein Q, am 23. Februar 1913, in der Lindner Grotte bei Trebil, 320m 
unter der Erdoberfläche, in der Nähe des unterirdischen Flusses, unter Steinen, von Dr. H. Springer 
gefunden. Diese beiden Stücke stimmen miteinander vollkommen überein,! sie sind 6°8 mm lang und 
haben vor den Hinterecken deutlich ausgeschweifte Halsschildseiten; die Flügeldecken des © sind 
glänzend. Um zu entscheiden, ob sich die Form aus dem Triester Karst als eigene Rasse abtrennen läßt, 
fehlen mir augenblicklich die Stücke des typischen Schmidti aus Luegg. 


1 Exemplar (9) vom Nanos in Innerkrain, von Herrn A. Winkler im Mai 1912 im Freien er 
Steinen gesammelt, vermittelt den Übergang vom typischen Schmidti zur Rasse insignis m. 


II. Flügeldecken des Jd’ glänzend, des Q matt. 


c) Schmidti opacipennis subsp. nov. Der Halsschild wie beim Typus deutlich herzförmig, im vor- 
deren Drittel stärker gerundet, vor den Hinterecken ausgeschweift. Flügeldecken flach gewölbt, hinter der 
Mitte nicht bauchig erweitert. — Länge: 5°2 bis 5°5 mm. 


Fundort: Pasica-Grotte am Krimberg, südlich von Laibach (J. Sever, Wiener en 
Dr. H. Krauss; J. Stussiner, 10. September 1911, 19; v. Gspan, 6. Oktober 1911, 19). In derselben 
Grotte auch Trechus Bilimeki Hacqueti. 


d) Schmidti istriensis J. Müller. Der Halsschild kürzer, seitlich vor der Mitte in einer schwächer 
gekrümmten Kurve erweitert, vor den Hinterecken nicht oder nur äußerst schwach ausgeschweift, Die 
Flügeldecken nur wenig unse als bei der vorigen Rasse. — Länge: 6 mm. 


Fundort: Höhlen bei Castelnuovo in Nord- Istrien, so in der kon pelina (v. eigen und 
C. de Mayer, 30. Mai 1909), im Jabu£inov strZen (v. Krekich und J. Müller, 30. Mai 1909), und in 
der Polina pe£ina (J. Müller und H. Springer, 10. Juni 1909; E. Pretner, 13. Oktober 1912), und 
zwar unmittelbar am Eingang unter Steinen. In der Ulica pecina war am Tag des Besuches noch Eis 
vorhanden. Im Jabu£inov strZen und in der Polina pelina auch Trechus Bilimeki tergestinns. 


e) Schmidti Flachi Winkler. Halsschild ähnlich wie beim Typus, nur ist die Ausschweifung vor 
den Hinterecken etwas schwächer, wodurch sich diese Rasse der vorigen ein wenig nähert. Jedoch von 
dieser und noch mehr vom typischen Schmidti durch erheblich gewölbtere, hinter der Mitte deutlich bauchig 
erweiterte Flügeldecken verschieden. — Länge: 5:5 bis 6 mm. 


Fundort: Monte Maggiore in Istrien. Von Herrn A. Winkler unterhalb des Gipfels im Buchenwalde 
unter Steinen, ferner in zirka 800 m Höhe in einer Einsturzhöhle entdeckt. 


J) Schmidti Soösi Csiki. Vom RiSnjak in Kroatien beschrieben. Mir in natura unbekannt. 

Vielleicht gehört zu dieser Rasse ein von A. Winkler am Bitoraj bei FuzZine in Kroatien 
gesammeltes Exemplar, welches sich vom typischen Schmidti durch nach hinten bauchig erweiterte, stärker 
gestreifte, matte Flügeldecken und eckigere Schultern. unterscheidet. Dieses Stück steht jedenfalls dem 
Schmidti Flachi am nächsten, von dem es nach WINKLER durch breiteren Kopf, stärker erweiterte 
Schläfen, weniger gerundeten und weniger ausgeschweiften Seitenrand des Halsschildes und’ durch etwas 


breitere, flachere und seitlich weniger gerundete Flügeldecken unterscheidet. 


1 Die Rassenidentität des Trechus Schmidli aus der Kalna jama bei Divala mit jenem aus der Lindner-Grotte bei Trebic 
bestätigt den bereits seit langem vermuteten und von mir (Globus, 1908, Nr. 4) auf Grund der Verbreitung des Pierostichus fasciato- 
punclatus als richtig befundenen Zusammenhang zwischen der Reka bei Divaca und dem Fluß in der Lindner-Grotte. In Nordistrien 
kommt eine vom typischen Schmidti vecht verschiedene Rasse vor, was daher irgendeinen mutmaßlichen hydrographischen‘ 


Zusammenhang dieser Gegend mit der Trebiter Grotte ausschließt. 


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PERLE 


Höhlenfauna der Ostalpen und des Balkan. II. 97 


Ein reicheres Material aus Kroatien wird erst die Entscheidung ermöglichen, ob Schmidti Flachi vom 
Monte Maggiore und Schmidti Soösi vom RiSnjak (beziehungsweise die Form vom Bitoraj) als eigene 
Rassen zu trennen sind oder nicht. Jedenfalls scheinen sie einander außerordentlich nahe zu stehen. 


Zu Trechus Schmidti i. w. S. gehören wahrscheinlich auch folgende vier Formen, die vielleicht mit 
irgendeiner der hier angenommenen Rassen zusammenfallen, was sich aber ohne Einsichtnahme der 
Typen nicht entscheiden läßt. 


Anophthalmus Motschulskyi Ferd. Schmidt. In der Origınalbeschreibung (l. c.) heißt es unter 
anderem: 


»Das Tierchen hat viele Ähnlichkeit mit A. Schmidti, ist jedoch stets um ein Drittel kleiner und nebst- 
dem durch die nur einmal unterbrochene Kopfschwiele, die stärkere Behaarung der Fühler und besonders 
durch die gewölbtere Form der Flügeldecken und deren sichtliche Punktierung in den Streifen von der 
besagten Art gut zu unterscheiden. « 

Nach der Abbildung (Taf. XII, Fig. 5) wären auch die Schultern erheblich breiter verrundet als beim 
Schmidti, doch wird darüber in der Beschreibung nichts erwähnt. Die Länge wird mit »etwas über 2 Linien« 
angegeben. 

Ein Fundort wird nicht genannt. Da es jedoch heißt, daß diese Artin Gesellschaft des A. Hacgueti 
vorkommt, ist es nicht unmöglich, daß es sich hier um die von mir als opacipennis beschriebene Rasse aus 
der Pasica-Grotte handelt, wo tatsächlich auch der Hacqueti zu finden ist. 


"Anophthalmus ceordicollis Motschulsky. Von dieser Form heißt es in der Originalbeschreibung: 
»Tres voisin de ’A. Schmidti, mais plus petit et plus etroit aux Elytres, corselet plus large en avant, plus 
retreci en arriere, angles posterieurement saillant, stries plus distinetement ponctuees. — L. 21/, lin. Je l’ai 
pris dans la Vranitzna jama«. (Etud. entom. 1862, 43.) 


Anophthalmus rostratus Motschulsky. »Cette espece m’a £te envoyee de la Carniole comme 
A. Schmidti, mais elle ne s’accorde pas avec les exemplairs typiques de la caverne de Loueck, qui sont plus 
courts e plus larges dans toutes leurs parties; la tete surtout est plus etroite et plus sensiblement attennee 
en avant, que chez le Schmidti, ou elle est ovalaire. L. 2?/, lin.« (Etud. entom, 1862, 43). 

Dieser Anophthalmus wurde bisher auf Trechus hirtus bezogen. Doch ist es auffällig, daß 
MOTSCHULSKY von der Behaarung nichts erwähnt, die ja bei Trechus hirtus auch einem flüchtigen 
Beobachter nicht leicht entgehen kann. 


Anophthalmus trechioides Motschulsky. »Espece de la Carniole qui.m’a ete donnee pour 
A. Schmidti, mais qui s’en distingue de suite par sa forme plus deprimee et ses Elytres plus ovalaires, ce 
qui rappelle un peu nos grands Trechus. L’ Anophth. dalmatinus Mill. differe de notre espece par sa forme 
plus petite, plus arque sur les cötes, ses Elytres plus larges et attenuees en arriere, les stries moins pro- 
fondes etc.« (Etud. entom., 1862, 44). 

Ein genauerer Fundort-wird, ebenso wie beim vorigen Anophthalmus, nicht angegeben. 


31. Trechus (Anophthalmus) Erebus H. Krauss. Wien. entom. Zeitg., 1906, 297. 


Hell rötlichgelb, glänzend, mit etwas dunklerem Vorderkörper. Der Kopf und Halsschild äußerst kurz 
und fein, die Flügeldecken in der Basalhälfte etwas deutlicher behaart, die Härchen aber hier nur bei sehr 
starker Vergrößerung im Profile sichtbar. Der Kopf kaum schmäler als der Halsschild, mit schwach backen- 
artig erweiterten Schläfen. Der mittlere Stirnwulst vom Scheitel durch einen deutlichen Quereindruck 
getrennt; die Stirnfurchen bis zu dieser Stelle scharf und tief, weiter hinten allmählich seichter. Der Hals- 
schild kaum länger als breit, im vorderen Drittel gleichmäßig gerundet erweitert, gegen die stumpf- oder 


58 J: Müller, 


rechtwinkeligen, nie seitlich vorspringenden Hinterecken fast geradlinig verengt, am Vorderrande kaum, 


am Hinterrand innerhalb der Basaleindrücke deutlich ausgeschnitten. Die Flügeldecken länglich oval, an 


der breitesten Stelle hinter der Mitte mehr als doppelt so breit als der Halsschild im vorderen Drittel, von 
da an nach vorne sehr deutlich verengt und hinter den kräftig markierten, stumpfwinkeligen Schulterecken 
etwas eingezogen, an der Spitze einzeln abgerundet. Die ersten vier Dorsalstreifen wenig tief, nicht deutlich 
punktiert und nach vorne und nach hinten allmählich seichter, meist auch noch der 5. bis 7. Streifen in 
der Mitte schwach angedeutet. Im Verlaufe des dritten Dorsalstreifens befinden sich vier bis fünf Borsten- 
punkte. Der vorderste Punkt der Series umbilicata stark nach innen gerückt und hinter dem Niveau des 
ersten Seitenrandpunktes gelegen. Die Beine und Fühler ziemlich lang, letztere etwa drei Viertel so lang 
als der Körper, ihr drittes Glied fast doppelt so lang als das zweite, das vierte etwas kürzer als das dritte, 
die beiden vorletzten etwa viermal so lang als breit. — Länge: 6 bis 7 mm. ’ 

Diese Art ist mit keiner anderen sehr nahe verwandt. Von Trechus hirtus unterscheidet sie sich vor 
allem durch die kaum sichtbare Behaarung und breitere, stärker gewölbte, an den Schultern stark eckig 
vortretende Flügeldecken; von Mariae, mit dem sie in der Zahl der Borstenpunkte am dritten Dorsalstreifen 
übereinstimmt, hauptsächlich durch die ganz anders gestaltete Flügeldeckenspitze differierend und ebenso 
von Schmidti, der sonst in der Schulterbildung dem Erebus am nächsten steht. 


Verbreitung und Lebensweise. Diese Art wurde 1905 von Dr. Hermann Krauss und Prof. 
Karl A. Penecke in der Vratlka lukna bei Praßberg in Untersteiermark entdeckt und daselbst mit faulen 
Knochen geködert. Weitere Fundorte sind: Die Trbiska-Zijalka oder Ermenc-Höhle bei Leutsch im 
oberen Sanntal (Dr. Krauss, Juli 1906, an faulem Knochenköder); die Eriauc-Grotte bei Leutsch 
(Juli 1906, ein totes Exemplar; nach Dr. KRAUSS, Mitt. Naturw. Ver. für Steierm., Jahrg. 1907, 312); ferner 
eine Höhle im Dobravlje-Gebirge bei Fraßlau, ebenfalls in Untersteiermark (Oberleutnant PoZ, 
1 Exemplar). 


32. Trechus (Anophthalmus) Mariae Schatzmayr. Münch. Koleopt. Zeitschr., II, 1904, 210. 


Rötlichgelb mit etwas dunklerem Vorderkörper, glänzend, beim © jedoch die Flügeldecken matt. Die 
Oberseite des Kopfes und des Halsschildes äußerst kurz, die Flügeldecken deutlich, spärlich behaart, 
allerdings viel schwächer als bei hirtus,; die Schläfen ebenfalls mit abstehenden, feinen Härchen besetzt. 
Der Kopf etwas schmäler als der Halsschild, mit schwach gerundeten Schläfen und vollständigen, im 
hintersten Teil etwas schwächer eingedrückten Stirnfurchen; der Mittelwulst der Stirn durch einen 
schwachen Quereindruck von der Scheitelwölbung getrennt. Die Fühler etwa drei Viertel so lang als der 
Körper, ihr drittes Glied doppelt so lang als das zweite, das vierte etwas kürzer als das dritte, die beiden 
vorletzten drei- bis viermal so lang als breit. Der Halsschild herzförmig, etwa so lang als breit, im vorderen 
Drittel gerundet-erweitert, vor den scharf rechtwinkeligen oder etwas spitzen, seitlich leicht vortretenden 
Hinterecken mäßig ausgeschweift. Die Flügeldecken länglich, ziemlich flach, zusammen fast doppelt so 
breit als der Halsschild, mit stumpfwinkeligen, aber an der Spitze ziemlich breit verrundeten Schulter- 
ecken, sehr schwach gerundeten Seiten und deutlich abgestutztem, außerhalb des kurz zahnförmig vor- 
tretenden Nahtwinkels seicht ausgebuchtetem Apicalrand. Die drei bis vier inneren Dorsalstreifen ziemlich 
seicht und nur undeutlich punktiert, nach vorn und hinten erlöschend; die äußeren nur schwach ange- 
deutet oder gänzlich erloschen. Im Verlaufe des dritten Streifens befinden sich vier Borstenpunkte. Der 
erste, nach innen gerückte Punkt der Series umbilicata in oder vor dem Niveau des zweiten (am Seiten- 
rande befindlichen Punktes) gelegen. Das Abdomen auf der Unterseite deutlich und ziemlich dicht pubeszent. 
Die Beine lang und schlank, der über den Flügeldeckenrand hinausragende Teil der Hinterschenkel etwa 
anderthalbmal so lang als eine Flügeldecke daselbst breit. Der Penis (Fig. 4), von der Dorsalseite betrachtet, 
mit lappenförmig vorgezogener Spitze; die vor der Mündung des Ductus ejaculatorius befindliche Ligula 


1 Nicht »an der Basis«, wie es in der Originalbeschreibung irrtümlich heißt, 


Höhlenfauna der Ostalpen uud des Balkan. II. 59 


gegen das Ende stark verjüngt und in einen ziemlich langen, etwas asymmetrischen, am Ende abgestutzten 
Fortsatz endigend. — Länge: 5°5 bis 6 mm. 

Trechus Mariae erinnert durch die Bildung der Flügeldeckenspitze am meisten an Tr. Schmidti, von 
dem er sich aber schon durch die deutliche Pubeszenz des Abdomens und der Flügeldecken, die längeren 
Beine, die gestreckteren und flacheren, viel seichter gestreiften Flügeldecken und die vier Borstenpunkte 
am dritten Dorsalstreifen hinlänglich unterscheidet. Vom Tr. Erebus Krauss, mit dem unsere Art in der 
Zahl der Borstenpunkte am dritten Dorsalstreifen übereinstimmt, durch geringere Größe, erheblich flachere 


Fig. 4. Fig. 5. 


a u 
ei 


/ 


! 


Penisspitze von Trechus Mariae Schatzm. — != Ligula. 


Fig. 4 Dorsalansicht. Fig. 5 im Profil. 


und schmälere, hinter der Mitte nicht deutlich bauchig erweiterte, an den Schultern viel stärker abgerundete 
und an der Spitze ganz anders gestaltete Flügeldecken verschieden. Von Tr. hirtus und pubens durch die 
viel kürzere Behaarung der Oberseite und den zahnartig vortretenden Nahtwinkel der Flügeldecken sofort zu 
unterscheiden. 


Verbreitung und Lebensweise. Diese Art wurde von A. Schatzmayr im sogenannten 
»Eggerloch« bei Warmbad Villach, am Fuß des Dobratschgebirges unter moderndem Holze entdeckt 
und seither in dieser Höhle mehrfach gesammelt. Ein mit dem typischen Mariae vollkommen überein- 
stimmendes Exemplar (Z) hat mein Schüler Egon Pretner in einem verlassenen Stollen bei der 
Valvasorhütte am Stol (Hochstuhl) in den Karawanken zusammen mit hirtus Pretneri gefunden. ! 


33. Trechus (Anophthalmus) hirtus Sturm. Deutschl. Ins., XXII, 1853, 93, t. 408, Fig. b. D.; 
Schaum, Natg. Ins. Deutschl., I, 1860, 662; Joseph, Berl. ent. Zeitsch., 1870, 266; Ganglbauer, Käf. von 
Mitteleur., I, 1892, 218. — Subsp. Ajdovskanus Ganglbauer. Denkschr. Akad. Wiss. Wien, math.-naturw. 
Kl., Bd. XC, 11 [21]. — Subsp. Micklitzi Ganglbauer. Denkschr. Akad. Wiss. Wien, math. naturw. Rl., Bd. 
XC, 11 [21]. — Subsp. nova Pretneri m. — Subsp. Kertecsi Csiki. Ann. Mus. Hung., 1912, 511; Stilleri 
Ganglbauer in litt. — Subsp. istrianus Ganglbauer. Denkschr. Akad. Wiss. Wien, math.-naturw. RI., 
Bd. XC, 12 [22]. — Subsp. Mayeri J. Müller. Wien. entom. Zeitg., 1909, 273. — Subsp. spectabilis 
Joseph. Berl. ent. Zeitschr. 1870, 267. — Subsp. Severi Ganglbauer. Verhandl. zool. botan. Ges. Wien, 
1897, 565. 


Zweifelhafte Formen.? Anophthalmus costulatus Motschulsky. Brudı ent, Xu, 1862, 42. — 
Anophth. hirtus var. convexus Joseph, Berl. ent. Zeitschr., 1870, 267. 


1 Das gemeinsame Vorkommen von Trechus Mariae und hirtus am Stol in den Karawanken schließt jeden Zweifel an der 
spezifischen Verschiedenheit dieser beiden Trechen aus. 
2 Den bisher als fragliche Varietät des hirtus betrachteten Anophthalmus longieornis Motsch. identifizieve ich mit Trechus 
globulipennis Ganglb. 1896, nec Schaum 1860 (vgl. weiter unten bei Orotrechus!). 
Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC. Bd. 9 


60 J. Müller, 


Blaß bräunlich oder rötlichgelb, mit etwas dunklerem Vorderkörper, glänzend, die Flügeldecken beim 
% matt. Die Oberseite deutlich, abstenend und ziemlich dicht behaart. Der Kopf etwas schmäler, bisweilen 
fast so breit als der Halsschild, länglich, mit mehr oder weniger stark gewölbten Schläfen und im hinteren 
Teil sehr seichten oder gänzlich erloschenen Stirnfurchen. Der mittlere Stirnwulst von der Scheitelwölbung 
durch eine bald stärker, bald schwächer ausgebildete, selten gänzlich fehlende Depression geschieden. Die 
Fühler ®/, bis #/, so lang als der Körper, das dritte Glied fast doppelt so lang als das zweite und etwas 
länger als das vierte, die beiden vorletzten 4 bis Smal so lang als breit. Der Halsschild schwach herzförmig, 
nicht oder kaum länger als breit, im vorderen Drittel am breitesten, vor den kleinen, meist spitz vortretenden 
Hinterecken schwach ausgeschweift, die Basis innerhalb derselben mit einem mehr oder weniger deutlichen, 
kleinen bogentörmigen Ausschnitt. Die Flügeldecken lang gestreckt, beim d’ glänzend, flach gewölbt, beim 2 
matt und depress, seitlich sehr schwach gerundet und hinter der Mitte am breitesten.mit sehr stark abge- 
schrägten Basalrändern und stumpf verrundeten Schulterecken. Die Apicalränder der Flügeldecken einzeln 
flach verrundet, der Nahtwinkel nicht vortretend. Die Dorsalstreifen seicht, schwach punktiert, nach außen und 
gegen die Spitze erloschen; die Zwischenräume mit unregelmäßigen Längsreihen feiner, körniger Punkte, aus 
denen die schräg aufwärts gerichteten Härchen entspringen. Am dritten Dorsalstreifen befinden sich drei bis 
fünf Borstenpunkte, die oft unsymmetrisch ausgebildet und gelegen sind. Der nach innen gerückte 
vorderste Punkt der Series umbilicata liegt etwas vor, in oder hinter dem Niveau des zweiten (am Seiten- 
rande befindlichen) Punktes. Das Abdomen auf der Unterseite dicht anliegend pubeszent. Die Beine lang 
und schlank. Länge: 5 bis 7 mm. 


Verbreitung und Lebensweise. — Diese ungemein variable Art bewohnt ganz Krain, den Tarno- 
waner Wald bei Görz, den Triester und nordistrianischen Karst sowie das Hinterland von Fiume. Sie 
kommt ausschließlich in Höhlen, ausnahmsweise auch in aufgelassenen Bergwerksstollen (zum Beispielam 
Stolin den Karawanken) vor. In der Regel hält sie sich in den innersten Teilen der Höhlen auf, wo sie 
entweder unter Steinen, bisweilen aber auch nach Art der Höhlensilphiden an den Wänden frei herum- 
kletternd gefunden wird. In genügend tiefen und feuchten Einsturzschächten (wie zum Beispiel in der Noe- 
Grotte bei Nabresina) kommt sie auch unmittelbar unter der Eingangsöffnung unter Steinen vor. Im Freien 
ist sie bisher noch nie beobachtet worden. 


Übersicht der Rassen. 
1. Die Pubeszenz der Oberseite relativ kurz, kaum !/, bis !/, so lang als die langen Tastborsten . 2 


— Die Pubeszenz der Oberseite viel länger, die Haare der Flügeldecken fast ein Drittel so lang als die 
Tastborsten.' = Länge: '6 bis Zum DR... ENTER hitus’Segerne ae 

2. Die verjüngte Apicalpartie des Penis kürzer (Fig. 6 und 7), bei seitlicher Betrachtung stärker 
gekrümmt -erscheinend: . .. ur. = 00002. were ukte area Ensgeiise Sieh. 2 


— Die verjüngte Apicalpartie des Penis länger (Fig. 8), bei seitlicher Betrachtung flacher gekrümmt 
erscheinend » . 7: a Ka a ar a ea ae Ve 


3. Die Ligula des Penis (Fig. 6) zugespitzt oder an der Spitze schmal abgerundet. Länge 5 bis 6 mm 
hirtus hirtus Sturm. 


—  Die-Ligula des Penis an der Spitze abgestutzt und sehr seicht ausgerandef. — Länge: 6 mm 
hirtus Ajdovskanus Ganglb. 


— Die Ligula des Penis kräftig, stark chitinisiert, an der Spitze tief stumpfwinklig ausgeschnitten und 


daher zweizähnig (Fig. 7). — Länge: 6 mm. . . »... 0 0...» .„ hirtus Micklitzi Ganglb. 


i Auch die Marginalborsten des Halsschildes neigen zu einer Vermehrung, indem vor der vorderen, normalen Marginalseta 


oft noch eine zweite ausgebildet ist. 


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Höhlenfauna der Ostalpen und des Balkan. II. 61 


4. Die Ligula des Penis mehr oder weniger stark winklig ausgeschnitten . . . 2 2 2 22 0020.5 
resulandesBenisam Finde abgerundet . U un 2. 00 un sn 2.6 


ö. Der Halsschild im vorderen Drittel schwächer gerundet, die Flügeldecken flacher, schmäler und 


hinter der Mitte nicht deutlich erweitert. Die Ligula des Penis stark chitinisiert. — Länge: 5°5 bis 
a en De N. 2282. Hirkus Pretfferi nöVv. subsp. 


— Der Halsschild vorne viel stärker gerundet, die Flügeldecken gewölbter, breiter, hinter der Mitte 
stärker erweitert, beim J sehr stark glänzend, beim Q@ matt. Die Ligula des Penis schwach chitini- 
siert und daher oft undeutlich. — Länge: 6 5bis7mm .. ........ . hirtus Mayeri J. Müll. 


Fig. 6. Bier 7. Fig. 8. 


rag: 


Apicalteil des Penis verschiedener hirtus-Rassen in der Dorsalansicht. 


Fig. 6. hirtus hirtus Sturm. Fig. 7. hirlus Micklitzi Ganglb. Fig. S. hirtus Pretneri J. Müll. 


6. Kopf mit schwächer gerundeten Schläfen, Halsschild und Flügeldecken sowie die Beine und Fühler 
Behkmken, kangeso28 his 6omm 2. =... en. nn. zeul.hirtus Kerteczi Csiki. 


— Kopf breiter, mit stärker gerundeten, deutlich backenartig vortretenden Schläfen. Halsschild, Flügel- 
decken, Beine und Fühler breiter und kürzer. — Länge: 5:5 bis 6 mm . hirtus istrianus Ganglb. 


a) hirtus hirtus Sturm. Kleine, zarte, blaß gelbrote Form, mit schmalem Kopf und wenig breitem, 
vorne nur schwach gerundet erweitertem Halsschild. Die Stirnfurchen hinten in eine seicht eingeschnittene, 
aber deutliche, die Schläfen umschreibende Bogenlinie fortgesetzt. — Länge: 5 bis 6 mm. 

Von Ferdinand Schmidtin einer Grotte auf dem Krimberg bei Oberigeg in Krain entdeckt. Die 
von mir untersuchten Exemplare stammen aus folgenden Höhlen: St. Kanzian in Krain (Sesek 1892, 
zahlreiche Exemplare, zusammen mit Trechus Schaumi; jetzt im Wiener Hofmuseum); Höhle in der 
Umgebung von Domzale (J. Stussiner, Wiener Hofmuseum, 1 Exemplar); Grotte bei Aich (Wiener 
Hofmuseum, 1 Exemplar ex coll. Bittner); Höhle bei Sadlog zwischen Zoll und Idria (19. September 
1909, R. Hicker, Wiener Hofmuseum, 3 Exemplare). JOSEPH (Berlin. entom. Zeitschr., 1870) gibt als 
Fundorte auch die Höhlen um Vir und Moräutsch sowie die Velka pasica auf dem Krimberge bei 
Oberigg an; Dr. KRAUSS (in HAMANN, Höhlenkunde, p. 260) führt ihn von der Dolga jama am Sumberg 
bei Domzale (Ende Juni 1896, 1 Exemplar) und der Ihanska jama bei Jauchen (slov. Ihan) nächst 
DomZale (Ende Juni 1896. unter Steinen nicht selten, samt Larven) an. 

In den Grotten um Vir, Aich und St. Kanzian kommt diese Art meist in Gesellschaft des Trechus 
Schaumi, in der Velka Pasica am Krimberg zusammen mit Bilimeki Hacgueti und Schmidti opaci- 
pennis vor. 


b) hirtus Ajdovskanus Ganglbauer. Vom typischen hirtus fast nur durch die nach hinten undeut- 
lichen Stirnfurchen und die am Ende schwach ausgerandete Ligula differierend. 


62 J. Müller, 


Bisher nur in einem von Prof. Dr. Fritz Netolitzky in der Ajdovska pe& bei Bründl nächst 
Gurkfeld an der steirisch-krainischen Grenze gesammelten, unreifen Exemplar (5) bekannt, das sich 
gegenwärtig im Wiener Hofmuseum befindet. In derselben Höhle auch Bathyscia Freyeri Netolitzkyi 
J. Müll. 


c) hirtus Micklitzi Ganglbauer. Vom typischen hirtus durch kräftigeren Körperbau, breiteren Kopf, 
stärker gerundete Schläfen, breiteren im vorderen Drittel in stärker konvexer Kurve gerundeten Halsschild, 
breitere Flügeldecken, vor allem aber durch die kräftige, stark chitinisierte, an der Spitze winkelig aus- 
geschnittene Ligula des Penis (Fig. 7) verschieden. — Länge: 6 mm. 

In der Castitlja jama bei Radmannsdorf in Oberkrain, zuerst von Micklitz (7. September 1880, 
1Q im Wiener Hofmuseum), später von Franz Tax gesammelt. Einige Stücke fand auch mein Schüler 
E. Pretner in der Babji zob-Grotte (August 1911 und 1912). In denselben Höhlen kommt auch 
Oryotus Micklitzi vor. 


d) hirtus Pretneri m. subsp. nova. Mit dem vorigen zunächst verwandt und von ihm durch den im 
vorderen Drittel schwächer gerundet erweiterten, nach hinten weniger verengten, daher an der Basis 
breiteren Halsschild, etwas schlankere Flügeldecken und die P’enisform verschieden. Die verjüngte Apical- 
partie des Penis ist erheblich länger als bei Micklitzi und der Ausschnitt am Ende der Ligula ist viel 
seichter, schwach stumpfwinkelig (Fig. 8). — Länge: 5°5 bis 6°6 mm. 

Diese Rasse lebt in einem verlassenen Stollen bei der Valvasorhütte am Stou (Hochstuhl) in 
den Karawanken. Von Egon Pretner im August 1911 und 1912 in mehreren Exemplaren (JQ) durch 
Ködern mit faulem Fleisch entdeckt. In demselben Stollen auch Aphaobius Milleri Pretneri J. Müll. 


e) hirtus Kertecsi Csiki (Stilleri Gglb. i. 1.). Vom typischen hirtus durch stärker gerundete Schläfen 
und den in eine längere Spitze ausgezogenen Penis verschieden. Die Stirnfurchen, wie beim Typus, hinten 
schwach fortgesetzt. — Länge: 5°8 bis 6 mm. ; 

Von Viktor Stiller in einer Grotte bei Lokve in Kroatien an der Bahnstrecke Fiume— Karlstadt 
entdeckt. In derselben Höhle Trechus Bilimeki subsp., Bathysia acuminata, Leptoderus Hohenwarli, Asta- 
gobius angustatus und Propus sericeus. 


J) hirtus istrianus Ganglbauer. Vom vorigen und von der typischen Form durch erheblich 
robusteren Körperbau, stark gerundete, backenartig vorspringende Schläfen, breiteren Halsschild, kürzere, 
gewölbtere Flügeldecken sowie erheblich kürzere und dickere Beine und Fühler verschieden. Die Flügel- 
decken des 5 wenig glänzend. Der Penis wie bei Stilleri in eine längere Spitze ausgezogen, die Ligula 
breit verrundet. — Länge: 5°5 bis 6 mm. 

In der Dimnice-Grotte bei MarkovSina in Nord-Istrien von H. v. Krekich, C. de Mayer und mir 
1908 entdeckt und seither dort mehrfach gesammelt. Diese Rasse wurde dort in den Monaten Februar, 
März, April, Mai, September und Oktober beobachtet, und zwar teils zusammen mit Trechus Bilimeki 
fergestinus unter Steinen am Grunde des großen Einsturzschachtes, teils auch in den tieferen Teilen der 
Höhle an den Wänden frei umherkletternd. Man findet sie auch am ausgelegten Knochenköder. 

In derselben Höhle auch Zeptoderus Hohenwarti reticulatus und Oryotus Schmidti subdentatus. 


8) hirtus Mayeri J. Müller. Durch die große robuste Körperform und den starken Glanz der Ober- 
seite beim J’ sehr ausgezeichnet. Der Kopf erheblich breiter als beim Typus, jedoch etwas schmäler als 
bei östrianus, mit weniger stark hervortretenden Schläfen. Der Halsschild breiter als beim Typus, jedoch 
schmäler und deutlicher herzförmig als bei istrianus und bereits vom vorderen Drittel nach hinten fast 
geradlinig verengt (bei istrianus hingegen auch hinter der Mitte in deutlich konvexer Kurve gerundet). Die 
Flügeldecken erheblich breiter als beim Typus, weniger gewölbt und viel feiner gestreift als bei istrianus, 
beim 5 stark glänzend, beim Q@ matt und flacher. Der Penis mit lang ausgezogener Spitze und schwach 
chitinisierter, an der Spitze eingeschnittener Ligula. — Länge: 6°5 bis 7 mm. 


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Höhlenfauna der Ostalpen und des Balkan. II. 63 


Fundort: Noe-Grotte bei Nabresina im Triester Karst, am Grunde des über 60 m tiefen Einsturz- 
schachtes unter Steinen und in flachen, mit Kalkgrus gefüllten Sinterbecken. Die beiden ersten mir 
bekannten Stücke wurden auf einer Expedition des »Club Touristi Triestini< am 12. Mai 1895 gefunden; 
später von C. de Mayer, H. v. Krekich-Strassoldo, A. Schatzmayer, Dr. H. Springer und mir in 
Anzahl gesammelt (27. Februar 1910 und 29. Juni 1911). 

In derselben Höhle, jedoch in tiefer gelegenen Teilen, findet man Leptoderus Hohenwarti reticulatus 
und Bathyscia Khevenhülleri, dafür aber keinen anderen blinden Trechus. 


h) hirtus spectabilis Joseph. Vom typischen hirtus durch dunklere Färbung, breiteren, an den 
Schläfen stärker gerundeten Kopf, etwas breitere und gewölbtere, seitlich stärker gerundete Flügeldecken, 
vor Allem aber durch die bedeutendere Körpergröße und den in eine längere Spitze ausgezogenen Penis 
verschieden. Die Stirnfurchen hinten undeutlich. — Länge: 5°6 bis 7 mm. 

Dr. JOSEPH hat die Rasse spectabilis nach vier Exemplaren beschrieben. Eines hat er selbst in der 
Velka Pasica bei Oberigg erbeutet, ein anderes erhielt er durch einen Krainer Sammler ohne nähere 
Fundortsangabe und zwei weitere Exemplare aus Innerkrain sah er in der Sammlung des Herrn 
M. Schenk. 

Mir sind die JOSEPH’schen Typen nicht vorgelegen. Was ich in dieser Arbeit als hirtus spectabilis 
charakterisiert habe, ist eine große Rasse, die mir aus folgenden Höhlen vorliegt: Magdalenenschacht 
bei Adelsberg (Dr. Knirsch 1910, in Anzahl, fast lauter © 9); Crna jama bei Adelsberg (Pretner, 
Juli 1910, fast lauter JS); Schneider-Schacht bei Karnizza im Tarnowaner Wald (E. Pretner und 
H. Springer, Juni 1911, wenige J'd‘). 

Der Grund, weshalb ich diese Form vorläufig als hirtus spectabilis betrachte, liegt in der JOSEPH’- 
schen Angabe, daß sich diese Rasse vom Typus hauptsächlich durch bedeutendere Körpergröße unter- 
scheidet. Eine sichere Entscheidung über die Rassenzugehörigkeit der Adelsberger Stücke muß aber erst 
einem genauen Vergleich der JOSEPH’schen Typen vorbehalten bleiben. 


i) hirtus Severi Ganglbauer. Von allen vorhergehenden Rassen durch die viel längere Behaarung 
der Oberseite verschieden. Besonders auf den Schläfen sind die Haare auffallend dicht und lang. Von der 
Größe des hirtus spectabilis, jedoch der Halsschild schlank, die Flügeldecken flacher, nur innen und auch 
hier sehr seicht gestreift, die Beine und Fühler etwas schlanker. Die Stirnfurchen hinten undeutlich. — 
Länge: 6 bis 7 mm. 

Von J. Sever in der Vol£jajama am Nanos entdeckt und seither dort meines Wissens nur vom 
Oberförster A. Haucke wiedergefunden. Ein Exemplar nicht ganz sicherer Prövenienz erhielt ich durch 
Herrn Dr. E. Schreiber (Görz); es soll im Gebiete des Krn (südl. Jul. Alpen) aufgefunden worden sein, 
was aber jedenfalls erst der Bestätigung bedarf. 


Übergangsstücke und nicht sicher gedeutete Formen. 


Zwei Exemplare (d’Z‘) aus der Luegger Höhle (eines von Dr. Knirsch 1910 gesammelt, ein 
anderes ohne Angabe des Sammlers im Wiener Hofmuseum) stimmen mit hirtus spectabilis aus der Adels- 
berger Gegend ziemlich überein, haben aber einen schmäleren Kopf und Halsschild. In der Behaarung 
bilden sie den Übergang zu hirtus Severi. 


Ein Stück (9) aus der Kellergrotte bei Nußdorf an der Poik in Innerkrain (Stussiner) sowie 
ein @ aus der Planina-Höhle halten in der Größe die Mitte zwischen spectabilis und dem typischen 
hirtus ein. Durch die hinten undeutlichen Stirnfurchen stimmen sie mehr mit spectabilis überein. Die 
genaue Rassenzugehörigkeit kann erst nach einem Vergleich der Jd festgestellt werden. 


Ein @ aus Gottschee (ex coll. Tax-Graz) hat die Größe des spectabilis von Adelsberg, jedoch bei 
fast gleicher Kopfbreite einen erheblich schlankeren Halsschild mit vorn viel flacher gerundeten Seiten und 


64 J. Müller, 


lang abgesetzten, parallelseitigen, rechtwinkligen Hinterecken mit scharfer Spitze. Die Stirnfurchen 
hinten allmählich undeutlich. Wahrscheinlich eigene Rasse; doch müßte zunächst noch weiteres Material 
behufs Präzisierung der Rassenmerkmale (namentlich des Penis) vorliegen. 


Ebenso bleibt noch zukünftigen Aufsammlungen vorbehalten, festzustellen, welcher Rasse der Trechus - 


hirtus aus der Dante-Grotte bei Tolmein im Görzischen angehört, von dem mir bloß zwei abgescheuerte 
Flügeldecken vorliegen (gefunden von VI. KuScer im Mai 1909). Von unseren Triester Sammlern mehr- 
fach unternommene Nachforschungen in der besagten Höhle blieben resultatlos, so daß jedenfalls der 
Trechus hirtus in der Dante-Grotte äußerst selten sein muß. Vielleicht würde das Auslegen von Köder- 
gläsern zu einem besseren Resultate führen. 

Anophthalmus costulatus Motschulsky ist nach der Originalbeschreibung höchstwahrscheinlich 
ein hirtus d', doch läßt sich ohne Einsichtnahme der Typen nicht genau feststellen, ob er dem echten 
hirtus Sturm oder aber einer anderen Rasse angehört, zumal kein näherer Fundort (außer Krain) ange- 
geben ist. 

Schließlich sei noch die Varietät convexus Joseph erwähnt, die nach einem vom Autor in der 
Pasica-Grotte auf dem Krimberge 1865 gesammelten Exemplar beschrieben ist. »Dieselbe, ein d,, 
‚ zeichnet sich durch stärkere Basaleindrücke und Länge des Thorax, auffallend starke Wölbung der Flügel- 
decken, dunklere, stärker abstehende Behaarung, weniger stumpf abgerundete Spitzen der Flügeldecken 
und größere Länge des erweiterten ersten Tarsalgliedes an den Vorderfüßen aus. Außerdem fällt die 
größte Breite der Flügeldecken weiter nach hinten als in der Grundform« (ex JOSEPH, Berlin. entom. 
Zeitschr., 1870, 267). 

Da JOSEPH aus der Pasica-Grotte auch seine var. spectabilis beschreibt und da nicht anzunehmen 
ist, daß in derselben Grotte zwei verschiedene Rassen derselben Art vorkommen, so handelt es sich hier, 
falls Fundortverwechslungen ausgeschlossen sind, wohl nur um individuelle Aberrationen derselben Rasse, 
die JOSEPH unter verschiedenen Namen beschreibt. 


34. Trechus (Anophthalmus) pubens Bedel. Ann. Soc. entom. France, 1866, Bull. CXXV; Gangl- 
bauer, Käf. v. Mitteleur., I, 1892, 219; pubescens Joseph, Berlin. entom. Zeitschr., 1870, 268. — Aberr. 
aut. Subsp. (?) amplus Joseph, I. c., 269. 


Kopf und Halsschild rotbraun, schwach glänzend, Fühler, Beine und die matten! Flügeldecken gelb- 
braun. Die ganze Oberseite fein und dicht, wenig abstenend behaart. Der Kopf kaum schmäler als der 
Halsschild mit hinten verkürzten Stirnfurchen. Die Fühler lang, das zweite Glied etwa ein Drittel kürzer 
als das erste, das dritte fast doppelt so lang als das zweite und etwa 1!/, so lang als das vierte. Der Hals- 
schild länglich, vor der Mitte am breitesten, der Seitenrand sehr schmal abgesetzt und von den Vorder- 
ecken bis zum basalen Drittel oder Viertel fast gleichmäßig schwach gerundet, vor den kleinen, nicht scharf 
abgesetzten, spitzen Hinterecken sanft ausgeschweift. In der schmalen Seitenrandkehle scheinen die 
Marginalborsten zu fehlen; wenigstens sind sie bei den zwei mir vorliegenden Exemplaren nicht vor- 
handen und auch die entsprechenden Borstenpunkte nicht sichtbar. Die Flügeldecken langgestreckt, hinter 
der Mitte mehr als doppelt so breit als der Halsschild, von da an nach vorne in schwacher Kurve verengt; 
der leicht ausgebuchtete Schulterrand stark abgeschrägt, daher die Schulterecken wenig markiert, stark 
verrundet. Der Nahtstreifen nur im basalen Drittel schwach markiert, dann vollkommen erloschen, so 
daß der vom zweiten, fast der ganzen Länge nach deutlich vertieften Streifen eingeschlossene Naht- 
zwischenraum sehr breit erscheint. Die zwei oder drei nächsten Streifen schwächer als der zweite, doch 
wenigstens in der Mitte noch deutlich erkennbar, die äußeren Streifen gänzlich erloschen. Der erste Punkt 
der Series umbilicata in oder hinter dem Niveau des zweiten befindlich, der vierte vom dritten viel weiter 
entfernt als dieser vom zweiten. Im Verlaufe des dritten Streifens befinden sich drei Borstenpunkte, wovon 


! Nach JOSEPH sollen auch die S'g' matte Flügeldecken hesitzen. 


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Höhlenfauna der Ostalpen und des Balkan. IT. 65 


der mittlere weit hinter der Mitte der Flügeldecken gelegen ist. Das umgebogene Ende des Nahtstreifens 
reicht fast bis zum Niveau des präapicalen Borstenpunktes. Die Unterseite sehr deutlich, mäßig dicht, an- 
liegend behaart, die einzelnen Haare entspringen aus mäßig starken, oft in die Quere gezogenen und am 
Vorderrande schwach körnig erhobenen Punkten. — Länge: 6 mm, 

Von Trechus hirtus durch mehr anliegende Behaarung der Oberseite, mehr gegen die Mitte gerückte 
Maximalbreite des Halsschildes und vielleicht auch durch den Mangel der Marginalborsten des Halsschildes 
verschieden. 

Vorkommen. Nach Dr. JOSEPH in der Mrzla jama am Kreuzberge bei Laas und in der Planina- 
Grotte in Innerkrain. Die zwei mir aus dem Wiener Hofmuseum vorgelegenen Exemplare, nach denen die 
obige Beschreibung entworfen ist, tragen bloß die Angabe des Sammlers: »ROBIC, Krain, 1869«. 

Variabilität. JOSEPH beschreibt eine var. amplus nach äußerst selten vorkommenden Individuen 
von bedeutenderer Größe (3 bis 31 lin. gegen 2!/, lin. beim Typus), mit mehr parallelseitigen, nach hinten 
nur wenig mehr als nach vorne verengtem Halsschild und gröberer, spärlicher Behaarung. Nachdem ein 
Fundort nicht genannt wird, kann man vorläufig nicht entscheiden, ob es sich in diesem Falle um eine indi- 


n 


viduelle Aberration oder um eine Lokalrasse handelt. 


9. Untergattung: Aphaenopsis J. Müller 1913. 
Typus: Trechus (Aphaenopsis) Apfelbecki Ganglb. 


Allgemeine Merkmale. Kopf groß, etwas breiter als der Halsschild, mit backenartig vor- 
tretenden, nach hinten stark verengten Schläfen; die Halseinschnürung ringsherum, also auch auf 
der Oberseite, deutlich. 

Stirnrand über der Fühlerwurzelhöckerartig erhaben. Zwei Supraorbitalborsten; die Stirn- 
furchen an der hinteren Supraorbitalborste endigend. 

Die Fühler zwar lang, jedoch auffallend kräftig, sehr dicht und kurz behaart, ihre Glieder zur 
Basis nicht verengt, auch das erste zylindrisch (nicht wie bei anderen Trechen zur Basis und zur 
Spitze in längerer Kurve verengt). Das zweite Fühlerglied auffallend kurz, kaum halb so lang als das dritte. 

Der Halsschild schmal, länger als breit, mit schmal, aber deutlich aufgebogenem Seitenrand und steil 
gestellten, hinter der Mitte von oben sichtbaren Epipleuren. Die hintere Marginalseta des Hals- 
schildes fehlt. | 

Die Flügeldecken gegen die Basis stark abgeschrägt, mit ziemlich flach abgerundeten, der Anlage 
nach stumpfwinkeligen Schultern. 

Der erste Punkt der Series umbilicata weit nach innen gerückt. Der vierte vom dritten viel weiter 
abgerückt als dieser vom zweiten. 

An den männlichen Vordertarsen die beiden ersten Glieder erweitert. 

Hieher eine einzige, bosnische Art von Aphaenopsartigem Habitus: 


35. Trechus (Aphaenopsis) Apfelbecki Ganglbauer. Wien. entom. Zeitg., X, 1891, 127, Käf. von 
Mitteleur., I, 1892, 219; Apfelbeck, Käferf. Balk., I, 1904, 147. 


Rotbraun, glänzend, auf der Oberseite kahl, das Abdomen anliegend, wenig dicht behaart. Der Kopf 
etwas breiter und erheblich länger als der Halsschild, die Maximalbreite (an den stark backenartig vor- 
tretenden Schläfen) relativ weit vorne, etwa in der Mitte zwischen der Halseinschnürung und dem Vorder- 
rande des Clypeus, gelegen, die Schläfen daher lang und nach hinten verengt; die langen und tiefen 
Stirnfurchen ziemlich parallel, hinten nur mäßig divergierend und am hinteren Supraorbitalpunkt, etwas 
vor der dorsalen Halseinschnürung, endigend. Die Fühler etwa °/, so lang als der Körper, ihr erstes Glied 
zylindrisch, das zweite erheblich kürzer als das erste und kaum halb so lang als das dritte, dieses 


66 J: Müller, 


etwas länger als das vierte, das vorletzte Glied etwa dreimal so lang als breit und etwas kürzer als das 
letzte. Der Halsschild schmal, länger als breit, im vorderen Drittel am breitesten und in mäßig starkeı 
Rundung erweitert, gegen die spitz nach hinten vorspringenden Hinterecken in schwach konvexer Kurve 
verengt, an der Basis bogenförmig ausgeschnitten und daselbst deutlich schmäler als am Vorderrand. Die 


Scheibe des Halsschildes ziemlich gewölbt, mit tiefer Mittelfurche und schmalen, mit der Seitenrandkehle 


verschmolzenen Basaleindrücken. Die Flügeldecken flach gewölbt, eiförmig, etwas hinter der Mitte am 
breitesten, daselbst etwa dreimal so breit als der Halsschild, von da an gegen die schwach angedeuteten, 
verrundeten Schultern sehr deutlich verengt, am Basalrand sehr stark abgeschrägt, an der Spitze gemein- 
schaftlich abgerundet, mit stumpfen oder leicht verrundeten Nahtwinkeln. Die vier bis fünf inneren Dorsal- 
streifen erkennbar, schwach punktiert, aber mit Ausnahme des ersten nach vorne und hinten erloschen, 
die äußeren gänzlich fehlend; der Nahtstreifen vorne stark vertieft, gegen die Spitze der Flügeldecken 
allmählich schwächer, der umgebogene Teil desselben tief, aber kurz, am Ende etwas eingebogen. Im 
Verlaufe des dritten Streifens befinden sich drei Borstenpunkte, wovon der letzte, der Präapicalpunkt, vor 


dem umgebogenen Ende des Nahtstreifens gelegen ist. Der stark nach innen gerückte, kräftig entwickelte 


erste Punkt der Series umbilicata vor dem Niveau des zweiten gelegen; dieser mit dem dritten und vierten 
eine mit dem Seitenrande nach hinten deutlich divergierende Reihe bildend. Die Beine lang, fein, anliegend 
oder schwach abstehend behaart. Die Hinterschenkel die Spitze des Abdomens etwas überragend. — 
Länge: 6 mm. 


Diese Art hat keinen näheren Verwandten und ersetzt in Bosnien die südfranzösischen Aphaenops- 
Arten, mit denen sie eine weitgehende habituelle Ähnlichkeit besitzt. 


Vorkommen. Aus einer Höhle in der Preslica planina bei Konjica (bosnisch-herzegowinisches 
Grenzgebiet) beschrieben. Die mir vorliegenden Stücke wurden auf der in demselben Gebiet gelegenen 
BjelaSnica planina von Setnik gesammelt. 


6. Untergattung: Aphaenopidius J. Müller 1919. 


Typus: Trechns (Aphaenopidius) Treulandi J. Müll. 


Allgemeine Merkmale: Kopf sehr groß, mit hinten verkürzten Stirnfurchen und drei Supraorbital- 
borsten jederseits. Mittlerer Stirnwulst durch einen tiefen, die beiden Stirnfurchen verbindenden Quer- 
eindruck von der Scheitelwölbung getrennt. 2 

Die Fühler so lang als der Körper, das zweite Glied kürzer als das erste. 

Der Halsschild quer, herzförmig, mit deutlich abgesetztem Seitenrand und schräg nach unten und 
innen gerichteten Epipleuren. Die vordere und hintere Marginalseta normal entwickelt. 

Die Flügeldecken mit stark abgeschrägtem Schulterrand und flach verrundeten, der Anlage nach 
schwach stumpfwinkeligen Schulterecken. 

Der erste Punkt der Series umbilicata vom Seitenrande nur sehr wenig weiter entfernt als der zweite. 

An den männlichen Vordertarsen die zwei ersten Glieder erweitert. 1 

Ich gründe diese Untergattung für den durch seine Größe und den Aphaneopsartigen Habitus sehr 
auffälligen Trechus Treulandi aus Südsteiermark. ? 


‘“ 1 Nach freundlicher Mitteilung des Herrn Oberrevidenten Josef BREIT in Wien. 

2 Vielleicht gehört zur Untergattung Aphaenopidius auch der französische Tyechus Gounellei Bedel, der in den wesentlichsten 
Punkten mit Tr. Treulandi übereinstimmt. Der einzige systematisch wichtigere Unterschied liegt eigentlich nur darin, daß bei 
Tr. Gounellei die Schultern in viel stärker konvexer, fast gleichmäßig, gekrümmter Kurve gerundet sind und daß der Quereindruck 
der Stirne fehlt. Ob deshalb eine subgenerische Trennung von Tr. Gounellei und Treulandi erforderlich ist, muß zukünftigen Unter- 
suchungen eines reicheren Materials, vor allem auch männlicher Exemplare, vorbehalten bleiben. Jedenfalls hielt ich es für wichtig, 


auf die mannigfachen Beziehungen des Trechus Treulandi zu Gounellei hinzuweisen. 


u er 


Höhlenfauna der Ostalpen und des Balkan. IT. 67 


36. Trechus (Aphaenopidius) Treulandi J. Müller. Wien. entom. Zeitg., 1909, 274. 


Hellrötlich gelb, glänzend, nicht pubeszent. Der Kopf augenlos, fast etwas breiter und (mit eingelegten 
Mandibeln) doppelt so lang als der Halsschild, mit hinten abgekürzten Stirnfurchen und drei Supraorbital- 
borsten, von denen zwei außerhalb der Stirnfurchen und eine hinter denselben, in deren Verlängerung 
liegen. Der Kinnzahn klein, aber deutlich. Auf der Unterseite der Schläfen befinden sich zwei bis drei 
borstentragende Punkte. 

Der Halsschild etwas breiter als lang, herzförmig, im vorderen Drittel am breitesten, im Basaldrittel 
ausgeschweift, mit scharf rechtwinkeligen Hinterecken. Der Seitenrand ziemlich schmal, aber deutlich 
abgesetzt, mit einem Borstenpunkt am Ende des apicalen Viertels und einem zweiten in den Hinterecken. 
Die Flügeldecken langgestreckt, mit nur schwach angedeuteten flach verrundeten Schulterecken, an den 
Seiten wenig gerundet, hinter der Mitte am breitesten, an der Spitze einzeln abgerundet. Bloß die vier bis 
fünf inneren Dorsalstreifen angedeutet. Am dritten Streifen befinden sich drei borstentragende Punkte. Das 


Fig. 9. 


Trechus (Aphaenopidius) Treulandi J. Müller. (Originalzeichnung nach der im Wiener Hofmuseum befindlichen Type.) 


umgebogene Ende des Nahtstreifens sehr kurz und ziemlich weit hinter dem Präapicalpunkt endigend. 
Das Abdomen glänzend, die Mikroskulptur desselben besteht aus polygonalen, auf den mittleren Sterniten 
sehr stark in die Quere gezogenen Maschen. Das dritte Sternit jederseits der Mitte mit fünf, das vierte mit 
drei bis vier, das fünfte und sechste mit je drei borstentragenden Punkten. Diese stehen auf dem dritten bis 
fünften Sternit gruppenweise, auf dem sechsten jederseits hinter der Mitte desselben in einer Querreihe. 
Die Fühler und Beine stark verlängert, die ersteren so lang als der Körper und vom zweiten Gliede an 
deutlich pubeszent. Die Vorderschenkel etwas kräftiger als die übrigen, im basalen Viertel am breitesten, 
von da an zu den Trochanteren rasch, zur Spitze ganz allmählich, schwach verschmälert, am Innenrande 
mit spärlichen, langen Haaren versehen. Die Mittel- und Hinterschenkel fast überall gleich breit, länger und 
schmäler als die Vorderschenkel. — Länge (samt den Mandibeln): 8:5 mm (ex typ..) 


Vorkommen und Lebensweise. Die weibliche Type, nach welcher obige Beschreibung ent- 


worfen ist, wurde im Sommer 1909 vom Herrn Sektionsrat Hans v. Krekich-Strassoldo Edlen von 
Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC. Bd. 10 


68 z J. Müller, 


Treuland, in einem Köderglas am Grunde der Höhle »Zelenjak« am Cret bei Franz in Südsteiermark 
gefunden. Später wurde ebendaselbst ein Z vom Herrn Dr. Ed. Knirsch geködert. Das dritte bisher 
bekannte, im Besitze des Herrn Ingenieurs H. F. Neumann (Graz) befindliche Exemplar, ein Q ‚fand sich 
in einer von Dr. Hermann Krauss stammenden Rolle mit mehreren Trechus Erebus aus der »Vracka 
luknja« bei Praßberg in Südsteiermark vor. 


7. Untergattung: Pseudaphaenops Winkler 1912. 


Typus: Trechus (Psendaphaenops) tauricus Winkler. 


Allgemeine Merkmale. Der Kopf bedeutend länger, aber kaum breiter als der Halsschild, mit 
hinten verkürzten Stirnfurchen. 

Die Fühler sehr schlank, wenig kürzer als der Körper, ihr zweites Glied kaum kürzer als das erste. 

Der Halsschild länglich, ziemlich gewölbt, mit äußerst fein gerandeten Seiten und senkrecht gestellten 
_ Epipleuren. Die hintere Marginalseta kräftig entwickelt und weit nach vorne gerückt. " 

Die Flügeldecken mit stark abgeschrägtem Schulterrand. Der erste Punkt der Series umbilicata vom 
Seitenrande nicht weiter entfernt als der zweite. , 

An den männlichen Vordertarsen die beiden ersten Glieder erweitert. 

Hierher vorläufig nur die folgende, durch Aphaenopsartigen Habitus und lang abstehend behaarten 
Kopf höchst charakteristische Art aus der Krim: 


37. Trechus (Pseudaphaenops) tauricus Winkler. Coleopt. Rundschau, 1912, 134. 


Rötlichgelb, mäßig glänzend. Der Kopf dickt abstehend behaart, vom Vorderrand des Clypeus bis zur 
Halseinschnürung um die Hälfte länger als breit, bedeutend länger und kaum breiter als der Halsschild; 
die verkürzten Stirnfurchen bis zur Hälfte des Kopfes reichend, vorne parallel und nach hinten mäßig 
divergierend verlaufend. Die sehr schlanken Fühler erreichen fast vier Fünftel der Körperlänge, ihr zweites 
Glied kaum kürzer als das erste, das dritte Glied um die Hälfte länger als das zweite und ebenso lang wie 
das vierte und das fünfte, die weiteren Glieder kürzer werdend, das Endglied ebenso lang wie das zweite 
Glied. Der Halsschild ziemlich gewölbt, um ein Drittel länger als breit, im vorderen Drittel am breitesten, 
am Vorderrande breiter als am Hinterrande. Der Vorderrand nicht ausgeschnitten, der Seitenrand in der 
vorderen Hälfte und im basalen Achtel sehr schmal aufgebogen, in der mittleren Partie nur angedeutet. Die 
Seiten des Halsschildes in der Apicalhälfte in gleichmäßigem Bogen erweitert, hinter der Mitte sehr wenig 
ausgeschwveift-verengt und gegen die stumpfen Hinterecken zu fast parallel verlaufend. Die kräftig ent- 
wickelte hintere Marginalborste etwa im basalen Sechstel der Halsschildlänge gelegen. Die Flügeldecken 
langgestreckt, hoch gewölbt, um die Hälfte länger als der Vorderkörper, der Seitenrand sehr wenig auf- 
gebogen und von der Basis an in sehr seichtem, vollkommen gleichmäßigem Bogen nach hinten verlaufend, 
ohne Andeutung von Schultern. Die Dorsalstreifen vollzählig, jedoch nach außen seicht werdend. Von den 
drei borstentragenden Punkten im dritten Zwischenraume befindet sich der erste im basalen Fünftel, der 
zweite in der Mitte und der dritte etwa im apicalen Siebentel der Flügeldeckenlänge. Von den Punkten 


der Series umbilicata befindet sich der erste und zweite nahe dem Seitenrande, während der dritte und 


vierte mehr nach innen gerückt sind. Die Entfernung zwischen den zwei mittleren Punkten ist etwa halb 
so groß wie diejenige zwischen den äußeren und den nächstliegenden inneren Punkten. Die Beine sehr 
lang und schlank. — Länge: 6°5 mm. 


Vorkommen. Kisil-Koba bei Simferopol in der Krim. Von Herrn Rosanoff in einer Höhle 
entdeckt. 


eo. 


Höhlenfauma der Ostalpen und des Balkan. II.‘ 69 


8. Untergattung: Aphaenops Bonv. 1861. 
Typus: Trechus (Aphaenops) Leschnaulti Bonv. 


Allgemeine Merkmale. Sehr schlanke und zarte, blaßgelbe Arten mit äußerst langen und zarten 
Fühlern und Beinen. 

Der Kopf mindestens so breit als der Halsschild mit hinten verkürzten Stirnfurchen. Kinnzahn fehlend. 

Das zweite Fühlerglied länger als das erste. 

Der Halsschild länglich, mit äußerst fein gerandeten Seiten und senkrecht gestellten, von oben teil- 
weise sichtbaren Pleuralteilen. 

Die Flügeldecken gegen die Basis sehr stark abgeschrägt, mit flach verrundeten oder der Anlage 
nach etwas stumpfwinkeligen Schultern. 

Der erste Punkt der Series umbilicata weit nach innen gerückt. 

Die Vordertarsen auch beim 5 sehr schmal, doch lassen die zwei ersten Glieder immer noch 
eine schwache Erweiterung und einen kleinen Zahn am apicalen Innenwinkel erkennen. 

Das vierte Glied der Vordertarsen am unteren Apicalrand in einen borstentragenden Lappen 
ausgezogen. 


Begrenzung der Untergattung und geographische Verbreitung. Aphaenops wurde von 
BONVOULOIR (Ann. Soc. ent. France, 1861, 567) auf Aph. Leschnaulti aus der Grotte von Beda bei 
Bagn£eres-de-Bigorre in den Hautes Pyrenees gegründet. Außer dieser Art gehören hierher Trechus Pluto, 
Cerberus, crypticola, Tiresias und andere mir unbekannte Arten aus den Pyrenäen. In dem hier behandelten 
Faunengebiet kommen echte Aphaenops-Arten nicht vor. 


9. Untergattung: Neotrechus J. Müller 1919. 
Typus: Trechus (Neotrechus) dalmatinus L. Mill. 


Allgemeine Merkmale: Der Kopf meist deutlich schmäler als der Halsschild, mit vollständigen 
Stirnfurchen. ' 

Die Fühler erheblich kürzer als der Körper, das zweite Glied kürzer als das erste. 

Der Halsschild mit schräg nach unten und innen gerichteten Epipleuren und normal ausgebildeter 
vorderer und hinterer Marginalseta; letztere in ihrer Stellung variabel. 

Die Flügeldecken gegen die Basis verschieden stark abgeschrägt; der abgeschrägte Schulterrand 
schwach konvex gerundet oder geradlinig, nie eingebuchtet; die Schulterecken daher gleichmäßig und 
ziemlich flach verrundet. 

Der erste Punkt der Series umbilicata etwas nach innen gerückt, jedoch vom Seitenrande nicht oder 
nur wenig weiter entfernt als der zweite. Der die Punkte der Series umbilicata verbindende achte Dorsal- 
streifen als feine, eingeschnittene Linie erkennbar, die mittleren Punkte der Series vom Seitenrande nicht 
weiter abgerückt. 

An den männlichen Vordertarsen nur das erste Glied erweitert und innen zahnförmig 
vortretend. 


Begrenzung und geographische Verbreitung. Unter dem Namen Neotrechus fasse ich eine 
kleine Gruppe von Arten aus Zentral- und Süd-Dalmatien, der Herzegowina und Montenegro zusammen, 
die früher zu Anophthalmus gestellt wurden, jedoch von dieser Untergattung durch die Tarsenbildung 
des g' abweichen. Nur ein Neotrechus (Ganglbaueri) kommt außerhalb des genannten Gebietes, im Velebit- 
gebirge, vor. 


70 J. Müller, 


> 
Bestimmungstabelle der Arten. | 


1. Kleine oder mittelgroße Arten von 4'2 bis 7 mm Länge. Das umgebogene Ende des Nahtstreifens 
reicht mindestens bis zum Niveau des präapicalen Borstenpunktes und verbindet sich oft mit 
diesem? .. Ye caıei air venta sarkle he LIE Fear he rare Ten Er 


— Sehr große und breite Art vom Orlovacgebirge in Montenegro und dem Lebrsnik an der bosnisch- 
montenegrinischen Grenze. Das umgebogene Ende des Nahtstreifens reicht nicht bis zum Niveau 
des borstentragenden Präapicalpunktes der Flügeldecken und verbindet sich nicht mit diesem. — | 
Länge: SB TIO HT RT. DIE, WETRSHBEENE,. TH. BEINEN EIER SERIEN . 43. Hilfi Reitter. 


[86 


. Kleine Art aus dem Velebitgebirge mit sehr lang abgesetzten, parallelseitigen, scharf rechtwinkligen 
Hinterecken. Die hintere Marginalseta befindet sich am Seitenrande des Halsschildes weit vor dessen 
Basis. Das umgebogene Ende des Nahtstreifens ziemlich gerade oder mit einer Schwingung nach 
innen nach vorne verlaufend, dann gewöhnlich deutlich zum Präapicalpunkt der Flügeldecken ein- 
gebogen und mit diesem vereinigt, ohne sich über das Niveau desselben nach vorne zu erstrecken. 
— Länge: A'5mm . » » 2 no un nenn... .88 Ganelbauerer age 


—  Verschieden große Arten aus Zentral- und Süddalmatien, Montenegro, Südbosnien und der Herzego- 
wina mit kürzer abgesetzten Hinterecken des Halsschildes. Die hintere Marginalseta.des Halsschildes 
von dessen Basis viel weniger abgerückt. - - . . . u u. eo m I 


3. Schläfen kahl. Dunkel rotbraune, glänzende, auf den Flügeldecken vollzählig gestreifte Arten aus 
Südbesnien, der) Herzegowina und Süddalmatiene u: va Selen da zu. 00h A 


—  Schläfen abstehend behaart. Hell bräunlichgelbe, rötlichgelbe, selten dunkel rotbraune Art aus 
Zentral- und Süddalmatien, Montenegro, Südwest-Bosnien und der Herzegowina. Flügeldecken oval, | 
mit ganz flach verrundeten Schultern, fein gestreift, bald glänzend (suturalis-Formen), bald matt | 
(Rassen des echten dalmatinus). Das umgebogene Ende des Nahtstreifens mehr oder weniger über | 
das Niveau des Präapicalpunktes der Flügeldecken nach vorne verlängert, dann plötzlich hakenförmig | 
nach innen und hinten gekrümmt und meist deutlich bis zum Präapicalpunkt zurückreichend. — | 
Länge» Ar Ibis Zmm ana: Wem len Ba en „ren AR dalmatınas Hi dal 


4. Kleinere Art aus Süd-Dalmatien und der südlichen Herzegowina, mit ovalen, an den Schultern breit 
abgerundeten Flügeldecken und relativ kleinerem Kopf. Das umgebogene Ende des Nahtstreifens 
über das Niveau des präapicalen Borstenpunktes nicht oder nur wenig verlängert und mit diesem 
‘nach kurzer, hakenförmiger Krümmung verbunden. — Länge: 4'2 bis 5 mm. 

39. Paganettii Ganglb. 


— Größere Arten von 5'5 bis 6 mm Länge, aus dem bosnisch-herzegowinisch-montenegrinischen 
Grenzgebiet, mit seitlich schwächer gerundeten Flügeldecken und etwas deutlicher markierten 


Schultern. 2 NE er ee u a ee > 


5. Flügeldecken nicht doppelt so lang als breit und viel breiter (etwa doppelt so breit) als der Hals- 
schild. Kopf relativ kleiner und erheblich schmäler als der Halsschild, hinten schwächer backenartig 
erweitert. Das umgebogene Ende des Nahtstreifens über das Niveau des Präapicalpunktes nicht oder 
nur wenig verlängert, dann nach innen hakenförmig eingebogen und mehr oder weniger deutlich mit 
dem Präapicalpunkt verbunden . .„...ı% nun m au mare Dana ne „40, Ottonae 


1 Hierher würde auch 52. Trechus amabilis Schauf. zu placieren sein, falls bei demselben, wie mir Herr Oberrevident ' 
J. BREIT mitteilt, bloß das erste Glied der männlichen Vordertarsen erweitert ist. Zum Unterschiede von allen übrigen Neotrechus- 
Arten verläuft bei Trechus amabilis das umgebogene Ende des Nahtstreifens parallel mit der Naht direkt zum borsten- 


tragenden Präapicalpunkt der Flügeldecken. Im übrigen vergleiche man die Beschreibung auf p. 77 [87]. 


Höhlenfauma der Östalpen und des Balkan. II, 71 


5. Flügeldecken viel schmäler und länger, zusammen mehr als doppelt so lang als breit und höchstens 
anderthalbmal so breit als der Halsschild. Kopf größer, hinten stärker backenartig erweitert und nur 
wenig schmäler als der Halsschild. Das umgebogene Ende des Nahtstreifens etwas über das Niveau 
des Präapicalpunktes nach vorne verlängert, dann ein wenig nach innen gebogen und in den fünften 
Brrsalstreiien ühersenend mas, BON WR DT EU A ANTEIL SP 4L. Setniki Reitter. 


38. Trechus (Neotrechus) Ganglbaueri Padewieth. Wien. entom. Zeitg. 1891, 258; Ganglbauer, 
Käf. v. Mitteleur., I, 1892, 217;J. Müller, Sitzungsber. Akad. Wiss. Wien, 1903, 881; Apfelbeck, Käf. des 
Balk., I, 1904, 147. 


Klein, rötlich- oder bräunlichgelb, glänzend. Der Kopf schmäler als der Halsschild. Die Fühler etwa 
von halber Körperlänge, das zweite Glied etwas kürzer als das erste, das dritte etwa 11/, so lang als das 
zweite und nur wenig länger als das vierte, die beiden vorletzten Glieder, von der Breitseite betrachtet, etwa 
doppelt so lang als breit. Der Halsschild im vorderen Drittel ein wenig breiter als in der Mittellinie lang, bis 
zu den lang abgesetzten, fast ein Viertelder Halsschildlänge einnehmenden Hinterecken fast 
gleichmäßig gerundet. Die Flügeldecken oval, etwa in der Mitte am breitesten, vollzählig gestreift, jedoch die 
äußeren Streifen sehr zart. Im Verlaufe des dritten Streifens befinden sich drei Borstenpunkte, wovon der 
mittlere vor der Mitte der Flügeldecken gelegen ist. Das umgebogene Ende des Nahtstreifens etwa bis zum 
Niveau des Präapicalpunktes verlängert, dann nach innen gekrümmt und entweder bis zum Präapicalpunkt 
reichend oder mit dem fünften Dorsalstreifen verbunden. 

Der erste Punkt der Series umbilicata vom Seitenrande nicht oder nur sehr wenig weiter abgerückt 
als der zweite, dieser dem dritten näher stehend als der dritte dem vierten. — Länge: 4:5 mm. (Nach den 
Typen im Wiener Hofmuseum. 


Vorkommen und Lebensweise. Diese Art wurde 1891 von Padewieth angeblich in Grotten 
nordwestlich von Starigrad am Fuß des Velebitgebirges in Dalmatien entdeckt. Die von mir unter- 
suchten, im Wiener Hofmuseum befindlichen Stücke tragen auch diese Fundortsangabe. REITTER (Wiener 
entom. Zeitg. 1896, 18) teilt jedoch mit, das Sequens aus GospicC diesen Trechus in größerer Anzahl im 
kroatischen Velebit und zwar nicht in Grotten, sondern in Erdlöchern, in welchen Erdäpfel aufbewahrt 
werden, gefunden habe und der Meinung sei, daß der von Padewieth mitgeteilte Fundort absichtlich 
unrichtig angegeben wurde. (Vgl. auch Nachträge p. 89 [99]). 


39. Trechus (Neotrechus) Paganettii Ganglb. Verhandl. zool. botan. Ges. Wien, 1896, 460, und 
Münch. Koleopt. Zeitschr., II, 1904, 350; Apfelbeck, Käferfauna d. Balk., I, 1904, 143; J. Müller, 
Sitzungsbeiı. Akad. Wiss. Wien, 1903, 881. — Subsp. Meixneri J. Müller, Wien. entom. Zeitg., 1912, 298. 


2, Su 


a) Typische Form. Ziemlich dunkel rotbraun, glänzend. Der Halsschild erheblich breiter als der Kopf, 
meist etwas quer, an den Seiten fast gleichmäßig gerundet erweitert, mit der größten Breite etwa am Ende 
des apicalen Drittels; die scharf spitzwinkligen Hinterecken mäßig lang abgesetzt und mehr oder weniger 
nach außen vortretend. Die Flügeldecken oval, mäßig gewölbt, vollzählig gestreift. Der erste Punkt der 
Series umbilicata zwar deutlich nach innen gerückt, vom Seitenrande jedoch nur wenig oder gar nicht 
weiter entfernt als der zweite; dieser, der dritte und vierte eine mit dem Seitenrande sehr schwach 
divergierende Linie bildend und von einander entweder gleichweit entfernt oder der vierte etwas weiter 
nach hinten gerückt. Von den drei im dritten Zwischenraum gelegenen Punkten befindet sich der erste etwa 
am Ende des basalen Sechstels, der Basis etwas näher stehend als dem Seitenrand, der zweite in der Mitte, 
der dritte im apicalen Sechstel. Die Mikroskulptur der Flügeldecken besteht aus stark in die Quere gezoge- 


nen, daher sehr engen Netzmaschen. An den mäßig langen Fühlern ist das zweite Glied erheblich kürzer 


72 J. Müller, 


als das erste, das dritte fast anderthalbmal so lang als das zweite und deutlich länger als das vierte. — 
Länge: 4:7 bis 5 mm. 

Die im Wiener Hofmuseum befindliche Type wurde von Herrn Paganetti-Hummler 1896 in 
einer Höhle bei Stolivo in der Nähe von Cattaro (Süd-Dalmatien) entdeckt. Zwei weitere im Wiener 
Hofmuseum befindliche Exemplare sind mit »Cattaro, Apfelbeck 1903« bezeichnet. 


b) Trechus Paganettü Meixneri J. Müller. Von der typischen Form durch etwas geringere Größe, 
etwas breitere und gewölbtere Flügeldecken, etwas schlankeren, seitlich schwächer gerundeten Kopf, vor 
allem aber durch gedrungenere Fühler, an denen namentlich die mittleren Glieder kürzer sind, verschieden. 
Ferner besteht die Mikroskulptur der Flügeldecken aus etwas weiteren, weniger stark in die Quere 
gezogenen Maschen. — Länge: 42 mm. 

Das einzige vorläufig bekannte Exemplar (@) wurde von Herrn cand. phil. J. Meixner in der 
»Gluha smokva« genannten Höhle bei Trebinje in der südlichen Herzegowina aufgefunden. 

In derselben Höhle auch Trechus (Neotrechus) dalmatinus L. Mill, Bathyscia narentina Mill, 
Bathyscia Dorotkana Reitt., Bathyscia Erberi Schauf. und Antroherpon Apfelbecki J. Müll. (Vergl. 
J. MEIXNER, Mitt. naturw. Ver. Steierm., Bd. 47, 1911, 412 bis 413.) 


40. Trechus (Neotrechus) Ottonis Reitter. Wien. entom. Zeitg., 1905, 311. 


Braunrot, glänzend. Der Kopf schmäler als der Halsschild. Die Fühler etwas über die Mitte des 
Körpers nach hinten reichend, ihr zweites Glied etwas kürzer als das erste, das dritte etwa 1!/, so lang 
als das zweite und deutlich länger als das vierte; die beiden vorletzten Glieder etwas mehr als doppelt so 
lang als breit. Der Halsschild im vorderen Drittel etwas breiter als lang, nach hinten in sehr schwacher 
Rundung verengt, die Hinterecken mäßig groß, schwach spitzwinkelig und vom Seitenrande ziemlich 
scharf abgesetzt, jedoch nach außen kaum vortretend. Die Flügeldecken viel breiter als der Halsschild, 
länglich, an den Seiten nur sehr schwach gerundet, hinter der Mitte am breitesten, von hier an gegen die 
Schultern nur sehr wenig verengt; und da auch der Basalrand wenig abgeschrägt ist, treten die Schultern, 
trotz ihrer Abrundung, deutlich vor. An der Spitze erscheinen die Flügeldecken sehr breit verrundet. Im 
Verlaufe des dritten Streifens befinden sich bei der vorliegenden Type rechts drei Borstenpunkte, von 
denen der mittlere weit vor der Flügeldeckenmitte liegt; links ist zwischen dem ersten und zweiten Punkt 
noch ein akzessorischer Punkt eingeschoben, wobei der mittlere (hier der dritte Punkt) ein wenig weiter 
nach hinten verschoben erscheint; doch liegt derselbe immer noch deutlich vor der Mitte der Flügeldecken- 
länge. Der erste Punkt der Series umbilicata ist zwar deutlich nach innen verschoben, doch vom Seiten- 
rande nur sehr wenig weiter entfernt als der zweite; dieser vom dritten und der dritte vom vierten fast 
gleichweit, und zwar relativ sehr wenig entfernt. — Länge: 6 mm. 

Mir lag die einzige Type des Herrn Otto LEONHARD (ein J') zur Untersuchung vor. Sie stammt 
aus einer trockenen Höhle am LebrSnik, an der bosnisch-herzegowinisch-montenegrischen Grenze. 


41. Trechus (Neotrechus) Setniki Reitter. Wien. entom. Zeitg., 1904, 151. 


Eine durch die schmalen, langgestreckten Flügeldecken und den breiten Kopf recht auffällige Art. 
kotbraun, glänzend. Der Kopf groß, hinten backenartig erweitert und nur wenig schmäler als der Hals- 
schild. Die Fühler etwa um die Länge der zwei letzten Glieder über die Körpermitte nach hinten reichend, 
ihr zweites Glied deutlich kürzer als das erste, das dritte fast anderthalbmal so lang als das zweite und 
erheblich länger als das vierte, die beiden vorletzten etwas mehr als doppelt so lang als breit. Der Hals- 
schild ähnlich wie bei Otfonis, nur sind die Seiten nach hinten etwas stärker und geradlinig verengt. Die 
Flügeldecken sehr langgestreckt, mehr als doppelt so lang als breit, seitlich sehr schwach gerundet und 
etwa in der Mitte am breitesten, von da an gegen die Spitze und gegen die Schultern gleich schwach 
verengt, der Schulterrand gegen die Basis der Flügeldecken erheblich stärker als bei Offonis abgeschrägt. 
Längs des dritten Streifens befinden sich drei borstentragende Punkte, von denen der mittlere etwa in der 


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Höhlenfauna der Ostalpen und des Balkan. IT. 


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Mitte der Flügeldeckenlänge liegt. Die vier ersten Punkte der Series umbilicata vom Seitenrande deutlich 
abgerückt und von einander ziemlich gleichweit entfernt, der erste vom Schulterrande kaum weiter 
abgerückt als der zweite. Die Flügeldecken an der Spitze einzeln abgerundet. Die Beine kräftig, die Vorder- 
 schenkel verdickt. — Länge: 5°5 mm. 
Mit der vorigen Art zunächst verwandt und von ihr durch die in der Tabelle und in obiger Beschrei- 
bung angegebenen Charaktere verschieden. 


Vorkommen: Dieser Trechus wurde von Cyrill Setnik in der Vilina peclina (= Feenhöhle) am 
Lebrsnik im bosnisch-montenegrinischen Grenzgebiet in einem weiblichen Stücke entdeckt. Mir lag zur 
Beschreibung ein Exemplar (J') vom V olujak (ebenfalls bosnisch-montenegrinisches Grenzgebiet) aus der 
Sammlung des Herrn Otto Leonhard vor. 


42. Trechus (Neotrechus) dalmatinus L. Miller. Wien. entom. Monatschr. 1861, 255; Schaufuss, 
Verh. zool. botan. Ges. Wien 1864, 673; Ganglbauer, Käf. v. Mitteleur., I, 1892, 215, ex parte; Reitter, 
Wien, entom. Ztg., 1890, 101; J. Müller, Wien. entom. Ztg., 1903, 149 und 151, und Sitzungsb. Akad. Wiss. 
Wien, 1903, 881; Apfelbeck, Käferf. Baik., I, 1904, 140 u. 147; J. Müller, Wien. entom. Ztg., 1906, 149. — 
Subsp. dinaricus J. Müller. Wien. entom. Zeitg. 1912, 299. — Subsp. jablanicensis Apfelbeck. Käf. Balk., 
I, 1904, 141. — Subsp. Halmai Apfelbeck. Käf. Balk,141;J. Müller, Wien. ent.. Ztg., 1906, 149. — Subsp. 
suturalis Schaufuss. Verh. zool. botan. Ges. Wien, 1864, 673; Reitter, Wien. entom. Zeitg., 1890, 101; 
J. Müller, Wien. entom. Zeitg., 1903, 149 und 150, und Sitzungsb. Akad. Wiss. Wien, 1903, 881; Apfel- 
beck, Käf. Balk., I, 1904; J. Müller, Wien, entom. Zeitg., 1906, 149; dalmatinus S Ganglbauer, Käf, 
Mitteleur., I, 1892, 216. — Subsp. trebinjensis Apfelbeck. Käf. Balk., I, 1904, 141. — Subsp. metohiensis 
Apfelbeck, Käf. Balk., I, 1904, 141. — Subsp. amplipennis J. Müller. Wien. entom. Zeitg., 1911, 2. 


Hell rötlichgelo oder rotbraun, der Vorderkörper stets, die Flügeldecken nur bei gewissen Rassen 
glänzend, bei anderen infolge einer mikroskopisch feinen, reifartigen Behaarung mehr oder weniger matt. 
Der Kopf erheblich schmäler als der Halsschild, mit schwach gerundeten, fein abstehend behaarten 
Schläfen. Die Fühler die Körpermitte etwa um die zwei bis drei letzten Glieder überragend, ihr zweites 
Glied wenig kürzer als das erste, das dritte erheblich länger als das zweite, aber nicht oder kaum länger 
als das vierte, das zehnte Glied drei bis viermal so lang als breit. Der Halsschild schwach quer oder 
höchstens so lang als breit, vor der Mitte in verschieden starker Rundung erweitert, nach hinten in schwach 
konvexer Kurve verengt und nur unmittelbar vor den scharf rechtwinkeligen oder etwas spitz nach außen 
vortretenden Hinterecken ausgeschweift. Der Vorderrand des Halsschildes schwach ausgebuchtet, die 
Vorderecken etwas vorspringend. Die Basaleindrücke ziemlich tief, strichförmig, der Basalrand gerade 
abgeschnitten. Die Flügeldecken oval, ziemlich flach oder mäßig gewölbt, in oder etwas vor der Mitte am 
breitesten, nach hinten etwas stärker als nach vorne verengt, mit flach verrundeten Schultern. Die Dorsal- 
streifen von wechselnder Stärke, bisweilen äußerst fein, nach außen stets seichter werdend oder gänzlich 
erloschen. Der erste der drei am dritten Dorsalstreifen gelegenen Borstenpunkte befindet sich am Ende 
des basalen Siebentels oder Sechstels der Flügeldeckenlänge, der zweite vor der Mitte, der dritte ziemlich 
weit vor der Spitze. Der erste Punkt der Series umbilicata deutlich, aber verschieden stark nach innen 
gerückt, vom Seitenrande anderthalb- bis dreimal so weit entfernt als der zweite und stets schräg vor 
diesem gelegen. Das umgebogene Stück des Nahtstreifens ziemlich lang, verschieden weit über das Niveau 
des Präapicalpunktes nach vorne verlängert, am Ende in der Regel hakig zurückgebogen und mit dem 
Präapicalpunkt vereinigt. Der Nahtwinkel abgestumpft oder schmal abgerundet. Die Beine mäßig lang, das 
erste erweiterte Glied der männlichen Vordertarsen länger als breit. — Länge: 5°5 bis 7 mm. 


Verbreitung und Lebensweise: Das Verbreitungsgebiet dieser Art erstreckt sich vom Prolog- 
gebirge in den Dinarischen Alpen über Mittel- und Süd-Dalmatien und die Herzegowina bis nach Monte- 
negro; von den dalmatinischen Inseln ist sie jedoch noch nicht bekannt. 


74 J.Müller, 


Trechus dalmatinus ist der häufigste blinde Vertreter der Gattung in Dalmatien und der Herzegowina. 
Er lebt in verschieden hoch gelegenen Höhlen bis ins Hochgebirge und hält sich bald in der Dämmerungs- 
zone derselben, bald in den vollkommen finsteren Teilen auf lehmigem Boden unter Steinen und Brettern 
auf. Die Temperatur der Höhlen scheint keinen starken Einfluß auf das Vorkommen dieses Trechus zu 
haben. So fand ich ihn außer in gewöhnlichen Grotten, wo die mittlere Jahrestemperatur herrscht, auch 
in einer kleinen Höhle bei Crkvice in der Krivosije unmittelbar am Rande des dort angehäuften Schnees. 
Die Bewegungen dieses Tieres sind ziemlich rasch, so daß der Fang ohne Exhaustor nicht sehr leicht ist, 
zumal oft unter einem Stein viele Exemplare umherlaufen. 


Variabilität. Trechus dalmatinus ist, ähnlich wie Bölimeki, den er in Dalmatien, der Herzegowina 
und Montenegro gewissermaßen vertritt, ungemein variabel. Die Größe, die Halsschildform, der Glanz, die 
Wölbung und Streifung der Flügeldecken sowie die Länge des umgebogenen Nahtstreifens sind derart 
verschieden, daß die Extreme durchaus unähnlich sind und daher bereits als verschiedene Arten beschrieben 
wurden. ; 

Diese Variabilität geht soweit, daß man oft fast in jedem Höhlendistrikt eine etwas anders aussehende 
dalmatinus-Form vorfindet. Da jedoch auch die Exemplare aus einer und derselben Grotte nicht immer 
vollkommen gleich sind, ist eine allzu weitgehende Zersplitterung des Trechus dalmatinus in viele kleine 
Lokalrassen schwer durchführbar. Ich ziehe es daher vor, vorläufig wenigstens, zu den bisher beschriebenen 
Formen des Tr. dalmatimus keine weiteren hinzuzufügen, zumal mir nicht von allen die Originalstücke 
vorliegen. Die genaue Charakterisierung "aller, auch der kleinsten Lokalformen des Tr. dalmatinus über- 
lasse ich einem späteren Monographen, der über das ganze in den Museen und Privatsammlungen vor- 
handene Material verfügen wird. 


Übersicht der Rassen. 


I. Rassengruppe: Verwandte des Trechus dalmatinus L. Miller s. str. Die Flügeldecken 
meist flach und stets vollkommen matt. Auf allen Zwischenräumen der Flügeldecken istmit 
dem Mikroskopeineäußerstfeine, abstehende,börstchenartigeBehaarung wahrnehmbar, die 
dem mit freiem Auge oder schwacher Lupe betrachteten Tier einen matten, reifartigen 
Schein verleiht. Die einzelnen Härchen entspringen aus körnchenartig erhobenen Punkten, 
wodurch die ganze Oberfläche der Flügeldecken auch fein chagriniert erscheint. 


a) dalmatinus dalmatinus L. Miller. Diese Form ist nach Exemplaren beschrieben, die Josef ERBER 
am Eingang der von Fledermäusen und Tauben bewohnten Grotten des Narentatales sammelte. 

APFELBECK führt den typischen dalmatinus auch aus Höhlen auf der Halbinsel Sabbioncello 
(Winneguth 1900) und der Höhle bei Do]. Hrasno in der Herzegowina an (APFELBECK 1902, Käf. 
Balk., I, 1904, 141). 

Die mir jetzt vorliegenden Exemplare, die ich vorläufig auf die typische Form beziehe,! stammen aus 
einigen Höhlen in Zentral-Dalmatien zwischen der Cetina und Narenta. Sie sind 5:5 bis 6°7 mm lang, ihre 
Flügeldecken ziemlich flach und länglich oval, der Halsschild ziemlich weit vor der Mitte am breitesten, 
und nach hinten ziemlich stark, fast geradlinig verengt. 

Die einzelnen Höhlen, woher mir diese Form bekannt ist, sind folgende: Höhle bei Luie£ in der 
Umgebung von Lovre£ (J. Müller, 22. Juli 1905); MuSeva pe£ina bei Zagvozd am Fusse des Biokovo- 
gebirges (P. Novak, 21. Juli 1905); dunkle Felsspalte in einer Doline bei Kaoci im Biokovogebirge 
P. Novak, 24. Juli 1905, 1 Exemplar). 

Nördlich der Cetina, im Mosorgebiet, fand ich den Trechus dalmatinus zunächst in der Vranjaca 
pelina bei Kotlenice, und zwar am Grunde des vorderen Höhlendomes unter Steinen und an der kleinen 
Holztür, welche den Eingang zu den inneren Höhlenräumen versperrt (18. Juli 1905), dann außerordentlich 


! Die Miller’'schen Typen des dalmatinus liegen mir momentan nicht vor. 


Höhlenfauna der Ostalpen und des Balkan. IT. 79 


zahlreich in der Dana pecina auf dem Mosorplateau selbst (Juli 1910). Die Exemplare aus diesen 
Höhlen sind teils der Form, welche südlich der Cetina vorkommt, recht ähnlich, teils haben sie aber einen 
etwas breiteren, seitlich schwächer gerundeten und nach hinten weniger stark verengten Halsschild. 

Noch deutlicher und mit fast absoluter Konstanz zeigt sich die letztgenannte Modifikation des Hals- 
schildes bei den Stücken, die Herr Oberförster Martincic in der Slipacka pelina bei Dugopolje am 
Nordfuß des Mosorgebirges sammelte (September 1912); nur sind bei ihnen auch die Flügeldecken stets 
breiter und kürzer. 

Eine durch Herrn Oberleutnant VaSicek erhaltene Serie von Exemplaren aus der Windhöhle bei 
Zavala in der Herzegowina (Fundort des Antroherpon Apfelbecki und der Hadesia Vasiceki)) stimmt 
merkwürdigerweise noch am meisten mit der letzgenannten Form aus der Slipacka pelina überein, trotz 
der großen Entfernung der beiden Fundorte. Auch hier ist der Halsschild seitlich schwächer und gleich- 
mäßiger gerundet, die Maximalbreite daher wenig weit vor der Mitte gelegen, die Seiten des Halsschildes 
nach hinten schwächer verengt und die Basis daher breiter; die Flügeldecken ebenfalls relativ breit 
und kurz.! 

Ein Exemplar mit auffallend kurzen Flügeldecken aus der Sammlung des Herrn Otto Leonhard 
wurde in der Höhle bei Studenci in der Herzegowina gesammelt (20. September 1902) und mir vor 
vielen Jahren von Herrn E. Reitter zur Ansicht zugeschickt. 


b) dalmatinus dinaricus J. Müller. Ziemlich schlanke, hell rötlichgelbe Rasse mit seitlich sehr 
wenig gerundetem, an der Basis relativ breitem Halsschild und flachen nach hinten ziemlich stark ver- 
engten, auffallend fein gestreiften Flügeldecken. Die Dorsalstreifen erscheinen selbst bei starker 
Lupenvergrößerung bloß als sehr feine, kaum vertiefte, nur äußerst schwach punktierte Linien, die 
Zwischenräume sind durchwegs vollkommen eben. — Länge: 6 mm. 

Diese Form ist die nördlichste dalmatinus-Rasse. Sie wurde im Juli 1912 von H. v. Krekich- 
Strassoldo, C.deMayer und P. Novak in der Pe£ina Mandic sowie in der Mralna peclina im Prolog- 
gebirge (Dinarische Alpen, bosnisch-dalmatinisches Grenzgebiet) in wenigen Stücken gesammelt. 


c) dalmatinus jablanicensis Apfelbeck. »Von der typischen Form weicht die in einer kleinen Höhle 
des oberen Narentatales bei Jablanica lebende Rasse sehr erheblich durch wesentlich geringere 
Größe (5:5 mm), relativ kürzere, hinter den verrundeten Schultern stärker erweiterte, vor der Mitte höher 
gewölbte Flügeldecken, feinere, nach außen erloschene Punktstreifen derselben und einander stärker 
genäherte, vordere Porenpunkte ab« (ex APFELBECK, Käf. Balk., I, 1904, 141). 

Vielleicht gehört zu dieser, mir momentan nicht ‘vorliegenden Rasse auch eine Form, die von 
A. Schatzmayr in Anzahl in der Cesminova jama bei Novasela (Umgebung von Vrgorac, Mai 1911) 
gesammelt wurde. Diese Stücke sind allerdings noch kleiner als APFELBECK für jablanicensis angibt, 4:5 
bis 9mm lang, haben aber wie dieser stärker gewölbte, kurze Flügeldecken; der Halsschild ist an den 
Seiten schwach gerundet und die Basis breit, etwa wie bei der Form aus der Zavala-Höhle; das umge- 
bogene Stück des Nahtstreifens ist am Ende nicht deutlich hakenförmig und bisweilen nur wenig über das 
Niveau des Präapicalpunktes verlängert. 


I. Rassengruppe: Verwandte des Trechus dalmatinus suturalis Schauf. Die Flügeldecken 
stets gewölbter, mit stärker vertieften Streifen und wenigstens teilweise nicht chagri- 
nierter, bloß mikroskopisch genetzter, unbehaarter und daher glänzender Oberfläche. 


d) dalmatinus Halmai Apfelbeck. Diese Form bildet in Bezug auf die Mikroskulptur und Pubeszenz 
der Flügeldecken einen ausgesprochenen Übergang von Trechus dalmatinus zu suturalis, steht jedoch in 


1 Im Sommer 1910 wurde diese Form von Zavala auch von den Herren Franz Tax und J. Meixner aus Graz gesammelt. Sie 
fanden sie noch in der halbdunklen Vorhöhle unter Steinen und im Höhlenlehm (vgl. J. MEIXNER. Mitt. Nat. Ver. f. Steiermark, 
Bd. 47, 1911, 410 bis 411). 

Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC. Bd. 11 


76 WE Müller, 


allen übrigen Merkmalen dem letztgenannten entschieden näher, so daß ich es für richtiger halte, sie zur 
suturalis-Grüppe zu stellen. Auf den Flügeldecken dehnt sich die für die dalmatinus charakteristische Mikro- 
skulptur, wenigstens im Basalteil, bis in die Nähe der Naht aus, während in der Apicalhälfte die 
inneren Zwischenräume einer deutlichen Chagrinierung und Pubeszenz entbehren. (Beim typischen 
suluralis ist die mikroskopische Chagrinierung und Pubeszenz auch im Basalteil auf die seitlichen 
Zwischenräume beschränkt, -die inneren Intervalle erscheinen überall bloß fein genetzt). In der Form, 
Wölbung und Streifung der Flügeldecken stimmt suturalis Halmai mit dem echten suturalis überein. Die 
Hinterecken des Halsschildes meist schärfer und länger als beim typischen dalmatinus abgesetzt und 
ziemlich parallelseitig oder schwach nach hinten divergierend. — Länge: 6 mm, 


Fundort: UtreSnji-Höhle bei Nevesinje im VeleZgebiet, von Hugo Halma zuerst aufgefunden. Die 
mir aus dem Velezgebirge vorliegenden Exemplare stammen von Dr. Hermann Krauss. 


d) dalmatinus suturalis Schaufuss. Vom typischen dalmatinus durch gewölbtere, innen glänzende 
Flügeldecken, deutlichere Punktstreifen derselben und namentlich stärker vertieften Nahtstreifen ver- 
schieden. — Länge: 6 bis 7 mm. | 

Suturalis wurde von SCHAUFUSS (als eigene Art) nach Exemplaren beschrieben, die er durch Jos. 
Erber aus Montenegro erhielt. 

Vom echten suturalis unterscheidet APFELBECK en d. Balkanh., I, 1904, 141) die Rasse 
trebinjensis Apfb. aus den Höhlen bei MoSko und Trebinje durch mehr dem dalmatinus ähnlichen 
Körperbau, etwas dünnere Fühler, undeutiicher verdicktes erstes Fühlerglied und dunklere, mehr ins Röt- 
lichbraune neigende Färbung; ferner die Rasse metohiensis Apfb. aus den Höhlen bei Gacko, welche vom 
typischen suturalis durch geringere Größe, etwas kürzere Flügeldecken und kürzer umgebogene Verlänge- 
rung des Nahtstreifens differieren soll. 

Ich kann ohne die Typen kein definitives Urteil über die Berechtigung dieser beiden Formen abgeben, 
möchte aber nur in Übereinstimmung mit MEIXNER! hervorheben, daß Trechus dalmatinus suturalis (oft 
sogar in derselben Höhle) darart variiert, daß es bei einem reichlicheren Material schwer sein dürfte, die 
beiden APFELBECK’schen Formen vom echten suturalis auseinanderzuhalten. Mir wenigstens ist diese 
Trennung auf Grund des mir vorgelegenen Materiales bisher nicht gelungen, weshalb ich im nachfolgenden 
Verzeichnis von suturalis-Fundorten nicht genau angeben kann, wo der echte suturalis und wo die Form 
trebinjensis, beziehungsweise metohiensis vorkommt. 

Diese mir bekannten Fundorte des Trechus dalmatinus suturalis sind: 


Kleine Höhle bei Njegusin Montenegro, hart an der Reichsstraße, ‘die nach Cattaro führt, unter 
Steinen, in dem schwarzen, an Ziegenexkrementen reichen Er dboden, zahlreich (J. Müller, Juli 1908). 
Dem Fundorte nach wahrscheinlich der echte suturalis Schauf. 


Vodenajama, eine Stunde oberhalb Gacko in der Herzegowina (6. Juli 1910; J. MEIXNER, Mitt. 
Nat. Ver. f. Steierm., Bd. 47, 411). Nach MEIXNER die typische Form. 


Zatlo-Höhle bei Korito in der Nähe von Kobila Glava zwischen Gacko und Bilek, in Anzahl, 
Juli 1910; wahrscheinlich ebenfalls die typische Form (J. MEIXNER, I. c., 411 bis 412). In derselben Höhle 
auch Laemostenus cavicola Aeacus und Ouedius Kraussi. 

Jljima pe£lina bei Bihovo, südlich von Trebinje, Juli 1910 (J. MEIXNER, 1. c. 412). Nach MEIXNER 
eher dem metohiensis ähnlich, wie überhaupt alle von ihm in der Umgebung von Trebinje gefundenen 
suturalis-Exemplare. In derselben Höhle auch Antroherpon Apfelbecki, Bathyscia Dorotkana und Laemo- 
stenus cavicola Aeacus. 

Höhle bei DraSin do, an der Ragusanerstraße zwischen Trebinje und DuZi (11. Juli 1910; 
J. MEIXNER, 1. c., 412). In derselben Höhle auch drei Bathyscia-Arten (narentina, Dorotkana und spee.?). 


1 J. MEIXNER: Höhlenwanderungen in der Herzegowina. Mitt. Nat. Ver. f. Steierm,, Bd. 47, 411. 


| 


Höhlenfauma der Ostalpen und des Balkan. II. 77 


Höhle bei Gluha smokva zwischen Trebinje und Duzi, Juli 1910, in Anzahl (MEIXNER, |. c., 412 
bis 413). In derselben Höhle auch Trechus Paganettii Meixneri, Laemostenus cavicola Aeacus, Bathyscia 
narentina und Dorotkana, Antroherpon Apfelbecki und Onedius Kraussi. 

Höhle am Petrina südöstlich von Trebinje (12. Juli 1910; MEIXNER, |. c., 413). In derselben Höhle 
auch Laemostenus cavicola Aeacus, Bathyscia narentina und Dorotkana und angeblich auch Tapinopterus 
anophthalmus. 

Einsturzhöhle oberhalb Glicainj, nordwestlich von Trebinje (Juli 1910; J. MEIXNER, I. c., 413). 

Höhle bei Drieno in der Herzegowina (Paganetti-Hummler!). 

Höhle bei Konita in der Umgebung von Grepei in der Herzegowina, am Eingang unter Steinen 
(April-Mai 1902; G. PAGANETTI-HUMMLER, Anzeiger Akad. Wiss. Wien, 1903, 27). In derselben Höhle 
auch Laemostenus cavicola modestus. 

Höhle westlich der Gendarmeriekaserne in Grepci, am Eingang unter Steinen (April-Mai 
1902; G. PAGANETTI-HUMMLER, 1. c., 27). In derselben Höhle auch Batlyscia Dorotkana grepcensis 
Ganglb. i. litt. 

Höhle südwestlich von Grepci, am Eingang an Stellen, die noch vom Tageslicht erhellt sind, 
unter Steinen häufig (April-Mai 1902; G. PAGANETTI-HUMMLER, I. c., 27). 

Grotte beim Fort Imperial oberhalb Ragusa (Reitter, 1 Exemplar). 


J dalmatinus. amplipennis J. Müller. Noch breiter und kräftiger als der typ. suturalis, mit stärker 
gewölbten, feiner und nach außen undeutlicher gestreiften Flügeldecken. Der Kopf etwas dicker als bei 
den übrigen suturalis-Formen; der Halsschild mindestens so breit als lang, an den Seiten ziemlich gleich- 
mäßig gerundet, mit deutlich abgesetzten, etwas spitzig nach außen vortretenden Hinterecken. — Länge: 
6 bis 7 mm. 

Von Herrn Otto Leonhard in verschiedenen Höhlen des Volujak, an der herzegowinisch- 
montenegrinischen Grenze, ferner in der Teufelshöhle im Orlovac-Gebirge in Montenegro gesammelt. In 
der letztgenannten Grotte auch Trechus Hilfi. 

Hierher gehört auch der von MEIXNER (l. c., p. 414) erwähnte Anophthalmus suturalis aus der 
Bukova rupa am Gubar, wo auch Trechus Hilfi, Antroherpon Matulici und Bathyscia Dorotkana vor- 
kommen. 


43. Trechus (Neotrechus) Hilfi Reitter. Wien. entom. Zeitg., 1903, 212, und 1904, Taf. I, Fig. 9. 


Wohl die größte bisher bekannte blinde Trechus-Art. Bräunlichgelb, mäßig glänzend. Der Kopf etwas 
schmäler als der Halsschild. Die Fühler fast bis zum hinteren Viertel der Körperlänge reichend, ihr zweites 
Glied deutlich kürzer und viel schmäler als das erste, das dritte etwa anderthalbmal so lang als das zweite 
und nur wenig länger als das vierte, die beiden vorletzten Glieder etwa viermal so lang als breit.. Der Hals- 
schild etwa an der Grenze zwischen dem ersten und zweiten Viertel. (vom Apicalrand aus gerechnet) die 
Maximalbreite erreichend, daselbst etwas breiter als lang, vor den nicht scharf abgesetzten, rechteckigen 
oder etwas spitzen Hinterecken sanft ausgeschweift. Die Flügeldecken länglich oval, ziemlich flach, in oder 
etwas hinter der Mitte am breitesten, an den Seiten sehr schwach gerundet, fast vollzählig, ziemlich fein 
gestreift, die äußeren Streifen in der Regel obsolet; längs des dritten Streifens befinden sich drei borsten- 
tragende Punkte, wovon der mittlere etwa in der Mitte der Flügeldecken oder wenig weit davor gelegen 
ist. Der Abstand zwischen dem ersten und zweiten Borstenpunkt des dritten Dorsalstreifens ist kleiner als 
jener zwischen dem zweiten und dritten. Der erste Punkt der Series umbilicata vom Seitenrande deutlich 
weiter entfernt als der zweite, dieser vom dritten weniger weit abgerückt als der dritte vom vierten. — 
Länge: 9 bis 10 mm. 


Verbreitung: Die mir vorgelegene Type des Trechus Hilfi,,ein d', (ex coll. Leonhard) stammt 
aus der Vilina pecina (= Feengrotte) am Lebrsnik im bosnisch-herzegowinisch-montenegrinischen 
Grenzgebiet, woher auch Trechus Setniki beschrieben ist; ebenso ein @ aus der Sammlung Leonhard. 


78 J. Müller, 


Das im Wiener Hofmuseum befindliche, ebenfalls vom Herrn Leonhard stammende Exemplar (9) trägt 
die Bezeichnung: »Montenegro, Orlovac - Gebirge, Teufelshöhle«. J. Meixner erbeutete ein 
Exemplar in der Bukova rupa am Gubar (14. Juli 1910) und in derselben Höhle fand er auch Antroherpon 
Matulici, Bathyscia Dorotkana und Trechus dalmatinus amplipennis. 


10.. Untergattung: Orotrechus J. Müller 1913. 


Allgemeine Merkmale: Der Kopf schmäler als der Halsschild, mit vollständigen Stirnfurchen. Die 
Stirne hinten ohne Quereindruck, der Mittelwulst der Stirne geht kontinuierlich in die Scheitelwölbung über. 

Die Fühler erheblich kürzer als der Körper, ihr zweites Glied höchstens so lang als das erste. 

Der Halsschild mit deutlich gerandeten Seiten und schräg nach unten und innen gerichteten Epi- 
pleuren. Die hintere Marginalseta des Halsschildes fehlend oder, wenn vorhanden, klein, viel kürzer als 
die vordere und aus einem in den Hinterecken des Halsschildes selbst gelegenen, also von der Basis kaum 
abgerückten Borstenpunkt entspringend. 

Die Flügeldecken gegen die Basis stark abgeschrägt, die Schulterecke der Anlage nach deutlich 
stumpfwinkelig, an der Spitze nur wenig verrundet. 

Der erste Punkt der Series umbilicata stark nach innen gerückt und vom Seitenrande stets viel weiter 
entfernt als der zweite. Der achte, die Punkte der Series umbilicata verbindende Streifen meist völlig 
geschwunden, die mittleren Punkte der Series umbilicata vom Seitenrande weiter entfernt. 

An den männlichen Vordertarsen bloß das erste Glied erweitert und innen spitzig vortretend. 


Begrenzung und geographische Verbreitung: Die Vertreter dieser Untergattung wurden 
bisher zu Anophthalmus gestellt; sie bilden jedoch eine eigene, natürliche Artengruppe, die durch die 
Bildung der männlichen Vordertarsen (nur das erste Glied erweitert) und die Reduktion der hinteren 
Marginalseta des Halsschildes genügend charakterisiert ist. Das Verbreitungsgebiet der Orotrechus-Arten 
umfaßt die Vicentinischen und Venezianer Alpen, die Dolomiten und einen Teil des Karstes; eine Art 
(Trechus Fabianii) kommt in den vom Alpenbogen bereits abgetrennten Monti Berici in der Venezianischen 
Tiefebene vor. 


Bestimmungstabelle der Arten!. 


1. Kleinste Art von 3'3 bis 3:6 mm Länge mit kurzen Beinen und Fühlern. Das vierte Fühlerglied 
nicht oder kaum länger als das zweite. Erster Punkt der Series umbilicata stets vor dem Niveau des 
zweiten gelegen. Der Halsschild quer herzförmig, erheblich breiter als lang. Die Flügeldecken am 
dritten Streifen mit drei Borstenpunkten. Die Abdominalsternite am Hinterrand innerhalb der beiden 
normalen Tastborsten noch mit zwei kürzeren Börstchen. Die Hinterecken des Halsschildes ohne 
Seta a won. ka Be ee er er ee ee ALTAR 


— Arten von 3°5 bis 4:9 mm Länge. Fühler und Beine länger, das vierte Fühlerglied deutlich länger 
als das zweite. Der erste Punkt der Series umbilicata vom Seitenrande weiter abgerückt, im oder 
hinter dem Niveau des zweiten gelegen (selten etwas vor dem zweiten befindlich: einzelne Targioni- 
Exemplare). Halsschild gestreckter, nicht oder nur wenig breiter alslang . . .. 2.2.2... 2 


2. Kleinere, flache Art mit weniger gestreckten Fühlern und nur mäßig vertieftem Nahtstreifen. Dieser 
ist nur wenig stärker und tiefer als der zweite Flügeldeckenstreifen und ebenso wie dieser deutlich 
punktiert. Die Flügeldecken längs der Naht meist gar nicht eingesenkt, gleichmäßig flach gewölbt, 
längs des dritten Dorsalstreifens mit vier borstentragenden Punkten. Die Abdominalsegmente ähnlich 
wie bei Mandriolae mit vier Tastborsten, wovon die zwei inneren, akzessorischen, kürzer sind. 
Die Hinterecken des Halsschildes bei reinen Exemplaren mit einer kleinen Seta. — Länge: 3°5 
bis dmm . 22 ne un a We a ae er 2.45, Darmonnidelizeeegs 


\ 
1 Vgl. auch den in den Nachträgen beschriebenen Trechus Messai J. Müll. (p. 89 [99]). 


Höhlenfauna der Ostalpen und des Balkan. II, 79 


— Größere oder gewölbtere Arten mit schlankeren Fühlern und sehr stark vertieftem Nahtstreifen. 
Dieser ist viel stärker und tiefer als der zweite Dorsalstreifen, sehr scharf eingeschnitten, nicht 
deutlich punktiert und dem Nahtrande sehr stark genähert. Die Flügeldecken längs der Naht häufig 
vertieft, daher einzeln separat gewölbt (Ausnahmen: der durch seine stark gestreckte Körperform 
leicht kenntliche Tr. venetianus und manche Fabiamii-Exemplare). . » » : 2: 2 22 2 22.08 


3. Der zweite Zwischenraum der Flügeldecken nicht oder kaum breiter als der dritte. Flügeldecken 
mit drei Borstenpunkten längs des dritten Dorsalstreifens. Arten aus Italien . . . 22.2.2... 4 


— Der zweite Zwischenraum der Flügeldecken, namentlich gegen die Mitte, stark erweitert und 
erheblich breiter als der dritte. Längs des dritten Dorsalstreifens befinden sich in der Regel vier 
BR euDUNKIeS TEN AUS dem Rarst u ea le a a et 


4. Schlanker, Halsschild länglich, Flügeldecken nicht oder nur schwach bauchig erweitert, der zweite 
und dritte Zwischenraum derselben normal, der am dritten Streifen befindliche, mittlere Borsten- 
Eunkurden Nahtınaher zelesienjalsıdemıSeitenrande nn una Malen wine naeaald 


— dGedrungene Art aus den Venezianer Alpen mit kürzerem, nicht länglichem Halsschild und stark 
bauchig aufgetriebenen, längs der Naht deutlich vertieften Flügeldecken. Der zweite und dritte 
Enuischrentaum derselben stack venweivers daher der mittlere Borstenpunkt der 
Flügeldecken weiter nach außen gerückt, dem Seitenrande etwas näher stehendals 
der Naht. Die Abdominalsegmente nur mit den zwei normalen Borstenpunkten. Die Hinterecken 
des Halsschildes bei wohl erhaltenen Stücken mit einer kleinen Seta. — Länge: 3°8 bis 45 mm. 

48. Holdhausi Ganglb. 


9. Sehr schlanke Art aus den Venetianer Alpen mit längerem Kopf und Halsschild. Letzterer gegen 
die spitz nach hinten vortretenden, mit einer Seta versehenen Hinterecken fast geradlinig verengt. 
Die Flügeldecken längs der Naht nicht eingedrückt, in der Mitte am breitesten, stärker gerundet 
und von da an gegen die Schultern und gegen die Spitze stärker verengt. Der Kopf kaum schmäler 
als der Halsschild. Die Fühler und Beine kürzer und kräftiger, dunkler gefärbt. — Länge: 49 mım. 

46. venetianus Winkler. 


— Weniger schlanke Art aus den Monti Berici. Namentlich der Halsschild und die Flügeldecken breiter, 
ersterer vor den etwas nach außen vortretenden, spitzen Hinterecken deutlich ausgeschweift. Die 
Flügeldecken längs der Naht bisweilen etwas eingedrückt; sie erreichen ihre Maximalbreite etwas 
hinter der Mitte und sind hier flacher gerundet. Die Hinterecken des Halsschildes ohne Seta. Die 
Abdominalsternite vor deren Hinterrand mit vier borstentragenden Punkten, die beiden inneren 
Borsten kürzer. Der Kopf deutlich schmäler als der Halsschild. Die Fühler trotz des gedrungeneren 
Körperbaues schlanker und zarter als bei der vorigen Art und heller gefärbt. — Länge: 45 bis 
a RITA NN EZ. Fablanıı Gestro. 


6. Flügeldecken schlanker, nicht deutlich bauchig aufgetrieben, mit einer aus quergezogenen 
Maschen bestehenden Mikroskulptur. Abdominalsternite vor deren Hinterrand nur mit den 
zwei normalen Borstenpunkten. Die Hinterecken des Halsschildes mit einer kleinen Seta. — Länge: 


EI ea eneaen .e 3 are n ee 9rlongicornis Motsch. 


— Flügeldecken kürzer, deutlich bauchig aufgetrieben und daher stark gewölbt, mit einer aus poly- 
gonalen, isodiametrischen Maschen bestehenden, schuppigen Mikroskulptur. Abdo- 
minalsternite vor deren Hinterrand mit vier bis sechs borstentragenden Punkten. Die Hinterecken 
des Halsschildes ohne Seta. — Länge: 3:S bis 43mm . . . . .. .80. globulipennis Schaum. 


80 J. Müller, 


44. Trechus (Orotrechus) Mandriolae Ganglb. Wien. entom. Zeitg., 1911, 241. 


Rötlich- oder bräunlichgelb mit etwas dunklerem Vorderkörper, wenig glänzend. Der Kopf viel länger 
und nur sehr wenig schmäler als der Halsschild, mit schwach backenartig erweiterten, fein abstehend 
behaarten Schläfen. Die Fühler die Körpermitte kaum überragend, die beiden vorletzten Glieder kaum 
doppelt so lang als breit. Der Halsschild äußerst fein, abstehend behaart, quer herzförmig, etwa ein und 
ein Drittel so breit als lang, an der vorderen, stark entwickelten Marginalseta am breitesten und daselbst 
in starker Krümmung, bisweilen schwach winkelig erweitert, nach hinten sehr stark aber nur in schwach 
konvexer Kurve verengt, unmittelbar vor den kleinen, spitz vorspringenden Hinterecken ausgeschweift, an 
der Basis viel schmäler als am Vorderrand. Die gegen die Mitte nach vorne gezogene, präbasale Querfurche 
sehr tief, und jederseits in die Seitenrandkehle des Halsschildes übergehend ohne deutliche Basalgruben zu 
bilden. Die Flügeldecken etwas schütterer, aber deutlicher als der Halsschild, fein abstehend behaart, oval, 
flach gewölbt, an den Seiten schwach gerundet und etwas hinter der Mitte am breitesten, der Basalrand 
fast gerade abgeschrägt, der Nahtwinkel stumpf verrundet. Die beiden ersten Dorsalstreifen kräftig, mit 
ziemlich starken, wenig dicht stehenden Punkten, der dritte etwas schwächer, aber noch sehr deutlich, die 
übrigen mehr oder weniger obsolet oder nach außen ganz erloschen; im Apicalteil sämtliche Streifen bis 
auf den daselbst fein eingeschnittenen und von der Naht nur schmal getrennten ersten Dorsalstreifen 
erloschen. Von den drei im Verlaufe des dritten Dorsalstreifens befindlichen Borstenpunkten liegt der 
vordere im basalen Achtel, der mittlere weit vor der Mitte und der Präapicalpunkt etwa zu Beginn des 
apicalen Sechstels der Flügeldeckenlänge. Das umgebogene Stück des Nahtstreifens reicht bis zum Niveau 
des Präapicalpunktes und endet außerhalb desselben, ohne sich mit ihm zu vereinigen. Der zweite, dritte 
und vierte Punkt der Series umbilicata von einander fast gleich weit entfernt und eine mit dem Seitenrande 
nach hinten ziemlich stark divergierende Reihe bildend. Die Mikroskulptur der Flügeldecken besteht im 
Basalteil aus zıemlich weiten, polygonalen Maschen, die nach hinten allmählich enger und stärker in die 
Quere gezogen erscheinen. — Länge: 3°3 bis 3:6 mm. i 

Mit Trechus Targionii zunächst verwandt und von diesem durch kleinere, gedrungenere Körperform, 
kürzere Beine und Fühler, breiteren Kopf und stärker queren, im vorderen Drittel stärker gerundet- 
erweiterten, an der Basis innerhalb der Hinterecken nicht deutlich abgeschrägten Halsschild, die mangelnde 
hintere Marginalseta desselben, kürzere und mattere, innen stärker gestreifte Flügeldecken, den konstant 
fehlenden vierten Borstenpunkt am dritten Dorsalstreifen und den stets schräg vor dem zweiten befind- 
lichen ersten Punkt der Series umbilicata verschieden. 


Verbreitung und Lebensweise. Diese Art wurde von R. Pinker unter dem Gipfel der 
Mandriola am Nordrand der Sette Comuni in Südtirol entdeckt ‘und später von den Herren 
E. Moczarski, Dr. H. Stolz und A. Winkler in den Venezianer Alpen (Bosco del Cansiglio) 
zusammen mit Trechus Holdhausi und venetianus unter Steinen in Anzahl gesammelt. 


45. Trechus (Orotrechus) Targionii Della Torre. Bull. Soc. Ent. Ital., XII, 1880, 253, tav. I; Gestro, 
Ann. Mus. Civ. Genova, serie 2%, II (XXI), 1885, 146, tav. IV, fig. 8, Bull. Soc. entom. Ital., "XVII, 1886, 
39, tav. I, fig. 8, und Ann. Mus. Civ. Genova, serie 2%, XX (XL), 1900, 571; Ganglbauer, Käf. v. Mitteleur. 
I, 1892, 215; J. Müller, Wien. entom. Zeitg. 1907, 194. — Subsp. Fiorii Alzona. Boll. del Natur. Siena 
1899, Anno XIX, Nr. 8, p. 94; Gestro, Ann. Mus. Civ. Genova, serie 2%, XX (XL), 1900, 571; Ganglbauer, 
Wien. entom. Zeitg., 1903, 119 und 1911, 243; J. Müller, Wien. entom. Zeitg., 1907, 194. — ? Subsp. 
vicentinus Gestro Ann. Mus. Civ. Genova, serie 34, III (XLIN), 1907, 172; Ganglbauer, Wien. entom. 
Zeitg., 1911, 244. 

Rötlichgelb, ziemlich glänzend. Die Oberseite des Kopfes und des Halsschildes äußerst fein und 
schwer sichtbar, die Flügeldecken etwas deutlicher, die Schläfen am deutlichsten abstehend behaart. Der 
Kopf etwas schmäler als der Halsschild, schlanker als bei Trechus Mandriolae, mit schwach gerundeten 
Schläfen. Die Fühler etwa mit den drei letzten Gliedern die Körpermitte überragend, ihr zweites Glied 


Höhlenfauma der Ostalpen und des Balkan. II. 81 


schmäler, aber nur wenig kürzer als das erste, das dritte erheblich länger als das zweite und deutlich 
länger als das vierte, die beiden vorletzten Glieder etwa doppelt so lang als breit. Der Halsschild herz- 
förmig, nur wenig breiter als lang, der Seitenrand im vorderen Drittel mäßig stark gerundet erweitert, nach 
hinten fast geradlinig verengt oder hinter der Mitte äußerst flach ausgebuchtet und dann wieder in schwach 
konvexer Krümmung gegen die Hinterecken verlaufend, diese klein, scharf rechtwinklig oder etwas spitzig, 
die Basis innerhalb derselben etwas abgeschrägt. Die präbasale Querfurche sehr tief eingedrückt, in der 
Mitte nach vorn gezogen und obsolet, seitlich mit einer kleinen, nicht immer deutlichen Basalgrube. Die 
Scheibe des Halsschildes jederseits der Mittellinie gewöhnlich mit einer Reihe von zwei 
bis vier verschieden starken Punkten aus denen deutliche, schräg abstehende Börst- 
chen entspringen. 

Diese Börstchen sind zwar bedeutend länger als die feine mikroskopische Pubeszenz des Hals- 
schildes aber noch immer deutlich kürzer als die hintere Marginalseta. Die Flügeldecken oval, hinter der 
Mitte am breitesten, deutlich gewölbter als bei Mandriolae, der Nahtstreif stark vertieft, aber nur undeutlich 
punktiert, der zweite Dorsalstreif erheblich feiner, deutlicher punktiert und weniger stark vertieft als der 
Nahtstreif, im Vergleich zu Mandriolae viel feiner, der dritte noch feiner als der zweite und meist nur im 
Basalteil ausgebildet, die weiteren Streifen in der Regel ganz erloschen. Im Verlaufe des dritten Dorsal- 
streifens befinden sich vier kräftige Borstenpunkte,! davon der erste im basalen Sechstel, der zweite vor, 
der dritte hinter der Mitte und der vierte im apicalen Sechstel der Flügeldeckenlänge. Das umgebogene 
Stück des Nahtstreifens schwach S-förmig geschwungen und am Ende, etwa im Niveau des Präapical- 
punktes, ein wenig nach innen gekrümmt, ohne sich mit diesem zu vereinigen. Der erste Punkt der Series 
umbilicata in der Regel in oder etwas hinter dem Niveau des zweiten gelegen, dieser mit dem dritten und 
vierten Punkt eine von dem Seitenrande nach hinten stark divergierende Reihe gleichweit entfernter Punkte 
bildend. — Länge: 3°5 bis 4 mm. 


Trechus Targionü ist nach Exemplaren aus der Grotta d’Oliero bei Bassano im Venezianischen 
beschrieben, woher mir zahlreiche von Dodero, Rangoni und Neumann gesammelte Exemplare vor- 
gelegen sind. Die von Dodero stammenden Stücke wurden am 23. August 1898 und im März 1911 
gesammelt. 

Weitere, jedenfalls zu Targionii gehörige, im Freien gesammelte Stücke sah ich von folgenden Süd- 
tiroler Fundorten: 

Lavarone (Ganglbauer, Wiener Hofmuseum). — Folgaria: Mezzaselva (10. Juli 1910 Knabl, 
Wiener Hofmuseum). — Vallarsa (Diener, Wiener Hofmuseum). — Piano della Fugazza (Breit, 
Wiener Hofmuseum). 


Nach zwei vom Vallone di Canzialto am Mte. Grappa in den Venezianer Voralpen unter Steinen 
gesammelten Exemplaren wurde der Anophthalmus Fiorii Alzona beschrieben, den GANGLBAUER 
(Wien. ent. Zeitg., 1903, 119) mit der Form vom Piano della Fugazza identifiziert und gleichzeitig als 
Rasse des Targionii betrachtet. Nach GESTRO und GANGLBAUER unterscheidet sich diese Rasse vom 
echten Targionii nur durch tiefere und ausgedehntere Streifung der Flügeldecken. Aus diesem Grunde 
und weil A. Fiorii im Freien unter Steinen lebt, hält ihn GANGLBAUER (. c.) für die Stammform des 
höhlenbewohnenden Targionii, der nur aus Prioritätsrücksichten als eine Rasse des letzteren geführt 
werden muß. 

Ob auch der nach einem einzigen, unreifen Individuum aus der »Grotta del Cameron«, am Süd- 
abhang des Mte. Verlaldo im Vicentinischen, beschriebene A. vicentinus Gestro als eine Form des 
Targionii aufzufassen ist, oder ob derselbe, wie GANGLBAUER (Wien. entom. Zeitg., 1911, 244) vermutet, 
zu Holdhausi gehört, kann ich nicht entscheiden, da mir die Type nicht vorliegt. Nach GESTRO soll sich 


1 Nur ganz ausnahmsweise, bei einem Exemplar aus der Grotte von Oliero, sind bloß drei Borstenpunkte im Verlaufe des 


dritten Dorsalstreifens vorhanden. 


82 J. Müller, 


vicentinus von Targionii durch schlankere Fühler und den Besitz von nur drei Borstenpunkten am dritten 
Dorsalstreifen unterscheiden. Da auch beim typischen Targionii ausnahmsweise nur drei Borstenpunkte 
vorkommen, muß erst auf Grund eines reicheren Materiales vom Originalfundort entschieden werden, ob 
dieses Merkmal für vicentinus konstant ist oder nicht. 


46. Trechus (Orotrechus) venetianus Winkler. Entom. Rundschau, 1911, 4. 


Auffallend langgestreckte, schlanke Art. Rötlichgelb, Kopf und Fühler etwas dunkler. Der Kopf sehr 
schlank, mit vorgestreckten Mandibeln fast doppelt so lang als breit. Die Schläfen flach gerundet, hinten 
vom Halse ziemlich scharf abgesetzt, die Halseinschnürung auch auf der Dorsalfläche des Kopfes deutlich 
erkennbar. Die Fühler etwas über die Mitte des Körpers nach hinten reichend, erheblich kräftiger und 
dunkler als bei Fabianii. Der Halsschild erheblich länger als breit, im vorderen Viertel am breitesten, 
jedoch ebenda kaum breiter als der Kopf, nach hinten fast geradlinig verengt, vor den kleinen spitzen 
Hinterecken kaum merklich ausgeschweift, die Halsschildbasis innerhalb derselben deutlich ausgerandet, 
die Hinterecken daher nach hinten vortretend. Die Flügeldecken länglich oval, in der Mitte etwa dreimal 
so breit als der Halsschild, von da an gegen die Schultern und gegen die Spitze fast gleichartig verengt; 
außer dem scharf vertieften Nahtstreifen nur noch der zweite und dritte schwach erkennbar, die übrigen 
vollkommen erloschen. Der erste Punkt der Series umbilicata weit nach innen gerückt und etwas hinter 
dem Niveau des zweiten befindlich, diesem nur sehr wenig näher stehend als dem ersten Borstenpunkt des 
dritten Dorsalstreifens; der zweite, dritte und vierte Punkt der Series umbilicata voneinander gleichweit 
entfernt. Das umgebogene Ende des Nahtstreifens reicht nicht bis zum Niveau des präapicalen Borsten- 
punktes. Die Abdominalsternite vor dem Hinterrande mit den beiden normalen, abstehenden, langen Tast- 
borsten; die dazwischen liegende, mediale Fläche des Abdomens ist mit feinen, aber sehr deutlichen, 
anliegenden Härchen bestreut. Die Seiten des Abdomens sind vollkommen kahl. — Länge: 4:9 mm. 


Mir lag durch die Freundlichkeit des Autors und Entdeckers, Herrn A. Winkler in Wien, das 
einzige bisher bekannte Stück (@) vom Bosco del Cansiglio in den Venezianer Alpen vor. Es wurde 
zusammen mit 7r. Holdhausi und Mandriolae unter einem Stein in zirka 1500 m Seehöhe gefunden. 


47. Trechus (Orotrechus) Fabianii Gestro. Ann. Mus. Civ. Genova, serie 2%, XX (XL), 1900, 570; 
Vire et Alzona, Bull. du Mus. d’hist. natur., Paris, 1901, 344. 


Rötlichbraun; der Vorderkörper glänzend, die Flügeldecken etwas matt. Der Kopf schlank, länger 
und etwas schmäler als der Halsschild. Die Fühler zart, etwa dreiviertelmal so lang als der Körper, ihr 
zweites Glied fast länger als das erste, das dritte etwa ein und eindrittel so lang als das zweite und etwas 
länger als das vierte, die beiden vorletzten Glieder etwa viermal so lang als breit. Der Halsschild etwas 
länger als im vorderen Viertel breit, daselbst mäßig stark gerundet, nach hinten nur in sehr schwacher 
Krümmung verengt und vor den kleinen, spitz vortretenden Hinterecken sanft ausgebuchtet. Die Flügeldecken 
oval, hinter der Mitte am breitesten, mäßig gewölbt, mit scharf eingeschnittenem Nahtstreifen, der nächste 
Dorsalstreif noch deutlich, aber viel seichter, der dritte kaum erkennbar, die übrigen gänzlich erloschen. 
Von den drei am dritten Dorsalstreifen befindlichen Borstenpunkten liegt der erste fast am Ende des 
basalen Viertels, der zweite hinter der Mitte, der dritte zu Beginn. des apicalen Fünftels; der zweite steht 
daher dem dritten viel näher als dem ersten und ist vom Nahtrand weniger weit abgerückt als vom 
Seitenrand. Das umgebogene Ende des Nahtstreifens erreicht nicht das Niveau des dritten borstentragen- 
den Dorsalpunktes. Der erste Punkt der Series umbilicata ist weit nach innen gerückt und befindet sich 
hinter dem Niveau des zweiten; der vierte Punkt ist vom dritten meist erheblich weiter entfernt als dieser 
vom zweiten. Die Mikroskulptur der Flügeldecken ist schuppig und besteht aus breiten, etwas quer- 
gestreckten Maschen Das erweiterte erste Glied der männlichen Vordertarsen doppelt so lang als breit, am 
inneren Apicalwinkel in einen kleinen Dorn ausgezogen. — Länge: 45 bis 4'8 mm. 


nr u 


Höhlenfauna der Östalpen und des Balkan. II. 83 


Verbreitung und Lebensweise: Diese Art bewohnt einige Höhlen in den Monti Berici im 
Venezianischen. Als Type bezeichnet GESTRO ein im Museum von Genua befindliches Exemplar, das 
von Ramiro Fabiano in der Grotta di Trene bei Nanto gefunden wurde; weitere Exemplare sind dem 
Autor aus dem Cogolo di Costozza (gesammelt von Dr. G. Caneva im August 1900) vorgelegen. 
VIRE und ALZONA (Bull. Mus. Hist. natur., 1901, 344) haben noch drei andere, ebenfalls in den Monti 
Berici gelegene Fundorte bekanntgemacht, nämlich den Covolo (grotta) della Guerra, ferner einen 
unterirdischen Steinbruch beim Covolo del Tesoro und eine kleine natürliche Grotte beim Covolo 
del Tesoro. Im Verzeichnis der italienischen Anophthalmen von GESTRO (Ann. Mus. Civ. Genova, 
Serie 3, Vol. II (XLIlD, 1907, 172) wird als weiterer Fundort des Tr. Fabianii auch die Grotta delle 
Tette (Lonigo) genannt. 

Die von mir untersuchten Stücke wurden teils von C. Alzona, teils von H.F. Neumann im 
Cogolo di Costozza gesammelt, wo diese Art am häufigsten zu sein scheint. 

Über die Lebensweise berichten VIRE und ALZONA (l. c. 1901). Danach findet man den Trechus 
Fabianii unter Steinen, in Felsspalten und auf feuchtem Lehmboden. Das Vorhandensein beziehungsweise 
Fehlen von Tageslicht scheint keinen Einfluß auf die Verbreitung dieser Art zu haben; denn während sie 
im Cogolo di Costozza im tiefsten Teil der Höhle um einen von Niphargus bewohnten Tümpel vorkommt, 
findet sie sich im Covolo della Guerra im Schatten und Halbschatten der Eingangszone. 


48. Trechus (Orotrechus) Holdhausi Ganglb. Münch. Koleopt. Zeitschr., II, 1904, 224. 


Rötlichbraun mit ziemlich matten Flügeldecken. Der Kopf etwas schmäler als der Halsschild, länglich 
mit mäßig gewölbten Schläfen. Die Fühler ziemlich zart, bis über die Mitte der Flügeldecken nach hinten 
reichend, das zweite Glied fast länger als das verdickte Basalglied, das dritte fast anderthalbmal so lang als 
das zweite und deutlich länger als das vierte; die beiden vorletzten Glieder etwa dreimal so lang als breit. 
Der Halsschild im vorderen Drittel etwas breiter als lang, daselbst mäßig stark und in gleichmäßiger Kurve 
gerundet, nach hinten fast geradlinig verengt und vor den kleinen, als spitze Zähnchen vorspringenden 
Hinterecken sehr seicht ausgebuchtet; die Basis gegen die Hinterecken etwas abgeschrägt oder innerhalb 
derselben schwach ausgebuchtet. Die Flügeldecken oval, meist stark gewölbt und längs der Naht vertieft, 
in oder vor der Mitte am breitesten, von da an gegen die Schultern weniger verengt als nach hinten, daher 
die Schultergegend sehr breit, die Schultern selbst der Anlage nach stumpfwinklig, an der Spitze jedoch 
abgerundet, der gegen die Basis verlaufende, abgeschrägte Schulterrand leicht ausgebuchtet. Der Naht- 
streifen stark vertieft und überall scharf eingeschnitten, der zweite Streifen zwar furchenartig vertieft, 
aber weniger scharf als der erste und im Niveau des borstentragenden Präapicalpunktes erlöschend, 
der dritte viel schwächer, die übrigen fast völlig erloschen. Der erste Borstenpunkt am dritten Streifen 
befindet sich am Ende des basalen Sechstels, der zweite hinter der Mitte, der dritte knapp vor dem 
apicalen Sechstel. Das umgebogene Stück des Nahtstreifens verläuft zunächst gerade nach vorne, 
biegt dann etwas nach außen und dann in gleichmäßiger Krümmung wieder nach innen; es endet 
etwa im Niveau des Präapicalpunktes der Flügeldecken, und zwar außerhalb desselben. Der erste Punkt 
der Series umbilicata liegt etwas hinter dem Niveau des zweiten, dieser, der dritte und vierte sind von- 
einander ziemlich gleichweit entfernt. Unter dem Mikroskop erscheinen die Flügeldecken fein 
aulerseriett und schütter punktiert, aus jedem Pünktchen entspringt ein kleines, schräg 
nach hinten gerichtetes Härchen. Das erste erweiterte Glied der männlichen Vordertarsen etwa 
anderthalbmal so lang als breit, am inneren Apicalwinkel in einen ziemlich kleinen Dorn ausgezogen. — 
Länge: 3°8 bis 4:5 mm. 

Habituell dem Trechus globulipennis am ähnlichsten, jedoch von diesem durch die in der Tabelle 
angegebenen Charaktere leicht und sicher auseinanderzuhalten. 

Verbreitung und Lebensweise. Das erste Exemplar dieser Art, ein ©, wurde von Dr. Karl 


Holdhaus am 17. Juli 1903 im Bosco del Cansiglio (Venezianer Alpen) südlich vom Albergo al Real 
Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC. Bd. 12 


84 J. Müller, 


Palazzo aus abgefallenem Buchenlaub gesiebt. Mir lag außer der Type noch eine Anzahl anderer, von 
MOCZARSKY und WINKLER am Originalfundorte gesammelter Exemplare vor. 


49. Trechus (Orotrechus) longicornis Motschulsky. Etud. ent., 1862, 40; globulipennis Gangl- 
bauer, Verh. zool. bot. Ges. Wien, 1896, 462. 


Rötlichgelb oder bräunlichgelb, mit ziemlich matten Flügeldecken. Der Kopf nur wenig schmäler als 
der Halsschild. Die Fühler über die Mitte des Körpers nach hinten reichend, das zweite Glied so lang als 
das erste, das dritte fast anderthalbmai so lang als das zweite und deutlich länger als das vierte, das vor- 
letzte etwas mehr als doppelt so lang als breit. Der. Halsschild herzförmig, im vorderen Drittel kaum 
breiter als lang und daselbst gleichmäßig gerundet-erweitert, nach hinten fast geradlinig verengt, vor den 
an der äußersten Ecke zähnchenartig vorspringenden Hinterecken etwas ausgebuchtet, die Basis inner- 
halb derselben mit einem kleinen, bogenartigen Ausschnitt. Die Flügeldecken mäßig gewölbt, längs der 
Naht leicht eingedrückt, etwa in der Mitte am breitesten, von da an gegen die Schultern und nach hinten 
fast gleichmäßig schwach verengt. Der Nahtstreif scharf, der zweite Dorsalstreif etwa bis zum präapicalen 
Borstenpunkt noch deutlich, aber viel schwächer als der Nahtstreif, der dritte nur stellenweise erkennbar, 
die anderen fast vollständig erloschen. Am dritten Streifen befinden sich normal vier Borstenpunkte, davon 


der erste im basalen Sechstel, der zweite etwa in der Mitte, dem Seitenrande etwas näher gelegen als der 


Naht, der dritte zu Beginn des apicalen Drittels und der vierte (der »Präapicalpunkt«) im letzten Fünftel 
der Flügeldeckenlänge. Der erste Punkt der Series umbilicata befindet sich etwas hinter (dem Niveau des 
zweiten, dieser ist vom dritten fast ebenso weit entfernt als der dritte vom vierten. Das umgebogene Stück 
des Nahtstreifens verläuft mit leichter S-förmiger Krümmung nach vorn, und endet etwa im Niveau des 
Präapicalpunktes. Die Oberfläche der Flügeldecken fein mikroskopisch genetzt, die Maschen etwas in die 
Quere gezogen; außerdem sind zerstreute Pünktchen vorhanden, aus denen kleine, etwas schräg nach 
hinten gerichtete Härchen entspringen. Die Abdominalsegmente vor dem Hinterrand bloß mit den zwei 
normalen Borstenpunkten.t — Länge: 4 mm. i 

Mit Trechus globulipennis zunächst verwandt, jedoch von ihm durch die in der Tabelle angegebenen 


Merkmale leicht zu unterscheiden. 


Verbreitung. — Die Type dieser bisher verkannten Art stammt von Ferdinand Schmidt und 
wurde »dans la caverne de Loubnik« aufgefunden (vergl. die Originalbeschreibung von MOTSCHULSKY, 
l. c.). Mir sind zwei Exemplare aus dem Wiener Hofmuseum vorgelegen, und zwar aus der Kevderca 
jama am Ljubnik bei Bischoflack in Oberkrain. Das eine wurde von J. Stussiner am 30. Mai 1895 
gesammelt, das andere stammt vonSever (1898). Ein drittes, ebenfalls von Sever stammendes Exemplar 
befindet sich in der Sammlung des Herrn F. Tax (Graz) und soll bei Adelsberg gefunden worden sein. 
Doch bedarf diese Fundortsangabe jedenfalls erst der Bestätigung. 


Anmerkung. — Trechus longicornis Motsch. wurde bisher für ein Synomym von hirtus gehalten. 
Die Worte MOTSCHULYSKY’s »tarsis articulo primo triangulariter dilatato, sequentibus 
angustis« schließen jedoch diese Deutung unbedingt aus. Die ganze Beschreibung des longicornis und 
die Fundortsangabe »Loubnik« (offenbar eine Verunstaltung des Namens »Ljubnik«) lassen sich nur auf 
die vorliegende Art beziehen, die bisher nach dem Vorgange GANGLBAUER'’s für globulipennis gehalten 


wurde. 


50. Trechus (Orotrechus) globulipennis Schaum. Naturgeschichte Ins. Deutschl., I, 1860, 660; 
Schmidt, Verh. zool. bot. Ges. Wien, 1860, 669, Taf. XII, Fig. 3; Ganglbauer, Käf. v. Mitteleur., I, 1892, 
218; Müllerianus Schatzmayr, Wien. entom. Zeitg. 1907, 216. 


1 Nur bei einem Exemplar (') ausderKevderca-Grotte am Ljubnik(Sever, 98. WienerHofmuseum) ist am vorletzten Abdominal- 
sternit innerhalb des rechten, normalen Borstenpunktes noch ein akzessorischer Punkt vorhanden, aus dem eine kurze, gelbe Borste 


entspringt. 


Ce u 2 BE 


Höhlenfauma der Ostalpen und des Balkan. II. 85 


Im ausgefärbten Zustande ziemlich dunkel rotbraun, wenig glänzend. Der Kopf lang, nur wenig 
schmäler als der Halsschild. Die Fühler die Körpermitte deutlich überragend, ihr zweites Glied mindestens 
so lang als das erste, das dritte fast anderthalbmal so lang als das zweite und etwas länger als das vierte, 
das vorletzte 2 bis 2!/ mal so lang als breit. Der Halsschild in der Form und Breite etwas variabel, meist 
deutlich länger als breit, im vorderen Drittel am breitesten und in gleichmäßiger, jedoch verschieden stark 
gekrümmter Kurve erweitert, vor den mäßig langen, etwas spitzen Hinterecken kurz ausgeschweift, die 
Basis in flachem Bogen ausgerandet und jederseits innerhalb der Hinterecken schwach abgeschräst oder 
ausgebuchtet. Die Oberfläche des Halsschildes äußerst fein chagriniert, außerdem schwach runzelig 
punktiert und dadurch etwas uneben. Die präbasale Querfurche nicht sehr scharf, die Fläche zwischen 
ihr und dem Basalrand des Halsschildes fein längsrunzelig. Die länglichen Basalgruben von der sich nach 
hinten erweiternden Seitenrandkehle nicht deutlich getrennt. Die Flügeldecken einzeln stark gewölbt, auf- 
geblasen, in oder etwas vor der Mitte am breitesten und daselbst fast dreimal so breit als der Halsschild; 
der abgeschrägte Basalrand schwach ausgeschweift, die der Anlage nach deutlich stumpfwinkligen 
Schultern nur wenig verrundet. Der Nahtstreif scharf und stark vertieft, der Nahtzwischenraum schmal 
leistenförmig; die anderen Dorsalstreifen viel schwächer und nach außen erloschen. Der zweite Zwischen- 
raum sehr breit, deutlich breiter als der dritte und drei- bis viermal so breit als der leistenförmige Naht- 
zwischenraum. Im dritten Dorsalstreifen befinden sich drei bis vier kräftige Borstenpunkte. Der erste Punkt 
der Series umbilicata sehr groß, grübchenartig, stark nach innen gerückt und hinter dem Niveau des ersten 
Seitenrandpunktes befindlich; dieser und der nächstfolgende erheblich kleiner, einander stark genähert; 
der dritte Seitenrandpunkt (beziehungsweise der vierte Punkt der Series umbilicata) meist bedeutend 
größer, grübchenartig, von den beiden ersten Seitenrandpunkten weiter abgerückt und mit diesen 
zusammen eine vom Seitenrande nach hinten sich rasch entfernende Reihe bildend. Das umgebogene 
Stück des Nahtstreifens nach schwacher S-förmiger Schwingung im Niveau des borstentragenden Prä- 
apicalpunktes nach innen umgebogen und mit diesem mehr oder weniger deutlich vereinigt. Die Mikro- 
skulptur der Flügeldecken besteht aus schuppigen, polygonalen und nahezu isodiametrischen Maschen. 
Der Seitenrand der Flügeldecken ist mit mikroskopisch feinen Wimperhärchen versehen und auch auf 
der Scheibe der Flügeldecken sind äußerst feine, zerstreute, abstehende Härchen vorhanden. — Länge: 
38 bis 4°3 mm. 


Verbreitung und Lebensweise. — Die Angaben über die Provenienz der Originalexemplare von 
Trechns globulipennis sind äußerst widersprechend. In der zuerst erschienenen Beschreibung (von 
SCHAUM) gibt der Autor an, diese Art von Ferd. Schmidt aus »der Eisgrotte in Innerkrain« 
unter dem Namen Anophthalmus globulipennis erhalten zu haben. In der kurz darauf erschienenen 
SCHMIDT’schen Beschreibung des A. globulipennis wird jedoch als Fundort »die Höhle auf dem 
Berge Ljubnik« angegeben. Die von mir untersuchte Type des A. globulipennis in der F. Schmidt’schen 
Sammlung (jetzt im naturhistorischen Kabinette der Staatsrealschule ın Laibach) trägt bloß die Fundorts- 
angabe »Carn.«. 


Als sichere Fundorte kann ich nur folgende Höhlen im Triester Karst angeben, woher die vor- 
liegende Art als Trechus Müllerianus beschrieben wurde: 


Grotta Clementina bei Opcina nächst Triest (Originalfundort des Trechus Müllerianus!), im 
tiefsten Teil der Höhle unter Steinen und im Lehmboden (A. Schatzmayr, März 1907 und während 
des ganzen Jahres, ziemlich selten; J. Müller und H. Springer, März 1910). 

Griza-Schlund bei Storje unweit Sessana (coll. J. Stussiner, 1 Exemplar!). 

Draga von Ponikve, zwischen St. Daniel und Avber, im mittleren Teil der Höhle, auf sandig- 
lehmigem Boden, unter Steinen (J. Müller und H. Springer, 23. Oktober 1910; Schatzmayr, Mai 1911, 
ziemlich häufig, August 1912, September 1912, häufig). 

Jelenca jama bei Kobilaglava, an der Basis des Schuttkegels, unter Steinen). 

Grotte von Trnovica (H. Springer, 19. März 1911, 1 Exemplar!). 


86 J. Müller, 


Gradenca jama bei Hudi Log am Plateau von Opacchiesela (F. Mühlhofer, 5. Mai 1910, 
1 Exemplar!). 


Anmerkung. — Zur Begründung der in vorliegender Arbeit befolgten Synonymie des Trechus glo- 
bulipennis sei Folgendes hervorgehoben. 

Aus den Worten der SCHMIDT’schen Originalbeschreibung: »die im Verhältnis zu dem Halsschilde 
viermal breiteren Flügeldecken sind auffallend gewölbt«, war bereits zu schließen, daß globulipennis 
Schmidt nicht mit globulipennis Ganglb. 1896, sondern mit Müllerianus Schatzm. identisch sei. Diese 
Deutung erfuhr ihre volle Bestätigung durch die von mir vorgenommene Untersuchung der Type des 
Anophthalmus globulipennis in der SCHMIDT’schen Sammlung (jetzt im Besitze der Staatsrealschule in 
Laibach); selbst in der Mikroskulptur der Flügeldecken konnte ich die vollkommene Übereinstimmung mit 
Müllerianus feststellen. 

Weniger sicher ist die Deutung von globulipennis Schaum, dessen Type mir leider nicht vorgelegen 
hat. Da jedoch SCHAUM angibt, seinen globulipennis unter diesem Namen von F. Schmidt erhalten zu 
haben, hielt ich es vorläufig für angezeigt, trotz der widersprechenden Provenienzangaben, den Trechus 
globulipennis Schaum und die gleichnamige SCHMIDT’sche Art zu identifizieren. 


Species incertae sedis. 


51. Trechus Erichsoni Schaufuss. Verh. zool. bot. Ges. Wien, XIV, 1864, 674; Apfelbeck, Käfer- 
fauna Balk., I, 1904, 141; Ganglbauer, Münch. Kol. Zeitschr., II, 1904, 350. 


Nach APFELBECK, dem die Type vorgelegen hat, mit Trechus suturalis Schauf. sehr nahe 
verwandt, von demselben im wesentlichen durch breiteren und kürzeren, vorn viel stärker gerundet 
erweiterten, vor den Hinterecken plötzlicher und stärker verengten Halsschild, etwas kürzere Flügeldecken, 
weniger sanft, etwas winklig abgeschrägte Schultern, viel kürzer umgebogene, den hinteren Porenpunkt 
nicht überragende und nicht zu demselben zurückgebogene Verlängerung des Nahtstreifens sowie dem 
Schulterrande sehr stark genähertes borstentragendes Höckerchen an der Basis des siebenten Streifens 
differierend. Dieses borstentragende Höckerchen ist vom Seitenrande nicht weiter abgerückt als die 
borstentragenden Höckerchen oder Punkte des achten Streifens (Submarginalstreifens). Dieses Merkmal 
hat Erichsoni mit amabilis und Paganettii gemeinsam, welchen er jedoch ganz unähnlich und nicht 
verwandt ist. — Länge: 5 bis 5°5 mm (ex APFELBECK, I. c., 141 bis 142). 

GANGLBAUER (!. c., 350) faßt diese Art mit Paganettii, amabilis und velebiticus zu einer kleinen Gruppe 
zusammen, die er durch den vom Seitenrande nur sehr wenig abgerückten vordersten Punkt der Series 
umbilicata charakterisiert. Von den drei übrigen Arten dieser Gruppe unterscheidet GANGLBAUER den 
Trechus Erichsoni durch die vollkommen erloschenen äußeren Streifen der Flügeldecken sowie durch die 
Lage des ersten Borstenpunktes am dritten Streifen. Dieser Punkt ist nämlich bei Erichsoni von der Basis 
der Flügeldecken viel weiter entfernt als von der Naht, während er bei Paganettii, amabilis und velebiticus 
vom Naht- und Basalrand der Flügeldecken etwa gleich weit abgerückt erscheint. Von Trechus velebiticus, 
dem unsere Art (nach GANGLBAUER) in der Körperform sehr ähnlich ist, unterscheidet sie sich auch 
durch längere Fühler, länger abgesetzte Hinterecken des Halsschildes sowie größere und tiefere Basal- 
grübchen desselben. 

Mir sind die Typen des Trechus Erichsoni nicht vorgelegen. Nach obigen Angaben läßt sich noch 
nicht mit Sicherheit entscheiden, ob diese Art zur Gruppe des Paganettii (Neotrechus) oder des velebiticus 
(Typhlotrechus) gehört. Ausschlaggebend wäre erst die Feststellung, wie viel Glieder an den männlichen 
Vordertarsen erweitert sind und ob die hintere Marginalseta des Halsschildes vorhanden ist oder nicht. 

Trechus Erichsoni wurde von ERBER in Montenegro entdeckt. Ein näherer Fundort ist nicht 


bekannt. 


Eee ei ee 


Höhlenfauna der Ostalpen und des Balkan. II. 87 


52. Trechus amabilis Schaufuss. Verh. zool. bot. Ges. Wien, 1863, 1220; Ganglbauer, Käf. v. 
Mitteleur., I, 1892, 216; Apfelbeck, Käferfauna Balk., I, 1904, 142; Ganglbauer, Münch. Kol. Zeitschr., 
Il, 1904, 351. 


APFELBECK, der die Type untersuchen konnte, beschreibt diese Art folgendermaßen: 

» ©. Ausgezeichnet durch gestreckten Körperbau, die regelmäßig länglich-elliptischen Flügeldecken, 
ziemlich gewölbten, fein gerandeten Halsschild und dem Schulterrande sehr stark genähertes, borsten- 
tragendes Höckerchen an der Basis des siebenten Streifens. 

Kopfetwas schmälerals derHalsschild, fast gleich breit, mit tiefen, vorn undhinten mäßigdivergierenden, 
hinter die Schläfen seichter verlängerten Stirnfurchen. Fühler beträchtlich kürzer als der Körper; Halsschild 
etwas länger als breit, am Vorderrande seicht ausgerandet und daselbst etwas breiter als an der Basis, im 
vorderen Drittel am breitesten, zur Basis allmählich verengt, mit scharf rechtwinkligen, ziemlich lang ab- 
gesetzten Hinterecken, die Spitzen derselben etwas nach außen gerichtet und aufgebogen; Flügeldecken 
über der Mitte fast doppelt so breit als der Halsschild, ziemlich gestreckt, leicht gewölbt, fast regelmäßig 
länglich-elliptisch, mit vollkommen abgerundeten Schultern, schmal und gleichmäßig abgesetztem und 
aufgebogenem Seitenrande, ziemlich tief gestreift, die Streifen auch nach außen deutlich, weitläufig und 
schwach punktiert, der dritte Zwischenraum mit drei eingestochenen, borstentragenden Punkten, die um- 
gebogene Verlängerung des Nahtstreifens — parallel mit der Naht — in den hinteren Poren- 
punkt verlaufend. Das borstentragende Höckerchen an der Basis des siebenten Streifens ist nicht weiter 
vom Schulterrande abgerückt als die borstentragenden Höckerchen oder Punkte des Submarginalstreifens. 
— Länge: 45 mm.« (Ex APFELBECK, Käferfauna Balk., I, 1904, 142 bis 143.) 

GANGLBAUER (Münch. Kol. Zeitschr., II, 1904, 351) vergleicht den Trechus amabilis mit velebiticus, 
von dem er ihn durch schmälere und gestrecktere Körperform, sehr flach gewölbte Schläfen, etwas 
schmäleren, an den Seiten schwächer gerundeten Halsschild, längere Hinterecken desselben, gestrecktere, 
an den Schultern flacher gerundete Flügeldecken sowie durch das parallel mit der Naht direkt zum 
Präapicalpunkt verlaufende, umgebogene Ende des Nahtstreifens unterscheidet. 

Mir ist leider diese Art in natura unbekannt. Nach einer brieflichen Mitteilung des Herrn Oberrevidenten 
J. Breit soll beim 5 des Trechus amabilis bloß das erste Glied der Vordertarsen erweitert sein. Wenn 
das Tier, das Herrn Breit unter diesem Namen vorgelegen ist, auch wirklich der echte amabilis Schaufuß 
ist, dann wäre wohl seine Zugehörigkeit zur Untergattung Neotrechus m. endgültig erwiesen. 

Fundort: Dalmatien (ohne nähere Angabe). Von J. Erber gesammelt. Warum APFELBECK 
(l. c., 143) als fraglichen Fundort die Höhlen des Narentatales anführt, ist mir nicht bekannt. 


08. Trechus capillatus Joseph. Berlin. ent. Zeitschr, XIV. Jahrg. 1870, 269; Ganglbauer, Käf. v. 
Mitteleur., I, 1892, 219. 


Die Type dieser seit 1868 nicht wieder aufgefundenen und daher eine Zeitlang für ein JOSEPH’sches 
Phantasiegebilde gehaltenen Art ist meinem verstorbenen Freunde GANGLBAUER vorgelegen, der nach 
gründlicher Untersuchung folgende Beschreibung verfaßt hat: 

»Rostrot, die Fühler, Schienen und Tarsen sowie die Spitze des Abdomens rötlichgelb, die Taster 
blaßgelb. Die Oberseite glänzend und bis auf die Halspartie mit feiner, aber ziemlich langer, weißlicher 
Behaarung dünn bekleidet. Der Kopf oval, ein wenig breiter als der Halsschild, an den Schläfen leicht 
gerundet, vor der Basis sanft eingeschnürt, von der Halseinschnürung bis zum Vorderrande des Clypeus 
etwas länger als breit. Die Halseinschnürung auch auf dem Scheitel deutlich erkennbar, aber viel schwächer 
als an den Seiten. Augen nicht angedeutet. Das Seitenrandleistchen der Stirn über der Fühlerwurzel kurz, 
etwa ein Fünftel der Schläfenlänge erreichend. Zwei Supraorbitalborsten, von denen sich die hintere wenig 
weit vor der Halseinschnürung, die vordere in der Mitte zwischen dieser und der langen Intraangularseta 
des Clypeus befindet. Die Stirnfurchen nur bis zur Mitte des Kopfes nach hinten reichend, nach hinten 
ziemlich stark divergierend. Die Oberseite des Kopfes glänzend, bis zur glatten Halspartie weitläufig mit 


38 J. Müller, 


feinen, aber sehr deutlichen Punkten besetzt, in den Punkten mit ziemlich langen und feinen, schräg nach 
vorn gerichteten Haaren. An den Seiten und unten ist der Kopf spärlicher behaart und kaum erkennbar 
punktiert. Die Oberlippe in der Mitte des ausgeschnittenen Vorderrandes mit einem sehr kurzen, flach ab- 
gerundeten Mittellappen. Die Mandibeln weit vorragend, schlanker und gegen die scharfe Spitze weniger 
gekrümmt als bei hirtus, auch die Maxillarladen und Taster schlanker als bei diesem, die Innenlade der 
Maxillen in viel flacherer Kurve einwärts gebogen, an der Innenseite mit vier kurzen, nur schwach ge- 
krümmten Dornen. Die Fühler etwa drei Viertel der Körperlänge erreichend, kürzer und zarter als bei 
hirtus, ihr zweites Glied vom dritten und vierten weniger in der Länge verschieden als bei diesem, aber 
wesentlich kürzer als das dritte und deutlich kürzer als das vierte. 


Der Halsschild länger als breit, im vorderen Fünftel am breitesten und daselbst nicht ganz so breit 
wie der Kopf, von da an nach vorn in sanfter Kurve, nach hinten viel stärker und annähernd geradlinig 
verengt, vor der Basis leicht eingeschnürt, vorne gerade abgestutzt, mit abgerundeten, nicht vorspringenden 
Vorderecken, an der Basis jederseits neben der Wurzel der Flügeldecken mit einer sehr schrägen Abstutzung, 
wodurch die Hinterecken in Form eines stumpfen, aber durch das Ende des aufgebogenen Seitenrandes 
scharf markierten Winkels beträchtlich nach vorn gerückt erscheinen. Die Scheibe des Halsschildes bis 
nahe an den Seitenrand ziemlich stark gewölbt, vor der niedergedrückten Basis mit einer seichten, fast 
geradlinigen Querfurche, gegen die Enden der weder die Basis noch den Vorderrand erreichenden, einge- 
schnittenen Mittellinie ziemlich schmal dreieckig eingedrückt, bis auf die gerunzelte Basalpartie glänzend, 
fein und spärlich punktiert und mit ziemlich langen und feinen Haaren besetzt, von denen die hinter dem 
Vorderrande befindlichen aufstehend und nach vorn gekrümmt, die übrigen schräg nach hinten gerichtet 
sind. Die Seitenrandkehle in ihrer ganzen Länge sehr schmal, nach hinten nicht erweitert, im vorderen 
Fünftel und vor den Hinterecken mit je einer Seta. Die Epipleuren des Halsschildes in der Mitte ihrer Länge 
nahezu vertikal gestellt, die Episternen der Vorderbrust über die Epipleuren etwas vorgewölbt und bei 
direkter Ansicht von oben hinter der Mitte der Halsschildseiten etwas sichtbar. 


Die Flügeldecken zusammengenommen verkehrt eiförmig, hinter der Mitte fast dreimal so breit wie 
der Halsschild, von da an den Seiten gegen das Ende der Epipleuren in stärker konvexer Kurve als nach 
vorn gerundet, hinten unter einem wenig stumpfen Winkel gemeinsam kurz zugespitzt, vor der Spitze sehr 
flach ausgebuchtet, gegen die kurz abgeschnürte Wurzel stark und in flacher, nur in der Schultergegend 
stärker konvexer Kurve verengt, ohne Andeutung eines Schulterwinkels, ziemlich stark gewölbt, vorn zu 
den Seiten der in Form eines schmalen Dreieckes erhobenen Skutellarregion und dann gemeinsam an der 
Naht bis über die Mitte, der Länge nach seicht eingedrückt. Die Seitenrandkehle schmal, die Epipleuren 
längs des Abdomens tief rinnenförmig gefurcht. Die Skulptur der Flügeldecken besteht aus ziemlich groben, 
aber sehr seichten Punkten, die neben der Naht in drei schwachen, durch unebene Zwischenräume 
getrennten, nach vorn und hinten erloschenen Längsfurchen stehen, außerhalb derselben aber ziemlich 
unregelmäßig angeordnet sind. Zwischen diesen seichtgrubigen Punkten befinden sich auf glänzend glattem 
Grunde äußerst feine, nur mikroskopisch erkennbare Pünktchen, welche ziemlich lange, schräg abstehende 
und nach hinten gerichtete Haare tragen. Der dritte Zwischenraum mit drei borstentragenden Punkten, von 
denen sich der erste im vorderen Viertel, der zweite hinter der Mitte und der dritte hinter dem dritten 
Viertel befindet. Das Niveau des letzteren wird von dem kurzen Apikalfältchen nicht erreicht. Ein weiterer 
borstentragender Punkt befindet sich innerhalb des Endes des Apikalfältchens. Die vier vorderen Punkte 
der Series umbilicata, die sich von den übrigen wenig abheben, sind voneinander ziemlich weit getrennt. 
Der erste steht weit vor dem zweiten, ziemlich innerhalb der Mitte der schräg gegen die Basis verlaufenden 
Partie des Seitenrandes und ist vom Seitenrande etwas weiter entfernt als der zweite. Dieser befindet sich 
nahe dem Seitenrande innerhalb der Höhe der Schulterkurve. Der dritte Punkt, der ziemlich in der Mitte 
zwischen dem zweiten und vierten steht, ist wie der vierte vom Seitenrande recht beträchtlich abgerückt. 


Das Prosternum fein quergerunzelt, mit sehr deutlicher Behaarung. Das Abdomen sehr deutlich, aber 
feiner als bei hirtus punktiert und behaart. Die Beine lang und schlank, die Schenkel mit ziemlich langer, 


Höhlenfauna der Ostalpen und des Balkan. IT. 89 


aber feiner und dünner Behaarung, die Hinterschenket die Spitze der Flügeldecken erreichend. Die Klauen 
lang und zart. An den Hintertarsen das vierte Glied nur sehr wenig kürzer als das dritte. — Länge: 38 mm. 


Fundort: Grotte Godjama bei Oberskrill nahe der kroatischen Grenze in Unterkrain. 


Von dieser Art scheint bisher nur das Originalemplar (2) bekannt zu sein, welches von Dr. Gustav 
JOSEPH in der bezeichneten Grotte am 5. August 1868 aufgefunden wurde. Nach Dr. Hermann KRAUSS 
(in Hamann, Europ. Höhlenfauna, 1896, 258) ist die von Dr. Joseph angegebene Grotte mit dem Jagdloch 
bei Oberskrill, drei Stunden südlich von Gottschee, identisch. Das Originalexemplar gelangte in die 
Sammlung des kgl. zoolog. Museums in Berlin und wurde mir mit gütiger Genehmigung des Direktors 
Prof. Dr. Aug. Brauer von Kustos Prof. Kolbe zur Untersuchung anvertraut, wofür ich ihm den besten 
Dank zum Ausdrucke bringe.« (Ex GANGLBAUER, in litt.). 

Da das 5 bisher nicht bekannt ist, läßt sich diese Art im Systeme nicht einreihen. Angenommen, daß 
die beiden ersten Glieder der 3’ Vordertarsen erweitert sind, was ich für sehr wahrscheinlich halte, so 
wäre Trechus capillatus zwischen Anophthalmus s. str. und Aphaenopidius einzureihen und repräsentiert 
vielleicht den Typus einer eigenen neuen Untergattung. 


54. Trechus Pfeifferi Apfelbeck. Glasnik zemaljskog Muzeja u Bosni i Hercegovini, XX, 1908, 416. 


»Trecho (Anophthalmo) Apfelbecki Ganglb. proximus, ab eo capite multo angustiore, 
temporibus haud dilatatis, frontis margine laterali haud gibbose elevato, elytris perelon- 
gatis, vix striatis, corporeque multo minore valde divergit. 

Caput ovale, prothorace paulo longior et vix latior, mandibulis longis, productis, 
temporibus vix dilatatis sulcis frontalibus longis et profundis, modice divergentibus, 
punctum supraorbitalem posteriorem contingentibus, frontis margine laterali supra anten- 
narum basin modice incrassato, haud gibbose elevato. Prothorax planior, longius cordi- 
formis, basi margine anteriore multo angustior, lateribus minus rotundatis, basin versus 
subtilius paulatimque angustatus, angulis posticis acutioribus extus magis prominentibus. 
Elytrae perelongatae, striis tribusinternis rudimentaris, exterioribus nullis, stria tertia 
punctis tribus piliferis instructa. — Lg. 4:75 mm. 

Bosnia mer. or. In antro »Borija« nominato prope Kalinovik specimen unicum a dom. 
L. Pfeiffer inventum« (ex Apfelbeck, I. c.). 

In der darauffolgenden cyrillischen Beschreibung heißt es weiter, daß das einzige Exemplar zusammen 
mit Antroherpon Hoermanni Apfb., Apholeuonus Sturanyi Apfb. und Laemostenes cavicola var. gefunden 
wurde. 

Obwohl APFELBECK diese Art mit Trechus Apfelbecki vergleicht, wage ich es nicht, sie, ohne die 
Type untersucht zu haben, zur Gruppe des Apfelbecki (Subgen. Aphaenopsis) zu stellen, zumal einige 
Angaben (wie jene über den Stirnrand) sich nicht ohne weiteres auf Aphaenopsis beziehen lassen. 

Von Wichtigkeit wäre es zu wissen, ob die hintere Marginalborste des Halsschildes vorhanden ist 
oder nicht, was leider in obiger Beschreibung nicht erwähnt ist. 


95. Trechus Noesskei Apfelbeck. Glasnik zemaljskog Muzeja u Bosni i Hercegovini, XX, 1908, 416. 


»Trecho (Anophthalmo) Paganettii Ganglb. affinis, ab eo prothorace breviore, lateribus 
usque adangulos posteriores fere aequaliter rotundatis, elytris convexioribus, brevioribus, 
lateribus magis rotundatis, ad humeros subangulatim angustatis, striis subtilioribus, ertus 
evanescentibus, antennis paulo brevioribus corporeque paulo minore; a Trecho (Anophthalmo) 
amabili Schauf. corpore breviore, elytris brevioribus, lateribus valde rotundatis, substriatis, 
humeros versus subangulatim angustatis striaque suturali utin Trecho (4.) Paganettii flexa 
distinguendus. Long. 4:5 mm.  ignotus. 


90 


J. Müller, 


Hercegovina merid. or. In antro montis »Orien« ad Dalmatiae confinium, adom. Noesske 


dresdensi inventus« (ex Apfelbeck.|. c.). 


Da das S unbekannt ist und über die hintere Marginalborste des Halsschildes nichts gesagt wird, 


kann ich diese mir in natura unbekannte Art im System nicht einreihen. 


in die 


Gebiete bisher beschriebenen Arten unabhängig vom Geschlecht, also auch nach einzelnen Weibchen 


Anhang. 


Nach dem in dieser Arbeit aufgestellten System lassen sich leider viele Arten nur dann mit Sicherheit 


einzelnen Untergattungen einreihen, wenn männliche Exemplare vorliegen. Um die aus unserem 


bestimmen zu können, habe ich die folgende Tabelle zusammengestellt. Die natürliche Verwandtschaft 


kommt darin begreiflicherweise nicht immer zum Ausdruck, da das zur Bildung natürlicher Gruppen so 
wichtige Merkmal, betreffend die Zahl der erweiterten Vordertarsenglieder des Männchens, außer acht 


gelassen werden mußte. 


‚ Hintere Marginalseta des Haisschildes rudimentär oder fehlend 2 2 I En 
Hintere Marginalseta des Halsschildes normal ausgebildet .. 2. 2 I .E L DE 
Oberseite dicht onbeszen en en en et ende (Anopkins Bub enSgee 
Höchstens der Halsschild deutlich behaatt 2 200 

. Stimfurchen vollständig. Kopf nicht breiter als der Halssehlld 7 272 7 IE ES 
Stirnfurchen en verkürzt. Aphaenopsartiger Habitus. Kopf breiter als der Halsschild. Unterseite 
dicht pubeszent . .. ..» 2». 2... un. en... 080. (Aphaenopsis) ApfelbapEı Ganz ip. 
Große, 7 bis 9 mm lange, glänzende Art mit vollkommen verrundeten Schultern und ‚vollzählig 
gestreiften Flügeldecken .. .. 2. „uw at.ta..d.n „20. (Diphlotrechuns) Bilmssekii sun 
Kleinere Alten, u Se menem en SEN 23 SUN SURHUE DER NER. Bin: ! il... 5.05) 


5. Glänzende Art mit elliptischen, an den Schultern breit verrundeten, vollzählig gestreiften Flügel- 


decken u... de na ee ine = 2A. (I Vphlotsechus): selebBiriene m 


Mehr oder weniger matte Arten mit deutlich stumpfwinkelig vortretenden, nur an der Spitze ab- 
gerundeten Schultern und nach außen erloschenen Dorsalstreifen der Flügeldecken . ....6 


. Sehr kleine Art von 3°3 bis 3°6 mm Länge, mit kurzen Beinen und Fühlern 


44. (Orotrechus) Mandriolae Ganglb. 


Größere Arten von 3:5 bis 49 mm Länge, mit längeren Beinen und Fühlern . . . „nr 


. Der zweite Zwischenraum der Flügeldecken nicht oder kaum breiter als der dritte. Arten aus Nord- 


italiem u... Heer er ad On N re > 


Der zweite Zwischenraum der Flügeldecken (namentlich gegen die Mitte) stark erweitert und er- 
heblich breiter als der dritte. Längs des dritten Dorsalstreifens vier Borstenpunkte. Arten aus dem 


Karstgebiet ". u... lo m a N en Kl) 2 She Sneak RENBEN Te. VEN: EEE 


. Längs des dritten Dorsalstreifens normal vier Borstenpunkte. Kleinere, flache Art mit kürzeren 


Fühlern und nur mäßig vertieftem Nahtstreifen . . .» 2.2.2.2... .. 45. (Orotrechus) Targionii. 
Längs des dritten Dorsalstreifens bloß drei Borstenpunkte. Größere oder gewölbtere Arten mit 
schlankeren Fühlern und sehr stark vertieftem Nahtstreifen . . . ». 2. 2 2. 2000.09 


Höhlenfauna der Ostalpen und des Balkan. II. 91 


9. Schlankere Arten mit länglichem Halsschilde. Der am dritten Dorsalstreifen befindliche mittlere 
BorstenpunktiderNahtinäher gelegen alsrdem 'Seitenrande . „7. „u. ZN Ss Rn 5 0.10 


—  Gedrungene Art mit kürzerem Halsschilde. Der mittlere Borstenpunkt am dritten Dorsalstreifen dem 
Seitenrande der Flügeldecken etwas näher stehendals derNaht . 48. (Orotrechus)HoldhausiGanglb. 


10. Sehr schlanke Arten mit einer kleinen Seta in den Hinterecken des Halsschildes 
46. (Orotrechus) venetianus Winkl. und 46a. Messai J' Müll. 


— Weniger schlanke Art mit zarteren Fühlern und ohne Seta in den Hinterecken des Halsschildes. 


Flügeldecken längs der Naht deutlich eingesenkt . . . . . . 47. (Orotrechus) Fabianii Gestro. 


11. Flügeldecken weniger bauchig aufgetrieben, fein quermaschig genetzt. Hinterecken des Halsschildes 
Bienen kleinen,Seta ne nun. nn A9, (Orotrechus) longicornis. Metsch. 


—  Flügeldecken stärker bauchig aufgetrieben, mit einer aus polygonalen Maschen bestehenden Mikro- 
SE BT nal (Orotimechüs)globulipeanis.Schätlm. 


a  ULENENEZO STE SE a ee si eh ea here ae > a ee te 
eiirattischen: hintensverkürzt » 4... una. ae nenne Yuamoal le sjan meneitlen..., 28 
13. Erster Punkt der Series umbilicata vom Seitenrande nicht deutlich abgerückt . . . . ... ...14 


— Erster Punkt der Series umbilicata vom Seitenrande der Flügeldecken weiter entfernt als der zweite, 


Mehr oderswenigersweit nach innensgeruckt Er In. EEE ENTE NET 88 
een eitevdes; Körpers sanz.odenteilweise pubeszent „en. een 2.15 
— Oberseite des Körpers bis auf die normalen Tastborsten vollkommen kahl . . 2. 2 ......16 


15. Die ganze Oberseite behaart. Die äußeren Flügeldeckenstreifen erloschen (ex APFELBECK) 
4. (Duval.) balcanicus J. Friv. 


— Nur die Flügeldecken abstehend behaart. Die Dorsalstreifen der Flügeldecken vollzählig 
9. (Duwval.) pilifer Ganglb. 


16. Flügeldecken auch im fünften Zwischenraum mit einer Reihe borstentragender Punkte 
10. (Duwal.) Winneguthi Apfelb.!) 


— Flügeldecken nur im dritten Zwischenraum mit drei bis vier borstentragenden Punkten . . . 17 


17. Sehr kleine Art von 3 mm Länge. Fühler sehr kurz, das achte und neunte Glied kurz oval, wenig 


ne SED ne nn. 2 1. (Duval.) türcicus Friv. 
Eee nrccmwirschlankeren Kühlerm. u. u u el 
I siensbiszur Maxsimallänge von san (wel.-auch 13. Novaki).. u... un endande 19 
ea eLe Arena rise an AB EN EEE ET DENE u 29 


19. Das umgebogene Ende des Nahtstreifens gerade, parallel mit der Naht, in den borstentragenden 
Präapicalpunkt der Flügeldecken verlaufend (ex Apfelbeck und Ganglbauer) 
92. (Neotrechus) amabilis Schauf. 


— Das umgebogene Ende des Nahtstreifens außerhalb des Präapicalpunktes der Flügeldecken ver- 
laufend und mit diesem überhaupt nicht oder erst nach abermaliger Krümmung nach innen ver- 
SE ar a ee Bo re Drei ae nee VE HSER Sl nr 26 ar A a 


1) Hierher auch 11. Duvalius Kautianus Apfelb., der sich nach der Originalbeschreibung durch längere Schläfen, vorne stärker 
gerundet erweiterten Halsschild, breiten und größeren Körper, viel breitere und stärker gestreifte Flügeldecken, schlankeres erstes 
Fühlerglied und stärker erweiterte Basalglieder der männlichen Vordertarsen von Winneguthi unterscheidet. 

Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC. Bd. 13 


92 


J-Müller, 


20. Hinterecken des Halsschildes sehr lang abgesetzt, parallelseitig, fast ein Viertel der Halsschildlänge 


[8) 
=] 


einnehmend; die hintere Marginalseta am Seitenrande des Halsschildes weit vor dessen Basis 
befindlich . = 2... a 2 0a ya m See nn 288. (WNeotrechus) Ganplbaueneurs 


Hinterecken des Halsschildes kleiner, nicht parallelseitig; die hintere Marginalseta nicht weit von 
der Basis des Halsschildes.entfernt un. 0.00 a 0. 0 al ee 


. Das umgebogene Ende des Nahtstreifens nach kurzer, hakenförmiger Krümmung mit dem Präapical- 


punkt der Flügeldecken verbunden . 39. (Neotrechus) Paganettii Ganglb. 


Das umgebogene Ende des Nahtstreifens nicht mit dem Präapicalpunkt der Flügeldecken ver- 
bunden; ., vu warnte mus at Men re rear Fre) a en hehe un at 0 ze ve 5 A 


. Im Verlaufe des dritten Dorsalstreifens der Flügeldecken befinden sich vier borstentragende Punkte 


(ex Apfelbeck) ».2 2.2. 2.0 208 wa nee 9 (Dnval;) durmitorensssAptelp: 


Im Verlaufe des dritten Dorsalstreifens der Flügeldecken befinden sich drei borstentragende Punkte 23 


. Die vier ersten Punkte der Series umbilicata bilden eine mit dem Seitenrande der Flügeldecken 


vollkommen parallel laufende. Reihe ......- -.. u =. .2........ vewaifnen. EI 


Der zweite, dritte und vierte Punkt der Series umbilicata bildet eine mit dem Seitenrande der 


Fiügeldecken nach hinten divergierende Reihe‘. ... 0... 2... nn 2 =; 
. Schläfen fein, oft nur mikroskopisch erkennbar behaart? . .... 2... u un 0 2 are 
Schläfen kahl -....-. .. » =.08 20 2 Sa de na ee See Ken ee ne Sr 


. Halsschild quer, vor den kleinen, spitzwinkeligen Hinterecken nicht deutlich ausgeschweift, auf der 


Scheibe mikroskopisch genetzt. Auf den Flügeldecken die vier bis fünf inneren Dorsalstreifen 
erkennbar .........0. 2. ee 2 3 2 DUO.) WER 


Halsschild herzförmig, vor den spitzen Hinterecken deutlich ausgeschweift, auf der Scheibe glatt, 
nicht deutlich genetzt. Auf den Flügeldecken bloß der Nahtstreif deutlich vertieft, der zweite und 


dritte nur angedeutet, die anderen erloschen . . 3. (Duval.) Oertzeni Mill. 


. Arten mit breiteren, länglich ovalen Flügeldecken und weniger stark herzförmigem Halsschild . 27 


Schlanke Art mit viel längeren Flügeldecken, dieselben etwa doppelt so lang als breit, Halsschild 
sehr stark herzförmig - . . . 2... » „onar. Zu nun... (Daval)Spesenuerre 


. Kopf hinten deutlich backenartig erweitert, mit sehr deutlichen, relativ großen, ovalen Augenrudi- 


menten. Flügeldecken kräftig punktiert-gestreift, mit drei sehr starken Borstenpunkten im Verlaufe 
des dritten Streifens.. „u 2 SR ae. ie nn 1260. Duval) GEigigmers ae 


Kopf hinten nicht deutlich backenartig erweitert. Augenrudimente kleiner und schmäler, daher 
undeutlicher. Flügeldecken feiner gestreift, mit drei viel feineren Borstenpunkten im Verlaufe .des 
dritten Streifens . . »'... vun a ul nn. nn ul, (Duval,) treseayierunseerer 


. Flügeldecken vollzählig gestreift. Am postbasalen und mittleren Borstenpunkt laufen der dritte und 


vierte Dorsalstreif der Flügeldecken zusammen . . 12. (Duval.) maglajensis Apfelb. 


Die äußeren Punktstreifen der Flügeldecken vollkommen erloschen. Schultern breiter verrundet 
15. (Duval.) lucidus J. Müll. 


. Größte Breite des Halsschildes sehr weit nach vorne gerückt, etwa im apikalen_Fünftel gelegen. 


Vollzählig gestreifte, flache Art aus Griechenland mit großem Kopf und starkem Skutellareindruck 


an der Basis der Flügeldecken ‚ . 16. (Duval.) Krüperi Schaum. 


Die größte Breite des Halsschildes etwa im vorderen Drittel der Halsschildlänge gelegen . . . 30 


N. N EEURA.EN. (IE. . 


EN _— 


30. 


31. 


39. 


36. 


Höhlenfauma der Ostalpen und des Balkan. IT. 93 


Auffallend gestreckte Art mit sehr großem Kopf, dieser kaum schmäler als der Halsschild 
41. (Neotrechus) Setniki Reitt. 


Bircmiseneesttecktenättenimit.schmälerem Kopf. he a eh NT Tr. nl 


Das umgebogene Ende des Nahtstreifens nach einer hakenförnigen Krümmung mit dem borsten- 
tragenden Präapicalpunkt der Flügeldecken verbunden . . . . .40. (Neotrechus) Ottonis Reitt. 


Das umgebogene Ende des Nahtstreifens gerade auslaufend, nicht mit dem Präapicalpunkt der 
Sungelledikei verbunden ah se a SE ER ae r E  E r 


. Kopf hinten nicht deutlich backenartig erweitert. Schulterrand schwach konvex 


13. (Duval.) Novaki J. Müll. 


Kopf hinten deutlich backenartig erweitert. Schulterrand fast geradlinig abgeschrägt 
14. (Duval.) Netolitzkyi J. Müll. 


an zerOberseitendeutlichabstehendebehaart 2 u 0 een 4 


Wenigstens der Vorderkörper nicht oder nur äußerst kurz, schwer sichtbar behaart . . . . .35 


. Die Behaarung der Oberseite schräg abstehend. Der Halsschild im vorderen Drittel am breitesten 


33. (Anophth.) hirtus Sturm. 


Die Behaarung mehr anliegend. Der Halsschild etwa in der Mitte am breitesten 
34. (Anophth.) pubens Bed. 


Bfesteerärt von lOmm Länge... 2. nee 2... 48. (Neotrech.) Hilfi Reitt. 
LE ELe AMUEM. ala u ss nor Beh ne Bo RRSER Er BEE Er; 
Das umgebogene Ende des Nahtstreifens verläuft parallel mit der Naht direkt zum borsten- 


tragenden Präapicalpunkt der Flügeldecken (ex APFELBECK und GANGLBAUR) 
52. (Neotrechus) amabilis Schauf. 


Das umgebogene Ende des Nahtstreifens liegt außerhalb des Präapicalpunktes der Flügeldecken 


_ und verbindet sich mit diesem überhaupt nicht oder erst nach einer hakenförmigen Krümmung 


38. 


39. 


nach Inner. wre ee a ee een EEE NEE RE ER EEE EEE ERDE. 3Y 


. Hinterecken des Halsschildes sehr lang abgesetzt, parallelseitig, fast ein Viertel der Halsschildlänge 


einnehmend; die hintere Marginalseta am Seitenrande des Halsschildes, weit vor dessen Basis, 
Benelli ee er a na 2.188: (Weotrechus) Ganglbaueri Pad. 


Hinterecken des Halsschildes kleiner, nicht parallelseitig; die hintere Marginalseta nicht weit von 
BO BSISHdeswhlalsschüldestenniermtern a ae are ic here 38 


Der erste Punkt der Series umbilicata nur sehr wenig nach innen gerückt, vom Seitenrande nicht 
oder nur wenig weiter entfernt als der zweite. Hierher einige glänzende, dunkelrostrote, stark 
chitinisierte Arten aus Süddalmatien, der Hercegovina, Südbosnien und Montenegro mit vollzählig 
gestreiften Flügeldecken, flach verrundeten Schultern und nicht deutlich behaarten Schläfen. Länge: 
Pe ae Ran a. er alien po nis. 89 


Der erste Punkt der Series umbilicata deutlich nach innen gerückt, in der Regel vom Seitenrande 
mindestens doppelt so weit entfernt als der zweite Punkt, selten weniger weit abgerückt, dann aber 
EnnwederderKörper kleiner oder.die Schläfen sehr deutlich'behaatt 7 2... ... 2. 0. u... 41 


Kleinere Art aus Süddalmatien und der Hercegovina. Länge: 42 bis 5 mm 
39. (Neotrechus) Paganettii Ganglb. 


Größere Arten aus dem bosnisch-montenegrinischen Grenzgebiet. Länge: 55 bis 6mm . . .40 


94 


41. 


J. Müller, 


. Kopf deutlich schmäler als der Halsschild. Flügeldecken nicht doppelt so lang als breit. 


40. (Neotrechus) Ottonis Reitt. 


Kopf kaum schmäler als der Halsschild. Flügeldecken langgestreckt, schmal, mehr als doppelt so 
lang als breit . . . .eenıs 02 wear ag a egal Dre ee El Meairechus) Sein 


Schultern vollkommen flach verrundet. Das umgebogene Ende des Nahtstreifens mehr oder weniger 
weit über das Niveau des Präapicalpunktes der Flügeldecken nach vorn verlängert und am Ende 
meistens hakig umgebogen . . » » » » 2» 2 2 2 2 2.2.2....42. (Neofrechus) dalmatnes Dill 


Schultern der Anlage nach stumpfwinklig und nur an der Spitze mehr oder weniger abgerundet 
Das umgebogene Ende des Nahtstreifens nicht oder kaum über das Niveau des Präapicalpunktes 
der Flügeldecken nach vorn verlängert . .. nr. 0 0 We 


2. Fühler kürzer, das vierte Glied nicht oder nur wenig länger als das zweite. Länge: 3:8 bis 45 mm 43 
‚Fühler länger, das vierte Glied mindesten um die Hälfte länger als das zweite. Länge: 4bis7'5 mm 45 


3. Mittelwulst der Stirne hinten ohne Quereindruck. Kleine, stark glänzende Art vom Grintouz 


26. (Anophth.) Weberi Ganglb. 


Mittelwulst der Stirne hinten durch einen Quereindruck von der Scheitelwölbung getrennt. . . 44 


. Kopf hinten außerordentlich stark backenartig erweitert. Fundort: Höhle im Vellachtal, Kärnten 


27. (Anophth.) Gobanzi Ganglb. 


Kopf binten viel schwächer erweitert. -. . » . 2. 2.....2.....28 (Auophth.), Seopelis cum. 
. Flügeldecken im dritten Zwischenraum mit drei Borstenpunkten . .. 2. nr 
Flügeldecken im dritten Zwischenraum mit vier bis fünf Borstenpunkten . . . ..2.....47 


. Flügeldecken am Ende gerundet, Nahtwinkel nicht vortretend. Länge: 4 bis 5 mm 


29. (Anophth.) Schaumi Schmidt. 
Flügeldecken am Ende mehr oder weniger deutlich abgestutzt, innerhalb des Nahtwinkels meist 
schwach ausgebuchtet und letzterer daher etwas vortretend. Länge: 5:5 bis 75 mm 

30. (Anophth.) Schmidti Sturm. 


. Flügeldecken nur äußerst fein und spärlich, schwer sichtbar behaart, am Ende verrundet 


31. (Anophth.) Erebus Krauss. 


Flügeldecken deutlich abstehend behaart, am Ende abgestutzt, innerhalb des vortretenden Naht- 


winkels: ausgebuchtet: "..- ... 2 - vun wenn ine 0 Amophtk,), Masse Sehenzn 
. Oberseite deutlich abstehend behaart  : 2: . 2... 2.2 m Er Fe ee Er.) 
Oberseite-nicht deutlich"hehaart. "FIN ri I TE N ee ee Ve) 


. Erster Punkt der Series umbilicata vom Seitenrande der Flügeldecken nicht oder nur wenig abge- 


rückt, schräg vor dem zweiten Punkt beßndlich . . . » u. .’n. 2.0. 2 Fre 


Erster Punkt der Series umbilicata stark nach innen gerückt, etwa im Niveau des zweiten Punktes 
oder sogar hinter demselben gelegen . . - » . » ». . 2... ... 88. (Anophih.) hırtus Seulnm 


. Kleine, 3:3 mm lange Art aus Unterkrain . . » 2 .2.2.2.2....098. (Subg.?) capillatus Joseph. 


Große, 6:5 mm lange Art aus der Krim . 37. (Pseudaphaenops) tauricus Winkl. 


. Große Art von aphänopsartigem Habitus aus Südsteiermark. Fühler und Beine sehr lang, die 


Schultern stark abgeschrägt. Kopf jederseits mit drei Supraorbitalborsten 
36. (Aphaenopidius) Treulandi J. Müll. 


Höhlenfauna der Oslalpen und des Balkan, II. | 95 
— Arten aus Kroatien und Bosnien mit viel kürzeren Beinen und Fühlern und nicht oder nur schwach 
abgeschrägten Schultern. Kopf jederseits bloß mit zwei Supraorbitalborsten . . » 2 .2..2..2..902 


52. Die Stirnfurchen reichen bis zum hinteren Supraorbitalpunkt. Die Schläfen nicht backenartig 
ERSEeNe ER Senn ne ae 1 „u... ..17. (Neoduvalius) Reiseri Ganglb. 


— Die Stirnfurchen enden bereits vor dem hinteren Supraorbitalpunkt. Die Schläfen mehr oder weniger 


BEE E IE ZERIITHISDERVETEN Eee en een 0 
NEmerePAtenEsvon A bist0 mm Bange nn un ee ee ee in een dl 
er Anenvonnzabis SunBanser ra N and 
54. Schultern sehr stark vortretend, fast rechtwinkelig.. . . . . . 18. (Neoduvalius) vranensis Breit. 


— Schultern weniger stark vortretend, breiter abgerundei . . . 19. (Neodwvalius) Reitteri Mill. und 
20. Styx Apfb. 


Das An dritten Dorsalstreifen befinden sich! drei Borstenpunkte 21... . 1. 02 er 222.2 86 


— Am dritten Dorsalstreifen befinden sich vier Borstenpunkte. Das umgebogene Ende des Naht- 
streifens erreicht das Niveau des Präapicalpunktes der Flügeldecken. In der Körperform zwischen 
Eurydice und Neumanni die Mitte haltend . . . . . . „22. (Neoduvalius) Schatzmayri J. Müll. 


06. Schmälere Art aus der Lika und den angrenzenden Teilen Nordbosniens mit eckig vortretenden 
Schultern. Die Halsschildseiten nach hinten fast geradlinig verengt. Das umgebogene Ende des 
Nahtstreifens reicht etwa bis zum Niveau des Präapicalpunktes der Flügeldecken 

21. (Neodwvalius) Eurydice Schauf. 


— DBreitere Art aus Nord-Bosnien mit stärker verrundeten Schultern. Die Halsschildseiten vor den 
großen, scharfen Hinterecken stark ausgeschweift. Das umgebogene Ende des Nahtstreifens erreicht 
das Niveau des borstentragenden Präapicalpunktes nicht . . 23. (Neoduvalius) Neumanni J. Müll. 


Anmerkung. Die mir in natura unbekannten Arten 51. Trechus Erichsoni, 54. Pfeifferi und 
00. Noesskei konnten in dieser Tabelle nicht eingereiht werden. Vergleiche hierüber die Beschreibungen 
auf p. 76 [86] und 79 [89]. 

Ebenso fehlen hier die während des Druckes beschriebenen Arten Langhofferi Csiki und Arens- 
torfiianus Absolon, bezüglich deren ich auf die Nachträge, p. 86 [96] und 87 |97] verweise. 


96 | J. Müller, 


Nachträge. 


Enthaltend die Beschreibungen der während des Druckes publizierten neuen Formen 
und andere Bemerkungen. 


i1. Trechus (Duvalius) Kautianus Apfelbeck (p. 22 [32]). 


Nachträglich konnte ich ein Exemplar (9) vom Originalfundort (Banja stijena) aus der Sammlung 
des Herrn Franz Tax vergleichen. Dieses Stück differiert von Trechus Winneguthi durch dunklere Färbung, 
kräftigen Körperbau, vorne etwas stärker gerundet erweiterten Halsschild, breitere, gewölbtere und hinter 
der Mitte stärker erweiterte Flügeldecken, vor Allem aber durch flachere, nicht deutlich backenartig 
erweiterte Schläfen sowie schlankere Fühler. 

Die bei kräftigerem, breiterem Körperbau flacheren Schläfen und schlankeren Fühler sprechen wohl 
für die spezifische Verschiedenheit des Trechus Kautianus von Winneguthi, es wäre denn, daß später noch 
Übergänge zwischen diesen beiden Formen entdeckt werden sollten. 


21. Trechus (Neoduvalius) Eurydice Sc hauf (p. 28 [38)). 


In Dr. August Langhoffer’s »Fauna hrvatskih pecina« (Rada Jugoslavenske akademije znanosti i um- 
jetnosti, Band 193, 1912, 353) wird als kroatischer Fundort eine Höhle bei Lovinac angeführt (leg. 
L. Birö; nach Kuthy, Fauna regni Hungariae etc., Coleoptera, Budapest 1900, p. 30). 


23a. Trechus (Neoduvalius) Langhofferi Csiki. Annales Musei nationalis hung., XI, 1913, 386. 


»Rufo-ferrugineus, nitidus, glaber. Capite pronoto paulo angustiore et multo longiore, lateribus 
rotundatis, temporibus inflatis, postice coarctato, suleis frontalibus profundis brevibus, tantum usque ad 
verticem extensis. Antennis tenuibus longisque, longitudine corporis triente brevioribus; articulo primo 
articulo secundo paulo longiore, articulo tertio articulo secundo duplo longiore, articulis 4—10 articulo 
secundo brevioribus et apicem versus gradatim paulo abbreviatis, articulo ultimo articulo penultimo paulo 
longiore. Pronoto cordiformi, longitudine sua quarta parte latiore, lateribus antice arcuato rotundatis, postice 
paulo sinuatis, angulis anticis prominulis, posticis rectis, apice lateribus denticulato-prominulis, marginibus 
lateralibus late reflexis, linea mediana longitudinali sat profunda. Elytris ovatis, latitudine fere duplo 
longioribus, convexis, subtilissime coriaceis, angulis humeralibus, late rotundatis, margine laterali anguste 
reflexo, striis punctatis internis sat bene distinctis, parum profundis, externis paulo obsoletioribus; margine 
laterali pone humeros punctis setigeris quatuor, interstitio tertio punctis setigeris tribus instructis. Pedibus 


longis tenuisque. Long. 9 mm.« 


»Croatia: in antro prope Josipdol a Dom. V. Stiller lectus (19, Mus. Hung.).« 

»Speciem hanc insignem, in systemate prope A. Eurydicem Schauf. locandam, in honorem Dom. 
Prof. Dr. A. Langhoffer denominavi« (ex Csiki, |. c.). 

Nach dieser Beschreibung wohl in die Eurydice-Gruppe gehörig und wahrscheinlich mit Trechus 
(Neoduvalius) Neumanni m. zunächst verwandt, den Csiki gar nicht erwähnt. Ob und wodurch sich 
Trechus Langhofferi von Neumanni unterscheidet, läßt sich auf Grund obiger Beschreibung nicht mit 
Sicherheit entscheiden; nur die mit 9 mm angegebene Körpergröße scheint jene des Neumanni zu über- 
treffen. Genaueres über die nähere Verwandtschaft des Trechus Langhofferi ließe sich angeben, wenn ihn 


Höhlenfauna der Ostalpen und des Balkan. II. 97 


Csiki in seiner Beschreibung wenigstens mit dem schon seit langem bekannten Trechus Eurydice ver- 
glichen und die Differenzen besonders hervorgehoben hätte. 


25. Trechus (Typhlotrechus) Bilimeki Sturm (p. 87 [97]). 
Zu den bereits angeführten Rassen dieser Art kommt noch folgende hinzu: 


Trechus Bilimeki Prochäzkai Obenberger (Casopis Cesk& Spoleönosti Entomolog., X, 1913, 26, 
Fig. 1 und 2). 

In der Flügeldeckenform mit Bilimeki likanensis, im Halsschildbau jedoch eher mit Dilimeki 
tergestinus übereinstimmend, von diesem jedoch, abgesehen von der abweichenden Flügeldeckenform 
hauptsächlich durch viel feiner gerandete Halsschildseiten differierend. Etwas kleiner und schlanker 
als Zergestinus, der Kopf nach vorne weniger verengt und mit flacher gerundeten Schläfen; der Halsschild 
fast wie bei Zergestinus gestaltet, nur an den Seiten stärker und gleichmäßiger gerundet, die Hinterecken 
stumpfwinkelig. Die Flügeldecken in der Mitte der Seiten am breitesten, von da an nach vorne und hinten 
fast gleichartig verengt, der Schulterwinkel nur schwach angedeutet, flach verrundet. Länge: 7 mm. 

Von Herrn A. Prochäzka in einer Höhle bei Zep£e in Nordbosnien gesammelt. Eine Type ist mir 
durch die Güte des Autors zum Vergleich vorgelegen. 

Trechus Bilimeki Prochazkai ist die erste bosnische Bilimeki-Rasse. — 


Wahrscheinlich bei Aphaenopsis (p. 55 [65]) ist als neue Untergattung einzufügen: 


5a. Subgen. Scotoplanetes Absolon 1913. 
Typus: Trechus (Scotoplanetes) Arenstorffianus Absolon. 


Allgemeine Merkmale. Kopf sehr langgestreckt, viel länger und etwas breiter als der Halsschild, 
mit vollständigen Stirnfurchen, hinter den langen, nicht backenartig vortretenden Schläfen ringsum ein- 
geschnürt. 

Die Fühler wenig kürzer als der Körper, das zweite Glied etwas kürzer als das erste und etwa nur 
halb so lang als das dritte. 

Der Halsschild schmal, länger als breit, mit tiefer Seitenrandkehle und aufgebogenem Seitenrand. Die 
Epipleuren.des Halsschildes steil von oben teilweise sichtbar. Die hintere Marginalseta des Hals- 
schildes fehlt. i 

Die Flügeldecken gegen die Basis stark abgeschrägt mit flach verrundeten, nicht vortretenden 
Schultern, Der erste Punkt der Series umbilicata vom Seitenrande nichtweiter abgerücktaals 
der zweite. 

Bau der männlichen Vordertarsen unkekannt. 


Hieher folgende Art aus der Herzegowina: 


394. Trechus (Scotoplanetes) Arenstorfianus Absolon. Coleopterolog. Rundschau, II, 1913, 93. 


Hell rostrote, etwas durchscheinende Art von Aphaenops-artigem Habitus. Kopf lang, um ein Drittel 
länger als breit, mit den Mandibeln fast doppelt so lang als der Halsschild, etwas breiter als dieser (6: 5), 
lang oval, etwa in der Mitte am breitesten, mit sehr langen, flach gekrümmten, nicht backenartig vortretenden, 
hinten vom Hals deutlich abgesetzten Schläfen. Die Stirnfurchen lang, bis zum hinteren Supraorbitalpunkt 
fast gerade und nach hinten kaum divergierend, dann nach außen gekrümmt, und bis zur ringartigen Ein- 
schnürung der Halspartie deutlich. Die ganze Kopffläche, bis auf die beiden normalen Supraorbitalborsten, 
unbehaart, glatt und äußerst fein chagriniert. 

Die Augen spurlos verschwunden. Die Fühler vom ersten Gliede an dicht, fein behaart; das Längen- 
verhältnis der einzelnen Glieder ist: 4:3:6:6:51/,:5:5:41,:4:4:33/,. Die Mandibeln und Kiefer- 
taster sehr lang und schlank. 


98 er, 


Der Halsschild länglich, die durch eine tiefe Randkehle scharf abgehobenen Seitenränder in den 
mittleren zwei Vierteln der Gesamtlänge geradlinig und parallel, dann proximal wie distal unter einem 
stumpfen Winkel eingebogen und geradlinig gegen die Basis, beziehungsweise gegen den Vorderrand 
konvergierend. Die stumpfwinkelige Umbiegung des Seitenrandes ist noch durch eine Knickung der Rand- 
leiste gekennzeichnet; in der distalen befindet sich eine tiefe Punktgrube, aus welcher die lange vordere 
Marginalseta entspringt. Der Vorderrand des Halsschildes ist flach ausgeschnitten, der ebenso breite 
Basalrand gerade abgestutzt. Die Vorder- und Hinterecken fast gleich gebaut, fast rechtwinkelig oder, 
genauer ausgedrückt, scharf stumpfwinkelig, jedoch ohne vortretende Spitze; die Hinterecken scheinen 
keine Seta zu besitzen. Die Halsschildscheibe schwach gewölkt mit deutlicher Mittelfurche, aber undeut- 
lichen Basaleindrücken. Die Epipleuren des Halsschildes im mittleren Teil, dort wo die Seitenränder 
parallel verlaufen, von oben sichtbar. 

Die Flügeldecken mäßig gewvölbt, länglich-oval, mit der größten Breite hinter der Mitte, an den Seiten 
schwach gerundet, nach vorne, gegen die kaum mehr erkennbaren, flach verrundeten Schultern deutlich 
verengt, hinten gemeinschaftlich breit abgerundet. Die Breite der Flügeldecken beträgt hinter der Mitte 
etwas mehr als dreimal so viel als die Maximalbreite des Halsschildes, ihre Länge wenig mehr als jene 
des Vorderkörpers. Der Nahtstreifen gegen die Basis sehr tief, rinnenartig eingegraben, nach hinten 
allmählich.schwächer und in den letzten zwei Fünfteln der Flügeldeckenlänge gänzlich erloschen; der 
Nahtzwischenraum, soweit deutlich abgegrenzt, schmal leistenförmig. Von den übrigen Dorsalstreifen sind 
bloß der zweite, dritte und vierte in der Mitte der Flügeldecken schwach angedeutet, die äußeren gänzlich 
erloschen. Im Verlaufe des dritten Dorsalstreifens befinden sich zehn bis elf Borstenpunkte, 
aus denen steife Borsten von verschiedener Länge entspringen. Außerdem befindet sich im Verlaufe 
des fünften (hier fehlenden) Dorsalstreifens eine zweite Reihe von vier bis fünf Borsten- 
punkten. Die vier vorderen Punkte der Series umbilicata bilden eine mit dem Seitenrande der Flügel- 
decken ziemlich parallele Reihe. 

Die Beine sind etwa so lang wie bei Trechus Apfelbecki. Ob beim g' ein oder zwei Basalglieder 
erweitert sind, kann ich nicht angeben, da das von Absolon beschriebene und abgebildete Exemplar 
ein © zu sein scheint. 


Länge: 7 mm. 


Fundort: »Vjeternica«-Höhle bei Zavala in der Umgebung von Trebinje (Herzegowina). Von 
Herrn Oberleutnant Kurt R. v. Arenstorff entdeckt (ex Absolon, |. c.). 


Anmerkung: Solange der Bau der männlichen Vordertarsen nicht bekannt ist, läßt sich die 
systematische Stellung dieses merkwürdigen Tieres nicht genau angeben. Jedenfalls handelt es sich aber 
um den Vertreter einer eigenen, neuen Untergattung, Scotfoplanetes Abs., die ich nur deshalb provisorisch 
in die Nähe von Aphaenopsis m. gebracht habe, weil sich aus der Beschreibung und Abbildung des 
Scotoplanetes Arenstorffianus gewisse Beziehungen zu Aphaenopsis Apfelbecki herausfinden lassen. 
Namentlich erinnern der ringsum eingeschnürte Kopf und der Mangel der hinteren Marginalseta an 
Aphaenopsis, welcher Untergattung die neue Art auch habituell ähnlich ist. Daß aber Scofoplanetes von 
Aphaenopsis trotzdem subgenerisch zu trennen ist, geht aus zahlreichen anderen Merkmalen (vollständige 
Ausbildung der Stirnfurchen und normale Lage des ersten Punktes der Series umbilicata) unzweifelhaft 
hervor. 

Ebenso ist Scotoplanetes auch von allen übrigen blinden Trechus-Untergattungen zu trennen, und 
zwar: Von Aphaenopidius (Treulandi) durch die langen Stirnfurchen, die Zahl der Supraorbitalborsten, die 
senkrechten Epipleuren und die fehlende hintere Marginalseta des Halsschildes; von Pseudaphaenops 
(tauricus) durch die langen Stirnfurchen, die fehlende Marginalseta in den Hinterecken des Halsschildes 
und den Mangel einer Grundbehaarung auf den Flügeldecken; von Aphaenops durch die Lage des ersten 
Punktes der Series umbilicata; von Anophthalmus durch den schmalen Halsschild, die senkrechten 
Epipleuren desselben und die primitive Lagerung des ersten Punktes der Series umbilicata; von Typhlo- 


nn Be 


Höhlenfauna der Ostalpen und des Balkan. I]. 99 


trechus durch den gänzlich verschiedenen Habitus, den schmalen Halsschild und den vom Seitenrande 
nicht abgerückten ersten Punkt der Series umbilicata; von Neotrechus durch anderen Habitus, die senk- 
rechten Halsschildepipleuren und den Mangel der hinteren Marginalseta des Halsschildes; von Orotrechus 
durch die senkrechten Halsschildepipleuren und die Lage des vorderen Punktes der Series umbilicata; 
von Diwalius und Neoduvalius durch gänzlich verschiedenen Habitus, die senkrechten Epipleuren und 
den Mangel der hinteren Marginalseta des Halsschildes. 


38. Trechus (Neotrechus) Ganglbaueri Padewieth (p. 61 [71)). 


Nach Dr. A. Langhoffer’s Verzeichnis (»Fauna hrvatskih pecina« in »Rada Jugoslavenske 
akademije znanosti i umjetnosti«, Bd. 193, 1912, p. 354) wird in Kuthy’s Fauna regni Hungariae, Coleop- 
tera, 1900, p. 30, als Fundort des Tr. Ganglbaueri Leskovo angegeben. 


46a. Trechus (Orotrechus) Messai m. nov. spec. 


Langgestreckte, kleine Art mit ziemlich langen und zarten Beinen und Fühlern. Hell rötlichgelb, glänzend. 
Der Kopf sehr schlank, zusammen mit den Mandibeln doppelt so lang als breit. Die Schläfen flach 
gerundet, hinten vom Halse zwar deutlich, aber nur unter einem sehr stumpfen Winkel abgesetzt; die 
Stirnfurchen vollständig, jedoch im hintersten Teil sehr seicht und daher wenig deutlich. Die Oberseite 
des Kopfes und die Schläfen mit nach vorn gerichteten, kleinen, gelben Härchen bedeckt. 

Die Fühler zart, etwas über die Körpermitte nach hinten reichend, ihr zweites Glied etwa so lang als 
das dickere erste, das dritte ein und ein Drittel so lang als das zweite und etwas länger als das vierte, die 
beiden vorletzten drei bis viermal so lang als breit. 

Der Halsschild länglich, im vorderen Drittel am breitesten und daselbst genau so breit als der Kopf, 
sein nur schmal leistenartig abgesetzter Seitenrand von den Vorderecken an bis zur Mitte in fast 
gleichmäßigem, schwachem Bogen gerundet, weiter hinten fast geradlinig verengt und vor den winzig 
kleinen, aber spitz vorspringenden Hinterecken nur sehr schwach ausgerandet. Der Vorderrand des 
Halsschildes nur äußerst flach ausgerandet, die Vorderecken nicht vorspringend. Die Basis des 
Halsschildes fast gerade oder nur äußerst schwach ausgerandet, jedoch jederseits innerhalb der spitzen 
Hinterecken sehr deutlich abgeschrägt und ausgeschnitten, so daß die Hinterecken selbst deutlich 
nach vorn verschoben erscheinen, wie bei gewissen Bembidium-Arten aus der Untergattung Lopha 
Steph. Die Hinterecken liegen dadurch scheinbar am Seitenrande des Halsschildes vor dessen Basis 
und erreichen selbst mit ihrer nach hinten (und außen) gerichteten Spitze das Niveau des Basalrandes 
nicht. Die ganze Halsschildscheibe ist mit feinen, schräg nach hinten gerichteten Härchen besetzt; am Ende 
des apicalen Viertels befindet sich jederseits ein deutliches, ovales Grübchen. 

Die Flügeldecken sind mäßig gewölbt, länglich eiförmig, etwas hinter der Mitte am breitesten und 
daselbst etwa dreimal so breit als der Halsschild, von da an gegen die Schultern meist stärker verengt 
als nach hinten. Die Schulterecke zwar schwach, aber deutlich stumpfwinklig, der stark abgeschrägte 
Schulterrand fast gerade oder nur äußerst schwach eingebuchtet. Der Apicalrand der Flügeldecken 
gemeinschaftlich ziemlich breit verrundet. Außer dem schärfer eingeschnittenen Nahtstreif nurnoch die zwei 
bis drei nächsten angedeutet, die übrigen vollkommen erloschen. 

Der Nahtzwischenraum ist nur schwach oder gar nicht eingesenkt. Im dritten Zwischenraum befinden 
sich die drei normalen Borstenpunkte, wovon der mittlere meist deutlich hinter der Mitte der Flügeldecken 
gelegen ist. Der erste Punkt der Series umbilicata sehr groß, stark nach innen gerückt und hinter dem 
Niveau des ersten Seitenrandpunktes (das ist des zweiten Punktes der Series umbilicata) gelegen, diesem 
nicht oder nur wenig näher stehend als dem ersten Borstenpunkt des dritten Zwischenraumes; der zweite, 
dritte und vierte Punkt der Series umbilicata eine mit dem Seitenrande der Flügeldecken nach hinten 
stark divergierende Reihe bildend, in welcher der hinterste Punkt von den beiden vorderen viel weiter 


Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC. Bd. 14 


100 J. Müller, 


abgerückt ist als diese unter sich. Das umgebogene Ende des Nahtstreifens erreicht nicht das Niveau 
des präapicalen Borstenpunktes im dritten Zwischenraum. Im Profil betrachtet, zeigen die Flügeldecken 
nur äußerst kurze, aufgerichtete, schwer sichtbare Härchen, die viel kürzer und undeutlicher als jene des 
Vorderkörpers sind. Die Mikroskulptur der Flügeldecken besteht aus rundlichen, schuppenartigen Maschen. 

Die Abdominalsternite vor deren Hinterrand mit den zwei normalen, langen, aufgerichteten Tast- 
borsten; außerdem das ganze Abdomen sehr deutlich schräg anliegend, weißlichgelb behäart. 
Diese Härchen sind in der Mitte länger und dichter, an den Seiten kürzer und spärlicher, doch immerhin 
noch sehr deutlich; die Punkte, aus denen die Härchen entspringen, sind dementsprechend an den Seiten 
fein und spärlich, in der Mitte dagegen kräftiger, an ihrem Vorderrande körnchenartig erhoben, häufig in 
die Quere gezogen oder zu welligen Querrunzeln miteinander verbunden. ” 

Die Beine zart, blaßgelb; an den männlichen Vordertarsen nur das erste Glied schwäch erweitert, 
gut anderthalbmal so lang als breit und am inneren Apicalwinkel kurz zahnförmig vortretend. 


Länge: 4 bis 4:5 mm. 


Fundort: eine vorläufig nicht näher angegebene Grotte in den Venetianer Voralpen. Von Herrn 
Dr. Josef Messa (Graz) in drei Exemplaren entdeckt, wovon er mir eines in hochherziger Weise für meine 


Sammlung überließ. 


Verwandtschaft. Trechus Messai ist mit Trechus venetianus Winkler vom Bosco del Cansiglio 


zunächst verwandt, unterscheidet sich aber von ihm erheblich in folgenden Punkten: 


Der Körper des Trechus Messai ist kleiner als bei venetianus, die Fühler und Beine zarter und heller 
gefärbt; der Halsschild ist vorne gleichmäßiger gerundet und die Seitenrandleiste viel feiner als bei, 


venetianus, nicht deutlich aufgebogen und ohne tiefe Seitenrandkehle; die Flügeldecken von der Mitte 
gegen die Schultern stärker verengt; der vierte Punkt der Series umbilicata ist vom dritten weiter entfernt 


als dieser vom zweiten (bei venetianus sind diese drei Punkte gleichweit entfernt). Die Hatsschildbasis ist. 


jederseits stark abgeschrägt, wodurch die Hinterecken am Seitenrande, vor der Basis des Halsschildes, 
zu liegen scheinen (bei venetianus ist die Halsschildbasis innerhalb der Hinterecken schwach ausgerandet 
aber nicht abgeschrägt und daher die Hinterecken nicht nach vorne verschoben). Kopf und Halsschild 
sind fein, aber deutlich behaart (bei venetianus kahl); ebenso ist das Abdomen auf der ganzen Unterseite 
behaart (bei venetianus bloß in der Mitte, innerhalb der beiden längeren, vor dem Hinterrand der einzelnen 


Sternite gelegenen Tastborsten). 


Durch die Behaarung des Abdomens ist Tr. Messai auch von allen übrigen Orotrechus-Arten ver-. 


schieden. 

Wegen der sekundären Lageveränderung der Hinterwinkel des Halsschildes, der zarteren und 
längeren Beine und Fühler, der helleren Färbung und der reichlicheren. Behaarung halte ich den 
Trechus Messai für phylogenetisch höher stehend als venetianus, was auch damit übereinstimmt, daß 


dieser noch im Freien, jener dagegen bereits in Höhlen lebt und daher weitergehenden sekundären Ver- 


änderungen unterworfen war als venetianus. 


Höhlenfauma der Ostalpen und des Balkan. II. 101 


Übersicht der Fundorte der blinden Trechen, nach geographischen Gesichts- 
punkten geordnet. ' 


Lombardei. 


1. Grotta del Monte Tre Crocette auf dem »Campo di fiorics, NW von Varese. — Trechus (Duvalius) Ghidinii Gestro! 


(loc. class.). 
Bergamasker Alpen. 


2. Valle Seriana, Umgebung des Rifugio Curo (ca. 1900 m). — Trechus (Duvalius) Knauthi serianensis Breit! (loc. class.) 


Südtirol — Lessinische Alpen. 


3. Monte Pari (Judikarien), nordwestlich von Riva, am Nordabhang, gegen die Bocca di Saval, subalpin, unter Steinen. — 
Trechus (Duvalius) Knauthi Ganglb. f. typ.! (loc. class.). 

4. Lavarone (Südtirol), im Freien, unter Steinen. — Trechus (Orotrechus) Targionii Della Torre! 

Ö. Folgaria (Südtirol), Mezzaselva, im Freien, unter Steinen. — Trechus (Orotrechus) Targionii Della Torre! 

6. Vallarsa (Südtirol), im Freien, unter Steinen. — Trechus (Orotrechus) Targionii Della Torre! 

7. Piano della Fugazza (Südtirol), im Freien, unter Steinen. — Trechus (Orolrechus) Targionii Della Torre! (? Subsp. 
Fiorii Alzona). 

8. Monte Mandriola (Südtirol, am Nordrand der Sette Comuni), unter dem Gipfel, im Freien, unter Steinen. — Trechus 
(Orotrechus) Mandriolae Ganglb.! (loc. class.). 

9. Grotta d’Oliero bei Bassano, am Südrand der Sette Comuni (Venezien). — Trechus (Orotrechus) Targionii Della Torre 
(loc. class.). 

10. Vallone di Canzialto am Monte Grappa, im Freien, unter Steinen. — Trechus (Orotrechus) Targionii Fiorii Alzona 
(loc. class.). 

11. Grottadel Cameron, am Südabhang des Monte Verlaldo im Vicentinischen. — Trechus Targionii (?) Subsp. vicentinus 
Gestro (loc. class.). 


Monti Berici (bei Vicenza). 


12. Grotta delle Tette bei Lonigo. — Trechus (Orotrechus) Fabianii Gestro! 
13. Grotte beim Covolo del Tesoro. — Trechus (Orotrechus) Fabianii Gestro! 


14. Unterirdischer Steinbruch beim Covolo del Tesoro. — Trechus (Orotrechus) Fabianii Gestro! 
15. Covolo (Grotta) della Guerra. — Trechus (Orotrechus) Fabianii Gestro! 
16. Cogolo (Grotta) di Costozza. — Trechus (Orotrechus) Fabianii Gestro! 


17. Grotta di Trene bei Nanto. — Trechus (Orotrechus) Fabianii Gestro (loc. class.)! 


Venezianer Alpen. 
18. Bosco del Cansiglio am Monte Cavallo, im Buchenwald, unter Laub und Steinen. — Trechus (Orotrechus) Holdhausi 
Ganglb! (loc. class.). — Trechus (Orotrechus) venetianus Winkler! (loc. class.). — Trechus (Orotrechus) Mandriolae Ganglb.! 
Dobratsch-Karawanken-Steiner Alpen. 


19. Eggerloch bei Warmbad Villach, am Fuße des Dobratsch. — Trechus (Anophth.) Mariae Schatzm.! (loc. class.). 


! Nicht wenige Fundortangaben, die der Vollständigkeit halber in diese Übersicht aufgenommen werden mußten, sind meiner Ansicht nach 
zweifelhaft, so namentlich gewisse Angaben aus der ältesten Literatur und besonders aus Joseph’s Schriften. Um einen gewissen Anhaltspunkt über die 
Richtiskeit der Fundorte zu geben, habe ich bei allen jenen Arten, die aus verläßlicher Quelle stammen oder von mir selbst gesammelt wurden, ein Aus- 
rufungszeichen (!) beigefügt. Für die Richtigkeit der übrigen Zitate kann ich nicht garantieren. 


102 J. Müller, 


20. Stollen beider Valvasorhütte am Stou (Hochstuhl, Karawanken). — Trechus (Anophth.) Mariae Schatzm.! — 
Trechus (Anophth.) hirtus Pretneri J. Müll.! (loc. class.). 

21. Hochobir (Karawanken), in einem verlassenen Stollen und im Freien, unter Steinen. — Trechus (Anophth.) Schaumi 
Bernhaueri Ganglb.! (loc. class.). 

22. Höhle des Vellachtales bei Eisenkappel. — Trechus (Anophth.) Gobanzi Ganglb.! (loc. class.). 

23. Grintouz (Steiner Alpen), am Rande eines Schneefeldes, unter Steinen. — Trechus (Anophth.) Weberi Ganglb. 


(loc. class.). 


Südsteiermark. 


24. Trbiska-Zijalka (Ermenc-Höhle) bei Leutsch, im oberen Sanntal. — Trechus (Anophth.) Erebus Krauss:.! 

25. Eriauc-Grotte bei Leutsch. — Trechus (Anophlh.) Erebus Krauss.! . 

26. Rabosca luknja bei Loboje im Sanntal. — Trechus (Anophth.) Schaumi Schmidt (? Subsp. Knirschi Winkler).! 

27. Soteska luknja bei Praßberg. — Trechus (Anophih.) Schaumi Schmidt (? Subsp. Knirschi Winkler).! 

28. Vracka luknja bei Praßberg. — Trechus (Anophth.) Erebus Krauss (loc. class.). — Trechus (Anophth.) Schaumi 
Schmidt (? Subsp. Knirschi Winkler).! — Trechus (Aphaenopid.) Treulandi J. Müll. 

29. Höhle im Dobravlje-Gebirge bei Fraßlau. — Trechus (Anophth.) Erebus Krauss. ! } 

30. Skadanca jama bei Franz. — Trechus (Anophth.) Schaumi Schmidt. Subsp. Knirschi Winkler (loc. class.).! 

31. Höhle »Zelenjak« am Cret bei Franz. — Trechus (Aphaenopidius) Treulandi J. Müll.! (loc. class.). 

32. Pongraz-Grotte bei Hellenstein. — Trechus (Anophth.) Schaumi Schmidt (Subsp.?).! 

33. Glija jama (Lehmhöhle) am Nordwestabhang des Kirchberges St. Nikolaus bei Planinsdorf in der Umgebung von Mont- 
preis. — Trechus (Anophth.) Schaumi Schmidt R Subsp.). ; 

34. Bucerca-Höhle bei Reichenburg, etwa 3/,Stunden östlich von der Bahnstation zwischen Poniku und Ansche. — Trechus 
(Anophth.) Schaumi Schmidt (? Subsp.). 


Julische Alpen. 


35. Crna prst alpin, auf Trümmerhalden, unter tief eingebetteten Steinen. — Trechus (Anophth.) Scopolii bohiniensis 
Ganglb.! (loc. class.). h 

36. Krn-Gebiet? — Trechus (Anophth.) hirtus Severi Ganglb. 

37. Dante-Grotte bei Tolmein. — Trechus (Anophth.) hirtus Sturm, Subsp. (!). 

38. Schachthöhle bei St. Gendra am rechten Isonzoufer oberhalb Plava. — Trechus (Anophth.) Scopolii Sturm f. typ.! 


Veldes-Radmannsdorf-Bischoflack. 


39. Babji zob-Grotte bei Veldes. — Trechus (Anophth.) hirtus Micklitzi Ganglb.! 

40. Castitljajama bei Radmannsdorf. — Trechus (Anophth.) hirtus Micklitzi Ganglb.! (loc. class.). 

41. Kevdercajama am Ljubnik bei Bischoflack. — Trechus (Orotrechus) longicornis Motsch.! (veris. loc. class.). 
42. Höhle auf dem Berge Ljubnik. — Trechus (Orotrechus) globulipennis Schaum (nach Ferd. Schmidt). 

43. Höhlen um Bischoflack. — Trechus (Anophth.) Schaumi Schmidt (nach Dr. Joseph). 


Tarnowaner und Birnbaumer Wald. 


44. Höhle bei Tarnowa. — Trechus (Anophth.) Scopolii f. typ.! 

45. Jama zalesom bei Eriauei nächst Karnizza. — Trechus (Anophth.) Schmidti insignis J. Müll.! (loc. elass.). 

46. Schneider-Schacht bei Karnizza. — Trechus (Anophth.) hirtus spectabilis Jos.! 

47. Buchenwald bei Karnizza, in einer Doline, unter tief eingebetteten Steinen. — Trechus (Anophth.) Scopolii 
Sturm f. typ.! 

48. Cvetrez-Höhle im Tarnowaner Wald. — Trechus (Anophth.) Scopolii Sturm £, typ. — Trechus (Anophth.) Schaumi 
Schmidt (typ. oder subsp.?). — Beide Arten aus dem Gobanz'schen Material. 

49. Peuc bei Idria. — Trechus (Typhlotrechus) Bilimeki Sturm var., am ehesten mit Hauckei übereinstimmend. (Gobanz). 

50. Höhle bei Sadlog zwischen Zoll und Idria. — Trechus (Anophth.) hirtus Sturm f. typ. 

51. Zollim Birnbaumerwald. — Trechus (Typhlotrechus) Bilimeki Sturm var., dem Hacqueti sehr nahestehend. 

52. Nanos, im Buchenwald, unter Steinen. — Trechus (Anophth.) Scopolii Sturm f. typ.! 


53. Volljajama am Nanos. — Trechus (Anophth.) hirlus Severi Ganglb. (loc. class.). 


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Höhlenfauna der Östalpen und des Balkan. II. 103 


Adelsberg-Planina-Laas 


(Innerkrain). 


54. Zavinka jama bei Präwald. — Trechus (Anophih.) Scopolii Sturm (f. typ.). 

55. Höhle vonLuegg. — Trechus (Typhlotrechus) Bilimeki Hauckei Ganglb.! (loc. class.) — Trechus (Anophth.) Schmidli 
Sturm f. typ.! (loc. class.). — Trechus (Anophth.) hirlus spectabilis Jos., Übergangsform zu Severi Ganglb.! 

56. Höhle von Setz, auf dem Wege von Adelsberg nach Luegg. — Trechus (Anophth.) Scopolii Sturm f. typ. (loc. class.). 

57. Adelsberg (ohne nähere Angabe der Höhle). — Trechus (Orotrechus) longicornis Motsch. (von Sever gesammelt, 
daher zweifelhafter Provenienz). 

58. Adelsberger Grotte. — Trechus (Anophth.) Schmidti Sturm, wahrscheinlich typ. Form (nach JOSEPH). 

59. Magdalenen-Schacht bei Adelsberg. — Trechus (Anophth.) Schmidli Sturm, wahrscheinlich die typ. Form (nach 
JOSEPH). — Trechus (Anophth.) hirtus speclabilis Jos.! 

60. Erna jama bei Adelsberg. — Trechus (Anophth.) hirtus speclabilis Jos.! 

61. Nußdorfergrotte südlich von Adelsberg. — Trechus (Anophth.) Schmidti Sturm (nach JOSEPH). 

62. Kellergrotte bei Nußdorfan der Poik. — Trechus (Anophth.) hirtus Sturm var.! 

63. VelikiJavornik bei Adelsberg, subalpin, unter Steinen. — Trechus (Anophth.) Scopolii Sturm f. typ.! 

64. Osojnica-Höhle bei Kaltenfeld in der Umgebung von Adelsberg. — Trechus (Anophth.) Scopolii Sturm f. typ.! 

65. Planina-Höhle. — Trechus (Anophth.) hirtus Sturm var. — Trechus (Anophth.) pubens Bedel (loc. class., nach 
JOSEPH). 
66. Graf Falkenhayn-Höhle bei Laze in der Gemeinde Planina. — Trechus (Typhlotrechus) Bilimeki Hauckei Ganglb.! 
loc. class.). i 

67. Mrzlajama am Kreuzberg bei Laas. — Trechus (Anophth.) pubens Bedel (loc. class., nach JOSEPH). 

68. Kreuzberghöhle bei Laas. — Trechus (Typhlotrechus) Bilimeki Hauckei Ganglb.! (loc. class.). 


Triester Karst. 


“ 


69. Gradencajama bei Hudi Log (im Karst von Opachiesela, nördlich von Monfalcone). — Trechus (Orotrechus) globuli- 
pennis Schaum! E 

70. Perhavja jama bei Novavas (im Karst von Opachiesela). — Trechus (Typhlotrechus) Bilimeki tergestinus J. Müll.! 

71. Zajepljeni dol bei Novavas. — Trechus (Typhlotrechus) Bilimeki tergestinus J. Müll.! 

72. Schneider-Grotte bei Trnovica. — Trechus (Orotrechus) globulipennis Schaum.! 

73. Grotte bei Pliskovica. — Trechus (Typhlotrechus) Bilimeki tergestinus J. Müll. 

74. Jelencajama bei Kobilaglava. — Trechus (Orotrechus) globulipennis Schaum! 

75. Draga von Ponikve zwischen St. Daniel und Avber. — Trechus (Orotrechus) globulipennis Schaum! 

76. Grotta delle Torri bei Slivno nächst Nabresina. — Trechus (Typhlotrechus) Bilimeki tergestinus J. Müll.! 
(loc. class.). 

77. Noegrotte (Hadesschacht) bei Nabresina. — Trechus (Anophth.) hirtus Mayeri J. Müll.! (loc. class.). 

78. Schacht zwischen Zgonik und Gabrovica südöstlich von Nabresina. — Trechus (Typhlotrechus) Bilimeki lerge- 
stinus J. Müll.! 

79. Grotta Clementina bei Op£ina nächst Triest. — Trechus (Orotrechus) globulipennis Schaum! (Originalfundort des 
Tr. Müllerianus Schatzm.— globulipennis Schaum). 

80. Lindnergrotte bei Trebic nächst Triest, 320 m» unter dem Erdboden. — Trechus (Anophth.) Schmidti Sturm! 
(Subsp.?). 

81. Griza-Schlund bei Storje unweit Sessana. — Trechus (Orotrechus) globulipennis Schaum. 


82. Kaönajama bei Divaca (310 m tief, — Trechus (Anophth.) Schmidti Sturm! (Subsp.?). 


Nordistr. Karst, Tschitschenboden. 


83. Schacht bei Kozina, in der Richtung gegen Rodik. — Trechus (Typhlotrechus) Bilimeki tergestinus J. Müll.! 
84. Grotte »Tri jamah« bei Materia. — Trechus (Typhlotrechus) Bilimeki tergestinus J. Müll. 
85. Dimnice-Höhle bei MarkovSina. — Trechus (Typhlotrechus) Bilimeki tergestinus J. Müll.! — Trechus (Anophth.) 


hirlus istrianus Ganglb.! (loc. class.). 


104 J. Müller, 


S6. Medvedovajama bei Markovsina. — Trechus (Typhlotrechus) Bilimeki tergestinus J. Müll. 

87. Vidalova jama bei Obrov. — Tvechus (Typhlotrechus) Bilimeki tergestinns J. Müll.! 

S8. Grotte an der Straße Golac— Obrov. — Trechus (Typhlotrechus) Bilimeki tergestinus J. Müll.! 

89. Pecina pod strzen bei Poljane nächst Castelnuovo. — Trechus (Typhlotrechus) Bilimeki tergestinus J. Müll. ! 

90. Petinana Padezu bei Poljane. — Trechus (Typhlotrechus) Bilimeki tergestinus J. Müll.! Ei 

91. Polina pe£ bei Poljane. — Trechus (Typhlotrechus) Bilimeki tergestinus Müll. — Trechus (Anophth.) Schmidti 
istriensis J. Müll.! (loe. class.). j 

92. Ulica pelina bei Castelnuovo. — Trechus (Anophth.) Schmidti istriensis J. Müll.! (loc. class.). 

93. Jabucinov strZen bei Castelnuovo. — Trechus (Anophth.) Schmidti istriensis J. Müll.! (loc. class.). 

94. Höhle von Ra£ice bei Castelnuovo.' — Trechus (Typhlotrechus) Bilimeki tergestinus J. Müll.! 

95. Jama za glavice bei Mune. — Tyechus (Typhlotrechus) Bilimeki tergestinus J. Müll.! 

96. Höhle bei Dolenje, südlich von Illyrisch-Feistritz. — Trechus (Typhlotrechus) Bilimeki tergestinus J. Müll.! 

97. Höhle bei Jurdani nächst Castua. — Trechus (Zyphlotrechus) Bilimeki tergestinus J. Müll.! 

98. Schachtin der Lokalität Bliznice bei Lupoglava. — Trechus (Typhlotrechus) Bilimeki tergestinuns J. Müll.! 

99. Höhle am Monte Maggiore, auf dem Wege vom Stephanie-Schutzhaus nach Abbazzia. — Trechus (Typhlotrechus) 
Bilimeki, Subsp. ex aff. tergestini J. Müll.! 

100. Monte Maggiore, im Buchenwald oberhalb des Stephanie-Schutzhauses, unter Steinen. — Tvechus (Anophth.) 
Schmidti Flachi Winkler! (loc. class.). 


Umgebung Domäale (nordwestlich von Laibach). 


101. Dolga Cirkva-Höhle bei Domäale. — Trechus (Anophih.) Schaumi Schmidt f. typ. (loc. class.!). 

102. Dolgajama am Sumberg bei Domzale. — Trechus (Anophth.) hirtus Sturm, f. typ. ! 

103. Höhlen um Vir bei Aich. — Trechus (Anophth.) Schaumi Schmidt. — Trechus (Anophth.) hirtus Sturm. 
104. Höhlen um Aich. — Trechus (Anophth.) Schaumi Schmidt. — Trechus (Anophth.) hirtus Sturm. 

105. Höhlen um Moräutsch. — Trechus (Anophth.) Schmmmi Schmidt. — Trechus (Anophth.) hirtus Sturm. | 


106. Ihanska jama bei Jauchen (Ihan). — Trechus (Anophith.) hirlus Sturm. 


Unterkrain. 


107. Velka Pasica am Krimberg bei Oberigg, südlich von Laibach. — Trechus (Typhlotrechus) Bilimeki Hacqueti Sturm.! 


— Trechus (Anophlih.) Schmidti opacipennis J. Müll.! (loc. class.) — Trechus (Anophth.) hirtus Sturm f. typ., loc. elass.! (nach 
JOSEPH die typ. Form und die Rasse spectabihs). \ 
108. Ajdovska pe£ bei Bründl nächst Gurkfeld an der südsteirischen Grenze. — Trechus (Anophth.) hirlus ajdovskanus 
Ganglb.! (loc. class.). 
109. Höhle bei Bründl (vielleicht identisch mit der vorigen?). — Trechus (Anophth.) Schaumi Schmidt! 
110. Grotte von Treffen in Unterkrain. — Trechus (Typhlotrechus) Bilimeki Sturm (ab. oblongicollis JOSEPH?). 
111. Konjsca-Grotte bei Groß-Laschitz. — Trechus (Typhlotrechus) Bilimeki Sturm f. typ.! — Trechus (Anophth.) Schaumi 
Schmidt! \ 
112. Skednenca Grotte bei Rasica nächst Groß-Laschitz. — Trechus (Typhlotrechus) Bilimeki Sturm f. typ.? | 
113. Dreibrüdergrotte bei Gottschee. — Trechus (Typhlotrechus) Bilimeki-Sturm f. typ.! | 
114. Schafloch bei Gottschee. — Trechus (Typhlotrechus) Bilimeki Sturm f. typ. ! ; | 
115. Jagdloch bei Gottschee. — Trechus (Typhlotrechus) Bilimeki Sturm f. typ.! 
116. Franziska Grotte bei Gottschee. — Trechus (Typhlotrechus) Bilimeki Sturm f. typ.! 
117. Eleonorengrotte bei Gottschee. — Trechus (Tvphlotrechus) Bilimeki Sturm var.! 
118. Seleer Grotte bei Gottschee. — Trechus (Typhlotrechus) Bilimeki Sturm f. typ.! (loc. class.). 
119. Friedrichsteiner Wald bei Gottschee, im Wald, unter Steinen. — Trechus Scopolii Kaufmanni Ganglb.! (loc. 
class.). — Trechus (Anophth.) Schaumi Schmidt! 
120. Umgebung Gottschee (näherer Fundort?). — Trechus (Anophth.) hirtus Subsp.! 
121. Godjama bei Oberskrill, in der Nähe der kroatischen Grenze (vielleicht = Jagdloch bei Oberskrill, nach Dr. H. KRAUSS). | 


Trechus capillatus Joseph (loc. class.). 


Höhlenfauna der Östalpen und des Balkan. II. 105 


Krain: ungenaue Fundortsangaben. 


122. »Eisgrotte in Innerkrain«. — Tyechus (Orolrechus) globulipennis Schaum (loc. class., nach SCHAUM). 

123. »Vranitzna jamas, Krain. — Trechus (Anophth.) cordieollis Motsch. ?—= Schmidli var.). Nach MOTSCHULSKY. 

124. Grotten bei St. Kanzian in Krain. — Trechus (Typhlotrechus) Bilimeki Hacqueli Sturm! — Trechus (Anophth.) 
Schaumi Schmidt f. typ.! — Trechus (Anophih.) hirtus Sturm f. typ.! 


125. »BoStonova jama, St. Kanzian, Vier«. — Trechus (Anophth.) Schaumi Sch midtf typ. 


Kroatien: Bezirk Agram. 


126. Höhle von Bizek im Sljemegebirge, nördlich von Agram. — Trechus (Anophth.) Scopolii Weingärlneri Winkler! 
(loc. class.). 

127. Schlucht von Podsused im Sljemegebirge. — Trechus (Anophth.) Scopolii Weingärtneri Winkler! (loe. class.). 

128. Höhle von Ozalj an der Kulpa nördlich von Karlstadt. — Trechus (Typhlotrechus) Bilimeki ozaljensis Bedel! (loc. 
class.). — Trechus (Anophth.) Schaumi Hochetlingeri Winkler (loc. class.). 


Kroatien: Liburnischer Karst bei Fiume. 


129. Javorova kosa, in einer Seitenschlucht der Dobra, östlich von Skrad. — Trechus (Anophth.) Scopolii Sturm 
Subsp. ex aff. Kaufmanni Ganglb. 

130. Kupjak-Berg, im Freien, unter Steinen. — Trechus (Anophth.) Scopolii Paveli Csiki! ® 

131. Risnjak, Ostabhang, im Freien, unter Steinen. — Trechus (Anophth.) Scopolii Paveli Csiki! — Trechus (Anophth.) 
Schmidti Soosi Csiki (loc. class.). 


132, Gebiet westlich vom RiSnjak, im Freien, unter Steinen. — Trechus (Anophth.) Scopolüi Bartkoi Csiki! 
(loc. class.). 

133. Plasa, östlich von Fuzine, im Freien, unter Steinen. — Trechus (Anophth.) Scopolii Bartkoi Csiki.! 

134. Bitoraj, östlich von Fuzine, im Freien, unter Steinen. — Trechus (Anophth.) Scopolii Bartkoi Csiki! (von diesem Fund- 


ort als Scopolii var. Szilagyi Csiki beschrieben). — Trechus (Anophth.) Schmidti Subsp.! (vielleicht Soosi Csiki). 

135. Fuzine, im Freien, unter Steinen. — Trechus (Anophth.) Scopolii Bartkoi Csiki! 

136. Bukova kusa (Höhle), etwa 25 kn nördlich von Fuzine. — Trechus (Anophth.) Scopolii Paveli Csiki (loc. class.). 

137. Höhle bei Lokve. — Trechus (Typhlotrechus) Bilimeki Sturm. Subsp. ex aff. Hacqueti und ozaljensis! — Trechus 
(Anophth.) hirtus Kerteczi Csiki (loc. class.). 

138. Höhle bei Tounj. — Trechus (Typhlotrechus) Bilimeki. Subsp. ex aff. Hacqueti und ozaljensis! 

139. Höhle bei Josipdol. — Trechus (Typhlotrechus) Bilimeki. Subsp. ex aff. Hacqueti und ozaljensis! — Trechus (Neo- 
duvalius) Langhofferi Csiki (loc. class. !) 

140. Luska pe£ina bei Jasenak. — Trechus (Typhlotrechus) Bilimeki. Subsp. ex aff. Hacqueti und ozaljensis! 


141. Unbenannte Höhleim Kapelagebirge. — Trechus (Typhlotrechus) Bilimeki. Subsp. ex aff. ozaljensis. 


Lika (Kroatien) und Velebitgebirge. 


142. Höhle von Studence. — Trechus (Typhlotrechus) Bilimeki Kiesenwetteri Schaum. 
143. Höhle von Samograd. — Trechus (Typhlotrechus) Bilimeki Kiesenwelteri Schaum. 
144, Höhle von Perusic. — Trechus (Typhlotrechus) Bilimeki Kiesenwetteri Schaum! (loe. class.). — Trechus (Neoduva- 


lius) Reitieri Mill.! 
145. Höhle von Pazariste. — Trechus (Typhlotrechus) Bilimeki Kiesenwelleri Schaum. 
146. Grotte bei Mogorice. — Trechus (Neoduvalius) Reitteri Mill.! !loc. class.). 


147. Likaner Höhlen (ohne nähere Fundortsangabe). — Trechus (Neoduvalius) Eurydice Schauf. (loc. class.). 
147a Grotte beiLovinac. — Trechus (Neoduvalius) Eurydice Schauf. 
148. Velebit, kroatischer Teil, angeblich in Erdlöchern, in denen Erdäpfel aufbewahrt werden. — Trechus (Neötrechus) 


Ganglbaueri Padewieth (nach SEQUENS). 

149. Pljesevica bei Zengg, im Walde, unter Steinen. — Trechus (Neoduvalius) Reitteri Mi!l.! — Trechus (Typhlotrechus) 
velebiticus Gglb.! 

150. Senjsko Bilo bei Zengg, im Walde, unter Steinen. — Trechus (Neoduvalius) Reilleri Mill.! 

151. Grotten nordwestlich von Starigrad, am Fuße des Velebit. — Trechus (Neotrechus) Ganglbaueri Padewieth 


(nach der von SEQUENS und REITTER stark angezweifelten Angabe des Autors). 


106 J. Müller, 


152. Paklenicatal, auf der dalmatinischen Seite des Velebit, in "Höhlen. — Trechus (Typhlolrechus) Bilimeki likanensis 


Schauf.! 


Nordwest-Bosnien (Krajina). 


153. Sanski most (Höhle?). — Trechus (Neoduvalius) Eurydice Schauf. 

154. Prijeka glavica bei Drvar (Höhle?). — Trechus (Neodwvalius) Reitleri L. Mill.! 

155. DragiSica-Höhle bei Petrovac. — Trechus (Neoduvalius) Neumanni J. Müll.! (loc. class.). 
156. Höhle bei Varcar Vakuf: — Tyechus (Neoduvalius) Styx Apfb. (loc. class.). 


Nordost-Bosnien. 


157. Höhle bei Maglaj an der Bosna. — Trechus (Duvalius) maglajensis Apfb. (loc. class.). 


Süd-Bosnien. 


(Inklusive der herzegowinischen Grenzgebirge.) 


158. Höhle bei Banja stijena. — Trechus (Diwwalius) Kautianus Apfb. (loc. class.). 

159. Brateljevicka peclina bei Kladanj, nordöstlich von Sarajevo. — Trechus (Neoduvalius) Reiseri Ganglb. 
(loc. class.). . 

160. Höhle bei Pale in der Romanja planina (Umgebung von Sarajevo). — Trechus (Duvalius) Winneguthi Apfb. 
loc. class.). ä 

161. Treskavica planina, im Freien, unter Steinen. — Trechus (Duwvalius) pilifer Ganglb.! — Trechus (Duvalius) 
trescavicensis Ganglb.! (loc. class.). 

162. BjelaSnica planina, im Freien, unter Steinen. — Trechus (Diwvalius) pilifer Ganglb.! (loc. class.). 

163. Höhlein der Bjelaönica planina. — Trechus (Aphaenopsis) Apfelbecki Ganglb.! 

164. Höhle in der Preslica planina bei Konjica (herzegowinisches Grenzgebiet). — Trechus (Aphaenopsis) Apfelbecki 
Gansglb.! (loc. class.). ; 


165. Vran planina. — Trechus (Neoduvalius) vranensis Breit (loc. class.). 


Dinarische Alpen. 


(Bosnisch-dalmatinisches Grenzgebiet.) 


166. Mraöna peclina im Prologgebirge.— Trechus (Neoduvalius) Schalzmayri J. Müll.! (loc. class.). — Trechus (Neotrechus) 
dalmalinus dinaricus J. Müll. 


167. Pecina Mandic im Prologgebirge. — Trechus (Neotrechus) dalmatinus dinariens. J. Müll.! (loc. class.). 


. 


Zentral-Dalmatien. 


168. »Velika Zelica« und Mala Zecica, Höhlen bei Labin an der Bahnstrecke Spalato—Sebenico. — Trechus (Diwalius) 
Novaki Giromeltai J. Müll.! (loc. class.). 

169. LabiSnica-Höhle bei Labin. — Trechus (Duvalius) Novaki, Übergangsform zu Giromettai J. Müll.! 

170. Jama na Docu bei Prgomet, in der Umgebung von Labin. — Trechus (Duvalius) Novaki, Übergangsform zu Giro- 
metlai J. Müll.! 


171. Jama na Krsta£i bei Prgomet. — Trechus (Duvalius) Novaki, Übergangsform zu Giromellai J. Müll.! 
172. Bunarina-Grotte bei Letevica, nordöstlich von Labin. — Trechus (Duvalius) Novaki, Übergangsform zu Giromeltai 
J. Müll.! 


173. Jamana kuku, zwischen Radosie und Lelevica. — Trechus (Duvalius) Novaki, Übergangsform zu Giromeltai J. Müll.! 

174. Slipatcka pee (Höhle) bei Dugopolje, nordöstlich von Spalato. — Trechus (Duvalius) Novaki, Übergangsform zu 
Giromellai J. Müll.! — Trechus (Neotrechus) dalmatinus L. Mill.! 

175. Höhle bei Dugopolje. — Trechus (Duvalius) Novaki J. Müll. f. typ.! (loc. class.). 

176. Vranjaca pecina bei Kotlenice am Nordfuß des Mosorgebirges. — Trechus (Neotrechus) dalmatinus L. Mill.! 


177. Jamana Osovo im Mosorgebirge. -—- Trechus (Duwalius) Netolitzkyi J. Müll.! 


Höhlenfauna der Ostalpen und des Balkan. II. 107 


178. SnjeZnica unter dem Ljubljan im Mosorgebirge. — Trechus (Duvalius) Netolitzkyi J. Müll.! 

179. Dana pecina im Mosorgebirge. — Trechus (Duvalius) Netolitzkyi J. Müll.! — Trechus (Neotrechus) dalmatinus 
L. Mill.! 

180. Höhle im Mosorgebirge, oberhalb Kotlenice. — Trechus (Duvalins) Nelolilzkyi J. Müll.! (loc. class.). — Trechus 
(Neotrechus) dalmatinus L. Mill.! 

181. Jama pod Andrinim guvnom, im südlichen Teil des Mosorgebirges, oberhalb Gata.— Trechus (Duvalius) Nelolitzkyi 
J. Müll.! 

182. Höhle bei Lujic in der Umgebung von Lovrec, — Trechus (Neotrechus) dalmalinus L. Mill.! 

183. MuSeva pecina bei Zagvozd am Fuße des Biokovogebirges. — Trechus (Neotrechus) dalmatinus L. Mill.! 

184. Doline bei Kaoci im Biokovogebirge, in einer dunklen Felsspalte. — Trechus (Neolrechus) dalmatinus L. Mill. 

185. Cesminova jama bei Novasela, in der Umgebung Vrgorac. — Trechus (Neotrechus) dalmatinus Subsp.! (vielleicht 
jablanicensis Apfb.?). 

186. »Grotten des Narentatales« (ohne genauere Angabe). — Trechus (Neotrechus) dalmalinus L. Mill. f. typ.! (loc. 
elass.; nach L. MILLER). — Nach APFELBECK vielleicht auch Trechus amabilis Schauf. 


187. Bazgovajama bei Neresi auf der Insel Brazza. — Trechus (Duvalius) Incidus J. Müll.! (loc. class.). 


Herzegowina, Süd-Dalmatien und Süd-Montenegro. 


188. Kleine Höhle bei Jablanica im Narentatal. — Trechus (Neotrechus) dalmatinus jablanicensis Apfb. (loc. class.). 

189. Höhlen im Velezgebirge. — Trechus (Duvalius) Speiseri hercegovinensis Krauss (loc. class.). — Trechus (Neo- 
trechus) dalmatinus Halmai Apfb.! 

190. Utresnji-Höhle bei Nevesinje, am Fuße des Veleögebirges. — Trechus (Neotrechus) dalmatinus Halmai Apfb.! 

191. Höhle bei Studenciin der Herzegowina. — Trechus (Neotrechus) dalmatinus Mill. Subsp.! 

192. Höhle bei Dol. Hrasno in der Herzegowina. — Trechus (Neotrechus) dalmalinus L. Mill. (wahrscheinlich 
typ. Form). 

193. Höhlen auf der Halbinsel Sabbioncello in Dalmatien. — Trechus (Neotrechus) dalmalinus L. Mill. (wahrschein- 
lich die typ. Form). 

194. Vodenajama, eine Stunde oberhalb Gacko in der Herzegowina. — Trechus (Neotrechus) dalmalinus suturalis Schauf. 

195. »Höhlen bei Gacko« (ohne nähere Bezeichnung der Fundstellen). — Trechus (Neotrechus) dalmatinus suluralis 
metohiensis Apfb. (loc. class.). 

196. Zatlo-Höhle bei Korito, in der Nähe von Kobila glava, zwischen Gacko und Bilek. — Trechus (Neotrechus) dalmatinus 
suturalis Schauf.! 

197. Höhle bei Konita in der Umgebung von Grepei (Herzegowina, in der Nähe der dalmatinischen Grenze, nördlich von 
Ragusa). — Trechus (Neotrechus) dalmatinus suluralis Schauf. (nach PAGANETTI-HUMMLER). 

198. Höhle westlich der Gendarmeriekaserne von Grepci. — Trechus (Neotrechus) dalmalinus suturalis Schauf. 
(nach PAGANETTI-HUMMLER). 

199. Höhle südwestlich von Grepci. — Trechus (Neotrechus) dalmatinus suturalis Schauf. (nach PAGANETTI- 
HUMMLER). 

200. Höhlen bei MoSsko und Trebinje« (nach APFELBECK). — Trechus dalmatinus trebinjensis Apfb. (loc. class.). 

201. Einsturzhöhle oberhalb Glitanj (nordwestlich von Trebinje). — Trechus (Neotrechus) dalmalinus suluralis 
Schauf. var.! 

202. »Vjeternica« (= Windhöhle) bei Zavala (Umgebung von Trebinje), — Trechus (Neotrechus) dalmatimus 


L. Mill.! (vielleicht eigene Rasse, die jedoch nicht wie die in anderen Grotten bei Trebinje gesammelten Exemplare zum Formenkreis 


des suluralis, sondern zu jenem des dalmatinus gehört). — Trechus Scotoplanetes Arenstorffianus Absolon. (loc. class.) 
203. Iljima pecina bei Bihovo, südlich von Trebinje. — Trechus (Neotrechus) dalmatinus suluralis Schauf. var.! 
204. Höhle am Petrina, südöstlich von Trebinje. — Trechus (Neotrechus) dalmatinus suturalis Schauf. var.! 


205. Höhle bei Gluha smokva, zwischen Trebinje und DuZi. — Trechus (Neotrechus) dalmatinus suluralis Schauf. var.!— 
Trechus (Neotrechus) Paganettii Meixneri L. Müll.! (loc. class.). 

206. Höhle bei DraSin do, an der Reichsstraße zwischen Trebinje und Duzi. — Trechus (Neotrechus) dalmalinus suluralis 
Schauf. var. 

207. Höhle bei Drieno in der Herzegowina, an der Reichsstraße Ragusa— Trebinje. — Trechus (Neotrechus) dalmatinus 
suluralis Schauf.! 


Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC. Bd, 15 


2. Miller, 


208. Grotte beim Fort Imperial oberhalb Ragusa. — Trechus (Neotrechus) dalmatinus sutnralis Schauf.! 


209. Höhle bei Stolivo in der Umgebung von Cattaro, Dalmatien. — Trechus (Neotrechus) Paganettii Ganglb. f. typ.! 


(loe. elass.). — Trechus (Neotrechus) datmalinus suluralis Schauf. 


210 
211 


. Cattaro (ohne nähere Angabe der Höhle). — Trechus (Neotrechus) Paganettii Ganglb. f. typ. (nach APFELBECK). 


. Kleine Höhle bei NjeguS (Montenegro), hart an der Reichsstraße nach Cattaro. — Trechus (Neotrechus) dalmatinus 


suluralis Schauf.! 


212 

213 
elass.). — 

214 


215 


Nord-Montenegro inklusive bosnisch-herzegovinisches Grenzgebirge. 


. Dur mitor, hochalpin. — Trechus (Duvalius) durmitorensis Apfb. (loc. class.). 

. Teufelshöhle im Orlovac-Gebirge (Montenegro). — Trechus (Neotrechus) dalmatinus amplipennis J. Müll.! (loc. 
Trechus (Neotrechus) Hilfi Reitt.! 

. Ljubilen planina (bosnisch-montenegrinisches Grenzgebirge). — Trechus (Duvalius) veris. durmitorensis Apfb.! 


. Höhlen am Volujak (bosnisch-herzegowinisch-montenegrinisches Grenzgebirge. — Trechus (Neotrechus) dalmatinus 


amplipennis J. Müll.! (loc. class.) — Trechus (Neotrechus) Setniki Reitt.! 


216 
217 
218 
219 
loc. class.). 
220 


. Volujak, hochalpin, im Freien, unter Steinen. — Trechus (Duvalius) Speiseri Ganglb.! (loc. class.). 

. Maglic (bosnische Seite des Volujak), im Freien, unter Steinen. — Trechus (Duvalius) Speiseri Ganglb.! 

. Höhle am Lebrsnik (bosnisch-herzegowinisches Grenzgebirge). — Trechus (Neotrechus) Ottonis Reitt.! 

. Vilina pecina am LebrSnik. — Trechus (Neotrechus) Selniki Reitt.! (loc. class.). — Trechus (Neotrechus) Hilfi Reitt.! 


. Bukovarupa (Höhle) am Gubar (herzegowinisch-montenegrinisches Grenzgebiet, südöstlich von Trebinje). — Trechus 


(Neotrechus) dalmatinus amplipennis J. Müll.! — Trechus (Neotrechus) Hilfi Reitt.! 


u 
160} 
m 


Montenegro (ohne nähere Fundortsangabe). 


. Montenegro (von Erber gesammelt). — Trechus (Subgen.?) Erichsoni Schauf. 


Bulgarien. 
222. Hoher Balkan (ohne nähere Fundortsangabe). — Trechus (Duvalius) balcanicus Friv. (loc. class.). Von Merkl 
gesammelt. 
Europäische Türkei. 
223. Belgrader Wald bei Konstantinopel. — Trechus (Duvalius) lurcicus Friv. (loc. class.). Von Merkl gesammelt. 


226. 


Griechenland. 


. Parnaß, in Höhlen. — Trechus (Duvalius) Krüperi Schaum! (loc. class.). 


. Parnaß, hochalpin, im Freien, unter Steinen. — Trechus (Duvalius) Oerizeni Mill. (loc. class.). 


Halbinsel Krim (Südrußland). 


Höhle bei Kisil-Koba nächst Simferopol. — Trechus (Pseudaphaenops) tauricus Winkler! (loc. class.). 


Höhlenfauna der Ostalpen und des Balkan. II. 109 


Katalog. 


Genus Trechus Clairville. 


Subgen. Duvalius Delarouzee 1859. 


Genus Duvalius Delar., Ann. Soc. ent. France, 1859, 69. 
Subgen. Anophthalmus Ganglb., Käf. Mitteleur., I, 1892, 209, ex parte. 
» —  Apfb., Käf. Balk., I, 1904, 136, ex parte. 


> 


Duvalius Ganglb., Münch. Kol. Ztschr., II, 1904, 192, ex parte, 


» — 


J. Müll. Anzeig. Akad. Wiss. Wien, 2. Mai 1913. 
» — J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 13 [23]. 
tureicus Frivaldsky 1880. Türkei: Belgraderwald bei 


Konstantinopel. 
Anophthalmus turcicus Friv., Term. Füz., IV, 1880, 261. 
Trechus (Anophth.) turcicus Apfb., Käf. Balk., I, 1904, 137. 


(Dwvalius) turcicus J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 17 [27]. 


Knauthi Ganglbauer 1904. 


Südtirol: Monte Pari. 
Trechus (Duvalius) Knauthi Ganglb., Münch. Kol. Ztschr., II, 1904, 189. 


J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 17 [27]. 


Subsp. serianensis Breit 1913. 


Bergamasker Alpen: 
Trechus (Duvalius) Knauthi serianensis Breit, Ent. Mitt., II, 1913, 12. Valle Seriana. 


J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 18 [28]. 


Oertzeni Miller 1884. 


Griechenland: Parnaß. 
Anophthalmus Oertzeni Mill., Verh. zool. bot. Ges. Wien, XXXIII,-1884, 264. 


Trechus (Anophth.) Oertzeni Apfb., Käf. Balk., I, 1904, 140. 


(Duvalius) Oertzeni J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 18 [28]. 


balcanicus J. Frivaldsky 1879. 


Bulgarien: Hoher Balkan. 
Anophthalmus balcanicus Friv., Term. Füz., III, 1879, 231. 
Trechus (Anophth.) balcanicus Apfb., Käf. Balk., I, 1904, 136. 


(Duvalius) balcanicus J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 18 [23]. 


pilifer Ganglbauer 1891. 


Südbosnien: BjelaSnica und 


Treskavica planina. 
Trechus (Anophth.) pilifer Ganglb., Wien. ent. Zeitg., 1891, 124. 


— Ganglb., Käf. Mitteleur., I, 1892, 209. 
— —  —  Apfb.Käf. Balk., I, 1904, 146. 


(Duvalius) pilifer J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 19 [29] 


Subsp. Leonhardianus Breit 1913. 


Südbosnien: Visocica 


2 planina. 
Trechus (Duvalius) pilifer Leonhardianus Breit, Ent. Mitt., II, 1913, 12. 


J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien. Bd. XC, 19 [29]. 


110 J. Müller, 


Ghidinii Gestro 1909. 


Anophlhalmus Ghidinii Gestro, Ann. Mus. Civ. Genova, XLIV, 1909, 202. 
Trechus (Duvalius) Ghidinii J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 19 [29]. 


trescavicensis Ganglbauer 1891. 


Trechus (Anophth.) trescaüicensis Ganglb., Wien. ent. Zeitg., 1891, 125. 

Ganglb., Käf. Mitteleur., I, 1892, 210. 

Apfb., Kät. Balk., I, 1904, 146. 

— (Diuvalius) trescavicensis J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 20 [30]. 


Speiseri Ganglbauer 1892. 


Trechus (Anophih.) Speiseri Ganglb., Wien, ent. Zeitg., 1892, 233. 
Apfb., Käf. Balk., I, 1904, 138. 
— (Diwvalius) Speiseri J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 20 [30]. 


Subsp. hercegovinensis Krauss 1906. 


Anophthalmus Budae hercegovinensis Krauss, Wien. ent. Zeigt., 1906, 259. 
Trechus (Duvalius) Speiseri Wien, 


Bd. XC, 21 [31] 


hercegovinensis J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. 


durmitorensis Apfelbeck 1904. 


Trechus (Anophth.) durmilorensis Apfb., Käf. Balk., I, 1904, 138. 
—  (Diwvalius) durmilorensis J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 21 [31]. 


Winneguthi Apfelbeck 1907. 


Anophlhalmus (Duvalius) Winnegulhi Apfb., Glasnik zem. Muz. u Bosni i Herceg., XIX, 
1907, 305. 

Apfb., Wien. ent. Zeitg., 1907, 318. 

Trechus (Duvalius) Winneguthi J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 22 [32]. 


Kautianus Apfelbeck 1907. 


Anophthalmus (Duvalius) Kautianus Apfb., Glasnik zem. Muz. u Bosni i Herceg., 
1907, 401. 
Trechus (Duvalius) Kaulianus J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 22 [32]. 


RI 


maglajensis Apfelbeck 1908. 


Anophihalmus (Duvalius) maglajensis Apfb., Glasnik Muz. zem. u Bosni i Herceg., XX, 
1908, 415. 
Trechus (Duvalius) maglajensis J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 22 [32]. 


Novaki J. Müller 1911. 


Trechus (Anophih.) Netolilzkyi Novaki J. Müll., Wien. ent. Zeitg., 1911, 1. 
—  (Diwvalius) Novaki J. Müll., Wien. ent. Zeitg., 1912, 297. 
J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. CX, 23 [33]. 


Subsp. Giromettai J. Müller 1912. 


Trechus (Duvalius) Novaki Giromeltae J. Müll., Wien. ent. Zeitg., 1912, 297. 
— —  —  Giromellai J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 23 [33]. 


Lombardei: 
Varese, Grotta del Monte 


Tre Crocette. 


Südbosnien: 


Treskavica planina. 


Herzegowina: 


Volujak und Masgliec. 


Herzegowina: 


Velez planina. 


Montenegro: 
Durmitor (vielleicht auch 


Ljubicen planina). 


Südbosnien: 
Höhle bei Pale (Umgebung 


von Sarajevo). 


Südostbosnien: 


Höhle bei Banja stijena. 


Nordbosnien: 
Höhle bei Maglaj. 


Zentraldalmatien: 


Höhle bei Dugopojje. 


Zentraldalmatien: 


Höhlen bei Labin. 


Höhlenfauna der Ostalpen und des Balkan. II. 11 


Netolitzkyi J. Müller 1908. Zentraldalmatien : 
Höhlen im Mosorgebirge. 
Trechus (Duvalius) Netolilzkyi J. Müll., Wien. ent. Zeitg., 1908, 233. 


— — -— J.Müll. Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 24 [34]. 


lucidus J. Müller 1903. Zentraldalmatien: 
! ! Bazgova jama auf der Insel 
Anophlhalmus lucidus J. Müll., Sitzungsber. Akad. Wiss. Wien, 1903, 876. 


Brazza, 
Trechus (Anophth.) lucidus Ganglb., Münch. Kol. Zeitschr., II, 1904, 192. 
— (Duvalius) Incidus J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 25 [35]. 
Krüperi Schaum 18862. Griechenland: 


Anophthalmus Krüperi Schaum, Berl. ent. Zeitschr., VI, 1862, 111. Höhlen des Parnaß. 


Trechus (Anophth.) Krüperi Apfb., Käf. Balk., I, 1904, 139. 
— (Duvalius) Krüperi J. Müll., Denkschr, Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 25 [35]. 


Subgen. Neoduvalius J. Müller 1919. 


Subgen. Anophthalmus Ganglb., Käf. Mitteleur., I, 1892, 209, ex parte. 
» — Apfb., Käf. Balk., I, 1904, 136, ex parte. 
»  Dwuvalius Ganglb., Münch. Kol. Zeitschr., II, 1904, 192, ex parte. 
»  Neodwvalius J. Müll., Anzeiger Akad. Wiss. Wien, 2. Mai 1913. 
» — J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 26 [36]. 


Reiseri Ganglbauer 1891. Bosnien: 


Höhle bei Kladanj. 
Trechus (Anophth.) Reiseri Ganglb., Wien. ent. Zeitg., 1891, 126. 


— — -— Ganglb., Käf. Mitteleur., I, 1892, 212. 
— — -—  Apfb., Käf. Balk., I, 1904, 147. 
— ((Neodwvalius) Reiseri J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 27 [37]. , 


vranensis Breit 1904. Herzegowina: 


Trechus (Anophth.) vranensis Breit, Münch. Kol. Zeitschr., II, 1904, 28. „aaa an den ran plane, 


—  (Neoduvalius) vranensis J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 27 [37]. 


Reitteri L. Miller 1880. 


Lika (Kroatien) und 


Anophthalmus Reitteri Mill., Verh. zool. bot. Ges. Wien, 1880, 203. bosnisches Grenzgebiet: 
—  Acherontius Schauf., Ann. Soc. ent. France, 1881, Bull. LXXXVI. In Höhlen und im Freien. 


Trechus (Anophth.) Reitteri Ganglb., Käf. Mitteleur., I, 1892, 212. 
— —- -— Apfb. Käf. Balk., I, 1904, 147. 
—  (Neoduvalius) Reilteri J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 28 [38]. 
Styx Apfelbeck 1904. 
Zentralbosnien: 
Trechus (Anophth.) Siyx Apfb., Käf. Balk., I, 1904, 139. Höhle bei Vacar Vakuf. 
— (Neodwvalius) Styx J. Müll. Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 28 [38] (an 
species bona?). 
Eurydice Schaufuß 1881. k EM: 
Höhlen der Lika (Kroatien). 
Anophthalmus Eurydice Schauf., Ann. Soc. ent. France, 1881, Bull. LXXXVI. 
Trechus (Anophth.) Eurydice Ganglb., Käf. Mitteleur., I, 1892, 212. 
— — -— Apfb., Käf. Balk., T, 1904, 147. 
— (Neodwalius) Eurydice J. Müll., Denkschr, Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 28 [38]. 


112 J..Müller, 


Schatzmayri J. Müller 1912. 


Trechus (Duvalius) Schatlzmayri J. Müll., Wien. ent. Zeitg. 1912, 297. 
—  (Neoduvalius) Schalzmayri J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 29 [39]. 


Neumanni J. Müller 1911. 


Trechus (Duvalius) Neumanni J. Müll., Wien. ent. Zeitg., 1911, 1. 
—  (Neodwalius) Neumanni J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 31 [41]. 


Langhofferi Csiki 1913. 


Anophthalmus (Duwvalius) Langhofferi Csiki, Ann. Mus. Hung., XI, 1913, 386. 
Trechus (Neoduvalius) Langhofferi J. Müll., Denksch. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 86 [96]. 


Subgen. Typhlotrechus J. Müller 1919. 


Genus Anophthalmus Sturm, Deutschl. Ins., XV 131, ex parte. 


> —. Schaum, Natg. Ins. Deutschl., I, 1860, 658, ex parte. 
Subgen. — dGanglb., Käf. Mitteleur., I, 1892, 209, ex parte. 
j » — Ganglb., Münch. Kol. Ztschr., II, 1904, 192, ex parte. 
» — Apfb., Käf. Balk., I, 1904, 136, ex parte. 
» Typhlotrechus J. Müll, Anzeig. Akad. Wiss. Wien, 2. Mai 1913. 
» — J.Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, 31 [41]. 


velebiticus Ganglbauer 1904. 


Trechus (Anophth.) velebiticus Ganglb., Münch. Kol. Ztschr., II, 1904, 350. 
(Typhlotrechus) velebiticus J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. CX, 32 [42]. 


Bilimeki Sturm 1847. 


Anophthalmus Bilimeki Sturm, Deutschl. Ins., XIX, 1847, 114, XXI, t. 392, f. B. 
—  — Schaum, Natg. Ins. Deutschl., I, 1860, 659. 
— — Jacq. Duval, Gen. Col., I, t. 8, f. 37. 
Trechus (Anophth.) Bilimeki Ganglb., Käf. Mitteleur., I, 1892, 216. 
(Typhlotrechus) Bilimeki J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 32 [42]. 


Anophthalmus robustus Motsch., Etud. ent., XI, 1862, 44. 
—  Bilimeki var. oblongicollis Joseph, Berl. ent. Ztschr., 1870, 272. 


Subsp. tergestinus J. Müller 1909. 


Anophthalmus Bilimeki lergestinus J. Müll., Wien. ent. Zeitg., 1905, 32. 
Trechus (Typhlotrechus) Bilimeki tergestinus J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 


33 [43]. 


Subsp. Hauckei Ganglbauer 1913. 


Trechus (Anophih.) Bilimeki Hauckei Garglb., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 
11 [21]. 

Trechus (Typhlotrechus) Bilimeki Hauckei J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 
35 [45]. 


Subsp. Kiesenwetteri Schaum 1862. 


Anophthalmus Kiesenwetieri Schaum, Berl. ent. Ztschr., 1862, 419. 


—  — var. reclangularis Schauf., Ann. Soc. ent. France, 1382, 158. 


nn 


Nordwestbosnien: 


Prologgebirge. 


Nordwestbosnien: 


Petrovac. 


Liburnischer Karst: 
Höhle bei Josipdol. 


Kroatien: Velebitgebirge. 


Unterkrain (loc. class.: | 
Seleer Grotte bei Gottschee). 


Triester Karst, Istrien. 


Innerkrain. 


Lika (Kroatien). 


Höhlenfauma der Ostalpen und des Balkan. IT. 


Trechus (Ano»hth.) Kiesenwelteri Ganglb., Käf. Mitteleur., I, 1892, 217. 
— —  — ab. reciangularis Ganglb., Käf. Mitteleur., I, 1892, 217. 

— — -— Apfb., Käf. Balk., I, 1904, 147. 

Bilimeki Kiesenwetleri Ganglb., Münch. Kol. Ztschr., II, 1904, 190. 


(Typhlotrechus) Bilimeki Kiesenwetteri J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. CX, 
35 [45]. 


Subsp. Hacqueti Sturm 1859. 


Anophthalmus Hacqueti Sturm, Deutschl. Ins., XXII 91, t. 408, f.a, A. 

— — Schaum, Natg. Ins. Deutschl., I, 1860, 659. 
Trechus (Anophth.) Hacqueti Ganglb., Käf. Mitteleur., I, 1892, 216. 
Bilimeki Hacqueti Ganglb., Münch. Kol. Ztschr., II, 1904, 191. 


(Zyphlotrechus) Bilimeki Hacqueti J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 
35 [45]. 


Subsp. ozaljensis Bedel 1876 (nom. nov.). 


Anophthalmus croaticus Hampe, Berl. ent. Ztschr. 1870, 332. 
oszaljensis Bedel, nom. nov., Ann. Soc. ent. France, 1876, Bull. CXXIV. 


Trechus (Anophth.) Kiesenwetteri var. oszailensis Ganglb., Käf. Mitteleur., I, 1892, 217. 


(Typhlotrechus) Bilimeki ozaljensis J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 
35 [45]. 


Subsp. likanensis Schaufuss 1882. 


Anophthalmus likanensis Schauf., Ann. Soc. ent. France, 1882, Bull. CXXV. 
— — var. vexator Schauf., Ann. Soc. ent. France, 1882, Bull. CXXVI. 

Trechus (Anophith.) Kiesenwelleri var. likanensis Ganglb., Käf. Mitteleur., I, 1892, 217. 
— — — -— ab. vexator Ganglb., Käf. Mitteleur., I, 1892, 217. 
— (Typhlotrechus) Bilimeki likanensis J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 


35 [45]. 
Subsp. Prochäzkai Obenberger 1913. 


Anophihalmus Bilimeki Prochazkai Obenberger, Casopis Ceske Spoleönosti Entom., X, 


1913, 26, Fie. 1 und 2B. 


Trechus (Typhlotrechus) Bilimeki Prochazkai J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 
87 [97]. 


Subgen. Anophthalmus Sturm 1844, s. str. 


Genus Anophthalmus Sturm, Deutschl. Ins., XV 131, ex parte. 


» — Schaum, Natg. Ins. Deutschl., I, 1860, 658, ex parte. 
Subgen. — Ganslb., Käf. Mitteur., 1, 1892, 209, ex parte. 

» — dGanglb., Münch. Kol. Ztschr., II, 1904, 192, ex parte. 

» — Apfb., Käf. Balk., I, 1904, 136, ex parte. 

» — J.Müll., Anzeig. Akad. Wiss. Wien, 2. Mai 1913. 

» — J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss., Wien, Bd. CX, 37 [47]. 


Weberi Ganglbauer 1911. 
Trechus (Anophth.) Weberi Ganglb., Wien. ent. Zeitg., 1911, 239. 
— — — J.Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 38 [48]. 


Gobanzi Ganglbauer 1911. 
Trechus (Anophth.) Gobanzi Ganglb., Wien. ent. Zeitg., 1911, 237. 
| — — —- 1]. Müll, Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 39 [49]. 


113 


Krimberg bei Laibach, 


Oberkrain. 


Ozalj (Kroatien). 


Velebitgebirge. 


Nordbosnien: 
Höhle bei Zepte, 


Steiner Alpen: Grintouz. 


Höhle bei Eisenkappel 


Kärnten). 


114 ...J. Müller, 


Scopolü Sturm 1851. Innerkrain, Tarnowaner 


Wald, St. Gendra. 
Anophthalmus Scopolii Sturm, Deutschl. Ins., XXI, 1851, 111, t. 392, f. A. 


— -— Schaum, Natg. Ins. Deutschl., I, 1860, 662. 
Trechus (Anophih.) Scopolii Ganglb., Käf. Mitteleur., I, 1892, 217. 
— —  —  Ganglb., Verh. zool. bot. Ges. Wien, 1899, 530. 
— —  —  Winkler,Ent. Blätt., 1912, 244. 
— —  — J.Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 40 [50]. 


Subsp. bohiniensis Ganglbauer 1903. Erna prst (Julische Alpen). 


Trechus (Anophth.) bohiniensis Ganglb., Wien. ent. Zeitg., 1903, 118. 
.—  —  Scopolii bohiniensis Ganglb., Wien. ent. Zeitg., 1911, 240. 
— -  - -— Winkler, Ent. Blätter, 1912, 244. 
— — —- -— J.Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 40 [50]. 


Subsp. Paveli Csiki 1899. Fiumaner Karst (Bukova 


EEE EN kusa, Risnjak, Kupjak). 
Trechus (Anophth.) Paveli Csiki, Term. Füz., XXII, 1899, 479. 


—  — sScopolii Ganglb., Verh. zool. bot. Ges. Wien, 1899, 530, ex parte. 
— —  — Paveli Ganglb., Wien. ent. Zeitg., 1911, 241, ex parte. 

— —  -— Bartkoi Winkler, Ent. Blätter, 1912, 245. 

— — -— Pavel). Müll, Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 41 [51]. 


Subsp. Bartkoi Csiki 1912. Fiumaner Karst 


(südwestlich vom RiSnjak; 
Anophlhalmus Scopolii var. Bartkoi Csiki, Ann. Mus. Hung., 1912, 510. 


— — var. Szilagyi Csiki, Ann. Mus. Hung., 1912, 510. 
Trechus (Anophth.) Scopolii Ganglb., Verh. zool. bot. Ges. Wien, 1899, 529, ex parte. | 
— —  -— Paveli Ganglb., Wien. ent. Zeitg., 1911, 241, ex parte. 
— —-  -—- -—- Winkler, Ent. Blätter, 1912, 244. 
— — —  Bartkoi J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 41 [51]. 


Fuzine, Plasa, Bitoraj). 


Subsp. Kaufmanni Ganglbauer 1899. ; Unterkrain: Gottschee. 


Trechus (Anophih.) Scopolii var. Kaufmanni Ganglb., Verh. zool. bot. Ges. 1899, 530. 
— — — Kaufmanni Ganglb., Wien. ent. Zeitg., 1911, 241. 
— —- -  - Winkler, Ent. Blätter, 1912, 246. 
— — -— -— J.Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. CX, 42 [52]. 


Subsp. Weingärtneri Winkler 1912. Sijemegebirge bei Agram. 


Trechus (Anophlh.) Scopolii Weingärtneri Winkler, Ent. Blätter, 1912, 246. 
— — -—- -— J.Müll. Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. CX, 42 [52]. 


Schaumi Schmidt 1859. Oberkrain. 


Anophlhalmus Schaumi Schmidt, Ztschr. krain. Landesmuseum, 1859. 
— -— Schmidt, Verh. zool. bot. Ges. Wien, X, 1860, 670, t. XII, f. 4. 
— — Schaum, Natg. Ins. Deutschl., 1860, 661. 
— — Joseph, Berl. ent. Ztschr., 1870, 263. 
Trechus (Anophth.) Schaumi Ganglb., Käf. Mitteleur., I, 1892, 218. 
— —- -— Winkler, Ent. Blätter, 1912, 247. 
— — -— J.Müll. Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 42 [52]. 
? Ab. vel subsp. planipennis Joseph, Berl. ent. Ztschr., 1870, 264. Unterkrain. 
Trechus (Anophih.) Schaumi var. planipennis Ganglb., Käf. Mitteleur., I, 1892, 218. ) 


ne ne ee 


1j 


Höhlenfauna der Östalpen und des Balkan. II. 


Subsp. Knirschi Winkler 1912. 


Trechus (Anophth.) Schaumi Knirschi Winkler, Ent. Blätter, 1912, 247. 
J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. CX, 44 [54]. 


Subsp. Hochetlingeri Winkler 1912. 


Trechus (Anophth.) Schaumi Hochetlingeri Winkler, Ent. Blätter, 1912, 248. 
— J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. CX, 44 [54]. 


Subsp. Bernhaueri Ganglbauer 1895. 


Anophthalmus Bernhaueri Ganglb., Wien. ent. Zeitg., 1895, 262. 
Trechus (Anophth.) Schaumi Bernhaueri Winkler, Ent. Blätter, 1912, 247. 
J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 44 [54]. 


Schmidti Sturm 1844. 


Anophthalmus Schmidti Sturm, Deutschl. Ins., XV, 1844, 131, t. 303. 

Schaum, Natg. Ins. Deutschl. I, 1860, 661. 

Joseph, Berl. ent. Zeitschr., 1870, 262. 

Trechus (Anophth.) Schmidti Ganglb., Käf. Mitteleur., I, 1892, 217. 

J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 45 [55]. 

? Anophthalmus Motschulskyi F. Schmidt, Verh. zool. bot. Ges. Wien, 1860, 671. 


? —  cordieollis Motschulsky, Etud. ent., 1862, 43, 
? — rostratus Motschulsky, Etud. ent., 1862, 43. 
? — trechioides Motschulsky, Etud. ent., 1862, 44. 


Subsp. insignis J. Müller 1912. 


Trechus (Anophth.) Schmidti insignis J. Müll., Wien. ent. Zeitg., 1912, 299. 
J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 45 [55]. 


Subsp. opacipennis J. Müller 1913. 


Trechus (Anophth.) Schmidti opacipennis J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Bd. XC, Wien, 
46 [56]. 


Subsp. istriensis J. Müller 1909. 


Trechus (Anophth.) Schmidti istriensis J. Müll., Wien. ent. Zeitg., 1909, 273 
J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 46 [56]. 


Subsp. Flachi Winkler 1912. 


Trechus (Anophth.) Schmidti Flachi Winkler, Ent. Blätter, 1912, 248. 
J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 46 [56]. 


Subsp. Soösi Csiki 1912. 


Anophthalmus Schmidti var. Soösi Csiki, Ann. Mus. Hung., 1912, 511. 
Trechus (Anophth.) Schmidti Soosi Winkler, Ent. Blätter, 1912, 248. 
J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 46 [56]. 


Erebus Krauss 1906. 


Trechus (Anophth.) Erebus Krauss, Wien. ent. Zeitg., 1906, 257. 


J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 47 [57]. 
Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC. Bd. 


115 


Südsteiermark (Umgebung 


von Franz). 


Kroatien: Höhle bei Oza]j. 


Karawanken: Hochobir. 


Innerkrain (loc. class: 


Höhle von Luegg). 


? Velka Pasica am Krimberg. 
Vranitzna jama. 
Krain. 


Krain. 


Tarnowaner Wald bei Görz. 


Krimberg (Krain): 


Velka Pasica. 


Nordistrien. 


Monte Maggiore. 


Fiumaner Karst: RiSnjak. 


Südsteiermark (besonders 
Umgebung von Leutsch 


und Praßberg). 


16 


116 J: Müller, 


Mariae Schatzmayr 1904. 


Trechus (Anophth.) Mariae Schatzm., Münch. Kol. Ztschr., II, 1904, 210. 
J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 48 [58]. 


hirtus Sturm 1853. 


Anophthalmus hirtus Stu rm, Deutschl. Ins., XXII, 1853, 93, t. 408, f. 5b, B. 


Schaum, Natg. Ins. Deutschl., I, 1860, 662. 

Joseph, Berl. ent. Aseleihe. 1870, 266. 

Trechus (Anophth.) hirtus Ganglb., Käf. Mitteleur., I, 1892, 218. 
J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 49 [59]. 


? Anophlhalmus costulatus M otsch., Etud. ent., XII, 1862, 42. 
rt 


hirtus var. convexus Joseph, Berl. ent. Zeitschr., 1870, 267. 


Subsp. ajdovskanus Ganglbauer 1913. 


Trechus (Anophth.) hirtus Ajdovskanus Ganglb., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. 


11 [21]. 


Trechus (Anophth.) hirtus Ajdovskanus J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. 


51 [61]. 


Subsp. Micklitzi Ganglbauer 1913. 


Trechus (Anophth.) hirtus Micklitzi Ganglb., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. 


11 [21]. 
Trechus (Anophth.) hirtus Micklitzi 
52 [62]. 


Subsp. Pretneri J. Müller 1913. 


Trechus (Anophth.) hirtus Pretneri 
52 [62]. 


J. Müll., 


Subsp. Kertecsi Csiki 1912. 


Anophlhalmus hirtus var. Kertecsi Csiki, Ann. Mus. Hung., 1912, 511. 


Trechus (Anophth.) hirtus Kertecsi J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. 


52 [62]. 


Subsp. istrianus Ganglbauer 1913. 


Trechus (Anophth.) hirtus istrianus Ganglb., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, 


12 [22]. 


Trechus (Anophth.) hirtus istrianus J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, 


52 [62]. 


Subsp. Mayeri J. Müller 1909. 


Trechus (Anophth.) hirtus Mayeri J. Müll., Wien. ent. Zeitg., 1909, 273. 


Subsp. spectabilis Joseph 18370. 


Anophthalmus hirtus speclabilis Joseph, Berl. ent. Ztschr., 1870, 267. 


J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, 


Denkschr. Akad. Wiss. Wien, 


J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 52 [62]. 


Bd. 


Bd. 


Bd. 


Bd. 


xXC, 


3EC, 


XC, 


RE 


Trechus (Anophth.) hirtus spectabilis J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 


53 [63]. 


Eggerloch bei Villach und 


Hochstuhl (Karawanken), 


Umgebung Laibach 


(Krimberg, Domäale etec.), 


Krain: 


Pasica-Grotte am Krimberg. 


Bründl an der Save. 


Radmannsdorf (Oberkrain). 


Karawanken: Hochstuhl. 


Fiumaner Karst: Höhle von 
Lokve. 


Nordistrien (Dimnice). 


Triester Karst (Noe-Grotte). 


Innerkrain. 


ts er 


a 


0 u Arne 


Höhlenfauna der Ostalpen und des Balkan. IT. 117 


Subsp. Severi Ganglbauer 1897. d | Voltja jama am Nanos. 


Trechus (Anophth.) Severi Ganglb., Verh. zool. bot. Ges. Wien, 1897, 565. 
— — hirtus Severi J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 53 [63]. 


pubens Bedel 1866. ; 
Planina und Laas 


Anophthalmus pubens Bedel, Ann. Soc. ent. France, 1866, Bull. CXXV. (Innerkrain). 
—  pubescens Joseph, Berl. ent. Ztschr., 1870, 268. 
Trechus (Anophlh.) pubens Ganglb., Käf. Mitteleur., I, 1892, 219. 
— — -— J.Müll. Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 54 [64].: 
Ab. aut subsp. (?) amplus Joseph, 1870. 
Anophlhalmus pubescens var. amplus Joseph, Berl. ent. Ztschr., 1870, 269. 
Trechus (Anophth.) pubens var. amplus Ganglb., Käf. Mitteleur., I, 1892, 219. 
— ab. aut subsp. (?) amplus J. Müll., Denksch. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 


55 [65]. 


Subgen. Aphaenopsis J. Müller 1913. 


Subgen. Aphaenops Ganglb., Wien. ent. Zeitg., 1891, 128, ex parte. 
» — Ganglb., Käf. Mitteleur., I, 1892, 196, ex parte. 
> — Apfb., Käf. Balk., I, 1904, 147, ex parte. 
Anophthalmus Ganglb., Münch. Kol. Ztschr., II, 1904, 193, ex parte. 
Aphaenopsis J. Müll., Anzeig. Akad. Wiss. Wien, 2. Mai 1912. 
» — J. Müll. Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 55 [65]. 


| Südbosnien (Bjelasnica und 


Apfelbecki Ganglbauer 1891. 
ö 3 } Preslica planina). 
Trechus (Aphaenops) Apfelbecki Ganglb., Wien. ent. Zeitg., 1891, 127. 


— — -— Ganglb., Käf. Mitteleur., I, 1892, 219. 

— —  — Apfb., Käf. Balk., I, 1904, 143 und 147. 

—  (Anophth.) Apfelbecki Ganglb., Münch. Kol. Ztschr., II, 1904, 193. 

— (ÄAphaenopsis) Apfelbecki J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 55 [65]. 


Subgen. Scotoplanetes Absolon 1913. 


Subgen. Scotoplanetes Absolon, Col. Rundschau, IT, 1913, 93. 
» — J. Müll. Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 87 [97]. 


S.-Herzegowina: 


Arenstorffhianus Absolon 1913. 
Höhle bei Zavala. 
Anophthalmus (Scotoplanetes) Arenstorffianus Absolon, Col. Rundschau, II, 1913, 93. 


| 
Trechus (Scotoplanetes) Arenstorffianus J. Müll. Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 


87 [97]. 
Subgen. Aphaenopidius J. Müller 1913. 
Subgen. ? J. Müll., Wien. ent. Zeitg., 1909, 274. 
»  Aphaenopidius J. Müll., Anzeig. Akad. Wiss. Wien, 2. Mai 1913. 
>»  Austriaphaenops Absolon Col. Rundschau, II, 1. Juni 1913, 99. 
» Aphaenopidius J. Müll. Denkschr. Akad. Wiss.. Wien, Bd. XC, 56 [66]. 
Treulandi J. Müller 1909. Südsteiermark (Franz und 


. Praßbeig). 
Trechus Treulandi J. Müll., Wien. ent. Zeitg., 1909, 274. 
| 


— (Aphaenopidius) Treulandi J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 57 [67]. | 


118 J. Müller, I 
‚ 
> 

Subgen. Pseudaphaenops Winkler 1912. | 
D 
Subgen. Psendaphaenops Winkler, Kol. Rundschau, 1912, 134. r 
» — J. Müll., Anzeig. Akad. Wiss. Wien, 2. Mai 1903. | 
» — )J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 58 [68]. N 
tauricus Winkler 1912. Krim. 


Trechus (Pseudaphaenops) tauricus Winkler, Col. Rundschau, 1912, 134. 
— — -— J.Müll. Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 58 [68]. 


Subgen. Neotrechus J. Müller 1913. 


Subgen. Anophthalmus Ganglb., Käf. Mitteleur., I, 1892. 


; — Apfb., Käf. Balk., I, 1904. 
» — dGanglb., Münch. Kol. Ztschr., 1904, ex parte. 
» Neotrechus J. Müll., Anzeig. Akad. Wiss. Wien, 2. Mai 1913. 
» — |]. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 59 [69]. 
Ganglbaueri Padewieth 1891. Velebit. 


Anophthalmus Ganglbaueri Padewieth, Wien. ent. Zeitg., 1891, 258. 
Trechus (Anophth.) Ganglbaueri Ganglb., Käf. Mitteleur., I, 1892, 217. 
Anophthalmus Ganglbaueri J. Müll., Sitzungsber. Akad. Wiss. Wien, 1903, 881. 
Trechus (Anophth.) Ganglbaueri Apfb., Käf. Balk., I, 1904, 147. 
—  (Neotrechus) Ganglbaueri J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 61 [71]. 


Paganettii Ganglbauer 1896. Bocche di Cattaro 


(Süddalmatien). 
Trechus (Anophth.) Paganettii Ganglb., Verh. zool. bot. Ges. Wien, 1896, 460. 


Anophlhalmus Paganettii J. Müll., Sitzungsber. Akad. Wiss. Wien, 1903, 881. 
Trechus (Anophth.) Paganettii Ganglb., Münch. Kol. Ztschr., II, 1904, 350. 
— —  —  Apfb., Käf. Balk., I, 1904, 143. 
—  (Neotrechus) Paganettii J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 61 [71]. | 


Subsp. Meixneri J. Müller 1912. Herzegowina (Umgebung 


Trebinje). 
Trechus (Anophth.) Paganettii Meixneri J. Müll., Wien. ent. Zeitg., 1912, 298. 


Trechus (Neotrechus) Paganettii Meixneri J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC 
62 [72]. 


2) 


Setniki Reitter 1904. Volujak 


Anophthalmus Setniki Reitt., Wien. ent. Zeitg., 1904, 151. (basn, nu Se - 


Trechus (Neotrechus) Setniki J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 62 [72]. 
Ottonis Reitter 1905. Tebranik 


Anophthalmus Ottonis Reitt., Wien. ent. Zeitg., 1905, 311. (bosn. mont. Grenze): 
Trechus (Neotrechus) Ottonis J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 62 [72]. 


dalmatinus L. Miller 1861. 


Zentraldalmatien. 
Anophthalmus dalmatinus L. Mill., Wien. ent. Monatschr., 1861, 255. 
— — Schauf., Verh. zool. bot. Ges. Wien, 1864, 673. ‚ 
— —  Reitt., Wien. ent. Zeitg., 1890, 101 und 102. 
Trechus (Anophth.) dalmatinus Gan glb., Käf. Mitteleur., I, 1892, 215, ex parte. 
Anophthalmus dalmatinus J. Müll., Wien. ent. Zeitg., 1903, 149 und 151. 


Höhlenfauna der Ostalpen und des Balkan. II. 


Anophthalmus dalmatinus J. Müll., Sitzungsber. Akad. Wiss. Wien, 1903, 881. 

Trechus (Anophth.) dalmatinus Apfb., Käf. Balk., I, 1904, 140 und 147. 

Anophthalmus dalmalinus J. Müll., Wien. ent. Zeitg., 1906, 149. 

Trechus (Neotrechus) dalmatinus J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien. Bd. XC, 63 [73]. 


Subsp. dinaricus J. Müller 1912. 


Trechus (Anophth.) dalmatinus dinaricus J. Müll., Wien. ent. Zeitg., 1912, 299. 
—  (Neotrechus) dalmalinus dinaricus J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 
65 [75]. 


Subsp. jablanicensis Apfelbeck 1904. 


Trechus (Anophth.) dalmatinus jablanicensis Apfb., Käf. Balk., I, 1904, 141. 
— (Neotrechus) dalmalinus jablanicensis J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, 
Bd. XC, 65 [75]. 


Subsp. Halmai Apfelbeck 1904. 


Trechus (Anophth.) dalmatinus Halmai Apfb., Käf. Balk., I, 1904, 141. 

Anophthalmus dalmatinus Halmai J. Müll., Wien. ent. Zeitg., 1906, 149. 

J. Meixner, Mitt. Nat. Ver. Steierm., Bd. 47, 1911, 411. 

Trechus (Neotrechus) dalmatinus Habmai J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 
65 [75]. 


Subsp. suturalis Schaufuss 1864. 


Anophthalmus suturalis Schauf., Verh. zool. bot. Ges. Wien, 1864, 673. 
Reitt., Wien. ent. Zeitg., 1890, 101. 

Trechus (Anophth.) dalmatinus g' Ganglb., Käf. Mitteleur., I, 1892, 216. 
Anophthalmus suturalis J. Müll., Wien. ent. Zeitg., 1903, 149. 

J. Müll., Sitzungsber. Akad. Wiss. Wien, 1903, 881. 

Trechus (Anophth.) suturalis Apfb., Käf. Balk., I, 1904, 141. 
Anophthalmus dalmatinus suturalis J. Müll., Wien. ent. Zeitg., 1906, 149. 


Trechus (Neotrechus) dalmatinus suturalis J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 
66 [76]. 
Subsp. trebinjensis Apfelbeck 1904. 


Trechus (Anophth.) suturalis trebinjensis Apfb., Käf. Balk., I, 1904, 141. 
— (Neotrechus) dalmatinus lrebinjensis J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. 
XC, 66 [76]. 


Subsp. metohiensis Apfelbeck 1904. 


Trechus (Anophth.) suturalis melohiensis Apfb., Käf. Balk., 1904, 141. 
— (Neotrechus) dalmatinus metohiensis J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 
66 [76]. 


Subsp. amplipennis J. Müller 1911. 


Trechus (Anophth.) dalmalinus suluralis amplipennis J. Müll., Wien. ent. Zeitg., 1911, 2. 
Trechus (Neotrechus) dalmalinus amplipennis J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. 
XC, 67 [77]. 


Hilfi Reitter 1903. 


Anophthalmus Hilfi Reitt., Wien. ent. Zeitg., 1903, 212, und 1904, Taf. I, Fig. 9. 
Trechus (Neotrechus) Hilfi J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 67 [77]. 


119 


Prologgebirge (Dinar. Alpen). 


Oberes Narentatal 


(Jablanica). 


Velezgebirge (Herzegowina). 


Montenegro, Herzegowina, 


Süddalmatien. 


Höhlen bei Movko und 


Trebinje (Herzegowina). 


Höhlen bei Gacko 


(Herzegowina). 


Mont.-bosn.-herzeg. 


Grenzgebirge. 


Mont.-bosn.-herzeg. 


Grenzgebirge, 


120 J. Müller, 


Subgen. Orotrechus J. Müller 1913. 


Genus Anophthalmus Schaum, Natg. Ins. Deutschl., I, 1880, 658, ex parte. 


Subgen. — Ganglb., Käf. Mitteleur., I, 1892, 209, ex parte. 
» —  Ganglb., Münch. Kol. Ztschr., II, 1904, 191, ex parte. 
» —  Apfb., Käf. Balk., I, 1904, 136, ex parte. 
4 Orotrechus J. Müll., Anzeig. Akad. Wiss. Wien, 2. Mai 1913. 
» De J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 68 [78]. 


Mandriolae Ganglbauer 1911. 


Trechus (Anophth.) Mandriolae Ganglb., Wien. ent. Zeitg., 1911, 241. 
.—  (Orotrechus) Mandriolae J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 70 [80]. 


Targionii Della Torre 1880. 


Anophthalmus Targionii Della Torre, Bull. Soc. ent. Ital., XII, 1880, 253, tav. I. 
—  —  Gestro, Ann. Mus. Civ. Genova, serie 2a, II, 1885, 146, tav. IV, fig. 8. 
—  —  Gestro, Bull. Soc. ent. Ital., XVIII, 1886, 39, tav. I, fig. 8. 

Trechus (Anophth.) Targionii Ganglb., Käf. Mitteleur., I, 1892, 215. 

Anophthalmus Targionii Gestro, Ann. Mus. Civ. Genova, serie 2a, XX, 1900, 571. 


Trechus (Orotrechus) Targionii J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 70 [80]. 


Subsp. Fiorii Alzona 189. 


Anophlhalmus Fiorii Alzona, Boll. del Nat. Siena, 1899, XIX, 94. 
—  —  Gestro, Ann. Mus. Civ. Genova, serie 2a, Vol. XX, 1900, 571. 
Trechus (Anophth.) Targionii Fiorii Ganglb., Wien. ent. Zeitg., 1903, 119. 
— — -— Subsp. (?) Fiorii Ganglb., Wien. ent. Zeitg., 1911, 243. 
— (Orotrechus) Targionii Fiorii J. Müll, Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 
71 [81]. 


Subsp. (?) vicentinus Gestro 1907. 
Anophthalmus vicenlinus Gestro, Ann. Mus. Civ. Genova, serie 3a, Vol. III, 1904, 172. 
Trechus (Anophth.) Targionii (aut. Holdhausi ?) subsp. (?) vicentinus Ganglb., Wien. ent. 
Zeitg., 1911, 244. 
—  (Orotrechus) Targionii subsp. (?) vicentinus J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, 
Bd. XC, 71 [81]. 


venetianus Winkler 1911. 
Anophthalmus venetianus Winkler, Ent. Rundschau, 1911, 4. 


Trechus (Orotrechus) venelianus J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 72 [82]. 


Messai J. Müller 1913. 
Trechus (Orotrechus) Messai J. Müll. Riv. Col. Ital., November 1913. 
— —  -— J).Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 89 [99]. 
Fabianii Gestro 1900. 
Anophthalmus Fabianii Gestro, Ann, Mus. Civ. Genova, serie 24, XX, 1900, 570. 
— — Vireet Alzona, Bull. Mus. d’hist. natur., 1901, 344 (Biolog.). 
Trechus (Orotrechus) Fabianii J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 72 [82]. 
Holdhausi Ganglbauer 1904. 


Trechus (Anophth.) Holdhausi Ganglb., Münch. Kol. Ztschr., II, 1904, 224. 


(Orotrechus) Holdhausi J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC. 73 [83]. 


Monte Mandriola (Südtirol) 
und Venez. Alpen. 


Bassano (Venez.) Südtirol. 


Monte Grappa 


(Venezianer Alpen). 


Monte Verlaldo 
(Vicentinische Alpen). 


Bosco Cansiglio 


(Venez. Alpen). 


Venezianer Voralpen. 


Monti Beriei bei Vicenza 


Bosco del Cansiglio 


(Venezian. Alpen). 


a "7 


Höhlenfauna der Ostalpen und des Balkan. II. 


longicornis Motschulsky 1862. 


Anophthalmus longicornis Motsch., Etud. Ent., 1862, 40. 
Trechus (Anophth.) globulipennis Ganglb., Verh. zool. bot. Ges. Wien, 1891, 462. 


—  (Orotrechus) longicornis J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 74 [84|. 


globulipennis Schaum 1860. 


Anophthalmus globulipennis Schaum, Natg. Ins. Deutschl., I, 1860, 660. 

— — Schmidt, Verh. zool. bot. Ges. Wien, 1860, 669, Taf. XII, Fig. 3. 
Trechus (Anophth.) globulipennis Ganglb., Käf. Mitteleur., I, 1892, 218. 

— — Müllerianus Schatzmayr, Wien, ent. Zeitg., 1907, 216. 


—  (Orotrechus) globulipennis J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 74 [84|. 


Species incertae sedis. 


Erichsoni Schaufuss 1864. 
Anophlhalmus Erichsoni Schauf., Verh. zool. bot. Ges., Wien, XIV, 1864, 674. 
Trechus (Anophth.) Erichsoni Apfb., Käf. Balk., I, 1904, 141. 
— —  -—  Ganglb., Münch. Kol. Ztschr., II, 1904, 350. 
—  (Subgen.?) Brichsoni J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XG, 76 [86]. 


amabilis Schaufuss 1863. 


Anophthalmus amabilis Schauf., Verh. zool. bot. Ges. Wien, 1863, 1220. 
Trechus (Anophth.) amabilis Ganglb., Käf. Mitteleur., I, 1892, 216. 
— — -— Apfb., Käf. Balk., I, 1904, 142. 
— —  — dGanglb., Münch. Kol. Ztschr., II, 1904, 351. 
—  (Subgen.?\ amabilis J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 77 [87]. 


capillatus Joseph 1870. 
Anophthalmus capillatus Joseph, Berl. ent. Ztschr., XIV, 1870, 269. 
Trechus (Anophth.) capillatus Ganglb., Käf. Mitteleur., I, 1892, 219. 
—  (Subgen. ?) capillatus J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 77 [87]. 


Pfeifferi Apfelbeck 1908. 


Trechus (Anophth.) Pfeifferi Apfb., Glasnik zemaljskog muzeja u Bosni i Herceg., XX, 
1908, 41€. 
— (Subgen.?) Pfeifferi J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 79 [89]. 


Noesskei Apfelbeck 1908. 


Trechus (Anophth.) Noesskei Apfb. Glasnik zemaljskog muzeja u Bosni i Herceg., XX, 
1908, 416. 
—  (Subgen.?) Noesskei J. Müll., Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XC, 79 [89]. 


121 


Höhle am Ljubnik bei 


Bischoflack. 


Innerkrain, Triester Karst. 


Montenegro. 


Dalmatiner Grotten 


(Narentatal ?). 


Godjama bei Oberskvil 


(Unterkıain) 


S. ©. Bosnien: 


Höhle bei Kalinovik. 


S. Herzegowina: 


Höhle am Orjen. 


[8 
[56 


Alphabetisches 


Acherontius . 
Aydovskanus 
amabilis 
amplipennis 
amplus . 
Anophthalmus 
Apfelbecki 
Aphaenopidius 
Aphaenops . 
Aphaenopsis 
Arenstorffianus 


Austriaphaenops . 


balcanicus 
Bartkoi 
Bernhaueri . 
Bilimeki 


bohiniensis 


capillatus . 
CONvVeXUS . 
cordicollis 
costulatus 


croaticus . 


dalmalinus . 
dinaricus . 
durmiltorensis . 


Duvalius . 


Erebus . 
Erichsoni . 


Eurydice . 


Fabianii 
Fiorii 
Flachi . 


Ganglbaueri 
Ghidinü . 


J. Müller, 


Register der Untergattungen, Arten, Rassen und 


Synonyme.!' 
Seite 
28 [38] Girometlai er 
51 [61] . globulipennis Schaum . 
77 [87 globulipennis Ganglb. . 
67 [77] Gobanzi 
55 [65] Gounellei . 
37 47] 
55 [65] Hacqueti . 
56 [66] Halmai 
59 [69] Hauckei 
55 [65] hercegovinensis 
er el Hifi, . 
65 [75] hirtus 
Hochetlingeri 
18 [28] Holdhausi 
41 [51] 
44 [54] insignis 
32 [42] istrianus . 
40 [50] istriensis . 
77 [87] Jablanicensis 
54 [64] 
47 [57] Kaufmanni . 
54 [64] Kanutianus 
32 [42] Kertezsi 
Kiesenwetleri 
63 [73] Knauthi 
65 [75] Knirschi . 
21 [31] Krüperi 
13 [23] 
Langhofferi . 
47 [57] Leonhardianus 
[86] likanensis 
28 [38] longicornis 
Iucidus 
72 [82] 
71 [Sl] maglajensis . 
46 [56] Mandriolae . 
Mariae . 
61 [71] Mayeri . 
19 [29] Meixneri . 


! Die Synonyme sind in gewöhnlichen Lettern und die Untergattungen fettgedruckt. 


Seite 
23 [33] 
74 [84] 
74 [84] 
39 [49] 
65 [75] 


35 [45] 
65 [75] 
35 [45] 
21 [31] 


. 67 [77] 


49 [59] 
44 [54] 
73 [83] 


45 [55] 


..52 [62] 


46 [56] 


42 [52] 
22 [32] 
52 [62] 
35 [45] 
17 [27] 
44 [54] 
25 [85] 


86 [96] 
19 [29] 
35 [45] 
74 [84] 
25 [35] 


22 [32] 
70 [80] 
48 [58] 
52 [62] 


62 [72] 


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Höhlenfauna der Ostalpen und des Balkan. I. 123 


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Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC. Bd. 17 


124 J. Müller, Höhlenfauma der Ostalpen und des Balkan. II. 


Inhalt 


Vorbemerkungen 
Klassifikation . 


Die wichtigsten morphologischen Merkmale und ihr mutmaßlicher Wert für die Stammesgeschichte der blinden Trechen 
Diagnosen neuer Trechusformen. Verfaßt von Regierungsrat L. GANGLBAUER Y. . . 
Übersicht der Untergattungen 


1. Untergattung Duvalius Delarouzee 


2. » Neoduvalius J. Müller 

3. > Typhlotrechus J. Müller 
4. » Anophthalmus Sturm 

5. » Aphaenopsis J. Müller . 

6. » Aphaenopidius J. Müller . 
ae » Pseudaphaenops Winkler . 
8. > Aphaenops Bonvouloir . 
2 » Neotrechus J. Müller 
10 >» Orotrechus J. Müller . 


Species incertae sedis 
Anhang: Bestimmungstabelle sämtlicher Arten ohne Rücksicht auf das natürliche System 


Nachträge. (Enthaltend die Beschreibungen der während der Drucklegung der vorliegenden Arbeit publizierten neuen 


Formen nebst anderen Bemerkungen) . . 
Übersicht der Fundorte der blinden Trechen nach geographischen Gesichtspunkten geordnet . 
Katalog. (Systematische Übersicht der hier behandelten Arten, Rassen und Synonyme mit sämtlichen Literaturzitaten) 


Alphabetisches Register . 


Seite 

1 day 
2. Ma] 
4 [14 
11 Se 
12.3282] 
13 [23] 
26 [36] 
31 [Al] 
37 [47] 
55 [65] 
56 [66] 
58 [68] 
59 [69] 
59 [69] 
68 [78] 
76 [86] 
80 [90] 
86 [96] 
91 fol] 
99 [109] 
112 [122] 


DIE 


GRÜNE PFLANZENWELT DER HÖHLEN 


IT ElE 


BESIERTALIEN ZUR 'SYSTEMATIK, MORPHOLOGIE UND PHYSIOLOGIE DER 
GRÜNEN HÖHLENVEGETATION UNTER BESONDERER BERÜCKSICHTIGUNG 
IHRES LICHTGENUSSES 


(FORTSETZUNG) 


VON 


DR: LUDWIG LÄMMERMAYR 


K. K. PROFESSOR AM REALGYMNASIUM IN GRAZ 
VORGELEGT IN DER SITZUNG AM 19. JUNI 1913 


Im nachfolgenden finden — als Fortsetzung der im 87. Bande der Denkschriften der mathematisch- 
Ä naturwissenschaftlichen Klasse der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien, 1911 bisher pub- 
lizierten Forschungsresultate — die Ergebnisse der botanischen Durchforschung weiterer 22 Höhlen, 
welche der Verfasser im Sommer 1912 dank einer Subvention des k. k. Ministeriums für Kultus und Unter- 


ı richt sowie des Deutschen und Österreichischen Alpenvereines durchführen konnte, ihre Darstellung. 


XXVI. Arzberg-Höhle bei Wildalpe (Steiermark). 


| Unfern des salzaabwärts gelegenen Steinbruchwirtes bei Wildalpe (609 m) führt ein Steig 
| zu einer in den Wänden des Arzberges (1043 m) in zirka 800 m Seehöhe gelegenen Höhle. Der Buchen- 
mischwald, den man beim Anstiege durchwandert, weist üppigen Niederwuchs mit zahlreichen subalpinen 
Elementen auf (Adenostyles glabra, Veratrum album, Saxifraga rotundifolia, Scolopendrium vulgare). 
Der Höhleneingang ist gegen Nordosten gewendet, zirka 2 m hoch und 4 »n breit, Vor demselben siedeln 
außer den eben angeführten Arten noch in größerer Menge: Lunaria rediviva, Senecio silvaticus, Lactuca 
muralis, Mercurialis perennis, Epilobium alpestre, Origanım vulgare, Potentilla caulescens, Cystopteris 
montana, Phegopteris Robertiana, Fegatella conica und mehrere Mnium-Arten. Die Beleuchtung des 


| 
I) 
\ 


1 Fortlaufende Nummer (I. Teil I bis XXV]). 
Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC. Bd. 18 


126 Dr. L. Lämmermayr, 


Höhleneinganges ist durch die Kronen des Oberholzes sowie den am anderen Flußufer aufragenden über- 
höhenden Hansenkogel stark beeinträchtigt und zumeist auf diffuses Licht beschränkt. Die Stärke des- 


1 
selben betrug zur Zeit der Begehung (16. VII. 1912, 3" nachm.) 7 des Gesamtlichtes. Bis zu 8m Tiefe 


passiert man eine im Halbdunkel liegende, mit grobem Schutt bedeckte, völlig vegetationslose Zone. Es 
folgt ein weiter, hallenartiger Raum, der von zwei nordwestlich in beträchtlicher Höhe über der Höhlen- 


1 
sohle liegenden »Fenstern« erhellt wird. Trotz der Lichtstärke von L= >5 überziehen hier nur Krypto- 


gamen die am Boden liegenden groben Gesteinstrümmer. Von Moosen sammelte ich hier: Neckera compla- 
nata Hübn. Hypnum Sommerfeltii Myr., Fissidens decipiens De Not, Mnium stellare Hedw., sämtlich 
steril, ferner einen nicht näher bestimmbaren soredialen Flechtenthallus; von Algen fehlte nicht die an 
solchen Stellen typische Cyanophyceen-Vegetation. Die erwähnte Halle erstreckt sich bei einer Breite von 
20 ım fast 23 m einwärts. Von ihrem Hintergrunde führt eine Stiege in eine zirka 10m höher gelegene 
Etage empor, wo sich die erwähnten zwei Fenster befinden. Auch diese Öffnungen sind bis zu einer Tiefe 
von mehreren Metern einwärts mit Vertretern der Moose und Algen (der erwähnten Arten) bewachsen. 
Von hier aus betritt man einen völlig dunklen, vegetationslosen, stark ansteigenden Gang. Durch Tropf- 


wasser aufgeweichter, roter Höhlenlehm erschwert das Fortkommen ungemein. Eine Abzweigung führt‘ 


zu einem dritten, noch höher gelegenen Fenster von dem aus sich ein prächtiger Blick auf den Salzafluß 
und Wildalpen erschließt. Hier siedeln, im Rahmen der Öffnung, unterhalb welcher die’Felswand steil zur 
Tiefe abschießt, einige Exemplare von Moehringia muscosa, Asplenium trichomanes, Neckera complamata 


1 
Beimlssei; 
ei ri 


XXVIH. Höhle ım Großen Thorstein bei Wildalpe. 


Diese (auch in der Spezialkarte eingezeichnete) Höhle erreicht man, wenn man von der nach Groß- 
Reifling führenden Straße etwa fünf Minuten unterhalb des Steinbruchwirtes abzweigt und einen in 
Serpentinen durch Buchenwald aufwärts führenden Pfad verfolgt. Man gelangt zunächst zur Almhütte 
»Schifter«. Von hier ist die — schon im Aufstiege sichtbar gewesene — Höhle in 30 Minuten zu 
erreichen. Es ist eine gewaltige Nische oder Grotte in den Wänden des Thorstein, zirka 1100 m hoch 
gelegen. Das Portal Öffnet sich nach Norden, ist 15 m hoch und ebenso breit. Die Tiefenerstreckung beträgt 
30 m. Vor der Höhle wuchert eine artenreiche Vegetation, von der nur: Arabis alpina, Adenostyles glabra, 
Aconitum Napellus, Pimpinella magna, Galeobdolon lüteum, Geranium Robertianum, Chaerophyllum 
Cicutaria, Viola biflora, Saxifraga rotundifolia, Urtica dioica, Campanula pusilla, Cystopteris fragilis 
besonders hervorgehoben seien. Die Portalfelsen sind bedeckt mit Calloplaca elegans und Verrucaria 


1 
calciseda. Lichtstärke am Eingange = (rein diffuses Licht, 17. VII. 1912, 9® vorm). Die Höhle ist bis 


zum Ende so reichlich mit Pflanzen bewachsen, daß nur an den Rändern ab und zu der fein kalk-sandige 
Boden, aus dem zerstreute Blöcke hervorragen, sichtbar wird. Bis zu 8 m Tiefe, an der rechten Eingangs- 
seite, findet sich häufig auf von Tropfwasser benetzten Steinen: Verrucaria hydrela und Verrucaria 


1 
calcıseda, bei L= Fr Der Felswand entlang trifft man rechts bis zu 20m Tiefe Moose, wie: Neckera crispa 


Hedw., Hymenostylium curvirostre Lindb., Mnium serratum Brid. sowie Fegatella conica [z == ei Im 


mittleren Teile der Höhle bedecken zahlreiche Blütenpflanzen fast lückenlos den Boden, unter anderem bis 


zum Höhlenende vordringend: Adenostyles glabra (Blätter fast 2 dm breit), Viola biflora, Geranium‘ 


Robertianum, Galeobdolon luteum, Arabis alpina, Glechoma hederacea, Urtica dioica, Chrysosplenium 
alternifolium (sämtliche blühend), ferner Gystopteris fragilis, Asplenium trichomanes, Fegatella conica. 


Die grüne Pflanzenwelt der Höhlen. 127 


Lichtstärke in 30 m Tiefe = Der Höhlenhintergrund wird von einer unersteiglichen, vielfach durch 
Wasser glatt geschliffenen und mit Algenstreifen gezeichneten Wand gebildet, die von zahlreichen Rissen 
nach Art der Karrenfelder durchzogen ist. Aus diesen lugen allenthalben, selbst noch in beträchtlicher 
Höhe (10 m) Blätter von Adenostyles glabra und Viola biflora, die Wedel von Cysiopleris fragilis, 
Asplenium trichomanes, von Moosen: Amblystegium filicinum hervor. Ungefähr in der Mitte der Höhle (14m, 
j 
I=50 wächst am Boden reichlich Mnium rostratum Schwägr. sowie Timmia bavarica. 12 m vom 
"Eingang zweigt links ein niedriger Gang, den man nur gebückt durchschreiten kann, ab. Er führt nach 
etwa 15 m zu einem zweiten, kleineren Portale (NÖ), welches bis zu einer Tiefe von 3 m mit Adenostyles 
glabra, Glechoma hederacea, Cystopteris fragilis bewachsen ist. Wo der erwähnte Gang von der Höhle 
abzweigt, wächst in größerer Menge am Boden: Glechoma hederacea, Cystopteris fragilis, Fegatella conica, 
1 
Hoypnum palustre Hedw. (fruktifizierend), bei L= 14 
Zu den hier vorgefundenen Moosen sei bemerkt, daß Aypnum palustre von der Ebene bis in die 
Alpen geht und meist reichlich fruktifiziert, Mnium rostratum ist Kosmopolit, Neckera crispa geht bis 
1400 m, ist aber in den Alpen selten und nur steril; von Aymenostylium curvirostre wurde eine var. y von 
Leiner 1858 am Grunde des Bodensees entdeckt. 


XXIX. Eishöhle am Beilstein bei Wildalpe. 


Vom »Schifter« in westlicher Richtung ansteigend, gelangt man zum »Riedelbauer«, von hier auf 
jenen Rücken, der den Thorstein mit dem Beilstein verbindet und eine durchschnittliche Höhe von 
1300 »z hat. Zuletzt wendet man sich oberhalb der »Annerlbauernalm« nördlich und steht ganz unver- 
mutet vor dem, ohne ortskundige Führung kaum zu findenden Einstieg in das Eisloch (zirka 1300 m 
Höhe). Die Wanderung auf dem Kamme ist ganz eigenartig dadurch, daß die Gegend jenen Karst- 
charakter trägt, den man etwa zwischen Adelsberg und Zirknitz oder am Wege zur Crna jama 
vorfindet. Karenfelder wechseln mit Dolinen und Erdspalten.* Tiefer gelegene Mulden zeigen Moor- 
charakter. Rechts und links vom Höhleneinstieg erheben sich junge Fichten. Von einer verfallenen Holz- 
knechthütte, die bei Kraus (Die eherne Mark) angegeben ist, war keine Spur mehr zu sehen. Der Einstieg 
liegt rein südlich. Die Vegetation vor demselben setzt sich zusammen aus: Fagus silvatica, Sambucus 
nigra, Acer Pseudoplatanus, Sambucus racemosa, Juniperus communis, Vaccinium Myrtillus, Vaccinium 
Vitis Idaea, Senecio silvaticus, Rosa alpina, Saxifraga rotundifolia, Digitalis ambigua, Daphne Mezereu m 
Ajnga reptans, Asplenium Ruta muraria, Asplenium trichomanes, Asplenium viride, Phegopteris Rober- 
tana, Cystopteris fragilis, Althyrium Filix femina, Marchantia polymorpha (reichlich Antheridien und 
Archegonien tragend), Fegatella conica und Moosen. Temperatur in der Sonne + 22° C (17. VII. 1912 
2" nachm.). Die Beleuchtung der Einstiegstelle wird durch Hollunderbüsche und andere Sträucher stark 

1 
herabgemindert und betrug Z = 3 (entsprechend einer absoluten Intensität von 0:28). Den Einstieg ermög- 
lichten in primitivster Weise zwei nebeneinander gelegte, mit Kerben versehene halbvermorschte Baum- 
stämme. Die flache Sohle des Eisloches liegt etwa 20 m unter der Oberfläche. Am Beginne der »Stiege«, 
in I ın Tiefe, herrschte eine (Schatten-)Temperatur von + 8° C, am Ende der Stiege (in 10 ın Tiefe), von 
+ 1° C. Von hier senkt sich ein Schuttkegel weitere 10 m zur Sohle der Höhle. Die Seiten des Erdspaltes 
(zu beiden Seiten der Stiege) sind mit Chrysosplenium alternifolium, Glechoma hederacea und Marchantia 
polymorpha in den obersten Teilen bewachsen, während weiter abwärts nur Moose auftreten, so: Aypmum 
molluscum Hedw., Brachythecium rivnlare Br. eur., Eurynchium crassinervium Br, eur, Eurynchium 


piliferum Br. eur., Fegatella conica, Marchantia polymorpha (bis zu 6 m Tiefe). Am Ende der Stiege (10 m 


128 Dr. L. Lämmermayr, 


1 u 
Tiefe) sinkt die Lichtstärke auf 97° entsprechend einer absoluten Intensität von 0'051. Der Schuttkegel, 


der von hier abwärts zieht, ist zum großen Teil mit Schnee- und Eismassen bedeckt, auf denen vielfach 
große Erdballen samt den in ihnen wurzelnden Pflanzen auflagern, die durch einen zweiten, seitlich und 
höher gelegenen Schlund herabgerissen wurden. Unter anderem wachsen in diesen, blankem Eise auf- 
liegenden Erdballen Moose, wie: Amblvstegium Sprucei Br. eur. und Webera cruda Bruch. Vielfach sind 
sogar die Wurzeln und unteren Stengelpartien dieser Pflanzen von kompaktem Eise umschlossen, während 
die Stengelspitzen und obersten Stengelblätter aus demselben unversehrt und frisch grünend hervorragen. 
Die Beleuchtungsstärke ist hier zufolge der Lichtzufuhr (zeitweise sogar direktes Sonnenlicht) auch durch 


17° 
sprechend einer absoluten Intensität von 0:081). Auf Felsen, die dem Eise des Schuttkegels entragen, 
wachsen: Amblystegiwumm Sprucei Br. eur, Orthothecium rufescens, Orthothecium intricatum Br. eur., 
Eurynchium piliferum Br. eur. Auf hereingebrachtem Holz siedeln: Webera cruda Bruch., Amblystegium 
Sprucei, Orthothecium intricatum. Links an der Seitenwand ist der Fels mit dichten, mehrere Quadratdezi- 
meter bedeckenden Fellen von Amblystegium Sprucei überzogen. Unmittelbar daneben war eine große, über 
1 m? messende Eisplatte an die Wand gelehnt. Temperatur + 1° C. Felsen und Seitenwände zeigten den 
in Höhlen allerorts anzutreffenden graugrünen Algenüberzug (Cyanophyceen). Die Sohle der Höhle nimmt 
ein Eissee ein, den ich in horizontaler Richtung noch zirka 25m weit verfolgte. Aus demselben erheben 
sich stellenweise prächtige Eisstalagmiten. Von der Decke hängen Eisstalaktiten herunter. (Abbildung in 
Kraus: Höhlenkunde). Bis hierher reicht schwaches Tageslicht. Im Hintergrunde zeigten sich bei Fackel- 
schein mehrere, den weiteren Verlauf der Höhle andeutende Gänge, die aber völlig vegetationslos 


die erwähnte zweite Öffnung größer als am Ende der Stiege und steigt (in 18 m Tiefe) bis auf —,, ent- 


waren. 
Das vorgefundene Zurynchium piliferum ist im allgemeinen über 1000 m Seehöhe selten anzutreffen. 
Als höchste Standorte steriler Individuen wurden bisher in Steiermark beobachtet: Kaiserau 1500 m, 


Turrach 1600 m, Oberwölz 1750 m. N 


XXX. Hohlenstein-Höhle bei Maria-Zell. 


Am Wege zur Bürgeralpe (1267 m) bei Maria-Zell liegt in 913 m Seehöhe der »Hohlenstein«, 
eine mit zwei Portalen nach Norden sich öffnende Höhle. Die Vegetation vor beiden Eingängen besteht aus: 
Picea excelsa, Acer Pseudoplatanus, Ulmus montana, Berberis vulgaris, Sambucus nigra, Urtica dioica, 
Campanula rotundifolia, Aegopodium Podagraria, Chaerophyllum Cicutaria, Adenostyles glabra, Tara- 
xacum officinale, Senecio silvaticus, Mercnrialis perennis, Aquilegia vulgaris, Aconitum Napellus, Galium 
silvaticum, Lactuca muralis, Paris quadrifolia, Adoxa Moschatellina, Saxifraga rotundifolia, Asperula 
odorata, Galeobdolon luteum, Phyteuma spicatum, Geranium Robertianum, Asarum europaeum, Sorbus 
Aucnparia, Oxalis Acetosella, Primula elatior, Aspidium filix mas, Phegopteris Robertiana, Cystopteris 
fragilis, Asplenium trichomanes, Fegatella conica und zahlreichen Moosen, darunter Homalothecinm 
sericeum Br. eur. und Eurynchium praelongum Br. eur. Das linke, 5 m breite und 6 m hohe Felsenportal 
liegt um zirka 2 m höher als der rechte Eingang und wird von einer Ulme, Fichten und Berberitzen stark 


| 
beschattet. (L = 6 19. VII. 1912, 3° nachm.). In dasselbe ist eine Art Terrasse eingebaut, der Boden 
) 


planiert und mit Bänken versehen. An den Felsen unterhalb dieser Öffnung wachsen: Lactura muralıis, 
Urtica dioica und Urtica urens, Sambncus nigra, Cystopteris fragilis und Asplenivm trichomanes. Der 
Zugang zur Höhle wird durch das rechte, 4 m breite und ebenso hohe Portal vermittelt. Unmittelbar in 
demselben wachsen: Mercurialis perennis (fruchtend), Aegopodium Podagraria, Chaerophyllum Cicu- 
taria, Senecio silvaticus, Aquilegia vulgaris, Urtica urens, Phegopteris Robertiana, Qystopteris fragihs, 


e Die grüne Pflanzenwelt der Höhlen. 129 


1 
Bei = Fr Bis 2 m einwärts gehen: Senecio silvaticus, Mercurialis perennis, Chaerophyllum Cicutaria, 


\ 


Asplenium trichomanes, Eurynchium praelongum und Neckera complanata [2 = EL Bis 5 m dringen 
°) 


1 
ein: Asplenium trichomanes und Cystopteris fragilis (Felsen, links, L = —) Bis zum Hintergrunde der 
N 
Höhle sind es vom rechten Portale 13, vom linken 8 m. Die Breite der Höhle beträgt 36 m (von der linken 
Seitenwand bis zu einer Stiege (rechts), die in eine höhere, dunkle Etage emporführt. Innerhalb der linken 
Portalöffnung wachsen bis zu 2m Tiefe: Geranium Robertianum (blühend), Berberis vulgaris, Sorbus 
Aucuparia (in 3 m Höhe am Felsen), Asplenium trichomanes, Homalothecium sericeum Br. eur. Gym- 


12 
nium Robertianum, Urtica wrens, eine Keimpflanze von Lactuca muralis, Fegatella conica, Eurynchium 


1 
nostomum calcareum N. u. H., Haplozia atrovirens z = |. In om Tiefe trifft man am Boden: Gera- 


1 
praelongum z — = an der Hinterwand (8 m Tiefe): Plagiochila interrupta und Gymnostomum  calca- 


reum, Fegatella conica sowie verkümmerte Exemplare von Asplenium trichomanes (Z = 100 00 } Der Boden 


des übrigen Höhleninnern ist völlig vegetationslos, obwohl humusreich und mäßig erhellt. Der Grund 
dürfte im häufigen Besuche dieser Höhle liegen, von dem der überall zertretene, teilweise festgestampfte 


Boden zeugt. 


XXXL Geldloch im Ötscher. 


Am Fuße des nach Süd-Südost in fast senkrechten Wänden abfallenden Ötscherkammes hat sich 
eine Schutthalde von etwa 10° Neigung gebildet und da, wo Felswand und Halde ihre Grenzlinie ziehen, 
liegt in 140 m Seehöhe die Seelucken oder das »Geldloch«.! Man erreicht die Höhle am leichtesten 
vom »Spielbichler« (925 m) aus, durch schönen Buchenwald ansteigend, der mit zunehmender Erhebung 
niedrige, an das Krummholz gemahnende Wuchsformen annimmt. Das Portal ist gegen Süden gerichtet 
und von gewaltigen Dimensionen. Die Außenvegetation weist charakteristische Elemente der alpinen 
und subalpinen Felsen- und Geröllflora auf, darunter: Ranumculus narcissiflorus, Polygonum viriparum, 
Achillea atrata, Achillea Clavenae, Primula Auricula, Viola biflora, Meum athamanticum, Adenostyles 
glabra, Saxifraga rotundifolia, Veratrum album, Linum alpinum, Centaurea montana, Globularia cordi- 
folia, Ranumculus montanus, Arabis alpina, aber auch Bewohner tieferer Lagen, wie: Phyteuma orbicu- 
lare, Galeobdolon luteum, Urtica dioica, ferner Cystopteris alpina, Asplenium viride, Calloplaca elegans, 
Homalothecium sericeum, Eucalypta vulgaris Hoffm. (fertil), Orthotrichum cupulatum Hoffm. Grimmia 
conferta Funcke, Psenudoleskea catenulata Br. eur. Die Temperatur betrug — außen — im Schatten 
+ 11° C (bewölkter Tag, 20. VII. 1912, 4" nachm.). An einer anderen, durch Felsblöcke vor dem aus 
dem Höhlentor heraufstreichenden, kalten Winde mehr geschützten Stelle wurden + 14° C. abgelesen. 


1 
Unmittelbar im Eingange sinkt die Temperatur auf + 9° C. Die Lichtstärke betrug hier = (ent- 


sprechend einer absoluten Intensität von 0:51). Ein Schuttkegel von 35° Neigung, in den oberen Teilen 
mit Schnee bedeckt, zieht zur Tiefe, wo sich, 20 »» unter dem Niveau der Mündung, ein Raum von 36 m 
Länge und 24 m Breite befindet (6 m hoch), der mit ganz oder teilweise überfrorenem Wasser bedeckt ist. 
Der Pflanzenwuchs beschränkt sich zumeist auf die dem Schuttkegel auflagernden, gewaltigen Felsblöcke 
— und entgeht daher, trotz des zahlreichen Besuches der Höhle — der Vernichtung. Bis zu 7 m einwärts 
wachsen (Felsen, rechts): Endocarpon miniatum var. compactum, Eurynchium crassinervium Br. eur, 


1 Fugger, Eishöhlen und Windröhren, 24. Jahresbericht der Kk. k. Oberrealschule in Salzburg, 1891. 


130 Dr. L. Lämmermapyr, 


1 | Rn 
Tortnla aciphylla Limpr., Pseutdoleskea atrovirens Br. eur. (Temperatur +5°G,L= 3 (absolute Inten- 


sität = 0°34). 4 m einwärts (links) wächst noch Cvstopteris alpina. Auch auf einer natürlichen Felsen- 
brücke, unterhalb der Portalwölbung, siedelt in dieser Tiefe der Farn in großer Menge. In 15m Tiefe 


wachsen: Timmia bavarica Host. Orthothecium rufescens Br. eur., Eurynchium praelongum Br. eur., 


1 
Plagiothecinum MüllerianumBr. eur. (Temperatur + 2°C, L= = (absolute Intensität = 004). In 30 m 


u 


Tiefe fand ich: Plagiothecium Müllerianum, Timmia bavarica. Amblystegium Sprucei Br. eur. (Tempe- 


1 seh 
ratur + 2°C, L=_,, , absolute Intensität = 00056). In 37 m Tiefe, auf Felsen, links: Timmia bavarica, 


180° 

Eurynchium praelongum. In 45 m Tiefe: Eurynchium praelongum. In 52 m Tiefe ebendasselbe Moos. In 
A] 

60 m Tiefe: Mnium stellare Hedw. (Temperatur + 2°C, L= 350° 


75 m Tiefe: Plagiothecium Müllerianum. In 90 m Tiefe: Eurynchium praelongum. (Temperatur + 2° C, 


absolute Intensität = 0°0029). In 


a) 


= ——, absolute Intensität = 0:0018). In 98 m Tiefe, richtiger gesagt, Längenerstreckung vom Ein- 
gange, endet der Schuttkegel und beginnt der mit blankem Eise bedeckte Höhlenboden, beziehungsweise 
Eissee. Im Hintergrunde erklimmt man über eine Eiswand eine höhere Etage. Das Licht reicht wenig 
über das Ende des Schuttkegels. In der unmittelbaren Nähe des Eises sinkt die Temperatur auf 
+1°C. Day 

Charakteristisch für die Innenvegetation ist das gänzliche Fehlen der Blütenpflanzen. M. Heeg 
sammelte »am Eingange zu den Eishöhlen des Ötschers« auch Reboulia hemisphaerica (Heeg, Die Leber- 
moose Niederösterreichs, Berichte der zoologisch-botanischen Gesellschaft in Wien, 1893). _ 

Nach Dr. A. Schmiedl war am 8. IX. 1855, 2" nachm. die Temperatur im Eingange + 9° C, im Eisdom 
2-1° C. Zu den vorgefundenen Moosen ist zu bemerken: Orthotrichum cupulatum ist in der Alpenregion 
spärlich und kümmerlich entwickelt (Steiermark bis 1200, Tatra bis 1900 m). Eurynchium crassinervum ist 
ein nicht sehr häufiger Bewohner der schattigen, feuchten, unteren Bergregion (Steiermark 200 bis 900 7m). 
Von Psendoleskea atrovirens wurde eine var. ß von Schwägrichen auf Steinen zwischen Eis an der 
Salmshöhe am Glockner entdeckt. Amblystegium Sprucei wurde von Weber in sterilen Exemplaren in 
der Baumannshöhle im Harz gesammelt sowie im Allgäu beim Gletscher der Mädelegabel in 2250 m Höhe 
gefunden. Eurynchium praelongum überschreitet selten 530 m (Tauern bis. 1800 m gefunden). Mninm 
stellare ist über 1400 m selten und meist steril. 


XXXH. Herdengelhöhle bei Lunz (Niederösterreich). 


Auf der Straße von Lunz gegen Kasten wendet man sich beim Bauernhause »Postlehen« rechts 
aufwärts und kommt nach einer Stunde zum »Herdengelbauer«, in dessen Nähe in zirka 750 m See- 
höhe die Höhle liegt. Das Portal ist nach Norden gewendet, 9 m breit, 1’7 m hoch. Außenvegetation: 
Picea excelsa, Fagus silvatica, Acer Pseudoplatanus, Sorbus Ancuparia, Senecio silvaticus, Geranium 
Robertianum, Saxifraga rotundifolia, Urtica dioica, Oxalis Acetosella, Glechoma hederacea, Chaero- 
phyllum Cicutaria, Adenostyles glabra, Paris quadrifolia, Ranunculus montanus, Sanicula europaea, 
Anemone trifolia, Rubus Idaeus, Campannula rotundifolia, Aspidium Filix mas, Mnium undnlatıum Hedw,, 
Brachythecium rivulare Br. eur, Thammium alopecurum Br. eur, Neckera complanata Hübn., Mnium 
stellare Hedw., Plagiochila interrupta Dum., Fegatella conica. An der Felswand des Portales siedeln: 
Moehringia muscosa, Campamula rotundifolia, Adenostyles glabra, Rubus .Idaeus, Asplenium_ tricho- 


1 
manes, Gymnostomum calcareum N. u. H. [2 IT 21. XII. 1912, 4” nachm. stark bewölkt). Unmittelbar 


Die grüne Pflanzenwelt der Höhlen. 131 


im Eingang wuchsen: Senecio silvaticus, Saxifraga rotundifolia (blühend), auf einem Felsblocke, 2-+n 
einwärts: Adenostyles glabra, Glechoma hederacea, Geranium Robertianum, Urtica dioica, Oystopleris 


| fragilis, Gymnostomum calcareum N. u. H., Neckera complanata Hübn., Thamnium alopecurum Br. eur. 


l 1\ 
| =) In 4 m Tiefe, rechts, an der Felswand: Brachythecium rivulare Br. eur. [2 = 16), in 5 m Tiefe 
0) 


am Boden: Glechoma hederacea, Senecio silvaticus, Cystopteris fragilis (auf Steinen), nebst Asplenium 
trichomanes, Brachythecium rivulare, Eurynchium praelongum, Mnium stellare, Fegatella conica, Plagio- 


chila interrupta Dum. = = SS S m einwärts traf ich (Felsen, links): Mnium stellare, Plagiochila inter- 


18/' 
{ 1 
rupta, Fegatella conica ee | sowie eine Keimpflanze von Fagus silvatica mit zwei ziemlich küm- 
” - * ” - . ” * 1 \ 
merlich entwickelten Keimblättern. (Nach Wiesner gedeiht Fagus silvatica als Unterholz noch bei -, .. In 
90) 


1 
9m Tiefe wächst auf Steinen noch Thamnium alopecurum Br. eur. bei L = Der Boden ist erdig, 


teilweise von Steinen bedeckt. Stellenweise ist Tropfwasser häufig. Dort siedelt unter anderem das 
erwähnte Brachythecium rivulare. In 9 m Tiefe senkt sich die Höhlendecke auf fast I m herab, erhöht 
sich aber bald wieder. Von 9 m an ist die Höhle, von Cyanophyceen-Krusten abgesehen, vegetationsleer; 
erstreckt sich aber noch zirka 45 m in nordöstlicher Richtung, in welcher Tiefe sich ein hochgelegenes 
Fenster befindet. Hier tritt auf Steinen noch immer Algenanflug auf. Links führt ein enger, ganz finsterer 
Gang weiter ins Berginnere. Die Höhle wird ziemlich häufig begangen. 


XXXI. Nixgrotte bei Losenstein (Oberösterreich). 


Am Abhange des Reidlerkogels (westlich von Losenstein) liegt in zirka 800 m Höhe eine 
geräumige Höhle mit einem nach Süden gerichteten, 10 m breiten, 5 m hohen Portale. Tiefenerstreckung 
zirka 43 m. Unmittelbare Außenve getation: Fraxinus excelsior, Lappa minor, Urtica dioica, Capsella 
bursa Pastoris, Atriplex patulum, Buphthalmum salicifolium, Clematis Vitalba, Agrimonia Eupatoria 
Cynanchum Vincetoxicum, Petasites albus, Rumex Acetosella, Stellaria media, Potentilla caulescens. 
Etwas unterhalb der Höhle trifft man im Buchenwalde noch häufig Daphne Laureola. Die Lichtstärke am 


Portale betrug L — . Bis zu 6 m einwärts trifft man am Boden hauptsächlich Urtica dioica, Stellaria 


3-2 
media, Petasites albus; auf einem Felsblock, nahe der linken Seitenwand (in 5 m Tiefe) wächst: Lactura 
muralis (blühend), eine Collema-Spezies, von Tropfwasser benetzt, Plagiothecium pulchellum Br. eur. 


So 
dortselbst auch Galium aparine, Asplenium trichomanes, Asplenium Ruta muraria. Die Collema-Spezies 


1 
= Dasselbe Moos wächst auch an der linken Seitenwand in 4m Tiefe ziemlich reichlich, 


ist auch in 2 m Höhe an den Eelsen links zu sehen. Rechts am Felsen, in 4 ,n Tiefe, wachsen: Actaea 
spicata, Asplenium trichomanes, Asplenium Ruta muraria, Gymmostomum _ calcareum N. u. H., Tortula 


muralis Hedw. (mit Kapseln, Z = 


z, 


} Bis zu 15 m Tiefe geht am Boden Lactuca muralis (bis 11m 


blühend), Fegatella conica, an den Felsen rechts: Asplenium trichomanes, Gymnostomum calcareum 


1 
NE lER i= =! Von da an trifft man an den Wänden ab und zu sorediale Flechtenanflüge und Cyano- 


f 


phyceen in Tiefen von 18 m, 21 m|L= = 43 m. Der Boden ist steinig und steigt schwach an. Die 


80) 


132 Dr. L. Lämmermapyr, 


Temperatur wurde am Höhleneingange mit + 18° C, in 22m und 43 m Tiefe mit je + 12° C gemessen. 
Die Höhle verengt sich sodann zu einem ostwärts ziehenden, dunklen Gange. Tortula muralis ist 


1 
Kosmopolit. Angerer gibt für den Lichtgenuß dieses Mooses an: L=1 — 7, (März bis Mai). 


XXXIV: Dachstein-Riesen-Eishöhle bei Obertraun. 


Die im Juli 1910 durch G: Lahner, J. Pollak und J. Kling gemachte Entdeckung dieser größten 
Eishöhle Europas hat in den weitesten Kreisen berechtigtes Aufsehen hervorgerufen. Obwohl in dem vom 
Vereine für Höhlenkunde in Österreich herausgegebenen Werke: »Die Höhlen im Dachstein, Graz, 
1913, die Flora dieser Höhle durch Herrn Landesgerichtsrat G. Gaunersdorfer in Linz bereits eine vor- 
läufige Bearbeitung gefunden hat, ergab meine Begehung der Höhle am 4. VII. 1912 eine nicht 
unwesentliche Ergänzung, beziehungsweise Berichtigung der veröffentlichten Beobachtungen. Man erreicht 
die Höhle von Obertraun aus über die Schönbergalpe, woselbst seit dem Sommer 1912 ein einfaches 
Unterkunftshaus, das auch Forschern einen Stützpunkt zu wissenschaftlichen Arbeiten abgeben soll, sich im 
Baue befindet. Oberhalb dieser Alpe liegt, in zirka 1560 m Höhe der Eingang zur Höhle, der nach Nord- 
westen gerichtet ist. Die Flora vor derselben ist ungemein üppig und artenreich. Gaunersdorfer zählt 
auf: Urtica dioica, Arabisalpina, Valeriana saxatilis, Rhododendron hirsutum, Adenostyles glabra, Myrrhis 
odorata, Viola biflora, Campanula rotundifolia, Saxifraga rotundifolia, Achillea moschata, Carduus 
defloratus, Campanula pusilla, Dianthus glacialis, Silene Pumilio, Plagiochila interrupta, Satureja 
alpina, Gentiana asclepiadea, Gentiana ciliata, Lysimachia Nummularia, Adoxa Moschatellina, Poten- 
tilla repens, Alchemilla fissa, Mercurialis perennis, Stachys recta, Daphne Mezereum, Sambucus race- 
mosus, Erica carnea, Polygonatum officinale, an Flechten (nahe dem Hauptportale): Aspicilia tenebrosa, 
Biatoria aurantiaca, Polyblastia intercedens („Calcarea“), Lecanora murorum. Hierzu möchte ich 
bemerken, daß die Angabe bezüglich des Vorkommens von Achillea moschata auf einer Verwechslung 
mit der sehr ähnlichen Achillea atrata, jene von Silene Pumilio mit Silene acanlis beruhen dürfte. Auch 
Myrrhis odorata und Dianthus glacialis habe ich nicht gefunden und kommen alle diese Arten nach 
Fritsch, Exkursionsflora für Österreich, 1897, in Oberösterreich überhaupt nicht vor. Außer den übrigen 
aufgezählten Arten beobachtete ich noch: Sarifraga stellaris, Polygonum viriparum, Rumex alpinus, 
Epilobium montanum, Primula Auricula, Myosotis alpina, Chrysoplenium alternifolium, Galeobdolon 
Iuteum, Geranium Robertianum, Parnassia palustris, Rhododendron Chamaecystus, Aquilegia vulgaris, 
Heliosperma quadrifidum, Pinus Pumilio, Ranunculus montanus, Salix glabra, Stellaria nemorum, 
Phyteuma hemisphaericum, Asplenium trichomanes, Asplenium viride, Cystopteris fragilis, Aspidium 
Lonchitis, Calloplaca elegans. Das Portal ist 8m breit, 4 bis 5 m hoch. Die Temperatur betrug + 8° C 
(14. VII. 1912, 8% vorm.). Gaunersdorfer fand am 8. X. 1911, 9° vorm. dieselbe Temperatur. Die 


Beleuchtungsstärke betrug der Gesamtintensität. In den Nachmittagsstunden, wo der Eingang auch 


direktes Sonnenlicht erhält, dürfte sich dieser Wert erheblich vergrößern. Die Flora, welche sich vom Ein- 
gange bis zu dem in 9m Tiefe eingebauten, mit einer eisernen Tür versehenen Steinmauerabschlusse 
vorfindet, ist bei Gaunersdorfer nicht näher erwähnt. Ich fand eine auffällige Verschiedenheit der 
Vegetation längs der rechten und linken Seitenwand, welche mit Temperaturunterschieden zusammen- 
hängt. Längs der rechten Seitenwand streicht nämlich ein aus der Höhle kommender, eisiger Wind, der 
die Lufttemperatur daselbst auf + 2° C abkühlt, wogegen die linke Seite eine Temperatur von + 5° C 
aufweist. Links wachsen bis zu 5°5 m einwärts: Arabis alpina, Chrysosplenium alternifolium, Ranuncenlus 
montanus, Viola biflora, Glechoma hederacea, Urtica dioica, Stellaria nemorum, Cystopteris fragilis, 
Fegatella conica, Timmia bavarica Host., Orthothecium intricatium Br. eur, bi lL= 10’ die ersten vier 
genannten blühend; rechts bedecken Boden und Felswand nur Moose, und zwar: Eurynchium Vauchert 


En 


Die grüne Pflanzenwelt der Höhlen. 
Schimpr., Timmia bavarica, Orthothecium intricatum, Orthothecium rufescens sowie Algen (Cyano- 


1 
phyceen), I=,,;0 m Tiefe). Hart vor dem Höhleneingange macht Myosotis alpina halt. Rhododendron 


hirsutum wächst noch an der rechten Seite des Portales, aber durch einen Felsblock vor der unmittelbaren 
Einwirkung des kalten Höhlenwindes geschützt. Hinter dem Steinmauerabschlusse sind die Felstrümmer 
bei einer äußerst schwachen Beleuchtung, nur mit einem Algenanfluge bedeckt. Mag. pharm. E. Ritz- 
berger in Linz bestimmte diese Anflüge als von: Gloeocapsa violacea, Gloeocapsa ambigna, Gloeocapsa 
alpina var. saxicola herrührend. 

enige Schritte westlich. des Hauptportales der Eishöhle zieht das sogenannte Eisloch (oder der 
Eiskeller), eine kurze Sackhöhle mit Eisboden, zur Tiefe. Der Eingang liegt gleichfalls nordwestlich, ist 


er, 
zirka 15 m breit und 8m hoch, L = 5: Außenvegetation wie vor dem Hauptportale. Die Innenflora des 


mäßig steil zur Tiefe ziehenden Eisloches, dessen sandiger Boden durch Tropfwasser dauernd feucht 

gehalten wird, besteht bis zu 7 m Tiefe aus: Arabis alpina, Urtica dioica, Glechoma hederacea, Cystopteris 
1 

fragilis, beil=s-. Weiter hinab zieht — nach Gaunersdorfer — ein Teppich von Moosen, die er 

sämtlich ohne Sporogone antraf: Bryum torquescens, Bryum turbinatum, Bryum atropurpureum, Hypnum 

incurvatum, Mnium punctatwm. Ich sammelte bis zu 14m Tiefe: Eurynchium praelongum Br. eur. 

Eucalypta contorta Lindb., Mnium serratum Brid., Eurynchium crassinervium Br. eur, Hypnmum 


i 
molluscum, bei L = 70 (Nach Gaunersdorfer betrug die Lichtintensität, 10 m vom Eingange entfernt, 


zwischen 1/10 und ?/,10% vorm. „ bis=- und nahm tiefer rapid ab.) Die von Gaunersdorfer für das 
Eisloch angegebene Cystopteris montana konnte ich nicht beobachten; es dürfte (nach der Abbildung 
zu schließen) eine Verwechslung mit Cystopteris fragilis oder Cystopteris regia vorliegen. Außerdem 
leben im Eisloch noch Cyanophyceen, aber, wie auch Gaunersdorfer bemerkt, keine Flechten. Die 
Temperatur am Eingange maß ich mit + 8° C in 14 m Tiefe, am Rande des kleinen Eissees, mit + 2°5° C. 
Die niedrige Temperatur des Eisloches, in welches die Nachmittagssonne direkt hineinscheinen kann, 
erklärt sich nach Herrn Ing. H. Bock aus seiner Eigenart als »ein Luftsack, der vom Eingang weg nach 
abwärts hängt<; sie liegt unter dem Jahresmittel, welches der dortigen Gegend und Höhenlage mit + 6° C 


entspricht. 


XXXV. Backofen-Höhle unfern voriger. 


Ebenfalls in nahezu gleicher Höhe mit voriger, jedoch 200 m rechts von ihr gelegen, liegt eine 
zweite, kleinere Höhle, der Backofen genannt. Das Portal liegt nach Norden, ist 12 m breit und 2:5 m 
hoch. Außenvegetation: Pinus Pumilio, Salix glabra, Adenostyles glabra, Viola biflora, Ranumculus 
montanus, Heliosperma quadrifidum, Rhododendron hirsutum, Bellidiastrum Michelii, Dentaria ennea- 
phyllos, Arabis alpina, Saxifraga rotundifolia, Saxifraga stellaris, Cystopteris fragilis, Fegatella conica. 


1 
Die Lichtintensität am Eingange betrug L= 2.6 VII. 1912, 2% nachm.), die Temperatur + 11° C. Bis 


zu 13 m Tiefe breitet sich ein förmlicher kleiner Wald von Cystopteris fragilis aus, dessen Wedel aufs 

schönste euphotometrisch auf Vorderlicht eingestellt sind (die Spreiten stehen vom schrägen Stiel fast 

unter 90° in eine Vertikalebene eingestellt, wie gekämmt, da). Am Boden ist viel Fegatella conica ein- 

gemischt. Bis 1:5 m wächst Rhododendron hirsutum, Saxifraga rotundifolia und Saxifraga stellaris, 
1 


1 
letztere beide blühend, bei Z = 5.8 Bis 2 m geht Dentaria enneaphyllos, blühend, L — 6.5 bis 10 m 


Denkschriften der mathem.,-naturw, Kl. XC, Bd. 39 


134 Dr. L Lämmermasr, 


ji « . 
Arabis alpina und Viola biflora, beide blühend, Z = —, Temperatur + 7°5° C. Von Moosen wurden bis 


16’ 
. \ 1 
zu 3m Tiefe gesammelt: Aypnum molluscum Hedw.und Mnium stellareHedw,L = 9 bis 6 m: Di- 
“ “ . 1 ” . 
stichum capillaceum Br. eur: und Mnium stelare Hedw., L = vr bis 12 m: Hymenostylium curvirostre 


1 
Linde, = 40 Von hier ab trifft man, bis 38 m Tiefe, nur mehr Cyanophyceen auf Steinen. Der Boden 


ist grobsteinig und steigt mäßig an. Temperatur in 38 m Tiefe = 55° C. Nach H. Bock verhält sich diese 
Höhle, in welche nie ein Sonnenstrahl eindringt, wie ein nach aufwärts führender warmer Luftsack und 
hat eine wesentlich höhere über dem Jahresmittel liegende Temperatur als die übrigen Höhlen des Gebietes 
(Temperatur + 9° C, Feuchtigkeitsgrad 45°/,, kein merklicher Luftzug). Sie wurde mit Bezug darauf von 
den Entdeckern auch »Backofen« genannt. Unter allen von mir bisher begangenen Höhlen weist diese 
einen hohen Grad von Ursprünglichkeit auf. Es kommt dies auch in der Flora in sehr vollkommener 
Weise zum Ausdruck. Fehlen doch sowohl vor als in der Höhle die sonst so charakteristischen Ruderal- 
pflanzen völlig. 


XXXVI. Koppenbrüller Höhle beı Obertraun. 


Diese Höhle liegt traunaufwärts, zirka °/, Stunden von Obertraun entfernt, in geringer Höhe über 
dem Flußbette, in zirka 530 m Seehöhe. Der Eingang ist nach Südwesten gerichtet, 22 m breit, 7 m hoch. 
Reichlich seine Hälfte wird (rechts) von einem Bachbett eingenommen in dem nach Regengüssen oft urplötz- 
lich gewaltige Wassermassen der Höhle entströmen. Am 5. VIII. 1912 war das Bachbett am Höhleneingange 
vollkommen trocken; erst weiter abwärts, außerhalb der Höhle, traten ab und zu seichte Tümpel in dem- 
selben zutage. Die Außenvegetation setzte sich, auf der Zugangseite (links, vor der im Portal einge- 
bauten Hütte) zusammen aus: Fagus silvatica, Picea excelsa, Acer Pseudoplatanus, Corylus Avellana, 
Aruncus silvester, Oxalis Acetosella, Impatiens noli tangere, Campanula rotundifolia, Geranium Rober- 
tianum, Arabis arenosa, Aspidium Filix mas, Aspleniwm trichomanes. Die Beleuchtungsstärke am Portal 


1 
betrug 1 = i® (4" nachm., trüber Tag). Rechts hängen von den Portalfelsen, die Wedel von Asplenium 


trichomanes und Asplenium Ruta muraria, die Blätter von Valeriana saxatilis herab. Oberhalb des 
Portales sind Corylus Avellana, eine Weidenart, Gräser und Krustenflechten angesiedelt. Innerhalb der 
Eingangswölbung ist die Vegetation auf der linken (= Weg) Seite eine sehr spärliche, im Bachbette da- 
gegen, allerdings auf Moose beschränkt, ungleich reicher. In 4 m Tiefe, vor der erwähnten Hütte wurden 


mehrere Keimpflanzen einer Dicotyledonen-Spezies (Carpinus Betulus?) angetroffen, bei L = 0 2 m ein- 


wärts, in den Fugen des aufgemauerten Weges, wachsen bachseitig: Oxalis Acetosella und Geranium 


1 
Robertianum, bei L— —.Nahe der Hütte, in derselben Tiefe findet sich Glechoma hederacea und Impatiens 
7 


noli tangere. Hinter der Hütte zieht in 22 m Tiefe links von oben ein gewaltiger Schuttkegel herab, durch 
den sich der Weg bahnt. Abgesehen von Algenüberzügen ist er vegetationsfrei. Die Lichtstärke ist hier nur 
1 
mehr 0: Der bis 40 m fast eben verlaufende Boden beginnt dann rasch zu fallen und über ein Gewirr von 
Blöcken steigt man, von 60 m an in schon völliger Finsternis, in die eigentlichen Räume der Höhle, aus der 
das dumpfe Brausen des Wassers heraufdringt, hinab. An der rechten Seitenwand des Einganges siedeln, 
wahrscheinlich über dem Höchstwasserstande: Thammium alopecurum Br. eur. und Mnium orthorhyuchtium 
Br. eur. Dieselben sind aber auch auf Steinen im Bachbette selbst eingangs anzutreffen, außerdem Brachy- 


NO 


Pen 


N... SRNEREUN.E WCUNN 


Die grüme Pflanzenwelt der Höhlen. 135 


1 
thecium rivulare Br. eur. und Didymodon spadiceus Mitt, bei L= —,In 7m Tiefe sammelte ich im 
9) 


1 
Bachbette Cinclidotus fontinaloides P. B., beil = 79, |1 m einwärts, dicke Polster bildend, Gymmostomum 


calcareum N. u. H., nebst Pseudoleskea atrovirens Br. eur. und einem in Soredien aufgelösten Flechten- 


1 
foallus, bei Z = 18 In 15 m Tiefe fanden sich: Anomodon viticulosus H. u. T., Gymnostomum rupestre 


Schleich, bei L = 30’ in 19 m Tiefe: Plagiochila interrupta, Tortella tortuosa Limr., Fissidens decipiens 


1 
De Not (fast ganz abgestorben), Psora Incida, letztere beide an der rechten Seitenwand, bei L — 45 Von 
ho) 


da ab trifft man nur mehr spärlichen Algenanflug. Die Temperatur am Höhleneingange betrug + 15° C, in 
19 ım Tiefe + 13° C. Die linke Seitenwand ist, besonders in der Nähe des Schuttkegels, reich an Sicker- 
wasser. Nach längerem Suchen Konnte ich auch an den Felsen des Bachbettes einige Blütenpflanzen, und 
zwar sterile Gräser, sowie ein Exemplar von Campanula rotundifolia (5 m einwärts) auffinden. 


XXXVI. Der Rabenkeller bei Obertraun. 


In den Felsen oberhalb der Hirschau-Alpe öffnet sich eine, von vorgeschobenen Felskulissen ge- 
bildete Kluft, die als Rabenkeller oder Rabenloch bezeichnet wird und, steil aufwärtsziehend, nach 
zirka 38 m, in eine kleine Höhle übergeht. Der Eingang zur Kluft ist nach Norden gewendet und in zirka 
1100 m Höhe gelegen. Die vom Ende der Kluft zu Tal ziehende Schutthalde ist bewachsen mit: Acer 
Pseudoplatanus, Rhododendron hirsutum, Rhododendron Chamaecystus, Adenostyles glabra, Rumex scutatus, 
Campannla pusilla, Erica carnea, Urtica dioica, Bellidiastrum Michelii, Viola biflora, Valeriana saxatılis, 
Agıilegia vulgaris, Galeobdolon Iuteum, Satureja alpina, Aspidium rigidum, Asplenium trichomanes. 
Asplenium viride, Cystopteris fragilis. Die Breite der Kluft beträgt am Eingange zirka 15 m, während die 


Seitenwände sich bis zu 20 m Höhe erheben. l.ichtstärke im Eingange Z = 6. VI. 1912 8 vorm), 


Hier dominieren: Adenostyles glabra, Aquilegia vulgaris, Galeobdolon luteum. Bis 15 m einwärts trifft man 
: 1 
viel Bellidiastrum Michelii (blühend), Rhododendron hirsutum und Rhododendron Chamaecystus Iz — 2) 
Bei 22 m Tiefe muß man eine intensive Traufe passieren, die von einem über die Felsen am Ende der Kluft 
im Bogen herabstürzenden kleinen Wasserfall gebildet wird. Hier wächst zahlreich Pellia Neesiana Limpr., 
Ä ! 
HAypnum commutatım Hedw., Hypnum falcatum Brid., auch Glechoma hederacea, bei L = ir außerhalb 
der Traufe am Felsen links Asplenium viride. Nach Passieren der Trautfe trifft man, in 30 m Tiefe, wieder 
Rhododendron hirsutum, Valeriana saxatilis, Campanıla pusilla, Aguilegia vulgaris, Galeobdolon luteum 
(junge Exemplare bisweilen mit ganz weißen Blättern), Geranium Robertianum, Adoxa Moschatellina, 
Adenostyles glabra, Urtica dioica, Viola biflora, Asplenium trichomanes, Cystopteris fragilis, Eurynchium 
. 1 \ 
praelongum Br. eur., Pseudoleskea catenulata Br. eur., Tortula ruralis Ehr. E = 19 71 In 38 m Tiefe 
\ 2" oO) 


schließt sich die Kluft, deren Vegetation bis dahin auch im Genusse des Oberlichtes stand, und beginnt die 


1 
eigentliche Höhle, deren Eingang 8 m breit und 3:5 m hoch ist. Lichtstärke hier — 14 In der Mitte des 


Einganges liegt ein großer Block. Oberhalb desselben kleben in der Portalwölbung Nester des Tichodroma 
miraria, haften Algenüberzüge und sorediale, stark reduzierte Flechtenanflüge. Bis 15 m einwärts wächst 


136 Dr: L Lämmermayry, 


Geranium Robertianum (blühend), Urtica dioica, Aguilegia vulgaris, Adoxa Moschatellina (blühend) auf ; 


1 
einem vom Hintergrunde herabziehenden Kegel von Terra rossa 2 — =: Bis 6 m Tiefe gehen noch 
r ” * . ” 1 D | ” i 1 4 
Urtica dioica und Geranium Robertianum (blühend), ZL = _-, bis 9 m Algen. Temperatur in 1'5 m Tiefe 


‚80 
1176 m Mieter 73. 


XXXVII. Höhle unterhalb der Aualpe beı Obertraun. 


Diese Höhle liegt am Abfall des Schafeck-Kogels gegen Winkl in einer Höhe von zirka 750 m. 
Der Eingang ist 15 m breit, 2:5 m hoch und nach Norden gerichtet. Tiefenerstreckung 18 m. Außen- 
vegetation: Rhododendron hirsutum, Arabis alpina, Adenostyles glabra, Valeriana saxatilis, Pingnicula 
alpina, Epilobium montanum, Viola biflora, Campannla rotundifolia, Lactnca muralis, Geranium Rober- 
tianum, Urtica dioica, Phegopteris Robertiana, Asplenium viride, Cystopteris fragilis, Fegatella conica. 
Der linken Wand zieht bis 8m einwärts eine erhöhte, grasige Terrasse entlang, auf der Geranium Rober- 
tianum, Adenostyles glabra, Lactuca muralis, Campannula rotundifolia, Viola biflora, Rhododendron hir- 
sutum, Phegopteris Robertiana, Cystopteris fragilis, Asplenium viride, Orthothecium rufescens Br. eur., 
Hypnum sulcatum Schimpr., Barbula palndosa Schleich, Fegatella conica siedeln. Die Lichtintensität 


1 1 
betrug (16. VIIL, 3° nachm.) am Eingange 5» auf der Terrasse in 8 m Tiefe 18 die Temperatur ein- 


gangs + 15° C. Die Blattstiele von Viola biflora auf der Terrasse waren sehr stark positiv heliotropisch 
gekrümmt, die Blätter deutlich euphotometrisch auf Vorderlicht eingestellt. In der Mitte des Einganges 
wachsen am Boden: Geranium Robertianum (blühend), Urtica dioica, Lactuca muralis, Arabis alpina und 
drangen bis 11 m Tiefe vor (Arabis alpina bis 8 m Tiefe blühend); mit ihnen Tröchodon cylindricus Schimpr. 


n 

und Zurynchium praelongum Br. eur. Lichtgenuß in 11 m Tiefe. = 9 Temperatur + 13° C. Von da ab 
il 

findet man bis zum Höhlenende nur mehr Algen auf der Vorderseite von Steinen, bis zul = 150 Die 


Höhle verengt sich hier auf 11 m Breite, bei 3m Höhe. Die Höhle wird, wie trockene Buchenblätter be- 
zeugen, im Winter als Vorratskammer für Laubstreu benutzt und, wie mein Führer versicherte, gern von 
Gemsen aufgesucht, die das Gras der Terrasse abweiden. h 


v 


XXXIX. Höhle oberhalb der Aualpe beı Obertraun. 


Der Eingang zu dieser Höhle liegt südöstlich der Aualpe in den Abhängen des Krippensteines in 


zirka 1300 m Seehöhe, ist nach Osten gerichtet, 15 m breit und 5 bis 6 m hoch, von Acer Psendoplatanus 
und Picea excelsa stark beschattet. Außenvegetation: Sambucus nigra, Aconitum Napellus, Veratrum 
album, Senecio silvaticus, Saxifraga rotundifolia, Galeobdolon Iuteum, Arabis alpina, Viola biflora, Par- 
nassia palustris, Chrysosplenium alternifolinm, Glechoma hederacea, Urtica dioica, Adenostyles glabra, 
Cystopteris fragilis, Cystopteris montana, Athyrium Filix femina und zahlreiche Moose. Lichtstärke am 


1 
Eingang (7. VII, 11° vorm). = 7: Unmittelbar im Eingange wachsen am Boden: Geranium Rober- 
Hanım, Urtica dioica, Adenostyles glabra, Viola biflora, Parnassia palustris, Arabis alpina, Cystopteris 


fragilis. Dieselben Pflanzen gehen nebst Sarifraga rotundifolia, Aconitum Napellus, Senecio silvaticus 


1 
(mit Ausnahme von Aconitum blühend) bis 4 m einwärts in dichten Trupps, L = 16 In dieser Niere 


Die grüne Pflanzenwelt der Höhlen. 137 


ergießt sich, rechts und links, von den Seitenwänden und der Decke eine kontinuierliche, starke Traufe. In 
derselben hängen Strähne von Grünalgen, während am Boden Brachythecium rivnlare Br. eur. und 
Fegatella conica massenhaft siedelt. Hinter der Traufe zieht quer durch die ganze Breite der Höhle ein 
dichter Bestand von Cystopteris montana mit deutlich euphotometrischen Wedeln, darunter eingemischt: 
Glechoma hederacea, Stellaria media, Viola biflora, Trichodon cylindricus, Brachythecium rivulare. Links 
steht in 9m Tiefe ein 12 m hoher Sambucus nigra und, von demselben beschattet, wachsen: Chrysosplenium 
alternifolium, Glechoma hederacea, Cystopteris montana, im Schatten letzterer wieder: Stellaria media, 
Amblystegium filicinum De Not, Brachythecium rivulare, Mnium vostratum Schw., Bryum pseudo- 
triquetrum Schwägr., Fegatella conica, bei L= 30: 
bedeckten Boden: Viola biflora und Glechoma hederacea, links an der Wand: Viola biflora, Asplenium 
viride und Cystopteris fragilis, letzteren mit ungewöhnlich langen Wedeln (Stiel 10 cm, Spreite 13 cm), 
sowie HAymenostylium curvirostre Lindb. und Eucalypta contorta Lindb. Rechts gehen Viola biflora, 
| 
61) 
dieser Tiefe ein schmaler Spalt aufwärts, während der übrige Teil des Höhlenhintergrundes von einer in 
7 Terrassen abgestuften Felswand gebildet wird, auf denen Viola biflora, Cystopteris fragilis, Asplenium 


Bis 11 m trifft man auf dem mit Steinen spärlich 


Glechoma hederacea, Cystopteris fragilis bis 15 m Tiefe z = . Nahe der linken Seitenwand führt in 


1 
trichomanes, Asplenium viride, Mnium rostratum, bei L = 60 siedeln. Die Blätter, beziehungsweise Wedel 


dieser Pflanzen sind besonders deutlich euphotometrisch, auf Vorderlicht eingestellt. Ein sehr bemerkens- 
wertes Verhalten zeigten in dieser Höhle Viola biflora und Glechoma hederacea. Die vor und unmittelbar 
in der Eingangsöffnung wachsenden Individuen dieser beiden Arten trugen Blätter von einer — nach 
Vergleich mit solchen anderer, mehr weniger freier Standorte — den Durchschnittswert erreichenden 
Größe. So betrug die maximale Breite der Blätter von Viola biflora am Eingange, beil = 7 3'9 cm, 
die Länge 3 cm, von Glechoma hederacea 4 cm, die Länge 3 cm. Die weiter einwärts gewachsenen Exem- 
plare ließen sehr deutlich zunächst eine progressive Vergrößerung der Blattfläche, die bei l = 49) in 
11 m Tiefe ihr Maximum erreichte: Breite = 6 cm, Länge —= 4 cm (Viola biflora), Breite = 5 cm, Länge 
— Acm (Glechoma hederacea), erkennen. Von da ab nahm die Größe der Blattflächen wieder ab und die 
auf den Terrassen der Hinterwand siedelnden Exemplare von Viola biflora hatten bedeutend kleinere Blätter 
als jene der außen wachsenden Individuen (Breite = 2:5 cm, Länge = 2 cm). Ich habe auf einen analogen 
Fall schon im ersten Teile dieser Arbeit, bei Asplenium trichomanes, hingewiesen. Es scheint demnach das 
Optimum für die vegetative Entwicklung von Viola biflora etwa beilL = 29 
Lichtabschwächung aber die Pflanze bereits nicht mehr blüht. In diesem Zustande verträgt sie aber noch 


zu liegen, bei welcher 


Lichtabschwächungen bis zu 61 Das Minimum für die Blüte dürfte, nach diesen und anderen Beob- 


1 1 
achtungen (Thorsteinhöhle), zwischen Z = 24 bis 40 liegen. Auch das Grün der Blätter von Viola 


1 
biflora erreichte innerhalb der Höhle, bei 49? den höchsten Grad der Sättigung, umdann wieder abzunehmen. 


XL. Höhle oberhalb des Goldloches beı Hallstatt. 


Am Wege von Obertraun nach Hallstatt liegt, wenige Meter oberhalb der Straße nächst dem 
»Hirschbrunnen« die Mündung eines verlassenen Stollens. Oberhalb desselben entquillt einem niederen 


138 Dr. L. Lämmermayr, 


Felsentor ein Bach, dessen Wasser nahe der linken Seitenwand abfließt und beim Stollen eine kleine 

* . * D | 
Kaskade bildet. Das Felsentor ist 4 m breit, links kaum I m, rechts nur 0:5 m hoch, so daß man nur 
kriechend vordringen kann, Die Mündung liegt, nach Nordosten gewendet, zirka 530 m hoch. Unterhalb 
derselben bricht der Fels in zwei Absätzen gegen den vorgelagerten Wald ab. Die Vegetation am Fuße dieser 
2 m hohen Felswand besteht aus: Adenostyles glabra, Campamnla rotundifolia, Chaerophyllum cicularia, | 
Geraninm Robertianum, Erica carnea, Lactuca mmuralis, Asplenium trichomanes, Asplenium viride, 
Phegopteris Robertiana. Die Beleuchtungsstärke unmittelbar an der Mündung betrug am 7. VII. 1912, 

l 

12" mittags 'g, wozu die starke Beschättung durch den vorgelagerten Buchenwald viel beiträgt. Doch 
erhält das Portal zeitweise von der in geringer Tiefe vorüberziehenden Straße sowie vom Seespiegel ab und 
zu stärkeres Reflexlicht. Die Temperatur betrug am Eingange + 11° C. Knapp einwärts der Wölbung 
wächst rechts Lactuca muralis (blühend), | m einwärts auf berieseltem Fels: Geranium Robertianu m 
Eurynchium praelongum Br. eur., Hypnum commautatum Hedw., Rhynchostegium rusciforme Br. eur,, 
Orthothecium vufescens Br. eur., Fissidens decipiens de Not, Mnium rostratum Schwägr., Fegatella 
1 : 
15 links an der Wand in derselben Tiefe: Eurynchium praelongum. In 3 m Tiefe trifft 
man an überrieselten Steinen: Eurynchium praelongum, an der Decke in 2 m Tiefe: Plagiothecium depressum 


conica, bei L = 


1 
Mitt. 2 = 5 Die Decke senkt sich dann so tief herab, daß ein weiteres Vordringen, abgesehen davon, 


daß der größte Teil der Höhle hier völlig mit Wasser erfüllt ist, unmöglich wird. 

Im Stollen (»Goldloch« genannt) wurden bei flüchtiger Besichtigung bis zu 3 m Tiefe nur Fega- 
tella conica, Cystopteris fragilis und Eurynchium praelongum angetroffen. Rhynchostegium rusciforme 
ist ein kosmopolitisches Wassermoos. 


XLJI. Der Kessel nächst dem Hirschbrunnen beı Hallstatt. 


Kurz vor dem »Hirschbrunnen« gelangt man auf der von Obertraun nach Hallstatt führenden 
Straße zu einem gewaltigen, zur Linken im Berghang sich öffnenden, mit Wasser zum Teil gefüllten, tiefen 
Kessel, der durch eine Felsbarriere vom Niveau der Straße getrennt ist. Seehöhe zirka 520 m. Die Rück- 
wand desselben wird von abschüssigem, vegetationsarmemFels gebildet, während die minder steilen Seiten- 
wände, besonders zur Linken, sowie die Vorderwand in ihren oberen Teilen Humus und reicheren Pflanzen- 
wuchs tragen. Wir finden da, am Kesselrande vorn und links: Acer Pseudoplatanus, Picea excelsa, Fagus 
silvatica, Aconitum Napellus, Helleborus niger, Sanicula europaea, Hepatica triloba, Geranium Rober- 
tianum, Chaerophyllum Cicutaria, Viola biflora, Cystopteris fragilis, Phegopteris Robertiana, Brachy- 
thecium rivulare, Fegatella conica, Amblystegium filicinum De Not, Mnium rostratum, Eurynchium prae- 
longum, sämtlich nach Oberlicht orientiert. Die Blätter von Acer Pseudoplatanus sind in der Krone 
deutlich nach Oberlicht, in den unteren Ästen aber nach Vorderlicht orientiert. Auf der Barriere wurde die 
Stärke des Vorderlichtes mtL= Fe jene des Oberlichtes mit - festgestell(7. VII 1912, 1?nachm.). 
An der rechten Seite des Kessels wachsen vorzugsweise: Campanula rotundifolia, Asplenium viride, 
Fegatella conica, die glatte Hinterwand trägt nur Moose und Algen. In den tieferen, zum Teil schwer zu- 
gänglichen Partien des Kessels fand ich, zwischen 3 bis 4 m Tiefe: Mnidim rostratum, Eurynchium prae- 
longum, Brachythecium rivnlare, Amblystegium filicinum, Hypnum stellatum Ehrb., Hypnum molluscum 


eh! 
Hedw., Didymodon spadiceus Mitt., Scapania acquiloba Dum,, bei L = 95 (Oberlicht). Der Kessel erhält 


in den Nittagsstunden, wo die Sonne direkt über demselben steht, die größte Lichtmenge. 


Die grüne Pflanzenwelt der Höhlen. 139 


XLI. Badlhöhle bei Peggau (Steiermark), 


Der Eingang zu dieser bekannten Höhle liegt !/; Stunde nördlich von Peggau, oberhalb des 
‘ Badigrabens in zirka 600 m Seehöhe. Das Portal ist 75 m breit, 2m hoch. Vorgelagert ist dichter 
Buchenmischwald. Außenvegetation: Cornus sanguinea, Sambucus nigra, Ribes Grossularia, Astrantia 
maior, Paris quadrifolia, Cyclamen europaeum, Hepatica triloba, Aclaea spicata, Asarım europaeum, 
Hedera Helix, Daphne Mezereum, Oxalis Acetosella, Senecio silvaticus, Aspidium Filiv mas, Asplenium 
trichomanes, Anomodon viticulosus H.u. F., Fissidens decipiens De Not, Plagiochila asplenioides Dum. 
Von der Wölbung des Portales hängen die Wedel von Polypodium vulgare und Asplenium trichomanes 
herab; auch Oyclamen europaeum, Corylus Avellana, Sorbus Anucuparia, Viburnum Lantana sind oberhalb 
des Höhlenportales angesiedelt. Rechts und links steht ein alter Efeustock, der zunächst über die Felsen 
emporklettert, um später an Haselnußstämmen sich anzuhaften. Bis zur Höhe des Portals (zirka 2 m) tragen 
beide Stöcke nur die gelappten Blätter der sterilen Form, darüber hinaus schreiten sie zur Bildung von 
Blüten und eirunden Blättern. Speziell der links stehende Efeu zeigte auch sehr schöne Übergangsblätter. 
Die Felswand zur Linken, zum Teil auch der Efeu dort, sind mit Moosen bewachsen, und zwar: Neckera 
complanata Hübn., Madotheca platyphylla Dum., Eurynchium Vaucheri Schimpr. Die Beleuchtungsstärke 
am Eingange betrug am 28. VII. 1912, 8? vorm. L= oz; um diese Zeit treffen gerade die Strahlen 
der Morgensonne die rechte Portalseite. Temperatur = + 11° C. Nach 5 m Tiefenerstreckung folgt sozu- 
sagen ein zweites, verengertes Innenportal (5 m breit, 1’8 m hoch). Hier steht rechts, nahe dem Felsen, 


ein zum Teil abgestorbener Hollunder mit einigen jungen, zirka 0:5 m hohen Schößlingen (Z = Tem- 


127 
peratur + 10° C), am Felsen selbst wächst hier Eurynchium praelongum, links Neckera crispa Hedw., 
Neckera Besseri Jur. in abgestorbenen, versinterten Rasen von Anomodon viticulosus H. u. F. Diese Moose 
stehen fransenförmig von der Felswand ab, nach dem von der rechten Seite einfallenden, stärksten Vorder- 
licht orientiert. Links wächst (in 35 m Tiefe) ein spannhoher Sambucus nigra mit 6 Blättern sowie 
steriler, kriechender Efeu. Von der Decke hängen in 3 m Tiefe abgestorbene Wedel von Asplenium tricho- 
manes herab. Das erwähnte zweite Innenportal wird durch beiderseits eingebaute Steine noch mehr ver- 
engt, so daß ein nur wenige Schritte messender freier Raum zum Durchschreiten bleibt. Diese Steine tragen 
Algenanflug. 

Die Höhle erniedrigt sich in dieser Tiefe auf 1°5 m. Das Licht reicht bis 22 m. Die Temperatur 
daselbst betrug + 10° C. Der Höhlenboden ist trocken, erdig, die Seitenwände stark versintert. Die außer- 
halb der Höhle, am Portal zu beobachtende, sich innerhalb sehr geringer Höhenunterschiede (2 bis 3 m) 
vollziehende Änderung der Blattform des Efeu, der nur unwesentliche Änderungen der Lichtstärke 
parallel gehen, nötigt mich anzunehmen, daß letztere denn doch nicht so ausschließlich oder in erster 
Linie an dem Zustandekommen des Blattdimorphismus dieser Pflanze beteiligt seien, als ich bisher zu 
glauben geneigt war, eine Ansicht, in der mich die im folgenden wiedergegebenen Befunde bei den Peggauer 
Felsenhöhlen nur bestärken. Auch Drude meint, daß das Blühen (und die damit eintretende Blattänderung) 
des Ffeu zunächst in Zusammenhang mit seiner südlichen Klimasphäre zu bringen sei und er schärfer, 
als man vielleicht glaube, die milden Winterklimate Deutschlands von den rauheren scheide. 


_  XLI. Höhle in der Peggauer Wand er) 


Ein vom Verschönerungsverein Peggau angelegter Weg führt zu den mit 1 bis 6 bezeichneten, 
Schon von weitem sichtbaren Höhlentoren in der Peggauer Wand. Das Portal der untersten Höhle (Nr. 1) 
ist 10 mm breit, 4 bis 5 m hoch und nach Nordwesten gerichtet. Seehöhe zirka 500 m. Vor demselben steht, 
die linke Seite beschattend, ein Exemplar von Acer campestre, Pinus silvestris, Berberis vulgaris, Crataegus 


140 Dr. L. Lämmermayr, 


Oxyacantha, Viburnum Lantana, am Boden kriecht Hedera Helix (steril) und wächst Cyclamen europaeum, 
Geranium Robertianum, Salvia glutinosa. Das Portal ist durch einen Pfeiler, der in einen nach vorn 
ziehenden Felsensporn ausläuft, in zwei ungleich große Hälften zerlegt. Die kleinere, linke endet blind mit 
einer Nische und steht durch ein rechtsseitiges Fenster mit der größeren, rechten Hälfte in Verbindung, 
von der aus man weiter ins Höhleninnere vordringt. Im folgenden wird die Vegetation beider Portalhälften 


1 
getrennt besprochen. Nische links: Lichtstärke am Eingang L = 23 (absolute Intensität = 028, 28. VII. 


1912, 11" vorm.). 3 m einwärts wächst Berberis vulgaris sowie ein reichbeblätterter Sambucus nigra, von 
dem drei Äste am Boden liegen, zwei überhängen; der Neigungswinkel (von der Vertikalen) beträgt zirka 
50°. An der Seitenwand links siedeln in derselben Tiefe: Hedera Helix (steril, mit rotbraun verfärbten 
Blättern), der etwa 1m hoch emporklettert, sowie Asplenium trichomanes.45 m einwärts trifft man am Boden, 
beziehungsweise am Felsen Geranium Robertianum (blühend), Hedera Helix (steril), Asplenium tricho- 


l 
manes, Asplenium Ruta muraria, Eucladium vertieillatumBr. eur.,bei L= 12 (absolute Intensität = 0 10). 


In 9m Tiefe wächst links am Boden Geranium Robertianum, Asplenium trichomanes, Asplenium Ruta 


1 
muraria nebst Algenanflügen auf Steinen, Z = 59 (absolute Intensität = 0'024). An der Decke siedeln 


in 5 m Tiefe: Moehringia muscosa, Asplenium trichomanes und Asplenium Ruta muraria. Der Boden ist 
lehmig und trocken. Rechter Eingang: Derselbe liegt etwas erhöht gegen vorigen und ist besser beleuchtet. 


a 
Mar 3-3 (absolute Intensität = 0:36). 1:5 m einwärts wachsen: Polygonatum multiflorum, Urtica dioica, 


1 
Hedera Helix (steril), Moehringia muscosa (L = 3» absolute Intensität — 024). In 4 m Tiefe findet man 


an der Decke in 2 m Höhe Moehringia muscosa, Salvia glutinosa (nicht blühend), Asplenium trichomanes 
und Asplenium Ruta muraria. 75 m einwärts siedeln rechts am Felsen Asplenium trichomanes, Brachy- 


1 
thecium densum Jur., beiiL = 60 


tationsleer, von Algen abgesehen, die bis zu 11 m Tiefe auf Steinen wachsen und fast nur grünes Reflex- 
licht von den dem Eingange vorgelagerten Brunnen erhalten. Temperatur am Eingange (in der Sonne) 
+ 22° C, rechts in 8m Tiefe (Schatten) + 13° C. Der Boden ist bis 22m eben und steigt dann all- 
mählich an. 


XLIV. Höhle ın der Peggauer Wand (Nr. 2). 


Das Portal dieser Höhle liegt nach Westen, ist 6 »m breit und 2 m hoch, von einer Hainbuche (Carpinus 


1 
Betulus) stark beschattet (Z = absolute Intensität = 0°17). Außenvegetation: Tihia grandifolia 


Rhammus Frangula, Salvia glutinosa, Anemone Pulsatilla, Moehringia muscosa, Asplenium trichomanes. 
15 m einwärts wachsen am Boden: Rosa canina, Rubus fruticosus (blühend), Berberis vulgaris, 3 m ein- 


1 
wärts: Tilia grandifolia (40 cm hoch), Lactuca muralis, bei L = 05 (absolute Intensität = 0°048), an der 


74 


Wand links Plagiothecium depressum Mit. und Asplenium trichomanes. In 9 m Tiefe wächst noch Asplenium 


1 . 
trichomanes, beiL = 90 (absolute Intensität = 0°013), in 13 nm Tiefe (Höhlenende) nur mehr Algen, 


1 
= 765 (absolute Intensität = 0°0072). Links führt in 9m Tiefe der »Delago-Kamin« nach aufwärts. 


Der Boden ist eben, steinig, am Ende von rotem Höhlenlehm gebildet. 


4 


Die grüne Pflanzenwelt der Höhlen. 141 


NENVerlchlemrderFessauer Wand (Nr. 3). 


Das Höhlenportal ist 45 mn breit, 3:5 m hoch, nach Süden gewendet. Vor. demselben eine typische 
Xerophyten-Vegetation, bestehend aus: Cytisus nigricans, Centaurea Jacea, Seseli glaucum, Allium 
angnlosum, Reseda lutea, Sedum albım, Sedum acre, Anemone Pulsatilla, Thalictrum foetidum, Arlemisia 
campestris, Malva Alcea, Campanula caespitosa, Chelidonium maius, Origanım vulgare, Ballota nigra, 
Medicago lupulina, Scabiosa ochroleuca, Moehringia muscosa, Alsine setacea, Alyssum transsilvanicum, As- 
plenium trichomanes, Asplenium Ruta muraria, Gymnostomum rupestreSchleich, Encladium verticillatum 


Br. eur. Die Beleuchtungsintensität betrug am Eingange Z/ —= Du (absolute Intensität = 054), die Tem- 


Z 


peratur (in der Sonne) + 21° C. 4m einwärts wuchsen links am Felsen Asplenium trichomanes und 
. ” . 1 . 
Asplenium Ruta muraria, am Boden Malva Alcea, bei L = 10 absolute Intensität = 0:12), rechts am 
Felsen Moehringia muscosa und Asplenium Ruta muraria. In 7 m Tiefe traf ich links an der Wand: 
Asplenium trichomanes, Asplenium Ruta muraria, Gymnostomum rupestre, am Boden Sambucus nigra 
p ’ 3 2 {>} 


(L = -, absolute Intensität = 0048), rechts am Felsen Asplenium trichomanes. 105 m einwärts wächst 


25 


links am Felsen: Asplenium trichomanes, Mnium stellare Hedw., Fissidens pusillus Wils., rechts auf 


1 
Steinen Cyanophyceen. (L = 35 absolute Intensität = 0'034). In 12 m Tiefe fand ich noch Jugendformen 
1 
von Asplenium trichomanes und sorediale Flechtenanflüge, bei Z = 00’ absolute Intensität — 0010). 


Das Licht reicht bis 22 nm Tiefe. Der Höhleneingang macht bald eine Drehung nach Osten, wodurch das 
starke Absinken der Beleuchtungsstärke zwischen 10 und 12 m erklärlich wird, und teilt sich in 15 sn Tiefe 
in je einen nach Norden und Osten verlaufenden Arm. Das Höhleninnere liegt von 3 m Tiefe an stets im 


Schatten. An der Decke wachsen eingangs noch Asplenium Ruta muraria und Algen. Temperatur in 
Lama. Diete:— :12°.C. 


XLVI. Höhle ın der Peggauer Wand (Nr. 4). 


Rechts von voriger Höhle öffnet sich das mit 4 bezeichnete, 75 m breite und 2 m hohe, nach Westen 
gerichtete Portal. Der Feisenpfeiler zwischen 3 und 4 wird von dem armdicken Stamme eines alten, 
blühenden Efeu verkleidet. Die Blüten und eirunden Blätter desselben beginnen von zirka 2 m Höhe — 
bei völlig gleicher Beleuchtung -— aufzutreten. Die Außenvegetation gleicht ganz der vor 3. Lichtstärke 


am Eingang L = 2-5 (absolute Intensität = 0°48). An der Decke wachsen in 2 m Tiefe Asplenium 


trichomanes und Asplenium Ruta muraria. Im Eingange trifft man rechts an Felsen bis zu 6 m Tiefe 

Moehringia muscosa und Asplenium trichomanes, bis 8m Tiefe links am Boden Convolvulus arvensis, 
1 

sowie Thalictrum foetidum, beiiL = 30’ (absolute Intensität =0 040). Rechts wachsen in derselben Tiefe 

am Felsen: Moehringia muscosa, Asplenium trichomanes, Asplenium Ruta muraria. Nach 50 m gelangt 

man, durch eine Verengung ansteigend, in eine weite Halle, welche auch von den Portalen 5 und 6 

schwaches Licht erhält. Der Boden ist hier mit Steinen übersät und vegetationslos. An der Hinterwand der 


Halle dagegen bemerkt man noch Cyanophyceen Vegetation. Z = (2), absolute Intensität = 0°0039. 


340 


Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC. Bd. 20 


142 Dr. L. Lämmermayr, 


XLVJH. Höhle ın der Peggauer Wand (Nr. 5). 


Dieses Portal ist nach Westen gewendet, 6 m breit, 2:5 m hoch. Vor demselben wachsen: Carpinus 
Betulus, Coryhıs Avellana, Hedera Helix, Acer campestre, Moehringia muscosa, Sedum album, Sedum 


> 1 
acre, Asplenium trichomanes, Asplenium Ruta muraria. Lichtstärke am Portal Z = Zi (absolute Intensität 


— 0:30). 3 m einwärts klettert an der linken Seitenwand HZedera Helix empor (steril) und wachsen Taraxacum 


officinale sowie Moehringia muscosa. Rechts steht in 0:5 m Tiefe ein 40 cm hoher Acer campestre, L= 7 


(absolute Intensität = 0°17), in 3m Tiefe wächst Sedum album (nicht blühend), Moehringia muscosa, 


1 
Asplenium trichomanes, bei L = 10 (absolute Intensität = 0:12); in 5 m Tiefe Carpinus Betulus, spann- 


1 
hoeh,'pel 7 = 1, absolute Intensität = 0:08). In 15 m Tiefe führt ein Fenster zum Eingang 4. Der Boden 


ist steinig und in größerer Tiefe bald völlig vegetationsleer. Nach 30 m mündet dieser Eingang in die bei 4 
erwähnte Halle. An der Decke trifft man eingangs Gymnostomum rupestre Schleich und sorediale 
Flechtenanflüge. 


XLVII. Höhle ın der Peggauer Wand (Nr. 6). 


Der Eingang liegt gegen Westen, ist 15 m breit und 2°5 m hoch. Außenvegetation: Acer campestre, 

Evonymus europaeus, Verbascum nigrum, Clematis Vitalba, Rhamnus Frangula, Cyclamen europaeum 
en. 

(am Boden). Die Felsenvegetation ist dieselbe wie in 3. Lichtstärke am Portal Z = 2.8 absolute Intensi- 

tät = 042), Temperatur (in der Sonne) + 22° C. Links im Eingange wachsen in 2:5 m Tiefe: Lactuca 

muralis, Reseda lutea, Chelidonium maius, Moehringia muscosa, Asplenium trichomanes, Asplenium Ruta 


1 
muraria, bei L= 9 (absolute Intensität = 013), rechts bis 5°5 m Tiefe: Lactuca muralis, Moehringia 


1 
muscosa, Reseda lutea, L — 2 (absolute Intensität = 0°10), in 8m Tiefe: Rosa canina, Urtica dioica, 


Moehringia muscosa, Viburnum Lantana (spannhoch), Asplenium trichomanes, Aspleninm Ruta muraria, 


1 
Eucladinm verticillatum Br. eur., bei L = 18 (absolute Intensität = 0'066). Links trifft man in 10:5 m 


Tiefe Chelidonium maius (blühend) sowie Blätter von Lactuca muralis, nebst Asplenium trichomanes und 


1 
Encladium verticillatum beiL= 9 (absolute Intensität = 0'054), Temperatur hier + 17° C. Hier verengt 


sich die Höhle auf 3:5 m Breite und 1 m Höhe. Links gehen Aspleninm trichomanes und Algen, rechts nur 
Algen bis 14 m Tiefe. In 16 m Tiefe erhöht sich die Wölbung wieder auf 2m, die bis dahin ebene Sohle 
senkt sich und mündet in die früher erwähnte Halle. Hier, an der Einmündungsstelle, wächst noch rechts 
am Felsen Asplenium trichomanes, bei L = =, (absolute Intensität = 0:0037). An der Decke wächst in 
4:5 m Tiefe Moehringia muscosa, auf Unterlicht eingestellt. 

Häufige Grabungen nach den Überresten des Höhlenbären dürften in allensechsHöhlen einen beträcht- 
lichen Teil der Bodenvegetation, besonders der weiter einwärts gelegenen Teile, vernichtet haben. Alle ' 
sechsHöhlensindtrocken, doch dringenvonihrer xerophytischen Außenvegetation nur wenige Elemente ein. 
Dagegen fehlen sonst typische Pflanzen, wie Glechoma hederacea, Chrysosplenium alternifolium, Fegatella 
conica, gänzlich. Das in 4 erwähnte Brachythecium densum ist ein spezifisches Kalkmoos und bisher aus 


Die grüne Pflanzenwelt der Höhlen. 143 
mehreren Höhlen: Buckenreuter Höhle, Espershöhle, Arnshöhle in Bayern bekannt. Der Lichtgenuß der in 5 


1 
vorgefundenen Acer campestre und Carpinus Betulus liegt nach Wiesner zwischen I bis Ag beziehungs- 


‘ 


1 
weise 1 bis ES 

Im Anhange zu meinen hier niedergelegten Beobachtungen, betreffend die grüne Vegetation der 
Höhlen, lasse ich eine Schilderung der Vegetation der Schellenberger Eishöhle (nach brieflichen Mit- 
teilungen von Gaunersdorfer) folgen. Diese Höhle wurde von dem Genannten im August 1911 besucht. 
Sie liegt am Absturz des Berchtesgadener Hochthrones, unterhalb der Mittagsscharte, in zirka 
1580 m Seehöhe und hat einen nach Osten gerichteten, spaltartigen Eingang, der anfangs horizontal ver- 
läuft, sodann unter einem Winkel von 40° nach abwärts zieht. Er erhält nur diffuses Licht. Eingangs breitet 
sich eine Schneemulde, dann folgt Bodeneis. Vor dem Eingange befindet sich eine Schneemulde mit Fäkalien 
und einer Vegetation, bestehend aus: Arabis alpina, Rumex Acetosa, Rumex crispus, Urtica dioica, Doro- 
nicum glaciale (2), Viola biflora, Myosotis odorata, Stachys recta, Satureja alpina, Erigeron alpinus, 
Aconitum paniculatum, Adenostyles glabra, Alchemilla fissa, Epilobium montanum, Saxifraga Aizoon 
Cirsium Erisithales, Artemisia vulgaris, Galium rotundifolium, Laserpitium latifolium, Mnium undulatum. 
Innen wurden an von Eis zum Teil bedeckte, tropfende Felsen angeschmiegt Jungermannia riparia, 
fruchtend, auch mit Antheridien, letztere dem Lichte schief zugewendet, von Flechten Collema, von 


Cyanophyceen Gloeocapsa-Arten angetroffen. 


Systematik der grünen Höhlenvegetation. 


Die im ersten Teile dieser Untersuchungen (1911) von mir in Höhlen nachgewiesene grüne Flora 
hat seither eine nicht unbeträchtliche Vermehrung der Artenzahl erfahren, an der in erster Linie die Moose 
partizipieren. Der Übersicht halber führe ich im folgenden sämtliche bislang von mir (und Gaunersdorfer) 
beobachtete Arten im Zusammenhange an: 

Algen. Cyanophyceen. Verschiedene Gloeocapsa-Arten (zum Beispiel Gloeocapsa violacea, 
Gloeocapsa ambigna, Gloeocapsa alpina var. saxicola nach Ritzberger), die wohl in keiner Höhle fehlen. 

Chlorophyceen: Eine Art im Tropfwasser in XXXIX, ferner Pleurococcus in XXV. 


1 il 
Flechten: 6 Arten, und zwar: Collema sp. (nis PN en Solorina saccata (Bis rer 2 


Sale, 24’ 35 
„WAR | 
Verrucaria calciseda Dr A Fr ‚ Verrucaria hydrela\L = = , Endocarponminiatumv ar.compactum 


l 1 
[z — =) Psora lucida Iz = =) Außerdem wurden häufig sorediale, nicht näher bestimmbare Flechten- 


anflüge in den vorderen Höhlenteilen angetroffen. 
Lebermoose: 9 Arten, und zwar: Fegatella conica (18 mal), Madotheca platyphylla (1), Plagiochila 


1 1 
interrupta (5), Lejeunia cavifolia (1), Haplozia atrovirens I bis a) Marchantia polymorpha 1 bis A 


/ / 1 
Pellia Neesiana I bis: ) Scapania acgniloba e bis =) Jungermannia riparia (nach Gauners- 


\ 


dorfer). 


1 
Laubmoose: 72 Arten, und zwar: Isopterygium depressum (9), Eurynchium praelongum 3, bis=. 
560) 


1 1 1 
Eurynchium piliferum B bis 7 , Eurynchium crassinervium \2, bis 0 ‚ Eurynchium Vaucheri|\ 2, bis ) 
/ 5) 
/ 


144 Dr. L. Lämmermayr, 


P “ M 13 5 Vie art 
Eurynchium strialum (1), Eurynchium striatulum (1), Mnium rostratum (8 Se) Mnium riparium (1), 


1 | | 
Mnium marginalum (1), Mnium stellare Ö bis ei ah Mnium undulatum (1), Mnium SuraE Id. bis cal 


1 
Mnium punctatum 1 bis- so) Mnium  Oxyrrhynchium (1), Amblystegium. filicinum (6), a 


1 4 
Sprucei D bis 18 a Thamnium alopecurum (4), Bryum capillare (1), Bryum lorquescens (1), Bryum turbi- 


natum (1), Bryum atropurpureum (1), Bryum psendotriguetrum (1), Neckera complamata (6), Neckera 


1 
Besseri (2), Neckera crispa (3), Timmia bavarica 6 bis sn) Anomodon viticulosus (4), Gymnostomum 


1 
rupestre (5), Gymnmostomum calcareum [6 bis =) Myurella apiculata (1), Thuidium tamariscinum (1), 


r 1 
Cirrhiphyllum crassinervinm (1), Brachythecium velutinum (1), Brachythecium rivulare BE bis %) Brachy- 


1 1 
thecium densum | Nbi 5) Leucodon scinvoides (1), Fissidens taxifolius (1), Fissidens decipiens a bis | 


l 
Fissidens pusillus (1), Oxyrrhynchium pumilum (1), Hypnum falcatum (3), Hypnum Se e bis ) 


I) 1 1 
Hypnum Sommerfeltii 1 bis 25) Rene palustre 1 bis m HAypnum commnutatum B bis | Hypnum 


stellatum 1 bis 


1 1 1 
e Hypnum molluscum 6 bis 5) Hypnum incurvatum 1 bis = 


Hypnum graviles- 


cens (1), Hymenostylium curvirostre B bis 60 


1 1 
si) Homalothecium sericeum (1), Webera cruda {i bis Ai 
[ 1 E f: 1 
Orthothecium intricatum (1 bis = 17) Orthothecium rufescens 3 bis 55), Tortula ans (1), Torinla 
l 1 
muralis (1), Tortula ruralis (1), Pseudoleskea atrovirens (2), Pseudoleskea catenulata ( bis a Plagio- 
thecium Müllerianum 0 bis 


1 1 1 
=6 st Plagiothecium pulchellum 1 bis = Trichodon cylindricus (2 bis =) 


1 1 
Eucalypta contorta B bis ai Rhynchostegium rusciforme (1), Didymodon spadiceus B bis 55 )oistinium 


1 1 1 
capillaceum 1 bis ax) Tortella tortuosa 0 bis ! Cinclidotus fontinaloides 1 bis or Barbula paludosa 


1 
0 bis e Eucladium verticillatum [3 is 99) 


1 - 
) Ctenidium molluscum (1). 
Farne: 11 Arten, und zwar: Asplenium trichomanes (30), Asplenium Ruta imuraria 10, bis | 
| . . 1 » 1 Ne . 
Asplenium viride (7), Cystopteris fragilis (15), Cystopteris montana \' zwischen 16 bis 30 ‚ Gvstopteris 
[ 1 ” . ” ” ” ” * 
alpina (1b bis 3) Phegopteris Robertiana (5), Athyrium Filix femina (1),Aspidium lobatum (1),Polypodium 


vulgare (I), Scolopendrium vulgare (1). 


Nadelhölzer: 0. 


Die grüne Pflanzenwelt der Höhlen. 145 
Einkeimblätterige: 3 Arten, und zwar: Carex praecox (1), hie und da auch andere, nicht näher 


bestimmbare Grasanflüge, Lilium Martagon (1), Polygonatum multiflorum e bis = 


Zweikeimblätterige: 89 Arten, und zwar: Salix Caprea (1), Corylus Avellana. (2), Carpinus 
Betnlus (1), Fagus silvatica. (1, Keimpflanze), Ouercus Robur (1), Urtica dioica (14), Urtica urens (4), 
Asarım enropaeum (1), Rumex Acetosa (1), Chenopodium bonus Henricus (1), Stellaria Holostea (1), Stellaria 
nemorum (1), Stellaria media (4), Moehringia muscosa (8), Aconitum Vulparia (1), Aconitium Napellus (1), 
Rammmenlus Sardous (3), Ranuncnlus montanus (1), Actaea spicata (1), Aguilegia vulgaris (3), Thalictrum 
foetidum (1), Berberis vulgaris (5), Chelidonium maius (4), Dentaria enneaphyllos (2), Peltaria alliacea (1), 
Arabis arenosa (1), Arabis alpina (6), Reseda lutea (1), Sedum album (3), Parnassia palustris (1), 
Chrysoplenium alternifolium (5), Sarifraga stellaris (1), Saxifraga rotundifolia (3), Rosa canına (3) 
Fragaria vesca (1), Sorbus Ancuparia (1), Rubus Idacus (3), Rubus fruticosus (1), Orobus vernus (1), Tri- 
Folium sp. (1), Geranium Robertianum (14), Oxalis Acetosella (5), Euphorbia Cyparissias (1), Mercurialis 
perennis (1), Acer campestre (1), Impatiens noli tangere (2), Tilia grandifolia (1), Malva Alcea (1), Viola 
biflora (7), Chamaenerium angustifolium (1), Hedera Helix (4), Bupleurum falcatum (1), Chaerophyllum 
aureum (1), Chaerophyllum Cicntaria (1), Aegopodium Podagraria (1), Rhododendron hirsutum (3), Rhodo- 
dendron Chamaecystus (1), Comvolvulus arvensis (1), Myosotis silvatica (2), Salvia glutinosa (1), Galeobdolon 
luteum (1), Glechoma hederacea (12), Verbascum nigrum (1), Veronica montana (1), Orobanche sp. (1), 
Asperula cynanchica (1), Galium silvaticum (1), Galium Aparine (1), Sambucus nigra (8), Viburnum Lan- 
tana (2), Lonicera Xylosteum (1), Adoxa Moschatellina (3), Valeriana saxatilis (1), Campanula rotundi- 
folia (5), Campannla Trachelium (2), Campanula rapunculoides (2), Campannla pusilla (1), Lactuca 
muralis (19), Adenostyles glabra (9), Taraxacum officinale (4), Senecio nemorensis (2), Senecio silvaticus (3), 
Tussilago Farfara (1), Cirsium Erisithales (\), Cirsium arvense (1), Achillea Millefolium (1), Arctum 
Lappa (1), Petasites albus (1), Bellidiastrum Michelii (1). 


Diese 90 Arten verteilen sich auf folgende Familien und Gattungen: Salicineae (1 Gattung, 1 Art), 
Betulaceae (2 Gattungen, 2 Arten), Fagaceae (2 Gattungen, 2 Arten), Urticaceae (1 Gattung, 2 Arten), 
Aristolochiaceae (1 Gattung, 1 Art), Polygoneae (1 Gattung, | Art), Chenopodiaceae (1 Gattung, 1 Art), 
Caryophyllaceae (2 Gattungen, 4 Arten), Ranumcnlaceae (5 Gattungen, 7 Arten), Berberideae (1 Gattung, 
1 Art), Papaveraceae (1 Gattung, | Art), Cruciferae (3 Gattungen, 4 Arten), Resedaceae (1 Gattung, I Art), 
Crassulaceae (1 Gattung, 1 Art), Sarifragaceae (3 Gattungen, 4 Arten), Rosaceae (4 Gattungen, 5 Arten), 
Leguminosae (2 Gattungen, 2 Arten), Geraniaceae (1 Gattung, 1 Art), Oxalidaceae (1 Gattung, 1 Art), 
Euphorbiaceae (2 Gattungen, 2 Arten), Acerineae (1 Gattung, 1 Art), Balsamineae (1 Gattung, 1 Art), Tilia- 
ceae (1 Gattung, 1 Art), Malvaceae (1 Gatung, 1 Art), Violaceae (1 Gattung, 1 Art), Oenothereae (1 Gattung, 
1 Art), Araliaceae (1 Gattung, 1 Art), Umbelliferae (3 Gattungen, 4 Arten), Ericaceae (1 Gattung, 2 Arten), 
Convolvulaceae (1 Gattung, 1 Art), Borragineae (1 Gattung, 1 Art), Labiatae (3 Gattungen, 3 Arten), Scro- 
phulariaceae (2 Gattungen, 2 Arten), Orobanchaceae (1 Gattung, 1 Art), Rubiaceae (2 Gattungen, 3 Arten), 
Caprifoliaceae (3 Gattungen, 3 Arten, Adoxaceae (1 Gattung, 1 Art), Valerianaceae (1 Gattung, 1 Art), 
Campanulaceae (1 Gattung, 4 Arten), Compositae (10 Gattungen, 12 Arten). 


Als häufige, mehr oder weniger typische Höhlenpflanzen möchte ich demnach an- 


rostratum, Mnium stellare, Amblystegium filicinum, Neckera complanata, Timmia bavarica, Gymnostomum 


sprechen: Gloeocapsa-Arten, Fegatella conica, Isopterygium depressum, Eurynchium praelongum, Mnium 


calcareum, Asplenium trichomanes, Cystopteris fragilis, Asplenium Ruta muraria,, Asplenium_ viride, 
Urtica dioica, Glechoma hederacea, Geranium Robertianum, Sambucus nigra, Adenostyles glabra, Lactuca 
muralis. 


Daß es sich bei der Zusammensetzung der grünen Höhlenflora um einen — durch verschiedene 
Faktoren, unter denen aber das Licht obenan steht — herbeigeführten Fall von Auslese aus den ver- 


schiedensten Abteilungen des Pflanzenreiches handelt, glaube ich auf Grund meiner Untersuchungen nun- 


146 Dr. L Lämmermayr, 


mehr mit aller Bestimmtheit aussprechen zu dürfen. Das seltene Vorkommen von Chlorophyceen 


gegenüber der Häufigkeit der Cyanophyceen daselbst, hängt wohl auch mit der Wasserversorgung der- 


selben zusammen, denn erstere werden nur an Lokalitäten mit dauernder Wasserführung zu erwarten sein, 


letztere dagegen, als Luftalgen, nehmen auch mit einer feuchten Atmosphäre vorlieb. Immerhin aber spricht 
dieses Verhalten dafür, daß die Cyanophyceen bedeutend geringere Ansprüche an die Beleuchtung im 
allgemeinen stellen als die Chlorophyceen. Was erstere betrifft, so wurde vielfach der Zweifel laut, ob sie 
bei den vorgefundenen, überaus geringen Lichtintensitäten überhaupt noch zu assimilieren vermögen und 
nicht etwa eine heterotrophe Lebensweise führten. Der Nachweis ihrer Assimilationstätigkeit dürfte nun 
allerdings schwer zu erbringen sein. Ich möchte aber bemerken, daß dafür einmal der Umstand spricht, 
daß man sie — auch in großen Tiefen und bei höchst schwachem Lichte — ausnahmslos an der Vorder- 
seite, das heißt der der Lichtquelle zugekehrten Seite von Felsen u. dgl. im Höhleninnern findet, ferner 
die Tatsache, daß zum Beispiel die Gonidien von Sticta pulmonaria, wie Wiesner gefunden hat, zur 
Zeit der stärksten Beleuchtung, wenn als äußeres, der Flechte zufließendes Licht 0:5 (absolute Intensität) 


1 


angenommen wird, einen relativen Lichtgenuß von so bis 15 (absolute Intensität — 0006 bis 0004) 


aufzuweisen haben. Es ist daher nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen, daß bei einem solchen und 
noch bedeutend geringeren Lichtgenuß auch freie Algen normal zu gedeihen vermögen. Ebenso erklärt 
sich aus dem Gesagten der spärliche Prozentsatz der Flechten in Höhlen ohne weiteres. Denn schließlich 
ist ja das Vorkommen der Flechten als konsolidierter Doppelorganismus an die Grenzen der assimilatorischen 
Tätigkeit des einen Partners, der Alge, gebunden. Und diese Grenze wird natürlich, in Ansehung der starken 
Lichtreduktion durch das Rindengewebe und des schwachen Außenlichtes, bei Flechten mit exogenem 
Thallus, gar bald erreicht. Algen sind niemals ausgesprochene Lichtpflanzen, fast immer kommen sie nur 
im Schutze eines Lichtschirmes, der in den meisten Fällen von einer Wasserschichte, bei ihrer Symbiose 
mit Pilzen aber von letzteren gebildet wird, vor. Diese wertvolle Vergesellschaftung, die der Alge die Land- 
nahme und Anpassung an exponierte, helle Standorte — im Flechtenorganismus — ermöglicht, ist aber 
für Standorte mit sehr schwacher Beleuchtung wenig geeignet. Und es ist darum vollkommen erklärlich 
und bezeichnend, wenn, worauf schon Zukal*) und Wiesner hingewiesen haben (was meine Unter- 
suchungen vielfach bestätigten), in Höhlen normal ausgebildete Flechten nur in den vordersten Teilen an- 
zutreffen sind, während weiter einwärts nur sorediale Anflüge vorgefunden werden, bei denen das 
Pilzelement gegenüber dem Algenelement stark in den Hintergrund tritt. Es kommt eben hier zu einer 
förmlichen Auflösung dieser nur innerhalb gewisser Beleuchtungsgrenzen vorteilhaften Lebens- 
gemeinschaft, zu einer Kündigung des Bündnisses, aus der natürlich die Alge den größeren Nutzen ziehen 
dürfte. Ich möchte diesen Zerfall des Flechtenkörpers als ein Beispiel der labilen Struktur eines 
Pflanzenverbandes besonders hervorheben. Betont muß noch werden, daß dieser Zerfall keineswegs 
etwa als eine Folge übermäßiger Feuchtigkeit des Standortes (bekanntlich fault an in Wasser gelegten 
Flechten das Hyphengewebe und die Gonidien werden frei) aufgefaßt werden kann. Denn er wurde durch- 
wegs an sehr mäßig feuchten oder ausgesprochen trockenen Stellen beobachtet. Von den beobachteten 
1 
Flechten liegt der Lichtgenuß nach Wiesner von Psora lucida zwischen 1 bis 30 [Optimum = 3) 
1 


1 1 8 
Verrucaria calciseda zwischen 1 bis 9 (Optimum — u DIS ) Endocarpon miniatım zwischen 1 bis 04 


/ 1 1 s 
| Opkntim IS 2) Der Lichtgenuß von Collema-Arten liegt nach Zukal zwischen 1 bis 50: Sterile 


3 8 


1 
Collema-Arten traf dieser Forscher noch bei 157 in Klammen und Höhlen an. 


*) So hat Zukal gefunden, daß im tiefen Schatten die Rindenbildung bei manchen Flechten (Biatoria lucida, Parmelia caperala) 


vollständig unterbleibt, während umgekehrt auf sonnigen Standorten manche Arten ihre Rinde auffallend verdicken. 


Die grüne Pflanzenwelt der Höhlen. 147 


Die Moose finden naturgemäß in feuchten Höhlen ihre Hauptverbreitung. Während zum Beispiel in 
den 6 trockenen Felsenhöhlen der Peggauer Wand zusammen nur 6 verschiedene Arten von Moosen 
‚gesammelt wurden, steigt in der vom Koppenbach zeitweilig durchströmten Koppenbrüllerhöhle allein 
"ihre Zahl auf 12. Treten schon hier die Blütenpflanzen erheblich zurück, so bestimmen in den hochgelegenen 
Eishöhlen vollends die Moose fast ausschließlich den Vegetationscharakter. Hier tritt eben, als ein zweiter 
Faktor, der auf die Auslese nicht minder bedeutsamen Einfluß nimmt als die Lichtabschwächung, die 
Temperaturerniedrigung dazu. Ein Vergleich der Vegetation der von mir untersuchten Eishöhlen 
(Eishöhle am Beilstein, 1300 m, Temperatur der von Pflanzen besiedelten Strecke zwischen + 8° ex 
und + 1°C — Eishöhle am Ötscher, 1470 m, Temperatur + 9° Cbis + 1°C — Dachstein-Riesen- 
Eishöhle 1560 m, Temperatur + 8° C. bis + 2°C, Eisloch daneben 1560 m, Temperatur + 8° C. bis 
Baseendlich noch des von Beck untersuchten Eisloches der Paradana im Tarnowaner Walde 
1200 m» [?], Temperatur in 23 bis 40 m Tiefe zwischen + 6°5° C und 1'2°C) zeigt dies in auffälliger 
Weise. So enthält die Eishöhle am Beilstein: Cyanophyceen, 2 Arten von Lebermoosen, 8 von Laub- 
moosen, 2 von Blütenpflanzen; die Eishöhle am Ötscher: Cyanophyceen, 1 Flechtenart, 1 Farnart, 
3 Arten von Laubmoosen; die Dachstein-Riesen-Eishöhle: Cyanophyceen, 4 Arten von Laubmoosen 
1 Lebermoosart, 1 Farnart, 7 Arten von Blütenpflanzen;, das Eisloch: Cyanophyceen, 9 Arten von 
-Laubmoosen, 1 Farnart, 2 Arten von Blütenpflanzen; die Paradana (zwischen 23 bis 40 m Tiefe): 
13 Arten von Laubmoosen, 5 von Blütenpflanzen. Farne und Blütenpflanzen treten also auffällig 
zurück. Dabei zeigt sich, was die Moose betrifft, eine unverkennbare, sicherlich nicht zufällige Überein- 
stimmung auch der Arten. So kommt Orthothecium rufescens in 4 der genannten 5 Höhlen vor, Ortho- 

_ thecinum intricatum, Eurynchium crassinervium, Amblystegium Sprucei und Hypnum molluscum in 
je 3 derselben. Die Flora der Eishöhlen nimmt demnach eine scharf ausgeprägte Sonderstellung ein 
da ihr gerade Elemente, die — neben Cyanophyceen — in höher temperierten Höhlen aller Lagen zwischen 
000 bis 1300 m einen charakteristischen Bestandteil der Höhlenflora zu bilden pflegen, wie Asplenium 
trichomanes, Urtica dioica, Geranium Robertianum, Glechoma hederacea, fehlen. (Die für Höhlen gleich- 
falls so typische Lactuca muralis habe ich in Höhlen über 1000 m Seehöhe nirgends mehr vorgefunden.) 
Was das gänzliche Fehlen der Nadelhölzer betrifft, so kann ich nach wie vor einen stichhaltigen Grund 
bisher nicht finden. Wiederholt wurden in der Nähe der Höhlenportale Picea excelsa, Pinus silvestris, 
Pinus Pimilio und Juniperus communis beobachtet. Wohl sind ihre Samen relativ schwer und daher für 
die Verbreitung in horizontaler Richtung durch den Wind verhältnismäßig wenig geeignet, doch könnten 
ihre Zapfen oder Beerenzapfen wohl durch Tiere unschwer in solche Lokalitäten verschleppt werden. 
Man findet aber nicht einmal Keimpflanzen von ihnen. Der überaus geringe Prozentsatz der Einkeim- 
blätterigen kennzeichnet das relativ hohe Lichtbedürfnis dieser Gruppe in vortrefflicher Weise.” Sind 
doch auch nur wenige von ihnen Bewohner des Waldschattens (Paris quadrifolia, Majanthemum 
bifolium, Lilium Martagon, Polygonatum-Arten, einige Gräser und Orchideen). Über die Vertretung der 
Zweikeimblätterigen habe ich mich bereits im ersten Teile dieser Abhandlungen ausführlicher geäußert 
und habe dem nichts Wesentliches hinzuzufügen. Nach wie vor ist, als für die Lichtstimmung ganzer 
Gattungen und Familien charakteristisch, zu verzeichnen das gänzliche Fehlen zum Beispiel der Lineae, 
Polygalaceae, Cistineae, Thymelaeaceae, Lythraceae, Primulaceae, Gentianaceae, Solanaceae, Plantagineae. 
Von den innerhalb des untersuchten Gebietes (Steiermark, Oberösterreich, Niederösterreich, Krain) vor- 
kommenden 15 Geranium-Arten wurden in Höhlen nur Geranium Robertianum, dieser aber sehr häufig 
beobachtet. Es steht dies in vollkommenem Einklang mit den Untersuchungen Wiesner’s über den Licht- 
genuß einiger verbreiteter Geranium-Arten. So beträgt, nach Beobachtungen dieses Forschers (in Friesach, 


Kärnten, 637 m Seehöhe) der Lichtgenuß von Geranium phaeum L = rang! von Geranium 
10 
— —, der also die am meisten Schatten 


1 
palustre 1 — m; von Geranium Robertianum aber 
29 


ertragende Spezies ist, Etiolierte Pflanzen wurden auch an den neu hinzugekommenen Standorten nicht 


148 Dr. L Lämmermayr, 


vorgefunden. Doch möchte ich nicht unerwähnt lassen, daß wie aus der Literatur hervorgeht, hin und 1 


wieder doch solche in Höhlen zu finden sind. So berichtet Johow in »Vegetationsbilder aus West-. 


indien und Venezuela« über die Vegetation der in der venezolanischen Küstenkordillere gelegenen, 
durch Humboldt und Bonpland bekannt gewordenen Höhle del Guacharo: »Eine höchst merk- 
würdige, in diesem Teile der Höhle zu beobachtende Erscheinung, die bereits Humboldt in Erstaunen 
versetzte, sind die aus dem Kote der Guacharo-Vögel erwachsenen, infolge des Lichtmangels vergeilten 
Pflanzen, welche massenhaft den Boden bedecken. Wir durchschritten ganze Wiesen dieser bleichsüchtigen 
Gewächse, welche, ohne Laubblätter zu entwickeln, bis zu einer Höhe von 3 Fuß aufgeschossen waren 


und, obwohl sie sehr verschiedenen Pflanzenarten angehörten, doch sämtlich den gleichen, sonderbaren - 


Anblick darboten.« Das Portal dieser Höhle ist nach den Messungen von Humboldt 26 m hoch, 22 m 
breit, und in seinem ganzen Umkreise von der üppigsten Vegetation geschmückt, von hohen Urwald- 


bäumen bestanden und mit Lianen und blühenden Epiphyten geschmückt. Aus der Höhle rieselt ein‘ 


Bach und da, wo derselbe ins Freie tritt, wachsen zahlreiche Tabakskeimpflanzen aus dem Kote der 
Guacharo-Vögel. Außer diesen Samen hat man darin auch (in der Höhle) die Samen von ‚Psychotria 
arborea, einer baumförmigen Rubiacee, nachgewiesen. 

Von den in-Höhlen von mir bisher vorgefundenen 92 Elikenplnzen waren 86 ausdauernd 
(= 93°4°/,) und nur 7 ein- oder zweijährig (= 7'6°),). Von den ausdauernden Arten waren 
16 Holzgewächse /(Salix, Corylus,. Carpinus, Onercus, Fagus, Sorbus, Berberis, Rosa, Acer, Tilia, 
Hedera, Sambucus, Viburnum, Lonicera, Rhododendron hirsutum und Rhododendron Chamaecystus) 
— 17:3°/,, die übrigen Stauden, und zwar 69 mit Rhizomen, } mit Zwiebel (Lilium Martagon), ö mit 
Knollen. Von Ein- oder Zweijährigen wurden nur Urtica urens, Geranium Robertianum, Impatiens 
noli tangere, Stellaria media, Ranunculus Sardous, Reseda lutea, Galinm aparine beobachtet. Letztere 
Pflanze gedeiht nach Wiesner auch ziemlich tief im Schatten der Wälder, wo sie aber bereits ihren 
Habitus ändert. Wie Wiesner gezeigt hat, treten fast alle Annuellen in freier Expesition, auf und 
erreichen dann das Maximum des Lichtgenusses wit Z= 1. Ihr Keimen, Vegetieren, Blühen und Feuchten 
vollzieht sich meist bei gleichbleibendem Lichtgenußmaximum, sie dulden keine erhebliche Einschränkung 
ihres Lichtgenusses. Zweijährige Pflanzen verhalten sich ähnlich, doch kommt die Tendenz zur 
Anpassung an geringere Intensitäten bei ihnen häufiger vor. 

Berücksichtigt man die Formationen, denen die angeführten 92 Blütenpflanzen an \ ihren Stand- 
orten außerhalb der Höhlen sonst angehören, so kommt man zu nachfolgenden Resultaten: 

Weitaus die Mehrzahl (zwischen 60 bis 70°/,) treten uns sonst als Waldschatten- oder Waldrand- 


pflanzen entgegen. So: Lilium Martagon, Polygonatum multiflorum, Salix Caprea, Corylus Avellana, 


Carpinus Betulus, Fagns silvatica, Onercus Robur, Asarum europaeum, Stellaria Holostea, Stellaria 
nemorum, Stellaria media, Aconitwm Vulparia, Aconitum Napellus, Ranumculus Sardous, Actaea spicata, 
Agwilegia vulgaris, Berberis vulgaris, Dentaria enneaphyllos, Peltaria alliacea, Chrysosplenium alterni- 
folium, Saxifraga rotundifolia, Rosa canina, Fragaria vesca, ‘Sorbus Ancuparia, Rubus Idaeus, Rubus 
fructicosus, Orobus vernus, Geramium Robertianum, Oxalis Acetosella, Mercurialis perennis, Acer cam- 
pestre, Impatiens noli tangere, Tilia grandifolia, Viola biflora, Chamaenerium angustifolium, Hedera 
Helix, Bupleurum falcatum, Chaerophyllum aureum, Aegopodium Podagraria, Myosotis silvatica, Salvia 
£lutinosa, Galeobdolon lutenm, Glechoma hederacea, Veronica montana, Galium_ silvaticum, Galium 
Aparine, Sambucus nigra, Viburnum Lantana, Lonicera Xylosteum, Adoxa Moschatellina, Campanula 
rotundifolia, Campannla Trachelinm, Campanula rapunculoides, Lactuca muralis, Adenostyles glabra. 
Senecio nemorensis, Senecio silvaticus, Arctium Lappa, Petasites albus, Bellidiastrum Micheli. Gering 
ist demgegenüber die Zahl der in Höhlen vorgefundenen, ungleich lichtbedürftigeren Wiesenpflanzen, 
wie: Taraxacum officinale, Achillea Millefolium, Rumex Acetosa, Parnassia palustris, Convolvulus 
arvensis, Cirsium arvense, der xerophytischen Bewohner sonniger Felsen oder Hügel, wie 
Carex praecox, Sedum album, Asperula cynanchica, Moehringia muscosa, Euphorbia Cyparissias, Reseda 
Iuntea, Verbascum nigrum, Malva Alcea, der Pflanzen der alpinen Matte und des Gerölles, wie 


“ 


Die grüne Pflanzenwelt der Höhlen. 149 


Valeriana saxatilis, Campannla pusilla, Saxifraga stellaris, Arabis alpina, Rhododendron hirsutum, 


Rhododendron Chamaecystus. 


Die Gruppe der Ruderalpflanzen ist mit Chenopodiwm bonus Henricus, Urtica dioica und Urtica 
urens, Chelidonium mains (zu denen man übrigens aus dem vorigen noch Reseda lutea, Verbascum 
nigrum, Stellaria media, Malva Alcea, Arctium Lappa, Geranium Roberlianum, Campanula rapuncu- 
loides, Aegopodium Podagraria, Taraxacum officinale, Galium Aparine, Ranunculus Sardous, Aconitum 
Napellus [Flora der »Läger«]| stellen könnte) vertreten. Die Ruderalpflanzen sind überhaupt hinsichtlich 
ihres Lichtgenusses keine so individualisierte Formation wie etwa Wald und Wiese, die einander so 
schroff gegenüberstehen. Sie vereinigen in sich sehr heterogene oder, besser gesagt, indifferente 
Elemente, für welche weniger die Beleuchtungs- als vielmehr die Substratverhältnisse in erster Linie 
maßgebend Sind. Während die früher angeführten Waldschatten-, beziehungsweise Waldrand- 


TANGRESAEN 
pflanzen in Höhlen bis zu Lichtabschwächungen von = bis Ss (speziell Geranium Robertianum und 


Lactnca mmuralis) vorgefunden wurden, lagen die beobachteten niedrigsten Lichtgenußwerte der Wiesen- 
pflanzen, Xerophyten und alpinen Pflanzen durchwegs viel höher. Die Ruderalpflanzen verhieiten 


LER 
sich auch hier intermediär. Von den Wiesenpflanzen wurde Taraxacum officinale bis 36 Lichtgenuß 


‚ Parnassia 


1 1 
nach Wiesner =1 — 5) Achillea Millefolium bis = (blühend), Rımex Acetosa bis 


Bann. REN HS | 
palustris bis —, Convolvulus arvensis bis a0 Cirsinm arvense bis — angetroffen. 
16 7 


Die angeführten Xerophyten wurden bis zu nachfolgenden Lichtabschwächungen beobachtet: 
1 f 1 
Carex praecox i = ar blühend) Sedum album 2 = iS blühend, Lichtgenuß nach Wiesner 


u ; - 
1 — —, bis — vegetierend|, Asperula cynanchica [2 == a) Moehringia muscosa Iz == = blühend, 
\ 4 


11 38 / 


UI Rp & RN 1 n h s 
ns nicht blühena! Enphorbia Cyparissias 2 = gr nach Wiesner im April bei = 2.0.35 r blühend, 


im Mai und Juni im Walde selbst noch bei m) Reseda Intea 1% == ns) Verbascum nigrum [z — = 
| 12 


[4 


1 i ; 
Malva Alcea [2 == a) Von subalpinen und alpinen Pflanzen wurden nur drei bei stärkerer Licht- 


: \ b 1 f 
reduktion beobachtet, nämlich Adenostyles glabra [Avischen SRG = blühend) Arabis alpina Be 


1 1 i i anal ne \ s 
gi = N blihend] Viola biflora 8 Ey blühend, iv nicht Bun bei geringerer Abschwächung da- 


u 1 N ee 
gegen: Saxifraga stellaris ke = —— blühend ) Saxifraga rotundifolia u == [us blühend |, Valeriana 
5.5 j 8°5 
er 1 ; f \ 
saxatılis [2 — 5) Campanula pusilla 7 = os) Rhododendron Chamaecystus B = Fa = 
8 112) 


1 1 
Rhododendron hirsutum [z = —— — >! Aus der Gruppe der Ruderalpflanzen wurde Chenopodium 


9'5 


\ 


bonus Henricus bis — blühend, Urtica dioica bis di blühend, bis on Urtica urens his Aria, 
8 36 60 6°6 


alt Ar | 
Chelidonium maius bis Rn [Biatentwicktung nach Wiesner bei / = Bin le im April, Blüte Ende 
38 


2 


Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC. Bd. 91 


150 Dr. L Lämmermapyr, 


1 1 i en 
April und Mai bei Er — =. im Juni und Juli erscheint die Pflanze in noch tieferem Schatten], Stellaria 
} J 


media bis — (blühend), Geranium Robertianum bis = (blühend), Galium Aparine 2 = 3) Aconitum 


Napellus [7 = se) Campanula rapuncnloides bis Z. Aegopodium Podagraria bis In (blühend), 
6 


; | 
Arctium Lappa bis ne (blühend) vorgefunden. 


Von den untersuchten 48 Höhlen (davon 46 mit Vorderlichtzufuhr), deren Öffnungen nach den ver- 
schiedensten Himmelsrichtungen wiesen (9 Nord, 4 Nordost, 3 Ost, 4 Südost, 11 Süden, 4 Südwest, 
6 West, 5 Nordwest), welche Verschiedenheiten der Exposition übrigens wohl auf die Flora vor dem 
Höhleneingange, nicht aber auf die des Höhleninnern einen merkbaren Einfluß ausüben, schienen mir jene 
mit reiner Nordlage des Portales deshalb besonders beachtenswert, weil hier die gesamte Innen- (oft 
sogar auch Außen-) Vegetation im ausschließlichen Genuß eines rein diffusen Lichtes sich befindet, was 
bei anderer Exposition des Einganges meist nur für die in größerer Tiefe angesiedelten Pflanzen zutrifft. 

Über die spezifische Wirkung der direkten und diffusen Strahlung auf die Pflanze ist zur Zeit 
noch wenig bekannt. Wiesner hat gezeigt, daß im allgemeinen dem diffusen Licht eine viel größere 
Bedeutung für das Leben der Pflanze zukommt, als dem direkten Sonnenlicht. Derselbe' Forscher war es 
auch, der fand, daß es Pflanzen gibt, die wie Reseda odorata, Impatiens Balsamina, Ipomaea purpnrea, 


Tropaeolum maius, Lepidium sativum in der Kultur in rein diffusem Lichte, dessen Stärke zirka — 
4 


des Gesamtlichtes betrug, normal blühen, feuchten und keimfähigen Samen hervorbringen, daß aber 
andrerseits zum Beispiel Sedum acre unter denselben Verhältnissen nicht zum Blühen gebracht werden 
kann. Für eine Erweiterung dieser Kenntnisse nun liegen die Verhältnisse in Höhlen mit Nordportalen 
ungemein günstig. So wurden von mir in Höhlen — bei rein diffuser Beleuchtung blühend ange- 


troffen: Geranium Robertianum, in XXVUL, L= 2 RROSYN, —= en XRXVIL,Z= > XYI aa = a 
34 18 5%) 54 


(21 m’ Tiefe), IX L = Fr Lactuca muralis, XVIL, L = N (20 m Tiefe), Stellaria media, XVII, 


= = (21 m Tiefe), Senecio nemorensis, XVII, L= T (21m Tiefe), Adenostyles glabra, XXVII, 
9) . % 
== = Viola biflora, XXVII, L = er Adoxa Moschatellina, XXXVI, L = = Urtica dioica, XVIH, 


ige =, Dim liere), RX VI — Galeobdolon Iuteum, XXVIU, L = Er Arabis alpina, XXVIl, 


I en RRRVIN, 77 au RER RN E ei Glechoma hederacea, XXVII, L = ia Bellidiastrum 

34 18 16 34 

uch 1 . 
Michelü, XXXVU, L = m Sarifraga votundifolia, XXXU, L = @ RRNV Pr Saxifraga 
stellaris, XXXV, L= a, Mercurialis perennis, XXX, L= > Dentaria enneaphyllos, XXXV, 
Be 

Eı= " 

DD 

So wie sie dürften sich — nach Beobachtungen im Freien in nordseitigen Schluchten — verhalten: 


Maianthemum bifolium, Asperula odorata, Oxalis Acetosella, Pirola secunda, Cardamine trifolia, 
Helleborus niger. Vergleichsweise führe ich an, daß Stebler und Volkart unter ihren »lichtfürchtenden« 
(d.h. auf schwaches diffuses Licht angepaßten Wiesenpflanzen) u. a. Mercurialis perennis, Glechoma 


% 


Die grüne Pflanzenwelt der Höhlen. 151 


hederacea, Viola biflora, Lathyrus vernus, unter den »lichtmeidenden« (die durch direktes Licht geschädigt 
werden) auch Bellediastrum Michelii anführen. Aber auch noch zu anderen Erwägungen gibt der 
Vegetationscharakter der Höhlen im allgemeinen und jener mit Nordportal im besonderen Anlaß. Nach 

Engelmann bringen in der Pflanze jene Strahlen die größte assimilatorische Wirkung hervor, welche zur 
Farbe des Assimilationsapparates komplementär sind. Stahl vertritt nun die Ansicht, daß die Pflanze ihre 
Assimilationsorgane stets in jener Farbe ausbilde, die zum eingestrahlten Lichte komplementär sei. Von 
den beiden Komponenten des Rohchlorophylis, dem Chlorophyll und Xanthophyli, befördere ersteres die 
Assimilation bei Beleuchtung im durchgegangenen (nach Wiesner = direktem) Lichte, letzteres bei 
Beleuchtung durch zerstreutes (nach Wiesner = diffuses) Licht. Das Chlorophyll vermittle demnach die 
Ausnutzung der Strahlen von Rot bis Gelb, die, nach Stahl, im direkten Lichte vorwiegen, während das 
Xanthophyll für die Ausnutzung der blauen bis violetten Strahlen, die im diffusen Lichte vorwalten, 
bestimmt sei. Gegen diese Auffassung hat schon Wiesner eingewendet, daß dann zum Beispiel Pflanzen 
nördlicher Standorte, die nur diffuses Licht erhalten, eine ganz spezifische Laubfarbe aufweisen müßten, 
die eben nur bei ihnen zu finden sei. Nun sind die Tundrapflanzen allerdings fahlgrün, aber dieses 
Grün kehrt auch bei den Pflanzen subtropischer Wüsten und Steppen, die doch einer sehr starken, 
direkten Insolation ausgesetzt sind, wieder. Umgekehrt hat schon Kerner (Pflanzenleben, I, 372), auf das 
Grün der in Höhlen, Grotten, Schächten angesiedelten Pflanzen aufmerksam gemacht, welches frischer 
und lebhafter sei als jenes, das dieselben Pflanzen außerhalb der Höhle zur Schau tragen. Ich kann diese 
Tatsache nur rückhaltlos bestätigen. (Auch Robinia Pseudacacia und Amorpha fruticosa zeigen, an Nord- 
standorten kultiviert, nach Wiesner daselbst ein dunkleres Grün der Blätter als in anderen Expositionen, 
wo auch direktes Licht Zutritt hatte.) Gerade darin liegt aber, da man nach der Stahl’schen Lehre eher 
eine Unterdrückung des blaugrünen Anteiles des Chlorophylis bei Höhlenpflanzen erwarten müßte, ein 
gewichtiges Argument gegen dieselbe. Stahl hat eben, wie Wiesner betont, eine zuweit gehende 
Verschiedenheit der. spektralen Zusammensetzung des direkten und diffusen Lichtes, wie sie, 


j : 
wenigstens bis zu Reduktionen der Lichtstärke auf =: herab, nicht besteht, angenommen, und den Strahlen 


von Blau bis Violett eine dominierende Rolle im diffusen (oder Schatten) Lichte zugeschrieben, die ihnen 
in diesem Maße nicht zukommt. Ebenso könnte man zuungunsten der Stahl’schen Lehre das gerade für 
die dunkelsten Höhlenteile so konstante Auftreten der Cyanophyceen mit ihrem blaugrünen Assimi- 
lationsapparate deuten, wofür sich auch in der Flora unserer schattigen Wälder ein Analogon findet. 
Tragen doch manche dieser Waldschattenbewohner einen ausgesprochenen bläulichen Schimmer ihrer 
Blätter zur Schau, wofür Asarum europaeum wohl das beste Beispiel ist. In Verfolgung des Stahl’schen 
Ideenganges müßte man dabei aber gerade zu dem entgegengesetzten Resultate kommen, daß nämlich das 
stark geschwächte Licht des Waldbodens oder Höhleninnern gerade an blauvioletten Strahlen arm sei. 
Auffallend bleibt es immerhin, daß das schwache Höhlenlicht in größeren Tiefen ungemein langsam auf die 
lichtempfindlichen Papiere einwirkt und bisweilen selbst nach stundenlanger Exposition nicht einmal der 
Normalton erreicht wird. Andrerseits spricht der Umstand, daß positiv heliotropische Krümmungen 
an Stengeln von Blütenpflanzen, Farnen und Moosen in den vorderen Höhlenteilen bis zu Licht- 


abschwächungen von 5, und darunter ungemein ausgeprägt sind, dafür, daß wenigstens dieses Höhlen- 


licht noch relativ reich an blauvioletten Strahlen sei, welche ja bekanntlich die stärkste heliotropische 
Wirkung ausüben. (Nach Versuchen von Wiesner werden bei niedrigen Lichtintensitäten alle Pflanzen- 
organe, selbst sehr lichtempfindliche, die bei größerer Lichtstärke auch auf Rotorange reagieren, nur im 
stark brechbaren Lichte heliotropisch.) 

Über die für Höhlenpflanzen in Betracht kommenden Besiedlungsfaktoren habe ich mich bereits 
im ersten Teile dieser Abhandlungen geäußert. Ich fasse dieses Kapitel dahin zusammen, daß man Wind- 
verbreitung bei den beobachteten Arten von: Chenopodium, Rumex, Urtica, Parnassia (Samengewicht 
nach Kerner 0.00003 g), Salix, Carpinus. Acer, Tilia, Peltaria, Campanula, Orobanche, Cirsium, Lactuca, 


152 Dr. L. Lämmermayr, 


Adenostyles, Taraxacum, Senecio, Tussilago, Achillea, Petasites, Bellidiastrum, Epilobium, Verbreitung ' 


durch Schleuderfrüchte bei Oxalis, Viola, Orobus, Dentaria, Impatiens, Geranium Robertianum, 
endozoische Verbreitung bei Actaea, Berberis, Rosa, Fragaria, Sorbus, Rubus, Lonicera, Sambucus, 
Viburnum, Hedera, Polygonatum, epizoische Verbreitung bei Galium Aparine, Myosotis silvatica, Salvia 
glutinosa, Arctium Lappa, -synzoische Verbreitung bei Corylus, Fagus, Onercus, Myrmekochorie bei 
Moehringia, Chelidonium, Reseda, Mercurialis, Galeobdolon, Asarum, Euphorbia, Carex wird annehmen 


dürfen. 


Wenn auch durch diese Untersuchungen sich die Zusammensetzung und Eigenart der grünen 


Höhlenvegetation allmählich zu einem abgerundeten Bilde zu verdichten beginnt, so bedarf doch diese 
Forschung noch der Ausgestaltung in mehr als einer Richtung. Einerseits sind, wie ich schon im ersten 
Teile betonte, Beobachtungen über den winterlichen Zustand der Höhlenvegetation notwendig, wenn 
auch schwer durchführbar. Liegen doch hierüber interessante Temperaturbeobachtungen vor. So konnte in 
der Höhle VI der Peggauer Wand im Winter bei strenger Kälte am Tage eine Temperatur von + 16° € 
beobachtet werden! In der Dachstein-Riesen-Eishöhle wurde am 24. III. 1912 bei einer Außen- 
temperatur von — 05° C in der Eingangsröhre eine Temperatur von + 2° C, beim großen Abgrund von 
+ 4° C konstatiert! Andrerseits sind, da alle bisher besuchten Höhlen ausnahmslos im Kalk liegen 
Beobachtungen an Höhlen, die in anderem Gesteine (Sandstein, Schiefer etc.) liegen, wünschenswert, 
um den Einfluß des Substrates auf die Flora kennen zu lernen. Für die von mir im ersten Teile (1911) 
geäußerte Ansicht, daß Höhlen als Relicten-Standorte eine besondere Bedeutung zukommen dürfte, 
habe ich nachträglich eine bedeutsame Bestätigung vorgefunden, indem von Loitlesberger auf der 
Nordseite des Matajur in 1500 m Seehöhe in einem Eisloch ein sonst nur hochnordisches Lebermoos, 
Arnellia fennica, gefunden wurde, und Herr Direktor Glowacki mir mitteilte, daß er in üntersteirischen 
Höhlen Didymodon glaucus, das inNorwegen beheimatet ist, entdeckte. In bryologischer Beziehung 
dürfte überhaupt eine systematische Durchforschung speziell der Eishöhlen noch manche interessante 
Aufschlüsse bringen. Es obliegt mir schließlich noch die angenehme Pflicht, Herrn Direktor Glowacki 
für die Bereitwilligkeit, mit der er sich auch diesesmal der Bestimmung der gesammelten Höhlenmoose 
unterzog, aufs herzlichste zu danken. 


| 


1 


E 


Die grüne Pflanzenwelt der Höhlen. 5 153 
fo} 


Literaturverzeichnis. 


H. Bock, G. Lahner und G. Gaunersdorfer. Höhlen im Dachstein und ihre Bedeutung für die Geologie, 
Karsthydrographie und die Theorien über die Entstehung des Höhleneises. Graz 1913. 


G. Gaunersdorfer. Über Höhlenflora. Mitteilungen für Höhlenkunde. IV. Jahrgang. Dezember 1911. Heft 4. 


R. Ott. Illustrierter Führer auf der niederösterreichisch-steirischen Alpenbahn (Mariazeller Bahn). Mit einem 
Plane der Ötscherhöhlen. Wien 1908. 


F. Kraus. Die eherne Mark. Graz 1897. 


J. Johow. Vegetationsbilder aus Westindien und Venezuela. IV. Ein Ausflug nach der Höhle del Guacharo. 
(Separatum.) 


Drude. Deutschlands Pflanzengeographie. Ein geographisches Charakterbild der Flora von Deutschland 
und den angrenzenden Alpen- und Karpathenländern. I. Teil. Stuttgart 1896. 


Rabenhorst. Kryptogamenflora. IV. Bd., Laubmoose. VI. Bd., Lebermoose. 

F. Morton. Die Bedeutung der Ameisen für die Verbreitung der Pflanzen. Mitteilungen des naturwissen- 
schaftlichen Vereines an der Universität Wien. 1912. Nr. 7. 

Heeg. Die Lebermoose Niederösterreichs. Berichte der zoologisch-botanischen Gesellschaft in Wien. 1893. 


Außerdem die im ersten Teile dieser Veröffentlichungen (1911) angeführten Quellen. 


Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC.Bd. 22 


DIE VORFAHREN DER BARTENWALE 


VON 


0. ABEL 


0. Ö. PROFESSOR DER PALAEONTOLOGIE AN DER WIENER UNIVERSITÄT. 


Mit 12 Tafeln und 20 Textfiguren 


VORGELEGT IN DER SITZUNG AM 24. APRIL 1913. 


I. Einleitung. 


Als im Jahre 1841 in den weißen Tertiärsanden von Linz in Oberösterreich ein Schädelfragment mit 
zwei Zähnen und mehrere Wirbel eines Wales entdeckt wurden, erregten sie sofort Aufmerksamkeit, 
wurden aber zunächst nicht erkannt; v. Klipstein! erkärte 1842 die Reste für Knochen eines Sauriers 
und erst im darauffolgenden Jahre gelang es Hermann v. Meyer, ihre Cetaceennatur nachzuweisen. Da 
aber zu jener Zeit von fossilen Walen und namentlich von alttertiären Walen noch sehr wenig bekannt 
war, so war es schwer, die systematische Stellung dieser Walform genauer zu fixieren. Grateloup hatte 
18403 den Kieferrest eines Zahnwals aus dem Miocän. von Bordeaux unter dem Namen Sgnalodon 
beschrieben und ihn zuerst für den Schädelrest eines Dinosauriers aus der Verwandtschaft von Iguanodon 
gehalten; aber H. v. Meyer erklärte in einem Briefe vom 23. Juli 1840, der im »Jahrbuch für Mineralogie« 
veröffentlicht wurde, daß Squalodon eine Cetaceengattung aus der Gruppe der fleischfressenden Wale sei. 
Als H. v. Meyer Kenntnis von dem Linzer Funde erlangte und Gelegenheit erhielt, ihn näher zu unter- 
suchen, hielt er die Ähnlichkeit der Zähne des Schädelrestes von Bordeaux und des Fundes von Linz für 
ausreichend, um beide Reste zu einer Art, Squalodon Gratelonpii, zu vereinigen. 

Seit dieser Zeit wurde von allen Forschern, die sich mit der Untersuchung der verschiedenen Wal- 
reste aus dem Linzer Tertiär beschäftigten, daran festgehalten, daß der 1841 gefundene Schädelrest sowie 
ein zweites, im Jahre 1847 entdecktes Schädelfragment, ferner mehrere 1867 gefundene lose Zähne und 
einige zusammen mit dem ersten Schädelreste im Jahre 1841 entdeckte Wirbel zu der Gattung Sgualodon 
gehören. P. J. van Beneden* trennte die Linzer Funde von Sgualodon Gratelonpii unter dem Namen 


1 V. Klipstein: Karsten’s und Dechen’s Archiv, XVI. Bd., 2, Berlin, 1842, p. 664. 
2H. v. Meyer: Neues Jahrbuch für Mineralogie, 1843, p. 704. 
3J. P.S. Grateloup: Description d’un fragment de machoire fossile d’un genre nouveau de Reptile (Saurien) de taille 
gigantesque de U’ Iguanodon, trouve dans le gres marin A Leognan pres de Bordeaux. — Actes Acad. Sci. Bordeaux, Mai 1840, 
p. 208. — Kurzer Auszug in einem Briefe Grateloup’s an Prof. H. G. Bronn im Neuen Jahrbuch f. Min., 1841, p. 830 bis 832. 
4 P. J. van Beneden: Recherches sur les Squalodons. — Memoires Acad. R. de Belgique, XXXV, Bruxelles, 1865, p. 72, Pl. II, III. 
Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC. Bd. 23 


156 O. Abel, 


Squalodon Ehrlichii ab; dieselbe Bezeichnung hat 1868 E. Sueß! angewandt und seither erscheint in der 
palaeontologischen Literatur diese Art stets als Squalodon angeführt. Als 1910 ein prachtvoll erhaltener 
Walschädel in den weißen Sanden des Bauernberges in Linz entdeckt wurde, beschrieb ihn A. König? 
1911 als neuen Fund von Squalodon Ehrlichii. 

Die der Mitteilung A. König's beigegebenen Abbildungen ließen mich sofort erkennen, daß dieser 
Fund von außerordentlicher wissenschaftlicher Bedeutung sei. Ich reiste im Jänner 1912 nach Linz, um 
den Schädel zuerst an Ort und Stelle zu studieren; die Direktion des Museums »Franeisco-Carolinum« in 
Linz übersandte mir später den Fund zu weiteren eingehenderen Vergleichen nach Wien. Ich ergreife an 
dieser Stelle die Gelegenheit, um der Direktion des Linzer Museums für die Überlassung dieses Schädels 
zur näheren Untersuchung meinen verbindlichsten Dank zu sagen. \ 

Schon im Jahre 1903 hatte ich den im Jahre 1841 entdeckten und im »Francisco-Carolinum« in Linz 
aufbewahrten Schädelrest des „Squalodon“ Ehrlichi untersucht und war schon damals auf einige Merk- 
male aufmerksam geworden, die eine offenkundige Ähnlichkeit mit typischen Kennzeichen der Bartenwale 
aufwiesen. Der mangelhafte Erhaltungszustand und das Fehlen vieler wichtiger Schädelteile hielt mich 
jedoch davon ab, die Konsequenzen dieser Beobachtungen zu ziehen. Nunmehr liegt ein fast vollständiger, 
sehr gut erhaltener Schädel derselben Art vor, welcher nicht.nur in klarster Weise typische Bartenwal- 
merkmale zeigt, sondern auch unzweifelhafte Merkmale der Archaeoceien besitzt. Eine eingehende Unter- 
suchung dieses Restes brachte das überraschende Ergebnis, daß wir in diesem primitiven Wal ein 
geradezu ideales Bindeglied zwischen Urwalen und Bartenwalen zu erblicken haben, das 
einer von den Squalodontiden vollständig abweichenden Stammesreihe angehört. 

Die bisher viel umstrittene, dunkle Frage nach der Herkunft der Bartenwale erscheint durch diesen 
Fund endgültig gelöst und ich werde im folgenden zu zeigen versuchen, auf welchen Wegen die 
Umformung der Urwale zu den Bartenwalen vor sich gegangen ist. 

Außer diesem wichtigen »Missing link« zwischen Archaeoceten und Mystacoceten sind aber in dem 
weißen Sande von Linz, dessen Alter oberoligocän ist, schon in alter Zeit weitere Funde von Walen 
gemacht worden. Ein gut erhaltenes Schädelfragment, das die Schädelkapsel eines Wales umfaßt, ist 
schon 1849 von H. v. Meyer als Balaenodon Lintianus, später (1861) von P., J. van Beneden als Aulo- 
cetus Lintianus (später in lentianus geändert) beschrieben worden. Die ganz richtige Beobachtung H. v. 
Meyer's aus dem Jahre 1850, daß dieser Schädelrest eine auffallende Ähnlichkeit mit Zeuglodon besitze, 
ist später kaum mehr beachtet worden. Seither gilt Aulocetus als typischer Bartenwal. | 

Außerdem liegt aber noch ein weiterer, sehr wichtiger Schädelrest aus den Linzer Sanden vor, der 
1847 entdeckt und von H. v. Meyer als das Hinterhaupt: von Sgualodon - Grateloupi bestimmt wurde. 
Diese Auffassung hat auch C. Ehrlich geteilt, der im Februar 1848 eine Abbildung des Schädelrestes 
(Fund 1841) mit der Abbildung des Hinterhauptes (Fund 1847) zu einem Schädel kombinierte. Van 
Beneden ist 1865 diesem Beispiel gefolgt. Erst J. F. Brandt, der 1873 noch derselben Ansicht wie 
H. v. Meyer, C. Ehrlich und P.J. van Beneden über die Zusanımengehörigkeit beider Schädelreste 
war, trennte 1874 das 1847 gefundene Hinterhaupt als » Squalodon incertus?« von Squalodon Ehrlichi ab. 

Ist auch dieses 1847 gefundene Schädelfragment nicht von der gleichen Bedeutung wie der 1910 
aufgefundene prächtige Schädel, so ergänzt er den letzteren Fund doch in mannigfacher Hinsicht und ist 
gleichfalls geeignet, auf die Frage der Herkunft der Bartenwale von den Archaeoceten ein Licht zu 


werfen. 


1 E. Sueß: Neue Reste von Squalodon aus Linz. — Jahrbuch d. k. k. Geol. Reichsanst., Wien, XVII. Bd., 1868, p. 287, Taf. X. 
2 A. König: Ein neuer Fund von Squalodon Ehrlichii in den Linzer Sanden. — Jahresberichte d. Ver. »Francisco-Carolinum< 


in Linz, 1911, p. 1 bis 13, Taf. 1. 


rer TE TE 


1841. 


1842. 


1843. 


1847. 


1848. 


1849. 


1849. 


1850. 


1850. 


1854. 


18595. 


Die Vorfahren der Bartenwale. 157 


II. Geschichte der Linzer: Walfunde. 


Fund eines Schädelfragmentes mit zwei wohlerhaltenen Zähnen im linken Oberkiefer; mehrere 
Wirbel. 
Von Klipstein (Karsten’s und Dechen’s Archiv, XV], 2, Berlin, p. 664). 

Erster Bericht über den Fund von 1841 [Kopf eines Sauriers (?) und eine Reihe Wirdel von 
beträchtlichem Umfange]. 
H. v. Meyer (Neues Jahrbuch, p. 704). 

Die Reste gehören keinem Saurier an, sondern sind Schädelfragmente von Squalodon Grate- 
loupi H. v. Mey., einem fleischfressenden Wal. 


H. Meyer (Neues Jahrbuch, p. 189). 

Mitteilung über einen zweiten Schädelfund: Hinterhaupt von Squalodon Grateloupi. Zu der- 
selben Art vielleicht noch ein Gehörknochen zu stellen; die Wirbel von 1841 sowie ein einzelner, 
einwurzliger Zahn gehören einer zweiten Walart an, deren Schädel noch unbekannt ist. Der in 
späterer Zeit vielbesprochene Atlas wird hier zuerst erwähnt. 


C. Ehrlich (Berichte über die Mitteilungen von Freunden der Naturwissenschaften in Wien, Ver- 
sammlung am 25. Februar 1848; IV. Bd., p. 197, Textfig.). 

Beschreibung und Abbildung der Schädelfunde von 1841 und 1847; Wiederholung der Mit- 
teilung v. Meyer's über den zweiten Schädelfund, daß derselbe »sich mehr den pflanzenfressenden 
Cetaceen als den Delphinen nähere.« Erwähnung von zwei Gehörknochen; der erste gehört zu 
Squalodon Grateloupi, der zweite ist noch unbestimmt. 


H. v. Meyer (Neues Jahrbuch, p. 549). 

Außer Squalodon Gratelonpi liegt aus den Linzen Sanden der Schädel einer anderen Art vor, 
für die der Name Balaenodon Lintianus (n. sp.) vorgeschlagen wird. Die Wirbel des Fundes von 
1841 gehören dieser Art an, der 1847 erwähnte einzelne Zahn dagegen nicht. (Wahrscheinlich fällt 
der Fund des Schädels von Balaenodon Lintianus in das Jahr 1849.) 


J. Müller (Über die fossilen Reste der Zeuglodonten von Nordamerika etc., Berlin, 1849, p. 29. 

Die 1841 gefundenen Wirbel gehören zu Zeuglodon, ebenso der Schädelrest des Fundes von 
1841 (Abbildung der beiden Zähne auf Taf. XXIIL, Fig. 7). 

H. v. Meyer (Neues Jahrbuch, p. 201). 

Der Schädel von Balaenodon Lintianus besitzt mehr Ähnlichkeit mit Zeuglodon als jener von 
Squalodon. Zu Balaenodon Lintianus gehören die Wirbel des Fundes von 1841 sowie zwei Gehör- 
knochen. 

C. Ehrlich (Über die nordöstlichen Alpen. Linz, 1850, p. 12, 3 Holzschnitte). 

Beschreibung und Abbildung der Schädelfunde von 1841 und 1847. 

C. Ehrlich (Geognostische Wanderungen in die nordöstlichen Alpen. Linz, 1854, p. 82, Taf. II 
bis IV). 

Kurze Erwähnung der Walfunde, Abbildung derselben. Erste Abbildung von Balaenodon 
Lintianns.' 

C. Ehrlich (Beiträge zur Paläontologie und Geognosie von Oberösterreich und Salzburg. 15. Bericht 
des Museums »Franeisco-Carolinum« in Linz, 1855, p. 8 bis 10). 
Kurze Beschreibung der Walfunde. 


158 


1861. 


O. Abel, 


über seine während eines kurzen Aufenthaltes in Linz ausgeführten Untersuchungen über die Wal- 
funde (Bull. Acad. Roy. Belg. (2), XII, 1862, No. 12, p. 479). 

Das Owen’sche Genus Balaenodon ist den Ziphiiden einzureihen; Balaenodon Lintianus ist 
der Vertreter einer neuen Gattung Aulocetus. 


1865. P.J.van Beneden (Recherches sur les Ossements provenant du Crag d’Anvers. — Les Squalodons. — 


1867. 


1868. 


1871. 


1873. 


Mem. Acad. Roy. Belg., XXXV, 1865, p. 72, Pl. II, III, IV, mehrere Textfig.). 


Der 1861 errichtete Gattungsname Anlocetus wird in Stenodon abgeändert; Stenodon wird 
neben Squalodon und Zeuglodon in die Familie der Zeuglodonten eingereiht. Der Artname wird aus 
Lintianus in lentianus und lentianum abgeändert. Grundlagen der Gattung und Art sind: der von 
H. v. Meyer 1849 beschriebene Schädelrest, eine Bulla und der einzelne Zahn, der zuerst 1847 
erwähnt wird, nach H. v. Meyer aber nicht mit Balaenodon Lintianus zu vereinigen ist. Ferner 
sollen nach van Beneden Fragmente eines Unterkiefers sowie mehrere, angeblich 1847 gefundene 
Wirbel derselben Art angehören (zwei coossifizierte und ein freier Halswirbel, zwei Lendenwirbel 
und zwei Caudalwirbel). Diese Wirbel sind nach van Beneden dieselben, welche J. Müller 1849 
für Wirbel eines Zenglodon erklärt hatte; somit sind es die schon 1841 mit dem Schädel von 
Squalodon Grateloupi aufgefundenen Wirbel, die zuerst v. Klipstein 1842 erwähnt. 


Für die Squalodonreste stellt van Beneden die neue Art Squalodon Ehrlichii auf. Grundlage 
dieser Art ist der Schädelrest des Fundes von 1841, der Schädelrest des Fundes von 1847, zwei 
isolierte »caniniforme« Zähne und ein »Prämolar«, ein freier Halswirbel, mehrere Dorsalwirbel und 
Lendenwirbel. 


Felix Karrer erhält von Arbeitern der städtischen Sandgrube in Linz zwei isolierte Zähne und ein 
Kieferfragment mit einem Backenzahn eines Squalodon. \ 


E. Sueß (Neue Reste von Squalodon aus Linz. — Jahrb. d.k.k. Geol. Reichsanst., Wien, XVIIL, 1868, 
P- 287, Dal. X) 

Die von Karrer gesammelten Reste werden als Squalodon Ehrlichi beschrieben und sorg- 
fältig abgebildet. E. Sueß macht auf einige Unterschiede der neuen Funde gegenüber den seit 1841 
bekannten Zähnen aufmerksam. 


J. F. Brandt (Bericht über den Fortgang meiner Studien über die Cetaceen, welche das große zur 
Tertiärzeit von Mitteleuropa bis Zentralasien hinein ausgedehnte Meeresbecken bevölkerten. — 
Melanges biologiques, Bull. Acad. Imp. Sci. St. Petersbourg, VIIL, 12. Sept. 1871, p. 196). 

Balaenodon lintianus ist ein Bartenwal, der mit Cetotherium verwandt ist. Die Gattung wird 
in Cetotheriopsis umgetauft; ihre Grundlage sind der 1849 von H. v. Meyer beschriebene Schädel 
(= Anlocetus 1861 = Stenodon 1865), zwei Oberkieferfragmente sowie mehrere Wirbel, unter 
ihnen der »zum Schädel passende Atlas« (vgl. v. Meyer, 1847). 


J. F. Brandt (Untersuchungen über die fossilen und subfossilen Cetaceen Europas. — Mem. Acad. 
Imp. Sci. St. Petersbourg, (VID), XX, No. 1; vorgelegt am 8. Februar 1872). 

Zu Cetotheriopsis linziana stellt Brandt außer den 1871 angeführten Resten eine Bulla. Die 
Wirbelreste umfassen den erwähnten Atlas, drei Lendenwirbel und drei Schwanzwirbel. 

Zu Squalodon Ehrlichii stellt Brandt den Schädel (Fund von 1841), den zweiten Schädelrest 
(Fund von 1847), drei Bullae, mehrere isolierte Zähne und mehrere Wirbel. Auf p. 326 sagt 
Brandt, daß fünf dieser Wirbel von ihm, p. 42 bis 44, zu Cetotheriopsis gestellt worden seien, 
doch »könnten übrigens alle erwähnten Wirbel Sgualodon Ehrlichii angehört haben«. In der Tafel- 
erklärung zu Taf. XVII (p. 354) werden diese Wirbel bereits als » Sgualodon Ehrlichii van Bened.?« 
angeführt. 


D 


P. J. van Beneden berichtet in der Sitzung der belgischen Akademie in Brüssel am 16. Dezember ° 


% 
N 


 — - 


1874. 


1875. 


1903. 


907. 


Die Vorfahren der Bartenwale. 159 


Der einzelne, zuerst 1847 von H. v. Meyer erwähnte Zahn, den er 1849 von Balaenodon 

Lintianus abtrennte, war von van Beneden 1865 wieder mit Sienodon (= Balaenodon Lintiamus 
v. Mey. = Anulocetus lentianus van Ben.) vereinigt worden; Brandt stellt ihn (p. 324) zu 
Sqnalodon Ehrlichii. 
In einem Anhang (p. 333) bespricht Brandt neuerlich die Gattung Stenodon und erklärt, daß 
er die fraglichen Wirbel nunmehr »lieber dem Squalodon Ehrlichii zuschreiben möchte«. Die 
angeblich neu entdeckten Oberkieferfragmente von Cetotheriopsis (p. 42) sind die von van 
Beneden als Unterkieferreste bestimmten Bruchstücke. 


J. F. Brandt (Ergänzungen zu den fossilen Cetaceen Europas. — Ibidem, XXI, No. 6, 1874, vor- 
gelegt am 18. Dezember 1873, p. 6 bis 11, 33 bis 45). 

Die im Jahre 1873 von Brandt neuerlich aufgenommenen Untersuchungen über die Linzer 
Wale veranlaßten ihn zu einigen wesentlichen Korrekturen der 1873 veröffentlichten An- 
schauungen. 

Die Gattung Cetotheriopsis hält Brandt aufrecht, betont aber jetzt ihre nahe Verwandtschaft 
mit Cetotherium und den Balänopterinen, während er 1873 für den Linzer Bartenwal eine eigene 
Unterfamilie errichtet hatte. Eines der Oberkieferfragmente wird jetzt als Scapula beschrieben (p. 6). 
Auf derselben Seite spricht Brandt von Knochentresten, die »ohne Frage« zu Cetotheriopsis gehören 
(Bulla, Unterkieferfragment, vier Wirbel, Rippenfragment), während er schon p. 7 dieselben Reste 
als »mutmaßlich Cetotheriopsis angehörige Knochen« bespricht. Die Bulla ist dieselbe, welche 
Brandt 1873 als einen Rest von Sgualodon Ehrlichii beschrieb und abbildete [Taf. XXXI, Fig. 6, 
7 (1873) = Taf. I, Fig. 1 bis 3 (1874)]. 

Der vielbesprochene Atlas wird jetzt zu Squalodon Ehrlichii gestellt. Mehrere Reste (das 1847 
gefundene Hinterhaupt eines Wales, eine Bulla und ein Lendenwirbel) werden als fragliche Art 
(Squalodon incertus?) von Squalodon Ehrlichii abgetrennt, ebenso eine »noch sehr fragliche Art«, 
die »vielleicht von Squalodon Ehrlichii abweicht« (p. 42), als Squalodon hypsispondylus? unter- 
schieden; ihre Grundlage ist ein isolierter Schwanzwirbel. 


P.J. van Beneden (Les Ossements fossiles du Genre Aulocete au Musee de Linz. — Bull. Acad. 
Roy. Belg. (2), XL, No. 11, November 1875, p. 537). 

Der Gattungsname Aulocetus wird aufrechterhalten. Van Beneden überprüfte seine früheren 
Studien im Herbste 1874 in Linz und kam zu dem Ergebnisse, daß die von Brandt zu Squalodon 
Ehrlichii gestellten Wirbel zu Anlocetus gehören, und zwar zu demselben Individuum wie der 
Schädel. Der Atlas besitzt keine Zeuglodontenmerkmale, sondern ähnelt in jeder Beziehung dem 
Typus der Furchenwale. Die Reste der Wirbelsäule umfassen nach van Beneden folgende Wirbel: 
Atlas, ein mittlerer Halswirbel, zwei Dorsalwirbel, fünf Lendenwirbel, sieben Schwanzwirbel. Die 
Gesamtlänge des Tieres wird auf sechs Meter geschätzt. 


E. v. Stromer (Zeuglodon-Reste aus dem oberen Mitteleocän des Fajüm. — Beitr. z. Palaeont. u. 
Geol. Öst.-Ung. u. d. Orients, XV, 2. u. 3. Heft, p. 86, 95, 98). 

Stromer hebt die Ähnlichkeit der angeblichen Wirbel von Squalodon Ehrlichii mit Zeuglodon 
hervor, die namentlich in der starken Entwicklung der Processus obliquomamillares der Schwanz- 
wirbel zum Ausdrucke kommt. 


F. W. True (Remarks on the Type of the Fossil Cetacean Agorophius pygmaeus Müller. — 
Smithson. Instit., No. 1694, 4°, Washington, 1907, p. 6, 7). 
True macht auf die Ähnlichkeit zwischen den Schädeln von Agorophius pygmaeus und 
Squalodon Ehrlichii aufmerksam und hebt namentlich die ähnliche Form des Rostrums hervor. 
Nach True könnte eine mit Agorophius näher verwandte Form der Ahne von Squalodon 
Ehrlichii sein. 


BE 


160 O. Abel, 


1908. E. v. Stromer (Die Archaeoceti des ägyptischen Eocäns. — Beiträge zur Palaeont. u. Geol. Öst.- 
Ung. u. d. Orients, XXI, p. 173). \ 
Squalodon Ehrlichii zeigt in seinen Wirbeln eine bemerkenswerte Ähnlichkeit mit Archaeo- 
ceten. 


1911. A. König (Ein neuer Fund von Squalodon Ehrlichii in den Linzer Sanden. — Jahresberichte des 
Ver. »Francisco-Carolinum« in Linz, p. 1-13, Taf. ]). 
Ein neuer Schädelfund in den Linzer Sanden des Bauernberges in Linz wurde von Baudirektor 
Kempf dem Museum »Francisco-Carolinum« in Linz zum Geschenke gemacht. Professor Dr. A. König 
stellte die zahlreichen Fragmente, in die der Schädel zerfallen war, wieder zusammen und beschrieb 
den Schädel als Squalodon Ehrlichii. 


III. Beschreibung von Patriocetus Ehrlichi van Ben. 
Patriocetus nov. gen. 
Patriocetus Ehrlichi van Beneden sp. 1865. 


Synonyme. 


Squalodon Grateloupi H. v. Meyer, 1843 (errore). 
Zeuglodon spec. Joh. Müller, 1849. 

Squalodon Ehrlichii P. J. van Beneden, 1869. 
Squalodon linzianus J. F. Brandt, 1871, 1. c., p. 196. 


Type. 


Der im Jahre 1841 entdeckte und zuerst von H. v. Meyer beschriebene Schädelrest. Die seinerzeit 
zu derselben Art gestellten Wirbel (drei Lumbarwirbel und.drei Caudalwirbel) sind als Patriocetus Denggi 
n. sp. abzutrennen (p. 40 bis 45 [194 bis 199]). Aufbewahrungsort: Museum »Francisco-Carolinum« in Linz. 


Cotypel. 


Die im Jahre 1867 von Felix Karrer gesammelten zwei isolierten Backenzähne und ein Kiefer- 
fragment mit einem Backenzahn in situ. Aufbewahrungsort: K. k. naturhistorisches Hofmuseum in Wien. 


Cotypell. 


Der im Jahre 1910 entdeckte, fast vollständige Schädel und Reste des Unterkiefers. Aufbewahrungs- 
ort: Museum »Francisco-Carolinum« in Linz. 


Fundort. 
Linz in Oberösterreich. ? 


Geologisches Alter. 


Obere Grenze des Oberoligocäns gegen das Miocän. 


Die Vorfahren der Bartenwale. 161 


Lagerungsverhältnisse. 


Alle Reste in dem grauen bis weißen Sand gefunden, der aus scharfkantigen, groben Quarzkörnern 
‚besteht und eine Strandablagerung des Meereskanals am Außensaume der Alpen darstellt. Die Unterlage 
des Sandes bildet Granitfelsen. Cotype II wurde fast unmittelbar über dem Granit gefunden. 


Erhaltungszustand. 


Knochen von graugelber bis graubrauner Farbe, ziemlich fest, aber von zahlreichen Sprüngen 
durchzogen, so daß die Schädelreste nur in Trümmern ausgegraben werden konnten. Cotype II (Fund des 
Jahres 1910) sehr gut erhalten, Schädel fast vollständig, Unterkiefer nur fragmentarisch (rechter Kieferast 
fehlt). Knochen mit fest anhaftenden Sandkörnern bedeckt; beim Abpräparieren der Körner bleibt ihr 
Eindruck auf der Knochenoberfläche zurück. Zähne mit schwarz bis dunkelgrau gefärbtem Schmelz, sehr 
spröde und leicht zerbrechlich. 


Diagnose. 


Schädel und Unterkiefer fast vollständig, Gebiß nur unvollständig bekannt. Rostrum im Profil 
geradegestreckt; von oben gesehen dreieckig, von der Antorbitallinie aus gegen vorn zu sich langsam 
verjüngend; Außenrand des Oberkiefers ein wvenig ausgebaucht. Äußere Nasenöffnung weiter nach hinten 
verschoben als bei Zeuglodon. Nasenbeine unvollständig erhalten, aber wahrscheinlich 11/ıoo der Schädel- 
länge. Supraorbitalplatte hauptsächlich vom Frontale gebildet, das in der Antorbitalecke vom Supra- 
maxillare unterschoben wird; die hintere Ecke der Supraorbitalplatte vom Parietale gebildet. Schädelkapsel 
breiter als bei Zeuglodon, in der Mitte ein horizontales Dach bildend, an dessen Zusammensetzung die 
Frontalia und Parietalia teilnehmen. Supraoccipitale quadratisch, stark ausgehöhlt, Seitenflügel stark 
emporgezogen; Hinterhaupt schräg nach vorn gerichtet. Schädelkapsel sehr niedrig, an Agorophius 
erinnernd. Crista sagittalis fehlt; horizontaler Abschnitt des Schädeldaches sockelartig über die Supra- 
orbitalplatten vorragend, seitlich gegen die großen und sehr weiten Temporalgruben durch eine Leiste 
begrenzt. Hinterer Abschluß der Temporalgrube durch eine scharfe Leiste markiert, die sich bis auf den 
Jochfortsatz des Squamosums fortsetzt. Hinterer Bodenteil der Temporalgrube durch einen scharf- 
randigen Kamm von der Schädelbasis getrennt. Palatina ebenso geformt wie bei Zeuglodon, gegen hinten 
in Dreieckform zusammenstoßend, in der Mittellinie fest aneinanderschließend. Basioccipitale mit großen, 
ungespaltenen Lateralflügeln. Pterygoid das Alisphenoid und Orbitosphenoid überdeckend. Petrosum mit 
dem Mastoideum vereinigt, in geschlossener Grube liegend, die vom Squamosum und Exoccipitale 
gebildet wird; Meatus acusticus internus in das Foramen lacerum posterius mündend. Mastoid zwischen 
Exoceipitale und Squamosum eingekeilt. In der Hirnhöhle nehmen die Lobi olfactorii einen großen Raum 
ein und reichen weit nach vorn. Unterkiefer mit niedrigem Processus coronoidalis, Symphyse verkürzt, 
Äste nicht verschmolzen. Gelenkkopf des Unterkiefers wie bei Balaenopteriden geformt. Gebiß unvoll- 
3.1.4.3 
3.1.4.3 
zweiwurzlig; der obere P, und M, mit deutlicher dritter Wurzel, die aber mit der vorderen Wurzel an deren 


ständig bekannt. Gebißformel: - . Die vorderen vier Zähne (oben) einwurzlig, die hinteren sieben 


Innenseite fest verschmolzen ist. Vordere vierZähne einspitzig, mitkegelförmiger(/ı) oder lateralkomprimierter 
Krone (Z, 2, C), die drei letztgenannten stark gebogen, der erste Schneidezahn mit geradegestreckter 
Achse. Die sieben Backenzähne mit kleiner, breit dreieckiger, lateral komprimierter Krone, die außer der 
Hauptspitze vorn und hinten je drei Nebenzacken, im ganzen also sieben Spitzen trägt. Kronen hoch 
über den Kieferrand vorstehend, unterhalb der Basis eingeschnürt; Wurzeln rettigartig verdickt. Die 
Achsen der unteren Backenzähne stehen schräge von vorn unten nach hinten oben, die Achsen der oberen 
Backenzähne, besonders die der vorderen, von hinten oben nach vorn unten. Gesamtcharakter des Gebisses: 
im Stadium der Reduktion. 


162 O. Abel, 
A. Beschreibung des Schädels der Cotype I. 
(Taf. I, II, II, IV, Fig. 1, VI, XI, XI, Fig. 1; Textfig. 1 bis 10). 
1. Supramaxillare. 


Die beiden. Oberkiefer des Schädels sind vorzüglich erhalten und trotz des hohen Alters des 
Individuums deutlich gegen die anstoßenden Knochen abgegrenzt, so daß ihr Verlauf klar verfolgt 
werden kann. 


Das äußerste Ende. der Oberkieferknochen fehlt, doch läßt sich aus der allgemeinen Form und 


Verjüngung des Rostrums gegen vorn mit Sicherheit darauf schließen, daß nur ein wenige Zentimeter 


langes Stück am Vorderende des Rostrums zu ergänzen ist. 
Die Grenze zwischen dem Praemaxillare und Supramaxillare ist auf der Oberseite des Rostrums 


sehr deutlich zu verfolgen, da beide Knochen durch eine tiefe Rinne getrennt sind. Der Zwischenkiefer 


legt sich im Rostralabschnitt in seiner ganzen Länge über den Oberkiefer. 

Der Verlauf der Grenze zwischen dem Praemaxillare und Supramaxillare auf der Oberseite des 
Rostrums ist folgender. Von der Spitze des Rostrums aus läuft der Außenrand des Zwischenkiefers fast 
parallel mit dem Außenrande des Rostrums, so daß in der Oberansicht des Schädels der äußere Rostralteil 
im Vorderabschnitte des Rostrums von einem fast gleich breiten Bande des Oberkiefers gebildet wird. 
Etwa 10 cm vor der Antorbitallinie ändert sich jedoch die Richtung dieser Grenzlinie; ‚sie wendet sich in 
scharfer Knickung gegen die Mittellinie des Schädels und zieht von hier an in unregelmäßigem, beider- 
seits ein wenig verschiedenem, wellenförmigem Verlauf gegen die Höhe des Schädeldaches. 

Während bei den echten Zahnwalen ausnahmslos der Oberkiefer den Zwischenkiefer begleitet, das 
Orbitaldach des Frontale überschiebt und bis auf das Schädeldach hinaufreicht, sehen wir den Oberkiefer 
bei Patriocetus in der Antorbitallinie von der Oberseite des Schädels verschwinden. In einem nach vorn 
gewölbten Bogen wendet sich die hintere Grenznaht des Oberkiefers vom Praemaxillare weg nach außen 
und läuft gegen die Antorbitalkerbe zu, in welcher der Oberkiefer von der Oberseite des Schädeldaches 
verschwindet. Er legt sich an dieser Linie schief unter das Frontale, überschiebt also das Orbitaldach nicht 
wie bei den Zahnwalen (zum Beispiel bei Squalodon und allen jüngeren Odontoceten, aber selbst schon 
bei den Archaeocetengattungen Agorophius und Prosqualodon), sondern unterteuft das Frontalein 
ganz derselben Weise, wie dies beiallen Bartenwalen der Fall ist. 

Während aber bei einzelnen Bartenwalen wie bei Balaenoptera und Megaptera noch ein schmaler, 
langgestreckter Fortsatz des Oberkiefers den Zwischenkiefer bis zu seinem hinteren Ende begleitet, fehlt 
dieser Fortsatz bei Patriocetus gänzlich und der Zwischenkiefer grenzt von der Antorbitallinie angefangen 
bis zu seinem Hinterende unmittelbar an das Frontale, so daß also bei Patriocetus in dieser Hinsicht die 
gleichen Verhältnisse wie bei Rhachianectes glaucus vorliegen. Bei den echten Balaeniden ist diese Region 
ganz anders gebaut. 

Ein kleines Stück hinter der Stelle, wo die Grenznaht zwischen Praemaxillare und Supramaxillare 
den besprochenen Knick zeigt, ist der Oberkiefer von einem größeren und einem kleineren Blutgefäßloch 
durchbohrt. Auf dem linken Oberkiefer geht an dieser Stelle ein Bruch durch, so daß die Gefäßlöcher 
nicht nachweisbar sind (Taf. ]). 

Auf der Gaumenseite bilden die Oberkiefer eine langgestreckte, dreieckige Platte, die in ihrem 
vorderen Abschnitte vollkommen flach ist. Gegen hinten zu wölbt sich der mittlere Abschnitt beider 
Kiefer ein wenig gegen unten und diese Wölbung wird um so stärker, je mehr sich die Oberkiefer der 
Palatinalnaht nähern, die infolge des hohen Alters des Tieres fast gänzlich obliteriert und daher nur 
undeutlich zu verfolgen ist. Jedenfalls ist ganz klar zu sehen, daß die Verhältnisse dieses Schädel- 
abschnittes mit jenen der Archaeoceten, insbesondere mit Zeuglodon Osiris, übereinstimmen, während bei 
den Bartenwalen diese Region total verschieden gebaut ist. Im vorderen Abschnitte des Palatinalabschnittes 
der Supramaxillaria wird zwischen ihnen in der Mittellinie auf eine Länge von etwa öcm die Unterkante 
des Vomer sichtbar (Taf. II). 


Die Vorfahren der Bartenwale. 163 


2. Praemaxillare. 


Das auffallendste Merkmal der Zwischenkiefer ist die Form und Ausbildung des proximalen, 
"schmalen Keiles, der sich von der Trennungsstelle des Oberkiefers vom Zwischenkiefer gegen das 
Schädeldach hinaufzieht (Taf. I und V]). 

In der Mittellinie stehen die Zwischenkiefer weit voneinander ab, so daß die weite, vom Vomer 
gebildete Rinne ihrer ganzen Länge nach sichtbar ist. Jeder Zwischenkiefer bildet im Rostralabschnitt 
eine langgestreckte, nach hinten langsam, aber stetig an Breite zunehmende Knochenspange; im vorderen 
Teile stark gewölbt, wird sie in halber Rostrallänge etwas flacher und enthält eine in der hinteren Hälfte 
des Rostrums gelegene lanzenspitzenförmige Einsenkung an der Innenseite, deren Spitze nach vorn sieht. 
In dieser Einsenkung des Praemaxillare, die sich bei den meisten Walen, wenn auch in anderer Form, 
wiederfindet, treten Blutgefäßkanäle aus, deren Mündungen als Foramina infraorbitalia bezeichnet zu 
werden pflegen. 

Der äußere Abschnitt des Zwischenkiefers erscheint von hier an gegen hinten durch eine Rinne vom 
inneren Abschnitt getrennt. Diese Rinne wendet sich in schwacher Bogenkrümmung nach außen, so daß 
der äußere Spangenteil des Praemaxillare stark verengert wird, und seizt sich, rechterseits stets deutlich 
bleibend, links auf eine kurze Strecke unterbrochen, bis zum Ende des Zwischenkiefers fort, wobei sie 
immer tiefer wird. 

In diese Spalte des Zwischenkiefers keilt sich ein senkrecht stehendes Knochenblatt ein, das einen 
Bestandteil des Frontale bildet. Das Frontale ist also mit dem Zwischenkiefer bei Patriocetus in ähnlicher 
Weise verbunden, wie dies bei einigen Balaenoptera-Arten, bei Rhachianectes usw. der Fall ist. 

Der vorspringende Keil des Frontale teilt somit den proximalen Fortsatz des Zwischenkiefers in 
zwei Teile, deren innerer weiter nach hinten reicht als der äußere. Während der innere einen stark auf- 
getriebenen Wulst bildet, fällt der äußere Teil fast senkrecht zur tiefer liegenden Orbitalplatte des 
Erontale ab (Taf. III, Fig. 1; Taf. XII, Fig. 1). 


3. Nasale. 


Die Nasenbeine sind bei dem sonst vortrefflich erhaltenen Schädel leider größtenteils verloren- 
gegangen. Nur vom rechten Nasale ist noch ein Fragment des hintersten Abschnittes erhalten, aus dem 
sich erschließen läßt, daß die Oberfläche des Knochens ein vollkommen flaches Dach über dem Hinter- 
ende der Nasenöffnung bildete. Nach den vorhandenen Bruchstellen und Ansätzen an die Praemaxillaria 
konnte der Umriß der Nasenbeine mit ziemlicher Genauigkeit ermittelt und diese ergänzten Umrisse der 
Nasenbeine in der Rekonstruktion des Schädels zum Ausdrucke gebracht werden (Taf. V]). 


4. Frontale, Orbitosphenoid und Alisphenoid. 


Die Frontalia zerfallen auf der Schädeloberseite in zwei scharf voneinander getrennte Abschnitte: 
erstens in einen erhöhten Sockel in der Mittellinie des Schädels, und zweitens in die mit sanfter Neigung 
nach vorn und außen abfallenden Platten, welche die Orbita überdecken (Taf. I und V]). 

Da infolge des hohen Alters des Individuums fast alle Schädelnähte obliteriert sind, so war es erst 
nach langwierigen Untersuchungen möglich, die genauen Grenzen der Frontalia gegen die Parietalia 
festzustellen. 

Der mediane Sockel der Frontalia läßt die Mittelnaht noch erkennen; sie ist indessen nicht so klar 
zu verfolgen wie die Verwachsungstelle zwischen Frontalia und Parietalia, die quer über das Schädel- 
dach zieht. Der mediane Sockel wird am Außenrande durch den weit nach hinten geschobenen Keil der 
Praemaxillaria begrenzt, die bis zur Parietalnaht reichen. Dieser hinterste Teil der Zwischenkiefer trennt 
somit den Mediansockel von dem viel tiefer liegenden Supraorbitalabschnitt. 

Der Mediansockel der Frontalia ist vollkommen flach und liegt in derselben Ebene wie die Ober- 
fläche der Nasalia und des Medianabschnittes der Parietalia. 


Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC. Bd. 24 


164 O. Abel, 


wu 


Die Quernaht, welche im Bereiche des Mediansockels die Frontalia von den Parietalia trennt, setzt 
sich auch auf das hinterste Ende der Supraorbitalplatten fort, die somit nicht allein von den Frontalia . 
gebildet werden. Das kleine Dreieck zwischen dem Lateralkamm des Mediansockels des Schädeldaches, 
dem Hinterrand der Supraorbitalplatte und der Quernaht des Frontale wird von einem Flügel des Parietale | 
gebildet. Wir werden bei Agriocetus ganz ähnliche Verhältnisse wiederfinden (Taf. VII). | 

Der Lateralkamm, welcher den Mediansockel jederseits begrenzt, setzt sich zwar auch auf die 
Parietalia fort, ist aber hier nur.mehr schwach angedeutet, da die Lateralflügel der Parietalia nicht so steil 
nach außen abfallen wie die Lateralflügel der Frontalia. Die Supraorbitalplatte zieht sich mit ihrem 
hinteren Ende gegen das Schädeldach hinauf und ist von der medianen Sockelpartie nicht sehr scharf 
abgegrenzt (Taf. VI); bei Agriocetus austriacus ist dieser Lateralkamm viel schärfer ausgeprägt und die 
Supraorbitalplatte endet mit einer schüsselförmigen Vertiefung (Taf. VI). 

Der Außenrand der Supraorbitalplatte des Frontale hat folgenden Verlauf: Von der Antorbitalkerbe 
aus beginnt ein Wulst mit schwacher Bogenkrümmung, der den Supraorbitalrand bildet; sein Vorderende 
(Processus antorbitalis) und sein Hinterende (Processus postorbitalis) springen weiter nach außen vor als 
der Mittelteil des Supraorbitalbogens und sind knopfförmig verdickt. Vom Processus postorbitalis zieht 
sich der Außenrand der Supraorbitalplatte in geschlossener Linie mit sigmoidaler Krümmung gegen das 
Schädeldach hinauf, läuft längs des Außenrandes des Supraoceipitale nach hinten unten herab und endet, 
sich wieder nach vorn wendend, auf der Oberseite des Processus zygomaticus squamesi. Dieser scharfe 
Kamm vom Processus postorbitalis bis zum Processus zygomaticus bildet die Umgrenzung der weiten 
und tiefen Temporalgrube (Taf. I, V]). 


Fig. 1. 
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Patriocetus Ehrlichi van Ben. (Cotype Il). Austrittsstelle des Canalis optieus aus der Schädelhöhle (Ansicht der Vorderwand 
der Schädelhöhle vom Foramen magnum aus; Sehachse parallel zur Schädelbasis). 
Natürl. Größe. 
Fo. opt. = Foramen opticum (s = linkes, d = rechtes); fo. rhin. = fossa rhinencephalica; ji. sph. = Fissura sphenoidalis 


(s = linke, 2 — rechte). 


In der Antorbitalecke tritt das Frontale mit dem Supramaxillare, Jugale und Lacrymale in Ver- 
bindung. Leider sind die Grenznähte derart verwachsen, daß über die Größe und Begrenzung des Jugale 
und Lacrymale keine sicheren Beobachtungen angestellt werden können. 

Betrachten wir den Supraorbitalflügel des Frontale von der Unterseite, so fällt zunächst die tiefe 
Rinne für den Nervus opticus und die zur Orbita führenden Blutgefäße auf. Diese Rinne ist nahe der 
Fissura sphenoidalis und dem Foramen opticum am tiefsten und engsten, erweitert sich aber rasch beim 
weiteren Verlaufe gegen die Orbita und wird gleichzeitig immer seichter. Vom Hinterende der Fissura 


Die Vorfahren der Bartenwale. 165 


sphenoidalis zieht sich in Bogenform ein Kamm gegen die Unterseite des Processus postorbitalis, und 
dieserKamm bildet die untere und vordere Begrenzung der Temporalgrube (Fig2). Von diesem Kamm aus zieht 
das Frontale schräge nach hinten und oben gegen den oberen Rand der Temporalgrube und stößt in der Wand 
“ derselben mit einer schräge von hinten oben nach vorn unten laufenden Naht an das Parietale (Taf. XII, Fig. 1). 

Betrachten wir den Innenraum der Schädelhöhle durch die Bruchstelle im Supraoccipitale (Fig. 1), so 
sehen wir in der Mittellinie zwischen zwei sehr stark entwickelten Vorsprüngen der Frontalia eine tiefe 
Grube, welche das Vorderende der Fossa rhinencephalica bildet (fo. rhin.). Unter ihr liegt eine transversale 
Leiste, welche das Dach der beiden kreisrunden Eintrittsstellen des Nervus opticus bezeichnet; außerhalb 
dieser beiden Öffnungen und ein wenig weiter hinten liegen die beiderseitigen Öffnungen der großen Fissura 
sphenoidalis. 

Die Fissura sphenoidalis (Fig. 1, fi. sph.) ist vom Foramen opticum internum (Fig. 1, fo. opt.) durch 
eine knöcherne Scheidewand getrennt. 

Das Foramen opticum liegt bei den Zahnwalen im Orbitosphenoid, die Fissura sphenoidalis 
zwischen Orbitosphenoid und Alisphenoid.! 

Die Grenzen des Orbitosphenoids und Alisphenoids sind bei Patriocetus Ehrlichii nicht erkennbar, 
obwohl beide Knochen an dem vorliegenden Schädel erhalten sind. Wie bei den Bartenwalen sind beide 
Knochenpaare jedoch sehr klein und spielen nicht dieselbe Rolle wie bei den Zahnwalen. In der 
Ventralansicht des Schädels sind die Orbitosphenoidea nicht sichtbar, da die Pterygoidea und die Basal- 
platte des Vomer die Austrittsstelle des Nervus opticus (Foramen opticum externum) ebenso wie die 
Mündung der Fissura sphenoidalis (= Foramen lacerum anterius) überdecken. 


5. Lacrymale und Jugale. 


Jedenfalls ist das Lacrymale in dem Schädel vorhanden und in der Antorbitalkerbe auf der Ventral- 
seite zu suchen. Ein kleiner Fortsatz, der in der rechtsseitigen Antorbitalkerbe nach innen unten hinten vor- 
springt, gehört wahrscheinlich bereits dem Jugale an, das eine ziemlich weite Spannung (145 mm) bis zum 
Vorderende des Processus zygomaticus squamosi besessen haben muß. Die genaueren Grenzen sind auch 
bei diesen Knochen infolge der vorgeschrittenen Obliterierung aller Nähte nicht feststellbar (Taf. II). 


6. Parietale. 


Das bemerkenswerteste Kennzeichen der Parietalia von Patriocetus ist die Anteilnahme derselben 
an der Bildung eines quer über das Schädeldach ziehenden breiten Bandes zwischen den Frontalia und 
dem Supraoccipitale. Außerdem nimmt das Parietale, wie schon früher erwähnt, an der Bildung der 
Supraorbitalplatte teil, indem es die hintere Ecke derselben zusammensetzt. Diese Verhältnisse kommen 
in den hier mitgeteilten Photographien und der Rekonstruktion des Schädels so klar zum Ausdruck, daß 
es unnötig wäre, darüber mehr zu sagen. (Taf. I, III, VI, XI, XD). 

Wichtig ist das Verhalten der Parietalia an der Grenzlinie gegen das Supraoccipitale Das 
Supraoccipitale ist sehr tief ausgehöhlt und entsendet zwei laterale, bogenförmig profilierte Flügel, welche 
das Hinterhaupt von der Schläfengrube abgrenzen. Unterhalb dieses Kammes zieht sich die Grenze gegen 
das Parietale bis zu dem Punkte hin, wo Squamosum, Supraoccipitale und Parietale zusammentreffen. 
Von hier an wendet sich die Grenznaht des Parietale entlang dem Squamosum hinab in die Temporal- 
grube; das untere Ende dieser Naht ist nicht mehr deutlich zu verfolgen (Taf. I, IV, Fig. 1, V]). 


7. Squamosum. 


Das Squamosum zerfällt wie sonst bei den Walen in zwei Abschnitte: einen plattenartigen Teil, der 
den hinteren Abschnitt der Schläfengrube bildet, und den Processus zygomaticus. Der erstgenannte Teil 


10. Abel: Les Dauphins longirostres du Bolderien (Miocene sup£rieur) des environs d’Anvers, Part. I, — Mem. Mus. R, 
Belg., T. II, 1902, p. 172. i 


166 O. Abel, 


ist durch eine kräftige Leiste gegen das Hinterhaupt abgegrenzt; das ist die Fortsetzung der vom. 
Supraoccipitale gebildeten Leiste, die den Abschluß der Temporalgrube bildet. Dieser die Schläfengrube 
abschließende Kamm, welcher die Temporalgrube in weitem Bogen umspannt, wird vorn vom 


17 / 
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Meat.aud.ext. 
fo.lac.post. 
Mast 
Sulc.mast. 85 N HPeER 
Pr Pr. par. 
Fo.m. 
Rekonstruktion der Schädelbasis von Palriocelus Ehrlichi van Ben. (Cotype II). — Oberoligocän von Linz, Oberösterreich. — 
Ungefähr 1/, der natürl. Größe. (Bizygomatischer Durchmesser 350 mm). 
Erklärung der Abkürzungen: 
Bo — Basioceipitale. Mast — Mastoideum. 
Can. opt. — Canalis opticus. Meat. aud. ext. = Meatus auditorius externus. 
Co — Condylus oceipitalis. Pal — Palatinum. 
Fis. sph. = Fissura sphenoidalis. Petr — Petrosum. 
Fo. lac. med. = Foramen lacerum medium. Pr. fale. — Processus faleiformis. 
Fo. lac. post. = Foramen lacerum posterius. Pr. par. — Processus paroccipitalis. 
Fo. m. — Foramen magnum. 12% — Pterygoideum. 
Fo. opt. — Foramen opticum. SY724 — Supramaxillare. 
Fo. peir. — Fossa petrosi. Sq — Squamosum. 
Fr — Frontale. Sulc. mast. = Sulcus mastoideus. 
Inc. anlorb. — Incisura antorbitalis. Vo — Vomer. 


M3 — der dritte rechte Molar. 


Die Vorfahren der Bartenwale. 167 


Frontale, dann ein kleines Stück weit vom Parietale, dann vom Supraoceipitale und zuletzt vom 
Squamosum gebildet. Er läuft längs der Grenze gegen das Exoccipitale am Squamosum herab und gabelt 
sich oberhalb des tiefen Einschnittes zwischen dem Mastoid und dem Processus postglenoidalis in eine 
hintere, auf das Exoccipitale hinüberziehende Leiste und in einen Wulst, der sich auf die Dorsalseite des 
Processus zygomaticus zieht, wo er langsam verschwindet. (Taf. IV, Fig. 1). 

In dem Winkel unterhalb dieser Gabelungsstelle ist das Squamosum zu einer tiefen Grube 
eingesenkt. 

Der Processus zygomaticus ist verhältnismäßig groß. Im Profil erscheint sein Oberrand fast gerade; 
sein Unterrand ist stark konkav profiliert. Der Processus postglenoidalis (Taf. XII, Fig. 1, pr. pogl.) liegt viel 
tiefer als der Processus praeglenoidalis (Taf. XII, Fig. 1, pr. praegl.). Auf der Dorsallläche des Processus 
zygomaticus lag das rechtsseitige Petrosum, das A. König abpräparierte und das verlorengegangen zu 
sein scheint. Ich habe es in Linz nicht mehr auffinden können. 

Betrachten wir das Squamosum von der Ventralseite des Schädels, so fällt zunächst die außer- 
ordentliche Weite der Glenoidalgrube auf, in der keine genau begrenzte Gelenkfläche für den Kopf des 
Unterkiefers sichtbar ist. Die Glenoidalgrube ist weit und seicht; vorn wird sie durch den scharfen Kamm 
begrenzt, der die fast horizontale Ebene der Schädelbasis von der Temporalgrube trennt; außen bildet der 
scharfe, kammartige Unterrand des Jochfortsatzes den Abschluß; hinten springt der Processus 
postglenoidalis als Abschluß vor; innen hinten bildet der Gehörapparat und innen seitlich der vom 
Petrosum nach vorn bis zur Temporalgrubengrenze ziehende Kamm, der Processus falciformis (Fig. 2, 
Pr. falec.) die Grenze. In diesem weiten Raume, dessen Dimensionen durch Fig. 2 und Tafel Il veranschaulicht 
werden, lag der Spielraum für den Condylus des Unterkiefers. Es geht aus diesen Verhältnissen hervor, 
daß der Unterkieferkopf eine große Bewegungsfreiheit besessen haben muß. 

Zwischen dem Processus postglenoidalis und dem Mastoideum Öffnet sich der halbtrichterförmige 
Kanal des Meatus auditorius externus (Meat. aud. ext.). Das Mastoid ist mit dem Squamosum ziemlich 
fest verbunden; rechterseits ist es erhalten geblieben, während das Petrosum abgebrochen ist. Hier ist 
sehr deutlich die Umgrenzung der Fossa petrosi (Fo. petr.) zu sehen, welche eine allseits geschlossene 
Grube im Squamosum darstellt, von welcher die Ernährungskanäle nicht durch den Knochen, sondern 
entlang seiner Unterseite gegen das große Foramen lacerum posterius (Fo. lac. post.) und das 
Foramen lacerum medium (Fo. lac. med.) ziehen. 


8. Mastoideum. 


Bei den lebenden Delphinen ist das Mastoid sehr klein und mit dem Petrosum fest zu einem 
Perioticum vereinigt. Bei den Ziphiiden dagegen ist das Mastoid sehr groß und keilt sich an der hinteren 
Außenecke des Schädels zwischen dem Processus postglenoidalis und dem Processus paroccipitalis ein. 
Noch stärker ist es bei den Bartenwalen ausgebildet, wo es als langer, mächtiger Keil hoch zwischen 
Squamosum und Exoccipitale hinaufreicht. 

Bei den Archaeoceten ist es deutlich von diesen beiden angrenzenden Knochen getrennt und mit 
dem Petrosum durch eine schwache Brücke verbunden. Die gleichen Verhältnisse zeigt die Mastoidal- 
region von Patriocetus. (Textfig. 2, 3; Tafel I). 

Vom Hinterende des Petrosums entspringt das Mastoid als unregelmäßiger Keil von der Grundform 
einer Pyramide nach außen, und zwar liegt die Spitze der Pyramide der Pars labyrinthica des Petrosums 
an (Fig. 3, p1.). Es schließt sich, durch eine Spalte getrennt, hinten dem Processus paroceipitalis des Exoceipitale 
an, während zwischen dem Mastoid und Squamosum die Rinne des Meatus auditorius externus verläuft. 
Die Spalte zwischen Mastoidund dem Processus paroccipitalis nenne ich Sulcus mastoideus (Fig. 2, Sule. mast.). 


9. Exoceipitale. 


Die Grenzen der Exoccipitalia gegen das Supraoccipitale und Squamosum sind nicht so deutlich 
wie jene gegen das Mastoid. Von Wichtigkeit ist die ausgesprochene Dütenform des Processus 


j 


168 O.: Abel, 


paroccipitalis (Fig, 2); zwischen ihm und dem rhombischen Lateralflügel des Basioceipitale öffnet sich eine 
tiefe Einkerbung (Ineisura condyloidea), durch welche der Condylarnerv den Schädel verläßt. Der Nervus 
condyloideus tritt also nicht durch ein eigenes Foramen condyloideum aus, sondern verläßt die Schädelhöhle 
durch das Foramen lacerum posterius und wendet sich durch die erwähnte Kerbe nach hinten unten und außen. 

Auch die Grenzen gegen das Basioccipitale sind nicht genau festzustellen, da verschiedene Brüche 
diese Region durchsetzen, und man im Zweifel darüber sein kann, ob es sich um einen solchen Bruch 
oder eine Nahtgrenze handelt. 

Auf der Hinterwand des Schädels sind die Exoceipitalia von den Condylen aus gegen außen stark 
ausgehöhlt. An einer Stelle der rechten Schädelhälfte ist auf eine kurze Strecke die Naht gegen das 
Squamosum zu sehen, welche hinter der Temporalgrubenkante des Squamosums liegt. 

Die Condylen sind sehr groß und stark gewölbt; sie springen ziemlich weit nach hinten vor. Beide 
Momente sprechen für eine größere Bewegungsfreiheit des Schädels, als dies bei den 
lebenden Bartenwalen der Fall ist. Die untere Innenecke der Condylen scheint, nach Andeutungen 
von Nähten zu schließen, vom Basioccipitale gebildet zu werden. 

Zu erwähnen ist noch, daß der Paroccipitalprozeß in der Hinteransicht auffallend breit ist (Taf. IV, 
Fig. 1) und mit einer stumpfen Kante nach außen abschließt, die gleichzeitig die Grenze gegen das Mastoid 
bezeichnet. Der Querschnitt des Processus paroceipitalis und des sich enge an ihn lehnenden Mastoids ist 
infolge dieser Außenkante herzförmig (Fig. 2). 


10. Supraoceipitale. 


Die Form des Supraoccipitale ist für Patriocetus sehr bezeichnend. 

Auf der Höhe des Schädeldaches schließt das Supraoccipitale mit einer quer und geradlinig über den 
Schädel verlaufenden Kante gegen die Parietalia ab. In der Mittellinie ist das Supraoccipitale an seinem 
Oberrande knopfförmig verdickt; dieser Knopf verlängert sich nach unten zu einem in der Medianlinie 
herabziehenden Wulst, der plötzlich oberhalb einer tiefen Grube abbricht (Taf. I, VI, IV, Fig. 1). 

Die Seitenränder des Supraoccipitale, das sich über die Hinterenden der Parietalia legt und sie in der 
Richtung gegen vorn überschoben hat, sind zu flügelartigen Vorsprüngen ausgezogen, die schräg nach 
oben außen stehen. Dadurch erscheint das Supraocecipitale zu einer sehr tiefen Wanne ausgehöhlt. 

Das untere Ende des Supraoccipitale ist stark beschädigt. A. König hatte bei der Zusammensetzung 
des Schädels aus vielen Trümmern keine Bruchstücke gefunden, die das große Loch oberhalb der 
Condylen (Taf. IV, Fig. 1) schließen sollten, und gemeint, daß vielleicht diese Stelle des Schädels auch am 
unverletzten Schädel offen gewesen sei. Ich konnte jedoch unter den noch vorhandenen losen Knochen- 
splittern ein größeres Fragment entdecken, das zweifellos dem Supraoccipitale angehört und den größten 
Teil dieser Lücke ausfüllt (Taf. I). Seine Oberfläche ist mit rauhen, unregelmäßigen Gruben bedeckt. 


11. Basioccipitale und Basisphenoid. 


Das Basioceipitale ist mit dem Basisphenoid ohne deutlich sichtbare Grenze verwachsen. 

Das auffallendste Merkmal des Basioceipitale ist die Ausbildung des rhombischen großen Lateral- 
flügels, dessen hinterer Abfall eine Wand der Incisura condyloidea für den Nervus condyloideus bildet. 
Der Kamm des Lateralflügels bricht vorn mit einem scharfen Knick ab und steigt gegen den Lateralwulst 
empor, der den vorderen Abschnitt des Basioccipitale und das Basisphenoid begleitet (Taf. II; Textfig. 2). 

Die Ventralfläche des Basioccipitale ist in der Region zwischen den Lateralflügeln ziemlich 
stark ausgehöhlt; gegen vorn zu ist derBoden des Basioccipitale und des Basisphenoids fast flach und 
nur an den Rändern nach unten herabgebogen. Der Lateralwulst setzt sich vom Basisphenoid auf das 
Praesphenoid fort, wendet sich nach außen auf das Pterygoid und endet an dem scharfen Kamm, der den 
unteren Abschluß der Temporalgrube bildet. Diese Stelle bezeichnet das Hinterende der Fissura 
sphenoidalis, welche in der Ventralansicht des Schädeis durch das Pterygoid überbrückt wird. 


| 


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ES 22 


Die Vorfahren der Bartenwale. 169 


Der vordere Abschnitt des Basisphenoids ist durch die horizontale Basalplatte des Vomer verdeckt 
gewesen, wie aus den erhaltenen Resten derselben hervorgeht (Fig. 2). 

Das auffallendste Merkmal des Basioccipitale und des Basisphenoids ist neben den großen, scharf 
begrenzten Lateralflügeln des Basioccipitale die bedeutende Breite und geringe Aushöhlung des vorderen 
Teiles beider Knochen sowie der geringe Höhenunterschied zwischen beiden Knochen und den übrigen 


Knochen der seitlichen Schädelbasis. 


12. Praesphenoid und Mesethmoid. 


Das Mesethmoid ist durch seine schwammige Struktur von dem es einschließenden Vomer an Bruch- 
stellen deutlich zu unterscheiden. Es ist mit dem Praesphenoid so innig verbunden, daß die ehemaligen 


Grenzen nicht mehr feststellbar sind. 


13. Vomer. 


Der Vomer bildet im Rostralabschnitte des Schädels eine sehr breite, tiefe Wanne; gegen vorn läßt 
er sich bis in die Gegend des Eckzahns verfolgen, doch dürite er beim unverletzten Schädel noch ein 
kleines Stück weiter gereicht und erst in der Region der Schneidezähne geendet haben (Taf. V]). 

Am Hinterende der breiten Rinne in der Medianebene des Rostrums umschließt der Vomer das 
Mesethmoid; zwischen beiden öffnet sich am Grunde der Rinne eine eigentümliche Grube. Der Vomer setzt 
sich, das Mesethmoid umschließend, weiter nach hinten fort und teilt sich in eine horizontale und eine 
vertikale Platte. Die horizontale Platte unterschiebt das Praesphenoid und den vorderen Abschnitt des 
Basisphenoids; die in der Medianebene nach unten vorspringende Platte tritt zwischen den Palatina hervor 
und erstreckt sich ziemlich weit nach hinten, wie aus den Bruchstellen auf dem horizontalen Plattenteil zu 
sehen ist. Das auffallendste Merkmal des Vomer von Patriocetus Ehrlichi ist jedenfalls die Breite und 


Tiefe der Rinne im Rostralabschnitte. 


14. Palatinum. 


Die Gaumenbeine besitzen eine sehr charakteristische Form. Die vordere Grenze gegen die 
Supramaxillaria verläuft ähnlich wie bei Zeuglodon Osiris; gegen hinten spitzen sie sich genau wie bei 
Zeuglodon dreieckig zu und lassen in der Mittellinie an ihrem Hinterende zwischen sich den Vomer 
hervortreten. In der Mittellinie zwischen dem dreieckigen Hinterende und der vorderen Grenznaht gegen 
die Supramaxillaria schließen sie enge aneinander (Taf. Il; Textfig. 2). 

Betrachten wir das Rostrum im Profil, so sehen wir, daß sich schon der vor den Palatinen liegende Teil 
der Oberkiefer stark herabsenkt (Taf. III, Fig. 1; Taf. XI, Fig. 1); die Palatina sind gleichfalls stark nach 
unten hinten geneigt. Diese Neigung der Gaumenplatte des Rostrums ist für Patriocetus sehr bezeichnend, 
Weiters ist auch die Lage der Palatina für den Linzer Wal sehr charakteristisch. 

Während bei Zeuglodon, zum Beispiel bei Zeuglodon Osiris, das Vorderende der Palatina in einer 
Transversalebene liegt, welche die vierten oberen Prämolaren schneidet, liegt das Vorderende des Palatina 
bei Patriocetus hinter der Verbindungslinie der ersten Molaren des Oberkiefers. Dieser Unterschied hängt 
damit zusammen, daß bei Zeuglodon die Molaren sehr weit nach hinten verschoben sind, so daß der 
vorletzte und letzte Molar schon unter der Orbita auf einen nach hinten verschobenen Lappen des Supra- 
maxillare liegen; bei Patriocetus liegt der letzte Molar weit vor der Antorbitallinie. Es ist dies ein wichtiger 
Anhaltspunkt zur Beurteilung der Spezialisationshöhe des Gebisses von Zeuglodon gegenüber Patriocetus, 
der in dieser Hinsicht sogar noch weit primitiver ist als Protocetus, bei dem die letzten, stark reduzierten 
Molaren bereits so weit nach hinten verschoben sind, daß sie unter der Orbita liegen. 

Die Palatina von Patriocetus sind auf den gegen die Orbita ansteigenden Flächen etwas eingesenkt. 
Diese Einsenkung ist gegen den mittleren Gaumenabschnitt durch eine Leiste abgegrenzt, die am 
Binterende beider Palatina beginnt, von hier aus rasch gegen vorn divergiert und in der Richtung gegen 
den letzten Molaren verläuft. Oberhalb dieser Leiste ist das Palatinum schwach ausgehöhlt; in welcher 


170 OÖ. Abel, 


Beziehung es hier zum Pterygoideum stand, ist nicht mehr mit Sicherheit zu ermitteln. Jedenfalls traten 
die Palatina in weitgehende Verbindung mit den Flügelbeinen, von denen leider nur die Platten erhalten 
sind, die an der Schädelbasis unmittelbaren Anteil nehmen. 


15. Pterygoideum. 


Wie schon erwähnt, sind von den Pterygoidea nur die plattenartig entwickelten Teile erhalten, die 
den vorderen Abschluß der Schädelbasis in der Ecke zwischen dem Basisphenoid und Squamosum bilden 
und welche an dieser Stelle die Alisphenoidea und ÖOrbitosphenoidea überdecken. Von den beiden 
letzteren Knochen bleibt auf der Ventralseite des Schädels nichts mehr sichtbar; nur in der Fissura 
sphenoidalis, die in der Ventralansicht von den Pterygoidplatten überdeckt wird, liegen diese Knochen frei. 

Verschiedene, stark verletzte Bruchstellen am Basisphenoid und an den Palatina deuten an, daß die 
Pterygoidea eine relativ große Ausdehnung besessen haben, doch ist es unmöglich, sie in ihrer 
Gesamtform zu rekonstruieren. Ob sie die eigentümlichen Formen besessen haben, wie sie Stromer in 
der Rekonstruktion von Zeuglodon Osiris 1908 zeichnete, möchte ich jedoch für sehr zweifelhaft halten. 


16. Petrosum. 


Vom Gehörapparat ist nur noch das linke Petrosum, und zwarin situ erhalten. Das rechte Petrosum 
war im Verlaufe des Fossilisationsprozesses vom Mastoideum losgerissen worden und war der Dorsal- 
seite des Jochfortsatzes angeklebt, wie A. König mitteilt. Seither ist dieses Petrosum leider in Verlust 


. Fig. 3. 


pra 


8C0 


mas OÖ. Abel 


Linkes Perioticum von Palriocelus Ehrlichi van Ben. (Cotype II) in natürlicher Größe, von der dem Tympanicum zugekehrten Seite 


(Ventralseite) gesehen. 


Erklärung der Abkürzungen: 


aco — Apertura externa aquaeductus cochleae. fr = Bruchstellen gegen das Tympanicum. 
cf == Canalis Fallopiae. mas — Mastoideum.. 

fco = Fenestra cochleae., oa = Ossiculum accessorium Tympanici. 
feo = Fenestra ovalis. pl = Pars labyrinthica. 

fom = Grube für das Caput Mallei. pra = Processus anterior petrosi. 


geraten, so daß ich nur über die Ventralseite des linken, fest im Schädel liegenden Petrosums einige 
Angaben machen kann. 

Vor allem fällt das ungewöhnliche Größenverhältnis zwischen dem vorderen, kolbigen Felsenbein- 
abschnitt(pra)und dem hinteren und inneren, ungefähr halbkugeligen Labyrinthabschnitt (p2) des Petrosums auf. 


Die Vorfahren der Bartenwale. ya 


Der vordere, kolbige Teil ist sehr lang und kräftig und übertrifft in seiner Masse bedeutend den Labyrinth- 
abschnitt. Es liegen also hier Verhältnisse vor, die ungewöhnlich sind. Leider ist es nicht möglich, in 
diesem Punkte Vergleiche mit Zeuglodon anzustellen, da nur ganz ungenügende Angaben über den Bau 
des Petrosums bei den verschiedenen Arten dieser Gattung vorliegen. Von Kekenodon onomata ist das 
Perioticum bekannt, aber ungenügend abgebildet und im Texte gar nicht erwähnt. Der Stapes steckt hier 
noch in der Fenestra ovalis der Pars labyrinthica. ! 

Betrachten wir das Petrosum von der dem Tympanicum zugekehrten Ventralseite, so erscheint der 
Processus anterior petrosi (Fig. 3, pr a) von der Pars labyrinthica (pl) scharf abgesetzt. Der Processus 
anterior endet vorn in einen stumpfen, kegelförmigen Fortsatz; auf seiner Ventralseite klebt ein kleiner, 
in der Mitte rinnenförmig vertiefter Knochenfetzen, der einzige erhaltene Rest des Tympanicums, der als 
Ossiculum accessorium bezeichnet wird (oa). 

Am Ende des Processus anterior, hinter dem Ossiculum accessorium, ist eine kleine runde Grube 
sichtbar, welche zur Aufnahme des Malleuskopfes dient (fom).? 

Schräg gegenüber Öffnet sich in der Pars labyrinthica (pl) das ovale Fenster (feo), das beim 
unverletzten Gehörapparat durch die Basalplatte des Steigbügels verschlossen wird. Von hier auS beginnt 
die Rinne zwischen der Pars labyrinthica petrosi und dem Mastoideum, die als Canalis Fallopiae (cf) 
bezeichnet wird. Auf der stark gewölbten Ventralseite der Pars labyrinthica, und zwar in ihrer hinteren 
Hälfte liegt die große Öffnung der Fenestra cochleae (f co); innerhalb von ihr und in der Ventralansicht nur 
durch einen Einschnitt an der Innenwand der Pars labyrinthica kenntlich, liegt die Apertura externa aquae- 
ductus cochleae (aco). 

Das Petrosum tritt durch eine relativ schwache Brücke mit dem Mastoideum (mas) in Verbindung. 
Nahe dieser Verbindungsstelle sind auf dem Mastoideum zwei nebeneinander liegende Bruchflächen 
sichtbar; es sind die Stellen, an denen die Verbindung mit dem Tympanicum erfolgte (fr). 

Das Gesamtbild des Perioticums, das aus dem vereinigten Petrosum und Mastoideum besteht, ist im 
Vergleiche zu den jüngeren Walen fremdartig, wenn wir auch nur die Ventralansichten in Vergleich ziehen 
können. Da das Perioticum so fest in der Fossa petrosi verkeilt ist, daß ein Bloßlegen seiner Dorsalseite 


Fig. 4. 


Teilweise Rekonstruktion des Unterkiefers von Patriocetus Ehrlichi van Ben. (Cotype II). — Der linke Kieferast von außen gesehen. 


Ungefähr 2/, der natürl. Größe. 


unmöglich erscheint, so ist es unmöglich, über die genaueren Umrisse des Porus acusticus internus ein 
Urteil zu gewinnen. Es war nur möglich, festzustellen, daß der Porus acusticus internus seine Öffnung 
nicht senkrecht gegen die Schädelhöhle wendet, sondern daß die Achse dieses Trichters schief nach oben 


1J. Hector: Notes on New Zealand Cetacea, Recent and Fossil. — Transact. and Proc. of the New Zealand Institute, 1880. 
Vol. XII, Wellington, 1881, Pl. XVII, Fig. 10. 


2 A. Denker: Zur Anatomie des Gehörorgans der Cetacea. -- Anatomische Hefte, XIX, 1902, p. 423 bis 448. 
Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC. Bd. 25 


172 O. Abel, 


innen gegen das Foramen lacerum posterius verläuft. Der Nervus acustico-facialis hatte also bei Patriocetus 
wahrscheinlich kein separates Foramen in der Schädelbasis. 


17. Mandibula. 


Der Unterkiefer ist stark zerbrochen und nur sein linker Ast etwas besser erhalten. Aus den zahl- 
reichen Fragmenten ließ sich jedoch der hintere Abschnitt der linken Kieferhälfte von der Region des 
zweiten Prämolaren angefangen bis zum Condylus so weit zusammenfügen, daß wir imstande sind, über die 
wichtigsten Merkmale und Umrisse des Knochens ein Urteil zu gewinnen (Taf. III, Fig.2; Taf. XI, Textfig. 4). 

Vor allen Dingen fällt die geringe Höhe des Kiefers im Bereiche des Processus coronoideus auf. Das 
Profil des Kronenfortsatzes ist total von dem der älteren Archaeoceten oder der Zahnwale verschieden; 
der Fortsatz ist bei Patriocetus in unverkennbarer Rückbildung begriffen und stellt auf diese Weise das 
Bindeglied zwischen dem hohen Kronenfortsatz der älteren Archaeoceten und dem verkümmerten des 
Bartenwalunterkiefers her. Die Zeichnungen und Photographien des Unterkiefers zeigen besser als aus- 
führliche Beschreibungen die Profilierung des Unterkiefers von Patriocetus. 

Der Condylus ist scharf von dem flachen hinteren Unterkieferteil abgesetzt. Se: Achse steht nahezu 
senkrecht zur Kieferachse; die Oberfläche des Gelenkkopfes ist mäßig gewölbt und besitzt den Umriß eines 
Ovals, das nach unten zu spitz ausläuft. 

Wichtig ist die Andeutung des Hinterendes der Symphyse. Legt man quer durch den linken Kiefer- 
ast, und zwar an der Stelle der vorderen Wurzel des P, einen Schnitt, so trifft derselbe einen an der 
Innenseite des Astes befindlichen Vorsprung, der als das Hinterende des Symphysenabschnittes anzusehen 
ist. Das Symphysenende liegt also etwa an derselben Stelle wie bei Zeuglodon, doch ist die Länge des 
Symphysenteiles viel kleiner, da die vorderen Zähne bei Patriocetus viel gedrängter stehen als bei 
Zeuglodon. 

An der Außenwand des Unterkiefers befinden sich unter den Backenzähnen große Gefäßöffnungen, 
die den Kiefer von außen hinten nach innen vorn durchbohren. 

Die Zahnachsen der Backenzähne des Unterkiefers stehen schräge zur Hauptachse desselben, und 
zwar verlaufen sie von vorn unten schräg nach hinten oben. Die Höhe des Kieferastes nimmt im Bereiche 
der Backenzähne von vornnach hinten rasch zu, doch sind die letzten Molaren nicht auf den Vorderrand 
des Kronenfortsatzes hinaufgeschoben. | 


B. Das Gebiß. 


Der Fund von 1910 (Cotype II) umfaßte außer dem Schädel und Unterkiefer noch mehrere Zähne, von 
denen nur einer in situ, die anderen aber isoliert gefunden wurden. 


A. König hat in der ersten Beschreibung dieses neuen Fundes mitgeteilt, daß der in situ befindliche 


Zahn der letzte Molar des linken Oberkiefers war, daß aber auch dieser abbrach, als er bei der Präparation 
von den anhaftenden Sandkörnern gereinigt wurde. 

Als ich den Schädel in Linz untersuchte, war dieser Molar mit dem Schädel noch nicht wieder 
vereinigt worden und die vorhandenen Bruchstellen gestatteten auch nicht eine sichere Anfügung an die 
noch in den Kiefern steckenden Wurzelteile. Erst die genauere Untersuchung in Wien ergab, daß die 
Bruchflächen der Krone dieses letzten Molaren nicht zu den Wurzeln des linken, sondern des rechten 
letzten Molaren paßten, an welche daher diese Krone wieder angefügt wurde. Die Angabe Königs muß 
daher auf einem Schreibfehler beruhen, zumal er an einer zweiten Stelle (l. c., p. 11) vom letzten Molaren 
des rechten Oberkiefers spricht. 

Von den übrigen losen Zähnen konnte ich die fünf letzten Backenzähne des Unterkiefers mit den 
noch in den Alveolen steckenden Wurzeln wieder vereinigen (Textfig. 4). Die übrigen Zähne (sechs ein- 
wurzlige) konnten weder dem Schädel noch dem Unterkiefer eingefügt werden. 


a a 


Die Vorfahren der Bartenwale. 173 


Im ganzen liegen also zwölf Zähne vor, die zu dem neuen Funde gehören und von denen sechs an 
ihre Stelle gebracht werden konnten, während das Fehlen der entsprechenden Kieferpartien am Vorder- 
ende des Schädels und Unterkiefers es unmöglich macht, die Zähne an ihren ursprünglichen Platz ein- 
zufügen. 

Am Schädelreste von Patriocetus Ehrlichi, der 1841 in Linz entdeckt wurde (Type), befinden sich 
noch die zwei letzten linken oberen Molaren in situ. Ihre Kronen sind gut erhalten. 

Außerdem liegen von Linz drei Baekenzähne derselben Art vor, die 1867 gefunden und 1868 von 
E. Sueß beschrieben wurden (Cotype I). Sie scheinen, wie schon Sueß hervorhob, einem einzigen 
Individuum anzugehören. Sueß hat zwei dieser Zähne als Unterkieferzähne gedeutet. 


Fig. 5a. 


Fig. 52. Fig. 62. Fig. 7b. Fig. 82. 


Fig. 5. Der erste obere rechte Schneidezahn von Patriocelus Ehrlichi van Ben. (Cotype II); a von außen, D von hinten, 
Fig. 6. Der zweite obere rechte Schneidezahn desselben Exemplars.. a von außen, D von hinten. 
Fig. 7. Der dritte obere rechte Schneidezahn desselben Exemplars. a von außen, D von hinten. 
Fig. 8. Der obere linke Eckzahn desselben Exemplars. a von außen, Dvon vorn. 
(Alle Fig. in natürl. Größe.) 


Der zuerst von van Beneden 1865 eingehender beschriebene einwurzlige Zahn, der seither in der 
Literatur als Eckzahn oder Schneidezahn des » Squalodon Ehrlichi« angeführt wurde, gehört, wie meine 
Untersuchungen in Linz ergeben haben, einem Physeteriden an und fällt daher außerhalb des Rahmens 
dieser Abhandlung. 


174 O. Abel, 


Die vorliegenden Zähne der Funde von 1841, 1867 und 1910 (im ganzen 17) gestatten, ein ziemlich 
gutes Bild von der Morphologie des Gebisses von Patriocetus Ehrlichi zu gewinnen. 


1. Die einwurzligen Zähne. 


Von den sechs einwurzeligen Zähnen des Fundes von 1910 hat A. König fünf abgebildet. A. König 
hat sie teils als »Stoßzähne«, teils als Prämolaren bezeichnet. 

Untersucht man diese Zähne genauer, so sieht man, daß sie in der Form der Kronen und Wurzeln 
ziemlich verschieden sind. Drei Zähne gehören dem rechten Zwischenkiefer an; ein Zahn ist der linke 
dritte obere Schneidezahn; ein weiterer konnte als der linke obere Eckzahn bestimmt werden. Ein kleines 
Kronenfragment, das einem sechsten einwurzligen Zahn zu entsprechen scheint, ist nicht sicher zu 
bestimmen. 

Der erste Schneidezahn (Fig. 5) ist als solcher durch seine gerade Achse kenntlich. Die konische 
Krone ist an der Spitze abgebrochen und ziemlich schlecht erhalten. Der Schmelz ist mit zahlreichen 
anastomosierenden Längsrunzeln bedeckt; die Vorder- und Hinterseite des Zahns ist durch eine stumpfe 
Schmelzkante gekennzeichnet, die sich von der Kronenspitze gegen die Kronenbasis herabzieht. 

Dieser Zahn gehört mit den beiden folgenden Zähnen jedenfalls zu einem und demselben Kiefer. Aus 
der sigmoidalen Krümmung des zweiten und dritten Schneidezahns läßt sich nur erschließen, daß sie 
entweder dem linken Unterkieferast oder dem rechten Zwischenkiefer angehören. Nun befindet sich aber 
auf der Krone des ersten Schneidezahns eine Usurfläche; diese Usurfläche liegt, wenn wir den Zahn 
entsprechend der schräg um die Wurzel ziehenden Grenzlinie zwischen Krone und Wurzel richtig 
orientieren, auf der Innenseite des Zahnes. Daraus geht mit Sicherheit hervor, daß es sich nicht um den 
ersten Schneidezahn des Unterkiefers handeln kann, da derselbe die Usurfläche auf der Außenseite der 
Krone zeigen müßte. Somit ist bewiesen, daß dieser erste Inzisiv wie die drei ihm folgenden einwurzligen 
Zähne dem rechten Zwischenkiefer der Cotype I/ angehören. 

Die Wurzel des ersten Inzisiven besitzt einen ungefähr dreieckigen Querschnitt, doch sind die Kanten 
abgerundet und die drei durch sie begrenzten Flächen schwach gewölbt. Die Wurzel nimmt von der 
Kronenbasis an allmählich an Stärke zu, so daß der ganze Zahn eine rettigförmige Gestalt erhält. 

Der zweite Schneidezahn (Fig. 6) unterscheidet sich von dem vorhergehenden vor allem dadurch, 
daß er in der Lateralansicht eine einfache, in der Sagittalansicht eine sigmoidale Krümmung besitzt. Die 
Krone ist lateral komprimiert, so daß ihr Querschnitt breit linsenförmig erscheint; eine scharfe Kante läuft 
sowohl am Vorderrand wie am Hinterrand von der Kronenspitze gegen die Kronenbasis herab. Die vordere 
Kante ist scharf, die hintere ist nahe oberhalb der Kronenbasis schwach gekerbt. Die äußersten Spitzen 
von Krone und Wurzel sind abgebrochen; die Wurzel zeigt etwa in halber Länge das Maximum ihrer 


Anschwellung. 

Der dritte Schneidezahn liegt in zwei Exemplaren vor. Das erste, sehr gut erhaltene (Fig. 7) 
gehört dem rechten Zwischenkiefer, das zweite — nur ein Kronenfragment — der entgegengesetzten 
Seite an. 


Die Krümmung ist hier noch stärker wie am zweiten Inzisiven ausgeprägt. Sie ist auch hier in der 
Lateralansicht eine einfache Bogenkrümmung, in der Sagittalansicht dagegen eine sigmoidale. Die Krone 
ist besonders stark von dieser Krümmung betroffen; der Zahn sieht schräg nach vorn unten. 

Wie am vorhergehenden Inzisiven ist die Krone lateral stark komprimiert, und zwar stärker als am 
zweiten Inzisiven, so daß der Querschnitt der Krone schmäler ist. Der Schmelz ist über und über mit 
longitudinalen, anastomosierenden Runzeln und Wülsten bedeckt; die Leisten am Vorder- und Hinterrande 
sind auch hier vorhanden, aber die Kerbung der hinteren Leiste ist hier'schärfer ausgeprägt als am vorher- 
gehenden Zahn. 

Der Eckzahn (Fig. 8) des linken Oberkiefers besitzt eine etwas niedrigere und breitere Krone 
als der letzte Schneidezahn und ist noch stärker komprimiert. Die Oberfläche des Zahnschmelzes ist 
auch hier gerunzelt wie bei den Schneidezähnen; die Kanten des Vorder- und Hinterrandes sind als starke 


nn 


Die Vorfahren der Bartenwale. 175 


Leisten entwickelt und das distale Ende der hinteren Kante ist stark angekaut. Dieser Lage der Usur- 
fläche der oberen Zähne entspricht die Lage der Abkauungsflächen an den Vorderkanten der unteren 
Zähne. 

Die Wurzel ist sehr stark korrodiert; diese starke Korrosion ist überhaupt ein wichtiges Merkmal 
aller Zähne dieser Art. Mit dem Fossilisationsprozeß hängt diese Erscheinung kaum zusammen; sie muß 
durch eine ungewöhnlich schwache Konsistenz der Wurzelmasse bedingt sein und ist als Begieit- 
erscheinung des Reduktionsvorganges des ganzen Gebisses anzusehen. Die erhaltenen Teile 
der Zahnwurzeln zeigen im frischen Bruche eine sehr dichte, elfenbeinartige Struktur; die Oberfläche der 
Wurzeln ist aber an allen Zähnen von unregelmäßigen Gruben und Löchern bedeckt. Untersucht man die 
Wurzelstruktur unterhalb der Krone, so sieht man, daß die Wurzelmasse hier eine ganz lockere, 
weitmaschige, spongiöse Struktur besitzt. Besonders an den Wurzelteilen knapp unterhalb 
der Krone des letzten linken Inzisiven und des linken Eckzahns ist diese Erscheinung am deutlichsten 
zu beobachten. Damit steht im Zusammenhang, daß die Zähne beim Ausheben des Restes oder bei der 
Präparation durch Prof. A. König knapp unter der Krone abgebrochen sind. Diese Strukturverhältnisse der 
Zähne sind keineswegs belanglos, sondern als Kennzeichen des Degenerationsprozesses des Gebisses von 
großer Bedeutung. Dieselben Erscheinungen zeigen die Wurzeln der unteren Backenzähne. 


2. Die oberen Backenzähne. 


Der zweite obere Molar ist an dem Schädelreste des Fundes von 1841 erhalten, fehlt aber dem 
Schädelreste des Fundes von 1910. Der Zahn gehört der linken Kieferhälfte an. 

Das auffallendste Merkmal dieses Molaren ist die starke Einschnürung der Wurzel knapp unterhalb 
der Kronenbasis, die besonders in der Sagittalansicht zum Ausdrucke kommt. 

Die Krone ist lateral stark komprimiert und am Vorder- und Hinterrand gezackt, und zwar sind 
vorn und hinten je drei Zacken entwickelt, so daß, die Mittelspitze dazu gerechnet, der Molar sieben- 
spitzig ist. 

Das Kronenprofil fällt dadurch auf, daß die Kronenbasis bedeutend länger ist als die Kronenhöhe, 
welche nur 15 mm beträgt; die Kronenbasis ist dagegen 20 mm lang. Bei der Berechnung der Kronenhöhe 
ist das Ende der Mittelspitze ergänzt worden. 

Der Schmelz ist an der Außen- und Innenseite mit zahlreichen groben, unregelmäßigen Längswülsten 
und Rillen bedeckt. 

Das Kronenprofil hat ungefähr die Form eines Dreiecks mit breiter Basis; Vorder- und Hinterrand 
sind etwas konvex gekrümmt und die Zacken abgerundet. 

Die Wurzeln verdicken sich von der Einschnürungsstelle an der Kronenbasis gegen den Kiefer zu 
sehr rasch. Ihre Teilung in zwei Enden ist bei dem M, der Type (1841) sehr deutlich ausgeprägt, aber sie 
erfolgt erst im Bereiche des Kieferknochens und nicht außerhalb desselben. 

Ich war bei Beginn meiner Untersuchungen der Meinung, daß dieses Verhalten der Wurzeln einen 
wichtigen Unterschied zwischen dem alten und dem neuen Funde darstellt. Eingehendere Vergleiche 
haben mich später davon überzeugt, daß in diesem Punkte eine ziemliche Variabilität selbst bei einem 
und demselben Schädel zu beobachten ist. Bei der Cotype II (1910) sind beiderseits die Wurzeln der sechs 
hinteren Backenzähne in beiden Oberkiefern erhalten und ein Vergleich der korrespondierenden Zähne auf 
beiden Seiten zeigt, daß in einem und demselben Schädel große Verschiedenheiten zu beobachten sind. 
Ich stelle dies in folgender Übersicht dar: 


Verhalten der zwei Wurzelalveolen der Backenzähne bei der Cotype Il: 


Zähne linker Oberkiefer rechter Oberkiefer 
P, (fehlt) vereinigt vereinigt 
P, (Wurzeln erhalten) » getrennt 


P; » » > vereinigt 


176 OÖ. Abel, 


Zähne linker Oberkiefer rechter Oberkiefer 
Pı (Wurzeln erhalten) vereinigt vereinigt 
M, » » » » 
M3 » » » getrennt 
Ms (Zahn rechterseits intakt) » » 


Sehr wichtig ist der Größenunterschied der Wurzeln der verschiedenen Backenzähne. Die Wurzeln 
der Prämolaren sind viel stärker als die der Molaren; die stärksten und größten Wurzeln besitzt 
der dritte obere Prämolar. Diese Tatsache ist deshalb außerordentlich wichtig, weil auch bei 
Protocetus der dritte, obere Prämolar der stärkste Zahn des oberen Gebisses ist. 

Noch eine andere wichtige Erscheinung ist an den Wurzeln der Backenzähne zu beobachten. Die 
Wurzeln. von P, und M, des Oberkiefers sind zwar nur in zwei Hauptwurzeln gespalten, aber die 
vordere Wurzel besitzt an der Innenseite einen deutlich abgegrenzten Pfeiler (Fig. 10). Bei den vorderen 
Backenzähnen (Pı, Ps und P3) und den hinteren (Ms, M3) sind dagegen beide Wurzeln nahezu 
gleich stark und zeigen keine Spaltung der vorderen Wurzel. 

Diese stärkere Entwicklung der vorderen Wurzel ist dadurch zu erklären, daß die vordere Wurzel 
mit der ursprünglich an ihrer Innenseite gelegenen dritten Wurzel verschmolzen ist. Auch in diesem Falle, 
wie schon bei dem Vergleiche der relativen Größe der Backenzahnkronen, finden wir einen analogen Fall 
bei Protocetus atavus. Pı und P, dieses Urwals sind zweiwurzlig; die hinteren Zähne sind alle drei- 
wurzlig. Bei Patriocetus sind am P, und Mı noch die Spuren der dritten Wurzel deutlich zu sehen, 
während sie am M» und M3 verloren gegangen sind: ein Beweis dafür, daß die hinteren Zähne in der 
Spezialisation weiter vorgeschritten sind als die drei vorderen Zähne P;, P, und M.. 

Der dritte obere Molar (Fig. 9) liegt in zwei Exemplaren vor: an der 
Type (1841) und an der Cotype II (1910). Seine Kronenform ist fast genau 
die gleiche wie die des vorhergehenden Molaren; bei der Type steht jedoch 
die Krone weniger weit über den Alveolarrand vor als bei der Cotype IroBei 
der letzteren zeigt M3 eine gespaltene Wurzel, während beim M3 der Type die 
Krone nicht so weit über den Kieferknochen vorsteht und daher die Wurzel- 
spaltung nicht sichtbar ist. Betrachten wir den M3 der Cotype Il von der Seite 
(Fig. 9), so sehen wir, daß zwischen der Spaltungsstelle der Wurzel und der 
Kronenbasis noch ein Raum von 18 mm übrigbleibt. Die Krone ist in der Mitte 
15 mm hoch; in der Seitenansicht (Fig. 9) erscheint sie perspektivisch verkürzt, 
da die Zahnachse stark nach innen geneigt ist. 

Die Krone besitzt die gleiche Zackenzahl wie der Ms des Oberkiefers und 
ist auch sonst ganz gleichartig gestaltet. 

Ehrlichi van Ben. (Cotype Il), Bevor ich zur Besprechung der Unterkieferzähne übergehe, teile ich noch 
von außen gesehen. einige Maße mit, welche die relativen Abstände der Wurzeln der sechs hinteren 


(Natürl. Größe). oberen Backenzähne betreffen. 


Letzter rechter M3 des Ober- 
kiefers von Patriocetus 


Abstände der zwei Wurzeln voneinander, von den Zentren der Alveolen gemessen: 


Type (1841) Cotype II (1910) 
Zähne (Gesamtlänge der Zahn- (Gesamtlänge der Zahn- 
reihe P,—M3 —= 20 cm) reihe P,—M3 = 18 cm) 
P; 25 mm 19 mm 
Ps PP > 18 >» 
Jen Zul > 18 >» 
Mı 21 > 18 > 
Ma 20 » 167% >. 


Ms 15 > 14 2 


u TE ER 


u 


TEE 


Die Vorfahren der Bartenwale. 177 


Daraus ergibt sich, daß die Wurzeln der hinteren Backenzähne enger beieinander stehen als an den 
vorderen. Es hängt dies in erster Linie mit dem Größenunterschied der Backenzähne zusammen, von dem 
schon früher die Rede war. 


3. Die unteren Backenzähne. 


Wie im oberen Gebiß sind auch im Unterkiefer die vorderen Backenzähne etwas größer als die 
beiden letzten, doch ist der Unterschied nur unbedeutend. In dem linken Unterkieferast sind fünf Zähne, 
und zwar die letzten (P3, Pı, Mı, Ms», M3) erhaiten (Fig. 4). 


\ 


Fig. 10. 


Wurzeinvon R, 


Wurzeln vonM,; 


Wurzeln vonM, 


| 


| 


Die Verteilung der Barkenzähne im rechten Oberkiefer von Patriocetus Ehrlichi van Ben. (Cotype II). — Oberoligocän von Linz, 


ll 


Oberösterreich. — Halbe Naturgröße. 


(Auf der Wurzel von M, eine durch Schraffur kenntlich gemachte Partie sichtbar: die Abbruchstelle der Kronenbasis. Der Gegensatz 


in der Größe von Krone und Wurzel kommt hier deutlich zum Ausdruck.) 


Der dritte untere Prämolar ist sehr stark beschädigt und es ist über ihn nur soviel zu sagen, 
daß er ebenso wie alle übrigen Backenzähne zweiwurzlig war und daß am Hinterrande der lateral 
komprimierten Krone mehrere Zacken (wahrscheinlich vier) ausgebildet waren, die aber stark usiert sind. 

Der vierte untere Prämolar ist besser erhalten. Seine Kronenbasis ragt 26 mm über den Alveolar- 
rand vor; die Krone ist länger als hoch (26: 17 mm). An der vorderen Kante sind: schwache Zacken 
vorhanden gewesen, die aber abgenutzt sind. Wahrscheinlich sind zwei unter diesen Zacken größer 
gewesen als die übrigen. An der hinteren Kante sind vier einzelne Höcker zu zählen. Der Zakn dürfte also 
siebenzackig gewesen sein, wenn wir die Mittelspitze dazu zählen. 


178 O. Abel, 


Der erste untere Molar ist im wesentlichen ebenso gestaltet wie der letzte Prämolar. Er ist sehr 
stark korrodiert und die Struktur des Zahnes zeigt namentlich unterhalb der Kronenbasis die schon von 
den oberen Zähnen beschriebene weitmaschige, spongiöse Beschaffenheit. 

Der zweite untere Molar zeigt deutlich vier starke Zacken am Hinterrande der Krone. Der 
Vorderrand ist abgebrochen. Die Wurzel besitzt dieselbe Beschaffenheit wie die des Mı. 

Der dritte untere Molar ist am besten erhalten. Außer der Hauptspitze sind in der Mitte des 
Vorderrandes zwei kleine, am Hinterrande vier kräftige Zacken zu beobachten; der Zahn war also sieben- 
spitzig. Die Krone ist 25 mm lang und 15 mm hoch, also nur ganz unbedeutend kleiner als der dritte 
Prämolar. Die Kronenbasis steht nur 19 mm über den Alveolarrand vor, also weniger als beim dritten 
Prämolaren. Die Wurzel hat dieselbe Struktur wie jene der vorderen Backenzähne. 


C. Vergleiche zwischen den Schädeln von Patriocetus Ehrlichi, den älteren Archaeo- 
ceten und den echten Bartenwalen. 


Merkmale 


Ältere Archaeoceten (mit Aus- 


schluß von Agorophius) 


Patriocetus 


Lage der äußeren Nasen- 


öffnung: 


Verhältnis der Abstände des 


Hinterrandes der 


äußeren 
Nasenöffnungvom Hinterende 


und Vorderende des Schädels: 
ee — — — —  — —_g —_ 
Länge des Nasenbeines im 
Verhältnis zur Schädellänge 
(Schädellänge auf 100 umge- 


rechnet): 


Schnauzenform in der Ober- 


ansicht: 


Schnauzenprofil: 


Weit vorn. 


Protocetus 30 : 10. 
Eocetus 30:12. 
Zeuglodon 30:20. 


Protocetus 31 : 100. 
Zeuglodon 23 : 100. 


Schnauze sehr lang und sehr 
schlank, bei der ältesten Form 
(Protocetus) sehr schmal, bei 
Zeuglodon breiter und kürzer, 
aber der Außenrand des Ober- 
kiefers in der Oberansicht 
stetseinenachinnen konkave 


Bogenlinie bildend (Taf. IX). 


Bei Protocelus, Eocelus, Zeug- 
lodon vollkommen gerade 
(Textfig. 14). 


Echte Bartenwale 


Nach hinten verschoben. 


30:45. 


Wahrscheinlich”11 : 100. 


Schnauze kürzer und breiter, 
besonders in der Region der 
Prämolaren im Vergleich zu 
den älteren Archaeoceten stark 
verbreitert; Außenrand des 
Oberkiefers eine nach außen 
schwach ausgebauchte Linie 


bildend (Taf. VI). 


Gerade gestreckt, aber nach 
vorn unten geneigt 
(Taf. XI). 


Noch weiter nach hinten ver- 


schoben. 


Plesiocetus 30:92. 
Balaenoplera 30 : 44. 
Megaptera 30:52. 
Balaena 30:40. 
Rhachianectes 30:51. 


100. 
Balaenoptera 5: 100. 
Megaptera 8:100. 
Balaena 10: 100. 
Rhachianectes 13: 100. 


Plesiocetus 4: 


Schnauze bei den Balaeno- 
pteriden dreieckig, Außenrand 
nach außen schwach ausge- 
baucht; bei Rhachianectes lang 
und schmal, Außenrand gerad- 
linig; bei den Balaeniden sehr 
schmal, Außenrand geradlinig 
oder schwach nach innen aus- 


gebaucht. 


Schnauzenprofil bei den Balae- 
nopteriden sehr schwach nach 
unten gebogen; etwas stärker 
gebogen bei Rhachianectes; 
noch stärker bei Neobalaena 
und sehr stark gebogen bei 


Balaena (Taf. XII). 


PEN NN.  _—  _ __) _____ 


Die Vorfahren der Bartenwale. 


179 


Ältere Archaeoceten (mit Aus- 
Merkmale ; 
schluß von Agorophius) 


Ausschließlich vom Frontale 
Zusammensetzung der Supra- 


orbitalplatte: gebildet, Supramaxillare aus- 


geschlossen (Taf. IX). 


Supraorbitalplatte desFrontale 
vorn mitwellenförmiger Trans- 
| versalnaht mit dem Supra- 
Grenze zwischenFrontale und 
maxillare verbunden, das sich 


Supramaxillare: 1 j 
im  Antorbitalabschnitt 


nur 
unter das Frontale schiebt 
(Taf. IX). 


Außerordentlich schmal 


Form der Schädelkapsel: 
(Taf. IX). 


Senkrecht zur Schädelachse 


Stellung des Supraocceipitale: 
5 z 3 (Taf. IX). 


Oberfläche des Supraoceipi- | Sehr stark ausgehöhlt, schmal 


tale: (Taf. IX). 


Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC. Bd. 


Patriocetus 


Hauptteil vom Frontale ge- 
bildet, in der hinteren Innen- 
ecke nimmt auch das Parietale 
an der Zusammensetzung An- 
teil; Supramaxillare 
schlossen (Taf. V]). 


ausge- 


Echte Bartenwale 


Wie bei Patriocetus, nur findet 
sich bei einzelnen Gattungen 
längs der Zwischenkiefernaht 
ein schlanker Fortsatz des 
Supramaxillare; von der eigent- 
lichen Supraorbitalplatte bleibt 
das 


Supramaxillare ausge- 


schlossen (Taf. VII). 


Naht zwischen Frontale und 
Supramaxillare schwach ge- 
wellt und mehr geradlinig ver- 
laufend, sonst wie bei älteren 


Archaeoceten (Taf. V]). 


Verbreitert (Taf. VI). 


Etwas nach vorn gerichtet 
bei Patriocetus (Taf. VI), sehr 
stark nach vorn geneigt bei 


Agriocetus (Taf. VI]). 


breit bei 


Patriocetus (Taf. VI); schwach 


Stark ausgehöhlt, 


gewölbt und sehr breit bei 
Agriocetus (Taf. VII). 


Naht geradlinig verlaufend, 
Supraorbitalplatte des Fron- 
tale vom Supramaxillare stark 
unterschoben, nur‘ an der 
Grenzecke zwischen 

Pmx und Fr das Fr 
einem Fortsatz des Smx über- 
der 
Formen (zum Beispiel Rhachia- 
Bei Rhachia- 


nectes legt sich das Smx mit 


SIMX, 
von 


schoben, aber einigen 


nectes) fehlt. 


einer dünnen, sehr schmalen 
Platte auch über den Vorder- 
rand des Frontale, ebenso bei 


Plesiocetus. 


Bei älteren Formen ebenso, bei 
jüngeren Formen stärker ver- 
breitert, aber stets schmäler 


als bei echten Odontoceten. 


Bei älteren Bartenwalen 
schwächer, bei jüngeren sehr 
stark nach vorn gerichtet, bei 
Balaeniden stärkerals beiBalae- 
nopteriden, am schwächsten 
unter den lebenden Gattungen 
bei Rhachianectes (Taf. XII, 3). 


Stets sehr breit; nur bei den 
älteren Formen (zum Beispiel 
Anlocetus) ausgehöhlt, ebenso 
unter den lebenden Barten- 
walen bei Rhachianectes ; sonst 
ganz flach oder sehr schwach 


gewölbt. 


180 


Merkmale 


Form des Supraoecipitale: 


Crista sagittalis: 


O. Abel, 


Ältere Archaeoceten (mit Aus- 


schluß von Agorophius) 


Vielhöher als breit, Grundform 
rechteckig, 
abgerundet (Taf. IX). 


Oberrand bogig 


In der Mitte des Schädeldaches 
einen hohen medianen Kamm 
bildend (Taf. IX). 


Anteil derParietalia an derZu- | 


sammensetzung des Schädel- 


daches: 


Palatina: 


| Parietalia den größten Teil 
des Vertex bildend (Taf. IX). 


Bei 


groß, seitlich an die horizon- 


Protocetus atavus sehr 
talen, ganz flachen Pterygoidea 
anschließend. Bei Zeuglodon 
sind die Palatina hinten drei- 
eckig begrenzt, und springen 
keilförmig unter dem Vomer 
nach hinten vor; sie sind bei 
Protocetus dünn, bei Zeuglodon 


sehr dick. 


Patriocetus 


Grundform quadratisch, Ober- 
rand eine gerade Linie bildend 
bei Patriocetus (Taf. VI); breiter 
Oberrand 
schwach gekrümmten Bogen 
bildendbei Agriocetus (Taf. VII). 


als hoch, einen 


Temporalleisten doppelt, in der 
Mitte des Schädeldaches ein 
breites, sockelartig erhöhtes 
Feld einschließend, das von 
den Frontalia und Parietalia 
gebildet wird (Taf. VI); bei 
Agriocetus schwache Median- 
leiste zwischen den Parietalia 


(Taf. VID. 


| Parietalia ein breites Band 


| zwischen Frontalia und Supra- 


maxillare auf dem Schädel- 
dache bildend (Taf. V]). 


Palatina nach hinten ebenso 
abgegrenzt wie bei Zeuglodon, 


sehr dick (Taf. II). 


Echte Bartenwale 


„Grundform bei Balaena ebenso 
bei 


Grundform dreieckig, entweder 


wie Agriocetus,; sonst 
spitz zulaufend (zum Beispiel 
Aulocetus, Plesiocetus) oder an 
der 


(zum Beispiel Balaenoptera) ; 


Spitze quer abgestutzt 
Übergänge zwischen den 
beiden letzten Typen inner- 
halb einzelner Arten (zum 


Beispiel Megaptera nodosa). 


Temporalleisten nach vorn in 
Dreieckform konvergierend, 
Cristassagittalis fehlt (Taf. VII). 


Parietalia nur bei Ceiotherium 
auf dem Schädeldache frei, 
sonst vom Supraocceipitale 
von vorn. nach hinten über- 
schoben und daher nurin den 
Temporalgruben frei sichtbar; 
schon bei Plesiocetus Frontalia 
Mitte des Schädel- 


daches an das Supraoceipitale 


in der 


grenzend. 


Palatina in der Regel in der 
Mitte durch einen Spalt ge- 
durch welchen der 
sichtbar 


wechselnder Form, meist von 


trennt, 
Vomer wird. Von 
bohnenförmigem Umriß und 


sehr groß, aber zart. 


Die Vorfahren der Bartenwale. 


181 


Merkmale 


Ältere Archaeoceten (mit Aus- 


schluß von Agorophius) 


Patriocelus 


Echte Bartenwale 


Basioceipitale und Basi- 


sphenoid: 


Petrosum: 


Mastoideum: 


Tympanicum: 


Bei Zeuglodon beide Knochen 
fest vereinigt, eine schwach 
ausgehöhlte Platte bildend, die 
im vorderen Abschnitt seitlich 
von zwei niedrigen Leisten 
begrenzt wird. Basioceipitale 
mit je einem starken lateralen 
Flügel von rhombischer Form, 
der mitunter durch einen tiefen 


Einschnitt gespalten erscheint. 


Genauere Beziehungen zu den 
angrenzenden Schädelknochen 
unbekannt. Wahrscheinlich in 


geschlossener Grube liegend. 


Das Foramen lacerum poste- 


rius liegt seitlich und innen 


vom Petrosum. 


Mit dem Petrosum vereinigt, 
aber Verbindungsstelle klein; 
mit dem Squamosum und 
Exoeccipitale fest vereinigt, den 


Processus mastoideus bildend. 


Bei Zeuglodon hinten unten mit 
schwacher Furche versehen; 
etwas stärker ist die Furche 


bei Protocetus ausgeprägt. 


Wie bei Zeuglodon, aber die 
rhombischen Lateralflügel un- 
gespalten (Textfig. 2; Taf. I). 


Petrosum in kleiner, geschlos- 
sener Grube, die vom Squa- 
mosum und Exoccipitale ge- 
bildet wird. Das Petrosum liegt 
daher gänzlich außerhalb der 
Schädelhöhle und steht mit ihr 
durch das Foramen lacerum 
posterius in Verbindung, das 
dieselbe Lage wie bei den 
älteren Archaeoceten besitzt 
(Textfig. 2; Taf. II). 


Ebenso 
(Textfig. 2, 3; Taf. II). 


Unbekannt. Falls eine isoliert 
gefundene Bulla zu Patriocetus 
oder Agriocetus gehören sollte, 
würde sie in ihrer Gesamtform 
an die Bulla von Ceiotherium 


erinnern. 


Beide Knochen eine tief aus- 
gehöhlte Rinne bildend, die 
halbzylindrischen Querschnitt 
besitzt; 


Lateralllügel sehr 


kräftig, sich in die ebenso 
starken Lateralflügel der Ptery- 
soidea fortsetzend, die weit 


nach hinten geschoben sind. 


Petrosum in weiter Öffnung 
der Schädelbasis liegend; in- 
folge sehr inniger Verbindung 
mit dem Mastoideum zum 
Perioticum viel fester mit dem 
Schädel verbunden als bei 
den meisten Zahnwalen, da 


das Mastoideum als langer, 


keilförmiger Knochen zwischen 
Squamosum und Exoceipitale 
hoch an der Hinterseite des 


Schädels hinaufreicht. 


Ebenso, aber Verbindungs- 
stelle mit dem Petrosum viel 
größer; vom Squamosum und 
Exoceipitale durch Naht ge- 
bedeutend 


trennt; kräftiger 


entwickelt als bei Patriocetus. 


Bei den älteren Bartenwalen 
(zum Beispiel Cetotherium) 
eine seichte Längsfurche auf 
der Unterseite; bei jüngeren 
Gattungen keine Rinne oder 
Furche auf der Unterseite vor- 


handen. 


182 


Merkmale 


O. Abel, 


Ältere Archaeoceten (mit Aus- 


schluß von Agorophius) 


Patriocetus 


Echte Bartenwale 


Lobi olfactorii: 


Symphyse des Unterkiefers: 


Kronenfortsatz des Uhnter- 


kiefers: 


Sehr lang und schmal, weit 
über dieHauptmasse des Groß- 


hirns vorragend. 


Äste nur locker miteinander 


verbunden, Symphyse lang. 


Hoch, groß. 


Kürzer als bei den älteren Ar- 
chaeoceten, aber immer noch 


ziemlich weit vorspringend. 


Ebenso, aber Symphyse ver- 


kürzt. 


Niedrig, klein. 


Rudimentär; 


beim erwach- 
senen Grönlandwal (Balaena 
mysticetus) ist nach Flower 
die 19cm langeund 3cm breite 
Riechlappengrube von der 
eigentlichen Großhirngrube ge- 


trennt. 


Äste nicht miteinander ver- 
bunden, keine Symphyse vor- 


handen. 


Sehr niedrig, rudimentär, bei 


den Balaenidennurdurch einen 


| niedrigen Höcker angedeutet. 


D. Vergleich des Gebisses von Patriocetus Ehrlichi mit dem der Archaeoceten. 


Protocetus atavus:! 


Zenglodon Osiris:? 


Zeuglodon Isis:? 


Patriocetus Ehrlichi: 


Prosgualodon australe:* 


1. Zahnzahl. 


w|o w|w w|w w|w 
lee 
ana ale 


.4. 


Hinsichtlich der Zahnzahl verhält sich Patriocetus Ehrlichi primitiver als Zeuglodon Osiris und 


Zeuglodon Isis, da bei diesen nur noch zwei Molaren im Oberkiefer vorhanden sind und der letzte obere 


Molar gänzlich unterdrückt ist. 


Nach E. v. Stromer? ist das Fehlen des letzten oberen Molaren für alle größeren Zeuglodontiden 


charakteristisch. 
1 E. Fraas: Neue Zeuglodonten aus dem unteren Mitteleocän vom Mokattam bei Cairo. — Geol. u. Paläont. Abh,, heraus- 
gegeben von E. Koken, Neue Folge, Bd. VI (Ganze Reihe, X. Bd.), 3. Heft, Jena, 1904, p. 199. l 
2 E. v. Stromer: Zeuglodonreste aus dem oberen Mitteleocän des Fajüum. — Beiträge zur Paläontologie und Geologie 


Österreich-Ungarns und des Orients, XV. Bd., Wien, 1903, p. 65. 


3 E, v. Stromer: Die Archaeoceti des ägyptischen Eozäns. — Ibidem, XXI. Bd., 1908, p. 106. 
40. Abel: Cetaceenstudien, III. — Sitzungsber. k. Akad. d. Wiss., Wien, math.-nat: Kl., CXXI. Bd., Abt. 1, 1912, p. 68. 
5 E. v, Stromer, 1. c., 1908, p. 148, 


an re 


Die Vorfahren der Bartenwale. 183 


Aus diesem Grunde kann Patriocetus mit wohlausgebildetem letzten Oberkiefermolaren nicht von 
Zeuglodon abgeleitet werden. 


2. Zahnwechsel. 


Bei Protocetus und Eocetus ist ein Zabnwechsel bis jetzt nicht beobachtet worden. Da jedoch an 
dem Schädel von Protocelus atavus der erste obere Molar viel tiefer abgekaut ist als der vierte Prämolar, 
so scheint mir darin ein Beweis dafür zu liegen, daß bei Protocetus noch ein Zahnwechsel stattfand. 

Bei Prozeuglodon und Zeuglodon ist der Zahnwechsel festgestellt und die Zähne des Milchgebisses 
beider Gattungen sind zum Teil bekannt.! 

Ob bei Patriocetus Ehrlichi ein Ersatz der Milchzähne stattfand oder ob wie bei den Bartenwalen 
das Ersatzgebiß unterdrückt war, läßt sich aus den vorliegenden Resten nicht ermitteln. 


3. Abstände der Backenzähne voneinander. 


Bei Protocetus?, Prozeuglodon® und Zeuglodon* stehen die hinteren Backenzähne (P,, P,, M,, M, im 
Oberkiefer, P,, P,, M,, M, M, im Unterkiefer) dicht gedrängt, so daß zwischen ihnen kein freier Raum übrig 
bleibt. Die vorderen Zähne sind dagegen ausnahmslos durch weite Zwischenräume getrennt (Fig. 14). 

Bei Microzeuglodon caucasicnam Lydekker’ sind die hinteren Backenzähne des Unterkiefers durch. 
Zwischenräume getrennt; nach E. v. Stromer® ist dies die einzige Ausnahme von der sonst bei allen 
Archaeoceten dicht gedrängten Stellung der hinteren Backenzähne” (Fig. 17). 

Bei Patriocetus Ehrlichi sind alle Backenzähne durch Lücken voneinander getrennt. Hieraus ergibt 
sich also ein scharfer Gegensatz zwischen Protocetus, Prozeuglodon, Zenglodon und den verwandten 
Formen einerseits und der durch Microzenglodon und Patriocetus repräsentierten Gruppe anderseits. Auch 
bei Prosgqualodon sind die Backenzähne durch weite Abstände voneinander getrennt. 


4. Wurzeln der Backenzähne. 


Bei den primitiveren Archaeoceten, wie Protocetus, sind die vorderen Backenzähne (P, und P,) zwei- 
wurzlig, alle hinteren aber dreiwurzlig. Bei Kekenodon onomata Hector besitzen die Backenzähne 
größtenteils zwei Wurzeln, die nicht so stark divergieren wie bei Zeuglodon, sondern sich in ähnlicher 
Weise aneinanderlegen wie an den vorderen Backenzähnen von Sgualodon. Ein Zahn, den ich als ersten 
oder zweiten oberen Molar betrachte, ist deutlich dreiwurzlig. Bei Zeuglodon sind die Backenzähne 
insofern vereinfacht, als der erste Praemolar nur bei Zeuglodon Zitteli Strromer und dem in Haarlem auf- 
bewahrten Schädel von Zeuglodon cetoides Owen zweiwurzlig, sonst aber einwurzlig ist, während alle 
hinteren Backenzähne des bleibenden Gebisses zwei Wurzeln besitzen. Nur im Milchgebiß von Zeuglodon 
sind an den zwei letzten Milchbackenzähnen, die von den Prämolaren ersetzt werden, noch drei Wurzeln 
ausgebildet. 


1E.v. Stromer, |. c., 1908, p. 112, 113, 126, 137, 148, 158. 

2E. Fraas, |. c., Tafel I, Fig. 2, p. 206 bis 207. 

3C.W.Andrews: A Descriptive Catalogue ofthe Tertiary Vertebrata of the Fayüm, Egypt.—London, 1906, p. 243. 
4 E. v. Stromer, 1. c., 1903, p. 67, 88. - 

5R. Lydekker: Proceedings Zool. Soc. London, 1892, p. 559. — E. v. Stromer: |. c., 1903, p. 89. 

6E. v. Stromer, 1. c., 1903, p. 68, 89. 

7 O. Abel: Les Odontocetes du Bolderien d’Anvers. —- Mem. Mus. R. d’Hist. nat. de Belgique, III., Bruxelles, 1905. 


184 O. Abel, 


Wurzelzahlen des bleibenden Gebisses im Oberkiefer: 


IE 1ER len JEN M, M, M, 
Pyotocelus alauhs.. .. .. 2 2 3 3 D 3 9 
Eocetus Schweinfurthi.......... 2 2 2 2 3? 3? 3 
Zenglodon cetoides. ..=.....2..... 2 2 2 2 2 2 fehlt 
Zeuglodon Osiris ..... SB 1 2 2 2% 2 2 fehlt 
Patriocetns Ehrlici Sa 2 .\ 2 2 2 2 2 2 2 


Bei Zeuglodon Osiris ist am oberen P, die Verschmelzung der beiden ursprünglich vorhandenen 
getrennten Wurzeln zu einer einzigen dadurch angedeutet, daß auf der Wurzel eine Längsfurche zu beob- 
achten ist, die denselben Verlauf wie an Squalodon-Prämolaren oder mitunter bei Scaldicetus-Zähnen zeigt. 

Bei einem oberen Pd, von Zeuglodon Osiris ist eine schwache vertikale vierte Wurzel von Stromer 
beobachtet worden. 

Jedenfalls ist festgestellt, daß die obereocänen Archaeoceten gegenüber den mitteleocänen eine Ver- 
minderung der Wurzelzahl der Backenzähne aufweisen, da im bleibenden Gebiß nie mehr dreiwurzlige, 
sondern nur noch einwurzlige und zweiwurzlige Backenzähne auftreten, und zwar ist klar zu erkennen, 
daß die Vereinfachung der Zähne bei den vorderen Zähnen beginnt und langsam nach hinten fortschreitet. 


5. Die Reduktion der Molaren. 


Die ältesten bis heute bekannten Vertreter der Archaeoceten sind Protocetus atavus und Eocetus 
Schweinfurthi aus dem ägyptischen Mitteleocän. 

Bei Protocetus atavus gehört zu den auffallendsten Eigentümlichkeiten des Gebisses die unverkenn- 
bare Reduktion der Molaren, die im Vergleiche mit den Prämolaren außerordentlich klein sind und vor allem 
dicht gedrängt stehen. Ich habe diese Erscheinung schon 1905 eingehend erörtert und auch bei 
Squalodontiden in derselben Ausbildungsweise wie bei den Archaeoceten feststellen können.! 

Eine Vermehrung des Gebisses hinsichtlich der Zahnzahl ist unter den Archaeoceten nur bei Pro- 
sgualodon nachzuweisen, wo der Oberkiefer jederseits neun Zähne aufweist.” Hier ist also ein Einschub 
eines Zahnes vorhanden, der im Prämolarenabschnitt zur Ausbildung gelangt ist. Die vier letzten Backen- 
zähne sind zweiwurzlig, die vorderen einwurzlig. Der letzte Molar trägt alle Kennzeichen weit vor- 
geschrittener Rückbildung in der verkümmerten kleinen Krone, die auf zwei weit aus dem Kieferknochen 
hervorstehenden Wurzeln aufsitzt. Die Achse der oberen Backenzähne ist im hinteren Abschnitte nach 
vorn, die der unteren nach hinten gerichtet. ı 

Die dichtgedrängte Stellung der Molaren bei einzelnen Archaeoceten geht Hand in Hand mit der 
Reduktion der hinteren Backenzähne. Bei Protocetus, Eocetus und Zeuglodon sind die Molaren kleiner 
als die Prämolaren und nur bei Microzenglodon, Patriocetus und Prosqualodon ist diese Größendifferenz 
nicht in dem Ausmaße wie bei den anderen genannten Gattungen zu beobachten. Bei Patriocetus sind 
zwar auch die dritten und vierten Prämolaren die stärksten des ganzen Gebisses, aber der Größenunter- 
schied gegenüber den Molaren spielt keine nennenswerte Rolle. 

Wir haben also jedenfalls zwei Gruppen unter den Archaeoceten zu unterscheiden: die eine Gruppe 
ist gekennzeichnet durch die Reduktion der Molaren, die bei Zeuglodon zu der gänzlichen Unterdrückung 
des oberen letzten Molaren führt; die zweite Gruppe aber, zu welcher Microzeuglodon, Patriocetus und 
Prosqualodon gehören, weist zwar eine unbedeutende Reduktion der Molaren auf, die sich in der Ver- 
schmelzung der dritten Wurzel mit der vorderen Wurzel und in einer geringeren Gesamtgröße äußert, aber 
die Reduktion führt bei dieser Gruppe nicht bis zum völligen Schwunde des letzten oberen Molaren. 


1 O. Abel: Les Odontocetes du Bolderien d’Anvers. — L. c., p. 29. 
2 O0, Abel: Cetaceenstudien, III. —L. c., p. 68. 


Die Vorfahren der Bartenwale. 185 


Bei Zeuglodon haben die hinteren Backenzähne eine Verschiebung in der Richtung nach hinten 
erfahren und diese Verschiebung ist bedingt durch die Größenzunahme der beiden hinteren Prämolaren. 
Diese Verdrängung der Molaren aus der Zahnreihe in der Richtung nach hinten hat dazu geführt, daß 
die Oberkiefermolaren bis hart an die Grenze des Gaumendaches gedrängt erscheinen, 
während die Molaren des Unterkiefers auf die zum Coronoidfortsatz aufsteigende Kante 
geschoben worden sind. Die Verschiebung der Molaren gegen den Hinterrand des Gaumendaches im 
Oberkiefer hat bei Zeuglodon den gänzlichen Verlust des letzten oberen Molaren zur Folge gehabt, während 
auf dem aufsteigenden Rande des Coronoidfortsatzes noch Platz für den letzten unteren Molaren vorhanden 
war, so daß er noch erhalten blieb. 

Jedenfalls bildet der Gebißtypus von Zeuglodon und sogar schon von Protocetus einen 
so scharfen Gegensatz zum Gebiß von Patriocetus, daß es unmöglich ist, die letztere 
Gattung von der Reihe Protocetus—Eocetus — Zeuglodon abzuleiten. 


6. Höhe der Krone über dem Alveolarrand. 


Bei den alttertiären Raubtieren ist die Zahnkrone nur durch einen kleinen Abschnitt vom Alveolar- 
rande getrennt oder schließt sich unmittelbar an denselben an. Diese primitiven Verhältnisse sind auch an 
den vorderen Zähnen von Protocetus noch zu beobachten; an den hinteren Backenzähnen sind jedoch die 
Wurzeln weit aus den Kiefern herausgeschoben, so daß die Länge des freistehenden Wurzelabschnittes 
am oberen M, und M, fast ebenso lang ist wie die Krone selbst. 

Daß diese Verhältnisse mit der Reduktion des Gebisses im Zusammenhang stehen, beweist das 
gleichartige Verhalten bezüglich des Abstandes der Zahnkrone vom Kieferknochen bei den älteren Physe- 
teriden. 

Bei Zeuglodon stehen namentlich im Unterkiefer die Zahnkronen der Backenzähne weit über den 
Knochen vor, und zwar sind es auch hier die Molaren, bei denen diese Erscheinung am auffallendsten ist. 

Sehr stark ist dieses Hervorstehen der Zahnkronen über die Kieferknochen bei Prosgualodon zu 
beobachten. Bei keiner Archaeocetengattung ist jedoch der Abstand zwischen Zahnkrone und Kiefer- 
knochen so bedeutend wie bei Patriocetus, dessen frei aus dem Oberkiefer herausragender Wurzel- 
abschnitt am letzten Oberkiefermolaren die doppelte Länge der Zahnkrone erreicht. 

Ohne Zweifel ist diese Erscheinung bei Patriocetus als ein Anzeichen vorgeschrittener Reduktion 
.des Gebisses und als unmittelbare Vorstufe des gänzlichen Verlustes funktioneller Zähne anzusehen. 


E. Die Entstehung des Bartenwalgebisses aus dem Gebiß von Patriocetus Ehrlichi. 


Seitdem Geoffroy Saint-Hilaire 1807: Zahnrudimente im Unterkiefer eines Grönlandwalembryos 
entdeckt hatte, sind zahlreiche Beobachtungen über die Zahnrudimente bei Bartenwalembryonen gemacht 
worden, so daß wir heute einen ausreichenden Überblick über diese rudimentären Gebilde besitzen. Von 
besonderer Wichtigkeit sind die Untersuchungen W. Kükenthal’s? über die Bezahnung der Bartenwale, 
welcher nicht nur die älteren Beobachtungen kritisch gesichtet, sondern sehr erheblich vermehrt hat. 

Nach W. Kükenthal verhält sich die Bezahnung der Bartenwalembryonen je nach dem Alter des 
betreffenden Fötus sehr verschieden. Während in frühen Jugendstadien im hinteren Abschnitte der Zahn- 
reihe viele Zähne auftreten, die zwei Wurzeln und zwei oder mehr Spitzen zeigen, verschwinden diese 


1 E. Geoffroy Saint-Hilaire: Annales du Museum d’Hist. nat. — T. X, Paris, 1807, p. 364. 

2W.Kükenthal: Vergleichend-anatomische und entwicklungsgeschichtliche Untersuchungen an Waltieren. — Jenaische 
Denkschriften, III. Bd., Jena, 1893, p. 422. Über die einschlägige Literatur vgl. D. F. Eschricht, Untersuchungen über die 
nordischen Walltiere, I. Bd., Leipzig, 1849, p. 85; besonders €. Julin: Recherches sur l’ossification du maxillaire inferieur et sur la 
constitution du systeme dentaire chez le foetus de la Balaenoptera rostrata. — Archives de Biologie, T. I, Paris, Gent und Leipzig, 
1880, p. 130 bis 135. 


186 O0. Aber, 


»Doppelzähne« bei weiterem Wachstum des Embryos und lösen sich in »Einzelzähne« auf; während bei 
kleineren Embryonen von Balaenoptera rostrata von etwa 20cm Länge noch zahlreiche »Doppelzähne« 
im hinteren Abschnitte der Zahnreihe auftreten, erscheinen sie bei einem 49cm langen Embryo derselben 


Art nur vereinzelt, so daß in einem Oberkiefer nur vier, im entsprechenden Unterkiefer aber nur drei‘ 


»Doppelzähne« vorhanden waren. 

Die Untersuchungen an etwa 30 Finwalembryonen brachten W. Kükenthal zu der Erkenntnis, daß 
sich im Laufe der ontogenetischen Entwicklung die ursprünglich wenig zahlreichen, aber 
mehrspitzigen Zähne teilenundsich inebenso viele »Einzelzähne« auflösen, als ursprünglich 
Spitzen auf den mehrhöckerigen Zähnen zu zählen waren. Auf diese Weise kommt es endlich zu 
der Auflösung in 53 »Einzelzähne« in jedem Oberkiefer eines Finwalembryos von 123 cm Körperlänge, 
welche sämtlich in gleich weiten Abständen voneinander liegen. 

Aus den Beobachtungen Kükenthals ergibt sich die für die vorliegende Frage außerordentlich 
bedeutungsvolle Tatsache, daß zwar die Zahl der sogenannten »Zähne« in den Kiefern der Bartenwal- 
embryonen je nach dem Alter des Embryos schwankt, das heißt in den früheren Stadien kleiner, in den 
späteren größer ist, daß aber die Zahl der Spitzen konstant bleibt und im ganzen 53 nicht 
übersteigt. 

Aus diesen klaren Tatsachen hat W. Kükenthal den richtigen Schluß gezogen, daß die große Zahl 
der »Einzelzähne« bei älteren Bartenwalembryonen dadurch zu erklären ist, daß die ursprünglich mehr- 
spitzigen, rudimentären Zähne durch Teilung vermehrt werden. | 

Dabei ist aber zu beachten, daß die drei vordersten Zähne niemals Teilungserscheinungen 
zeigen. Schon frühere Beobachter hatten diese Erscheinung beobachtet, und aus diesem Grunde das 
Bartenwalgebiß als heterodont bezeichnet. 

Fast alle Forscher über das Bartenwalgebiß kamen zu dem Ergebnisse, daß die Bartenwale von Vor- 
fahren mit einem heterodonten Gebisse abstammen müssen. 

Am weitesten ist wohl C. Julin! gegangen, der die Bartenwale direkt mit Sgualodon zu verknüpfen 
suchte, und das Gebiß dieser Gattung als ne des Bartenwalgebisses betrachtete. W. Kükenthal 
hat diese spezielle Frage nicht berührt. 

Durch den neuen Fund von Patriocetus Ehrlichi im Oberoligocän von Oberösterreich wird nun die 
Frage der Ableitung des Bartenwalgebisses so klar beleuchtet, daß auch die verschiedenen, in der Phylogenie 
des Mystacocetengebisses dunkel gebliebenen Punkte vollständig aufgehellt erscheinen. 

Das Gebiß von Patriocetus Ehrlichi befindet sich bereits im Stadium der Reduktion. Das beweist das 
Größenverhältnis zwischen Krone und Wurzel, das beweist ferner der weite Abstand der Krone vom 
Alveolarrand und endlich die überaus lockere Verbindung der Wurzeln mit-den Kieferknochen, da die 
Wurzeln nur mit den äußersten Enden in den Knochen eingepflanzt erscheinen. Überdies zeigt die Wurzel- 
basis sehr merkwürdige Resorptionserscheinungen (vergl. S. 21 und 24 [175 und 178)). 

Wie wir gesehen haben, besteht das Gebiß von Patriocetus Ehrlichi aus sieben zweiwurzligen und 
siebenspitzigen Backenzähnen, von denen die drei hinteren als Molaren und die vier vorderen als Prae- 
molaren zu deuten sind. Daran schließen sich vorne ein einspitziger Eckzahn und die drei einspitzigen 
Schneidezähne an. Im ganzen stehen also 11 Zähne in jedem Kiefer. 

Wenn wir die Spitzen der Zähne zusammenzählen, so daß wir nicht nur die Kronen- 
spitzen der vier vorderen Zähne, sondern auch die sieben Zacken der sieben zwei- 
wurzligen Backenzähne als Einzelspitzen rechnen, so ergibt sich eine Gesamtsumme 
von 53 Spitzen, also genau derselben Zahl, die wir bei dem in »Einzelzähne« aufgelösten 
Gebiß des Finwalembryos wiederfinden. 


1 C. Julin, 1. c,, p. 87: »La presence‘ de ce systeme dentaire chez les Baleines ne peut s’expliquer qu’en admettant que les 
cetacös A fanons derivent d’un type de mammifere dente, et ce type, probablement voisin des Squalodons, se rattache aux Pinnipedes 


par l’intermediaire des Zeuglodons. « 


‘ 


Die Vorfahren der Bartenwale. 187 


Nach diesem Befunde kann es keinem Zweifel mehr unterliegen, daß das Patriocetus-Gebiß mit elf 
Zahnindividuen und zusammen 53 Schmelzspitzen den Ausgangspunkt des Bartenwalgebisses darstellt und 
daß die Entstehung desletzteren in der Weise erfolgte, daß die elf Zähne sich im Verlaufe 
der ontogenetischen Entwicklung in 53 Teile spalten, so daß also schließlich aus einem 
siebenspitzigen Backenzahn sieben einzelne Spitzen durch Teilung und fortschreitenden 
Zerfallhervorgehen. 


Schematische Darstellung des Teilungsprozesses eines siebenspitzigen Backenzahns vom Pafriocelus-Typus, der bei den Balae- 
nopteriden in sieben Einzelspitzen zerfällt. A der siebenspitzige Backenzahn, DB die sieben Spitzen isoliert. I bis VII die sieben 


Spitzen, von hinten nach vorn gezählt. 


Diese Teilung erfolgt offenbar in der Weise, daß sich vorn und hinten von den siebenspitzigen Backen- 
zähnen ein Zahnzacken loslöst, so daß sich zuerst sechs, dann fünt, dann vier, drei und zwei Zacken auf einem 
Einzelzahn vorfinden, bis auch diese letzten zwei Zacken in je einen »Zahn« zerfallen. Von diesen Zerfall- 
stadien im Laufe der ontogenetischen Entwicklung sind Typen mit vier, drei und zwei 
Zacken beobachtet worden. 

Dieser Spezialisationsweg des Gebisses ist fundamental von jenem verschieden, den 
wir in der Phylogenese des Physeteridengebisses finden. Wie ich 1905 gezeigt habe, tritt auf 
dem Wege zur Entstehung der Squalodontiden zunächst eine starke Vermehrung der mehrwurzeligen, 
vorn und hinten gezackten Backenzähne ein, so daß sich das primitive Archaeocetengebiß durch 
Vermehrung der Backenzähne im Prämolarenabschnitt zu dem polyodonten Squalodontidengebiß 


A B C 


In Teilung begriffene Zahnpartien aus den Kiefern von Finwalembryonen. 


A sogenannter »Doppelzahn« aus dem Oberkiefer eines Embryos von Balaenoptera physaluıs L. (Gesamtlänge des Embryos 114 cın). 

B sogenannter »Doppelzahn« aus dem Oberkiefer eines Embryos von Balaenoplera rostrata Fabr. (Gesamtlänge des Embryos 49 cın). 

€ vierspitziges Zahnrudiment aus dem Oberkiefer eines Embryos von Balaenoptera physalus L. (Gesamtlänge des Embryos 60 cm, 
; also etwa die Hälfte des Embryos A). 


Kopien nach W. Kükenthal, I. c., 1893, Taf. XXV, Fig. 7, 12, 13. — Alle Figuren stark vergrößert. 


umformt. Aus den Squalodontiden sind die Physeteriden hervorgegangen, bei welchen das Gebiß eine 
Reduktion erfährt; dieser Spezialisationsweg führt aber zu einer Vereinfachung der Krone, Verschmelzung 
der bifiden Wurzeln, Reduktion der Zackenreihen am Vorder- und Hinterrande der Kronen zu einer 
krenelierten Leiste und endlich zum gänzlichen Verlüst der Schmelzkappen. Dieser Weg ist also von der 
Spezialisation und Reduktion des Bartenwalgebisses total verschieden; bei den Bartenwalen tritt keine 
Vermehrung der elf von den Archaeoceten übernommenen Zähne ein, sondern ein Zerfall der Backen- 


zähne nach der Zahl der Schmelzhöckerspitzen, so daß ein Backenzahn in sieben Teile zerfällt. 
Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC. Bd. 27 


188 O. Abel, 


Bei jenen Bartenwalen, deren Kiefer eine geringere Zahl als 53 Zahnindividuen aufweisen, handelt 
es sich entweder um frühere Embryonalstadien, wie bei dem von C. Julin beschriebenen Embryo von 
Balaenoptera rostrata von etwa 48cm Länge (41 Zähne), oder um Reduktionserscheinungen. In dieser 
Frage müßten noch eingehendere Untersuchungen auf breiterer Grundlage angestellt werden, um unsere 
bisherigen Kenntnisse in dieser Richtung zu erweitern. 

Mit voller Klarheit.ergibt sich aber aus diesen Betrachtungen, daß der Prozeß des Zerfalls 
mehrspitziger Zähne in mehrere Einzelindividuen, wobei jedes Individuum einem Schmelz- 
zacken desArchaeocetenzahns entspricht, ein auf die Ontogenese beschränkterVorgang ist. 

Daß die unmittelbare Ableitung, des Bartenwalgebisses vom Archaeocetengebiß nicht früher erkannt 
worden ist, ist dadurch begründet, daß die 53 Zahnrudimente und Zahnteile als einzelne Zahnindividuen 
betrachtet wurden, während in Wahrheit mit Ausnahme der vier vordersten alle im Kiefer der Bartenwale 
auftretenden Zahnrudimente nur Teile von Zähnen und zwar die Zacken der Backenzähne 
repräsentieren. Diese Auffassung der 53 Zahnrudimente als Einzelzähne mußte zu der falschen Auffassung 
führen, daß die Bartenwale von polyodonten Vorfahren mit 53 Zähnen in jedem Kiefer abstammen, so wie 
die Ziphiiden von polyodonten Acrodelphiden abzuleiten sind. Die Irrtümer in der phylogenetischen 
Ableitung des Bartenwalgebisses beruhen somit auf einer unrichtigen Auslegung eines allerdings 


ungewöhnlichen ontogenetischen Prozesses. 


IV. Beschreibung von Agrıocetus austriacus Abel. 


Agriocetus novV. gen. 


Agriocetus austriacus nov. spec. 


Synonyme: 


Squalodon Grateloupi H. v. Meyer, 1847 (errore).. 
Squalodon Ehrlichii P. J. van Beneden, 1865 (partim). 
Squalodon Ehrlichii J. F. Brandt, 1873 (partim). 
Squalodon incertus? J. F. Brandt, 1874 (partim). 


Ältere Abbildungen: 


P. J. van Beneden, |. c., 1865: Pl. II, Fig. 4, Pl. III, Fig. 1 (partim). 
J. F. Brandt, |. c., 1873: Tafel XXXT, Fig. 3. 
J. BR. Brandt, \L. c.. 1874: TatelVv Bier 1, 2. 


Ayipe: 


Das im Jahre 1847 aufgefundene Schädelfragment, das im wesentlichen aus dem Schädeldach, den 
beiden Jochfortsätzen der Squamosa und dem Hinterhaupt mit Resten beider Condylen besteht. 


Benennung der Art: 


Ursprünglich hat Hermann v. Meyer diesen Schädelrest mit Sgualodon Gratelonpi aus dem Miocän 
von Bordeaux identifiziert und somit mit derselben Art vereinigt, welcher nach seiner Auffassung auch 
der im Jahre 1841. entdeckte Schädelrest angehörte. Nun hat P. J. van Beneden 1865 für beide Schädel- 


| 


Die Vorfahren der Bartenwale. 189 


reste aus Linz, die H. v. Meyer als Squalodon Grateloupi bestimmt hatte, die neue Art Squalodon 
Ehrlichii errichtet. Diesem Beispiel folgte J.F.Brandtnoch 1873, trennte aber 1874 den zweiten Schädelrest 
als eine »fragliche« Art unter dem Namen »incertus?« ab und bemerkte, daß er vielleicht später als 
»Ehrlichiüi« zu bezeichnen wäre, wenn die Type des Squalodon Ehrlichii mit Squalodon Grateloupi 


| identisch sein sollte. Ferner stellte er zu dieser dubiosen Art noch eine Bulla und einen Lendenwirbel. 


Diese letzteren Reste mögen auch fernerhin die Bezeichnung »incertus?« beibehalten. Für den 
Schädelrest aber, der vollkommen zu einer genauen Feststellung der systematischen und phylogenetischen 
Position der Art ausreicht, muß eine neue Gattung und Art errichtet werden, um alle Mißverständnisse 
und Verwechslungen für die Zukunft auszuschließen und ich benenne daher diesen Rest als Agriocetus 
austriacus. 

Fundort: Linz in Oberösterreich. 

Geologisches Alter: Obere Grenze des Oberoligocäns gegen das Miocän. 

Lagerungsverhältnisse: Wie bei Patriocetus Ehrlichi (vergl. S. 7 [161)). 

Erhaltungszustand: Wie bei Patriocetus Ehrlichi (vergl. S. 7 [161)). 

Der Schädel wurde als Fragment in den Sand eingebettet, wie die anhaftenden Sandkörner auf den 
Bruchflächen der Knochen beweisen. 


Diagnose. 


Nur Schädelfragment bekannt. Supraoccipitale sehr groß, schwach gewölbt, mit Mittelkiel, der gegen 
die Parietalia an Stärke zunimmt. Parietalia in der Mitte des Schädeldaches schwach gekielt. Mitte des 
Schädeldaches von einem Sockel gebildet, der aus den Mittelteilen der Parietalia und Frontalia besteht 
und gegen die Supraorbitalplatten mit steiler Wand abfällt. Supraorbitalplatten breit, im vorderen Teile 
von den Frontalia, in der hinteren Innenecke auch von den Parietalia gebildet. Schläfengruben sehr tief 
und lang, aber sehr niedrig. Processus praeglenoidalis dem Processus postorbitalis stark genähert. 
Mastoid mit dem Petrosum und mit dem Squamosum verwachsen. Petrosum in tiefer Grube, die vom 
Squamosum gebildet wird. Processus mastoideus und P. paroccipitalis durch den Sulcus mastoideus 
getrennt. Abschnitt der Hirnhöhle für die Bulbi olfactorii scharf von der übrigen Hirnhöhle getrennt, lang 
und schmal, aber viel tiefer gelegen als der Hauptabschnitt des Gehirns. 

Sulcus opticus auf der Unterseite der Supraorbitalplatte breit und tief. Gesamtbild des Schädels 
wesentlich durch die geringe Höhe der Schädelkapsel, die Größe, Neigung und schwache Wölbung des 
Supraoccipitale bedingt. 


A. Beschreibung des Schädelfragments. 


Das Schädelfragment umfaßt folgende Knochen: beide Frontalia, beide Parietalia, beide Squamosa, 
einen großen Teil des Supraoccipitale, fast die ganzen Exocecipitalia und Teile der beiden Ptery- 
goidea (Taf. IV, Fig. 2; Taf. V; Taf. VID). 


1. Frontale. 


Die beiden Frontalia sind in ihren Hauptteilen gut erhalten und nur die Ränder der Supraorbital- 
platten teilweise beschädigt. Diese Lücken im Außenrand der großen Seitenplatten sind jedoch so 
unbedeutend, daß die Umrisse der Frontalia vollständig sicher rekonstruiert werden können. 

Das Frontale von Agriocetus austriacus zerfällt in zwei Abschnitte: einen mittleren, der das Dach 
der Schädelhöhle, und einen lateralen, der das Dach der Augenhöhle bildet. Der mittlere Abschnitt liegt 
bedeutend höher als die Supraorbitalplatte und ist von derselben durch einem scharfkantig begrenzten 
und fast senkrechten Abfall getrennt. 

Betrachten wir die Frontalia von der Oberseite, so sehen wir zunächst, daß die Seitenflügel viel 
weiter nach vorn reichen als der erhöhte, mittlere Schädeldachabschnitt. Der letztere fällt mit einer 
breiten Nahtfläche sehr schräg von hinten oben nach vorn unten ab; diese Fläche ist die Naht gegen 


190 O. Abel, 


die Nasalia, Praemaxillaria und Supramaxillaria. Die Nahtfläche hat trapezförmigen Umriß, und zwar ist die 
Höhe des Trapezes 30 mm, die längere Seite 76 mm und die kürzere Seite 60 mm. Die vorderen Ecken des 
Trapezes, also die Enden seiner Basis, sind nach vorn und außen zu dreieckigen Lappen verlängert, so 
daß die Vorderseite der Frontalia an der Grenze gegen die Nasalregion bogenförmig ausgeschnitten erscheint. 

Die Mittelnaht der Frontalia ist wie sämtliche anderen Nähte vollständig obliteriert; daraus allein 
ergibt sich schon das hohe Alter des Individuums. In der Mitte des Schädeldaches bilden die Stirnbeine 
ein rechteckig begrenztes Feld von 60 x 30 mm, dessen Längsseiten senkrecht zur medianen Symmetrie- 
ebene des Schädels verlaufen. Nach außen fällt das Frontale mit einer steilen Wand ab und geht in den 
Supraorbitalabschnitt über, der sich von dieser Wand aus mit geringer Neigung nach außen und vorn 
gegen den Orbitalrand zu abdacht. Der Orbitalrand selbst bildet einen sehr sanft geschwungenen Bogen, 
der rechterseits sehr gut erhalten ist, so daß wir feststellen können, daß der Processus postorbitalis des 
Frontale einen stumpfen Knopf bildet, der auf der Unterseite eine dreieckig umgrenzte Abflachung zeigt. 

Der Hinterrand der Supraorbitalplatte verläuft in sigmoidaler Krümmung vom Processus postorbitalis 
aus gegen die obere Ecke der Temporalgrube. Die Supraorbitalplatte wird zwar in ihrem größten Teile 
vom Frontale gebildet, aber die hintere Ecke der Platte besteht aus einem flügelartig vorspringenden 
Fortsatz des Parietale. Die Naht zwischen Parietale und Frontale ist zwar im Bereiche der Supraorbital- 
platte obliteriert, aber ihr Verlauf ist an einer Einsenkung in Form einer Rinne, die von der Fronto- 
Parietalgrenze in der Mitte des Schädeldaches ihren Anfang nimmt, mit Bestimmtheit festzustellen. 

Betrachten wir die Frontalia von der Unterseite des Schädels aus (Taf.IV, Fig.2), so fällt zunächst ein 
kräftiger Wulst auf, der in Bogenlinie vom Postorbitalfortsatz nach innen und hinten zieht und an der Stelle 
endet, wo das Frontale mit dem Orbitosphenoid zusammentrifft. Ebenso zieht ein kräftiger Wulst vom 
Processus antorbitalis nach hinten und innen; zwischen diesen beiden Wülsten erscheint nun eine lang- 
gestreckte, gegen innen zu immer tiefer werdende Rinne abgegrenzt, die durch eine große Öffnung in das 
Schädelinnere mündet. Diese Rinne bezeichnet den Verlauf des Nervus opticus und die in das Schädel- 
innere mündende Öffnung ist sonach als das Foramen opticum anzusehen. 

Der Wulst, welcher die Rinne für den Augennerv hinten bis in das Schädelinnere begleitet, endet 
vor dem Orbitosphenoid in einer dicken, knopfartigen Auftreibung. Diese beiderseitigen Protuberanzen des 
Frontale schließen die große Fossa rhinencephalica von dem hinteren bedeutend umfangreicheren 
Abschnitt der Gehirnhöhle ab. Leider ist der vordere Teil des Daches der Riechhöhle mit einer Sandkruste 
überzogen, die der Präparation hartnäckigen Widerstand leistet und verhindert, die Lage und Größe der 
Foramina olfactoria festzustellen. Indessen lassen sich die Größenverhältnisse zwischen dem Riechlappen- 
abschnitt und den übrigen Teilen des Großhirns mit ziemlicher Genauigkeit messen. Der Riechlappen- 
abschnitt füllt eine halbeiförmige Grube in den Frontalia aus, die 80 mm lang und zwischen den Foramina 
optica 45 mm breit ist. Der sich hinten an den Riechlappenabschnitt anschließende Teil des Gehirns füllte 
einen Hohlraum aus, dessen laterale Ausdehnung zirka 100 mm und dessen sagittale Länge 96 mm beträgt. 
Der Riechlappenabschnitt besitzt nur mäßige Höhe im Vergleiche mit den Großhirnhemisphären. Jedenfalls 
ist die relativ große Ausdehnung des Riechlappenabschnittes sehr bemerkenswert und das Gehirn von 
Agriocetus erweist sich dadurch als primitiver wie jenes der Bartenwale; im Vergleiche zu Zeuglodon, 
dessen Gehirn von Elliot Smith und E. v. Stromer beschrieben worden ist, nimmt dagegen Agriocetus 
durch die Verkürzung und Verbreiterung der Lobi olfactorii eine vorgeschrittenere Stellung ein. | 

Die Fossa cerebellaris ist leider nicht zu beobachten, da gerade an dieser Stelle das Hinterhaupt 
schwer beschädigt ist. 


2. Parietale. 


Die Parietalia nehmen an der Bildung des äußeren Schädeldaches in Form eines breiten Bandes 
Anteil, bilden die hintere Ecke der Supraorbitalplatten und setzen einen Teil der Temporalgrubenwand 
zusammen. Inwieweit sie an der Zusammensetzung der Innenseite des Schädeldaches beteiligt sind, läßt 
sich infolge der vollständigen Obliterierung aller Nähte im Bereiche der Hirnhöhle nicht feststellen. 


Die Vorfahren der Bartenwale. 191 


Die Parietalia grenzen auf der Oberseite des Schädeldaches- vorn an die Frontalia und hinten an das 
Supraoceipitale (Taf. V, Fig. 2; Taf. VI). 

Ganz ebenso wie bei den Frontalia ein medianer, erhöhter Sockel in der Mitte des Schädeldaches 
von den seitlichen Flügeln durch einen Steilabfall getrennt ist, ist dies auch bei den Parietalia der Fall. 

‘In der Mittellinie stoßen die Parietalia zu einem etwas erhöhten, aber abgerundeten Kamm zusammen, von 
dem aus die Parietalia mit geringer Neigung nach außen zu abfallen. Das Vorhandensein dieses Kammes 
ist deshalb von Wichtigkeit, weil er trotz seiner schwachen Ausbildung unverkennbar als der Rest 
des starken Scheitelkammes der älteren Archaeoceten zu betrachten ist. Er setzt sich, immer stärker 
werdend, in der Mittellinie gegen das Supraoceipitale fort und erreicht an der Stelle, wo beide Parietalia 
mit dem Supraoccipitale zusammentreffen, seine größte Stärke (Taf. VI]). 

Die Steilränder, die den medianen Sockel des Schädeldaches von den tiefer gelegenen Supraorbital- 
platten trennen, divergieren im Bereiche der Parietalia nach hinten und außen und laufen vor dem 
Vorderrande des Supraoccipitale bis zum Oberrande der Schläfengrube, so daß der Steilrand, welcher die 
Supraorbitalplatte begrenzt, nicht unmittelbar mit dem Supraoceipitale zusammentrifft; es bleibt noch ein 
schmales Band des Parietale zwischen der Supraorbitalplatte und dem Supraoceipitale beiderseits frei. 


Betrachten wir den Verlauf des Parietale im Bereiche der Schläfengrube, so fällt uns zunächst auf, daß 
die Supraorbitalplatte auch in dieser Region scharf von dem hinten sich anschließenden Teile der Schläfen- 
srube abgesetzt ist. Die Supraorbitalplatte stößt unter einem Winkel von etwa 75° mit der Wand der 
Schläfengrube zusammen; diese Stelle ist aber nicht etwa die Grenze zwischen Frontale und Parietale oder 
Parietale und Squamosum, sondern fällt mitten in das Parietale. Das Parietale grenzt auf der Unterseite des 
Supraorbitalflügels an das Frontale und die Squamoso-Parietalnaht zieht etwa von der halben Höhe des 
Supraoccipitale unter der Hinterhauptschuppe heraus schräge nach vorne und unten in die Schläfengrube. 
Daraus ergibt sich, daß sich die Parietalia unter dem Supraoeccipitale ziemlich weit nach hinten erstrecken 
müssen; infolge der Bedeckung mit der mehrfach erwähnten Sandkruste und der Verwachsung der Nähte 
ist aber die Grenze zwischen Supraoccipitale und Parietalia in dieser Region nicht sicher festzustellen. 


3. Squamosum. 


Das Squamosum zerfällt in den Temporalabschnitt und in den Processus zygomaticus. 

Über den Abschnitt des Squamosums im Bereiche der Schläfengrube ist wenig zu sagen. Wichtig ist 
das Vorhandensein eines scharfen Kieles, mit welchem das Squamosum am Unterrande der Schläfengrube 
endet und der sich nach vorn bis zu dem Frontalwulst hinter dem Foramen opticum fortsetzt (Taf. IV, Fig. 2). 

Vom Außenrande des Supraoccipitale zieht sich ein starker Wulst in Bogenform gegen den 
Jochfortsatz und verläuft auf dessen Dorsalseite. Der letztere Wulst bildet ein kurzes Stück weit die 
Grenze zwischen Squamosum und Exoccipitale; während sich aber dann diese Grenznaht rasch nach 
hinten wendet und zwischen dem Processus paroceipitalis des Exoccipitale und dem Processus mastoideus 
auf die Unterseite des Schädels wendet, läuft der vom Supraoccipitale gegen das Squamosum herab- 
ziehende Wulst von der Trennungsstelle des Squamosums und Exoccipitale an gegen vorn und bildet auf 
diese Weise den hinteren Abschluß der Schläfengrube (Taf. V, Fig. 2). 

Von der Seite betrachtet, erscheint der Außenrand des Jochfortsatzes bogenförmig gekrümmt; der 
Processus praeglenoidalis liegt höher als der Processus postglenoidalis. Der Processus praeglenoidalis ist 
dem Processus postorbitalis sehr genähert; der Abstand beider Vorsprünge beträgt nur 15 mm (rechterseits 
gemessen). Zwischen dem Processus postglenoidalis und dem die Temporalgrube abschließenden Kamm 
des Squamosums liegt eine rundliche Grube von der Größe eines Fingereindrucks (Taf. V). 

Bei der Betrachtung derUnterseite desSquamosums fällt zunächst auf, daß derProcessuspraeglenoidalis 
vorn mit fast halbkreisförmiger Rundung endet (Taf. IV, Fig. 2). Die Unterseite des Jochfortsatzes ist 
gleichmäßig ausgehöhlt, und zwar bildet diese Aushöhlung eine weite, flache Wanne. Eine Gelenkfläche 


192 O. Abel, 


für den Condylus des Unterkiefers ist im Bereiche des Jochfortsatzes nicht scharf abgegrenzt; dies 
spricht zweifellos für eine große Beweglichkeit und Bewegungsfreiheit des Unterkiefers. 

Die Region innerhalb und hinter dem Processus postglenoidalis ist in mehrfacher Hinsicht von 
besonderem Interesse. 

Vom Hinterende des Jochfortsatzes zieht auf der Unterseite des Squamosums ein scharfkantiger 
Kamm gegen innen und hinten und endet mit einem pyramidenförmigen Vorsprung oberhalb einer 
unregelmäßig gestalteten Grube. Von diesem pyramidenförmigen Fortsatz entspringt ein zweiter Kamm, 
der sich gegen den Einschnitt zwischen Processus postglenoidalis und Processus mastoideus richtet und 
mit dem früher erwähnten Kamm ziemlich stark divergiert. Zwischen diesen beiden Kämmen verläuft eine 
Rinne von der Form eines der Länge nach halbierten Trichters (Taf. IV, Fig. 2). 

Diese Rinne kann nichts anderes als der Meatus auditorius externus sein, da sie an dem Fortsatze 
beginnt, der sich unmittelbar an die große, für das Perioticum bestimmte Grube anschließt. Ich bezeichne 
daher die Grube als die Fossa petrosi und den von ihr nach außen zu gelegenen Fortsatz als den 
Processus praeperioticus. Er ist rechterseits deutlicher zu beobachten als linkerseits. 

Die Furche zwischen Processus mastoideus und Processus paroceipitalis, die als Sulcus 
mastoideus bezeichnet werden kann, richtet sich gleichfalls gegen die Fossa petrosi und verschwindet 
in ihr. Es erscheint mir sehr wichtig, daß bei Agriocetus ebensowohl als bei Patriocetus das Mastoid mit 
dem Petrosum vereinigt ist; die Verbindungsstelle ist aber, wie das linke Perioticum von Patriocetus 
Ehrlichi zeigt, nur sehr schwach und daher konnte das Petrosum leicht abbrechen. Die auffallende 
Ähnlichkeit in der Begrenzung und Form der Fossa petrosi bei Patriocetus und Agriocetus läßt den 
sicheren Schluß zu, daß bei der letztgenannten Form das Petrosum ebenso wie bei Patriocetus 
gestaltet war. 

Diese Verhältnisse sind in phylogenetischer Hinsicht von großer Wichtigkeit, da bei den Bartenwalen 
das Mastoideum die Rolle übernommen hat, das in einer weiten Öffnung der Schädelbasis liegende 
Petrosum mit dem Schädel fest zu verbinden und den Gehörapparat auf diese Weise zu fixieren. 

Bei Agriocetus sind zwar die Knochennähte in dieser Schädelregion vollkommen verstrichen, doch 
glaube ich nicht fehlzugehen, wenn ich annehme, daß der Sulcus mastoideus auch hier die Grenze 
zwischen Mastoideum und Exoccipitale bezeichnet, während der Meatus auditorius externus die 
Trennungslinie zwischen Mastoideum und Squamosum andeutet. Die Fossa petrosi wird wahrscheinlich 
vom Squamosum und Exoccipitale gebildet. Öffnungen sind in dieser Grube nicht festzustellen, mit 
Ausnahme eines kleinen Loches in der rechten Fossa petrosi, welches vielleicht die Austrittsstelle eines 
Blutgefäßes andeutet. 

Das Squamosum tritt auf der Unterseite des Schädels mit dem Pterygoid in Verbindung; die Naht ist 
zwar verwachsen, aber ihre Lage noch deutlich erkennbar. 


4. Exocceipitale. 


Die Exoccipitalia sind nur in Bruchstücken erhalten. Die beiderseitigen Processus paroceipitales sind 
gut erhalten, aber mit einer fest anhaftenden Sandkruste übermantelt, so daß Einzelheiten ihrer Oberflächen- 
formen nicht beobachtet werden können. Die Condylen sind soweit erhalten, daß auch der Umriß des 
Foramen magnum festgestellt werden kann; es ist auffallend niedrig und sehr breit, so daß die Höhe des 
Foramens nur etwa halb so groß ist wie seine Breite. Die Bruchflächen sind alt, wie aus dem festen 
Überzuge von grobem Quarzsand auf ihnen hervorgeht. 


5. Supraoccipitale. 


Das Supraoccipitale ist in seiner Größe, seiner Beziehung zu den angrenzenden Knochen, seiner 
Wölbung, vor allem aber durch seine außerordentlich schräg nach vorn gerichtete Stellung der bezeichnendste 
Knochen des Schädelfragmentes. 


Die Vorfahren der Bartenwale. 193 


Während alle älteren Archaeoceten ein steil aufgerichtetes, tief ausgehöhltes und an den Rändern 
emporgezogenes Supraoccipitale besitzen, treffen wir bei Agriocetus ganz verschiedene Verhältnisse an, 
welche diese Gattung von Patriocetus fundamental unterscheiden. * 

Betrachten wir das Supraoccipitale von oben, so sehen wir, daß es vorn mit einer weiten Bogenlinie 

gegen die Parietalia endet; oberhalb der Schläfengrube wenden sich die Außenkanten des Knochens 
stärker nach hinten und ziehen sich dann gegen die Condylen herab. Die Mittellinie des Supraoceipitale 
ist durch einen kräftigen Kamm bezeichnet, der nach vorn und oben zu an Stärke stetig zunimmt und 
seine stärkste Stelle an der Stelle erreicht, wo der Knochen in der Mittellinie des Schädeldaches an die 
Parietalia grenzt. 

Betrachten wir die Hinterhauptschuppe im Profil, so fällt uns sofort die außerordentlich starke 
Neigung nach vorn auf. Kein Archaeocet und kein Odontocet zeigt ähnliche Verhältnisse; nur bei den 
Bartenwalen treffen wir eine ähnliche Schrägstellung des Supraoccipitale wieder. Der eigentümliche Eindruck 
des Schädelprofils wird noch dadurch erhöht, daß der Schädel außerordentlich niedrig ist, eine Erscheinung, 
die wir gleichfalls nur noch unter den Bartenwalen wiederfinden (vergl. Taf. V, Fig. 1 mit Taf. XI). 

Im Profile erscheint das Supraoceipitale sehr schwach gewölbt; oberhalb der Condylen ist es scharf 
von diesen abgesetzt (Taf. V, Fig. 1). 

Die geringe Schädelhöhe, die merkwürdigen Formen des Supraoccipitale, seine schwache Wölbung, 
seine ungewöhnliche Größe (es mißt 140 mm in der Breite und 105 mm Höhe bei einem bizygomatischen 
Durchmesser von 260 mm) würden allein hinreichen, um diese Gattung als eine Type zu kennzeichnen, 
mit der wir unter den fossilen Walen nur einige Archaeoceten und unter den lebenden Walen nur die 
Bartenwale in Beziehungen bringen können. 


6. Pterygoideum. 


Die Pterygoidea nehmen bei Agriocetus eine ähnliche Lage ein wie bei Patriocetus, soweit sich aus 
den vorhandenen Resten ein Urteil darüber gewinnen läßt. 

Die Schädelbasis ist durch eine scharfe Kante von der Temporalgrube getrennt; das an das 
Squamosum beiderseits anstoßende dreieckige, schüsselförmig vertiefte und dreieckig umgrenzte 
Knochenfragment repräsentiert einen Teil des Pterygoids, das somit nur zu einem kleinen Teile erhalten 
ist. Das rechte Pterygoidfragment wurde von dem fest anhaftenden Quarzsand gereinigt und läßt die 
Verfolgung der Grenzlinie gegen das Squamosum zu, während der Verlauf der übrigen Grenzen unsicher 
ist, weil die Nähte verwachsen sind. Wahrscheinlich war die Form und Begrenzung der basalen 
Pterygoidplatten ähnlich wie bei Patriocetus, bei welchem übrigens die Ansatzstellen an die medianen 
Knochen der Schädelbasis nicht deutlich erkennbar sind (vergl. S. 16). 


B. Systematische Stellung von Agriocetus. 


Seitdem Hermann v. Meyer 1847 den Linzer Agriocelus als Squalodon Grateloupi bestimmt hatte, 
sind trotz der verschiedenen Versuche, die Stellung dieser merkwürdigen Cetaceenform unter den fossilen 
Walen zu ermitteln, alle Forscher zu dem Ergebnisse gekommen, daß es sich in der vorliegenden Form 
um einen Vertreter der Squalodontiden handelt. 

Von der Einreihung des Agriocetus unter die Squalodontiden kann aber nach seinen sehr 
bezeichnenden Merkmalen keine Rede sein. Wir betrachten heute Squalodon bariense Jourdan als den 
typischen Vertreter der Squalodontiden und die übrigen Arten, die sich um diese Type gruppieren, zeigen 
‚ausnahmslos Merkmale, die Agriocetus durchaus fehlen. Bei allen echten Squalodontiden sind die 
Odontocetencharaktere dominierend geworden. Alle zeigen eine Überschiebung der Supraorbitalplatten 
durch die Supramaxillaria, während bei Agriocetus ebenso wie bei den Archaeoceten (mit Ausnahme von 
Agorophius und Prosgualodon) und ebenso wie bei den Bartenwalen die Oberkieferknochen von der 
Bildung der Supraorbitalplatten ganz ausgeschlossen sind. Ferner besitzt bei den Squalodontiden der 


194 Ode), 


Schädel eine ganz andere Profilierung. die Schädelbasis -weist eine ganze Reihe echter Odontoceten- 
charaktere auf, so daß wir die Squalodontiden den Odontoceten angliedern müssen, während Agriocetus 
nur Merkmale besitzt, die ihn einerseits mit den Archaeoceten und andererseits mit den Bartenwalen 


verbinden. 
Von allen fossilen Walen schließt sich Patriocetus am engsten an Agriocetus an. Freilich bestehen 


auch zwischen diesen beiden Gattungen noch so tiefgreifende Gegensätze, daß an eine Einreihung von 
Agriocetus austriacus in die Gattung Patriocetus nicht gedacht werden kann. Diese Unterschiede betreffen 


namentlich die Höhe des Schädels, die Größe und Form des Supraoccipitale und die Form des von den 
Frontalia und Parietalia gebildeten Sockels auf dem Schädeldach. Immerhin lassen sich Agriocetus 
und Patriocetus zusammen gegen die übrigen nächstverwandten Gruppen abgrenzen, so daß ihre 
Einreihung in eine Familie, die ich Patriocetidae nennen will, durchaus gerechtfertigt erscheint. 

So wie Patriocetus eine Mittelstellung zwischen Archaeoceten und Mystacoceten einnimmt, so gilt 
dies auch für Agriocetus. Für Agriocetus sogar in noch höherem Grade, weil hier bereits im Supra- 
occipitale und in dem aligemeinen Schädelhabitus eine noch viel größere Ähnlichkeit mit den Bartenwalen 
als bei Patriocetus vorliegt. In manchen Merkmalen verhält sich auch Agriocetus noch konservativ; diese 
altertümlichen Merkmale liegen vor allem in den Proportionen und dem Bau des Schädeldachabschnittes 
zwischen dem Supraoceipitaleund der Nasenöffnung. Obgleich schon bei Agriocetus die Parietalia in sagittaler 
Richtung zusammengedrängt sind und das von ihnen gebildete Querband vor dem Supraoceipitale schmäler 
erscheint als bei Patriocetus, so ist es doch noch vorhanden und unterscheidet Agriocetus dadurch von den 
ältesten Bartenwaltypen, bei denen die Scheitelbeine nur einen sehr schmalen Streifen vor dem Supra- 
occipitale bilden wie bei Cetotherium Rathkei (Taf. VIII). Immerhin sind aber diese Gegensätze nur graduell. 
Alle Schädelmerkmale von Agriocetus beweisen mit voller Klarheit, daß es sich in ihm um eine Archaeo- 
cetentype handelt, die sichin derRichtung gegen den Bartenwaltypus noch umeinen Schritt 
weiterals Patriocetus entwickelt hat. 


V. Archaeocetenwirbel aus den Linzer Sanden. 


Im Jahre 1841 wurde in den Linzer Sanden zugleich mit dem Schädelfragmente, das später als 
Squalodon Ehrlichi beschrieben wurde und das die Type von Patriocetus Ehrlichi bildet, eine Anzahl von 
Wirbeln ausgegraben. 

Zuerst wurden diese Wirbel mit dem Schädelreste des Fundes von 1841 zu einer Art vereinigt. Als 
im Jahre 1847 ein zweites Schädelfragment in den Linzer Sanden entdeckt wurde, das ich im vorstehenden 
als Agriocetus austriacus beschrieben habe, erklärte H. v. Meyer, daß dieses Schädelfragment als das 
Hinterhaupt derselben Art anzusehen sei, welcher der Schädelrest des Fundes von 1841 angehört; die 
Wirbel des Fundes von 1841 sowie ein einzelner einwurzliger Zahn sollen nach Meyer (Neues Jahrbuch 
f. Min., 1847, p. 189) einer zweiten Art angehören, deren Schädel noch unbekannt ist. Der in späterer Zeit 
vielbesprochene Atlas wird von Meyer in dieser Mitteilung zum erstenmal erwähnt. Im Jahre 1849 (Neues 
Jahrbuch f. Min., p. 549) beschrieb H. v. Meyer den Schädel eines Bartenwales, der wahrscheinlich in diesem: 
Jahre in den Linzer Sanden entdeckt worden war, unter dem Namen Balaenodon Lintianus und erklärte, 
daß die Wirbel des Fundes von 1841 zu dieser Art gehören, während der 1847 erwähnte einzelne, einwurzlige 
Zahn nicht mit Balaenodon vereinigt werden dürfe. 

Im Jahre 1849. erwähnte Johannes Müller in. seiner Abhandlung über die Zeuglodonten Nord- 
amerikas die im Jahre 1841 in Linz gefundenen Cetaceenwirbel und bestimmte sie als Wirbel von 
Zenglodon. 

Im Jahre 1865 veröffentlichte P.J. van Beneden seine »Recherches sur les Squalodons«, in welchen 
er auch die Linzer Wale besprach und abbildete. Diese Abhandlung hat, wie die meisten Walarbeiten 


ne ne 


Die Vorfahren der Bartenwale. 195 


dieses Autors, in die Frage der systematischen Gliederung der Cetaceen mehr Verwirrung als Klarheit 
gebracht. Über die Wirbel, die er zu Squalodon Ehrlichii stellt, finden sich in dieser Arbeit nur folgende 
Angaben:! 

»M. Ehrlich a recueilli &galement, a cöte de la tete, une vertebre du cou, aplatie et isole, avec 
plusieurs vertebres dorsales et lombaires. Les vertebres dorsales sont d’une longueur ordinaire; les 
lombaires sont un peu plus longues que les autres.« 

Bei der Besprechung der Gattung Sienodon bemerkt van Beneden, daß sich im Linzer Museum 
Reste eines Wales von bedeutenderer Größe als Sgualodon befinden, und zwar bestehen nach 
van Beneden diese Reste aus einem Schädelfragment (Stenodon lentianus H. v. Meyer spec. — 
Balaenodon Lintianus H. v. Meyer 1849), einem Tympanicum, einem caniniformen Zahn, einem fast 
vollständigen Atlas und mehreren Lenden- und Schwanzwirbeln.? 

In seinen weiteren Ausführungen hebt van Beneden hervor, daß der Atlas im Jahre 1847 gefunden 
wurde. 

Halten wir zunächst daran fest, daß sowohl im Jahre 1841 als im Jahre 1847 in den Linzer Sanden 
Wirbel von Walen entdeckt worden sind. Der Atlas gehört dem Funde von 1847 an. Nach van Beneden? 
sind im gleichen Jahre mehrere Walwirbel in den Linzer Sanden gefunden worden; er beschreibt sie als 
Reste von Stenodon lentianus und führt folgende Exemplare an: 

»1l existe quelques vertebres parmi lesquelles nous pouvons eiter les deux premiceres cervicales. 
Elles ont ete trouvees en 1847. 

»Ces deux vertebres sont compl&tement soudees. Elles sont entieres, sauf une partie de l’arc 
sup£rieur. Les deux condyles sont intacts. Les apophyses transverses sont peu developp£es. 

»Les premieres vertebres &tant r&unies, l’animal de Lintz s’eloigne donc des Plesiocetes pour se 
rapprocher des Cetodontes. 

»Ces memes vertebres s’eloignent aussi des Zeuglodons, comme M. Ehrlich !’a deja fait remarquer. 

»Une autre vertebre cervicale, dont le corps a environ deux centimetres d’Epaisseur, est 
completement isol&e. Elle porte encore la base des apophyses qui vont constituer l’arc neural. 

»Deux autres vertebres, dont le corps est assez long puisqu’il mesure jusqu’a dix centimetres, 
appartiennent a la region lombaire, et sont extremement remarquables par le peu de developpement de 
l’arce neural. Des apophyses transverses sont conservees et montrent un assez grand developpement. 

»Deux autres vertebres, beaucoup plus petites, appartiennent ä la region caudale. L’arc neural 
est, contrairement aux deux autres vertebres tres developpee. 

»J. Müller a cru que ces grandes vertebres se rapportent au Zeuglodon, et qu’elles pr&esentent tous 
les caracteres d’une vertebre caudale anterieure de ces animaux.« 

J.F. Brandt hat in seinen 1873 und 1874 veröffentlichten Untersuchungen über die fossilen und 
subfossilen Cetaceen Europas die im Linzer Museum aufbewahrten Cetaceenwirbel an mehreren Stellen 
besprochen. 

Zuerst (I. c., 1873, p. 42 bis 44) beschrieb Brandt sieben Wirbel als Reste der von ihm neu auf- 
gestellten Gattung Cetotheriopsis. Diese Gattung ist synonym mit Balaenodon H. v. Meyer 1849 
(non Owen!), ferner mit Aulocetus van Beneden 1861 und Stenodon van Beneden 1865. (Der 
Schädelrest, welcher einem echten Bartenwal angehört, ist als Aulocetus lentianus H. v. Meyer spec. 1849 
zu bezeichnen.) 

Zu der durch die Linzer Reste allein. repräsentierten Gattung und Art »Cetotheriopsis linziana 
Brandt« (l. cp. 40) stellt Brandt außer den oben erwähnten Schädelresten (vergl. S.4; Brandt, |. c., 1873): 

l. den im Jahre 1847 entdeckten Atlas (l. c., Tafel XVII, Fig. 5a, 6a, 7, 8); 

2. drei Lendenwirbel (I. c., Tafel XVII, Fig. 5b, 5c, 5d, 6b, 6c, 6d, 95, 10c, 11d); 


alrse.,Dp.02. 
zulee., D. [8: 
SIEREN DEE 
Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC. Bd. 28 


196 OAlbiel} 


3. drei Schwanzwirbel (l. c., Tafel XVIU, Fig. de, df, 58, 6e, 6f, 68); 

4.an den Wirbel g schließt sich in den Figuren 5 und 6 der Tafel XVIlInoch ein Wirbel ohne 
nähere Bezeichnung an, der weder im Texte noch in der Tafelerklärung erwähnt wird. In der Tafel- 
erkärung (l. c., 1873, p. 355) werden alle hier erwähnten Wirbel als Squalodon Ehrlichii van Beneden 
bezeichnet. Diese Änderung in der Deutung und Bestimmung der Wirbel ist durch die Abhandlung 
van Beneden’s beeinflußt worden, wie Brandt (l. c., 1873, p. 326) erklärt. Auf p. 332 bis 333 kommt 
Brandt noch einmal auf diese Wirbel zu sprechen und hebt die Ähnlichkeit des Atlas mit dem des 
Squalodon Grateloupi hervor. Die übrigen Wirbel erscheinen Brandt nach den p. 333 geäußerten 
Anschauungen nunmehr sehr zeuglodonähnlich, so daß er die Gattung Cetotheriopsis auf das Schädel- 
fragment und die Kieferbruchstücke beschränkt. 

In den »Ergänzungen« zu seiner Abhandlung kommt Brandt 1874 neuerlich auf diese Wirbel 
zurück. Er erklärt hier (l. c., 1874, p. 37) die von ihm früher zu Cetotheriopsis gestellten Wirbel als Reste 
des Squalodon Ehrlichii und zwar nicht nur die Lenden- und Schwanzwirbel, sondern auch den Atlas 
(l. c., 1874, p. 39). 

Die von van Beneden als Halswirbel von Stenodon beschriebenen Reste hat Brandt bei seinen 
Untersuchungen im Linzer Museum im Herbste 1373 nicht auffinden können; fünf Halswirbel von 
abweichendem Erhaltungszustande gehören nach Brandt überhaupt keinem Wale, sondern einer 
Sirene an. 

Der von Brandt (I. c., 1873, Tafel XVII, Fig. 5f und 6f) abgebildete Caudalwirbel gehört nach 
seinen späteren Untersuchungen einem ‘kleineren Individuum derselben Art wie die großen nur) an 
(l. c., 1874, p. 40). 

Der (I. c., Tafel XVII, in Fig. 5 und 6 hinter g) abgebildete Caudalwirbel, den Brandt nicht weiter 
erwähnte, gehört nach seinen späteren Studien »vielleicht einer vom Squalodon Ehrlichii abweichenden, 
allerdings noch sehr fraglichen Art (Squalodon hypsispondylus ? Nob.)« an. Eine neue Abbildung hat 
Brandt (l. c., 1874, Tafel V, Fig. 9 bis 12) mitgeteilt. 

Einen weiteren Wirbel aus den Linzer Sanden, welcher der Lendenregion eines Wales angehört, hat 
Brandt (l.c., 1874, Tafel V, Fig. 5 bis 8, p. 45) als »mutmaßlich Squalodon incertus« angehörig beschrieben 
und abgebildet. 

Endlich hat Brandt (l.c.,, 1874, Tafell, Fig. 7 bis 15, p. 8 bis 10) vier Wirbel beschrieben und 
abgebildet, die nach ihm zu Cetotheriopsis linziana gehören. Diese vier Wirbel bestehen aus einem der 
vordersten Rückenwirbel, einem vorderen, einem mittleren und einem hinteren Lendenwirbel. Der 
Zeitpunkt des Fundes dieser Wirbel konnte schon 1873 nicht mehr festgestellt werden. 

Überblicken wir diese Art der Bestimmung und Untersuchung von ganz ungenügenden Resten, so 
werden wir es begreiflich finden, warum wir so lange Zeit nicht zu einer richtigen Erfassung der Bedeutung 
einzelner der Linzer Funde gelangt sind. Die Unterscheidung von fossilen Resten, die kaum näher 
bestimmbar sind, hat das Bild gänzlich verschleiert und verwirrt und die Ungenauigkeit der Unter- 
suchungen sowie das Zurücktreten morphologischer Vergleiche haben die wirklich wichtigen Reste unter 
dem Wust unbrauchbaren Materials verschwinden lassen. 

Von größerer Wichtigkeit sind nur die Wirbel des Fundes von 1841, die bald zu Cetotheriopsis 
(Aulocetus oder Stenodon), bald zu Squalodon Ehrlichii gestellt wurden. Es sind dies dieselben Reste, 
welche Johannes Müller kannte und zu Zeuglodon stellte. Stromer hat sich in seiner Abhandlung über 
die ägyptischen Urwale (l. c., 1903, p. 86) dieser Auffassung angeschlossen, aber eine neuerliche 
Untersuchung dieser Reste vor einer endgültigen Entscheidung über ihre Bestimmung für unerläßlich 
bezeichnet. ; 

Vor allen Dingen ist daran festzuhalten, daß die drei Lendenwirbel und die mit ihnen gefundenen 
drei Schwanzwirbel zwar aller Wahrscheinlichkeit nach zusammen mit der Type des Patriocetus Ehrlichi 
im Jahre 1841 gefunden worden sind, daß sie aber sicher nicht mit dem Atlas gefunden wurden. Soweit 
das Studium der Quellen ergibt, ist dieser vielbesprochene Atlas erst im Jahre 1847 entdeckt worden. Ich 


ei 20 


Die Vorfahren der Bartenwale. 197 


habe ihn im Jahre 1912 in Linz untersucht und bin zu dem Ergebnisse gelangt, daß er unter keinen 
Umständen Patriocetus Ehrlichi, sondern einem größeren Wal, und zwar einem echten Bartenwal ange- 
hörte, ohne daß es möglich wäre, ihn mit Sicherheit zu Aulocetus zu stellen. 

Die noch immer bestehende Unsicherheit über das Datum des Fundes der sechs Wirbel gebietet uns 
Vorsicht. Wenn es auch wahrscheinlich ist, daß diese Wirbel mit der Type von Patriocetus Ehrlichi 
gefunden worden sind, so läßt sich dies heute doch nicht mehr mit voller Sicherheit nachweisen. 

Auf jeden Fall handelt es sich um typische Archaeocetenwirbel, und zwar bestehen die bezeichnenden 
Merkmale der Wirbel in der starken Entwicklung der Metapophysen (= Processus obliquomammillares) in 
Verbindung mit der geringen Höhe der Neurapophysen. 

Stromer hat in seinen beiden Abhandlungen über die Archaeoceten aus den Jahren 1903 und 1908 
die Auffassung vertreten, daß bei den Archaeoceten die Kleinheit der Dornfortsätze an den Caudalwirbeln 
als Spezialisation anzusehen ist, während in der bedeutenden Höhe der Dornfortsätze der Schwanzwirbel 
bei den lebenden Walen ein primitives Verhalten zu erblicken sei. Am schärfsten tritt diese Auffassung 
Stromer’s in der Vergleichstabelle seiner Arbeit aus dem Jahre 1908 hervor (l. c., p. 166, Tabellen- 
kolonne 71). Daraus würde der Schluß abzuleiten sein, daß zum Beispiel die Bartenwale mit den 
Archaeoceten nach dem Gesetze der Spezialisations-Kreuzungen und dem Dollo’schen Gesetze nicht in 
direkte genetische Beziehungen gebracht werden können. Stromer ist daher auch zu dem Schluße gelangt 
(l. c., 1903, p. 97 und I. c., 1908, p. 171), daß die Mystacoceti nicht als die Nachkommen der Archaeoceti 
betrachtet werden können. 

Wenn wir von der sichergestellten Tatsache ausgehen, daß die Archaeoceten von Landraub- 
tieren abstammen, so müssen wir zunächst einen Vergleich der Schwanzregion zwischen Landraubtieren 
und Archaeoceten durchführen. Da zeigt sich sofort, daß auch bei den Landraubtieren die Dornfortsätze 
der Schwanzwirbel sehr niedrig sind und daß weder ein fossiles noch ein lebendes Raubtier derartig hohe 
Neurapophysen wie ein moderner Wal besitzt. Nur eine einzige Gruppe unter den Fissipediern 

‚fällt durch die relative Höhe der Neurapophysen auf: die Ottern oder Lutrinen. 

Bei den Landraubtieren sind die Dornfortsätze in der vorderen Thorakalregion am höchsten, bei den 
modernen Walen aber in der Lumbarregion. Schon J. Müller hat im Jahre 1851 diese Tatsache 
festgestellt. 

Bei den Archaeoceten treffen wir noch ähnliche Verhältnisse wie bei den Landraubtieren an; die 
Kleinheit der Dornfortsätze in der Lendenregion und Schwanzregion bei den Archaeoceten 
ist daher als primitives und nicht als spezialisiertes Merkmal anzusehen. 

Behalten wir nun im Auge, daß unter den Fissipediern die Fischottern die höchsten Dornfortsätze 
besitzen,* so wird uns dadurch sofort die Entstehungsgeschichte der hohen Neurapophysen der Lenden- 
und Schwanzregion bei den modernen Walen klar: Die Höhe der Neurapophysen bei den Walen 
ist bedingt durch die Funktion des Schwanzes und die erhöhte Tätigkeit der Schwanz- 
muskulatur und ist als eine durch das Wasserleben bedingte Spezialisation, nicht aber 
als ein primitives Merkmal zu betrachten.? 

Die sechs Wirbel, welche jedenfalls zu einem und demselben Individuum gehören, gehören zur 
Hälfte der Lumbar- und zur anderen Hälfte der Caudalregion an. Der hier (siehe Textfig. 13) abgebildete 
Wirbel ist von allen am besten erhalten; nur die Querfortsätze sind bei dem vorhergehenden vollständiger. 
Der hier (nach zwei in Linz am 26. Jänner 1912 angefertigten Skizzen) dargestellte Wirbel ist das Original 
zu Brandt’s Fig. 55, 65, und 95 (I. c., 1873, Tafel XVII). Zu Brandt’s Beschreibung wäre nur nach- 
zutragen, daß die Lateralflächen des Wirbelkörpers je eine ovale grubenförmige Vertiefung aufweisen. Bei 


1 E. v. Stromer: Die Wirbel der Landraubtiere. — Zoologica. — Stuttgart 1902, p. 82. 
2 E. v. Stromer sagt (l. c., 1903, p. 95) über die Funktion der Schwanzmuskeln bei den Archaeoceten folgendes: »Jedenfalls 
waren die dorsalen Muskeln des Schwanzes (Museuli levatores etc.) etwas anders ausgebildet als bei den Walen und erzielten bei 


einseitiger Wirkung wohl auch eine stärkere Rotationsbewegung als bei diesen. « 


198 O. Abel, 


dem vorhergehenden Lendenwirbel (Original zu Brandt’s Fig. 10c, 5c und 6c seiner Tafel XVII) ist der 
Rückenmarkskanal höher (22 mm) als beim hier abgebildeten folgenden Lendenwirbel (20 mm). Die 
Epiphysen waren an der Vorderseite des Wirbelkörpers nicht so fest mit dem Körper verbunden als an 
dessen Rückseite; bei dem abgebildeten Wirbel fehlt die vordere Epiphyse. Der Dornfortsatz ist am 
vorderen Lendenwirbel der Serie am höchsten; am dritten ist sie nur mehr als niedriger Höcker zu erkennen. 


Fig. 13. 


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Lendenwirbel von Patriocetus Denggi nov. gen., nov. spec. aus dem Oberoligocän von Linz in Oberösterreich. 


13a. Ansicht von vorn. 135. Ansicht von rechts. 
(4/, der natürl. Größe). 


Unter den Caudalwirbeln ist der letzte der Serie sehr hoch, schlank und schmal; die Processus 
obliquomammillares sind sehr klein, die Neurapophysen kaum wahrzunehmen. 

Der von Brandt 1873 als siebenter eingereihte Wirbel der Serie, den Brandt 1874 als »Sgualodon 
hypsispondylus« beschrieb, unterscheidet sich durch seine auffallend hohe und schlanke Form von den 
übrigen Wirbeln. Der Rückenmarkskanal ist auffallenderweise hinten höher als vorn (16 : 12 mm). Der 
Körper ist 106 mm lang, 78 mm breit und 98 mm hoch. Bezüglich der übrigen Maße verweise ich auf 
Brandt (l. c., 1874, p. 40). Die Dimensionen des hier abgebildeten Lendenwirbels sind folgende: 


Lange des Wirbelkörpersen re ee RR 5 Me NN. - . 111mm 
Größter Abstand zwischen den Processus obligquomammillares .........ecrce2200: 114 » 
Höhe der Vorderwand des \Wirbelkörpense 22a 2 an pe Le Er 104 » 
Größte Breite der Vorderwand des Wirbelkörpers....... RE RE SUN Lt 108 » 
Höhe des Rückenmarkskanals. „2 Se lee De. SL re 2. 2OE> 
Breite des Rückenmarkskanals ..... FA N AT So, des N 30 » 


Ich habe oben die Gründe auseinandergesetzt, die mich veranlaßt haben, diese Wirbel gesondert 
zu besprechen. Es ist möglich, daß sie zu Patriocetus Ehrlichi gehören, aber es ist nicht 
sicher. Ich möchte daher für diese immerhin sehr charakteristischen Wirbel (drei Lendenwirbel und drei 
Schwanzwirbel) eine provisorische Art errichten und bringe für ‘dieselbe den Namen Patriocetus 


Denggji n. g. n. sp. in Vorschlag. 


Die Vorfahr 2 der Bartenwale. 199 


Die übrigen Wirbel, welche Brandt aus den Linzer Sanden unter verschiedenen Namen beschrieb, 
halte ich mit Ausnahme des Atlas, welcher wahrscheinlich zu Awlocetus lentianus gehört, für gänzlich 
unbestimmbar und glaube, daß hier derselbe Modus procedendi platzgreifen muß, wie ich ihn für eine 
Reihe unbestimmbarer Walreste aus dem belgischen Tertiär angewandt habe, nämlich eine vollständige 
‚Ignorierung derselben. Durch die Arbeiten. der älteren Cetologen ist so viel Ballast durch Bestimmung, 
Beschreibung, Benennung und Abbildung ganz wertloser und unbestimmbarer Reste geschaffen worden, 
daß es an der Zeit ist, denselben aus dem Wege zu räumen. 


VI. Die systematische Stellung der Archaeoceten. 


Wenn wir es versuchen, den Gattungen Patriocetus und Agriocetus unter Würdigung ihrer phylo- 
genetischen Stellung den ihnen gebührenden Platz im System der Säugetiere anzuweisen, so stoßen wir 
auf außerordentliche Schwierigkeiten und die Schwächen unserer Systematik treten mit voller Deutlichkeit 
hervor. Das zoologische System beruht eben im wesentlichen immer noch auf einem horizontalen 
Querschnitt des Stammbaumes und die Gruppierung in Familien, Unterordnungen, Ordnungen usw. hat 
die lebenden Vertreter derselben zur Grundlage, während die fossilen Formen von Fall zu Fall zwischen 
die lebenden eingeschachtelt werden. 

Gelangen wir zur Kenntnis fossiler Formen, die sich als neue Gattungen einer noch lebenden 
Familie einreihen lassen, so sind wir in vielen Fällen zwar gezwungen, die Diagnose der betreffenden 
Familie zu erweitern und in der Diagnose einen historisch-genetischen Gesichtspunkt zum Ausdruck 
zu bringen, aber das Gefüge des Systems bleibt im wesentlichen unberührt. So mußte zum Beispiel die 
Diagnose der Familie Physeteridae, die zuerst von W. H. Flower ausschließlich auf die lebenden 
Gattungen begründet wurde, eine wesentliche Erweiterung und Änderung erfahren, als die fossilen 
Vertreter eingereiht wurden. In der Definition der Familie mußten die Veränderungen zum Ausdruck 
gebracht werden, welche das Gebiß und andere Skeletteile dieser Familie im Laufe der stammes- 
geschichtlichen Entwicklung durchgemacht haben. Die Diagnose dieser Familie erscheint also heute nach 
phylogenetischen Gesichtspunkten modifiziert und die systematische Abgrenzung ist nicht mehr 
eine nur horizontale, sondern auch eine vertikale. 

Treten uns fossile Gattungen entgegen, die sich keiner lebenden Familie einreihen lassen, so pflegt 
für eine solche Form eine neue Familie errichtet zu werden; das Gefüge des zoologischen Systems 
erscheint durch einen solchen Vorgang einstweilen nicht weiter gelockert. 

Anders liegt aber die Frage nach der Brauchbarkeit und Richtigkeit unseres zoologischen Systems, 
wenn der Nachweis erbracht wird, daß zwei Familien in einer gemeinsamen Wurzel zusammenlaufen. 
Man hat sich aber auch in diesen Fällen geholfen und die Stammgruppe als selbständige Familie oder 
Unterordnung von jenen Familien abgetrennt, die ohne Zweifel aus der Stammgruppe hervorgegangen 
sind. Hier beginnt das System und die übliche Methode der Eingliederung fossiler Formen zu versagen 
und ein verzerrtes Bild der tatsächlichen Verhältnisse zu liefern. 

Um dies an einem Beispiel zu erläutern, sei auf die Systematik der Raubtiere verwiesen. Wir wissen 
durch die grundlegenden Untersuchungen von W. D. Matthew, daß aus dem großen Heer der alttertiären 
Raubtiere nur ein einziger Stamm bis zu den lebenden Landraubtieren führt, die als Fissipedia bezeichnet 
und in zwei Gruppen getrennt werden. Die erste dieser Gruppen, die Arctoidea, umfaßt die Familien der 
Caniden, Procyoniden, Ursiden und Musteliden; die zweite Gruppe, die Aeluroidea, umfaßt die drei 
Familien der Viverriden, Hyaeniden und Feliden. Beide heute scharf getrennten Gruppen laufen in einer 
Wurzel, einer gemeinsamen Stammgruppe zusammen: es ist die »Familie« der Miaciden, die mit 
den Arctocyoniden zu den Eucreodi vereinigt wurde. Da die Kucreodi die einzige Gruppe unter den 


200 O. Abel, 


zahlreichen alttertiären Landraubtieren bilden, die sich bis in die Gegenwart gerettet hat, während die 
übrigen eocänen Vertreter der Raubtiere ohne lebende Nachkommen erloschen sind, so werden sie als 
»adaptive« Formen von den »inadaptiven«, erloschenen, getrennt und die ganze Gruppe als » Creodontia« 
den lebenden » Fissipedia« gegenübergestellt. 

Dieser Vorgang der Einreihung fossiler Formen in das System hat zur Folge, daß die Ordnung der 
Carnivora in drei Gruppen zerlegt wird, die infolge gleichartiger Benennung als »Unterordnungen« 
einen gleichen systematischen Wert zu besitzen scheinen: (Creodontia, Fissipedia und Pinnipedia. 
In der Tat sind aber diese Gruppen in phylogenetischer Hinsicht höchst ungleichwertig. 
Die Pinnipedia, welche aus den Fissipediern hervorgegangen sind, stehen durch die Bezeichnung 
»Subordo« neben diesen und der Stammgruppe der Creodontier in gleichem systematischen Rang. Wie 
sehr die heute allgemein übliche Methode des Kompromisses zwischen den Resultaten der phylogenetischen 
Forschung und dem rein klassifikatorischen System in diesem Falle versagt hat, bedarf keiner weiteren 
Erörterung. 

Noch schwieriger aber wird die Stellungnahme bei der Frage der Einreihung von unzweifelhaften 
Übergangsformen zwischen größeren Gruppen, ein Fall, der allerdings nur selten eintritt. Wir haben feststellen 
können, daß Patriocetus in allen Merkmalen seines Schädelbaues und Gebisses ein Bindeglied zwischen der 
alttertiären Walgruppe der Archaeoceten und den Mystacoceten bildet. Wir könnten also mit gleichem 
Rechte die Gattung Patriocetus entweder den Urwalen einreihen oder mit den Bartenwalen vereinigen. In 
jedem der beiden Fälle könnten wir eine solche Einreihung vom rein morphologischen Standpunkt aus 
rechtfertigen und dennoch wird zugegeben werden müssen, daß der eine Weg so gut wie der andere die 
wirkliche phylogenetische Bedeutung dieser Übergangsform nicht zum Ausdrücke bringen kann. 

Mit dem Nachweise der phylogenetischen Verbindung zweier größerer systematischer Einheiten 
müßten die starren Schranken zwischen beiden fallen. Dieses Durchbrechen der durch die Diagnose der 
beiden Gruppen gezogenen Grenzen hätte aber weiter zur Folge, daß die Diagnose der Bartenwale ganz 
anders formuliert werden müßte, als dies heute der Fall ist. Schließen wir Patriocetus und Agriocetus den 
Bartenwalen an, so müssen wir die Diagnose dieses Stammes phylogenetisch formulieren und sie wird 
daher ganz anders lauten als die von Max Schlosser noch 1911 beibehaltene Kennzeichnung des Stammes. 
Andererseits sind wir gewungen, die Diagnose der Archaeoceten nach Einreihung von Patriocetus 
wesentlich zu erweitern, ohne in beiden Fällen schon durch die Einreihung der Gattung in das System ihre 
Zwischenstellung zwischen den Urwalen und Bartenwalen in klarer Weise kenntlich machen zu können. 

Der gebräuchliche Weg wäre, in beiden Fällen für die Gattung Patriocetus eine eigene »Familie«, die 
der Patriocetidae, zu errichten; dadurch kann jedoch die Übergangsstellung von Patriocetus zwischen den 
Urwalen und Bartenwalen nicht zum Ausdruck gebracht werden. 

Die außerordentlichen Schwierigkeiten in der Entscheidung dieser Frage müssen den Gedanken 
nahelegen, ob es überhaupt möglich sein wird, beim weiteren Fortschreiten unserer Kenntnisse von den 
phylogenetischen Zusammenhängen einen Weg zu finden, der die Ergebnisse der Phylogenie durch die 
bisher übliche systematische Gruppierung zur Darstellung bringt. 2 

Die phylogenetischen Beziehungen zwischen den einzelnen Formen und deren Gruppierung nach 
einem einheitlichen System werden sich überhaupt nicht restlos zur Deckung bringen lassen. 

Der einzige Ausweg aus dem Irrgarten der jetzigen Systematik wäre eine Änderung der Bezeichnung 
jener Gruppen, die nachgewiesenermaßen als Stammgruppen anzusehen sind. Wenn wir in der 
»Ordnung« der Wale zwei »Unterordnungen«, die Zahnwale und die Bartenwale unterscheiden, so dürfen 
wir die Archaeoceten nicht als gleichwertige Kategorie anreihen, sondern werden sie am besten als 
Stammgruppe bezeichnen, so wie es der einzige Weg ist, die Creodontia den Fissipediern und 
Pinnipediern als »Stammgruppe« gegenüberzustellen. 

Damit wäre wenigstens deutlich zum Ausdrucke gebracht, daß die Aufstellung und Abgrenzung der 
Creodontia, Archaeoceti, Protungnlata u.s.f. aus phylogenetischen Gründen erfolgt ist. Dann ist es 
auch möglich, Ahnenformen der verschiedenen Unterordnungen in die Stammgruppe einzu- 


Die Vorfahren der Bartenwale. 201 


reihen, ohne ihre Beziehungen zu den Deszendenten zu verwischen, wie das der Fall wäre, 
wenn Patriocetus entweder in die »Unterordnung« der Archaeoceten oder in jene der Mystacoceten 
eingereiht würde. 

Die Cetaceen sind sämtlich aus der Stammgruppe der Archaeoceti oder Urwale hervorgegangen. 
In dieser Gruppe sind folgende Gattungen zu vereinigen: 

1. Microzeuglodon Stromer, 1903.! 

. Phococetus Gervais, 1876.° 
. Patriocetus n. g. 
. Agriocetus n. g. 
. Agorophius Cope, 1895. 
. Prosgualodon Lydekker, 1893#. 
. Protocetus E. Fraas, 1904.° 
. Eocetus E. Fraas, 1905. ® 
. Prozeuglodon Andrews, 1906. 
10. Zygorhiza True, 1908.38 
11. Zenglodon Owen, 1839.? 
12. Kekenodon Hector, 1881.! 


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VII. Geologische und geographische Verbreitung der Archaeoceten. 
I. Ägypten (Mitteleocän bis Obereocän). 


Nach den letzten eingehenden Untersuchungen Stromersi! sind aus dem Eocän Ägyptens folgende 
Archaeoceten bekannt: 

1. Protocetus atavus E. Fraas.!? 

2. Eocetus Schweinfurthi E. Fraas.!? 

3. Prozeuglodon atrox Andrews.!*t 

4. Zeuglodon Osiris Dames® (Fig. 14). 


1 E.v. Stromer: Zeuglodon-Reste aus dem oberen Mitteleocän des Fajüm. — Beitr. z. Palaeont. und Geol. Öst.-Ung. u. d. 
Orients, XV, 1903, p. 89. 

2 P. Gervais: Journal de Zoologie, V, Paris 1876, p. 70. 

3E.D. Cope: Proc. Amer. Phil. Soc. XXXIV, 1895, p. 139. 

iR. Lydekker: Paleontologia Argentina, II. — Anales d. Mus. d. La Plata, 1893. 

5 E. Fraas: Geolog. u. Palaeont. Abh., Neue Folge, Bd. VI (d. ganzen Reihe Bd. X), Jena, 1904, p. 201. 

6 Nom. nov. für Mesocetus E. Fraas 1904 (nom. praeoccup.);E. Fraas: Jahresh. Ver. vater]. Naturk., Württemberg, 1905, p. 385. 

TC. W. Andrews: A Descriptive Catalogue of the Tertiary Vertebrata of the Fajüm, Egypt. — London, 1906, p. 243. 

SF. W. True: The Fossil Cetacean, Dorudon serratus Gibbes. — Bull. Mus. Compar. Anat. at Harvard College, LII, No. 4, 
Cambridge, Mass., 1908, p. 65. 

IR. Owen: Transactions of the Geol. Soc. of London, Vol. VI, 1839, p. 96. 

10 J. Hector: Notes on New Zealand Ceiacea: Recent and Fossil. — Transactions and Proceedings of the New Zealand 
Institute, 1880, XIII, Wellington 1881, p. 435. 

11 E. v. Stromer: Die Archaeoceti des ägyptischen Eozäns. — Beiträge zur Palaeontologie u. Geologie Österreich-Ungarns 
u. d. Orients, XXI. Bd., Wien 1908, p. 106. 

12 E. Fraas: Neue Zeuglodonten aus dem unteren Mitteleocän vom Mokattam bei Kairo. — Geol. u. Pataeont. Abhandl., 
herausgeg. v. E. Koken, X. Bd. (Neue Reihe VI), 3. Heft, Jena 1904, p. 199. 

13 Ibidem; ferner (Bocetus nov. nom. für Mesocetus nom. praeocc.) in Jahresh. Ver. vaterländ. Naturkunde, Württemberg, 
Stuttgart, 1905, p. 385, Anm. 

14 C, W. Andrews: A Descriptive Catalogue of the Tertiary Vertebrata ofthe Fayüm, Egypt. — London 1906, p. 243. 

15 W. Dames: Über Zeuglodonten aus Ägypten und die Beziehungen der Archaeoceten zu den übrigen Cetaceen. — 
Geolog. und Palaeont. Abhandl., N. F. Bd. I, Jena, 1894, p. 189. 


Schädel von Agorophius pygmaeus Müll. von der Seite. Unteroligocän von Südcarolina. 


In 1/, der natürl, Größe. — Schädellänge 368 cm. 


Zeichnung nach einer Lithographie vonL. Agassiz, veröffentlicht von F. W. True (Smithsonian 
Institution, Nr. 1694, Washington, 1907, Taf.). 


Microzeuglodon ? Harıvoodi Sanger. Obereocän vom Murray River bei 
Wellington, Südaustralien. 


Backenzahn von der Seite in natürl. Größe. (Nach E. B. Sanger.) 


(Proceedings Linnean Soc. N. S. Wales, V., Sydney 1881, pag. 298 


u Textfig. A). 

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DD Fig. 14. 

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„ = Btelslece 
BRBRRRAB! 
0. Hl 1912 
. 
Rekonstruktion von Zeuglodon Osiris Dames aus dem Obereocän (Sagha-Stufe) des Fajüm (Ägypten). — Die Grundlage dieser Rekonstruktion ist die teilweise Rekonstruktion, welche 

a B. v. Stromer 1908 entwarf. — Wesentliche Unterschiede der Stromer’schen Rekonstruktion und der vorliegenden betreffen hauptsächlich den Körperumriß, die hinteren Dorsalwirbel, 
= die Halswirbel und die Lage der Brustflosse; die weiß gehaltenen Skeletteile sind unbekannt. — Gesamtlänge des Skelettes ungefähr 3 ız. 


203 


Die Vorfahren der Bartenwale. 


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Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC. Bd. 


204 O. Abel, 


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. Zeuglodon Zitteli Stromer.! 
. Zeuglodon Isis Beadnell? (Taf. IX). 
. Zeuglodon cfr. brachyspondylum Müller.’ 


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II. Nordamerika (Obereoecän bis Unteroligocän). 


Die meisten Funde von Archaeoceten im Bereiche Nordamerikas sind im Eocän des Staates Alabama 
gemacht worden. Die von F. A. Lucas gesammelten Reste sind noch nicht eingehend beschrieben worden 
und die älteren Untersuchungen sind dringend revisionsbedürftig. Unter Vorbehalt sind heute folgende 
Formen zu unterscheiden: 

A. Obereozäne Typen: 1. Zeuglodon cetoides Owen.* 

2. Zeuglodon serratum Gibbes.° 
3. Zenglodon brachyspondylum Müller.® 
4. Zygorhiza minor Müller. 

B. Aus dem Unteroligocän (Jacksonien): 5. Agorophius pygmaens Müller? (Big. 15; Tal 

Durch die Mitteilung der Originalabbildung des Agorophius pygmaens von L. A gassiz, welche wir 
F. W. True verdanken, ist unsere Kenntnis von dem leider verloren gegangenen Schädelrest aus dem 
Unteroligocän von Südcarolina sehr wesentlich bereichert worden. Nun sind wir auch endlich in der 
Lage, eine Rekonstruktion des Schädels durchführen zu können (Taf. X). 

Vor allem ist aus der alten vortrefflichen Lithographie des Schädels in drei Ansichten klar zu 
ersehen, daß sich der Oberkiefer mit seinem hinteren schuppenartig verbreiterten Ende in genau derselben 
Weise über die Supraorbitalplatte des Frontale schiebt, wie dies für die Zahnwale bezeichnend ist. 
Während wir also hier einem typischen Odontocetenmerkmal begegnen, finden wir im Baue der Schädel- 
kapsel durchaus dieselben Verhältnisse wie bei den echten Archaeoceten; der Schädelbalken ist vom 
Supraoceipitale nicht überdeckt, sondern die Parietalia bilden ein quer über die Hirnhöhle ziehendes 
Band zwischen Supraoccipitale und Frontalia. Die Form der Schläfengruben, Umrisse und Form der 
Squamosa, Umrisse und Form der Supraorbitalplatten, Nahtgrenze zwischen Frontalia und. Parietalia, 
Grenzen der Exoccipitalia und Form der Temporalgruben sind auf den Agassiz’schen Figuren so 
klar zu erkennen, daß die Rekonstruktion des Schädels mit weitgehender Sicherheit durchzuführen war. 


II. Südaustralien (Obereocän). 


Aus dem Öbereocän’? von Südaustralien beschrieb E. B. Sanger einen isolierten Backenzahn eines 
kleinen Archaeoceten unterdem Namen Zeuglodon Harwoodi(Fig. 16). DerRestistzu dürftig, um weitere Schluß- 


1 E. v. Stromer: Zeuglodon-Reste aus dem oberen Mitteleocän des Fajüm. — Beiträge zur Paläontol. u. Geol. Österreich- 
Ungarns und d. Orients, XV. Bd., Wien, 1903, p. 65. 

2 H. Beadnell: Report on the Topography and Geology of the Fayum Province of Egypt. — Kairo, 1905, p. 44. 

3 W. Dames, |. c., 1894, p. 199; E. v. Stromer, |. c., 1908, p. 136. 

4 C.G. Carus: Das Kopfskelett von Zeuglodon Hydararchus. — Nova Acta, XXII. Bd., Breslau, 1850, p. 373. F. A. Lucas: 
Notes on the Osteology of Zeuglodon celoides. American Naturalist, 1895, p. 745. 

5 F. W. True: The Fossil Cetacean, Dorudon serratus Gibbes. — Bull. Mus. Comparat. Anat. at Harvard College, Cambridge, 
Mass. — LII, No. 4, Cambridge, U. S. A. 1908, p. 65. 

6J. Müller: Über die fossilen Reste der Zeuglodonten von Nordamerika. — Berlin, 1849, p. 18. — Derselbe: Neue Beiträge 
zur Kenntnis der Zeuglodonten. — Monatsber. d. kgl. preuß. Akad. d. Wiss., Berlin, 1851, p. 240. 

T F.W. True, Il. c., 1908. (Aufstellung der Gattung Zygorhiza). 

SF. W. True: Remarks on the Type of the Fossil Cetacean Agorophius pygmaeus (Müller). — Smithsonian Institution, 
No. 1694, Washington 1907 (in 4°) p. 1. 

9E.B. Sanger: On a Molar Tooth of Zeuglodon from the Tertiary Beds on the Murray River near Wellington, S. A. — Proc. 
Linnean Soc. New South Wales, Vol. V, Sydney 1881, p. 298. — »The beds in which the tooth was found are decidedly Eocene in 
character, though not identical with any particular division of the Eocene.... Its age corresponds therefore with Z. cetoides, found in 


the Eocene beds of the Southern United States.« 


Die Vorfahren der Bartenwale. 205 


folgerungen, ja selbst eine genauere Bestimmung zuzulassen; ich glaube aber, daß durch die provisorische 
Zuweisung dieses Restes zur Gattung Microzenglodon die Verwandtschaftsverhältnisse dieser kleinen 
Archaeocetenart klarer zum Ausdrucke gebracht werden.! 


IV. England (Obereocän). 


H. G. Seeley? hat 1876 aus dem Barton Clay (Obereocän) einen Schädelrest unter dem Namen 
Zeuglodon Wanklyni beschrieben, der leider das Schicksal von Agorophius pygmaeus geteilt hat: er ist 
verschollen. ? 
Die bezeichnendsten Merkmale dieser Art bestehen, wie schon Stromer 1905 hervorgehoben hat, im 
Auftreten von zwei einwurzligen Kegelzähnen im Oberkiefer (C, Pı), wodurch sich diese Art an 
Zenglodon Osiris anschließt, aber vom primitiveren Zeuglodon Zitteli mit dem oberen zweiwurzligen Pı 
unterscheidet. Mit Z. Osiris kann aber Z. Wanklyni nicht vereinigt werden, da folgende Gegensätze 
bestehen: 
Bei Z. Wanklyni sind: 1. Das Cingulum der Zähne stärker. 
2. Die Zacken der Backenzähne gezähnelt. 
3. Die Diasteme zwischen den Zähnen viel kürzer. 
4. Der Oberkiefer viel kürzer. 

Somit muß Zeuglodon Wanklyni als eigene Art abgetrennt bleiben. 


V. Rußland (Unteroligoeän). 


Die .ersten Nachrichten über das Vorkommen von Archaeoceten im Tertiär Rußlands verdanken wir 
A.S. Rogowitsch, der 1871 in der Versammlung Russischer Naturforscher in Kiew über diese Funde 
berichtete und die wenigen damals vorliegenden Wirbelreste als Zeuglodon cetoides beschrieb. 

Im Jahre 1873 gab O.Paulson* eine eingehendere Beschreibung der Reste, welche auf sekundärer 
Lagerstätte im Löß von Tschigirin am Flusse Tjasma (Gouv. Kiew) gefunden wurden und offenbar aus 
dem Alttertiär des Kiewer Beckens stammen. O. Paulson nannte diese Reste Zeuglodon rossicus; Brandt 
hat ohne Grund diesen Namen in Zeuglodon Paulsonii abgeändert.? 

Vor kurzem hat A. Fedorowskij° neue Funde derselben Art aus dem Gouvernement Charkow 
beschrieben. Der Fundort liegt bei dem Dorfe Korobow Chutor im Zmijewschen Kreise des Gouvernements 


1 Überhaupt sollten die bedeutenden Größenunterschiede unter den verschiedenen Archaeoceten nicht so sehr unterschätzt 
werden, als dies manchmal geschieht. Eine Kritik der nordamerikanischen Archaeoceten läßt sich vor dem Erscheinen eingehenderer 
Beschreibungen der Reste aus Alabama einstweilen nicht in Angriff nehmen, doch möchte ich an dieser Stelle die Vermutung aus- 
sprechen, daß die kleine Gattung Dorudon etwas ganz anderes zu sein scheint, als das gewaltige Zeuglodon und daß zum Beispiel 
Dorudon serratum von Zeuglodon cetoides weit verschieden ist, und zwar so weit, daß eine Vereinigung beider in einer Gattung kaum 
den tatsächlichen genetischen Beziehungen Rechnung trägt. Bevor aber nicht klargestellt ist, in welchen Beziehungen die zu 
Zeuglodon gestellten nordamerikanischen Arten zu den ägyptischen stehen, ist jeder derartige Klärungsversuch nutzlos. 

E. v. Stromer (l. c., 1908, p. 147) hat Microzeuglodon? Harwoodi Sanger in die Verwandtschaft von Phococetus Vasconum 
Delf. gestellt. Ich kann ihm darin nicht beipflichten; indessen scheinen mir Microzeuglodon caucasicum und M. (2) Harwoodi mit 
Neosqualodon Assenzae Forsyth Major in engeren Beziehungen zu stehen. Darüber müssen uns weitere Studien, vor allem aber voll- 
ständigere Reste Aufklärung verschaffen. 

2 H. G. Seeley: Notice of the Occurence of Remains of a British Fossil Zeuglodon in the Barton Clay. — Quart. Journ. Geol. 
Soc., London, 1876, p. 428. — C. W. Andrews stellte 1907 einen am selben Fundorte gefundenen Halswirbel zu derselben Att. 

3E.v. Stromer, |. c., 1903, p. 87. 

40. Paulson: Über fossile Reste eines in Rußland gefundenen Zeuglodon. — Memoires de l’Acad. Imp. Sci. St. Petersbourg, 
7e ser., T. XX, No. 1, 1873, p. 336 bis 339. 

>J. F. Brandt: Ibidem, p. 336. 

6A. Fedorowskij: Zeuglodon-Reste aus dem Kreise Zmijew, Gouvernement Charkow. — Arbeiten der Naturforscher-Gesell- 
schaft an der Kais. Univers, Charkow, Bd. XLV, 1912, p. 253 bis 287, Taf. I bis III, 


206 O. Abel, 


Charkow, und zwar ist die Fundschichte (»Charkower Stufe«) ein grüner Glaukonitsand, der nach 
A. Fedorowskij dem Unteroligocän angehört. Der Fund umfaßt zehn Wirbel und mehrere andere 
Knochenfragmente; die Wirbel sind vorzüglich erhalten. Ein zweiter Fund wurde in demselben 
Glaukonitsande beim Dorfe Bugajewka im Kreise Izjum gemacht; er umfaßt fünf schlecht erhaltene Wirbel. 
Nach A. Fedorowskij stammen alle Reste von Zeuglodon rossicum Paulson aus der unteroligocänen 
Charkower Stufe. : | 

Brandt! hat 1873 einen aus dem Diluvialsande bei Kanew stammenden isolierten einwurzligen Archae- 
ocetenzahn als Zeuglodon Paulsonii beschrieben und abgebildet. Stromer hat 1903? erklärt, daß dieser Zahn 
zu klein sei, um mit den Wirbeln zu einer Art vereinigt werden zu können. Er macht weiter darauf aufmerkam, 
daß seine Achse gerade ist, während die einwurzligen Zähne von Zeuglodon Osiris gebogen sind. 

Stromer erklärte ferner die von Brandt Zenglodon Panlsonii benannte Art als unbestimmbar 
und wendet sich scharf gegen das Mitschleppen solch »lästigen und unbrauchbaren Ballasts« in der Literatur. 

Durch die neuen, von A. Fedorowskij 1912 beschriebenen Funde im Unteroligocän Rußlands ist 
aber nunmehr mit voller Sicherheit festgestellt, daß es sich bei diesen Resten um Archaeocetenwirbel vom 
Typus der Zeuglodon-Wirbel handelt. Nun erscheint auch die Frage des isoliert gefundenen Zahnes in 
anderem Lichte. 

Von allen Archaeocetenzähnen, die bei einem Vergleiche in Betracht kommen, ähnelt dieser Zahn am 
meisten dem ersten Inzisiven von Patriocetus Ehrlichi, der gleichfalls eine gerade Achse besitzt und mit 
dem er nicht nur in seiner Gesamtform, sondern auch in der Streifung des Kronenschmelzes und in der 
Größe auffallend übereinstimmt. | 

Nun sind zwei Fälle möglich: entweder gehört dieser isolierte Zahn zu Zeuglodon rossicum oder 
er repräsentiert eine verschiedene Art. Darüber kann aber heute kein abschließendes Urteil gefällt werden, 
zumal der Zahn auf sekundärer Lagerstätte gefunden wurde und somit das geologische Alter desselben 
ganz unsicher ist. 

Ebenso ist es heute noch nicht möglich, ein sicheres Urteil über die systematische Stellung jenes 
Wales anzugeben, von welchem nur ein schlecht erhaltener Rückenwirbel aus einer Kluftausfüllung im 
Jurakalk von Pieklo bei Inowlodz in Russisch-Polen gefunden wurde? und den J. F. Brandt als ? Zeuglodon 
Puschii beschrieb.* Ich pflichte E. v. Stromer vollständig bei, der diesen Wirbel als nicht näher bestimmbar 
erklärte? und aus den vergleichenden Betrachtungen über die Archaeoceten ausschied. 


VI. Kaukasus (Oberoligoeän?). 


Im Kaukasus wurden in einem Ton vom Habitus des mitteleocänen London Clay mehrere 
Cetaceenreste in Gesellschaft von Fischresten entdeckt, welche R. Lydekker im Jahre 1892 beschrieb.! 
Unter den Cetaceenresten unterschied Lydekker drei Typen und beschrieb die erste als Zeuglodon 
cancasicus, die zweite als »Undetermined Cetacean (? Platanistidae)« und die dritte als Iniopsis caucasica. 

Tatsächlich liegen aber in diesen Resten Vertreter von mehr als drei Arten vor. Lydekker stellte 
einen großen Halswirbel (l. c., Pl. XXXVI, Fig. 1) und einen sehr kleinen Caudalwirbel (ibidem, Fig. 2) 
zu derselben Art wie ein Kieferfragment mit zahlreichen kleinen Alveolen (ibidem, Fig. 3). Keinesfalls 
gehört der Halswirbel zu derselben Art wie der Kieferrest und der Caudalwirbel erweist sich schon durch 
den bedeutenden Größenunterschied als der Überrest einer anderen Art als der durch den isolierten Hals- 
wirbel repräsentierten Form. 

Von diesen drei Resten, welche Lydekker als »a undetermined Cetacean« zusammenfaßte, ist nur 
der Kieferrest mit annähernder Sicherheit zu bestimmen. Er gehört einem langschnauzigen Zahnwale 


1J. F, Brandt. 1. c., 1873, p. 339, Taf. XXXIV, Fig. 6. 

2E. v. Stromer, ]. c., 1903, ,p. 86. 

3 Pusch: Polens Paläontologie. Stuttgart, 1837, p. 167, Taf. XV, Fig. 4a, b. 

!J. F. Brandt: Untersuchungen über die fossilen und subfossilen Cetaceen Europas. — L. c., p. 340. 


> E. v, Stromer: Zeuglodon-Reste aus dem oberen Mitteleocän des Fajüum. — L. c., 1903, p. 86. 


Ber 


Die Vorfahren der Bartenwale. 207 


von dem im Miocän häufigen Typus der langschnauzigen Acrodelphiden an und kann vielleicht noch am 
ehesten mit Cyrtodelphis und verwandten Gattungen verglichen werden. 

Der zweite Typus, den Lydekker Iniopsis cancasica nannte, ist durch einen Schädelrest vertreten, 
der einen größeren Teil der Supraorbitalplatten, der Nasalregion und Frontalregion nebst den proximalen 
Partien des Rostrums umfaßt. Eine genauere Bestimmung des Restes ist schwer durchführbar; indessen 
darf man die Zuweisung dieser Type zu den Acrodelphiden als berechtigt ansehen. Der Schädelrest zeigt 
manche übereinstimmende Charaktere mit Cyrtodelphis und gehört vielleicht in dieselbe Gruppe der 
Zahnwale wie der Kieferrest (l. c., Pl. XXXVII, Fig. 35). 


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Microzeuglodon caucasicum 1,yd. Oberoligocän (?) des Kaukasus. 
Fragment des hinteren Abschnittes des Unterkiefers. In natürl. Größe. 


Kopie nach der Abbildung von R. Lydekker (Proc. Zool.-Soc. London, 1892, Pl. XXXVI, Fig. 1). 


Mit diesen Resten fanden sich nun ein Schwanzwirbel, ein Humerus und ein Unterkieferfragment, 
welche unverkennbare Archaeocetenmerkmale besitzen und daher von Lydekker zu der Gattung 
Zeuglodon gestellt wurden. 

E. v. Stromer! hat für diese Form aus dem Tertiär des Kaukasus die neue Gattung Microzeuglodon 
errichtet. In der Tat besteht zwischen den echten Zeuglodontiden und der kleinen Form aus dem Tertiär 
des Kaukasus ein tiefgreifender Unterschied, von dem schon früher mehrfach die Rede war: während zum 
Beispiel bei Zeuglodon die Zähne auf dem aufsteigenden Teile des Unterkieferastes dicht gedrängt stehen, 
sind bei Microzeuglodon caucasicum die letzten vier Backenzähne durch weite Zwischenräume getrennt. 
Dieses Merkmal unterscheidet Microzeuglodon fundamental von den Zeuglodontiden. 

Andrerseits bestehen gewisse Ähnlichkeiten mit der von G. Dal Piaz? als Neosgualodon Assenzae 
aus dem Miocän Siziliens beschriebenen Squalodontidenart sowie mit ? Microsqualodon Gastaldiüi Brandt.” 
Leider liegen von Microzeuglodon nur sehr wenige Reste vor, so daß wir nur im allgemeinen die tiefe 


1 E. v. Stromer: Zeuglodon-Reste aus dem oberen Mitteleocän des Fajüm. — L. es p- 89. 
2 G. Dal Piaz: Neosqualodon, Nuovo genere della Famiglia Squalodontidi. — Mem. Soc. Paleont. Suisse, XXXI, 1904, p. 1, 


3 0. Abel: Les Odontocetes du Bolderien (Miocene superieur) d’Anvers, — L, c., 1905, p. 36, 


208 0. Aber, 


Spezialisationsstufe dieses Wals, seine Archaeocetennatur und seine Ähnlichkeiten mit primitiven 
Squalodontiden feststellen können, während wir einstweilen darauf verzichten müssen, die phylogenetischen 
Beziehungen dieses Wals zu Neosqualodon eingehender zu untersuchen. 

Aus dem Charakter der Cetaceenreste aus dem Tertiär des Kaukasus läßt sich ihr geologisches Alter 
nicht mit Bestimmtheit feststellen. Ich möchte jedoch die Meinung aussprechen, daß es sich kaum um 
eocäne, auch nicht um unteroligocäne, sondern jedenfalls um jüngere Bildungen handelt. Für ein miozänes 
Alter würden die Reste von cyrtodelphisartigen Zahnwalen sprechen; andrerseits ist Microzenuglodon ein so 
primitiv organisierter Archaeocete, daß die Vermutung gerechtfertigt ist, daß die Ablagerungen älter sind 
als Miocän. Es erscheint daher einstweilen geboten, das Alter der Bildungen, in denen sich die Reste von 
Microzeuglodon gefunden haben, als Oberoligocän (?) anzunehmen. 


VII Österreich (Oberoligoeän). 


Die in den weißen Quarzsanden von Linz in Oberösterreich gefundenen Archaeocetenreste verteilen 
sich auf zwei Gattungen und drei Arten: 

Patriocetus Ehrlichi van Ben. 

Patriocetus Denggi Abel. 

Agriocetus austriacus Abel. 


VII. Frankreich (Miocän). 


In den miocänen Faluns von Saint-Medard-en-Jalle im Becken von Bordeaux wurde ein einzelner 
Backenzahn eines Archaeoceten aufgefunden, den Delfortrie im Jahre 1873 als Zeuglodon Vasconum 
beschrieb.! 


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Phococetus Vasconum Delfortrie. — Backenzahn von der Seite, in natürl. Größe. — Kopie der Abbildung aus Gervais’ Osteographie, 


p- 453. — Fundort des Zahns: Miocän von Saint-Medard-en-Jalle, Becken von Bordeaux. 


Im Jahre 1876 errichtete P. Gervais für diesen Rest die Gattung Phococetus,” während er noch in 
der »Osteographie des Cetaces vivants et fossiles« diesen Zahn als Phocodon beschrieben und abge- 
bildet hatte. 


1 Delfortrie: Un Zeuglodon dans les faluns du Sud-Ouest de la France. — Actes Soc. Linn., Bordeaux, IX (XXIX), 1873, 
p. 115. — Textfig. 

2 P. Gervais: Journal de Zoologie, T. V, 1876, p. 70. 

P. Gervais: Osteograpbie des Cetaces vivants et fossiles, Paris, 1880, p. 519: 

»Quant A la dent du Zeuglodon Vasconum de M. Delfortrie, que m’a communiquee ce savant naturaliste, je continue a penser 
qu’elle n’est pas d’un veritable Zeuglodon et qu’il ne faut pas davantage l’attribuer a un Squalodon; c’est, je crois, ce qui ressortira de 
la comparaison de la figure que j’en donne avec celles des differents Squalodons representes dans cet ouvrage (Pl. XXVII). Il m’a 
paru convenable d’y voir, provisoirement du moins, l’indice d’un genre particulier et j’ai ‚donne ä ce genre le nom de Phococetus.« 

3 P. Gervais: Osteographie, l. c., p. 452 bis 453, Textfig., p. 453. 


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Die Vorfahren der Bartenwale. 209 


Die systematische Stellung von Phococelus ist verschieden beurteilt worden. Einige wollten diesen 
Zahn als Rest eines Squalodontiden ansehen, während andere Forscher an der Bestimmung als Archae- 
ocetenrest festhielten. Stromer! hat 1903 mit Recht darauf hingewiesen, daß die verschmolzenen 
Wurzeln in Verbindung mit der starken Zackung der Kronenränder eine große Ähnlichkeit mit Kekenodon 
 onomata aufweisen. Ich pflichte diesen Vergleichen durchaus bei, möchte aber bezweifeln, daß Phococetus 
Vasconum in einem näherem Verwandtschaftsverhältnisse zu Zeuglodon Harwoodi Sanger aus Neuseeland 
steht, wie Stromer”? 1908 vermutungsweise ausgesprochen hat. Im allgemeinen Habitus, der Größe, der 
Kronenform, der Form und Zahl der Zacken sowie in der Erscheinung der Wurzelverschmelzung kann 
Phococetus nur mit Kekenodon verglichen werden und nur die Dürftigkeit der Reste verhindert eine 
Identifizierung beider Gattungen, welche gleiches geologisches Alter besitzen. Jedenfalls repräsentiert 


Phococetus einen Ausläufer des Zeuglodontidenstammes. 


IX. Südamerika (Miocän). 


Im Patagonien vom Rio Chubut in Patagonien sind verschiedene Überreste eines Wales entdeckt 
worden, den R. Lydekker im Jahre 1894 als Prosgualodon australis beschrieb. Später sind in der Bajo 
de San Julian weitere Reste in gleichaltrigen Ablagerungen gefunden worden, die F. W. True im 
Jahre 1909 beschrieb und abbildete. 


Neuere Untersuchungen über diesen Wal haben ergeben, daß Prosqualodon australe in seiner 
Gesamtorganisation ein primitives Verhalten zeigt und nur in seiner Bezahnung und der Kürze des 
Rostrums höher spezialisiert ist als Squalodon. (O. Abel, Cetaceenstudien, III, 1912, 1. c.). 

Ich habe diesen Wal den Archaeoceten eingereiht und darauf hingewiesen, daß nur die Gattung 
Agorophius mit ihm in näheren Vergleich gezogen werden kann. Agorophius zeigt in der Zusammensetzung 
der Supraorbitalplatten die den Odontoceten eigentümliche Überschiebung der Frontalia durch die 
Supramaxillaria, ein Merkmal, das allen übrigen Archaeocetengruppen fehlt. 

Prosqualodon nimmt im Baue der Schädelkapsel und der Form der Supraorbitalplatten eine 
Mittelstellung zwischen Agorophius und Squalodon ein. Prosgualodon kann jedoch aus dem Grunde nicht 
als eine Ahnenform von Squalodon angesehen werden,” weil das Gebiß hochgradige Reduktions- 
erscheinungen aufweist und daher nicht als der Ausgangspunkt für das reichbezahnte Squalodon-Gebiß 
betrachtet werden darf. Der Bau des Schädeldaches, auf welchem die Parietalia noch ein breites Querband 
bilden, sowie die kleinen Supraorbitalplatten rechtfertigen die Einreihung von Prosgnualodon in die 
Archaeocetenfamilie der Agorophiiden, welche die Brücke zu den Squalodontiden darstellen. 


X. Neuseeland (Miocän). 


Hector? hat 1881 mehrere Reste des Schädels eines Zeuglodontiden aus dem Miocän* des Waitaki- 
tales in Otago unter dem Namen Kekenodon onomata beschrieben. Die Knochenfragmente gehören teils 
dem Unterkiefer, teils dem Schädel an; Hector bildete jedoch nur sieben Zähne, ein Tympanicum und ein 
Perioticum ab. Aus den Beschreibungen und Abbildungen geht hervor, daß es sich um einen Zeuglodon- 
tiden handelt, der sich mit keiner anderen bisher beschriebenen Form identifizieren läßt. Mit Ausnahme 
eines einzigen Backenzahns mit schwach divergierenden Wurzeln legen sich die Wurzeln der übrigen 
Backenzähne so dicht aneinander, daß die Alveolen jedenfalls einfach gewesen sind. Ein Zahn, der als 


1 E. v. Stromer: Zeuglodon-Reste aus dem oberen Mitteleocän des Fajüm. — L. c., p. 87. 
2E. v. Stromer: Die Archaeoceti des ägyptischen Eozäns. — L. c., p. 147. 
3J. Hector: Notes on New Zealand Ceiacea. — Transactions and Proceedings of the New Zealand Institute, 1880, Ann. 


Meeting 12th Febr. 1881, XIII. Bd., p. 434, Pl. XVII. 
4J. Park: On the Marine Tertiaries of Otago and Canterbury, with Special Reference to the Relations existing between the 
Pareora and Oamaru-Series. — Ibidem, XXXVII, Wellington, 1905, p. 489. 


210 O. Abel, 


Molar zu betrachten ist, besitzt drei Wurzeln, die übrigen Backenzähne zwei. Die Backenzähne sind am 
Vorder- und Hinterrande tief gezackt, und zwar schwankt die Zackenzahl von zwei bis vier am Vorderrande 
und vier bis fünf am Hinterrande der Krone. 

Einige Backenzähne, die sämtlich stark lateral komprimiert sind, zeigen in der Vorder- oder Hinter- 
ansicht eine geradlinig verlaufende Zahnachse, während einer (l. c., Fig. 7) ziemlich stark gekrümmt ist. 

Die einwurzligen und einspitzigen großen Zähne gehören jedenfalls der vorderen Kieferpartie an, 
doch kann man im Zweifel darüber sein, ob es Schneidezähne, Eckzähne oder die ersten Prämolaren sind. 


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Backenzähne von Kekenodon onomata Hector aus dem Miocän des Waitakitales in Otago (Neuseeland.) — Fig. 19 ein Backenzahn 
in zwei Ansichten, um einerseits die Verwachsung der Wurzeln, andrerseits die Ausbildung einer scharfen Kante am Hinterrande 
der Krone und Wurzel zu zeigen; Fig. 20 die Krone eines zweiten Backenzahnes. — Beide Fig. in natürl. Größe. — Kopien nach 


J. Hector, 1. c., 1881, Pl. XVII, Fig. 4 und 6. 


Kekenodon onomata unterscheidet sich durch die angeführten Merkmale so bestimmt von den 
übrigen Zeuglodontiden, daß die Aufstellung einer eigenen Art und Gattung für diese Reste vollständig 
gerechtfertigt war. Kekenodon ist hochspezialisiert in der vorgerückten Wurzelverschmelzung, aber primitiv 
im Vorhandensein einer dritten Wurzel bei einem Molaren. 
Kekenodon ist offenbar der letzte Ausläufer des Zeuglodon-Stammes, der sich aber nicht von den 
jüngeren Zeuglodon-Arten ableiten läßt, weil diese ausnahmslos zweiwurzlige Molaren haben, während ein 
Molar von Kekenodon eine deutliche Dreiteilung der Wurzel aufweist. Schon E. v. Stromer hat diese 


Meinung von der phylogenetischen Stellung des Kekenodon onomata vertreten.! Die Wurzelverschmelzung 


1 E. v. Stromer, |. c., 1908, p. 147 und 152. 


PER 


Die Vorfahren der Bartenwale. 211 


bei Kekenodon omomata bildet unter den Zeuglodontiden das Gegenstück zu Scaldicelus unter den 
Physeteriden.! 


XI. Seymourinsel (Miocän). 


Am 830. Oktober 1903 entdeckten ©. Nordenskjöld und Joh. Gunnar Anderson am Nordostufer 
der Seymourinsel unter verwitterten Sandsteinbrocken und Geröllen eine große Zahl fossiler Pinguinreste 
und zwei große Wirbel, welche Carl Wiman? in dem Berichte über die schwedische Südpolarexpedition 
1901 bis 1903 als Wirbel eines Zeuglodon spec. beschrieb.? 

Die Untersuchung der Evertebratenfauna, welche in der knochenführenden Schichte aufgesammelt 
und von OÖ. Wilckens bestimmt wurde, ergab, daß die Sandsteine mit Einschaltungen von Konglomeraten 
dieselbe Fauna wie die patagonische Meeresmolasse enthalten und sonach entweder dem Oberoligocän oder 
Untermiocän angehören.* 

Der erste der beiden Wirbel, der aus einer großen Zahl sorgfältig gesammelter und mühsam 
zusammengesetzter Fragmente bestand und stark verwittert war, ist wichtiger als der zweite, besser 
erhaltene Wirbel, da der zweite aus der hinteren Schwanzregion stammt und daher nicht so charakteristisch 
wie der erste gebaut ist. Zweifellos ist der erste Wirbel ein vorderer Schwanzwirbel und trägt in der starken 
Entwicklung der Processus obligquomammillares sowiein der Kleinheit des Dornfortsatzes so unverkennbare 
Zeuglodontidencharaktere, dad Wiman völlig berechtigt war, ihn der Gattung Zeuglodon anzuschließen. 
Auffallend ist die Kleinheit beider Wirbel; der Körper des ersten ist 145 cm, der des zweiten nur 
10 cm lang. 

Zeuglodon ist aber eine Gattung, welche nur aus dem Mitteleocän, Obereocän und vielleicht aus dem 
Unteroligocän®? nachgewiesen ist. Aus dem Oberoligocän und Untermiocän ist keine typische Zeuglodon- 
Art bekannt. Ich halte es darum für gewagt, die Wirbel von der Seymourinsel der Gattung Zeuglodon 
einzureihen; wir kennen jedoch aus dem Miocän Neuseelands den jüngsten Zeuglodontiden, Kekenodon 
onomata Hector und da es sich auch bei den Resten der Seymourinsel um eine antarktische Form 
handelt, so erscheint es mir richtiger, die beiden Wirbel mit der Gattung Kekenodon zu vereinigen. Eine 
selbständige Art kann bei der Dürftigkeit der Reste nicht aufgestellt werden. Jedenfalls ist der Nachweis 
von dem Auftreten eines Archaeoceten im Miocän der Antarktischen Region von großer Wichtigkeit, weil 
er die Hoffnung erweckt, in diesen Gebieten bei ihrer weiteren Durchforschung einen genaueren 
Aufschluß über die jüngere Geschichte der Archaeoceten auf der südlichen Halbkugel zu erhalten. 


VIII. Die Herkunft der Bartenwale von den Archaeoceten. 


Bis heute hat die Frage nach der Herkunft der Bartenwale und ihren verwandtschaftlichen Bezie- 
hungen zu den Archaeoceten und Odontoceten zu den strittigsten der Phylogenie der Säugetiere gehört. 
Während einige Forscher den Standpunkt vertraten, daß die Bartenwale dem alten, ursprünglichen Säuge- 
tiertypus näher stehen als die Zahnwale, haben andere die Ansicht verteidigt, daß die Physeteriden und 
Bartenwale sich am weitesten vom Typus der Archaeoceten entfernt haben; während manche erklärten, 
daß die Divergenzen zwischen Bartenwalen und Zahnwalen beweisen, daß beide Stämme von verschiedenen 


10. Abel: Les Odontocetes du Bolderien (Miocene superieur) d’Anvers. — Mem. Mus. R. Hist. Nat. Belg., III, Bruxelles, 1905. 

2C. Wiman, Über die alttertiären Vertebraten der Seymourinsel. — Wissenschaftliche Ergebnisse der Schwedischen Süd- 
polarexpedition unter Leitung von Dr. Otto Nordenskjöld, Bd. II, 1. Lief., Stockholm, 1905, p. 1 bis 6, Taf. 1. 

3 Auf der geologischen Karte der Admiralitätsstraße trägt der Fundpunkt der Zeuglodon-Wirbel die Nummer 11. 

4C. Wiman: ibidem, Nachtrag, p. 37. 

5 Für den Fall, daß die in der unteroligocänen Charkower Stufe Rußlands gefundenen Archaeocetenreste der Gattung Zeuglodon 
angehören. 

Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC. Bd. 30 


212 O. Abel, 


Ahnengruppen entsprossen und nur durch Konvergenzerscheinungen verbunden sind, sind wieder andere 
zu dem Schlusse gelangt, daß zwar beide Stämme auf eine gemeinsame Wurzel zurückgehen, ihre Trennung 
aber schon so weit zurückliegt, daß wir in die Vorgeschichte der Bartenwale keinen Einblick gewinnen 
können. Die Spekulationen über die triphyletische Herkunft der Wale aus Ichthyosauriern, Plesiosauriern 
und Pythonomorphen, die vor einigen Jahren veröffentlicht wurden, bedürfen keiner ernsthaften wissen- 
schaftlichen Widerlegung und kommen bei einer kritischen Besprechung der bisherigen Hypothesen über 
Herkunft und Verwandtschaften der Bartenwale nicht in Betracht. 

Hypothesen über die Herkunft der Bartenwale konnten überhaupt erst in dem Zeitpunkte Anspruch 
auf eingehendere Beachtung erheben, als eine genügend breite morphologische Basis zu Vergleichen 
geschaffen war. Diese Grundlage wurde durch die eingehenden Studien von Eschricht und Reinhardt 
geschaffen, denen wir die ersten genaueren Darlegungen über die Organisation der Bartenwale verdanken. 
Beide Forscher gelangten zu dem Ergebnisse, daß die Bartenwale im allgemeinen viel primitiver sind als 
die Zahnwale, und somit dem ursprünglichen Säugetiertypus näher stehen als die letzteren. 

Die Entdeckung der alttertiären Zeuglodonten mußte schon frühzeitig die Frage nahelegen, ob nicht 
diese eigentümliche Gruppe in einem engeren verwandtschaftlichen Verhältnisse zu den Walen stehe. Am 
schärfsten hat diese Frage Th. Gill bejaht, welcher 1871 und 1873 die Meinung vertrat, daß die Zeuglo- 
donten den Ausgangspunkt der Zahnwale einerseits und der Bartenwale andererseits darstellen; J. F. Brandt 
meinte in seinen 1868 veröffentlichten »Symbolae sirenologicae«, daß 1. Bartenwale und Zahnwale, 
2. Sirenen und 3. Zeuglodonten drei gleichwertige Stämme darstellen, von denen sich. die Zeuglodonten 
den Robben enge anschließen und daß weder die Bartenwale noch die Zahnwale von den Zeuglodonten 
abstammen. 

Diese Auffassung modifizierte Brandt im Jahre 1373 dahin, daß er die Zeuglodonten mit den Zahn- 
walen, und zwar speziell mit den »Delphininen« in engere Beziehungen zu bringen suchte und sie nunmehr ‘ 
als eine »Unterabteilung« (Diaphorodontina seu Heterodontina) der » Unterordnung« der Zahnwale (Odonto- 
ceti seu Odontocetoidea) einreihte, der sich als zweite Unterordnung der Cetaceen die Bartenwale (Balae- 
noidea) anschließen. An derselben Stelle betonte jedoch Brandt, daß die Zeuglodonten eine »beachtens- 
werte Annäherung an die Balaenopteriden, namentlich an die ihnen coätanen Cetotherinen« zeigen. Besonders 
hob Brandt die Ähnlichkeiten zwischen Zeuglodon und den »Cetotherinen« in der Gestalt der Hirnkapsel und 
des Nasenbaues hervor; die Ähnlichkeiten mit den Robben sind nach Brandt sowohl bei den Zeuglodonten, 
als bei den Balaenopteriden vorhanden. Die größte Ähnlichkeit unter allen Zahnwalen sollen nach Brandt 
zwischen Champsodelphis und Platanista einerseits und den Zeuglodontinen andrerseits bestehen. Das 
Ergebnis der Vergleiche Brandts im Jahre 1873 war die Aufstellung der »Zeuglodontina seu Diaphoro- 
dontina« als eine Unterordnung der Zahnwale, die mit den Bartenwalen in keiner direkten genetischen 
Verbindung stehen. 

Die Untersuchungen P. J. van Beneden’s brachten kein Licht in das Dunkel der Herkunft der Barten- 
wale. Nach ihm erscheinen die Mystacoceten gleichzeitig mit den anderen Cetaceen — die Zeuglodonten 
schließt er von den Cetaceen aus — und zwar sind nach van Beneden die Balaenopteriden geologisch 
älter als die Balaeniden. 

Max Weber vertrat gleichfalls die Meinung, daß Balaena jünger sei als Balaenoptera und daß 
Erpetocetus scaldisensis van Ben. aus dem Pliocän von Antwerpen eine sehr primitive Bartenwaltype 
darstelle, welche jedenfalls noch sehr kleine, kurze Barten besaß, da die Unterkiefer vom Processus coro- 
noideus bis zum Vorderende gerade gestreckt und nicht wie bei den jüngeren Bartenwalen nach außen 
gebogen sind. Rhachianectes glaucus Cope repräsentiert nach Weber eine Type, die zwischen Balaena 
und Dalaenoptera die Mitte hält. Die Bartenwale stammen nach M. Weber (1836) von heterodonten, 
normal bezahnten Protocetaceen ab; Zeuglodon repräsentiert einen aberranten Seitenzweig; die Odontoceti 
(mit den Squalodontiden) bilden den einen, die Bartenwale den zweiten Cetaceenstamm, die sich sehr früh- 
zeitig getrennt haben. Diese Spaltung soll nach M. Weber in das Mesozoicum fallen; noch in dieser 
Epoche erhielten die Bartenwale ein vielzahniges, aber noch immer heterodontes Gebiß; die Zähne wurden 


Die Vorfahren der Bartenwale. 213 


kleiner und im Eocän rudimentär, während sich gleichzeitig Barten ausbildeten, so daß also die Ent- 
stehung der Bartenwale mit allen dieser Gruppe noch heute eigentümlichen Merkmalen schon in den 
Beginn der Tertiärzeit fallen würde. » Zeuglodon war ein verunglückter Versuch, Cetaceen herauszubilden« 
(M. Weber, Studien über Säugetiere. Ein Beitrag zur Frage nach dem Ursprung der Cetaceen. — 1896, p. 243). 

Im vierten Bande seines Handbuches der Paläozoologie hob Zittel hervor, daß die Bartenwale im 
Baue des Schädels, in dessen Symmetrie und im Baue der Nasalia nähere Beziehungen zu Zeuglodon 
aufweisen, als die Physeteriden unter den Zahnwalen, betonte aber, daß sich sowohl die Physeteriden als 
auch die Bartenwale am weitesten von den Archaeoceten entfernt hätten. 

V. Paquier schloß sich 1895 der zuerst von Hunter, dann von Flower und anderen vertretenen 
Ansicht an, daß die Bartenwale von Ungulaten abstammen, und daß sie zu jener Zeit, in welcher der 
Zahnwaltypus entstand, bereits alle ihnen eigentümlichen Merkmale besessen haben. Nach Paquier’s 
Auffassung sind somit die Cetaceen diphyletisch, eine Theorie, welche zuerst W. Kükenthal mit allem 
Nachdrucke verteidigte. Die Ähnlichkeiten zwischen Bartenwalen und Zahnwalen sind nach W. Küken- 
thal nur als Konvergenzerscheinungen anzusehen. Max Weber machte gegen diese Auffassung 1904 
ernste Bedenken geltend; er betonte, daß nur auf der Basis der Blutsverwandtschaft eine Übereinstimmung 
im Baue folgender Organe entstehen konnte: 1. die Dreiteilung des Magens; 2. die Lage der Testikeln 
infolge rückgängigen Descensus; 3. der Bau des Gehirns; 4. der Bau des Milchdrüsenapparates; 5. die 
Änderung der vorderen Extremitäten; 6. das Vorkommen von Konjunktivaldrüsen; 7. das Verhalten der 
mittleren Ohrsphäre. »Es will mir nicht annehmlich erscheinen«, sagt M. Weber, »daß diese Spezialisie- 
rungen zweimal in gleicher Weise eingetreten sein sollen, auf nicht blutsverwandter Basis. Wohl aber bin 
ich mit KükenthalderMeinung,daß die Trennung der Odontoceti und Mystacoceti eine tiefe ist und von langer 
Dauer. Leider wirft bisher die Paläontologie kein Licht auf diese Frage.« (Die Säugetiere. Jena, 1904, p. 584). 

Nach der Meinung E. v. Stromer's kann von einer engeren verwandtschaftlichen Beziehung 
zwischen Mystacoceten und Archaeoceten keine Rede sein. Dieselbe Ansicht hatten schon früher M. Weber 
und W. Kükenthal vertreten und die Äußerung Stromer’s fiel um so schwerer ins Gewicht, als er die 
Archaeoceten sehr gründlich untersucht hatte. Nach den letzten Studien Stromer’'s vom Jahre 1908 zeigen 
die Archaeoceten viel mehr Beziehungen zu den Zahnwalen als zu Bartenwalen, und zwar lassen sich die 
meisten Berührungspunkte mit den Archaeoceten bei den Platanistiden (nach alter Fassung), Squalodon- 
tiden und Physeteriden feststellen. 

Abweichende Ansichten waren in früherer Zeit von einigen Forschern geäußert worden, die sich mit 
Agorophius pygmaeus Müller aus dem Alttertiär von Südcarolina beschäftigt hatten. Schon P. Gervais 
hatte diesen merkwürdigen Wal, der den Archaeoceten angereiht werden muß, als »a la suite des Rorquals« 
bezeichnet und hervorgehoben, daß er sich wesentlich von Squalodon unterscheide. Dieselbe Meinung hatte 
E. D. Cope vertreten, der auf die Ähnlichkeit der Schädel von Agorophius und Cetotherium hinwies,. 

In der letzten Mitteilung über diesen Wal, die F. W. True 1907 veröffentlichte, nimmt derselbe ent- 
schieden gegen die Auffassung von Gervais und Cope Stellung und sagt darüber: 

»The ancestor ofthe rorquals and other whalebone whales was, in my opinion, a very different form 
from Agorophius, and is quite unknown.« 

True hebt zwar hervor, daß die Furchenwale (Rorquals=Balaenopteridae) und Agorophius den Besitz 
von großen Temporalgruben und den komprimierten Vertex gemeinsam haben, spricht aber die Meinung 
aus, daß diese Ähnlichkeiten nur oberflächlicher Natur seien. Mit vollem Rechte betont F. W. True die 
fundamentale Verschiedenheit in dem Verhältnisse der Frontalia zu den Supramaxillaria bei Agorophius 
einerseits und den Furchenwalen andererseits. Die Frontalia sind bei Agorophius durch überschobene Flügel 
der Supramaxillaria in ihrem vorderen Abschnitte verdeckt während bei den Furchenwalen und bei 
Rhachianectes diese Deckplatten fehlen, weil die Oberkiefer die Supraorbitalflügel der Stirnbeine nicht 
überdecken. 

Dieser Unterschied ist in der Tat so wichtig, daß von einer engeren Verwandtschaft zwischen 
Agorophius und den Furchenwalen keine Rede sein kann. Die Bedeckung der Supraorbitalflügel durch die 


214 O. Abel, 


Öberkieferknochen ist eines der charakteristischen Merkmale der Zahnwale, während bei allen Barten- 
walen die Oberkieferknochen sich unter die Supraorbitalflügel der Stirnbeine schieben. 

Daher kann es sich in Agorophius unter keinen Umständen um einen Vorfahren des Bartenwal- 
stammes handeln, sondern nur um einen primitiven Odontoceten, wie dies auch zuletzt von E. v. Stromer 
1908 mit aller Schärfe hervorgehoben wurde. Wie ich früher gezeigt habe, kann Agorophius mit Patriocetüs 
Ehrlichi nicht in nähere Beziehung gebracht werden, obwohl F. W. True 1907 erklärte, daß »the large 
extension of the parietals on the superior surface of the skull in Agorophius indicates that it is a primitive 
form and it is not unlikely that some such form was the ancestor ofboth Squalodon Ehrlichii and typical 
Squalodon. That Agorophius itself is in the direct line is improbable on account of the form of the teeth.« 

Fassen wir die bisherigen Ergebnisse der Versuche zusammen, welche in die Vorfahrenfrage der 
Bartenwale Licht bringen wollten, so muß man sagen, daß sie bis jetzt als gescheitert zu betrachten waren. 
Der Grund lag darin, daß man die unverkennbaren Ähnlichkeiten zwischen Urwalen und Bartenwalen teils 
übersah, teils unterschätzte, und daß die Mittelform noch nicht genauer bekannt war, welche die Barten- 
wale mit den Urwalen verbindet. 


Durch den neuen Fund eines Walschädels im Tertiär von Oberösterreich, der zunächst von A. König 
als Squalodon Ehrlichi beschrieben, aber in seiner großen phylogenetischen Bedeutüng nicht erkannt 
wurde, ist nicht nur die Frage der Herkunft der Bartenwale in ein helles Licht gerückt worden, sondern 
darf nach eingehender Prüfung der entscheidenden morphologischen Merkmale nunmehr auch als gelöst 
betrachtet werden. Mit einem Schlage erhalten nun auch andere, schon seit langer Zeit bekannte, aber 
unrichtig gedeutete Reste eine phylogenetische Bedeutung, vor allem der Schädel, den ich Agriocetus 
austriacus genannt habe. Auch die primitiveren Bartenwale der europäischen Tertiärablagerungen, welche 
meist in der Gattung Ceiotherium vereinigt worden sind, erscheinen jetzt in ganz anderem Lichte als 
früher; insbesondere ist unter diesen Formen das von J. F. Brandt 1873 beschriebene Cetotherium 
Rathkei (Taf. VIII) zu nennen. Jetzt, wo die klaffende Lücke zwischen den Archaeoceten und Mystacoceten 
geschlossen ist, erscheint es fast unbegreiflich, wie so lange Zeit die engen verwandtschaftlichen Be- 
ziehungen zwischen Urwalen und Bartenwalen verschleiert bleiben konnten. 

Der Entwicklungsgang der Urwale zu den Bartenwalen läßt sich folgendermaßen Be. 

Die primitivste Form unter den Urwalen, die bis heute bekannt ist, Protocetus atavus E. Fraas aus 
der mitteleocänen, unteren Mokattamstufe von Kairo, steht in der Entwicklungsreihe der Wale auf sehr 
tiefer Stufe. Der allgemeine Charakter des Schädels dieser Type ist noch durchaus raubtierartig. Die lang- 
gestreckte, mit hoher Sagittalcrista in der Mittellinie abschließende Schädelkapsel, das steilgestellte und tief 
ausgehöhlte Supraoccipitale, die nur von den Stirnbeinen gebildeten Supraorbitalplatten, die langgestreckten 
Nasenbeine und die weit vorn liegende Nasenöffnung, die primitiven Verhältnisse der Gaumenregion, die 
Zahl und Form der Zähne sowie die Zahl der Backenzahnwurzeln weisen Protocetus den tiefsten Platz im 
Stamme der Archaeoceten an. 

Gleichwohl liegt ein Merkmal vor, das die unmittelbare Ableitung des Patriocetus von Protocetus 
verhindert. Bei Protocetus stehen, wie ich schon früher eingehend erörtert habe, die hinteren Backenzähne 
nicht nur dicht gedrängt in den Kiefern, sondern sind unverkennbar in Reduktion begriffen, ein Prozeß, 
der sich über Eocetus und Prozeuglodon zu Zeuglodon fortsetzt und bei dieser Gattung sogar zum völligen 
Schwunde des letzten oberen Molaren führt. Patriocetus zeigt in den Abständen der hinteren Backenzähne 
und in den relativen Größenverhältnissen derselben im Vergleiche mit Zeuglodon und bis hinunter zu 
Protocetus ein viel primitiveres Verhalten. Kann also auch nach dem Dollo’schen Gesetze und dem Gesetze 
der Spezialisationskreuzungen an eine direkte Ableitung des Patriocetus von Protocetus nicht gedacht 
werden, so sind doch zweifellos alle diese Formen als aufeinanderfolgende Stufen einer Stufenreihe 
anzusehen. Jedenfalls kann die Ausgangsform für Patriocetus in den Hauptmerkmalen von Protocetus nicht 


Die Vorfahren der Bartenwale. 215 


weit verschieden gewesen sein; eine Protocetus ähnliche Type mit Gebißverhältnissen wie Microzeuglodon 
muß den Ausgangspunkt für den Stamm der Patriocetiden gebildet haben. 

Die Veränderungen, welche der Schädel im Laufe der Entwicklung des Patriocetidenstammes von der 

. Protocetus-Stufe bis zur Patriocetus-Stufe erlitten hat, sind der Hauptsache nach die Folgeerscheinungen 
einer fortschreitenden Anpassung an das Wasserleben und der Änderung der Gebißfunktionen. 

Die wesentlichsten Veränderungen im Baue der Schädelkapsel, die sich im Laufe der 
Entwicklung des Archaeocetenstammes verfolgen lassen, sind Konsequenzen der Ver- 
schiebung der Nasenlöcher nach hinten und der Verkümmerung der Temporalmuskeln. 

Die Verschiebung der Nasenöffnungen vom Vorderende der Schnauze gegen die Schädelkapsel ist 
schon bei Protocetus angebahnt. Sie ist bedingt durch die Anpassung an das Untertauchen im Wasser und 
ermöglicht ein rascheres und nachhaltigeres Einziehen der Luft beim Auftauchen. Infolge der Verschiebung 
der Nasenöffnungen nach hinten tritt eine Kompression der Schädelpartie zwischen der Nasenöffnung und 
dem Hinterhaupt ein. Zunächst werden nur die Nasenbeine von dieser Verschiebung ernstlich betroffen. 

Sie werden immer kürzer und kleiner und gegen das Oberende der Zwischen- und Oberkiefer zurück- 
gedrängt. Dieser Prozeß ist, wie die verschiedenen Typen der Archaeoceten zeigen, verhältnismäßig langsam 
vor sich gegangen. 

Die Schläfengrube der älteren Archaeoceten ist außerordentlich groß und weit. Wie die hohe Sagittal- 
crista der Parietalregion beweist, muß z. B. bei Zeuglodon der Musculus temporalis überaus kräftig 
gewesen sein. Ein so kräftiger Muskel steht mit der Gebißfunktion in engster Verbindung; bei den älteren 
Archaeoceten ist jedenfalls die Nahrung noch nicht, wie bei den modernen Zahnwalen, unzerkaut verschluckt, 
sondern jedenfalls noch zerbissen worden. 

Erstindem Momente, da das Kaugebiß zu einem Fanggebiß wird und unzweifelhafte 
Reduktionserscheinungen des Gebisses auftreten, wie wir dies bei Agorophius einerseits und 
Patriocetus andrerseits beobachten können, verliert der Temporalmuskel seine Bedeutung. 
Die Sagittalcrista verschwindet, da die schwächer gewordenen Temporalmuskeln nicht mehr bis zur Mitte 
des Schädeldaches hinaufreichen und zwischen sich ein immer breiter werdendes Feld freilassen. Auf diese 
Weise entsteht die auf den ersten Blick von den Zeuglodonten so grundverschiedene Form des Schädel- 
daches von Agorophius, Prosqualodon, Patriocetus und Agriocetus: der Hinterrand der Supraorbitalplatten 
der Frontalia setzt sich auf die Parietalia als obere Abschlußlinie der Temporalgrube fort und geht endlich 
in die Lateralkämme des Supraoccipitale über. 

Die fortschreitende Verschiebung der Nasenöffnung nach hinten hat zur Folge, daß der ursprünglich 
sehr lange Parietalabschnitt zwischen den Frontalia und dem Supraoceipitale in sagittaler Richtung kom- 
primiert wird und schließlich nur mehr ein schmales Band quer über dem Schädeldache bildet, wie dies bei 
Agriocetus der Fall ist. Diese Kompressionserscheinungen haben im Stamme der Odontoceten so weit 
geführt, daß bei den am höchsten spezialisierten Gruppen unter den lebenden Zahnwalen die Parietalia vom 
Schädeldache vollkommen ausgeschlossen und gegen die Schläfengruben abgedrängt worden sind. 

Bei den Zahnwalen sind der Prozeß der Verschiebung der Nasenöffnungen gegen die höchste Stelle 
des Schädels und die damit in kausalem Zusammenhange stehenden Veränderungen im Schädelbaue viel 
weiter vorgeschritten als bei den Bartenwalen. Bei den letzteren ist der Verschiebungsprozeß nicht viel 
weiter gegangen, als bei den jüngeren Archaeoceten, wie zum Beispiel bei Patriocetus, während bei den 
Ziphiiden unter den Odontoceten das Maximum der Verschiebung der Nasenöffnungen gegen das Hinter- 
haupt bereits erreicht ist. 

In engem Zusammenhange mit diesem Verschiebungsprozeß der Nasenregion steht die 
Veränderung der Knochengrenzen im Bereiche der Antorbitalregion. 

Bei Protocetus atavus stößt das Supramaxillare mit einer Nahtgrenze an das Frontale, welche von der 
Stelle aus, wo sich Oberkiefer und Zwischenkiefer trennen, in schiefer Richtung von innen vorn nach außen 
hinten gegen die Antorbitalecke verläuft. Bei Zeuglodon liegt die Trennungsstelle zwischen Oberkiefer und 
Zwischenkiefer entsprechend der Verschiebung der Nasenöffnung etwas weiter hinten als bei Protocetus, 


216 O. Abel, 


so daß die Richtung der Grenznaht zwischen Frontale und Oberkiefer in der Dorsalansicht mehr transversal 
verläuft. Es bestehen im Verlaufe dieser Naht einige Unterschiede bei den einzelnen Arten; stets schiebt sich 
aber der Oberkiefer unter das Frontale und der Vorderrand der Supraorbitalplatte liegt in einer vom Supra- 
maxillare gebildeten Rinne (Z. B. bei Zeuglodon Isis, Taf. IX‘). 

Diese Verhältnisse in der Fronto-Maxillargrenze sind als primitiv und als der Aus- 
gangspunkt jener Veränderungen anzusehen, welche einerseits zum Odontocetentypus, 
andrerseits zum Mystacocetentypus führen. 

Bei allen lebenden und fossilen Odontoceten, von den Squalodontiden angefangen bis 
zu den höchst spezialisierten Formen, werden die Supraorbitalplatten der Frontalia von 
dünnen Platten der Supramaxillaria überschoben. Über diese Platten legt sich beiderseits je eine 
schmale Leiste des Zwischenkiefers, so daß sowohl das Supramaxillare wie das Prämaxillare das Frontale 
im Bereiche der Supraorbitalplatte überdeckt. 

Wie diese Überschiebung zustande gekommen ist, zeigt die Gattung Agorophius aus dem Alttertiär 
Nordamerikas in klarer Weise (Taf. X). 

Das Frontale ist bei dieser Gattung, welche sich im Baue der Schädelkapsel noch auf das engste den 
älteren Archaeoceten anschließt, im Bereiche der Supraorbitalplatte von einer Platte des Supramaxillare zum 
großen Teile überdeckt, ohne daß jedoch die hinteren Ränder der Supramaxillarplatte mit den Grenzen der 
Supraorbitalplatte zusammenfallen. Diese Überschiebung ist dadurch entstanden, daß bei dem Verschiebungs- 
prozeß der Nasenregion nach hinten das Frontale aus der Grenzrinne gegen den Oberkiefer heraus und 
nach unten gedrängt wurde, so daß für das Wachstum des Supramaxillare nach hinten nur der Raum 
über der Supraorbitalplatte frei blieb. Die nächste Stufe des Überschiebungsprozesses ist durch Pro- 
qualodon australe repräsentiert, bei welchem die überschobene Oberkieferplatte denselben Umriß wie die 
unter ihr liegende Supraorbitalplatte besitzt (vergl. ©. Abel, Cetaceenstudien, II, 1. c., 1912, Taf. ]). 

Betrachten wir dagegen den Bau der Supraorbitalplatten der Bartenwale, so sehen 
wir, daß ohne Ausnahme die Supraorbitalplatten der Frontalia von den Supramaxillaria 
unterschoben werden. Auch in jenen Fällen, in denen angegeben wird, daß sich der Oberkiefer über 
das Frontale schiebt, wie dies F. W. True für Rhachianectes glancus anführt, kann von einer Über- 
schiebung wie bei den Zahnwalen keine Rede sein. Die photographische Abbildung des Exemplares von 
Monterey (Californien) im Nationalmuseum von Washington zeigt vollkommen deutlich, daß auch bei 
Rhachianectes die Supraorbitalplatten der Frontalia vom Oberkiefer unterschoben werden, während 
sich am Vorderrande der Frontalia nur ein ganz schmaler Lappen des Supramaxillare über das Frontale 
lest (Taf. XII, Fig. 3). Ähnliche Erscheinungen zeigen übrigens Balaenopteridenschädel nicht allzu selten. 

Jedenfalls bestehtin dem Verhalten der Supramaxillaria zu den Supraorbitalplatten 
der Frontalia ein fundamentaler Unterschied zwischen Zahnwalen und Bartenwalen. 

Keinesfalls kann der Bartenwaltypus vom Typus Agorophius abgeleitet werden; nur die Verhältnisse, 
wie wir sie bei den älteren Archaeoceten und bei Patriocetus antreffen, sind als die Vorstufen des Supra- 
orbitalplattentyps der Bartenwale anzusehen. 

Von Wichtigkeit ist ferner die Frage nach dem Verhalten des Supraoccipitale in den einzelnen Wal- 
gruppen. 

Bei den jüngeren, spezialisierten Odontoceten ist das Supraoceipitale der Hauptknochen der Schädel- 
kapsel, der mit starker Wölbung den hinteren Abschluß der Hirnhöhle bildet und vorn an die Frontalia, 
in der Mittellinie aber an das Interparietale stößt, während die Parietalia ganz gegen die Temporalgruben 
abgedrängt sind. Der obere Abschluß des Supraoccipitale verläuft bei den jüngeren Vertretern der einzelnen 
Stämme bogenförmig; nur bei der aberranten hochspezialisierten Type Platanista ist ebenso wie bei 
den Iniinen, Cyrtodelphis usw. das Oberende des Supraoccipitale rechteckig oder quadratisch umgrenzt. 

Bei den Bartenwalen ist das Supraoceipitale verschieden geformt‘ nie aber weist es die stark 
gewölbte, vorn bogig abgerundete Gestalt auf wie bei den Odontoceten. Es steht auch nicht steil zur 
Schädelbasis wie bei den meisten, namentlich bei den jüngeren Zahnwalen, sondern seine Ebene. bildet 


Die Vorfahren der Bartenwale. 217 


mit der durch die Schädelbasis gelegten Ebene einen fast verschwindend kleinen Winkel. In den meisten 
Fällen ist der Umriß des Supraoceipitale bei den Bartenwalen dreieckig. 


Bei den älteren Archaeoceten steht das tief ausgehöhlte, fast dütenförmig eingerollte Supraoceipitale 
sehr steil, fast senkrecht zur Schädelachse, und ist oben bogenförmig gegen die Parietalia abgeschlossen. 
Im Vergleiche mit den Bartenwalen liegt es weit hinten. Bei den rezenten Mystacoceten reicht die Vorder- 
spitze des Supraoccipitale bis zur Verbindungslinie beider Augen oder, wie bei dem Schädel einer Neo- 
balaena marginala, den Reischek in Neuseeland sammelte und der im Wiener Hofmuseum aufbewahrt 
wird, noch weit über die Antorbitallinie hinaus; das gleiche sehen wir bei Balaena mysticetus (Taf. XII, Fig. 4). 

Wir sehen also, daß die Spezialisationswege, die einerseits zur Bartenwaltype, andrerseits zur Zahn- 
waltype geführt haben, durchaus verschieden sind. Während bei den Zahnwalen die Schädelkapsel 
ursprünglich niedrig war und im Verlaufe der phylogenetischen Entwicklung immer höher 
wurde, ist bei den Bartenwalen der entgegengesetzte Weg, nämlich eine zunehmende 
Erniedrigung der Schädelkapsel, zu beobachten, wobeisich das Supraoccipitale als Deck- 
platte des Schädeldaches über dieParietalia außerordentlich weit nach vorn schob (Taf. XII). 


Bei den lebenden Bartenwalen stößt das Supraoccipitale vorn an die Frontalia; die Parietalia werden 
sanz vom Supraoccipitale verdeckt. Betrachten wir aber den Schädel eines etwa 2 m langen Fötus des 
Zwergwals (Balaenoptera rostrata), den D. F. Eschricht abgebildet hat, so sehen wir, daß zwischen den 
Frontalia und dem Supraoccipitale die Parietalia als breites Band auf dem Schädeldache sichtbar sind. 
Was mir aber von besonderer Bedeutung zu sein scheint, ist die deutliche Scheidung eines 
medianen Sockels der Parietalia von den steil gegen die Schläfengrube aovfallenden 
Partien. Der Mediansockel ist durch je einen seitlichen Kamm scharf gegen die Temporalgruben 
abgesetzt; ein von jedem Parietale nach vorn vorspringender, sehr spitz endender Knochenzacken legt 
sich an den Mediansockel der Frontalia. 


Auf diese Weise wird zwischen dem Supraoccipitale und der Nasenregion ein breiter Sockel in der 
Mitte des Schädeldaches gebildet, der sowohl von den Schläfengruben als auch von der tiefer liegenden 
Supraorbitalplatte deutlich und scharf abgesetzt ist. Diese Tatsache ist von großer phylogenetischer Wichtig- 
keit, weil wir bei diesem embryonalen Schädel dieselben Verhältnisse wie bei Patriocetus und Agriocetus 
wiederfinden, und zwar ist die Ähnlichkeit mit Agriocetus am größten. Es ist dies ein sehr wichtiger Beweis 
dafür, daß die Bartenwale, und zwar speziell die Furchenwale, dieselben Stadien, wie sie uns Agriocetus 
verkörpert, durchlaufen haben, bis beim weiteren Fortschreiten der Spezialisation das Supraoccipitale 
diesen medianen Sockel des Schädeldaches nach vorn überschob und auf diese Weise das Bild verän- 
derte, das die tertiären Bartenwalahnen darbieten. | 


Weitgehende Veränderungen hat die Schädelbasis im Verlaufe der stammesgeschichtlichen Ent- 
wicklung der Bartenwale erfahren. Das Petrosum, ursprünglich in geschlossener, knöcherner Grube liegend, 
wie dies noch bei Patriocelus und Agriocetus der Fall ist, liegt bei den Bartenwalen in einer weiten, 
offenen Grube. Die Orbitosphenoidea und Alisphenoidea sind rudimentär und zu kleinen, keilförmigen 
Knochen verändert. Eine genaue Darstellung dieser beiden Knochen des Bartenwalschädels ist niemals 
gegeben worden und es wird eine der nächsten Aufgaben sein, eine eingehende morphologische Unter- 
suchung der Schädelbasis der Mystacoceten in Angriff zu nehmen. 


Die Pterygoidea spielen bei der Zusammensetzung der Schädelbasis bei den Bartenwalen eine viel 
wichtigere Rolle als bei den Zahnwalen. Leider sind die genauen Grenzen gegen die benachbarten 
Knochen, also Alisphenoid, Orbitosphenoid, Basisphenoid, Praesphenoid, Palatinum, Squamosum u. s. f. 
bei Patriocetus und Agriocetus nicht feststellbar, da. die Nähte infolge des hohen Alters der Individuen 
verstrichen sind. Immerhin sieht man jedoch, daß bei den beiden Patriocetiden ähnliche Verhältnisse wie 
bei den ältereren Archaeoceten einerseits und den älteren Bartenwalen (zum Beispiel Cetotherium Rathkei) 
andrerseits vorliegen. Eines der wichtigsten Merkmale der Schädelbasis, das den Archaeoceten und den älteren 


 Bartenwalen gemeinsam ist, besteht in dem Vorhandensein eines scharfen Kammes, der die fast 


’ 


218 O. Abel, 


horizontalen Lateralflügel der Schädeibasis von der Schläfengrube abtrennt, und dem großen Anteile der 
Pterygoidea an der Zusammensetzung dieser Region. 

Bei Zeuglodon ist dieser Kamm, der die Lateralflügel der Schädelbasis von der Temporalgrube trennt, 
ebenso wie bei Patriocetus und Agriocetus vorhanden. Auch bei Zeuglodon spielen die Pterygoidea in der 
Zusammensetzung der dreieckig umgrenzten Lateralflügel zwischen der Mittellinie des Schädels und der 
Außenecke des Squamosums auf der Schädelbasis eine wichtige Rolle; die Alisphenoidea und Orbito- 
sphenoidea scheinen zum größten Teil von den Pterygoidea verdeckt gewesen zu sein, wenigstens sind 
ihre Grenzen nicht sicher nachzuweisen. 

Der Bau dieser Schädelregion ist also bei den Bartenwalen und Archaeoceten in den Grundzügen 
derselbe und die zwischen der Stufe von Zeuglodon und jener von Cetotherium bestehenden geringen 


4 
bj 


Gegensätze erscheinen durch die Mittelformen Patriocetus und Agriocetus überbrückt. 

Über das Gebiß der Bartenwale und seine Entstehung aus dem Archaeocetengebiß war schon früher 
die Rede, so daß ich hier nur zusammenfassend hervorheben will, daß die Gegensätze zwischen dem 
scheinbar reich bezahnten Gebiß der Bartenwalembryonen und dem normalzahnigen von Patriocetus 
nicht so bedeutend sind, als sie auf den ersten Blick erscheinen- Die große Zahl vermeintlicher Zahn- 
individuen — 53 — entsteht aus dem ontogenetisch erfolgenden Zerfall der sieben siebenspitzigen | 
Backenzähne der Vorfahren (also mit 49 Spitzen im ganzen) in 49 Fragmente, vermehrt um die vier 
Vorderzähne, im ganzen also zu 53 Zahnspitzen, aber nicht Zahnindividuen. j 

Schädel und Gebiß der Bartenwale beweisen also, daß diese zunächst auf die 
Patriocetiden und somit aufdie Archaeoceten zurückgehen. i 

Stromer hat darauf hingewiesen, daß die Wirbelsäule der Archaeoceten in der starken Entwicklung 
der Metapophysen (= Processus obliquomamillares) und der Schwäche der Neurapophysen der Caudal- 
wirbel einen wichtigen Gegensatz zu den modernen Walen bildet, bei welchen stets hohe Neurapophysen 


in der Caudalregion vorhanden sind. Stromer hat auch hervorgehoben, daß die früher zu Squalodon 
Ehrlichi gestellten Schwanzwirbel aus dem Tertiär von Linz sehr kräftige »Processus obliquomamillares« 
neben niederen Dornfortsätzen zeigen, also in dieser Hinsicht durchaus dem Archaeocetentypus entsprechen. 
In der Tat bestehen im Baue dieser Wirbel große und weitgehende Ähnlichkeiten mit den 
Zeuglodontiden, während sich die Wirbel in einzelnen Merkmalen von dem Bartenwaltypus weit entfernen. 
Diese Merkmale betreffen aber nur die Fortsätze der Wirbel, namentlich der vorderen Caudalwirbel. Für 
so durchgreifend halte ich aber die Unterschiede nicht, daß sie eine Herkunft der Mystacoceten von 
Patriocetus absolut ausschließen. Die Form und Stärke der Wirbelfortsätze ist abhängig von der Funktion 
der an ihnen befestigten Muskeln; der Dornfortsatz ist sehr klein, während die Metapophysen außer- 
ordentlich stark entwickelt sind. Man darf aber hier nicht von »rudimentären« Neurapophysen 


Creodontier hat hohe Dornfortsätze in der Schwanzregion. Hingegen sehen wir, daß bei den 


sprechen. Die Vorfahren der Archaeoceten sind zweifellos unter den Creodontiern zu suchen und kein | 
Fischottern eine Erhöhung der Neurapophysen in der Caudalregion zu beobachten ist. Diese Erhöhung ist | 
bei den Ottern ebenso sekundärer Natur wie bei den Walen und veranlaßt durch eine verschiedene | 
Funktion der Schwanzmuskeln. Bei den modernen Walen ist offenbar die Bewegung des Schwanzes eine 
ganz andere, als sie bei den Archaeoceten und auch noch bei Patriocetus gewesen ist; diese andere 
Funktionsart hat ja auch v. Stromer 1903 ganz richtig hervorgehoben. Bei den Nachkommen der 


Patriocetiden trat eine sekundäre Erhöhung der Neurapophysen mit einer Reduktion der 


‚Bartenwalen. 

Fassen wir zusammen, so ergibt sich aus dem Resultate aller Vergleiche zwischen Archaeoceten und 
Bartenwalen, daß die Gruppe der Patriocetiden eine ausgesprochene Übergangsgruppe 
zwischen beiden großen Gruppen der Urwale und Bartenwale darstelltund daß die 


Metapophysen ein. Somit verschwinden auch diese letzten Gegensätze zwischen Archaeoceten und | 
Herkunft der Bartenwale von den Urwalenals eine gesicherte Tatsache anzusehen ist, | 


Del = 


Die Vorfahren der Bartenwale. 219 


IX. Die phylogenetische Stellung der Archaeoceten. 


Die Archaeoceten sind in der letzten Zeit von den meisten Forschern aus dem Stammbaum der 
Bartenwale und zum Teil auch aus dem Stammbaum der Zahnwale ausgeschaltet und als gänzlich 
erloschener Seitenzweig des Cetaceenstammes betrachtet worden. Am schärfsten hat diese Auffassung der 
verdienstvolle Bearbeiter der ägyptischen Zeuglodonten, E. v. Stromer, in seiner Abhandlung über »Die 
Archaeoceti des ägyptischen Eozäns« 1908 betont, in der er zum Schlusse mit Max Weber Zeuglodon 
als »einen verunglückten Versuch, Cetaceen herauszubilden« erklärt. Der Grund dieser Auffassung ist 
darin zu suchen, daß bis jetzt die Gattung Zeuglodon die am vollständigsten bekannte Archaeocetengattung 
ist und infolgedessen als der typische Vertreter der Archaeoceten angesehen zu werden pflegt. Allerdings 
hat Stromer in derselben Abhandlung die Möglichkeit erörtert, daß die echten Odontoceten durch eine 
agorophiusartige Mittelstufe mit protocetusartigen Urwalen verbunden sein könnten; die Mystacoceten 
hatte Stromer schon 1903 ganz aus der Nachkommenreihe der Archaeoceten ausgeschaltet. 


Max Weber hat 1904 ausdrücklich betont, daß nach seiner späteren Auffassung die Mystacoceten 
sich »sehr früh abgezweigt haben von Tieren, die vermutlich dem Zeuglodon nahe standen, und aus denen 
sich auch die Odontoceti entwickelten«. Stromer hat aber auch in seinen späteren Arbeiten daran fest- 
gehalten, daß es bisher unmöglich sei, phylogenetische Beziehungen zwischen Bartenwalen und Urwalen 
nachzuweisen. 

_ Die vorstehenden Erörterungen haben gezeigt, daß die Archaeocetengruppe der Patriocetidae 
unerwarteterweise die Archaeoceten mit den älteren Bartenwalen verbindet und daß somit nicht nur die 
Zahnwale, sondern auch die Bartenwale aus Archaeoceten hervorgegangen sind. Der Weg von den 
Archaeoceten zu den Zahnwalen, und zwar zu der Gruppe der Squalodontiden wird einstweilen nur durch 
eine Zwischenform, Agorophius pygmaeus, bezeichnet; Prosqualodon australe fällt, obwohl aus 
agorophiusartigen Typen hervorgegangen, aus der Reihe heraus und repräsentiert einen erloschenen 
Seitenzweig des Archaeocetenstammes, der, um Weber’s Worte über Zeuglodon zu variieren, als ein 
verunglückter Versuch in der Entwicklungsrichtung gegen Squalodon bezeichnet werden kann. 

Ohne Zweifel ist Stromer im Rechte, wenn er die Gruppe der Zeuglodontiden aus den Stämmen 
der Bartenwale und Zahnwale gänzlich ausschaltet. Drei Gruppen bleiben jedoch unter den Archaeoceten 
übrig, welche als Vorstufen der Bartenwale und Zahnwale bezeichnet werden können; das ist zunächst die 
primitive Gruppe der Microzeuglodontiden, welche die ursprünglichste Gruppe unter den Archaeoceten 
bilden; dann die Patriocetiden, die zu den Bartenwalen, und die Agorophiiden, die zu den Zahnwalen 
führen. 

Eines ist jedoch ausdrücklich hervorzuheben. Microzeuglodon caucasicum ist nur aus sehr dürftigen 
Resten des Unterkiefers bekannt; aber dieser Rest ist trotzdem von großer Wichtigkeit, weil die Backen- 
zähne hier durch größere Zwischenräume getrennt und nicht verkümmert sind. In dieser Hinsicht ist also 
Microzeuglodon primitiver als selbst Protocetus atavus, wenn auch die Form der Backenzähne bei Proto- 
ceius primitiver ist als bei Microzeuglodon. Hier liegt also ein typischer Fall von Spezialisations- 
kreuzung vor. 

Die wesentlichsten Unterschiede der vier Gruppen unter den Archaeoceten bestehen in folgendem: 

1. Microzeuglodontidae. Hintere Backenzähne nicht verkümmert, weiter voneinander entfernt als 
bei den Zeuglodontiden. 

2. Zeuglodontidae. Backenzähne in Reduktion begriffen, die bei Zeuglodon zum gänzlichen Schwunde 
des oberen letzten Molaren führt, hintere Backenzähne vom P3 an dicht gedrängt. 

3. Agorophiidae. Supraorbitalplatten der Frontalia von den Supramaxillaria überschoben. 

4. Patriocetidae. Supraorbitalplatten der Frontalia von den Supramaxillaria unterschoben. 

Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC.. Bd. . 31 


220 O. Abel, 


Somit erhalten wir folgende 


Systematische Übersicht der Archaeoceten: 


Archaeoceti Flower 1883. 
I. Gruppe: Microzeuglodontidae (nov.). 
Microzeuglodon cancasicum Lyd. 
Microzenglodon? Harwoodi Sanger. 
II. Gruppe: Patriocetidae (nov.). 

Patriocetus Ehrlichi van Ben. 
Patriocetus Denggi Abel. 
Agriocetus austriacus Abel. 

III. Gruppe: Agorophiidae (nov.). 
Agorophius pygmaeus Müller. 
Prosqualodon australe Lyd. 

IV. Gruppe: Zeuglodontidae van Beneden 18659. 
Protocetus atavus E. Fraas. 
Eocetus Schweinfurthi E. Fraas. 
Prozeuglodon atrox Andrews. 
Zygorhiza minor Müller. 
Zeuglodon cetoides Owen. 
Zeuglodon serratum Gibbes. 
Zeuglodon brachyspondylum Müller. 
Zeuglodon Osiris Dames. 
Zeuglodon Isis Beadnell. 
Zeuglodon Zitteli Stromer. 
Zenglodon Wanklyni Seeley. 
Zeuglodon rossicum Paulson. 
Kekenodon onomata Hector. 
Phococetus Vasconum Delfortrie. 

Es erübrigt noch, einige Worte über die Gruppierung der Bartenwale einerseits und der Zahnwale 

andererseits zu sagen. 
Unter den Bartenwalen ist die Familie der Balaenopteriden entschieden ursprünglicher als die Balae- 


TE a: 


niden. Wenn Rhachianectes als Vertreter einer eigenen Familie, der Rhachianectidae oder Agaphelidae, 


von den Furchenwalen oder Balaenopteriden abgetrennt wird, so müßten auch viele fossile Formen, die 
sich in noch höherem Grade von den lebenden Balaenopteriden unterscheiden, von ihnen systematisch 
getrennt werden. Eine umfassende Revision der fossilen Bartenwale wird zeigen, in welcher Weise die 
heutige Abgrenzung der lebenden Familien der Bartenwale abzuändern ist. 

Die Zahnwale, unter welchem Namen noch immer alle bezahnten Wale mit Ausnahme der Urwale 
zusammengefaßt werden, bestehen, wie ich schon 1905 zu zeigen versuchte, aus zwei ganz heterogenen 
Stämmen. 

Die Squalodontiden verbinden mehrere große Gruppen mit den Archaeoceten. Aus den Squalodon- 
tiden sind, wie ich gezeigt habe, unmittelbar die Physeteriden hervorgegangen und der zweite Haupt- 
stamm, von dem die Ziphiiden ihren Ausgang genommen haben, ist die Gruppe der Acrodelphiden, 
die heute nur noch wenige lebende Vertreter umfaßt. Aus ihnen sind die Stämme hervorgegangen, die 
durch die südamerikanische Gattung Inia repräsentiert werden, ferner die Weißwale und Narwale, Ponto- 
poria, Eurhinodelphis und Platanista. Diese ganze, große Stammgruppe, die aus der gemeinsamen Wurzel der 
Squalodontiden entsprossen ist, habe ich als den Stamm der Acrodelphiden zusammengefaßt. Die Eurhino- 


Die Vorfahren der Bartenwale. 221 


delphiden stehen unter den selbständigen Stämmen den Ziphiiden am nächsten. Der ganze Stamm, der 

von den Squalodontiden entsprungen ist, kann am besten unter dem Namen Sgualoceti vereinigt werden. 
Ganz isoliert steht bis heute der Stamm der Delphine und Braunfische den Sgualoceti gegenüber: 

Wo sie an die Archaeoceti anzuschließen sind, darüber sind wir noch immer vollständig im unklaren. Ich 

fasse die Gruppe der Phocaeniden und Delphiniden als selbständige Gruppe auf und stelle sie als Delphino- 

ceti den beiden anderen Hauptstämmen der lebenden Cetaceen, den Sgualoceti und Mystacoceli gegenüber 
Somit erhalten wir folgendes Bild von den Verwandtschaftsverhältnissen der Wale: 


Die Stämme der Wale. 


I. Mystacoceti (auct.) II. Delphinoceti (nov.) III. Squaloceti (nov.) 
(Blütezeit im Pliocän). (Blütezeit in der Gegenwart). (Blütezeit im Miocän). 
Balaeno- Rhachia- Balae- Delphinidae Physete- Ziphüi- Eurkino- Platani- 
pieridae nectidae nidae ridae dae delphidae'} stidae 
A A 
Acrodelphidae 
Phocaenidae Senken 
Patriocetidae Agorophidae 
N DD SIEGEN ISIN, 
IIINININI „nen 


Microzeuglodon - 
NEIN FEIN SIE TEN 
Zeuglodon - III 
NEIN IN ZE 
ummnen.. tid ae 
I 
tidae + Sa 
um 
mn 


Creodontia. 


222 O. Abel, 1 
’ 


Im frühen Eocän entstanden, haben sich die Cetaceen schon frühzeitig in verschiedene Stämme 
gespalten. Die echten Zeuglodontiden haben im Obereocän ihre Blüte erreicht und sterben im Miocän mit 
Kekenodon und Phococelus aus. Aus der Stammgruppe der Microzeuglodontidae gehen im Miocän die 
Squalodontiden hervor, die sich in zahlreiche Stämme spalten, welche größtenteils noch im Miocän den 
Höhepunkt ihrer Blütezeit überschreiten. 

Die Mystacoceti, verhältnismäßig sehr spät, erst an der oberen Grenze des Oligocäns entstanden, 
entfalten sich rasch zu hoher Blüte, die sie im Pliocän erreichen; von da ab treten Anzeichen eines Nieder- 
ganges des Stammes auf. Die Delphinoceti endlich sind im Tertiär überhaupt sehr spärlich vertreten, er- 
scheinen zum erstenmale im Miocän, nehmen im Pliocän an Häufigkeit zu und erreichen in der Gegenwart 
mit zahlreichen, meist sehr stark variierenden Arten den Höhepunkt ihrer Entwicklung. 

Die Entstehung der Bartenwale ist ohne Frage hauptsächlich durch einen Wechsel 
der Nahrungsweise beeinflußt worden. Die Archaeoceten sind ursprünglich wohl ausnahmslos 
ichthyophag gewesen und haben wahrscheinlich eine ähnliche Lebensweise wie die Robben geführt. Die 
Stämme der Squaloceti zeigen, daß die Ichthyophagie bei fortschreitender Stammesentwicklung von der 
Teuthophagie abgelöst wird. Planktonophag ist aber weder ein Squalocet noch ein Delphinocet geworden; 
nur die Bartenwale haben diese Ernährungsart angenommen und zwar ist wahrscheinlich das teuthophage 
Stadium dem planktonophagen vorausgegangen. Vereinzelt findet ‘sich bei den Bartenwalen noch die 
Ichthyophagie, und zwar bei den Furchenwalen. Echte Sarcophagie, wie sie wohl bei den Archaeoceten 
ursprünglich vorherrschend war, findet sich unter den lebenden Walen nur noch in dem jüngsten Stamm 
der Delphinoceti bei der Gattung Orca vertreten. 

Ein unerwartetes Ergebnis dieser Untersuchungen über die Herkunft der Bartenwale ist die Tat- 
sache, daß die beiden einzigen bis jetzt bekannten Übergangsglieder zwischen Archaeoceten und Barten- 
walen in eine geologisch so junge Zeit fallen, wie es die Wende der Oberoligocänzeit gegen das Miocän ist. 
Wir sehen daraus neuerlich, daß sich die Entwicklung einzelner Stämme viel .rascher voll. 
zogen haben muß, als wir sonst vielfach anzunehmen geneigt sind. 


I. Einleitung . 


Die Vorfahren der Bartenwale. 


Inhaltsverzeichnis. 


IL. Geschichte der Linzer Walfunde . 


III. Beschreibung von Patriocetus Ehrlichi van Ben. 


A. Beschreibung des Schädels der Cotype II 


oS oo ı oo er ww r—nD 


- Ro rR kr nm m 
so a $r won m © 


. Supramaxillare . 

. Praemaxillare 

.Nasale . 

. Frontale, Orbitosphenoid und Alisphenoid 
. Lacrymale und Jugale . 

. Parietale 

. Squamosum . 

. Mastoideum . 

. Exoceipitale . 

. Supraoceipitale 

£ Basioceipitale und Basisphenoid . 

. Praesphenoid und Mesethmoid 

. Vomer . 

. Palatinum . 

. Pterygoideum 

Mbeirosumsaa., (ale er 0.0 I 
EEVl atıcbillae er re: 


B. Das Gebiß. . 


1. 
2. 
3. 


C. Vergleiche zwischen den Schädeln von Patriocetus Ehrlichi, den älteren Archaeoceten und den echten 


Die einwurzligen Zähne . 
Die oberen Backenzähne . 


Die unteren Backenzähne 


Bartenwalen . . 


D. Vergleich des Gebisses von Patriocelus Ehrlichi mit dem der Archaeoceten . 


1. 


Zahnzahl . 


2. Zahnwechsel 


3. Abstände der Backenzähne voneinander 


4. Wurzeln der Backenzähne . . 
5. Die Reduktion der Molaren . . 


6. Höhe der Krone über dem Alveolarrand 


E. Die Entstehung des Bartenwalgebisses aus dem Gebiß von Palriocelus Ehrlichi 


. 31 [185] 


223 


6 [160] 


8 [162] 


[162] 
[163] 
[163] 
9 [163] 
11 [165] 
11 [165] 
11 [165] 
13 [167] 
13 [167] 
14 [168] 
14 [168] 
169] 


oo © © 


15 | 
15 [169] 
15 [169] 
16 [170] 
16 [170] 
18 [172] 


18 [172] 


20 [174] 
21 [175] 
23 [177] 


24 [178] 


28 [182] 


28 [182] 
29 [183] 
29 [183] 
29 [183] 
30 [184] 


31 [185] 


[66] 
DD 
Rt 


O. Abel, 


IV. Beschreibung von"Agmacerusiaustniacusäbleli 2 2! 


A Beschreibung des Schädeltragments Ar oe 35 


I elle 5 5 on oc BE AL Er kloren or Geo ee soo oo . 35 
B Bakzeiale 0. EIERN. Een. 5 .... 36 [100p 


3.3SQUAM@ SU. Pr a ee weten ers or. © 


4. Bxoceipitale sr... na am ee ee be ei la Teen ER . 38 [192] 
ONSUPLAOCCIPILAlE re toi -0 22.002238 1020 
B, Plerygoideum ze 0 vs ke ee ER EL a . Boa] 
Bs Systematische/ste luns@vonwAeniogetuse er: en ano 0 . 0. 89, MO 
VeätehaeocetenwirbeltauszdenYlEinzen)Sanden Er Er re Eee ee ae 3 OS 
VDiessystemausecherstellunesdenAtchaeogetenV re ee ee a 
VII. Geologische und geographische Verbreitung der Archaeoceten . . . 2. 2. LE nn non ern. . . . AT [201] 
1. Ägypten. (Mitteleocan ‚bisObereocan), 2 2 ae ee oc 2 RR 
ISNordamenika (Obezeocanab1sUnteroligo can) er . 50 [201] 
NSudanustralient(Opereocan) ee and ooran nr ao, c N 50 [204] 
IV. England. (Obereocan)t. „20, u Re 2 LEE URL REEeL 2 SOSE ER EN a 
V. Rußland (Unteroligocän) . .». 2» 2. 2 2... ee N 
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VII. Österreich (Oberoligoeän). . . . . ne a IN . 54 [206] 
VISRrankteich ((Niocan)e.. er: Se 2.94 [208] 
PXssSudamerikay(l\ To can) re FO A 1 © un. . 55 [208] 
x. Neuseeland (Mioeän) „2. an 22 2: a a ONE 2 
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VII. Die Herkunft der Bartenwale von den Archaeoceten . 2 x 2 22 e..% ER REN EEE Or 2 50 ee 


IX. Die phylogenetische Stellung der Archaeoceten. . . 2. 2.2... Be Re tere ee u e 


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Patriocelus Ehrlichi van Beneden (Cotype II). — Schädel, von oben gesehen. 
Fundort: Linz, Oberösterreich. 
Geologisches Alter: Oberoligocän (Basis der weißen Strandsande, unmittelbar über dem Granit). 


Original: Im Museum »Franeisco-Carolinum« in Linz. 


Anmerkung. 


Die große Lücke im Hinterhaupt, welche die Hinteransicht des Schädels auf Tafel IV, Fig. 1, zeigt, ist hier durch ein die Lücke 
größtenteils füllendes Fragment des Supraoccipitale verschlossen, das sich unter den noch übrigen Bruchstücken des Schädels 
vorfand. Das Bild zeigt ausschließlich die Originalbestandteile des Schädels; Gipsbrücken etc. sowie andere Rekonstruktionen 
sind am Objekt nicht durchgeführt. Der dunkle Fleck auf der Oberseite des rechten Squamosums bezeichnet die Stelle, wo des 
rechte Petiosum bei der Auffindung des Schädels lag. — Die Photographie läßt die für alle Knochenfunde aus den Linzer Sanden 
charakteristische rauh gekörnte Oberfläche erkennen, welche durch ein inniges Anhaften von groben Sandkörnern an die Knochen- 


oberfläche bedingt ist. 


Maße: 
Gesaintlängerdes’Schädels. .. u. er 2.0. 2 neuen u 0 ee eu 2. N eo 2727 
Bizygomatischer Durchmesser (srößte Schädelbreite) » . 0. Eee ee 
Schädelbreite zwischen den Brocessus postorbitales@ 2 22 Fer 
Länge der Rostralrinne. im offenen Abschnitten. 2 2 2 EB er > 
Länge des flachen Schädeldachabschnittes . . . . 2 2 2.2... ee ... En 
Känge der'SeitenkanterdesıSupraoceipitale a Sr Er er Er BE 9» 
Breite.der. Nasenöffnungen. ... 2.0 0. 20 0.20 ee elrln 2 lese) ee Se re en ee en te re 5 >» 
Größte Breite des Rostrums.in der Antorbitallinie 2 22 Eee 
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Länge des an der Zusammensetzung des flachen Schädeldachabschnittes beteiligten Abschnittes des Supraoceipitale . 2» 


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Abel, O.: Die Vorfahren der Bartenwale. Taf. 1. 


Ing. Franz Hafferl phot. Lichtdruck v. Max Jafte, Wien. 


Denkschriften d. kais,. Akad. d. Wiss. math.-naturw. Klasse, Bd, XC, 


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Patriocetus Ehrlichi van Beneden (Cotype II). — Schädel, von unten gesehen. (Derselbe Sc 


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Oberoligocän von Linz, Oberösterreich. 


Schädellänge:. 1... u re 
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Breite des Schädels zwischen beiden Processus paroceipitales .. . . . RN 


Abstand der Flügelenden des Basiocecipitale voneinander Sn 


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Er; Abstand der beiderseitigen letzten Molaren voneinander BR TE Bar Re 
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Abel, O.: Die Vorfahren der Bartenwale. Taf. Il. 


Ing. Franz Hafferl phot. Lichtdruck v. Max Jaffe, Wien. 


Denkschriften d. kais. Akad. d. Wiss. math.-naturw. Klasse, Bd. XC. 


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ö Fig. 1. Schädel von Patriocetus Ehrlichi van Ben. (Cotype IN, von rechts, in etwa 2], der natürlichen Grö 
> (Die Photographie wurde vor der Anfügung der Krone des M,; an seine Wurzeln aufgenommen.) 
Den 
r- Fig. 2. Unterkiefer von Patriocetus Ehrlichi van Ben. (Cotype II). Linker Unterkieferast von außen; vor de 
4 an die Wurzeln photographiert (die Rekonstruktion des Unterkiefers, Textfig. 4, zeigt die Kronen der v 
er dieses Kieferfragmentes nach ihrer Anfügung). — Ungefähr 2/, der natürlichen Größe. 
ö PN Fundort: Oberoligozän von Linz, Oberösterreich. 
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rn Original: Im Museum »Franeisco-Carolinum« in Linz, Oberösterreich. P 
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Taf. Ill. 


Abel, O©.: Die Vorfahren der Bartenwale. 


Ie:2. 


Lichtdruck v. Max Jaffe, 


Ing. Franz Hafferl phot. 


w. Klasse, Bd. XC., 


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Tafel IV. 


ee Durchmesser 35 cm; Fig. 1 somit in 3/, de: en Größe. 


Fig. 2. Agriocetus austriacus Abel. Type. Schädelfragment; von unten gesehen. — Bizygomatischer D 


somit in etwa 3], der natürlichen Größe. j = 
Fundort: Oberoligocän von Linz, Oberösterreich. 


Original: Im Museum »Franeisco-Carolinum« in Linz. 


h während des Fossilisationsprozesses entstandene en Die Knochenoberfläche ist stellenweis 


P, -  Sandkörnern bedeckt. Die Schädelbasis ist abgebrochen, so daß die Hirnhöhle freiliegt. 


= 


Abel, O.: Die Vorfahren der Bartenwale. Tat. IV: 


ing. Franz Haiferl phot. Fig. 2 Lichtdruck v. Max Jaffe, Wien. 


Denkschriften d. kais. Akad. d. Wiss. math.-naturw. Klasse, Bd. XC. 


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Fig. 1. 


Tafel V., 


Agriocetus austriacus Abel. Type. — Oberoligocän von Linz, Oberösterreich. Schädelfragment, von links gesehen, in 3/, der 


natürlichen Größe (vergl. Tafel IV, Fig. 2). 


Zu beachten: die sehr geringe Höhe des Schädels — der Verlauf der Hinterkante des, Supraorbitalflügels des 
Frontale, die als scharf markierte, überhängende Platte die vordere Hälfte der Temporalgrube überdacht — der weit nach 
hinten vorspringende Processus paroceipitalis — der langgestreckte, schwach gebogene Processus zygomaticus squamosi und 


die sehr stark nach vorn geneigte Schuppe des Supraocceipitale. 


. Oberansicht desselben Schädels in 3/, der natürlichen Größe. 


Zu beachten: das Vorhandensein einer scharf bepregzten Mittelpartie des Schädeldaches, die zur Hälfte von den 
Frontalia, zur Hälfte von den Parietalia gebildet wird (vergl. die Rekonstruktion, Tafel VII), — die breite, schwach gewölbte 
und in der Mittellinie gekielte Schuppe des Supraoceipitale, die im unteren Abschnitt eine Bruchöffnung von ovalem Umriß 
besitzt — die steil vom Schädeldach nach unten und außen abfallenden Supraorbitalplatten der Frontalia und der relativ 


große bizygomatische Durchmesser (26 can). 


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Abel, O.: Die Vorfahren der Bartenwale. Taf) V. 


Ing, Franz Hafierl phot. Lichtdruck v. Max Jaffe, Wien. 


Denkschriften d. kais. Akad. d. Wiss. math.-naturw, Klasse, Bd. XC. 


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‚Rekonstruktion des Schädels von Patriocelus Ehrlichi Van Ben. aus dem Oberoligocän von 
ungefähr &/,, der natürlichen Größe. (Schädellänge der Cotype Il, welcher die äußerste Spitze des 


Vergl. Tafel I. 


Erklärung der Abkürzungen. 


Co = Condylus oceipitalis. 
Eo — Exoceipitale. 
Fr — nöd 8; 
Tu = Jugale. 
Na —= Nasale. 
Pa — Parietale. 
Pmx — Praemaxillare. 
Smx — Supramaxillare. 
So — Supraoceipitale. 
Sqg= Squamosum. 
Vo — Vomer. 


Bemerkungen. 


erhalten, daß die Rekonstruktion sich im wesentlichen auf die Umrißlinien beschränken konnte. Da der Schädel der 
. 1 
wenig verdrückt ist, so erklären sich daraus die bei oberflächlichem Vergleiche mit der Photographie des Orij 


fallenden Differenzen zwischen dieser und der Rekonstruktion. 


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Abel, O.: Die Vorfahren der Bartenwale, 


Lichtdruck v. Max Jaffe, Wien. 


Autor del. 


Denkschriften d. kais. Akad. d. Wiss, math.-naturw. Klasse, Bd. XC. 


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Tafel VI. 


Rekonstruktion des Schädels von Agriocelus austriacus Abel (Type) aus dem Oberoligocän von Linz, Oberösterreich, in 


2/, der natürlichen Größe (bizygomatischer Durchmesser des Originals 26 cm). Vergl. Tafel V, Fig. 2. 


Erklärung der Abkürzungen. 


Co —= Condylus oeceipitalis. 
Eo —= Exoceipitale. 
Fr —= Frontale. 
” Na = Nasale. 
Pa — Panielale. 
Pmx — Praemaxillare. 
Sınx — Supramaxillare. 
So — Supraoceipitale. 
Sg — Squamosum. 


Vo = Vomer. 


Bemerkungen. 


Die Umrißlinien des Rostrums sind ungefähr nach denselben Verhältnissen wie bei Patriocelus Ehrlichi ergänzt, doch ist die 
Antorbitalkerbe nicht sehr tief angenommen. Da die Grenzlinie der Frontalia gegen die Supramaxillaria, Praemaxillaria und Nasalia 
am Originale sichtbar ist, so ist diese Region nicht als rekonstruiert anzusehen. Die Grenzlinien zwischen Frontalia und Parietalia 


sind genau nach dem Originale gezogen, wo sie nur bei bestimmter Beleuchtung sichtbar sind. Auf Tafel V, Fig. 2, ist nur der mittlere 


Abschnitt dieser Grenzlinie deutlich zu verfolgen. 


Taf. VII, 


Abel, O.: Die Vorfahren der Bartenwale. 


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Lichtdruck v. Max Jaffe, Wien. 


Denkschriften d. kais. Akad. d. Wiss, math.-naturw, Klasse, Bd. XC, 


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Tafel Mr 


Celotherium Rathkei Brandt (1842). — Schädel von oben in 1/, der natürlichen Größe. — Miozän der Halbinsel Taman 


(Krim). Im sarmatischen Steppenkalk entdeckt von Rathke 1833. (Mem. d. savants etrang. de l’Acad. Imp. de St. Petersbourg, T. II, 


1835, p. 332, Taf., Fig. 1 bis 2). 
Original im Museum der kais. Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. 


Neue Rekonstruktion auf Grundlage der Abbildungen und Beschreibung von J. F. Brandt (Memoires de l’Acad. Imp. 
St. Petersbourg, VII. Ser., T. XX, Nr. 1, 1873, p. 68, Tafel I bis II). 


Erklärung der Abkürzungen: 


Eo — Exoceipitale. 


Fr — Frontale. 


Ju — Jugale. 
Ma == Mandibula. 
Na = Nasale. 


Pa — Parietale. 
Pmx —= Praemaxillare. 
Smx — Supramaxillare. 
So — Supraoceipitale. 
Sg = Squamosum. 


Vo = Vomer. 


Bemerkungen: 


Das Supramaxillare unterteuft das Frontale und reicht ebensoweit nach hinten als das Praemaxillare. Dadurch erhält die 
Fronto-Supramaxillargrenze einen auffallenden Verlauf, indem sie sich von der Antorbitalkerbe sehr schräg nach hinten innen bis 
zur Verbindungslinie der Postorbitalvorsprünge erstreckt. Die Frontalia nehmen geringen Anteil an der Bildung des Schädeldaches, 
die Parietalia dagegen einen fast dreimal so großen. Deutlich ist die Mittelpartie des Schädeldaches von den Temporalgruben durch 
einen Kamm abgegrenzt. Das dreieckige Supraoccipitale ist schwach konkav und besitzt einen medianen Kamm im obersten 
Abschnitt. 


Die Gesamtlänge des Tieres ist auf etwa 2 m zu schätzen. 


Abel, O.: Die Vorfahren der Bartenwale, 


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Taf, VII. 


Lichtdruck v. Max Jaffe, Wien. 


Denkschriften d. 'kais. Akad. d. Wiss. math.-naturw. Klasse, Bd. XC, 


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Rekonstruktion des Schädels von Zeuglodon Isis Beadnell aus dem oberen Mitteleocän von Ägypten (von der Uadi-Ra 


Stufe bis zur Birket-el-Kerun-Stufe des Fayüm) auf Grundlage der Abbildung des Schädels in der Abhandlung von Ernst Str 


ir 


v. Reichenbach (Die Archaeoceti des ägyptischen Eozäns. — Beitr. zur Palaeont. und Geol. Öst.-Ung. u. d. Orients, XXI., Wien 
Taf. VIL [IV], Fig. 1). 


h Erklärung der Abkürzungen: 
.©= ‚Gendhtus beste. 
Eo — Exoceipitale. 
Fr = Frontale. 
Ju = Jugale. P 
Na — Nasale. 
Pa = Parietale. 
Pmx — Praemaxillare. 
Smx — Supramaxillare. 
So — Supraoceipitale. 
Sg — Squamosum. 


Vo = Vomer. 


w 


Der Schädel besitzt eine Gesamtlänge von 119 cm (Original im Stuttgarter Naturalienkabinett; Maße nach E. von Stromer 


l. c., 1908. p. 145). — Die hier mitgeteilte Rekonstruktion des Schädels entspricht also ungefähr 1), der natürlichen Größe. — Die 


Gesamtlänge des Skelettes kann auf über 7 m veranschlagt werden, da diese Art eine von Zeuglodon Osiris Dames (Textfig. 14) 


vollständig verschiedene Körperiorm besitzt. Die Lendenregion desselben Skelettes, dem der hier abgebildete Schädel angehört, 
besitzt nach E. v. Stromer (l. c., p. 134) eine Länge von 210 cm und die Thorakalregion ist sogar noch etwas länger. Da auf den 


Schwanz ungefähr 2m zu rechnen sind, so muß das Tier über 7 m lang gewesen sein. Die durch die Streckung der Wirbelkörper 


bedingte Verschiedenheit des Körperbaues vom kurzwirbeligen Zeuglodon Osiris spricht dafür, daß es sich um Vertreter von 


zwei ganz verschiedenen Stämmen handelt. 


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Taf. IX. 


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Abel, O.:;: Die Vorfahren der Bartenwale, 


Lichtdruck v. Max Jaffe, Wien. 


Denkschriften d. kais, Akad. d. Wiss. math.-naturw. Klasse, Bd. XC. 


Tafel x 


Agorophius pygmaeus J. Müller 1849. Schädel von oben in 1/, der natürlichen Größe. 


Alttertiär (Jacksonien-Unteroligocän) von Südcarolina, Nordamerika: Mergel vom Ashley River bei G 


Original verloren. 
Schädellänge (unvollständig); 14-5 in. (= 36°83 cm); mit ergänztem Vorderende zirka 38-63 cm. 


j Neue Rekonstruktion auf Grundlage der vonL. Agassiz angefertigten und von F. W. True -(1907) 
lithographischen Abbildungen. h 


Erklärung der Abkürzungen: 


era 


. Co = Condylus oceipitalis. Ba 
Eo — Exoceipitale. 
Fm — Foramen magnum. ng 
= Fr —= Frontale. . | 
Na — Nasale. 
Pa — Parietale. 
Pınxz = Praemaxillare. er 
Smx — Supramaxillare. 
So — Supraoccipitale. 
Sg — Squamosum. 


Vo = Vomer. 


Bemerkungen. 


Kennzeichnend für die Gattung Agorophius sind das archaeocetenartige Schädeldach mit breitem Parietalband, abe 
Sagittalkamm, die teilweise Überdeckung der Supraorbitalplatten der Frontalia durch die Supramaxillaria, das weit nach vo 1 


geschobene Supraoceipitale und das niedrige Schädelprofil. Die Nasalia sind ergänzt. 


Taf. X. 


Abel, O.: Die Vorfahren der Bartenwale, 


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Kunstanstalt Max Jaffe, Wien. 


‚Autor del. 


Denkschriften d. kais. Akad. d. Wiss. math.-naturw. Klasse, Bd. XC. 


Rekonstruktion des Schädels von Patriocetus Ehrlichi van Ben., aus dem Oberoligocän von Linz, 


nr 


4/,3 der natürlichen Größe. 


Bemerkungen. 
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Der Umfang der rekonstruktiven Ergänzungen geht aus dem Vergleiche mit den photographischen Al ilk u 
der Cotype II (Taf. III) hervor. N 


Abel, O.: Die Vorfahren der Bartenwale, 


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Klasse, Bd. XC. 


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Tafel XL. 


Fig. 1. Patriocelus Ehrlichi van Ben. — Rekonstruktion des Schädels in der linken Seitenansicht. — Länge des Schädels 0: 65 m— 


Oberoligocän von Linz, Oberösterreich. — Original im Museum »Franeisco- Carolinum« in Linz, Oberösterreich. 
Fig. 2. Balaenoplera rvosirata Fabrieius. — Schädet von links. — Schädellänge 48°5 in. = 1'10 m; Gesamtlänge des 


Exemplars 16f. 151/, in. (Maximallänge bei dem von Turner aus Granton, Schottland, beschriebenen ? 28f. 6 in.). Nach ei r 
Photographie von F. W: True. — Fundort: Off Monomoy Point, Harwichport, Mass. — OriginalimU. S. Nat. Mus, 
Washington (Nr. 20931). — (F. W. True: The Whalebone Whales ofthe Western North Atlantie. — Smithson. Contributions 
to Knowledge, NXXIII, Washington, 1904, Pl. XXVI, Fig. 2.) 


Fig. 3. Rhachianectes glaucus Cope. — Schädel von links. — Schädellänge 2'464 m (nach A. W. Malm). Das größte bishe ; 


gefangene Exemplar war (nach Kapitän W.H.Dall) 48f. lang. — Fundort: Monterey, Californien. — Nach einer Photo- 
graphie von F. W. True. — Originalim U. S. Nat. Mus., Washington (Nr. 13803). (F. W. True, 1. c., Pl. XLVII, Fig. 8.) 


Fig. 4. Balaena glacialis, Bonaterre. Schädel von links. — Schädellänge 124 in. (= 3:15 m), Skelettlänge 45 f. 3in. — Das größte 


bisher bekannte Exemplar von Cape Lookout, N. C. (gefangen 1894), erreichte nach Brimley eine Körperlänge von 531, 


Nach einer Photographie von F. W. True. — Fundort: Amagansett, Long Island, New York. — Originalim U. S. Nat. 
Mus., Washington (Nr. 23077). (F. W. True, l. c., Pl. XLIII, Fig. 1.) 


Erklärung der Abkürzungen: 


C = Eckzahn. Pal — Palatinum. 
Co — Condylus oceipitalis. Pımnx — Praemaxillare. 
Fr —= Frontale. Pr. par. — Processus paroceipitalis, 
IT—= Inzisiven (1, 2,13). . Pr. pogl. = Processus postgleneidalis. 
Ju = Jugale. Pr. praegl. — Processus praeglenoidalis, 
M = Molaren (M,, M;, M3). Pte —= Pterygoideum. 
Mea = Meatus auditorius externus. Smx — Supramaxillare. 
Na = Nasale. ER - ‚So = Supraocceipitale. 
P — Prämolaren (P}, Pa, P3, P4). Sg — Squamosum. 
Pa — Parietale. Tym —= Tympanicum. 


Ein Vergleich der vier Schädel zeigt: 


1. Das Rostrum ist bei Patriocetus am kürzesten, bei Balaena am längsten. Bei Palriocetus noch bezahnt, ist es schon .bei 
Balaenoptera beim erwachsenen Tiere unbezahnt. Bei Patriocetus am Vorderende sehr schwach herabgebogen, nimmt die Krümmung 
stetig bis Balaena zu, wodurch der für die Aufnahme der Barten bestimmte Raum immer mehr vergrößert wird. 

2. Das Supramaxillare unterteuft die Supraorbitalplatte des Frontale bei allen vier Gattungen, am stärksten bei Balaema. 

- 3. Die Orbita liegt bei Patriocelus am weitesten vorn und in geringer Entfernung vom Schädeldach, verschiebt sich bei 
Balaenoptera und Rhachianectes immer mehr nach hinten und unten und erreicht ihre extrem verschobene Lage bei Dalaena. 

4. Das Frontale wird im Supraorbitalflügel zu einem immer schmäler und länger werdenden Fortsatz ausgezogen, der bei 
Balaena die extreme Form erreicht. Der Processus postorbitalis liest bei Balaena dem Squamosum an, während er bei Patriocetus 
noch weit von diesem entfernt ist. 


5. Das Jugale war bei Patriocetus, soweit wir aus den Ansätzen am Processus praeorbitalis und Processus praeglenoidalis 


schließen können (der Knochen selbst ist in seinem Spangenteile nicht erhalten), ein langgestreckter, schwach nach unten aus- 
gebogener Stab. Bei Balaenoptera stark verkürzt und stark nach unten ausgebogen, erreicht er bei Balaena die Form einer halb- 
kreistörmig gebogenen, stark verkürzten Spange. 

6. Das Parietale, bei Patriocetus noch Anteil an der Bildung des Schädeldaches nehmend und auf der Oberseite des 
Schädeldaches als breites Band sichtbar, ist bereits bei Balaenoptera vom Supraorbitale überdeckt und nur in der Temporal- 
grube sichtbar. 

7. Das Supraoceipitale, bei Palriocelus noch ein primitives Verhalten zeigend, legt sich schon bei Balaenoptera als flache 
Schuppe weit nach vorn auf das Schädeldach. Bei Balaena stößt es beinahe mit dem Supramaxillare, Praemaxillare und Nasale 
zusammen. 

8. Das Squamosum, bei Patriocelus sehr groß, wird schrittweise kleiner und erreicht die extreme Kürze bei Balaena. 

9. Die Temporalgrube, bei Patriocetus sehr groß und weit, wird schrittweise kleiner und erreicht die extreme Verengerung 
bei Balaena. 


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10. Das Schädeldach, schon bei Patriocetus niedrig, erreicht über Balaenoptera und Rhachianectes seine extrem niedere 


Form bei Balaena. 


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Abel, O.: Die Vorfahren der Bartenwale. 
Taf. Xu. 


Fig. 1 


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Denkschriften d. 'kais. Akad, d. Wiss. math.-naturw, Klasse, Bd. XC. 


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DIE STÜNDLICHE VERÄNDERLICHKEIT 
DER TEMPERATUR IM TAGESLAUFE UND DIE 
TÄCLICHE PERIODE DER TEMPERATUR 


NACH DEN THERMOGRAPHENAUFZEICHNUNGEN AM K. K. MARITIMEN OBSERVATORIUM IN TRIEST 


VON 


EDUARD MAZELLE 


VORGELEGT IN DER SITZUNG AM 23. MAI 1913 


1. Stündliche Veränderlichkeit der Temperatur im Tageslaufe. 


Als ich den täglichen Gang der interdiurnen Veränderlichkeit der Lufttemperatur einer Unter- 
suchung unterzog!, war mir schon der Gedanke gekommen, auch die Veränderlichkeit der Temperatur 
von Stunde zu Stunde zu bestimmen, doch unterließ ich diese Arbeit in der Befürchtung, daß hierbei nur 
die gewöhnliche tägliche Periode der Temperatur zur Geltung gelangen kann. Anfragen technischer Seite 
in bezug auf die größten Schwankungen, die die Lufttemperatur von einer Stunde zur anderen an der Adria 
erreichen kann, veranlaßten mich, dieser Frage wieder näher zu treten. 

Zu diesem Zwecke wurden die Thermographenaufzeichnungen des k. k. maritimen Observatoriums 
in Triest der fünf Jahre 1903 bis 1907 herangezogen, indem von Stunde zu Stunde die Abweichungen der 
Lufttemperatur unter Berücksichtigung des Vorzeichens dieser Änderungen bestimmt wurden. 

Für die einzelnen Monate wurden vorerst die Mittelwerte dieser stündlichen Veränderlichkeit abge- 
leitet. In der Tabelle I sind die fünfjährigen Ergebnisse für die einzelnen Monate zusammengestellt. 

Das gleiche Resultat bekommt man natürlich, wenn die stündlichen Temperaturmittel für die ein- 
zelnen Monate dieser fünf Jahre gebildet und daraus die Differenzen von Stunde zu Stunde bestimmt 
werden. Die größte Zunahme der Temperatur findet im Jänner mit 08° von 10-11" vormittags statt, die- 
selbe verfrüht sich sukzessive im Laufe des Jahres und nimmt an Größe zu, bis zum Juli und August, wo 
diese größte Zunahme in der Stunde von 6—7" früh stattfindet und im August den Betrag von 15° erreicht. 
Von hier aus fällt der stärkste Anstieg der Temperaturkurve auf immer spätere Vormittagsstunden und 
nimmt an Größe ab. Der absteigende Ast der täglichen Temperaturkurve erreicht sein stärkstes Fallen im 


1 Beitrag zur Bestimmung des tägliche Ganges der Veränderlichkeit der Lufttemperatur, Sitzungsberichte der kais. Akad. 
d. Wiss. in Wien, math.-naturw. Klasse, Bd. 54, Abt. ITa, Oktober 1895. 
Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC. Bd. 33 


228 E. Mazelle, 


9» abends bis 6" früh zwischen 0:39° und 0'29°. Von 6® früh an findet eine sehr rasche Zunahme der 
stündlichen Änderung statt, das Maximum fällt auf 8—9% vormittags mit 1-01°. Die Änderungen werden N 
sodann kleiner, erreichen das zweite Minimum um 3" nachmittags mit 0:42°. Die Veränderlichkeit nimmt 
wieder zu bis zum zweiten Maximum von 0'86° in der Stunde von 6—-7" abends. Veränderlichkeiten. \ 
größer als der Mittelwert haben im Frühling die Stunden von 6" früh bis 1? nachmittags und die von 5-8 
nachmittags. Die mittlere stündliche Änderung beträgt im Frühling 054°. ' i i 

Im Sommer reduziert sich die nahezu konstante, kleine Veränderlichkeit auf die 6 = von 11®° 
nachts bis 5" früh mit einem mittleren Betrage von 0:35°, dieselbe schwankt zwischen 0:37° und 029° j 
Die kleinste Änderung findet von 4—5? früh statt. Diese nimmt sodann rasch zu, erreicht ihr Maximum ° 
schon um 6—7% früh mit 149°. Die Veränderlichkeit nimmt sodann wieder regelmäßig ab, bis um 2 — 3% | 
nachmittags das zweite Minimum mit 0°43° erreicht wird. Die zweite Zunahme der Veränderlichkeit 
kommt zu ihrem größten Wert zwischen 6—7" abends mit 0 98°. Die größeren Änderungen finden vor- 
mittags zwischen 6—10" statt und abends von 6—9*. Im Sommer beträgt die mittlere Veränderlichkeit 
0°63° pro Stunde. ° | 

Im Herbst ist wieder die Änderung der Temperatur in den Nachtstunden von 8" abends bis 6" früh, 
durch 10 Stunden fast konstant bei 0'3°; die mittlere Abweichung beträgt hier 0-30°, bei Schwankungen 


zwischen 0:35° und 0'27°. Das Minimum fällt auf 4—5" früh, das zweite Minimum mit 0:32° in der ° 


a ng en na 


Stunde von 1—2* nachmittags. Größere Änderungen über den Mittelwert finden statt von 6" früh bis 
Mittag, mit dem Maximum von 0:95° um 8—9" vormittags, und von 4—7" nachmittags, mit dem zweiten 
Maximum von 0:66° um 5—6#. Die mittlere Abweichung beträgt im Herbst 046°. 

Nachfolgende Zusammenstellung gibt übersichtlich, die Extreme und ihre Eintrittszeiten wieder: 


Extreme der mittleren Änderungen. 


Min. Max. Min. Max. 
Winter Zoos rm 0-27°, 5—6ha. 0-75°, 10-11. 029% 2hp. 054°, A—-5hp. 
Brühlmert Gerd. 030 A, 1:01°%, 8 Qua. 042°, 3h p. . . 0:86°, 6-7hp. 
Sommen mal a 0:29°%, 4-5ha. 1:49°, 6= 7ha. 0:43°, 2—3hp. 0:98°, 6—-7hp. 
Hexpst 2, Imn..n Kup 2 ae 095°, 8— Yha, 0232, horn: a 


Die kleinsten Änderungen schwanken in den einzelnen Jahreszeiten nur zwischen 4—-6* früh und 
2—3" nachmittags, während die größten Änderungen vom Winter auf den Sommer sich vormittags stark 
verfrühen und nachmittags stark verspäten. Im Winter findet die größte vormittägige Änderung zwischen 
10— 11" statt, im Sommer hingegen schon in der Stunde von 6— 7%; nachmittags im Winter von 4—5#, im 
Sommer erst von 6— 7". 

Die kleineren Änderungen in den Nachtstunden sind zu allen Jahreszeiten fast gleich, annähernd bei 
0'3°. Die kleinen Veränderlichkeiten zur Zeit des Temperaturmaximums sind im Winter am kleinsten, 
029°, im Sommer am größten, 0°48°. 

Die größeren Änderungen zur Zeit des raschesten Steigens und Sinkens der täglichen Temperatur- 
kurve nehmen regelmäßig vom Winter auf den Sommer zu, 0:75° gegen 1'49°, beziehungsweise 054° 
gegen 0°98°; im Sommer fast doppelt so groß als im Winter. 

Die Änderungen zur Zeit der Temperaturzunahme sind immer größer als zur Zeit der Abnahme der 
Temperatur, im Winter 1'4mal, 0:75° gegen 0°54°, im Sommer 1'5mal, 149° gegen 0:98°. 

Die Amplituden der täglichen Periode dieser mittleren Anderungen erreichen in den einzelnen 
Monaten nachfolgende Beträge: 


Jänner Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember 
0:58° 052° 073° VS 1:08° Ilor Illon 11-232 104° 067° 066° 0:40° 
Winter Frühling Sommer Herbst Jahr 
0:48° 071° 1:20° 0:67° 0-62°. 


Die periodische Schwankung ist demnach im Dezember am kleinsten, im August am größten. Im 
Sommer resultiert eine 21/,mal größere Amplitude als im Winter. 


Die Temperatwrveränderlichkeit im Tageslaufe. 229 


Erwärmungen und Erkaltungen von Stunde zu Stunde. Aus den von Stunde zu Stunde 
für die einzelnen Tage dieser fünf Jahre bestimmten positiven und negativen Änderungen wurden die 
mittleren Erwärmungen und Erkaltungen bestimmt. Hierbei wurden die Fälle, wo keine Änderung der 
Temperatur von einer Stunde zur anderen stattfand, nicht berücksichtigt. Diese mittleren Abweichungen 
‘wurden daher aus der Summe der Änderungen eines Vorzeichens und der Anzahl der Fälle dieses Vor- 
zeichens für jede einzelne Stunde abgeleitet. Die fünfjährigen Mittelwerte der einzelnen Monate sind in 
den Tabellen III und IV dargestellt. 

Die größte Erwärmung findet natürlich zur gleichen Zeit statt, zu welcher bei der mittleren stünd- 
lichen Veränderlichkeit (Tabelle I) die positiven Änderungen ihren größten Wert erreichten. Im Dezember 
und Jänner in der Stunde von 10— 11" vormittags, im Juni, Juli und August von 6—7" früh. Die maxi- 
malen Erwärmungen sind im Dezember am kleinsten, 0°7°, im Juli und August am größten, 1°6° in 
einer Stunde. 

Das allgemeine Mittel dieser Erwärmungen beträgt im Dezember 037°, im Juli 0°59°. 

Zur Bestimmung der täglichen Periode wurden die Mittelwerte der einzelnen Jahreszeiten bestimmt. 


Tabelle 3. 


Mittlere positive Änderung. 


| Winter | Frühling | Sommer , Herbst Jahr | Winter | Frühling | Sommer | Herbst Jahr 

12— 1ha. 0:37 0:33 0:30 0-29 0-32 12— 1hp. 0:46 057 0:53 0:42 0:50 
— 2 36 "34 "37 ‚34 “35 —_ 2 33 54 50 36 43 
u) "37 -34 "37 "33 "35 — 3 "27% "41 "44 "34 237 
4 "33 "33 237 "32 "34 un ZN 2A "49 35 38 
— 5 31 33 33 35 33 —5 41 38 "41 45 41 
— 6 "33 47 62 33 44 — 6 29 43 43 25x 39 
— 7 -34 1:01 1:54 "52 85 — 7 29x 24x "21x 40 29x 
— 8 "37 1:03 1:37 65 86 — 8 36 38 "42 28 36 
Bu -56| 1:07 | 1:23] 1:0 97 ug :33 38 39 27 34 
—10 77 0:84 090 90 85 —10 32 31 36 30 32 
—11 s0 78 "66 78 76 —1l a! "32 "37 31 "33 
—12 -60 64 60 "57 60 —12 32 27 35 30 Sl 
Mittel o39| o51ı| o:56| 0-43 | 0-48 


Diese Werte zeigen schon eine große Regelmäßigkeit und wurden zur Ausscheidung kleinerer 
1 
Unregelmäßigkeiten noch einer Ausgleichsrechnung nach m (a + 2b + c) unterzogen. Die erhaltenen Werte 
sind in der Tabelle 4 angeführt. 


Das Charakteristische zu allen Jahreszeiten ist, daß die Erwärmungen nur durch einige Stunden, 
zur Zeit des größten Temperaturanstieges, größere Werte erreichen, in der Stunde von 1—2" nachmittags 
bereits unter den Mittelwert sinken, um dann während des ganzen Nachmittags und der Nacht annähernd 
die gleichen, kleinen Beträge beizubehalten, wenn von ganz unbedeutenden Schwankungen, die nur 
Hundertelgrade erreichen, abgesehen wird. 

Im Winter beginnen Erwärmungen über den Mittelwert von 0:39° in der Stunde von 7—8® früh, 
steigen bis auf den Betrag von 074° in der Stunde von 10— 11" vormittags, nehmen sodann rasch ab, so 
daß bereits in der Stunde von 1 auf 2" nachmittags die Erwärmung unter den Mittelwert sinkt, um 3" 
nachmittags den kleinsten Wert mit 0:29° erreicht, um dann durch alle Stunden zwischen 0°30° und 
0'36° zu bleiben. 


E. Mazxelle, 


Tabelle 4. 


Mittlere positive Änderung. 


I 
Ausgeglichen nach w (a +2b+.e). 


- 


Winter | Frühling | Sommer Herbst Jahr | ‚Winter De Sommer | Herbst Jahr 

12— 1Iha 0:36 0-32 |. 0'838 0:30 0:33 12— {hp 0:46 0:58 0-54 0:44 0.51 
—'2 "36 "34 35 "32 "34 — 2 2) 51 "49 "37 43 
- 83 "36 "34 "37 "33 "35 8 29x "44 "47 35% 39 
— 4 34 "33 "36 .33 "34 — 4 30 40 "46 "37 -38 
— 5 "32 "37 41 "34 "36 | —5 "34 -40 "43 "37 "38 
- 6 33 "57 78 "38 "51 — 6 32 "37 "37 "34 "35 
— 7 "34 "88 1:27 "51 75 —.7 31 "32x 32x 33 32x 
— 8 41 1:04 1:33 71 "89 — 8 "33 "34 36 "31 34 
— 9 87 1:00 1 "89 91 — 9 "33 "36 "39 "28% "34 
—10 u 0:88 92 90 "86 — 10 "32 "33 37 "29 "383 
—11 74 76 71 76 "74 — 11 "32 31 36 "30 32 
—12 "62 "66 60 9 "62 —12 "33 30 "34 "30 "32 
{ Mittel 0:39 51) 0856| 0-48| 0-48 


Im Frühling sind die größten Erwärmungen von 5° früh bis 2% nachmittags zu ersehen, das 
Maximum mit 104° findet in der Stunde von 7— 8?" früh statt. Die kleinste mittlere Erwärmung fällt auf 
6—7" nachmittags, mit 0:32°. Von 3° nachmittags bis 5% früh schwankt die Größe der mittleren Erwär- 


mung zwischen 0°40° und 0°30°. 


Im Sommer beginnen nach 5? früh die Erwärmungen rasch an Größe zuzunehmen, erreichen den 
größten Betrag, 1'38°, um 7—8* früh, nehmen sodann rasch ab, um bereits um 1” nachmittags unter den 
Mittelwert zu sinken. Von 5? nachmittags an bewegen sich die mittleren Erwärmungen nur mehr zwischen 
0:32° und 039°. Die kleinste Erwärmung, 032°, fällt auf die Stunde von 6—7” nachmittags. 


Im Herbst werden die Erwärmungen wieder kleiner. Beträge über den Mittelwert kommen von 6" 


früh bis 1° nachmittags vor, mit dem Maximum von 0'90° um 9—10%; durch alle übrigen Stunden 


resultiert nur eine kleine, nahezu gleiche Erwärmung,die nur zwischen 0:37° und 0:28° schwankt. 


Erwärmungen von und über 0°5° finden statt im 


Winter 
Frühling . 
Sommer . 


Herbst 


. durch 


>» 


>. ll 


D2 


» » 


» » 


» » 


5h » 2ıh 
5b „ » 4h 
6N >» 


5 Stunden, von 8% früh bis 1% nachmittags 


>» 


>» 


» Mittags. 


Die nahezu gleichen Erwärmungen, kleiner als O'4°, sind zu bemerken im 


Winter . 

Aruhline eh ee 1 
Sommers mal. a ee 
KIELDSE Nr a an an aa LT 


5h 
5h 


> UN? 
» » 


yhı 


» » 


In der kalten Jahreszeit ist demnach von 
der warmen Jahreshälfte von 5" nachmittags bis 4", beziehungsweise ‚ö" früh eine mittlere Erwärmung 


von 0'34° zu erwarten. 


>» 


» 


» 


» 


» 


» 


5b „ » 
4 1 1 » >» 
6h >» » 


» 


» 


» 


. durch 18 Stunden, von Il nachmittags bis 7% früh, mit einem mittleren Betrage von 0'33° 


034° 
036° 
033° 


>» » >» 


» » » 


>» » R » 


1" nachmittags bis 6", beziehungsweise 7" früh, und in 


Die Temperaturveränderlichkeit im Tageslanfe. 231 


Übersichtlich zusammengestellt sind die Extreme der Erwärmungen und ihre Eintrittszeiten nach- 


folgende: 
Maximum Minimum Schwankung 
inter AI ER 0:29°, 2—3hp, 045° 
Brünn a 104 zn, 0:32°%, 6—-7lp, 0,729 
Sommer. a a ee 38t ne Bllel, 0-32°, 6—7hp. 1:06° 
Herbst 0908.91, 0:28°, 8—-9Yhp. 062° 
(0:35°, 2— 3% p.) 


Die Schwankung in der täglichen Periode ist im Sommer am größten, 1°06°, im Winter am 
kleinsten, 045°. 

Die in der Tabelle IV mitgeteilten mittleren negativen Änderungen zeigen, daß auch die Erkaltungen 
den kleinsten Wert in den Wintermonaten erreichen, Jänner 0:37°, die größten in den Sommermonaten, 
Juli 0:67°. 

Im Laufe eines Tages finden die größten Erkaltungen im allgemeinen nachmittags zwischen 4 und 8" 
statt. Die Eintrittszeiten in den einzelnen Monaten entsprechen den in der Tabelle I hervorgehobenen Ein- 
trittszeiten der mittleren negativen stündlichen Veränderlichkeit. In den Wintermonaten ist die größte 
mittlere Erkaltung in der Stunde von 4—5" nachmittags zu bemerken, in den Sommermonaten von 7—8" 
nachmittags. Doch ist hier hervorzuheben, daß in allen Monaten auch zur Zeit der Temperaturzunahme 
größere Erkaltungen stattfinden, so daß die tägliche Periode der mittleren Erkaltungen als eine Doppel- 
schwankung resultiert. In einzelnen Monaten dieser fünfjährigen Mittelwerte kommen sogar in den Vor- 
mittagsstunden, zur Zeit der allgemeinen Temperaturzunahme, größere mittlere Erkaltungen vor als in 
den Nachmittagsstunden, zur Zeit der allgemeinen Temperaturabnahme, und zwar im März, Juli, August, 
Oktober und Dezember. 

Vereinigen wir auch hier die einzelnen Monatswerte zu Jahreszeitenmitteln, so erhalten wir 


Tabelle 5, deren Werte nach = (a + 2b-+ c) ausgeglichen die in Tabelle 6 zusammengestellten Resultate 


ergeben. 
Die Doppelschwankung ist zu allen Jahreszeiten regelmäßig ausgeprägt. 


Tabelle 5. 


Mittlere negative Änderung. 


| Winter | Frühling | Sommer | Herbst Jahr Winter | Frühling.) Sommer | Herbst | Jahr 

12— 1ba. 0:38 0-47 0-46 0-42 0:43 12— 1hp. 0:40 0:69 0-63 0:54 0:57 
— 2 "33 "37 44 "32 "37 — 2 "30x 55 64 44 48 
— 3 "39 "39 "44 "35 "39 — 8 38 87 52% 41° 47% 
— 4 "33 "40 "40 "37 "38 — 4 "41 "32x "60 -49 “ol 
—5 "38 "38 "38% "35 "37 — 5 60 56 "55 65 59 
— 6 34 "37% "39 "32x -36* — 6 "53 "65 "62 71 "63 
= % "36 "37 "68 "46 "47 — U "46 "93 1:02 "65 77 
= 8 "30% "44 "58 "42 "44 — 8 "38 "66 0:96 "47 "61 
==.®) 34 "48 "97 64 61 — 9 39 58 "73 "42 3583 
— 10 "39 "66 71 "58 "59 — 10 "36 "43 ‚54 "39 "43 
ze "51 "52 "73 69 61 — 11 "39 41 "52 40 43 
—2 "45 "66 "75 "44 "58 — 12 "33 "38 ‚44 "43 "40 
Mittel 0:39 0:52 0.61 047 0.50 


232 E. Mazelle, 


Tabelle 6. 


Mittlere negative Änderung. 


Ausgeglichen nach — (a +2b+.). 


Winter Frühling Sommer | Herbst Jahr | | Winter | Frühling | Sommer | Herbst Jahr 
a 

N 0:36.| 0-42 0-45 0-40 | 0-A1 || 12— Ihp| 0:39 | 0:65 | 0:66.| -0-Aa Bor: 
ee -36 -40 -44 -35 -39 RD "34x 59 61 -46 -50 
3 -36 :39 43| 85 "38 2 -37 .55 -57 "44x »48x 
Big -36 -39 »40 -36 "38 ae! 45 54x "57% 51 52 
u -36 -38 -39x "35x "37% = 54 "57 -58 63 58 
276 -35 "37% -46 -36 -39 6 53 70 70 68 65 
47 -34 -39 -58 -41 -43 NET 45 :79 91 62 69 
8 32x -43 70 "48 -48 es 39 za -92 50 63 
EN -34 .52 81 -57 -56 eg 37 .56 74 42 52 
a) "41 "58 -78 -62 -60 210) -37 -46 +58 -40 "45 
ii -47 -59 73 -60 -60° N -37 “41 -50 4 | . +42 
er "45 -63 72 .58 "58 = -36 “41 "47 "42 -42 
3 Mittel 0399| 0:52 | 0-61 | 0-47 |, 0:50 


Die stündlichen Erkaltungen überschreiten im Winter den Mittelwert von 9" vormittags bis mittags 
und von 3—7" nachmittags. Die Maxima finden in den Stunden von 10—11" a. mit 0:47° und von 
4—5" p. mit 0:54° statt. In den Nachtstunden von 8" abends bis 9% vormittags sind die Erkaltungen zu 
allen Stunden klein und fast gleich groß. Die Mittelwerte schwanken bloß zwischen 0°37°.und 0°32°. 

Im Frühling kommen Erkaltungen über den entsprechenden Mittelwert von 9" vormittags bis 9" 
abends vor, mit den Maxima von Mittag bis 1" nachmittags, 0:65°, und von 6—7" abends, 0:79°. Von 
10" nachts bis 8" früh schwanken die mittleren Erkaltungen von Stunde zu Stunde nur zwischen 0°43° 
und 0:37°. 

Im Sommer sind die kleinen, konstanten Werte von 11" nachts bis 6" früh’ zu bemerken, sie 
schwanken zwischen 0°47° und 0:39°. Die größten mittleren Erkaltungen finden nachmittags von 5—9" 
statt, jedoch auch von 7° früh bis 1" nachmittags, mit den größten Beträgen in den Stunden von 7—8" p., 
0-92°, und 8—9# a. mit 081°. 

Ebenso ist im Herbst eine ähnliche Doppelschwankung ersichtlich; die Gangkurve erhebt sich über 
den Mittelwert um 8" vormittags, sinkt unter denselben nach 1" nachmittags, um von 3— 8" abends wieder 
über den Mittelwert zu bleiben. Das vormittägige Maximum wird mit 0'62° in der Stunde von 9— 10" 
erreicht, nachmittags findet das Maximum mit 0:68° von 5—6" statt. Von 8" abends nachtsüber bis 7" 
früh schwanken die mittleren Erkaltungen nur zwischen 0°42° und 035°. 

Erkaltungen über den Mittelwert sind daher zu bemerken im 


Winter . 2. 2 22.2.2 0.2... vorerst durch 3 Stunden, von 9h a. bis Mittag, dann durch 4 Stunden vnn 3h p.— Th p. 
Kruhlingn =. ls ne, durch 12 » » 9ha.—9hp. 

Sommer . 2.2.2.2... „ vorerst durch 6 Stunden, von 7% a.—1Np., dann durch 4 Stunden von 5h p.—9h p. 
BIELDSER AN ce nee TB > Du > » sha—1Ihp, >» » 5 » >» 3bp.—8hp. 


Nahezu gleiche Erkaltungen sind zu entnehmen im 


Winter 2 22.222.220. . durch 13 Stunden, von $h abends bis 9% vormittags, im mittleren Betrage von 0:36° 
Brunnen EINE, 20 » >. 10h > » $h früh » » » » 0:40° 
Sommers. oe 7 » » 11 nachts » 6 >» r > » » » 043° 


Herb 2 ee are » >»  8habends» 7b >» » > » » 0.38° 


Die Temperaturveränderlichkeit im Tageslaufe. 233 


Die Erkaltungen während der Nacht- und Morgenstunden halten sich demnach auf einem mittleren 
Betrage von rund 0O°4°, in der kalten Jahreszeit von 8" abends bis 8" früh und in der warmen Jahreszeit 
beiläufig von 10" abends bis 7% früh. 

Die Extreme und Eintrittszeiten für die Erkaltungen sind übersichtlich zusammengestellt nachfolgende: 


1. Minimum 1. Maximum 2. Minimum 2. Maximum 
Nnte OuB2e 7 — Eh a, 047°, 10—11ha. 0:34°, 1—2hp, 0:54°, 4—5hp. 
Einlesen u 2 030-6. 065°, 12— Ihp. Oulpaon ar Allen: 0:79°, 6—7Ahp. 
SOmmeLE nn 3A 5lte. 0°81°, 8— 9ha. 0:57°, 3—4hp. 0:92°, 7 —8hp. 
EIETDSte EN BD Aha, 07620 9 1022. 044°, 2—-3hp. 068°, 5—6hp. 


Die tägliche Schwankung ist im Winter am kleinsten, 0°22°, sie nimmt sodann zu, erreicht im 
Frühling 042°, wird im Sommer am größten, 0:53°, um im Herbst wieder abzunehmen, 033°. 

Aus einem Vergleiche zwischen den mittleren positiven und negativen Änderungen ersehen wir, daß 
dieselben im Winter gleich groß erscheinen, 0°39°. In den übrigen Jahreszeiten ist die mittlere Erkaltung 
srößer als die mittlere Erwärmung, im Sommer 0°:61° gegen 0:56°. 

Die Schwankungen in der täglichen Periode sind bei den Erwärmungen, mit ihrer einfachen täglichen 
Periode, stets größer als bei den Erkaltungen, mit ihrer doppelten täglichen Schwankung. 

Aus den unausgeglichenen Werten der Tabelle 3 und 5 resultiert nachfolgende 


tägliche Amplitude: 


Winter Frühling Sommer Herbst 
Enwatmuno nn uaan 0:83° 1832 02452 
Bilkallanmern. Nee 056° 0:64° 02392 


Daraus folgt für die Erwärmungen eine fast doppelt so große Schwankung als für die Erkaltungen, 
im Winter ist sie 1’Smal größer, im Sommer 2° Imal. 

Sowohl die Minima als auch die Maxima der Erwärmungen sind stärker ausgeprägt als die Extreme 
der Erkaltungen. 


Dieselben schwanken in ihren unausgeglichenen Werten zwischen nachfölgenden Größen: 


Extreme der Abweichungen. 


Erwärmungen ? Erkaltungen 
Maximum Minimum Maximum Minimum 
Wintese 9 2.3. 3. 0505 Or 060° 030° 
Allan oo dc. ao eo 024° 05935 Or 
SOIITERBL RE oA O2 102% 0:38° 
LIEHPSCEEE e 0 0252 Oral 0-32° 


Die mittlere positive Abweichung von einer Stunde zur anderen erreicht im Winter ein Maximum 
von 0'8°, die negative 0°6°, es ist demnach die maximale mittlere Erwärmung 1'3mal größer als die 
Erkaltung. Im Sommer 15° gegen 1°0°, demnach 1'5mal größer. 

Im Jahresdurchschnitt resultiert sowohl für die Erwärmung wie für die Erkaltung die gleiche mittlere 
Änderung von 0°5° von einer Stunde zur anderen. 


Häufigkeit der Erwärmungen und Erkaltungen. In den Tabellen V bis VII sind die Anzahl 
der Fälle mit positiven und negativen Änderungen, wie auch die Anzahl jener Fälle dargestellt, an welchen 
von einer Stunde zur nächsten keine Temperaturänderung stattfand. 

Die tägliche Periode der Häufigkeit der Erwärmungen stimmt mit der oben besprochenen Periode 


der Größe der positiven Änderungen. überein. Bei den Erkaltungen ist hingegen die früher hervorgehobene 
Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC. Bd. 33 


234 E. Maszelle, 


Doppelschwankung nicht ersichtlich. Die größten Häufigkeiten der Erkaltungen treten zu den gleichen 
Stunden auf wie die Nachmittagsmaxima der mittleren negativen Änderungen. 

Die einzelnen Monatssummen dieses fünfjährigen Zeitraumes wurden ebenfalls nach Jahreszeiten 
zusammengefaßt und da denselben eine verschiedene Tagesanzahl zukommt (Winter 451 Tage, Frühling 
und Sommer 460 Tage, Herbst 455), wurden diese Häufigkeitswerte auf je 100 Tage reduziert. Die Ergeb- 
nisse sind in den Tabellen 7, 8 und 9 ersichtlich gemacht. 

Aus diesen Tabellen ist zu entnehmen, daß die größten Häufigkeiten der Erwärmungen im Winter 
und Herbst von 6" früh bis 2" nachmittags vorkommen, im Frühling und Sommer von ö" früh bis 2" nach- 
mittags. 

Die Frequenzmaxima der positiven Änderungen fallen im Winter auf die Stunde von 10— 11" vor- 
mittags, im Sommer auf 7—8" früh. 

Für die Erwärmungen resultieren nachfolgende Häufigkeitsextreme: 


Maxima Minima 
Winter nn 228390, 10 lee, 1109/0, 4—5N p. 
Frühling . . . .:.9100, 7 8ha. 70/,, 6-74 p. 
Sommer. “22 2.21940/,, 0 eben. 40), 6-7 p. 
Herbst . . . 2...890, 8— ba. 60/0, 4-5 p. 


Die kleinste Anzahl der Erwärmungen findet nachmittags zwischen 4 und 7" statt, im Winter und 
Herbst von 4—5", im Frühling und Sommer von 6—7". 

Zur Zeit der größten Häufigkeit einer Temperaturzunahme findet dieselbe mit einer Wahrscheinlich- 
keit von rund 90 gegen 100 statt, im Winter mit 89°/,, im Sommer mit 94°/,, während am Nachmittag, zur 
Zeit der geringsten Häufigkeit der Erwärmung, die Wahrscheinlichkeit des Eintreffens sehr klein wird, im 
Winter 11, im Sommer nur 4 unter 100 Tagen. 

Nachtsüber kommen nicht unbedeutende Häufigkeiten für die Erwärmungen vor, unter 100 Fällen 
mehr als 25, an welchen die Temperatur von einer Stunde zur anderen eine Zunahme zeigte, und zwar im 
Winter mit größerer Wahrscheinlichkeit als im Sommer. So finden Erwärmungen in der Zeit von 9 abends 
bis 3° früh im Winter durchschnittlich mit einer Wahrscheinlichkeit von 31, im Frühling mit 25, im Sommer 
mit 19 und im Herbst mit 29°/, statt. 


Tabelle 7. 


Häufigkeit der positiven Änderungen 


in Prozenten. 


Winter | Frühling | Sommer | Herbst Jahr Winter | Frühling | Sommer | Herbst Jahr 
12— 1ha 31 28 25 31 29 12— INp 69 60 61 62 63 
— 2 34 28 21 30 28 — 2 93 99 60 48 54 
— 3 35 30 26 33 31 - 8 24 41 40 22 32 
— 4 37 30 31 28 32 a 14 28 28 13 21 
— 5 36 39 37 31 39 — 5 11x 20 21 6x 15 
— 6 35 57 0) 39 583 —6 17 S 12 S 11 
— 7 43 82 94 67 71 = % 18 7% 4x 12 10x 
— 8 50 91 94 82 79 —ı8 22 9 B) 15 13 
— 9 79 90 92 sg ss — 9 27 11 6 19 16 
— 10 86 2 73 88 s1 — 10 26 19 g 23 19 
—I1 SI 70 60 84 76 —I1 30 22 16 26 23 
—12 82 65 65 76 72 — 12 30 25 18 30 26 
Mittel a le Se 41 40 41 

| 


Die Temperaturveränderlichkeit im Tageslaufe. 235 


Tabelle 8. 


Häufigkeit der negativen Änderungen 


in Prozenten. 


Winter | Frühling | Sommer | Herbst Jahr Winter | Frühling | Sommer | Herbst Jahr 
orte 53 58 65 58 58 12— .ihp 20 31 29 28 27 
— 2 50 59 65 54 om — 2 35 32 31 36 34 
— 8 50 60 65 52 87 - 8 61 46 46 61 53 
48 55 54 51 52 4 79 59 55 78 68 
=15 48 49 45 51 48 —5 32 74 71 90 79 
— 6 44 30 12 45 33 — 6 0 87 82 85 82 
— 7 42 12 6) 20 20 — 7 72 8) 94 80 s4 
— 8 31 6x dx 12 14 — 8 64 83 93 72 78 
EI 12 7 7x 5x — 9 58 82 91 69 75 
— 10 7 17 20 9 13 — 10 60 70 54 64 70 
— 7x 25 31 11 18 —11 55 66 8) 58 63 
— 12 ; 12 30 26 17 21 —12 883 59 69 55 59 
Mittel 47 49 Hl 48 49 

Tabelle 9. 

Häufigkeit der Fälle ohne Änderungen 

in Prozenten. 
| Winter | Frühling | Sommer | Herbst Jahr | Winter | Frühling | Sommer | Herbst Jahr 
Da 16 14 10 11 13 12— Ihp. 11 9 10 10 10 
— 2 16 13 14 16 15 — 2 12 13 9 16 1% 
— 8 15 10 9 15 12) — 8 15 13 14 17 15 
— 4 15 15 15 2 16 — 4 7 13 1% 9 11 
—5 16 16 18 18 17 — 5 7 6 8 4 6 
—6 21 13 8 16 14 — 6 8 5 6 7 7 
— 7 15 6 1 13 9 7, 10 4 2 8 6 
—ı.8 19 3 1 6 7 =8 14 s 2 13 9 
8 9 3 1 4 4 =) 15 2 3 12 9 
—10 7 6 7 3 6 — 10 14 11 7 13 11 
— 11 4 5) 9 5 6 —11 15 12 il 16 14 
— 12 6 5 9 7 TE — 12 17 16 13 15 15 
Mittel 2 10 8 1727 10 


Für die Häufigkeit der Erkaltungen findet genau der entgegengesetzte tägliche Gang statt. Die 
größten Frequenzen der Erkaltungen kommen nachmittags und nachtsüber vor, im Winter und Herkst 
von 2" nachmittags bis 5" früh, im Frühling und Sommer von 3" nachmittags bis 4" früh. 


236 E. Mazelle, 


Die Häufigkeitsextreme der Erkaltungen und ihre Eintrittszeiten sind folgende: 


Maximum Minimum 
Winter. ... .. . .820/, 4—-5hp. 7%, 10—11ha. 
Frühling . . . .. . 8900, 6=7Ap. 60), 7— 8ha. 
Sommer 2.2 222940, 6 rm, 50, 7— 8ha 
Herbst. . . . ... . 900), 4—5l p. 7%, 8— Ma. 


Auch bei den Erkaltungen ist die Schwankung zwischen der größten und kleinsten Häufigkeit im 
Sommer am größten, im Winter am kleinsten. Zur Zeit der größten Wahrscheinlichkeit für das Eintreffen 
negativer Temperaturänderungen finden dieselben im Winter mit 82, im Sommer mit 940), statt, zur 
Zeit der kleinsten Wahrscheinlichkeit im Winter mit 7, im Sommer mit 5°).. 

Zur wärmsten Tageszeit, um 2” nachmittags, kommen zu allen Jahreszeiten Temperaturerniedri- 
gungen mit etwas mehr als 30 unter 100 Fällen vor, im Winter mit 35, im Sommer mit 31%,. 

Keine Temperaturänderung von einer Stunde zur anderen kommt durchschnittlich mit einer Wahr- 
scheinlichkeit von 10°/, vor. Am häufigsten ist dieselbe nachtsüber zu bemerken, aber auch von 1—4% 
nachmittags. | 

Größere Häufigkeiten als das entsprechende Tagesmittel sind zu entnehmen nachtsüber im 


Winter... .. .. .von 7N abends bis 8" früh, mit einem mittleren Betrage von 160), 
Frühling; | Ur 2 Mas Sat Due » Slam 
Sommer rn or > OE> uche > » » > » 130), 
Herbst. Er en ah > Se > » » » 150), 


Und tagsüber im 


Winter... ... ....von 2-—3h nachmittags, durchschnittlich mit 150/, 
Brühling .. „ur en ol Al » >» » 1830/9 
Sommer . 22.2. +...» 10% vormittags his 4% nachmittags, durehschnittlich-mit 110), 
Herbst... ..... >» 1-3" nachmittags, durchschnittlich mit 170), 


Den Mittelwerten nach kommt zu allen Jahreszeiten fast die gleiche Häufigkeit positiver Änderungen 
vor (41°/,), negative Änderungen zeigen eine größere Häufigkeit im Sommer (51°/,) als im Winter (47°),), 
daher kommen die Fälle ohne Temperaturänderungen am häufigsten im Winter (12°/,), seltener im Sommer 
(8°/,) vor. 

Um das gegenseitige Verhalten der Häufigkeiten der Erwärmungen und Erkaltungen im Laufe des 
Tages übersichtlicher darzustellen, wurden noch die Quotienten zwischen der Frequenz positiver und 
negativer Temperaturänderungen bestimmt; dieselben finden sich in Tabelle 10. 

Aus dem ersten Teile dieser Tabelle ist zu ersehen, um wie viel die Frequenz der Erwärmungen 
gegenüber der der Erkaltungen in den Vormittagsstunden von 5®, beziehungsweise 6" und 7" früh bis 2% 
nachmittags überwiegt, während die zweite Hälfte der Tabelle das Verhältnis für die größere Häufigkeit 
der Erkaltungen gegenüber der Erwärmungen für die Nachmittags- und Nachtstunden von 2% nach- 
mittags an bis 5®, beziehungsweise 6? früh darstellt. 

Zur Zeit der größten Frequenz der Erwärmungen kommen .diese im Winter 13mal häufiger vor als 
die Erkaltungen, im Frühling 15mal, im Sommer 19mal und im Herbst 13mal. 

In den Stunden der Frequenzmaxima der Erkaltungen treten diese im Vergleiche zu den Erwär- 
mungen im Winter 8mal, im Frühling 13mal, im Sommer 24mal und im Herbst 15 mal häufiger auf. 


Mittlere Maxima der Erwärmungen und Erkaltungen. Für diesen fünfjährigen Beobachtungs- 
zeitraum wurden für jede einzelne Stunde die mittleren Maxima der positiven und negativen Änderungen 
bestimmt; die Ergebnisse sind in den Tabellen VIII und IX zusammengestellt. Im ganzen und großen 
zeigt sich dieselbe Verteilung wie bei den mittleren Beträgen der Erwärmungen und Erkaltungen. Die 


| 
| 


Die Temperaturveränderlichkeit im Tageslaufe. DalT 


Tabelle 10, 


Quotienten zwischen den Häufigkeiten der Änderungen 


» 
verschiedenen Vorzeichens. 
Erwärmungen durch Erkaltungen durch Erwärmungen durch Erkaltungen durch 
Erkaltungen Erwärmungen Erkaltungen Erwärmungen 
an 5 on 5 t 80 5 3 on = 7] 
nl ne ee an a IE Ele we ae 
= Ss = @ = = = = S = = @ = = = = 
Ss =) & = 5 = AS = = 
= Eule ee Zi Ele en) a 
Per: 091.025 | 0241 025 | le 26 eo ln sis 2 22027053 0:5 "5| 0-5 
2 O7. OS Wa We a ze ae ler — 2 ısal 10 rg) 1° Ve WR, Ve OR 
— 8 0,77 0210225 22 05281521056 15.2 22220 2279116 — 83 ol Od WM zei a le 29 
— 4 v8. Br OB Ba elle le le — 4 052.055 02.0252. 0272 775,76 1222321 252210 11620 
— 5 oe, We Er ee a ll 0 5) ri oa oa oe Ze ar 415°0 
—6 ol = 87 ae ee. De — 6 O2 Br Bi De 2er Br 
—,7 10) O8 1a 8 ro oe oe — 7 oe Del oil) oa ron ae ee 
— 8 1:6) 15°2| 18:S| 6°83| 0°6| 0-1) 0-1| 0-1 — 8 vB Bl Te 02 ze az are re 
— 9 626 11229 am 127 0102217 0m 00a — 9 v8 Veil Oi Orr Ze 7) 1 3° 
—10 12280 22010..3587702928 10. 02117.022152.023) 7021 — 10 vl OB Fl Oi 2 er Bee 2 
—11 12-7 2:8) 19 26 LO 0 OO —11 029172.028 7.2.0122 12.0174 172182813120 52226 02572 
—12 68) Zu 275 29 15.010205 E02 052 —12 (0805) eK 2 EKD) EEK JG) Kies Be) er 302) 3 
Quotienten 
der 
mittleren ! 
sauneiken: || O=Bl WEB 0 Be el rl el 2 


größten Erwärmungen sind vormittags, die größten Erkaltungen nachmittags zu ersehen. Die größten 
positiven Änderungen kommen in den Wintermonaten zwischen 10 und 11” vormittags vor, in den 
Sommermonaten von 6—7" früh. Die kleinsten im allgemeinen zwischen 4 und 7" nachmittags. Die größten 
Werte der Erkaltungen sind in dieser fünfjährigen Reihe noch unregelmäßig auf einzelne Nachmittags- 
stunden verteilt, doch ist hervorzuheben, daß die bei den Mittelwerten der negativen Abweichungen 
deutlich ersichtliche Doppelschwankung, mit der Zunahme in den Vormittagsstunden, bei den mittleren 
Maxima der Erkaltungen nicht hervortritt. 

In den Sommermonaten sind die Änderungen stets größer als in den Wintermonaten. Bei den 
Erwärmungen erreicht das mittlere Maximum im Dezember den Betrag von 1'8°, im Juni und August 
31°; bei den Erkaltungen ist das größte mittlere Maximum im Dezember mit 1:5° zu entnehmen, im 
Juni und September mit 3°7°. 

Im allgemeinen überschreiten in den kalten Monaten die größten mittleren Maxima der Erwärmungen 
den Betrag der entsprechenden Maximalwerte der Erkaltungen, in den warmen Monaten sind hingegen 
die Erkaltungen größer. 

Jänner Februar März April Mai Juni Juli August Sept. Okt. Nov. Dez. 


Maxmima der 


Erwärmungen . . 2:6 2:3 2:7 2:6 2:6 Bil 3:0 Sul Dilo 2-0 24 1:8 
Erkaltungen . . . 1'8 129 02 2:4 2:7 3:7 2-8 32 37 2:5 127 5 


Die Werte dieser zwei Tabellen VIII und IX zu Jahreszeitmitteln vereinigt geben die Tabellen 11 
und 12. 

Man ersieht daraus, daß zur Zeit des steilsten Anstieges in der täglichen Gangkurve der Temperatur 
Erwärmungen vorkommen, deren mittlerer maximaler Betrag im Winter mit 22° resultiert, im Herbst mit 
2:3°, im Frühling mit 24° und im Sommer mit 3°1°. Zur Zeit des steilsten Temperaturabfalles in der 


238 E. Mazelle, | R 


täglichen Gangkurve kommen Erwärmungen vor, mit einem mittleren Maximum von 0°6° im Winter, 0:3° 
im Sommer. 

Die nachmittags auftretenden größten Erkaltungen erreichen im Winter 1:7°, im Frühling 22°, im 
Herbst 2:3° und im Sommer 2°9°, während vormittags die kleinsten negativen Änderungen von ein 
Stunde zur anderen im Winter, Frühling und Herbst mit 0°6°, im Sommer mit 0:8° resultieren. 


£ j 1 3 a 
Zur Darstellung der täglichen Periode wurden diese Werte nach RG +2b-+ c) ausgeglichen, die 


Ergebnisse finden sich in den Tabellen 13 und 14. 


Tabelle 11. 


Mittlere Maxima der Erwärmungen. 


| Winter | Frühling | Sommer | Herbst Jahr | Winter | Frühling | Sommer | Herbst | Jahr 

12— 1a 0:96 OS 0:83 0:71 0:85 12— 1hp. 1:37 1:57 1:62 1'35 1-48 
— 2 1:09 0:95 0:75 0:78 0:89 = 2 1:09 1:64 1:48 1:04 1:31 
— 3 NS 0:99 0:89 0:85 Oz — & 065 122 1:38 0:77 1:01 
— 4 1:04 1:00 1:09 0:75 0:97 4 0:57x| 1:03 1:36 0:85 095 
a) 0:83 0:91 0:81 0:81 0:84 =‘ 0:61 0:88 0:79 | 0:65 0:73 
= .@ 0:93 1:35 1:45 0:94 old — 6 0:59 0:67 0:86 0:35x| 0:62 
— 7 1:13 225 3:05 1:65 2:02 — A 0:69 0-45x| 0:27«| 0-87 0:57x 
— 8 1:15 2:23 2:59 1:58 1:89 = & 0:99 0:73 0:54 0:61 0-72 
—g 1:59 2:41 257 2:32 2:22 — 9 0:96 0:82 0:54 0:63 0:74 
—10 1:98 2:29 215 2-19 215 —10 0:83 0:76 0:58 0:69 0-72 
—11 2:19 1:99 OR 1:89 1:96 ill VZU 0:73 MT 0:77 0:76 
—12 1:61 1:89 1:96 1:73 1:80 —12 so) 0:64 0:75 0:83 0:81 
Mittel 1:07 1:26 1-29 107 Ne 

Tabelle 12. 
Mittlere Maxima der Erkaltungen. 

Winter | Frühling | Sommer | Herbst Jahr | | Winter | Frühling | Sommer | Herbst | Jahr 
12— 1Na. 1:33 1:79 1:61 1:49 1:56 12— 1Np 0:94 2:05 2:15 1:39 1:63 
— 2 0:94 1:35 1:50 0:95 1218) — 2 0:83 1:79 2:22 1'45 1:57 
— 3 1:50 1-21 v2 12210 1:40 — 3 1:32 1:90 1:63 1:70 1:64 
— 4 ikeoil 102% 1:23 1:18 1:17 — 4 1-21 1:66 2:87 1:94 192 
— 5 1221 1,22 1:09 0:99 als — 5 1:74 1:91 2-28 1"87 1:95 
— 6 0:99 0:79 0:77x| 0:89 0:86 — 6 1:49 175 33 2:50 1:97 
— 7 1:18 0:73 0:85 121 0:99 — 7 1:24 2:17 59 1:69 1292 
— 8 oz 0:61x| 0:85 0:61x]| 0:69 — 8 1:06 2.01 2:87 1:47 1:73 
— 9 0:69 0:78 1:35 al 1:00 —9 1221 1-82 1:86 1:40 No 
— 10 0-61x 139 1:69 1:01 ar =) 0-91 IT 1:74 1:13 1'24 
—11 0:79 1:42 225 wohl 1:39 — U] 1-12 slq 1'833 1'22 1:21 
—12 ORT, 2) 2-25 6 1-51 —12 1:13 1:04 11772 1:69 1:40 
Mittel 1:08 1:45 one 1°35 141 


Die Temperaturveränderlichkeit im Tageslaufe. 239 
Tabelle 13. 
Mittlere Maxima der Erwärmungen. 
k 1 
Ausgeglichen nach IR (a+2b-+e). 
Winter | Frühling | Sommer | Herbst | Jahr in Frühling | Sommer | Herbst | Jahr 
12— iha 1:00 0:85 079 0:76 0:85 12— 1hp, 1'836 1:67 1:67 1'37 1-52 
— 2 1:07 095 0-81 0-78 0.90 — 2 105 1.52 1-49 1:05 1:28 
— 3 1:10 0:98 0:90 0:81 0298 — 3 0:74 12/8 1:40 0:86 107, 
— 4 1:01 0:98 0:97 079 0:94 — 4 0:60 1:04 122) 0:78 0:91 
—5 0'91x 1:04 1:04 0'883 0:96 — 5 0:59%x 0:87 0-95 062 0:76 
— 6 0-98 146 169 1:08 1:30 — 6 0:62 067 0:69 055% 0:63 
— 7 1:08 2:02 2.58 145 1 o7eR — 7 0:74 057% 0-49 0:68 0°62x 
—8 126 2:28 23:70 1778 2-01 — 8 0-91 0:68 047% 0:68 0:69 
— 9 158 2:34 247 2-10 2:12 — 9 0:94 0:78 055 0:64 0:73 
— 10 1193 2:24 2-16 2:15 212 — 10 0:85%* 0:77 0:62 0:69 0:73 
—11 1:99 2:04 oQıl 1292 so —11 085 0:72x 072 Od 0:76 
—12 1269 1:83 1:83 1:68 1276 —12 0:94 0:73 0:78 0:79 0:81 
Mittel 1:07 1:26 129 1207 EZ 
Tabelle 14. 
Mittlere Maxima der Erkaltungen. 
: 1 
Ausgeglichen nach — (a+2b + .c). 
4 
| 
Winter | Frühling | Sommer | Herbst Jahr Winter | Frühling | Sommer | Herbst Jahr 
a 1:18 1:49 1:61 1:40 1:42 12— 1bp 0:87 1:91 219 1:38 1.59 
— 2 1:18 1:43 1:58 1-13 133 — 2 098 1:88 2:06x* 1:50 1:61 
— 3 1:24 162276 1:54 oil 129 — 3 1-17 1.81 2:09 1770 1:69 
— 4 158 1:24 132 I? a! — 4 1:37 178% 2-41 1:86 1:86 
— 5 eill 1 1:04 1:01 E07 — 5 1:54 ol 2:44 199 1:94 
— 6 1:09 0:88 0:87 0299 0:96 — 6 1:49 189 2:38 3:04 1:95 
— 7 1:01 0-72 0:83x 0:98 0:88 — 7 1-26 2:03 2:47 1729 1239) 
— 8 0:82 0:68x 0:98 0:90x 0:84x — 8 114 2.00 2:30 1-51 1:74 
— 9 0:68 0:89 St 0:99 0:97 — 9 IE) 70 1:96 1-35 1:53 
— 10 0:68% 29} 1:74 1:08 1 1®) — 10 1'04x 1333 ao 1’22% ol 
—11 0:74 1:49 Phil 1-13 a — 11 10 1:14x 153% E32 7 
— 12 0:82 ITS 2:23 1:26 1°51 —12 12218 126 1:59 1:52 1:39 
Mittel 1:08 1’45 1'76 1'353 1-41 


Die mittleren maximalen Erwärmungen zeigen eine einfache tägliche Periode mit kaum nennens- 


werten sekundären Schwankungen in den Nacht- und Morgenstunden. Im Winter und Frühling ist ein 


sekundäres Maximum gegen 9" und ein sekundäres Minimum gegen 11" nachts zu bemerken. Im Winter 


ist noch eine zweite sekundäre Schwankung mit dem Maximum um 3!" und dem Minimum um 5" früh zu 


ersehen. Im Sommer und Herbst sind dieselben kaum wahrnehmbar. 


240 E. Mazelle, 


Die Extreme, ihre Schwankungen und die Eintrittszeiten sind nachfolgende: 


Maxima Minima Schwankungen 
Winter 2 212990 059°, 4—5hp. 1:40° 
Frühling 234°, 8—,9ha. 057°, 6—7hp. a 
Sommer... 2708, 7 sun. 047°, 7—8hp. 228%, 
Herbst . 2:15°%, 9—-10ha. 0:55°, 5—-6hp. 1:60° 


Die Schwankungen sind im Sommer am größten, 2°2°, von 2: 7 bis 0:5°, im Winter am kleinsten, 
14°, zwischen 2°0 und 0°6°. 


Mittlere maximale Erwärmungen von und über 1° pro Stunde finden statt im 


Winter... . . . . durch 13 Stunden, von 5h früh bis 22 nachmittags und von Mitternacht bis 4h früh 
Bisahltnley Ser Ws Dr> » Mm.» 4h » 
Sommer 3 er » 30» » 5h » 
Tienbstee er were: » 9 » » bu > „ 2 » 


Eine Temperaturzunahme in den mittleren maximalen, positiven Veränderlichkeiten von mehr als 2° 
wurde erreicht im 


Winter . .!. . . „durch 0 Stunden 
' Brahliner = Je N nee > rar > von 6N früh bis 11N vormittags 
SO MImeL- res > zen = 6a Bo » 
Herbat tr MEER ee 5 Ro 55 


In der täglichen Periode der mittleren maximalen Erkaltungen sind, wie bereits erwähnt, die bei 
dem täglichen Gange der allgemeinen mittleren Änderungen auf die Vormittagsstunden fallenden größeren 
Erkaltungen nicht zu ersehen. Im allgemeinen sind hier die kleinsten mittleren Maxima der Erkaltungen 
in den Vormittagsstunden, die größten am Spätnacnmittag zu bemerken. j 

In den Nachtstunden ist durch alle Jahreszeiten wieder eine Zunahme zu entnehmen, die namentlich 
im Winter besonders ausgeprägt erscheint, mit einem sekundären Minimum zwischen 9 und 11" nachts 
und einem sekundären Maximum, welches im Winter gegen 3% früh, im Frühling und Sommer gegen 1" 
früh und im’ Herbst gegen Mitternacht eintritt. 

Im Frühling und Sommer ist außerdem im aufsteigenden Aste dieser Gangkurve eine sekundäre 
Schwankung zu: entnehmen, da in den ersten Nachmittagsstunden eine Abnahme bei diesen größten 
Erkaltungen zu bemerken ist. Es zeigt sich ein sekundäres Maximum im Frühling von Mittag bis 1" p., 
im Sommer von 11"a. bis Mittag und ein sekundäres Minimum im Frühling von 3—4", im Sommer um 
2" nachmittags. 


Die Extreme und Schwankungen der mittleren maximalen Erkaltungen sind 


Maxima Minima Schwankungen 
Winter Ta .1.dlesde 256 n. 0-68°, 9 10h a, 0:86° 
Frühling :. . . .1.2:03°, 6—-7&p. 068°, 7— 8ha. 12° 
Sommer... . .. „247°, 6-7 p. OESScm Br hen 1:64° 
Kleibst nr 0..12202275 6259, 090°, 7— 8ha. 1:14° 


Auch hier ist die tägliche: Schwankung im Sommer am größten, 1°6°, im Winter am kleinsten, 0°9°. 
Die tägliche Periode ist bei der Erwärmung stärker ausgeprägt als bei den Erkaltungen, im Winter 
ist die Schwankung 1'6mal größer, 140° gegen 0°86°, im Sommer 1'4 mal, 2:23° gegen 164°. 


Mittlere maximale Erkaltungen von mehr als 2° in einer Stunde kommen vor im 


Winter. . . . . . durch 0 Stunden 
Broblmere: I2., Napa 2 » von 6-81 abends 
sommer Maris ia. Mill 2ul® » » 10h vormittags bis S" abends 


Herbst»... Re Kae 1 » » .5—62 nachmittags. 


Die Temperatwrveränderlichkeit im Tageslanfe. 241 


Die Jahreszeiten-Mittelwerte dieser größten Abweichungen zeigen im Winter fast gleich große 
Beträge, 108° gegen 1°07°. In den übrigen Jahreszeiten sind die Mittelwerte der maximalen Erkaltungen 
stets größer als die der maximalen Erwärmungen, im Frühling 1°5° gegen 1°3°, im Sommer 1:8° gegen 
1:3° und im Herbst 1°4° gegen 11°. Im Jahresmittel 14° gegen 12°. 


Absolute Maxima der Erwärmungen und Erkaltungen. In den Tabellen X und XI sind die 
absoluten Extreme der Erwärmungen und Erkaltungen für die einzelnen Stunden und Monate dargestellt 
und in den Tabellen 15 und 16 für die einzelnen Jahreszeiten. Aus diesem fünfjährigen Beobachtungs- 


Tabelle 15. 


Absolute Maxima der Erwärmungen. 


5 Jahre. 
| Winter | Frühling | Sommer | Herbst Jahr | | Winter | Frühling | Sommer | Herbst Jahr 
12— 1ha 1'6 2.0 14 1:0 2,00 12— 1hp 3:1 3-1 3.0 2:4 3:1 
— 2 BZ 2:8 1:3 1'4 258 -. 2 278 237, 2:6 232 2:8 
— 38 218 27 1:9 er 2:8 — 3 1:6 2:0 2 126) ZH 
= 3.2 28 129 12, 3'2 — 4 1eil Pac 2:8 3:9 3.9 
= & 1'6 14 1629 102 13 — 5 2-3 14 1,0 23 283 
— 6 2:0 38 2:0 228 3:8 — 6 1:6 1:9 Loß) 0:8 il =) 
= ( 39 33 39 30 3:9 — 7 1'8 oz 07 3:9 3:9 
—=& 1679 2.29 33 2°5 383 — 8 42 2:8 ee 102 42 
—& 202 42 4:0 36 42 — 9 35 3'9 14 102 3:9 
= "6 34 3:0 41 41 — 10 2:3 109 14 cz 2:3 
—11 6 383 2:4 2:3 3:6 — 11 12 1'3 107 2.5 2,8) 
—12 0 2.8 29) Be 3:0 —12 2.8 2:3 oe) 1:8 2°8 
Maximum 4'2 42 4:0 41 4'2 
Tabelle 16. 
Absolute Maxima der Erkaltungen. 
5 Jahre. 
| Winter | Frühling | Sommer | Herbst | Jahr | Winter | Frühling | Sommer | Herbst Jahr 
12— 1ha 2:3 6-1 3:0 3:9 Sl 12— ilip. 3:5 3:6 4:9 3:0 4:9 
— 2 een 2:6 3:0 2:4 3:0 — 2 1:6 3:7 5:6 41 56 
— 3 3-1 1:8 6°4 2-1 6°4 — 3 328 3:4 372 4:9 4:9 
— 4 14 23 2:1 2:4 24 — 4 2-1 2.9 9:7 67 9:7 
— 5 27 4:3 1816 Beil 4:3 — 95 28 33 5°8 44 53 
— 6 1'8 1°3 10% oT 1:8 — 6 2230 2:6 6°0 8:5 8:5 
== 1. 38 2:3 4:0 3-5 4:0 — 7 2°0 3:0 6:0 31 6:0 
—® des 2-0 29 1e% 2:9 — 8 2:0 45 49 3:3 4:9 
—9 2 208) 3:0 42 42 — 9 240) 6:9 41 45 6:9 
— 10 21 34 46 2:8 4:6 — 10 1:3 20 3'2 22 3:2 
—11 2°) 383 57 4:0 De —11 107 1:8 2:8 2:8 208 
=ıl2 18 3:3 6°5 sl 6°5 —12 1:8 14 4:0 43 4:3 
Maximum 3'8 69 eis 8°5 EITZ 


Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC. Bd. 34 


242 E. Mazelle, 


zeitraum resultiert als größte Erwärmung von einer Stunde zur andern der Betrag von 42°. Dieser wurde 
im Jänner in der Stunde von 7—8® abends und im März von 8—9# früh beobachtet. 
Die größten und kleinsten Maxima der Erwärmungen in den einzelnen Monaten sind nachfolgende: 


Absolutes Maximum Jänner Februar März April Mai Juni Juli August Sept. Okt. Noy. Dez. 
GroBtese.n. SR N ASBR 36° Ara Br 30 Ih3 ran 829804700, 358 A-1720 30 un 
Ileinstesuene Klee BIER ENTE Due er ORT re 0.6? 10:B27770:602 026 


Die größten Maxima kommen hauptsächlichst vormittags vor, die kleinsten in den Nachmittagsstunden 
von 2—7°, und zwar in den kalten Monaten früher, von 2—5", in den warmen Monaten später, von 6—7% 
abends. | - | 

Aus der Tabelle 15, wo die Gruppierung nach Jahreszeiten erfolgt, ersehen wir, daß Erwärmungen 
von 3 und mehr als 3° in einer Stunde im Winter hauptsächlichst vor und um Mittag stattfinden, in den 
übrigen Jahreszeiten in den Vormittagsstunden, im allgemeinen von 6? früh bis 11% vormittags. Mit Aus- 
nahme des Sommers finden größere Erwärmungen noch am Abend statt. 

In allen vier Jahreszeiten resultiert fast dieselbe größte positive Änderung, und zwar im Winter und 
Frühling 4'2°, im Herbst 41° und im Sommer 40°. 

Die größten Erkaltungen in einer Stunde erreichen in dieser fünfjährigen Beobachtungsreihe den 
Betrag von 9°7°, und zwar im Juni von 3—4® nachmittags. Die größten Erkaltungen erscheinen in den 
einzelnen Monaten zu den verschiedensten Stunden, auch die kleinsten Maxima sind: ziemlich unregel- 
mäßig verteilt, doch ist bei den letzteren eine größere Wahrscheinlichkeit für das Eintreffen in den Vor- 
mittagsstunden zu bemerken. 

Die Grenzen für diese Extreme resultieren mit nachfolgenden Werten: 


Absolutes Maximum Jänner Februar März Apr Mai Juni Juli August Sept. Okt. Nov. Dez. 
Großes Sa ee 228% 3282 Bus 290002095 BOT A 6 8:5°  (beZe BErn are 
Kleinstess si EN OL 07° 029 AO ROT 012 1 ee u 0 


In allen Monaten, mit Ausnahme des Jänner, sind die maximalsten Erkaltungen stets größer als die 
maximalsten Erwärmungen. 

In den einzelnen Jahreszeiten — Tabelle 16 — kommen die größten Erkaltungen mit Ausnahme 
des Winters stets nachmittags vor. 

Wenn früher hervorgehoben werden konnte, daß die größten Erwärmungen durchschnittlich 4° zu 
allen Jahreszeiten betrugen, so ersehen wir hingegen für die Erkaltungen den größten Wert im Sommer, 
den kleinsten im Winter. Im Winter beträgt die größte Erkaltung 3:8°, im Frühling 6°9°, im Herbst 8:5° 
und im Sommer 97°. 

Zum Schlusse soll noch die Anzahl der Fälle mit stündlichen Änderungen von und mehr als 3° 
bestimmt werden. In diesem fünfjährigen Zeitraum kommen doppelt so viel Fälle größerer Erkaltungen als 
Erwärmungen vor, und zwar, wie aus der nachfolgenden Tabelle 17 ersichtlich ist, 52 Fälle mit dieser 
großen Erwärmung, hingegen 100 Fälle mit einem Temperaturrückgang von mindestens 3° in der Stunde. 

Diese großen Erwärmungen und Erkaltungen kommen am häufigsten im Sommer vor. Erwärmungen 
von und über 3° in einer Stunde wurden im Monate Oktober nie beobachtet, im November nur 2mal, im 
Dezember nur I mal. Erkaltungen dieses Ausmaßes traten im Jänner niemals auf, im Dezember nur Imal. 
Diese großen Erwärmungen kommen mit einer größeren Wahrscheinlichkeit vormittags zwischen 6 und 9" 
vor, die großen Erkaltungen nachmittags zwischen 3 und 6". Nachtsüber, von 9" abends bis 3" früh, sind 
große Erwärmungen nicht zu erwarten, große Erkaltung von und über 3° in einer Stunde wurde morgens 


von 3—6" nur ein einziges Mal beobachtet. 


Jänner . 
Februar 
März 
April . 
Mai 

Juni 

Juli 
August . 
September 
Oktober 
November 


Dezember 


Winter . 
Frühling 
Sommer 

Herbst . 


Jahr» 


Jänner . 
Februar 
März 
April. 
Mai 

Juni . 
Juli 
August . 
September 
Oktober 


November 


Dezember . 


Winter . 
Frühling 
Sommer 
Herbst . 


Jahr b 


Die Temperaturveränderlichkeit im Tageslaufe. 243 
Tabelle 17. 
Häufigkeit der Erwärmungen = 3°. 
12—3ha.| 3—-6ha. | 6 -9ha. 9124 m. 12 —-3hp.| 3—-6p. | 6-9hp. |9—-12hn.| Summe 
| 
0 0 1 2 0 0 2 0 5 
0 1 0 1 1 0 0 0 3 
0 | 1 3 0 0 1 0) 6 
0 0 2 0 1 0 0) 0 3 
0 0 2 1 0 0 0 0 3 
) 0 5 0 0) 0 0 0 5 
0) 0 5 0 0 0 0 0 5 
0 0 11 1 1 0 0 0 13 
0 0 2 1 ) 2 1 0) 6 
0 0 0 0 0) 0 0 0 0 
0 0) 1 1 0 0 0 0 2 
0 0 0 1 0 0) 0 0 1 
0 1 1 4 1 0 2 0 
0 1 5 4 1 0 1 0) 12 
(0) 0 21 1 1 0 0 0 23 
(0) 0 3 2 0 2 1 (0) 8 
0 2 30 11 3 2 4 (0) 92 
Häufigkeit der Erkaltungen = 3°. 

0) 0 0) 0 0) 0 0) 0 0 
1 0 1 0 1 0 (0) 0) 3 
1 1 0 1 1 1 2 0 7 
1 0 0 3 0 0 1 0 5 
0 0 0) 1 4 0) 2 0) 7 
(0) 0) 0 2 2 9 il 1 15. 
2 0 0) 2 3 2 6 3 18 

Kai 0 2 5 1 5 3 ) 18 
1 0 1 1 5 5 2 1 16 
1 0 3 1 0 1 0) 7 
0 0 0 0 1 1 1 3 
0 0 0 0 1 0 0 ) 
1 0 1 0 3 0 0 ) 4 
2 1 0 5 5 1 5 0 19 
3 0 2 9 6 16 10 5 51 
2 4 2 6 6 2 26 
8 1 7 16 19 23 19 A 100 


244 E. Mazelle, 


2. Tägliche Periode der Temperatur. 


Mit dem Jahre 1903 begannen am neuen Observatorium in Triest die kontinuierlichen Aufzeich- 
nungen der Lufttemperatur. Die Thermographen sind im Garten des Observatoriums in einer den Thermo- 
meterhütten der Deutschen Seewarte in Hamburg und des Hydrographischen Amtes in Pola ähnlichen 
hölzernen Jalousiehütte untergebracht. Die eigentliche Thermometerhütte hat im Innern eine Breite von1 m, 
eine Tiefe von 0:6 m und eine mittlere Höhe von 0:9 m. Das Dach fällt nach Norden zu ab, so daß die Höhe 
der Hütte auf der Südseite 1'0 m, auf der Nordseite O'7 m beträgt. Der Boden derselben, durch parallel 
liegende Holzleisten gebildet, liegt 13 m über dem Erdboden und steht mit den Seitenwänden in keiner 
Verbindung, so daß die durch heftige Borastöße hervorgerufenen Vibrierungen der Hütte sich auf die 
Thermographen nicht übertragen können. Seitlich sind in einer Entfernung von O'2 m zwei vorspringende 
Jalousiewände zum Schutze gegen die Sonnenstrahlung angebracht, gegen Norden ist die Hütte ganz frei. 
Auf der Südseite sind diese zwei Seitenjalousien durch eine dritte Wand mit Tür, ebenfalls aus Jalousie- 
brettchen gebildet, derart abgeschlossen, daß ein Vorraum von 0:7 m Tiefe entsteht, welcher gedeckt ist, 
um dem Beobachter bei den Ablesungen und beim Wechsel der Registrierstreifen Schutz gegen die 
Unbilden der Witterung zu bieten. Die Schutzjalousiewände stehen 0:3 m vom Boden ab, so daß die 
Luftzirkulation möglicht ungehindert bleibt. Die Thermometerhütte steht überdies im Schatten der Nord- 
wand des astronomischen Pavillons, und zwar in einer Entfernung von 2 m. Die Thermometer liegen 1 4m 
über dem Erdboden. Die Seehöhe des Observatoriums beträgt 67 5 m. 

Zur Bestimmung der täglichen Periode der Lufttemperatur konnten demnach die kontinuierlichen 
Beobachtungen der zehn Jahre, 1903—1912, herangezogen werden. Die erhaltenen Mittelwerte für die 
einzelnen Stunden und Monate sind in Tabelle XII zusammengestellt. 

Zur Ausscheidung der unperiodischen Änderungen wurden noch die Temperaturmittel für die 
Mitternachtstunde zu Beginn des Tages berechnet. Die Temperaturdifferenzen zwischen der letzten und 
ersten Mitternachtstunde sind nachfolgende: 


Jänner Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember 
—0:01° 015° VRLOZS VASE 09700550050 —0:14° — 008° —0:17° — 017° 
Man ersieht daraus, daß in den Monaten Februar bis inklusive Juli die Temperatur am Schlusse des 
Tages mit einem höheren Wert endet, von August bis Jänner mit einem niedrigeren. 
Unter Berücksichtigung der daraus abgeleiteten Korrektionsgrößen für die einzelnen Stunden 
resultiert der in Tabelle XIII mitgeteilte tägliche Gang der Temperatur. 


Eintrittszeiten. Diese ÖOrdinaten wurden auf Millimeterpapier aufgetragen und die danach 
gezeichneten Kurven zur Bestimmung der Eintrittszeiten für die Extreme und Media verwendet (Tabelle 18). 
Die Eintrittszeiten der Maxima und Minima wurden zur Kontrolle überdies aus der größten, beziehungs- 
weise kleinsten Temperatur und den Temperaturen der unmittelbar vorangehenden und nachfolgenden 
Stunde berechnet. 

Aus dieser Tabelle 18 lassen sich nachfolgende Ergebnisse entnehmen: 

Die Eintrittszeiten der Minima schwanken von 6" 47” früh im Jänner bis 4" 33” früh im Juni, 
demnach innerhalb eines Zeitraumes von 2 Stunden 14 Minuten. Die Maxima treten im November und 
Dezember am frühesten ein, um 1" 30%, im Juli am spätesten, um 2" 10% nachmittags; die Eintrittszeiten 
der Maxima zeigen demnach nur einen Spielraum von 40 Minuten. 

Die Gangkurve erhebt sich im Jänner erst um 9" 56” vormittags über den Mittelwert, im Juni bereits 
um 7® 44", demnach um 2 Stunden 12 Minuten früher. Unter den Mittelwert sinkt die Gangkurve im 
November um 6" 42” nachmittags, im Juni um 7" 44”, der Unterschied beträgt bloß 1 Stunde 2 Minuten. 


a re er 


Die Temperaturveränderlichkeit im Tageslaufe. 245 


Tabelle 18. 
Eintrittszeiten Zeitintervalle zwischen 
Minimum |T. Medium Maximum |II. Medium I. Medium | Minimum 
Minimum |T. Medium | Maximum |II. Medium und und und und und und 
I. Medium | Maximum |II. Medium) Minimum |II. Medium) Maximum 
1 

Jänner . . . |6h 47ma.|9h 56ma. | 1b 56mp.|7h 2gmp.| 3h g9m| Ah Qm| 5h 32m | 11h 19m | gh 32m | 7h 9m 
Februar 6 33 29 1 56 7 lo) 256 4 27 0 23 il nl 9 50 23 
März 5.88 8 49 ı 8% LG ei hl Dam 5) 022 IOm27 8 19 
April 026 8.8 27200 %. 20) BI 5.32 8720 9 46 I 8 54 
Mäi. 4 38 7 49 2% 7 833 Be cs 8,26 Or 11 44 97529 
Juni 4 33 7 44 52 7 44 9 ll oz8 592 49 12 © 09 
Juli . 4 34 N. 938 23) 7 43 a 1R) Er 9 33 51 150 9 836 
August 4 46 7. 5%) 2 W229 3 18 6.04 5 22 21 26 OENZ 
September . 5 31 8 23 1 41 7 ld 2952 018 9 832 10 18 10 50 8 10 
Oktober . 5 41 3 Sl 1 33 6 43 3 10 4 42 5 10 10 58 97.92 2 
November . oe K0) & 20 1 30 6 42 a 110 4 10 8. 12 E28 9,, 22 0) 
Dezember . 6 38 9 42 1 30 7 4 3 4 3 48 3 34 11 34 022 6.52 


Die Zeit innerhalb welcher sich die Gangkurve vom tiefsten Wert bis zu dem Mittelwert erhebt, 
schwankt zwisehen 2 Stunden 52 Minuten und 3 Stunden 19 Minuten, vom Mittelwert zum Maximum 
zwischen 3 Stunden 48 Minuten bis 6 Stunden 15 Minuten. Vom Maximum zum Mittelwert sinkt die 
Gangkurve durch 5 Stunden 52 Minuten, beziehungsweise 5 Stunden 10 Minuten und vom Mittelwert 
zum Minimum im Dezember durch 11 Stunden 34 Minuten, im Juni durch 8 Stunden 49 Minuten. Über 
dem Mittelwert bleibt demnach die Gangkurve im Dezember durch 9 Stunden 22 Minuten, im Juni hin- 
gegen durch volle 12 Stunden. 

Das Zeitintervall vom Minimum zum Maximum, also die durchschnittliche Dauer für eine zunehmende 
Temperatur beträgt im Dezember 6 Stunden 52 Minuten, im Juli hingegen 9 Stunden 36 Minuten. 

Vergleichen wir diese Eintrittszeiten der Extreme und der Media mit den Auf- und Untergangszeiten 
der Sonne und der Zeit der Sonnenkulmination (in mittlerer Ortszeit ausgedrückt) — siehe Tabelle 19 — 
so ersehen wir, daß das Minimum im Mai, Juni und Juli nach Sonnenaufgang stattfindet, und zwar findet 
die größte Verspätung im Juni mit 23 Minuten statt. In den übrigen Monaten fällt das Minimum vor 
Sonnenaufgang. Die größte Verfrühung findet im Dezember mit 56 Minuten statt. 

Die Zeit, die zwischen dem Sonnenaufgang und dem Eintreffen der mittleren Temperatur im auf- 
steigenden Aste der Gangkurve liegt, schwankt zwischen 2 Stunden 8 Minuten (Dezember) und 3 Stunden 
34 Minuten (Juni). 

Das Maximum der Temperatur tritt im Dezember 1 Stunde 34 Minuten nach der Sonnenkulmination 
ein, im Mai um 2 Stunden 11 Minuten. 


Sehr regelmäßig verringert sich das Intervall zwischen Sonnenuntergang und der Eintrittszeit des 
zweiten Mediums. Im Dezember sinkt die Temperatur unter den Mittelwert erst 2 Stunden 47 Minuten 
nach Sonnenuntergang, im Juni bereits 7 Minuten vor Untergang der Sonne. 


Aus den nach Ausscheidung der unperiodischen Änderungen bestimmten Stundenmitteln der ein- 
zelnen Monate wurde auch für die vier Jahreszeiten und das Jahr der tägliche Gang der Temperatur 
bestimmt. Die erhaltenen Werte sind in Tabelle XTV mitgeteilt. 


246 E. Mazelle, 


Tabelle 19. 


Auf- und Untergangszeiten sowie Kulminationszeiten der Sonne für den scheinbaren Horizont 
von Triest. 


Zeitintervall zwischen 


u ulniselton leg Minimum | I. Medium | Maximum | II. Medium ! 


und und und under 
Aufgang | Aufgang |Kulmination| Untergang 


Tanner zu 37m | 12h 10m | 4m 4gm | _on 50m| on 19m | 1m am | oh 45m 
Februr , TEN a steel an..| | one 1 42 1 58 
Mätz . ee ee 6 ae sk ma. 1 48 +08 
Aptil . eo a ee 2:0.|.08 
Mai AD ae 7025 oe en 2 11 08 
Tuhi Ao | Kial 0 il v2 | j sa 

Juli 4,25... 12 7 46 Do aus 2. 

A So a A ee een 1 59 017 
September . 8 88 11 50 all —0 7 2 45 1 46 a2 
Oktober Be ee San se a 1.47 129 
November . Bus mr A ol oe! us 2.12 
Dezember . 7 30 a6 A N 2028 1 34 2 47 


In gleicher Weise wie für die einzelnen Monate wurden auch hier die Eintrittszeiten der Extreme 
und der Media und ihre Differenzen bestimmt. Dieselben ergeben sich mit den in Tabelle 20 ersichtlichen 
Werten. 


Tabelle 20. 


Eintrittszeiten Zeitintervalle zwischen 


T = 
Minimum | I. Medium | Maximum |II. Medium I. Medium | Minimum 
Minimum |TI. Medium | Maximum |II. Medium und und und und und und 

I. Medium | Maximum |II. Medium| Minimum |II. Medium| Maximum 


Winter . . .|6h 39ma.|9h 42m„,| jh 47m p. 7u 16m p. 3h 3m 4h 5m 5h 29m | 1]jh 23m 9h 34m 7h 8m 
Frühling. . .|4 58 SslT 24.0) 0028 3 24 5 43 5 26 927 eE9 Se 
Sommer . . .|4 386 {02 Du 2 7 483 3 16 8 10) 5 41 8. 53 N Si 9 26 
Elerbst 22.272 798085 8 47 1 36 6 56 82 4.49 5 20 10 39 0, © Sal 
Jahre: wanna 8 30 1 50 7 29 3 839 5 20 5 89 9. 22 10 59 8 59 


Hier sollen noch die Korrektionsgrößen mitgeteilt werden die zur Reduktion der Mittelwerte der 
drei Terminbeobachtungen, die bei uns um 7" früh, 2" mittags und 9° abends vorgenommen werden, 
auf wahre 24stündige Mittel, nach dieser neuen 10jährigen Beobachtungsreihe, in Anwendung zu 
bringen sind. 

Korrektion der Mittelwerte aus den Terminbeobachtungen auf 24stündige Mittel. 
Jänner Februar März Apnil Mai Juni Juli August Sept. Okt. Nov. Dez. 
(+2+9 .-—-0°15 —0°10 —0°?06 —0?14 —0?24 —0?28 —0°24 —0°?20 —0?08 —0?07 —0?08 —0?10 


(7 +2+9+9-0°05 —0'01 -+0°:08 -+0°05 40:01 —0'01 —+0':05 -+0':08 —+0:14 —+0:10 —+0:05 0:00 


Die Temperalurveränderlichkeit im Tageslanfe. 247 


Die Mittelwerte aus den mittleren Maxima und Minima dieser 1Ojährigen Beobachtungsreihe abge- 
leitet, zeigen kleine Abweichungen von den wahren 24stündigen Mittelwerten. Die Differenzen sind 
nachfolgende und zwar bedeutet das negative Zeichen, daß die Mittelwerte der mittleren Extreme um den 
beigesetzten Betrag zu groß sind. 


Jänner Februar März April Mai Juni Juli August Sept. Okt. Nov. Dez. 
0°00  —oO®1l —0°?19 —0®11  —0?08 —+0°04 +0?06  —0?01 —0?07 —0?16 —0?09 — 0?05 


Im März und Oktober resultieren die größten negativen Differenzen (—0°19 und 0°16), im Juli die 
größte positive (0°06). 


Amplituden. Der tägliche Temperaturgang ist im Sommer stärker ausgeprägt als im Winter, und 
zwar ist, wie aus den mittleren Ordinaten der Tabelle XIII hervorgeht, die Zunahme vom Dezember 
(mittlere Ordinate 0°60) bis zum Juli (mittlere Ordinate 1°87) eine kontinuierliche und ebenso die 
Abnahme vom Juli auf den Dezember. Die mittlere Ordinate ist im Juli 3’I mal größer als im Dezember. 

Die aus diesen Gangkurven abgeleiteten periodischen Amplituden sind nachfolgende: 


Jänner Februar März April Mai Juni Juli August Sept. Okt. Nov. Dez. 
262 2-82 3:61 4:12 4:98 515 544 5'835 4:67 3:50 2:80 1:99% 


Auch hier ist die Schwankung im Juli fast dreimal so groß als im Dezember (27 mal). 
Für die einzelnen Jahreszeiten resultieren nachfolgende periodische Schwankungen: 


Winter Frühling Sommer Herbst Jahr 
2:48 4:22 5-31 3:66 3:90 

Die periodische Amplitude des Dezember erreicht nur die Hälfte der periodischen Schwankung des 
täglichen Ganges im Jahresmittel, die des Juli ist 1'4 mal so groß als diese. 

Die zum Vergleiche aus dem gleichen Zeitraum abgeleiteten aperiodischen Amplituden (die mittleren 
Maxima und Minima aus den absoluten Extremen der einzelnen Tage abgeleitet) zeigen die gleiche regel- 
mäßige Zunahme der täglichen Schwankung von den Winter- zu den Sommermonaten (siehe Tabelle 21, 
3. Kolonne). Im Juli ist dieselbe doppelt so groß als im Dezember, 7:10 gegen 357. 

Die aperiodischen Sckwankungen sind natürlich stets größer als die periodischen. Das Übergewicht 
ist in den kalten Monaten größer als in den warmen. Im Dezember ist die aperiodische Amplitude 179 mal 
so groß als die periodische, im Juli 1°31 mal. 

Für die einzelnen Jahreszeiten und das Jahr resultieren nachfolgende Werte: 


Mittleres Verhältnis der Amplituden 

Maximum Minimum Aperiodische Amplitude aperiodisch : periodisch 
NVinteriese 9%. 2.0.30: 7:28 3:19 4:09 1:65 
Rintlellanes Don 1533 9-51 ; 5:82 1:38 
SOME Be 2525 18:26 6:99 1:32 
erbeten cn 1662 11-41 521 1:42 
ah WE 16:12 10:59 5-53 1:42 


Die absoluten Extreme dieses 10jährigen Intervalles, 1903—1912, sind auch in der Tabelle 21 
ersichtlich. Die höchste Temperatur von 35:0° wurde am 17. Juli 1904, die tiefste mit — 128° am 
23. Jänner 1907 beobachtet. Die absolute Schwankung erreicht daher in diesem 10jährigen Zeitraum den 
Betrag von 47?8. 

Aus den Mittelwerten der einzelnen Monate, wie auch aus den mittleren Maxima und Minima wurde 
für dieses 10jährige Intervall das größte und kleinste Mittel herausgehoben und in Tabelle 22 zusammen- 
gestellt. 


248 E. Mazelle, 


Tabelle 21. 


Aperiodische Amplituden. 


Mittleres Verhältnis Absolutes 
Aperiodische ee Absolute 
Maximum Minimum Zeupluuis te Maximum Minimum Schwung 
Amplituden 
Janmeissssnne „Met ren 5:68 1:43 4:20 1:60 13°2 —12'8 26°0 
Bebiuar inne N: 7:54 3:04 4:50 1:60 145 — 6°5 Ze 
Ve 11:39 6-16 5:23 1:45 19:2 — 5 19:7 
ABER Wr Kar ala 14:50 8:80 5:70 1:38 24:4 10 23°2 
NE er 20-11 13:57 6:54 1:31 284 69 21°5 
Un Se 23:74 16:87 6:87 1:33 30:9 8:9 220 
ule ee. 26:13 19:03 7:10 1:31 35:0 11:8 2382 
AUSUSE Eur ee 25.89 18:89 7:00 1231 326 Nez 19339 
Sanener 5 0 an 21-35 15°17 6:18 1:32 31°8 81 23°7 
Qktoperzer nr. RE: 16:88 11:84 5:04 1:44 2922 1:2 24:0 
November. ee 11:62 Di 4:41 1:58 20-0 — 1:0 21°0 
DErzem Der er 8:68 oT 3:57 279) 16°4 — 3°0 19:4 
Tabelle 22. 
Monatsmittel Mittleres Maximum Mittleres Minimum 
größtes kleinstes größtes kleinstes größtes kleinstes 
| 

Jänner : 5:14 0:88 wei 3:54 3:26 — 1'47 
BODRUAEN = e... aR UNE RER 7; 7:34 2:13 9-64 4:65 525 — 0:36 
Marz 3 2 REED 10:40 6:43 "1298 9:64 8:07 3:36 
AD 122.98 10:02 157 12-95 10:59 7:25 
Mai ern. en Death MOEEE- 18:64 16:08 22:08 18:88 15:16 1237. 
TUNER, Ka TE Pe PEN GEHEN 21:92 18:82 25:67 21:86 18:57 15:53 
U re nr Bahnen 2581 20:49 29591 23:93 21°78 16:67 
AUGUST TE. EHEN ee NR FAR 24:55 2055 28:37 23381 2116 1735 
SEptEMbeER. rs en nt ee ZONE 14:43 23.59 17:40 17:09 11:59 
Oktobery:uc ner Be ee Ye 16:74 9-84 19321 12:38 14:70 7:44 
November...) = ae be cn re 12:34 6:81 14:36 922 10:34 4:61 
Dezember, - ul. 0 Me 9-15 4:03 10772 5:92 Le) 2-20 


Aus einem Vergleiche dieser Werte mit den entsprechenden Mittelwerten desselben Monates (letzte 
Horizontalreihe der Tabelle XII und die beiden ersten Vertikalreihen der Tabelle 22) ergibt sich, daß im 
allgemeinen in den wärmeren Monaten die größten Mittelwerte sich höher über das entsprechende Monats- 
mittel erheben, als die kleinsten unter dasselbe sinken, während in den kälteren Monaten die kleinsten 
Mittelwerte tiefer unter das Monatsmittel sinken, als die höchsten sich darüber erheben, Zum Beispiel 
Jänner: kleinstes Monatsmittel 2:65° unter, größtes Monatsmittel 1°61° über der mittleren Temperatur 
des Jänner. Juli: Kleinstes Monatsmittel 2°15° tiefer, größtes Monatsmittel 3°17° höher als die mittlere 
Monatstemperatur des Juli. 


Die Temperaturveränderlichkeit im Tageslaufe. 249 


Vergleiche mit dem täglichen Gange nach den Beobachtungen im alten Observatorium. 
Gelegentlich der Bearbeitung des jährlichen Ganges der Lufttemperatur in Triest und der Veränderlichkeit 
derselben ! hatte ich auch versucht den täglichen Wärmegang nach den Thermographenaufzeichnungen 
am alten Observatorium darzustellen und hiebei auf die stark störenden Strahlungseinflüsse hingewiesen, 
Das alte Observatorium war im Gebäude der Handels- und nautischen Akademie im Inneren der Stadt 
untergebracht und verfügte für die meteorologischen Beobachtungen über einen eigenen Aufbau am 
Dache dieses Gebäudes. Die Thermometer in einer Beschirmung ‚und der Thermograph in einer kleinen 
Jalousiehütte befanden sich an einem gegen Norden gerichteten Fenster, 27 m über dem Meeresniveau und 
1:3 m über dem Dache des Gebäudes, gegen Osten und Westen durch eiserne Jalousien gegen direkte 
Bestrahlung geschützt. Es wurde bereits damals hervorgehoben, daß die starke Erwärmung der Dach- 
fläche ein zu rasches Steigen der Temperatur in den Vormittagsstunden mit sich bringt, daß die Tem- 
peraturen sodann zur Mittagszeit etwas abnehmen, um erst zur Zeit des Maximums wieder auf höhere 
Werte anzusteigen. 

Diese Störungen ergeben sich nun zahlenmäßig aus dem Vergleiche der hier abgeleiteten täglichen 
Periode der Lufttemperatur (Tabelle XIII dieser Abhandlung) mit der täglichen Periode am alten Obser- 
vatorium (Tabelle XI der zitierten Publikation). Die Differenzen zwischen den Ördinaten der täglichen 
Gangkurven im alten und neuen Observatorium sind in der nachfolgenden Tabelle XV ersichtlich gemacht. 

Wir ersehen daraus, daß nicht nur im Sommer sondern auch im Winter diese Störungen auftreten. 
In den Wintermonaten erhebt sich gleich nach 7" früh die alte Gangkurve über die neue und erreicht im 
Jänner um 10° vormittags eine um 0:34° höhere Temperatur. Dieser Überschuß sinkt um 12" mittags auf 
0:18°, um um 2" nachmittags wieder auf 025° anzusteigen. Vor 6" nachmittags sinkt die alte Gang- 
kurve unter die neue, um nachtsüber durchschnittlich um 0O°2° größere negative Ordinaten aufzuweisen. 
In den Sommermonaten erhebt sich die alte Gangkurve um !/,6" früh, über die neue, um erst gegen 
6" abends unter dieselbe zu sinken. Im Juli ist bei der alten Aufstellung um 8" vormittags eine um 116° 
zu große Erwärmung zu entnehmen. Diese sinkt um 1" nachmittags auf einen Überschuß von 0:23°, um 
um 4° nachmittags wieder auf 0:57° anzusteigen. Nachtsüber sinkt die alte Gangkurve unter die neue 
bis auf den Maximalbetrag von 0°86° um 1" nachts. 

Der Beginn des Ansteigens der Temperatur, ihre größte Zunahme in den Vormittagsstunden, die 
darauffolgende Abnahme, die neuerliche Zunahme in den ersten Nachmittagsstunden und das Ende dieses 
Überschusses sind in der nachfolgenden Tabelle 23 ersichtlich. 


Tabelle 23. 
Ordinaten der täglichen Gangkurven des alten Observatoriums im Vergleiche zu denen des neuen 
Observatoriums. 

Gleich groß Größer um Gleich groß 
Jänner . 7'2bha 0:34°, 10h a. 0:18°, 12: m. VS. Te: 5-7up. 
Februar 73h Osal,r. 9 006°, 11ha. Man, En 75h 
März 6:38 Vrazen sh OS022 ER 0-29°%, 4 6:54 
April 58h 0=71°;. 86 003° ib p 0.37%, AR 59h 
Mai . 54h 0:80°%, 7u 0:19°, 12b m 02472, Ah 59h 
Juni. 53h Veran sh 0°30°, 12h m Ve 57h 
Jch . 56h 1:16°, gh 0-23°,, ikp 0-57°, 4h 64h 
August 57h 0.:88°, 8 OSRiEn: 0:38°, 4h 56h 
September 64h 073°, 88 0.08%, 11ba. Ve, ve 6-18 
Oktober ee MENWE 6:36 0258, 8 0:01°, 12h m VS Fe 51h 
Novembenir2 2 were ee: 6-36 029°, gh — 006°, 11ha. BIOS 47h 
Dezember 7-32 02102, 798 0:06°, 10h a, 0:28°, : 3h 56h 


1 Der jährliche und tägliche Gang und die Veränderlichkeit der Lufttemperatur, LX. Band der Denkschriften der math.-naturw. 
Klasse der kais. Akad. d. Wissenschaften in Wien, 1893. 
Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC Bd. 35 


D&D 
ai 
© 


E. Mazelle, 


Die erste größte Erhebung der Temperatur, welche durchschnittlich um 8" vormittags stattfindet, 
schwankt ihrer Größe nach zwischen 0:10° im Dezember und 116° im Juli. Um mittag findet die kleinste 
Erhebung statt, dieselbe beträgt im Juni immerhin 0:30°, im Juli 0:23°. Die zweite größte Zunahme, 
durchschnittlich um 3” nachmittags, bewegt sich zwischen 0'10° im November und 063° im Juni. 

Das gegenseitige Spiel der Ein- und Ausstrahlung in den beiden Aufstellungsorten zeigt sich auch 
in den Differenzen zwischen- den Eintrittszeiten der gleich großen Ordinaten der beiden Gangkurven und 
den Zeiten des Sonnenauf- und -unterganges. 

Mit bezug auf den Sonnenaufgang beginnt die Gangkurve des alten Observatoriums sich über die 
des neuen Observatoriums im November, Dezember und Jänner durchschnittlich um eine halbe Stunde 
vor Sonnenaufgang zu erheben, im Mai, Juni und Juli im Mittel erst nach etwas mehr als einer Stunde 
nach Sonnenaufgang. 


Differenzen zwischen den Zeiten des Sonnenauf- und -unterganges und der Zeit der 
gleichen Ordinaten in den beiden Gangkurven. 


Jänner Februar März Apnil Mai Juni Juli August Sept. Okt. Nov. Dez. 
Sonnenaufgang: 
+. . .späer +04 —02 —-01 —-0%6 —-09 —-11 -1'2 —-07 -—-0':8 0:0 +0'7 —+0'3 5 
— . . „früher 
Sonnenuntergang: 
+. . .späer -—10 —21 —04 +09 +15 +22 +14 +15 +01 +01 —0:2 — 1:3 Stunden. 
I rtruher = 3 


Im Dezember und Jänner bleibt dieselbe etwas mehr als eine Stunde nach Sonnenuntergang ober- 
halb der neuen Gangkurve, in den Sommermonaten sinkt dieselbe durchschnittlich fast 1°/, Stunden vor 
Sonnenuntergang unter die neue Gangkurve. 

Bei Sonnenauf- und -untergang liegt daher im Winter die Gangkurve des alten Observatoriums schon, 
beziehungsweise noch über der des neuen Observatoriums, im Sommer hingegen stets unter.dieser. 

Nachtsüber sinkt die Gangkurve des alten Observatoriums unter die des neuen Observatoriums, die 
negativen Ordinaten sind bei der Dachaufstellung größer als bei der Gartenaufstellung; die Ausstrahlung 
der Dachfläche ist stärker. 

Die größten Unterschiede in den einzelnen Monaten sind nachfolgende: 


Negative Ordinaten der Gangkurve im alten Observatorium größerals die des neuen 
Observatoriums. 
Jänner Februar März April Mai Juni Juli August Sept. Okt. Nov. Dez. 
0°25 0?30 0227 0243 0°56 0?65 0°86 0268 0246 0?23 0?16 0217 
Am stärksten sind die Unterschiede im Juli, am kleinsten im November und Dezember. Im Juli sinkt 
die Gangkurve des alten Observatoriums bis zu 0°86° unter die des neuen, im November und Dezember 
um 0:16 und 0:17%: 
Der Einfluß der Dachfläche sowohl in der größeren Erwärmung durch Einstrahlung, als auch in der 
stärkeren Abkühlung durch Ausstrahlung zeigt sich auch aus dem Vergleiche der mittleren Ordinaten der 
täglichen Gangkurven. Dieselben sind im alten Observatorium durch alle Monate größer, wie aus der 
letzten Horizontalreihe der Tabelle XV hervorgeht. Der Unterschied wird im Juli am größten, 0:49°, im 
November am kleinsten, 003°. 
Das gleiche Ergebnis erhält man bei Gegenüberstellung der periodischen Amplituden: 
Jänner Februar März April Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt. Nov. Dez. 
Amplitude im alten 
Observatorium . . . 3:00. 7.322900 78.298 .1266,22.06.10...06104° 26.107: 92.99 545 372 2:86 2:36 
Verhältnis der Amplituden 


im alten zum neuen 
Observatorium . . . 1216 Ir il) il 116 ea Te 77 1:06 1:02* 1°19 


Im Juli ist die Amplitude des täglichen Ganges bei der Dachaufstellung 1'23mal größer als bei der 
Gartenaufstellung, im November nur 102 mal. 


12 


Mittlere Ordinate 


12 


Die Temperaturveränderlichkeit im Tageslaufe. 251 
Tabelle 1. 
Mittlere stündliche Veränderlichkeit. 
| 
Jänner | Febr. | März April Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt. Nov. Dez. 
Blue 02095 0:08,20: 1651 30:195 1-0. 190 --0-228| 0.237 | 07232 \-0-198 0:12 | 0414 |=0-10 
oo = eo eo Ne 1 ei) Sa a alle "07 -06 -09 -04 
3 ton 309 05 St) oo zone zu en sfoye 08.12 209 |. 02 
en 2208 Or 20H0 | a lloyr 10 -06 "14 -09 tor ann 206 
—_ 5 207 -08 11 "07 -04 00 Zoom oe ae oz oe 2506 
or e0on 206 08 "07 "48 "60 "49 29 -02 2008 2.2052 05 
— 7 — 201 01 "28 "85 1:31 1:34 1:42 1:47 "84 16 202. = >02 
8 "05 21 :68 Son deıtas later] 1122901 1284 "93 "48 18 -06 
— 9 "36 57 "92 -94 "88 0:84 1:05 133 1:22 78 "57 "28 
— 10 “62 72 a 49 "43 "41 0-41 0:48 Sl 6) 76 "56 
—11 77 "68 98 "34 "31 -18 zn "13 "98 "54 "67 "56 
el il 40 35 "14 En, "22 il "16 21 "41 35 "44 
— hp. “31 22 15 -10 15 "16 12 "13 12 "08 +16 17 
> "14 "03 12 Be =) 14 10 "08 "01 a042 00302 "00 
— — 2156|— 12 | 16 | 05) 05)— 15 | 04 | 02 Sf -18 215 21 
— 4 — "31 |— "26 )— 22 |. 1511 °20 ie 22 7 "23 230 "40 "30 
—5 Sole 48H 41 229 "32 229 "26 "38 "48 "62% 2092 1395 
— 6 — 35 |— 47 |— 60 |— 54 |— 44 "41 40 "56 92% 20%) "39 a. 
— 7 — © ae el "gas: "82 88 |—1:18* "76 40 "31 1ß) 
8 enisee lar | 280 “42 "74 82% :99#| 0-78 "43 225 sa 14 
— 9 — +18 |— 11 |— '33 |— '35 |— 61 "64 71 2) 39 ‚21 |— :12 I— 11 
—10 — 13 |J— 21 |— 19 I|— '23 |— 32 |— 36 |— 45 |— 45 |— "25 |— 18 |— 10 I— 09 
—11 — 12 |— 13 |— '20 |— 16 "26 “32 33 |— 32 |— 30 |— 08 I— 09 |— 11 
—12 — 09 |— 06 |— 11 |— 12 |— 23 |— 24 |—- 27 222 "23 -10 I|— 10 |— 05 
023 023 0:31 0732 0:41 0:42 0-44 0:45 0:39 0227 0-23 0:18 
Tabelle II. 
Mittlere Anderung ohne Rücksicht auf das Vorzeichen. 
Jänner | Febr. | März | April | Mai Juni | Juli Aug. Sept. Okt. Nov.#| Dez 
| 2 
— Iha 028 0'836 0:35 0:89 0-35 0:38 0:37 0:35 0:36 0'833 0:30 0:28 
— 2 “238 ol 33 "30 "31 "36 "38 "34 "31 "24% 29 "31 
— 38 "30 "35 27] "30 "34 "35 "41 "38 22 "26 “28 32 
— 4 "26 "30 28 "32 "33 28) "34 "37 "30# 229 "26 "28 
—.5 "28 sa "34 Dal cal, :2o8ı 9838 29%) +35 "26 "24%| 29 
6 27 Dre wel Seil -56 -67 "61 39 30 So 26 27 
— 7 -31 34 "46 "93 1:36 14 1:48 1:57 "88 "41 "36 oe 
— 23 "34 on oe Tage A "97 "58 "30 26 
— 9 "42 66 "98 1:05 299 0:93 1720 145 1:34 91 "60 "39 
—0 69 76 "87 | 0:69 72 do6a|r 0: 7zu. 077001 70-84 80 90 -63 
—11 81 79 73 "65 "66 "60 "69 62 "74 "67 SB) "65 
—12 "98 4 68 "97 "60 7 "37 "58 09 "54 :48 = 
— Ibp. 40 93 or) "48 "57 "52 56 "44 "49 337. "34 "30 
— 2 "26 34 "48 "41 "52 "54 "54 "40 "42 "28H STE! DE 
— 5 a2) 285 "42 "40 A5e  A7 -A6%| 36% 408 30 "30 28 
— 4 "36 36 "39% "378 "50 "51 -49 "38 ‚42 "42 "45 37 
— 5 "58 bp) "50 "46 zoll 47 "49 "47 "54 66 63 48 
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110) "32 31 133 ET, "42 "42 155 "50 "38 "32 26 “25 
ll -30 "30 "33 33 "38 "44 "48 4 -39 ei 30 30 
—12 23# 33 wPnd "31 "32 "33 "43 "33 "38 "26 "32 “28 
Mittel Osaalı 2022 2010055081, 102516:10-600.70-504 00:65, VO-EBU 10-561 ,0-42 | 0.8392 0-34 


12—. 1". 


| 
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— 10 
—11 
—12 


Mittel 


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D=o 


= 
= 


oo PPwm- 


Mittel 


= 
> 


ha. 


E. Mazelle, 


Tabelle III. 


Mittlere positive Änderung. 


Jänner | Febr. | März April Mai | Juni Juli Aug. Sept. Okt. Nov. 
0:30 | 0-41 0:32 0:32 0:36 0'830 0-31 0-29 0:30 0:30 027 
"28 "45 "34 "39 28 "34 "32 "45 "37 "31 "34 
"31 "43 "49 "25 "2 "31 "42 "38 "39 26 "33 
"28 "40 "41 "29 29 "36 "38 "38 2ER) "31 “27 
27, 29 "33 "32 "33 "26 "37 "35 "43 "35 SB 
"32 "30 "45 "34 "63 "74 "67 "46 "38 "32 "30 
en "42 60 9) 14 | 150| 155| 158 74 42 41 
"34 "41 -S1 1:00 1-27 1'25 1:44 1:43 ER) Soil "36 
"Sl 271 1:04 1:10 1:06 0:99 1:20 1:49 1:39 94 "67 
"76 "83 0:93 0:79 0:80 "74 0:93 1:02 0:88 "88 :95 
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"48 "54 "61 "51 "59 "57 "35 "46 "50 :39 "38 "37 
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228 31 "39 38 "45 Il 48 48 48 "35 122 220) 
30 34 40 "33 "42 "39 "55 "28 40 27 69 "58 
"28 337 "40 "40 49 "49 "41 "40 21* "32 2% -21* 
32.1. a2 ı=43lr, “178 138 -16or  =don <iaal @7a| ss 
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"26 "37 :27* 31 “22 "26 "47 31 34 "26 29 "34 ° 
0:38 | 0:43 | 0:51 0:48 | 0:53 | 0:56 | 0:59 | 0:54 | 0:52 | 0-40 | 0:39. | 0:37 
Tabelle IV. 
Mittlere negative Anderung. 
Jänner | Febr. | März | April Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt. | Nov. | Dez. 
0:34 0:41 0'483 056 0:42 0:50 043 0:44 0:43 0:42 0:40 0'38 
229 "35 "40 "33 "37 "44 "Sl "36 "36 "28 "31 "35 
"37. "43 "38 ‚40 "40 "40 "46 "45 "40 ‚31 "34 "37 
"34 "32 "35 "41 "43 "36 "40 "45 "39 "37 "36 "34 
"37 "39 "47 "33 "33 "41 "37 "35 "40 "36 229 "38 
"36 "34 "32 "42 "37 "36 "43 “at 29 "32 "34 "83 
"38 "37 39 "53 SIR, "46 "33 1:26 Si) 70 "49 "34 
"28 "34 "29 "37 "65 "45 "78 0:50 "44 54 "28 "27 
"28 "41 "35 "60 "50 "Sl 1:58 "81 "78 "90 "23 "33 
41 “3 84 "48 "67 62 il "61 "80 "31 :64 "38 
"33 "Sl "46 "57 "58 "57 74 "88 "683 1:10 "34 "68 
"35 44 70 "62 "67 "61 "73 90 :53 |: 042 "38 "55 
"26 61 54 "52 rl "55 "78 "37 "69 "56 "37 "33 
"21 "37 "683 "45 "57 "62 "76 "53 "54 "33 "44 33 
"35 "43 "59 "58 "57 "54 "61 ‚42 "50 "39 "35 "36 
"41 "41 "46 "47 "68 "66 "66 "48 "44 "51 "Sl "41 
"63 61 "56 "50 "62 "56 "55 "54 "37 70 67 "97 
"53 59 eordil 63 60 "63 “57 66 90 70 "54 "48 
49 "58 "80 98 | 1:00 "89 ‚94 | 1:24 "92 "56 47 “37 
"34 "37 "59 "58 0'85 9 1:07 0:90 "98 "43 "41° "34 
"45 "35 252 51 70 79. 0:80 64 "55 36 "35 "38 
"38 "38 "40 "40 "49 "48 "60 "55 "44 "39 "34 -32 
41 36 ‚42 "38 "44 "54 56 "47 49 "33 "38 39 
-30 "38 32 "38 "43 "41 "50 "40 "48 "35 "45 30 
0:37 0:42 | 0°51 0:50 | 0:55 | 0'558 | 0:67 | 0:62 | 0:53 | 0:49 | 0-40 0:39 


at 


Die Temperaturveränderlichkeit im Tageslaufe. 253 
Tabelle V. 
Anzahl der positiven Änderungen. 
5 Jahre. 

a | | 
| Jänner | Febr. | März | Apnil Mai Juni | Juli Aug. Sept. Okt. Nov. Dez. 
12— Iha. 49 46 47 47 39 45 35 33 42 4 46 47 
2 54 39 51 46 33 33 37 28 50 48 38 60 
— 38 52 43 98 44 39 41 37 43 43 53 By) 61 
— 4 56 57 47 48 43 37 97 47 38 49 42 54 
= 59 54 54 50 56 Ra, 2168 31 39 42 60 51 
— 6 64 47 49 34 127 128 127 113 60 66 52 47 
—!7 64 61 98 135 142 138 145 149 136 102 68 67 
—8 65 93 135 137 145 138 145 149 144 132 98 66 
— 9 119 122 142 136 136 135 145 145 138 140 129 17, 
— 10 133 125 131 ih 112 106 117 114 133 136 131 128 
— 11 143 123 122 102 96 85 93 98 123 128 131 135 
—12 128 112 112 9a 97 96 104 98 106 123 118 131 
12— 1ihp. 114 98 96 84 95 83 94 98 90 92 99 99 
— 2 99 71 87 77 90 89 96 91 75 73 72 68 
— 3 35 45 54 66 68 56 67 63 37 31 34 26 
— 4 18 25 32 44 98 ol 46 33 25 17 16 18 
— 5 13 14 20 37 34 34 36 25 9 9 11 21 
— 6 26 16 12 8 15 25 19 &) + 14 18 34 
— 7 24 23 13 13 6 b) ) 6 10 22 24 33 
— 8 28 34 20 14 9 6 7 10 19 25 24 38 
—ı9 37 42 22 17 12 8 © ®) 22 25 41 44 
—10 40 34 32 81 23 12 14 14 30 33 43 42 
—11 50 37 34 37 29 24 27 24 21 49 48 48 
—12 40 49 41 45 31 25 30 28 35 47 86 48 
Mittel 68 59 63 63 64 62 69 61 60 63 61 62 

Tabelle VI. 
Anzahl der negativen Änderungen. 
5 Jahre. 

| Jänner | Febr. | März April Mai Juni Juli Aug. Sept Okt. Nov Dez. 
12— iha 84 76 89 76 100 90 106 101 94 83 85 78 
2 72 78 86 80 107 99 94 107 79 85 80 76 
— 3 81 73 86 86 102 101 102 95 84 84 70 71 
— 4 79 62 &7 85 89 82 79 88 AT, 80 77 75 
— 595 7i 70 73 77 74 49 66 93 93 73 68 74 
36 57 67 80 43 16 14 20 21 71 66 67 7 
— 7 63 66 34 Bi 10 10 8 6 8 31 92 62 
— 8 92 29 12 9 6 8 1) 6 6 15 32 98 
—9 18 13 10 9 14 13 8 9 9 12 12 25 
— 10 13 © 1 30 32 sl 31 30 13 14 16 11 
—11 6 15 26 40 50 98 48 42 21 16 15 11 
—12 17 20 35 52 50 44 38 39 37 22 19 17 
12— Ihp. 25 34 42 55 46 49 45 41 46 43 37 31 
nr: 44 57 47 52 50 49 45 47 54 57 52 58 
— 38 88 s0 84 58 69 81 65 67 85 94 99 108 
—.. 127 104 103 82 85 78 84 90 110 121 126 127 
— 9 133 118 127 108 106 100 107 121 133 142 133 118 
— 6 115 120 139 135 126 115 123 139 144 129 116 103 
In 116 108 134 131 145 139 147 148 133 119 114 99 
— 8 106 92 120 125 137 140 146 140 124 108 96 92 
9 94 79 118 119 140 135 143 139 117 111 85 87 
— 10 92 96 101 105 118 121 129 135 108 102 82 81 
—11 80 84 98 95 111 107 113 118 105 83 77 82 
—12 82 74 87 84 101 104 109 105 96 84 7 84 
Mittel 71 68 76 73 79 76 18 s0 17 74 70 71 


DD 


E. Mazelle, 


Tabelle VII. 


Anzahl der Fälle ohne Änderungen. 


5 Jahre. 
Jänner | Febr. | März April Mai Juni | Juli Aug. Sept. Okt. Nov. 
12— 1ba 22 19 19 27 20 15 14 21 14 18 19 
— 2 29 24 18 24 15 18 24 20 2il 22 32 
— 38 22 25 16 20 14 8 16 1m 23 18 27 
— 4 20 22 31 17 23 31 19 20 35 26 31 
— 5 25 17 28 23 25 29 2] 31 18 40 22 
— 6 34 27 26 23 12 8 8 21 19 23 31 
— 7 2 14 23 4 3 2 2 0) 6 22 30 
—ı 8 38 19 8 4 4 4 1 0) 0) 8 20 
—ı9 18 6 3 5 D 2 2 1 3 3 9 
— 10 9 7 m 8 11 13 7 11 4 5 3 
—11 6 3 A 8 9 12 14 15 6 11 4 
— 12 10 Ö 8 7 8 10 13 18 m 10 13 
12— ihp, 16 9 17 11 14 13 16 16 14 20 14 
— 2 12 13 21 21 15 12 14 17 21 25 26 
— 3 32 16 17 26 18 13 23 25 28 30 17 
— 4 10 12 20 24 17 21 25 32 15 1% 8 
— 5 9 9 8 5 15 16 12 9 8 4 6 
— 6 14 5 4 7 14 10 13 7 2 12 16 
— 7 15 10 Sr 6 4 6 3 1 7 14 12 
— 8 21 15 15 11 9 4 2 5 7 22 30 
— 9 24 20 15 14 3 7 3 7 nl 19 24 
— 10 23 ill 22 14 14 17 12 6 12 20 25 
—11 25 20 2 18 15 19 15 13 24 23 25 
— 12 33 18 2 21 23 21 16 22) 19 24 23 
Mittel 21 15 16 15 13 13 12 14 14 18 19 22 
Tabelle VIN. 
Mittlere Maxima der Erwärmungen. 
Jänner | Febr. | März April Mai Juni Juli Aug. Sept Okt. | Nov. Dez. 
12— 1ha. 1:02 1:16 0:88 1:02 0.82 0:90 0:88 0:72 0:74 0:74 0:66 0:79 
— 2 0:88 1:56 0792 il 0:76 72 0:70 0:82 0:98 0:74 0:62 0:84 
— 3 0:76 1:30 1:60 0:70 0:66 0:88 0:84 0:94 1:14 0:66 0:76 1.92 
— 4 0:74 1:44 1:48 0:66 0:86 0:90 1:06 1282200296 O2 0:58 0:94 
— 5 0:68 0:78 0:84 0:84 1:06 0:68 1:04 0:70 0-92 0:74 0:78 102 
— 6 0:98 0:68 1:38 1:00 1:66 1278 1:42 222 1:18 0:86 0:78 1:14 
— 7 1:54 1:14 1:50 2:64 | 2:62 3:06 2:%6| 312 2:24 1:16 1:56 0:70 
— 8 1:02 12110) 1:96 2:38 2:36 2:64 2:74 2:38 2:00 1:64 1:10 1:34 
— 9 1'42 1-82 2:68 2:28 2:28 2:20 2:68 2:82 2:94 1:98 2:04 1202 
— 10 2:24 1:94 2-58 1202 2:36 2.20 2:06 2°20 2:18 2:00 2:33 1:76 
—11 2:64 2:30 2:16 1:86 1:94 220% 1:68 1:60 2:04 1:76 1:86 1:64 
—12 1:60 1:48 2:38 1:54 12726 2:10 1:96 1:82 1:68 276 1'76 1:74 
12— Ip. 130 1:56 1:48 1:60 1.62 1:74 154 1:58 1:74 ll 1:20 1226 
— 2 0:92 1:10 1'66 1072 154 1:74 1'42 1'283 1:16 1:20 0:76 1'24 
— 38 0:58 0:98 1:48 0:96 1:22 0:92 1:60 1562 1 0:64 0:56 0:38* 
— 4 0:48 0.162 0:82 1:04 122 1:38 127092 1:18 1:66 0:56 0:34* 0:60 
- 5 0:46*| 0°60*| 0:78 0:76 1:10 0:80 1:14 0:42 0:72 0:38 0.84 0:78 
- 6 0:58 0:72 0:54* 0:44 1:02 1:08 0:88 0:62 0:26*| 0:40 0:40 0:46 
7 0:94 0:64 0:76 0:42 0°16*| 0°26*| 0-32*| 0-24% 1:44 0:34) 0:82 0:50 
- 8 11232 0:90 0292 0:96 0:32 0:80 0:34 0:48 056 086 0:70 0:76 
-9 1:28 0'76 1'832 0:74 0:40 0:64 0:64 0:34 050 0:70 0:68 0:84 
— 10 1222 0:48#| 076 0:80 72 0:46 0:90 0:38 0:66 0:78 0:64 0:80 
—11 0:70 0:82 2 0:84 0:64 0:84 0:90 0:56 0:54 0:84 0:94 | 0:78 
— 12 0:82 1:00 0:48 1:04 0:40 0:42 1:18 0:66 0:86 0:62 1:00 1:22 
Mittel 1:09 1212 1:34 1.22 1:23 1:30 1:39 al 1:26 0:95 0:99 ol 


Die Temperaturveränderlichkeit im Tageslanufe. 


Tabelle IX. 


Mittlere Maxima der Erkaltungen. 


Jänner | Rebr. | März | April Mai Juni | Juli Aug. Sept. Okt. Nov. Dez. 
I 
12— Iha. 1:18 1-42 | 2:20 | 2:02 SG) 1:78 1:50 1:56 1:58 1:76 1212 1:40 
— 2 0:84 096 1-82 1:14 1:10 1:60 1:88 102 le 0:66 1:02 1-02 
— 3 1:66 1:54 1:30 1:18 1:16 11.282 | 72258 1:30 1:32) 0:88 1:24 1:30 
— 4 1:06 2165 910296 1:36 1:48 1267| 098 1:44 1:22 1:02 1:30 | 0:82 
—5 1:24 1:14 1’96 | 0:82 | 0-88 1:14 | 0:94 1:20 1:00 1.22 | 0-74 1:26 
— 6 0292 1:06 07827090717 0766. | 056%) 0.987] 076%) 080 1:02 | 084 1:00 
— 7 1:18 1:50 1:14 | 0:80 | 0:26%*| 0:62 | 0:44*| 1:48 | 0:34*| 1:86 1:44 | 0:86 
— 8 O2 0772270627 0748817 07277062 118) OVr7B 052 | Wer 05 WR 
— 9 2 OT 0:56*| 0:70 >08 | 002 1:90 1:24 1:64 1:54 | 0:32#| 0-70 
— 10 0.68 | 0-50*| 1-54 1:02 1:60 1:56 2 1:40 1:10 | 0:40*| 1:54 | 0:66* 
—11 0:48®|) 0:94 | 0:92 1:74 1:60 1:44 | 2:36 2-96 1:32 17385 2.021622 2202.96 
—12 0:64 | 0:98 162 1:94 1:64 | 2-26 1200 2278 12925 21051922 5202965 05770 
12— Ihp. 0:60 1:60 | 2:20 1260252236 1.7022 2.2576 1:96 1:60 1:42 1ilß | 02 
— 2 0:42* 1:28 1-90 1262]|00721922 2:44 | 2:70 1-52 1.2928 7.0298 1:50 | 0:80 
— 3 1.226 1:24 132 156 222 1:60 1:74 1'356 2:38 1:82 0:90 1'46 
— 4 1:14 1:32 1:54 1:44 | 2:00 | 3:70 | 2:68 | 2:22 2:08 | 2:50 1'24 1:18 
— 5 1:80 | 1:90 1072 1938012202 266 |. 2220 11985 972222 1:72| 16 | 1:52 
— 6 1:50 1:58 1:64 1:84 1:78 | 2°46 1:36 | 3:18 | 3:68 1:90 1732 1:38 
— 7 1:44 1:28 905 2 er 2 TE 22288 1:98 1:58 1:50 1:00 
— 8 1:00 1:02 | 2:14 | 1:84 | 2:06 2802 2822062 2.2508 1:86 1:42 114 1:16 
—9 1:38 1.02 1:46 1:26 | 2:74 | 2:06 2:04 1:48 2:00 1:12 1:08 1:24 
— 10 121121. 0082 212 1:08 1:32 1:46 2:06 1:70 1227) 71-04 1:14 | 0:78 
—ı ER len 1220 EEE sn 56 sa | 12222 02927 17255 1:06 
—12 1:08 1220| POT 1-20 1:18 1:58 | 2:40 sie. 2282 1:10 | 1:66 1:04 
Mittel 1:05 eilzi 1:46 | 1:36 1:53 1:68 1:88 1072 1:61 1229 1:14 1:03 
Tabelle X. 
Absolute Maxima der Erwärmungen. 
5 Jahre. 
Jänner | Febr. | März April Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt. Nov. | Dez. 
12— 1ha 16 1°5 al 2:0 626 14 12 ea 1:0 1:0 08 ol 
— 2 14 22 14 2:8 1172 oil 1:0 1°3 1'4 0:9 0-9 1°3 
— 3 1:0 2:0 2:7 122 rail 179 1616 14 1°7 1°0) 1'3 2:8 
— 4 1'8 3'2 2328 1:0 1°5 1°5 er 1-8) 1°2 1:0 Ye 1'8 
—#8 09 153 1:3 12 1:4 10 =) 1:0 1°) 12 1-2 12 
— 6 1:6 1:2 3:8 1:3 2 2-0 1:8 1:8 2-5 15 1:0 2:0 
% 3:9 1:8 18) 3:5 32 3:9 3°2 3:5 2:9 1:8 3:0 0:9 
— 8 18) 1:5 PA 208 2:6 3:0 3°3 2-5 2-5 ilc®) 1°5 1 °®) 
— 9 149 2 42 DT, 2-8 2-5 40 3:4 3°6 Zeil 2-5 2°0 
-10 2:6 2°8 34 PETE 3:0 2:8 Da 3:0 41 2.4 3:0 2°2 
—11 3:2 36 33 zeil 2:9 24 2:3 il °ß) 2:3 2-3 2:3 1:8 
— 12 1829 1'8 28 2:0 27. 239 2'5 2:6 2:6 2:6 DT 30 
12— 1äp I 31 2176 3:1 1°G 2:6 2:0 3:0 2.4 Be 1:7 1:8 
—u2 1°5 1:6 DET 21 109 2.6 9 el 1°5 2:2 1°2 2:8 
— 38 ml 1:6 20 23 1°5 il PT, 2°5 129 on 1'2 0:6* 
— 4 1:0 0:7# 1:2 167 DIRT 1:9 2:8 2:4 3:9 1:0 0-6* il 
—5 0:78 2-3 1:0 1:0 14 10 107 0:8 2:3 0:9 129 1 °R) 
—6 14 1'6 0:8# 0:9# 108) 18 19 1'6 0:6* 0:6* 08 057 
— 7 17) 1:0 127 128 0.3# 0:7* 0:6* 0:5# 39 0°8 1648 0°7 
— 8 42 2-1 2°8 1:8 0'6 107 067 0:9 1:0 152 0:9 1:3 
—:9 35 12 3.9 1'3 0:9 14 11 0:8 0:9 0:9 12 1:0 
— 10 2-3 0:8 18) a 0:9 Ver 14 0:8 1:0 17 107 1=5 
—11 1'2 il 1-2 1'3 0:8 17 1°3 0:9 0:9 10 2.28 RL 
—12 7 126) OuT= 2:3 0°5 0:6* 10) 1:0 1°5 11 1'8 2 | 
Maximum 4:2 3'6 4:2 383 3:2 3:9 4:0 35 4:1 2-6 3:0 3.0 | 
ı 


E. Mazelle, 


Tabelle XI. 


Absolute Maxima der Erkaltungen. 


5 Jahre. 
Jänner | Febr. | März | April Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt. 
12— 1ha. 16 28 6:1 49 18 2:6 2:3 3:0 3:9 342 
—_ 2 14 ar 26 2:1 1°3 21 3:0 1:5 2:4 0:9 
— 3 26 Sal) 1216 1:5 18 97 64 ve) 18 Da2: 
— 4 14 14 128 1:8 23 1.79 1:6 2.1 2:0 1-2 
—5 2.7 14 43° 1-41 12 1:6 172* 1'6 13 Zal 
— 6 teil 1:8 1:0 1:3 12 0:9# 127 1'4 12:185 Jam 
— 7 2:8 38 23 1:3 0:78 1'4 1:3 4:0 a 3:5 
— 8 1°3 1°5 13 1:0* 2:0 1’2 29) 1:9 1:3 7 
— 9 1/6 22 1°5 1°%) 2.9 129) 2.9 3:0 4'2 4:0 
— 10 28 il 0:7* 3:1 22 34 25 4:6 DT, 18 ON6* 
—11 1:9 20 12 3:3 2°5 2:0 32 De 1:9 4:0 
—12 Je 1:8 25 38 2:3 35 2:6 65 31 2:0 
12— Ihp. 1:0 3'5 2:8 2.4 3'6 2:8 41 4:9 3:0 22 
— 2 07% 1'6 el 20) 3:7 44 5:6 2:3 41 1:2 
— 3 232 1:6 3:4 2:8 3:0 3:2 Bo 2:9 49 2:7 
— 4 1°5 2 2:2 2.1 2:9 9.7 51 5:0 5:0 6:7 
— 5 2:5 29 3"8 2.9 2.8 5.83 45 3-8 4:4 22 
— 6 1e7 2:0 Bei 2:6 2:6 41 1:8 6:0 S:5 2:4 
— 7 2:0 1835 3:0 2.9 Be 27. 6:0 95 2.4 31 
—_ 8 1"3 1:16 4:5 3:0 3:2 20 3:3 49 3:83 119 
— 9 2:0 1°3 2-1 197 6:9 4:1 3:2 1:8 45 107 
— 10 1'3 0:9 20 13 1:5 2:5 32 3:0 1:5. 14 
—11 1'4 17 1947 105) 1'8 2-8 2:0 1:3* 2.8 2:0 
— 12 1:8 1.16 0-9* 1"4 1:4 31 4:0 2:0 43 230 
Maximum 2.8 3'8 6:1 49 69 al 64 645 80 6:7 
Tabelle XII. 
Täglicher Gang der Temperatur. 
10 Beobachtungsjahre, 1903 — 1912. 
| | 
Jänner | Febr März April Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt. 
jba 2:84 | 4:30 7:39 92952 la 8185 020,592 208355 
2 2 4:24 7:30 9:87 | 14:58 | 18:00 | 20-18 | 20:16 | 16°48 | 13:10 
3 272 4:16 7:21 92100 149395 alzerr se 195997 Eagle lt 
4 2:64 4:13 7-18 9-38 | 147207 17.65. 195867192837 | 716197171292 
5) 2-57 4:08 7:03 9:50*| 14°15*| 17:62#| 19°83*| 19°74*| 16-07 | 12-83 
6 2:58 4:03%*| 6:99*| 9-57 | 14:56 | 18:24 | 20-28 | 19-96 | 16-05*| 12-79# 
7 2:56%| 4:03 7124 1072477157835 2197565 2159717 212212 | 711827765 212296 
8 2-61 4:25 7:82. 11:36 | 16-92 |) 20:60 | 22:79 | 22:41 | 17:67 | 13:44 
S) 2:97 4:82 8.741 12:33) 17:87 | 21:55 | 2392| 23-71 | 182957 14284 
10 3:58 5-81 9:46 | 12:80 | 18:40 | 22:10 | 24:48 | 24:27 | 19:71 | 15-11 
11 4:33 6.2021, 10.9221 13172 718:727 722347 | 222792 | 242522 20225. Dar 
12 4:80 6:61 | 10-34 | 1341 | 18:90 | 22:58 | 25:05 | 24-79 | 20-51 | 16-13 
Lbp. 5:08 6:82 | 10-54 | 13:58.) 19:09 | 22-72 | 25-19 | 24-95 | 20-66 | 16:25 
2 5:18 | 6:89 | 10:63 | 13:67 | 19:21 | 22:80 | 25:30 | 25:06 | 20:68 | 16:26 
3 505 6.821 10-52° | 132607| 19157 | 22268 | 2572571 24.9721 720.257 9116-06 
4 474 6.58, 17102812 7182892 111:8.957 225837 2520501 245708 20.29 
5 +22 6:10 9-89 | 137097 18:61 | 22.31 | 24:76 | 24.357, 19780 1 15-09 
6 3:89 5:64 9.295 AP Saar SED 28T BASS 238 | oo 
7 3-61 5:29 8702.11 3782 17.:.222,21203 1232.332|122-727 01180231 014.208 
8 347 5:07 87337 | 11 5297116279421 220-072 52250 221.977 917238 0213 
9 329 4:91 83-092 ..105927 | 1192977 19.1 2 lzar13rns 
10 3:16 4:73 7902| 10262 |%1563.| 519.097 721 229217.21.027 zes ae 
11 3:03 4:60 7.13. |. 10-277 | 1986. | 4118737 20.896 1 120-72. | 2162851 213.280 
12 2-94 455 7:61: | 10°327| 15-15. |718:45 | 20-66. .20-50 1 16-65) [71320 
Mittel 3:53 5:18 8:59 | 1154 | 16°76 | 20-34 | 22:64 | 22:38 | 18:19 | 14-20 


Nov. 


a 


[So 


DH-DyOoosSpy+HH- DD m - 


zsevreH-vur Der w- 


woueamor-an 


BAIDBNHHroRRReN 


Nov. 


<D cD 00 00 00 DO CO 00 00 00 


"63 
"55 
"Sl 
"42 
"35 
“31# 
“32 
"33 
SR 
"87 
83 
"87 


"05 
"04 
"84 
"45 
JB 
"50 
21 


74 


"02 
"88 
7, 
7 
"59 


"33 


Dez. 


u u u u Su So 
QRH-WDOomd run Wwo 


ES 


m"Prerkepmern mm OD 


w 
[e} 


Dez. 


{or} 


ANA AOD 


DO AISIIIN 0 


[| 


Die Temperaturveränderlichkeit im Tageslaufe. 257 
Tabelle XI. 
Ordinaten der täglichen Gangkurven, abgeleitet aus den korrigierten stündlichen Mitteln der 
Temperatur. 
Be 

Jänner | Febr. | März Apnil Mai Juni Juli Aug. Sept. | Okt. Nov. | Dez. 

1ha. OEZOR Oz 4 160 1.5001 1-90 0E 72 130 12-295 19:09-41:66 17 | 0-78 10-56 
2 RW 1zopE WEB. 2100 2310 BA 2058 |=-0-86 |—0°60 
3 DES IE 0a ae Hager 229 2a Dt Da 921 | 0-89 | 0-62 
4 So ee ae 221g Dez 2:76 2.550 2.054 | 0-97 10:66 
5 02.962) 1:055)- 4:54.25 008.2 55=2° 7082. 79%--2-668. 23-164 1-89 |- 1-08 | 0-68 
6 Zee 58 ge 3 15e 2-08 2:32 A217 143 1,078 0:70 
7 DrgTEe Haze 33a 4-07 0:8987 0-77 1-8 044-819 41-46 71:26. |— 1:08 |—-0-71% 
fe) —0'92 0:91 0:75 0:16 0:20 0:27 Be 0:01 I—0'54 I—0°78 |—0'83 |—0'65 
9 ZUEABR VESAR EEE RoHS ed 12a 29 a2 oe 0: 18 | 0.282 | -0°36 
10 0-08, 10734, 100- 331 a7 Dr zz se ge rs 0-90 | 0-52| 0-19 
11 DESIONF SGB el Ben -Oae 2-00M 25a] 50 | 1-19: |. 0°74 
12 1027 143 1:75 1'87 2:14 2.24 2-41 2-41 2.32 193 1:54 Leili 
ihp ES ERBE aan Bo ale 2 Az 2:06: 1773| 1.28 
2 1656| 1770| 20 22| 2383| 25| 26 2:69 | 2:50 | 2-07 1:73 1:28 
3 TSoB Be 990 Ode 2 365 BB Im RB: Bo Bene 2377| 1-58 | 1-10 
4 9 BES 7 Saar 2: oa 21a 2400, 2-40 2- 12: 0-54 | 1715| 0-81 
5 0:69 | 0-89 | 1-2 152 el ao Bla gg ee og 0-58: |-.0-42 
6 O23681.10:405 0.968%17..0:98%1F Sia4 a0 151017 71.:6526 1245 170-851 D-84022 | 0720 
7 0:08 0:06 0:09 015 0:40 0:67 VER 0:36 0:08 |—0°10 |—0°07 0-01 
8 020641 -0-1671=.0-24 11--0-302=0-2921-0-191=0-21 10-38 )==0-32 ]-0-35 |—-0-25 |-0-13 
9 —0'24 I—0'33 |—0'53 0:67 0:87 0:85 0:92 0:88 0:77 0:59 0:38 0-23 
10 —0'37 |—0'52 |—0'72 0:93 1:21 1:28 138 1-31 1:00 076 0:48 0:34 
11 —0:49 |—0'65 |—0°90 |—1'13 |—1'49 |—1'64 |—1'71 |—1'62 |-- 28 I—0':86 |—0'54 |—0'43 
12 —0:58 |—0°71 |—-1:02 |—-1:29 |—1:71 |—1'92 |—2°01 |—1'84 147 0:96 065 |-—-0°47 
Mittlere Ordinate 0:77 0:88 1-15 1'36 1'66 1-75 1:87 oil 1:55 0) 0:84 0:60 


Täglicher Gang der Temperatur nach Ausscheidung der unperiodischen Änderungen. 


Tabelle XIV. 


| Winter | Frühling 

ih a 4:50 10:78 
2 4:46 10:64 
3 4:39 10:49 
4 4:34 10:36 
5 4-29 10"27* 
6 4-27 10:41 
% AloDBRE 1120 
8 4:36 12-06, 
9 Ad 13:00 
10 5:38 887 
11 6:04 13:98 
12 6°46 14:22 
Ih p. 6:68 14-40 
2 6:73 14:49 
3 6:60 14:40 
4 6:32 14:19 
5 5°85 13:83 
6 Bus 13:30 
7 5:24 12-51 
8 9207 12:02 
9 4:92 11°61 
10 4:78 11:34 
11 4:66 INLe N 
12 4:60 10:96 
Mittel 5-19 12:30 


Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC. 


Sommer | 


119% 
19% 
1B)= 
19% 
-07# 
ı9)° 
20° 
21. 
23° 
"62 
23° 
24° 


19 


23 


Om Do 


64 
46 
25 
12 


50 
09 
93 
06 


Herbst | 


Jahr 
12:74 11:91 
12:65 11:80 
12-55 11°67 
1246 Dad 
12:38 11:50# 
12-35* 1163 
12-60 12-22 
13°19 12:89 
14:12 13:74 
14:88 1436 
1548 14:85 
15:84 916 
15:99 15:34 
16:01 15:40 
15:83 19°28 
15 15:03 
14:95 1461 
14:38 14:13 
13:88 13:50 
13°59 13:05 
IBU88 12-69 
13°16 12:44 
ISE9 1928 
12:88 12-08 
13:91 18530 


36 


258 


E. Mazelle, Die Temperaturveränderlichkeit im Tageslaufe. 


Tabelle XV. 


Differenzen zwischen den Ordinaten der täglichen Gangkurven des alten und neuen Observatoriums. 


Jänner | Febr. März Apnil Mai Juni Juli Aug. Sept. | Okt. 
| 
iba, — 0:17 |—0°20 —0°21 |—0:38 |—0:55 |—0'61 |—0:86*#| —0-40 |—0'27 |—0:18 
2 —0:24 |—0'23 |—0'24 |—0°40 |—-0:54 |—0'60 |—-0'85 |—0°40 |—0:31 |—0:22 
3 —0:20 |—0:22 |—0:27#|—0:32 |—0'56*] —0'55 |—0'83 |—0°39 |—0'29 |—0:23* 
4 — 0:19 |—0°30#|—0:27 |—0'32 |—0'45 |—0°61 |—0:79 —0:43 :|—0'33 |—0'23 
6) —0:19 |—0:29 I—0:25 |—-0'26 |—0'32 |—0'23 |—0'63 |—0°31 |—0'39 |—0'18 
6 — 0:18 |—0'23 |—0'14 | 0'06 0,51 0:49 0:50 0:24 |—0'31 |—0'10 
7 —0:03 |—0'06 0:30 | 0:68 | 0:80 | 0:70 | 0:92 0:64 | 046 0:24 
8 0-21 0:18 | 0:57 0.71 0:69 | 0% 116 | 0:85 | 0:73 | 0:58 
9 0:33 | 0:31 0:39 0:48 0:48 0:56 0:98 0:58 0-47 0-51 
10 0:34 | 0:27 0213 0:44 025 0-48 0:83 062 035 0:32 
11 0,2198 7.020625: 02022 BE 052177 0:20 0:61 0:56 0:34 | 0-08*| 0-12 
12 0:18*| 0:12 | 0:04 0:14 0:19%| 0-30%*) 025 0:18 0:18 0:01* 
ih p. 0:22 0-13 0:06 | 0-03*| 0:22 0:32 07233] o-11=| 0716 0-08 
2 0:25 | 0:22 0.07 0:07 0:22 0:46 0:24 | 015 0:19 0:08 
3 0:23 | 0:33 | 0:27 0:36 0:46 | 0:63 | 0:52 0:38 | 0:55 | 0:21 
4 0:18 0:24 | 0:29 | 0:37 0:47 052 0:57 0:35 | 0:52 0:13 
%) 0:12 0-18 0:16 0:15 0:28 0:19 0:38 0:18 0:26 0:03 
6 —006 0:06 0:03 |—0°01 |—0'01 |—0'10 0:05 |—0:09 0:02 |—0'20 
rd — 0:04 0:04 |—-0°02 |—0°10 |—0°03 |—0:17 |—0:07 |—0'21 |—-0:18 |—0:16 
8 0:18 0:04 |—0'12 0:26 |—0:36 0:48 0:50 0:47 0:38 Oz 
9 —0:25#*|— 0:14 |—0'18 |—0'28 0:42 0:59 0:65 0:68#|— 041 |—0'18 
10 —0'20 |—0:12 |—0'25 |—0'37 0:54 0:65 0:68 |—0:57 |—0'46*| — 017 
11 —0'17 |—0:15 |—0'21 0:43 0:53 0:65#| — 0:75 \—0:49 |—0'32 |—0:19 
12 —0'16 |—0'20 |—0'25 0:43*| — 0:53 0:63 |—0'75 |—0'50 |—0'31 |—0'20 
Mittlere Ordinate 0:13 0:14 | 0'138 0:21 0:29 0:38 0:49 0:31 0:24 | Oli 


Nov. 


—) 
—0 
—0 
—0 
—0O 
—0 
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Dez. 


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ÜBER DIE AUSZERE KÖRPERGESTALT EINES FETUS VON 

BLEPHAS MAAIMUS (= INDICUS L, NEBST VERGLEICHENDEN 

BEIRACHTUNGEN UBER SEIN INTEGUMENT, INSBESONDERE 
ÜBER DIE BEHAARUNG 


VON 


KARL TOLDT yon. 


Mit 5 Tafeln 
VORGELEGT IN DER SITZUNG AM 10. JULI 1913. 


Am Morgen des 23. Juli 1911 verendete in der kaiserlichen Menagerie zu Schönbrunn ein aus Siam 
stammendes Elephantenweibchen, welches einen 56°5 cm langen, normal gebildeten Fetus enthielt. Dieser 
war zur Zeit der Sektion des Muttertieres, welche einige Stunden nach dessen Tod erfolgte, bereits abge- 
storben. Er wurde sofort durch die Nabelgefäße mit zweiprozentigem Formalin injiziert und in solches 
gelegt. Nach mehrmaligem Wechseln des Formalins wurde dieses im Herbst durch 50-, beziehungsweise 
7Sprozentigen Alkohol ersetzt. Da dieser Fetus für anatomische Zwecke besonders wertvoll erschien, wurde 
er auf Ersuchen des Herrn Professors F. Hochstetter dem II. anatomischen Universitätsinstitut in Wien 
zur monographischen Bearbeitung überlassen. Zuvor erwies es sich angezeigt, die allgemeinen äußeren 
Verhältnisse genau zu untersuchen und in Abbildungen festzulegen. Diese mir übertragene Bearbeitung, 
zu welcher mir auch einiges Alkoholmaterial vom Muttertier sowie von einem gleichfalls von diesem 
stammenden Neugebornen zur Verfügung stand, ergab insbesondere bezüglich des Integumentes 
manches Interessante. Eine eingehendere Behandlung erfuhr die Oberflächenbeschaffenheit und die 
Färbung der Haut! sowie die in mehrfacher Hinsicht beachtenswerte Topographie des an den 
einzelnen Körperstellen verschieden zeitlichen Erscheinens der ersten Behaarung, welches, 
wie es sich in neuerer Zeit gezeigt hat, bei den einzelnen Säugetierarten ein sehr verschiedenartiges ist 


und hier in Kürze vergleichend besprochen wird. 


Wo es angezeigt erschien, wurden an der Hand der Literatur oder nach eigenen Beobachtungen die 
Verhältnisse bei anderen Haararmen verglichen, so insbesondere bei den Nashörnern und Flußpferden 


1 Über die Färbung, beziehungsweise Zeichnung der behaarten Haut der Säugetiere befindet sich eine Abhandlung in Druck, 
die demnächst in den »Zoolegischen Jahrbüchern« erscheinen wird [Toldt (d)). 
Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. NC. Bd. 37 


260 K. Toldt jun, 


sowie bei den den Elefanten verwandtschaftlich nahestehenden Sirenen. Ferner ergab sich die Gelegen- 
heit, zwei Feten von Procavia (Hyrax) zu besprechen, einer Gattung, welche bekanntlich gleichfalls mit 
den Elefanten mehrfach in Beziehung gebracht wird. 

Die Untersuchungen über den feineren Bau des Integumentes sowie über die andern Organsysteme 
dieses Elefantenfetus werden unter der Ägide des Herrn Professors Hochstetter von andern Forschern 
vorgenommen und einzelne Kapitel darüber nach jeweiligem Abschlusse veröffentlicht werden. 

Die vorliegende Abhandlung gliedert sich folgendermaßen: 

1. Allgemeines. Über die Herkunft des Fetus nebst biologischen Bemerkungen über die indischen 
Elefanten in der kaiserlichen Menagerie zu Schönbrunn. — Über die bisher bekannten Elefantenfeten, über 
die wissenschaftliche Bedeutung ihrer. äußerlichen Untersuchung und über die Altersbestimmung von 
Elefantenfeten. 

2.:Allgemeine Beschaffenheit der Haut. Die Hautoberfläche. — Die Hautfärbung. 

3. Besprechung einzelner Körpergegenden exklusiveihrer Behaarung. Der Rüssel. — Die 


Umgebung der Mundöffnung und ihre Beziehung zur Rüsselbasis. — Die Augengegend. — Die Schläfe- 
drüse. — Die Ohrmuschel. — Die Milchdrüsen. — Die äußeren Geschlechtsteile. — Die Mittel- 
fleischgegend. — Der Schwanz. — Die Extremitäten. — Körpermaße. 


4. Über die Topographie des ersten Erscheinens der Haare bei den Säugetieren. 

5. Bemerkungen über das Integument von Procaviafeten. 

6. Über die Behaarungdes Elefantenfetus. Über die bisherige Kenntnis von derBehaarung von 
Elefantenfeten. — Allgemeines über die Behaarung des Fetus. — Das Scheitel-Schläfengebiet. — Die 
Rumptbehaarung. — Die Behaarung der Extremitäten. — Die Behaarung der Mittelfleischgegend. — Die 
Behaarung des Schwanzes. — Die Behaarung der Umgebung der Mundöffnung mit Einschluß des Rüssels. 
— Die Behaarung der Augengegend. — Das Haarbüschel an der Schläfedrüse. — Die Behaarung des 
äußeren Ohres. — Die Pili submentales nebst Bemerkungen über das Verhältnis der Spürhaare zu den 
asinuösen Haaren im allgemeinen. 

7. Zusammenfassung. 


Im Laufe dieser Bearbeitung mußte ich die Freundlichkeit einer Reihe von Fachkollegen in Anspruch 
nehmen. Vor allem habe ich Herrn Professor F. Hochstetter, in dessen Institut ich die Untersuchung 
vornahm, und Herrn Dozenten Dr. C. Elze (jetzt in Heidelberg) für ihre vielfache Unterstützung zu danken, 
Ferner erhielt ich in entgegenkommendster Weise Auskünfte von den p.t. Herren R. Anthony (Paris), 
J.E. V. Boas (Kopenhagen), A. Brauer (Berlin), R. H. Burne (London), L. Freund (Prag), F. Keibel 
(Freiburg i. Br.), A. Keith (London), E. Lönnberg (Stockholm), H. Meerwarth (Braunschweig), W. G. 
Ruppricht (Wien), S.v. Schumacher (Wien), ©. Thomas (London), E.L. Trouessart (Paris) und 
H. Winge (Kopenhagen); auch ihnen nochmals meinen verbindlichsten Dank! Desgleichen sei in Dank- 
barkeit Herr A. Kraus, Inspektor der kaiserlichen Menagerie in Schönbrunn, erwähnt, welcher in umsichtiger 
Weise die Vorkehrungen zur Sektion des Muttertieres traf, die von den Herren Dr. C. Elze, Dr. H. Sicher, 
von mir und von Präparatoren des Wiener Hofmuseums vorgenommen wurde. Auch der löblichen Redaktion 
des »Illustrierten WienerExtrablatt« bin ich für eine freundlichst erteilte Auskunft zu Dank verpflichtet. 


Fetus von Elephas maximus. 261 


1. Allgemeines. 


Über die Herkunft des Fetus nebst biologischen Bemerkungen über die indischen Elefanten in der 


kaiserlichen Menagerie zu Schönbrunn. 


Zunächst einige Angaben über die Herkunft des Fetus, welche ich der Liebenswürdigkeit des Herrn 
Inspektors A. Kraus und des Herrn Adjunkten K. Müller verdanke. Das Muttertier kam am 10. Juni 
1898 von Bangkok als Geschenk Seiner Majestät des Königs von Siamin die kais. Menagerie zu 
Schönbrunn; es war zur Zeit der Ankunft zirka fünf Jahre alt, sehr gut entwickelt und allem Anscheine 
nach gesund. Am 30. Juni 1910 gebar es ein weibliches Junges, das jedoch gleich nach der Geburt 
einging, da der Nabelstrang zu kurz abriß. Die Trächtigkeitsdauer war in diesem Falle nicht zu ermitteln. 
Im September des gleichen Jahres fanden neuerlich Kopulationen statt, und zwar im Verlaufe von unge- 
fähr drei Tagen zirka 15. Nach einiger Zeit kränkelte das Weibchen und verendete am 23. Juli 1911, 
und zwar, wie die Sektion ergab, an chronischer Magen- und Darmentzündung mit veralteten und neuen 
Geschwürbildungen. Das Tier war also zur Zeit des Todes zirka 18 Jahre alt! und der Fetus befand sich 
im 11. Monate. — Der Vater, »Pepi« mit Namen, war am 18. Mai 1896 aus Bombay eingelangt und zur 
Zeit der Begattungen, von denen unser Fetus herrührt, gegen 20 Jahre alt. 

Von diesem Bullen stammte auch das eben erwähnte Neugeborne, sowie zwei weitere weibliche 
Nachkommen; diese wurden von einem heute zirka 26jährigen Elefantenweibchen, das gleichzeitig und 
vom selben Herkunftsorte wie der »Pepi« eintraf und »Mizi« genannt wird, in der Menagerie geboren, und 
zwar das »Mädi« am 14. Juli 1906 und die »Greti« am 1. Juni 1911. Beide, sowie die Eltern befinden sich 
gegenwärtig noch in der Menagerie und erfreuen sich des besten Wohlbefindens. Die Tragzeit betrug in 
dem einen Fall 21 Monate und einige Tage, im anderen genau 22 Monate. Nach Brehm fallen die meisten 
Geburten von indischen Elefanten in die Monate September bis November, ausnahmsweise in andere. In 
Schönbrunn fanden alle drei im Juni beziehungsweise Juli statt und auch der Fetus wäre vermutlich im 
Mai oder Juni zur Welt gekommen. Geburten, bei welchen bekanntlich auch einige Male Zwillinge beob- 
achtet wurden, und eine erfolgreiche Aufzucht von Elefanten, wie auch von Nashörnern und Flußpferden, 
sind in Tiergärten bekanntlich noch immer ein seltenes Ereignis und das Mutterglück der »Mizi« in 
Schönbrunn dürfte bisher einzig dastehen. (Über derartige Verhältnisse sowie über die Lebensweise der 
Elefanten im allgemeinen siehe zum Beispiel Brehm’s Tierleben, Mojsisovics, Bryden, Lydekker, 
Schiött, Tournier u. v. a.) 


Über die bisher bekannten Elefantenfeten, über die wissenschaftliche Bedeutung ihrer äußerlichen 


Untersuchung und über die Altersbestimmung von Elefantenfeten. 


Ein Elefantenembryo, beziehungsweise -fetus ist noch stets ein seltenes und für die Wissenschaft 
sehr wertvolles Objekt. Aus der wissenschaftlichen Literatur sind mir nur sechs Exemplare bekannt (vgl. 
nachstehende Tabelle); von diesen stammen zwei noch aus dem 18. Jahrhundert und befinden sich, wie 
auch einzelne der übrigen, in schlechtem Zustande. Außerdem habe ich noch drei andere in der 
Literatur bisher nicht speziell erwähnte Feten in Erfahrung gebracht, so daß sich die Zahl der 
mehr weniger vollständigen Exemplare nunmehr auf zehn beläuft (fünf indische, fünf afrikanische). 
Zweifellos gibt es noch eine Anzahl mir unbekannter Exemplare. 


1 Die Epiphysen der Röhrenknochen, der Wirbelkörper ete. waren bei diesem Individuum noch"ganz frei. 


26 


186) 


K. Toldt jun., 


Übersicht über die mir bekannten Rlefantenfeten. 


Erscheinungsjahr 
nd Aufbewahrumes- Scheitel- Altersschätzung 
Autor Herkunft Geschlecht :Blä Ä 
Umfang der | ort Steißlänge in nach 
Publikation ER demsanı 
1783 | E. A.W. |Naturhistorisches Nach der wohl ) 
N Ziemlich ausführliche Zimmer- Museum Eye irrtümlichen 36:7 »etwa eine drei- 
Beschreibung mann Brauhschweig Meinung des |(umgerechnet) monatliche Fruchts 
mit Abbildungen Autors g’ 
1868 eh r der 
2 Kurze Notiz mit J. E. Gray RR, en Ceylon Abbildung 
Abbildung un d nach 6-6 
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als Zn ich a, uhr- Pururein I Se ” the } Z absolutes man »only about a half 
S licher Bericht University of ; grown foetus« 
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© mit Abbildung Edinburgh 
12] 
1913 8 n 1 
4 Vorliegende Ab- K.Toldtjun. II. Saale N a 9 56-5 Mor 
Institut Wien aus Siam 
handlung 
Nach privater Royal College of 
6) Nicht publiziert 2 Mitteilung Sue ? d 16 
of England 
vonH.Burne 
London 
I 
1734 Zoologisches en a r der »certe nondum 
6 Kurzer Bericht mit A. Seba Reichsmuseum ne ie N Abbildung dimidium ge- 
Abbildung Stockholm EI Hi Boy © nach 342 | stationis tempus« 
West-Afrika h 
1905 Zoologisches Kamerun 5 der 
7 Kurzer Bericht mit |E. Lönnberg| Reichsmuseum | (Z. cyclotis Abbildung 
Abbildung Stockholm Matschie) ? nach 23:3 
un 
e 1910 2 
= : : Zoologisches 4 
8 | © | Kurzer Bericht mit | A. Brauer ; Kamerun 7:25 
- 
$ ANsßrllskimis Museum Berlin 6% 
& 
S 
= Nicht publiziert; |Nach privater| Zoologisches 
9 stammt aus alter Mitteilung Museum ? 0) 42°5 
Zeit vonH.Wingel Kopenhagen 
In der populären 
Zeitschrift 
»L’Illustratione, n 4 ae 
N Nr. 3590, p. 515, |, A N a a Be ß 15 
Paris, 1911, . Durrieux |schrift p. [300]. 
kurz erwähnt und 
abgebildet 


1 Nach einer privaten Mitteilung von Herrn ©. Thomas. 


2 Dieser Fetus befand sich wohl bereits unter den »Several foetusses of Indian Elephant«, welche nach einer Mitteilung von 
Flower (siehe bei Gray 1868) damals im angeführten Museum aufbewahrt waren. Außer diesem Fetus besitzt dasselbe, wie mir Herr 
H. Burne freundlichst mitteilte, gegenwärtig noch die vollständige Haut (in Alkohol) eines zweiten g' Fetus derselben Art (Scheitel- 
Steißlänge 46 cm), sowie verschiedene Körperteile von fünf anderen Elefantenfeten (darunter von zwei B. africanus). 

3 Nach einer privaten Mitteilung von Herrn E. Lönnberg. 

4 Nach einer privaten Mitteilung von Herrn A. Brauer. 


Fetus von Elephas maximus. 263 


Wenn man die Vertreter der einzelnen Arten zusammen betrachtet und die angegebenen Maße als 
einheitlich genommen voraussetzt, hat der kleinste eine Größe von 66cm Scheitel-Steißlänge. Von diesem 
an folgen die andern in mehr minder gleichmäßigen Abständen bis zum größten von 54'6cm (in diesem 
- Falle die absolute Länge). Das Wiener Exemplar ist noch etwas größer als dieser, da bei ihm bereits die 
direkte Länge 56°5cm beträgt. Von da an bis zum Neugebornen, welches gegen 120cm erreicht, besteht 
noch eine ziemlich bedeutende Lücke. 


Wie aus den zumeist nur ganz kurz gehaltenen Besprechungen’hervorgeht, weist die äußere Gestalt 
bereits bei den kleinsten bekannten Embryonen vielfach bis in die Details den typischen Elefanten- 
charakter auf. Man könnte daher glauben, daß eine eingehendere äußere Untersuchung der Feten 
ziemlich zwecklos wäre. Abgesehen von ihrer Notwendigkeit als Vorarbeit für die anatomische Unter- 
suchung hat jedoch bereits das bisherige Material einige interessante Ergebnisse geliefert und solche sind 
bei Vermehrung desselben noch weiterhin zu erwarten. So hebt z. B. Brauer (a) bei seinem zu den 
kleinsten gehörigen Embryo (Taf. III, Fig. 5) die noch schwache Verbindung der Zehen mit dem elastischen 
Polster zum Klumpfuße hervor. Ferner wären die Veränderungen. der Form beziehungsweise der Pro- 
portionen einzelner Körperteile zu erwähnen; solche ergeben sich zZ. B. bezüglich der Form und der 
relativen Größe des Kopfes, wenn man die Abbildungen von Gray (Taf. Ill, Fig. 6) und Brauer mit jenen 
von größeren Exemplaren (Taf. I, Fig. 1) vergleicht (bei den ersteren stärker gewölbt und größer), oder 
hinsichtlich des Rüssels, welcher nach meinem Material im Laufe des Wachstums allmählich plumper 
wird (s. Tab. p. 17—20). Weiters sind die Artmerkmale bereits in sehr frühen Stadien ausgeprägt, was 
Lönnberg sogar in bezug auf die west- und ostafrikanische Art (vgl. Matschie) bemerkt hat. 


Beachtenswert erscheint mir weiters die Beschaffenheit der Hautoberfläche, besonders hinsichtlich 
der Frage, in wie weit bereits bei den Feten gewisse Runzeln oder Furchen ausgebildet sind, welche 
hauptsächlich im späteren Leben des Tieres mit der Bewegbarkeit einzelner Körperteile, namentlich des 
Rüssels, in Zusammenhang stehen. Unser Fetus hat sich allerdings gewiß bereits lebhabt bewegt. Vgl. die 
inzwischen erschienene Abhandlung von R. Semon über die Fußsohle des Menschen. 

Beim Wiener Exemplar erwies sich außerdem die Untersuchung des Behaarungszustandes von 
besonderem Interesse, so speziell das topographisch verschieden zeitliche Erscheinen der Haare sowie 
die Verteilung der einzelnen Sorten derselben (siehe zunächst das Übersichtsbild Taf. Il, Fig. 2); dabei 
ergab sich für einzelne Körperteile, so besonders für die Umgebung der Mundöffnung inklusive des 
Rüssels, ein eigenes, wie es scheint spezifisch verschiedenes Behaarungssystem, welches beim Erwach” 
senen infolge seiner gewaltigen Größe und namentlich wegen der durch verschiedene mechanische Ein- 
flüsse meistens beträchtlichen Schadhaftigkeit der Behaarung viel weniger übersichtlich ist und bisher auch 
nicht recht erkannt wurde. Ferner zeigt sich nun, daß auch der Elefant Haargruppen besitzt, welche ihrer 
topographischen Lage nach zweifellos den bei verschiedenen Säugern vorkommenden und in letzter Zeit 
mehrfach erörterten Spürhaargruppen entsprechen, und zwar ein scharf umgrenztes submentales Büschel 
und eine Reihe von Supraorbitalhaaren. Beim Fetus sind diese Haargruppen wegen ihrer isolierten Stellung 
deutlich zu erkennen, während sie späterhin unter der übrigen Behaarung äußerlich nicht mehr besonders 
auffallen. Die in bezug auf die Verteilung der einzelnen Haarsorten charakteristische Behaarung der Um- 
gebung der Mundöffnung beziehungsweise des Rüssels zeigt beim Fetus und beim Erwachsenen trotz des 
großen Unterschiedes in der Länge und Stärke ihrer Haare denselben Charakter. Das gleiche gilt vom 
Schwanze. Dagegen entspricht das frühe Auftreten der ersten Behaarung nicht durchwegs einer besonderen 
Mächtigkeit im späteren Alter. So ist die Behaarung an den Seiten des Bauches, welche beim Erwachsenen 
keineswegs auffallend ist, beim Fetus verhältnismäßig stark ausgebildet. Die genaue Kenntnis derartiger 
Verhältnisse erscheint beim Elefanten und anderen haararmen Tieren von besonderem Interesse. 


Bezüglich der AltersbestimmungvonElefantenfeten hatte man bisher keine sicheren Anhalts- 
punkte; nur hinsichtlich der größeren wurden allgemeine Vermutungen ausgesprochen, von welchen, wie 


264 K. Toldt jun., 


es sich nun zeigt, einzelne ganz zutreffend waren. Unser 56:5cm großer Fetus ist — entsprechend dem 
erwiesenen Zeitraume von der Konzeption bis zum Tode des Muttertieres — ungefähr 11 Monate alt; da 
die Trächtigkeitsdauer bei den Elefanten allgemein mit 18 bis 22 Monaten angegeben wird,! welche Zeit 
für die Verhältnisse in der Menagerie zu Schönbrunn, wie wir gesehen haben, auf 21 bis 22 Monate 
zu fixieren ist, hat das Wiener Exemplar gerade die Hälfte der intrauterinen Entwicklungszeit 
durchlaufen. Die in der Literatur verzeichnete Angabe, daß die weiblichen Elefanten zu ihrer Ent- 
wicklung kürzere Zeit benötigen als die männlichen, dürfte nach den Erfahrungen in Schönbrunn 
nicht zutreffen, es sei denn, was jedoch unwahrscheinlich ist, daß die Tragzeit für männliche Feten 
unter den in Schönbrunn gegebenen Verhältnissen den allgemein angenommenen Tragzeiten gegenüber 
_ eine längere wäre. | 

Wenn man von allfälligen Schwankungen in der spezifischen und individuellen Größenentwicklung 
absieht, ist zunächst Seba’s Annahme, daß sein 34"2cm großer Fetus noch nicht die Hälfte der intra- 
uterinen Entwicklungszeit erreicht hatte, sicher richtig; dem Wiener Fetus nach könnte man ihn ungefähr 
auf 9 bis 10 Monate schätzen. Vollkommen zutreffend erscheint es ferner, daß Turner sein 54 :6cm 
großes Exemplar als nur ungefähr halberwachsen bezeichnete. Dagegen hat Zimmermann seinen 
36°7 cm großen Embryo mit 3 Monaten entschieden viel zu jung taxiert; er entspricht vielmehr ungefähr 
dem von Seba. Dieser Irrtum ist darauf zurückzuführen, daß Zimmermann als Trächtigkeitsdauer des 
Elefanten nur 9 Monate voraussetzte und deshalb die Bestimmung auf Grund eines Vergleiches mit dem 
Wachstum der menschlichen Frucht ausführte. ’ 


Die Berichterstatter über die kleineren Feten haben sich über deren Alter nicht ausgesprochen, 
Brauer speziell mit der zutreffenden Begründung, daß es ihm wegen unserer zu geringen Kenntnis der 
Entwicklung des Elefanten ziemlich zwecklos erscheine, über das Alter seines Embryos Vermutungen auf- 
zustellen. Für so frühe Stadien bietet auch unser Fetus keine brauchbaren Anhaltspunkte. 


Hinsichtlich der Verteilung der bisher bekannten Feten in bezug auf die Arten, auf das Geschlecht? 
etc., vgl. vorstehende Tabelle. 

Nebenbei sei noch erwähnt, daß zyklopische Mißbildungen von Säugetierembryonen 
rüsselähnliche Bildungen aufweisen und so beim ersten Anblick für Elefantenembryonen gehalten werden 
können (vgl. Plate). | 

Bezüglich des Neugebornen finden sich wohl mehrfach Angaben über die Biologie und die äußere 
Erscheinung, jedoch bietet auch ein solcher noch ein sehr wertvolles wissenschaftliches Objekt. 


Über fetales Material von Nashörnern und Flußpferden scheint noch weniger bekannt zu sein. 
An Nashornfeten fand ich beispielsweise nur einen von de Meijere und zwei von Brauer (db mit Ab- 
bildung) kurz erwähnt; ein weiterer, aus dem Wiener Hofmuseum, wird gelegentlich in der vorliegenden 
Abhandlung angeführt. Von Flußpferdfeten werden je einer von Daubenton (b) und Gray und zwei von 
Keibel(a) besprochen und abgebildet. Sicherlich findet sich in der Literatur noch die eine oder andere 
Angabe verstreut, desgleichen dürfte auch noch eine Anzahl von Exemplaren in verschiedenen Samm- 
lungen aufbewahrt sein. Außer dem Fetus von Daubenton scheinen alle andern so klein zu sein, daß 
sie für das Studium der Behaarung noch nicht in Betracht kommen. 


Über Feten von Sirenen und Walen liegen bekanntlich ausführliche Abhandlungen vor (siehe 


besonders Kükenthal, Japha u. a.). 


1 Beim Nashorn wird die Trächtigkeitsdauer bekanntlich im allgemeinen auf 17 bis 18, beim Flußpferd auf zirka S Monate 
geschätzt. 
2 Bei der Schwierigkeit, welche die Geschlechtsbestimmung bei Säugetierembryonen bekanntlich oft bietet, muß es dahin- 


gestellt bleiben, ob sie in allen Fällen zutrifft. Hier sei noch darauf hingewiesen, daß alle vier in Schönbrunn gezeugten Individuen 


Weibchen waren. 


Felus von Elephas maximus. 265 


2. Allgemeine Beschaffenheit der Haut. 


Die Hautoberfläche. 


Die Haut ist — abgesehen von den stellenweise vorhandenen Härchen, an deren Austrittsstellen sie 
oft schwach trichterförmig eingesenkt ist — im Gegensatz zu jener des Erwachsenen im allgemeinen 
ziemlich glatt. Außer den bekannten starken Faltungs- beziehungsweise Knickungsfurchen (zum Beispiel an 
der Kehle, an der Achsel u. s. w.) finden sich an oder in der Nähe von beweglichen Körperteilen (am Rüssel 
und in der Umgebung der Schwanzwurzel) vielfach Furchen, welchen eine gewisse Regelmäßigkeit zu- 
kommt. Von solchen kann man hauptsächlich dreierlei Arten unterscheiden: mehr weniger tiefe Runzeln, 
glatte, deutlich vertiefte Furchen und zarte, kaum eingesenkte Linien. Viele von ihnen sind äußerlich oder 
an der Innenseite der Epidermis, beziehungsweise an der Oberfläche des Corium auch noch beim Neu- 
gebornen oder beim Erwachsenen in ınehr weniger modifizierter Weise zu erkennen. Ausführlicheres 
hierüber findet sich bei der Besprechung des Rüssels; vgl. auch die der Glutealgegend. 


Die Hautfärbung. 


Die Haut ist größtenteils ziemlich intensiv dunkelbräunlichgrau. Am Vorderkopf und an der Vorder- 
seite der Extremitäten (an den Füßen ringsum) ist sie etwas dunkler (mattschwarz). In verschiedenem 
Grade lichter sind die Kehle, der Bauch (gelblichgrau), die Unterfläche des Rüssels (bräunlichgrau), die 
mittlere Partie der Hinterfläche der Ohrmuschel (grau), sowie die Fußsohlen (matt gelblichgrau). Nach 
längerem Liegen in Alkohol wurde die Färbung allenthalben matter und nahm einen mehr graulichen 
Ton an. 

Die matt gelblichweiße Mundschleimhaut und Zunge, sowie die grauweiße Nabelschnur und die 
gelblichweiße Innenfläche der großen Schamlippen heben sich von der dunkleren Färbung ihrer Umgebung 
scharf ab. Afterschleimhaut lichtgrau. 


Die Hufe sind in ihrem oberen Abschnitt glänzend taubengrau und werden nach unten zu lichter 
(gelblichweiß). 

Die pigmentierte Epidermis ist, wie bei dem 54°6cm großen Turner’schen Exemplar, stellenweise 
abgefallen und die Haut sticht hier durch ihre gelblichweiße Färbung von der unversehrten dunklen Um- 
gebung deutlich ab. Bei der Entnahme ätıs dem Uterus war unser Fetus, abgesehen von den Schleim- 
häuten der Mundhöhle etc., an der ganzen Körperoberfläche dunkel. Bekanntlich wird, ähnlich wie bei den 
Nashörnern und Flußpferden oft auch von »weißen« (lichten, beziehungsweise albinotischen) und scheckigen 
Elefanten gesprochen und auch Zimmermann glaubte, einen gefleckten Fetus vor sich zu haben. Beim 
Elefanten wie auch bei andern haararmen Säugetieren, den Cetaceen, Sirenen, Rhinocerotiden etc., ist die 
Hautfärbung vielfach relativ stark dunkel und beruht bekanntlich auf einer direkten Pigmentierung der Haut 
[s. Toldt (@)], d. h., das Pigment befindet sich in dieser selbst, und zwar in verschiedener, hier nicht näher zu 
erörternder Weise (vgl. insbesondere Weber, Kükenthal, Japha). Es sei nur erwähnt, daß beim vor- 
liegenden Fetus das ziemlich dicht angeordnete, mehr weniger grobkörnige Pigment in allen, auch den 
oberen Schichten der mäßig dicken Epidermis vorhanden ist. Die Oberfläche der durchsichtig gemachten 
Haut erscheint deutlich wabenförmig genetzt (Taf. V, Fig. 12), da das Pigment in der Umgebung der ziem- 
lich eng beisammenstehenden, am Rücken zirka 0:12 mm dicken Lederhautpapillen tiefer in die Haut ein- 
dringt und dichter erscheint; das gilt bekanntlich auch für andere Säugetiere. Die größere oder geringere 
Pigmenthaltigkeit des Follikelteiles der in Entwicklung begriffenen relativ spärlichen Haare (indirekte 
Hautpigmentierung) spielt hier bei der allgemeinen Hautfärbung keine wesentliche Rolle. 

Zunächst sei die Frage erörtert, in welchem Zeitpunkt die Hautfärbung äußerlich auftritt 


und ob hierbei etwa eine bestimmte topographische Reihenfolge besteht. Diese Verhältnisse 
sind namentlich bei den dicht behaarten Säugetieren im allgemeinen noch wenig bekannt. Das ist in erster 


266 K. Toldt jun., 


Linie wohl darauf zurückzuführen, daß die Hautfärbung bei den meisten Säugern nicht so intensiv ist und 
vielfach nicht so früh auftreten dürfte, sowie, daß sie bald von der Behaarung verdeckt wird und dann zu- 
meist in ihrer Gesamtheit nicht weiter beachtet wurde. Auch dürfte man sich bei der Betrachtung der 
Hautfärbung in diesen Stadien bisher vielfach nicht bewußt gewesen sein, ob beziehungsweise bis zu 
welchem Grade dieselbe jeweils durch die von einander unabhängige direkte oder indirekte Pigmentierung 


hervorgerufen wird. Inwieweit die Art des ersten Auftretens der Hautfärbung bei den Säugetieren konstant 


ist, bedarf gleichfalls noch eingehender Untersuchungen. Einiges hierüber findet sich in meiner vorhin 
erwähnten, in Druck befindlichen Abhandlung. Eine analoge Erscheinung zu diesen Verhältnissen bildet das 
topographisch verschieden zeitliche Auftreten der ersten Behaarung; diesbezüglich finden 
sich, wie ich später noch ausführen werde, bei den Säugetieren sehr verschiedene, aber innerhalb der ein- 
zelnen Arten annähernd konstante Verhältnisse. Ein dritter Umstand, welcher hier noch zum Vergleiche 
herangezogen werden könnte, ist das zeitlicheAuftreten derneuenHaare beim Haarkleidwechsel; 
dasselbe erfolgt bei vielen Tieren topographisch ziemlich unregelmäßig (Fuchs, Maulwurf, Seehunde etc.). 

Über die Hautfärbung der Elefantenfeten konnte ich folgendes ermitteln. 

Der nur 7'25 cm große Berliner Embryo ist, wie mir Herr Professor Brauer gütigst mitteilte, ganz 
einfärbig grau, nicht dunkel, nicht scheckig. Das etwas kleinere Exemplar von Gray kann hier nicht zum 
Vergleich herangezogen werden, da es bereits lange Zeit in Alkohol liegt; es hat nach einer schriftlichen 
Äußerung von Herrn O. Thomas jetzt eine blaßgraue Färbung. Das gleiche gilt von dem Kopenhagener 
Exemplar, welches nach einer Zuschrift von Herrn A. Winge aus der alten »königlichen Kunstkammer« 
stammt und zur Zeit einfärbig hellgrau ist, ferner von den zwei Stücken (ganzes Tier und eine Haut) des 
Museums of the College of Surgeons, deren Haut, wie mir Herr R. H. Burne schrieb, »dirty yellow, probably 
unreliable thro’age« ist. Der 23'3 cm lange, von Lönnberg beschriebene Fetus war nach einer mir von 
diesem Forscher zugekommenen Mitteilung »wahrscheinlich von Anfang an ziemlich gleichmäßig dunkelc«. 
Die pigmentierten Schichten der Epidermis sind jedoch fast allenthalben abgefallen, so daß der Embryo 
jetzt beinahe ganz hell und unpigmentiert erscheint. Das bereits im Jahre 1734 beschriebene, 342 cm 
große Seba’sche Exemplar dürfte der Abbildung nach dunkel gewesen sein. 

Nun folgt der nur unbedeutend größere Zimmermann’sche Fetus. Wie mir Herr Direktor H. Meer- 
warth freundlichst mitteilte, läßt sich die von Zimmermann im Jahre 1783 erwähnte Fleckung heute 
nicht mehr feststellen!; die Gesamtfärbung ist jetzt »ein ziemlich gleichmäßiges Gelblichweiß«. Zimmer- 
mann hat speziell die Hautfärbung sehr genau erörtert und auch in der Abbildung wiedergegeben, so daß 
kein Zweifel besteht, daß der Embryo damals fleckig ausgesehen hat. Daß sich die Färbung seither, nach 
mehr als 100jährigem Liegen in Alkohol, verändert hat, ist ganz natürlich. Es fragt sich jedoch, inwieweit 
hierbei die Abblassung des Pigmentes oder etwa der nachträgliche Verlust der pigmentierten Epidermis- 
lagen eine Rolle gespielt hat. Daß auch die ursprüngliche Fleckung bereits auf einer teilweisen Schad- 
haftigkeit der Epidermis beruht haben könnte?, hat Zimmermann selbst eingehend erwogen; er kam 
jedoch zur Ansicht, daß es sich hier um eine natürliche Fleckung handle. Bei dieser Annahme drängt sich 
die Frage auf, ob sich die Fleckung auch weiterhin annähernd in entsprechend gleichem Umfange erhalten 
hätte oder — da sonst noch kein gefleckter Elefantenfetus bekannt ist — ob die Pigmentierung in diesem 
Falle nur stellenweise früher aufgetreten ist, an den andern Stellen aber später noch nachgefolgt wäre, so 
daß sie allmählich doch, wie in unserem Falle, zu einer allseits gleichmäßigen geworden wäre. 

Daß das Pigment in der Haut der (wildlebenden) Säugetiere nur stellenweise in merklicher Menge 
vorkommen kann, ist bekannt (zum Beispiel von manchen Affen, Cetaceen etc.). Auch am Rüssel des 


1 Auf der Etikette ist allerdings nicht direkt ersichtlich, daß das heute im Museum in Braunschweig befindliche Exemplar mit 
dem von Zimmermann beschriebenen identisch ist. Doch ist es jedenfalls schon seit sehr langer Zeit im Museum, als Herkunfts- 
ort ist Ceylon angegeben und auch die Körpergröße stimmt. Es erscheint somit wohl zweifellos, daß es sich um das gleiche 
Exemplar handelt. 

2 Auch bei erwachsenen Elefanten kommen mitunter lichte Flecke vor, welche auf‘ einer Beschädigung der Hautoberfläche, 


zum Beispiel infolge von Reiben an Wänden, Bäumen ete., beruhen (Tennent). 


| 


Fetus von Elephas maximus. 267 


Muttertieres unseres Fetus findet sich, wie ich später weiter ausführen werde, eine matte, unregelmäßige 
Zeichnung. Diese mit einer eventuell schon beim Fetus vorhandenen Fleckung in direkten Zusammenhang 
zu bringen, erscheint mir jedoch im Hinblick auf die große Verschiedenheit der Dimensionen der Haut 
beider Individuen nicht ohne weiteres möglich. Daß das Pigment zuerst fleckenweise auftreten und erst durch 
allmähliche Nächenhafte Ausbreitung zur mehr weniger einheitlich dunkeln Pigmentierung führen könnte, 
ist nicht ausgeschlossen. Einen Fall von topographisch ungleichzeitigem Auftreten der Pigmentierung in 
der Haut, wobei es sich allerdings um keine eigentliche Fleckung handelt, hat zum Beispiel kürzlich 
Schwalbe (b) bei Embryonen von Hylobates syndactylus beobachtet. Bei einem solchen von 108 mm 
Scheitel-Steißlänge zeigten sich nur einzelne Stellen der Epidermis der Gesichtshaut pigmentiert, bei einem 
von 165mm hatte sich die Pigmentierung nahezu über das ganze Gesicht, sowie streckenweise auf 
den Vorderkörper ausgedehnt; bei einem 215 mm langen Embryo endlich erstreckte sie sich bereits fast über 
den ganzen Körper. Ferner kommt ein allerdings nicht direkt vergleichbarer Fall von topographisch 
ungleichzeitiger Ausbildung von späterhin durchaus gleichmäßig entwickelten Hautgebilden besonders 
beim Haarkleidwechsel der Säugetiere vor. Beim Fuchs treten zum Beispiel im Flaumhaarkleid die gröberen 
Haare des zweiten Haarkleides zunächst in ganz unregelmäßig zerstreuten Büscheln auf und das Fell 
erlangt erst allmählich seine Gleichmäßigkeit. — Nebenbei sei hier daran erinnert, daß die dunkle Haut 
mancher Säugetiere im Laufe des Körperwachstums licht werden kann (so zum Beispiel bei dem weiter 
unten noch zu erwähnenden Weißwal). 


Wenn eine natürliche Fleckung bei einem Elefantenfetus somit keineswegs ausgeschlossen erscheint, 
halte ich es gleichwohl für wahrscheinlich, daß die Fleckung des Zimmermann’schen Fetus doch auf einer 
partiellen Schadhaftigkeit der Epidermis beruht haben dürfte. Denn bei dem Wiener Exemplar, welches 
bei der zirka 8 Stunden nach dem Tode des Muttertieres erfolgten Entnahme aus dem Uterus durchaus 
dunkel war, hat sich die nicht sehr dicke, pigmentierte Epidermis beim geringsten mechanischen Insult 
sofort in kleineren oder größeren ziemlich scharf umgrenzten Partien abgelöst. Zudem findet sich auch bei 
den Exemplaren von Turner und Lönnberg dieselbe Schadhaftigkeit der Epidermis. Daß die Beurteilung 
solcher Verhältnisse nicht so leicht ist, als man annehmen könnte, habe ich kürzlich an einem Alouata- 
Fetus von 163 mm Scheitel-Steißlänge ersehen. Dieser zeigte gegenüber allen anderen Exemplaren, 
welche ich bis dahin zu Gesicht bekommen hatte, statt der allgemeinen auffallend dunkeln Hautfärbung 
eine ziemlich symmetrische lichte Fleckung. Die Hautoberfläche erschien an den Flecken im übrigen 
gar nicht verändert, so daß ich selbst zunächst glaubte, daß es sich hier um eine natürliche Fieckung 
handle. Erst die mikroskopische Untersuchung zeigte, daß die Haut an den lichten Stellen offenbar infolge 
von Druck in verschiedenem Grade glatt abgescheuert war. Somit erscheinen die Beweisgründe 
Zimmermann’s, daß die dunkeln Stellen nicht erhöht liegen oder am Übergang zu den lichten Flecken 
keine faserigen Überreste der dunklen Epidermis zu bemerken wären, nicht genügend stichhältig. Auch 
die andern von Zimmermann angeführten Argumente, wie die annähernd gleichmäßige Verteilung der 
Flecke oder der Umstand, daß die dunklen Partien auch an exponierten Stellen vorhanden sind, sind nicht 
direkt beweisend. 


Aus diesen Betrachtungen geht hervor, daß die Elefantenembryonen von zirka 7cm Größe noch 
ganz licht, von ungefähr 54cm ganz dunkel sind. In welcher Zeit die Pigmentierung äußerlich zur Geltung 
gelangt, läßt sich nach dem bisherigen Material noch nicht genau feststellen; nach dem Lönnberg’schen 
Exemplar (23’3 cm Länge) zu schließen, scheint das ziemlich früh der Fall zu sein. Inwieweit diesbezüglich 
— von eventuellen abnormalen Fällen ganz abgesehen — individuelle und spezifische Verschiedenheiten 
vorkommen, muß vorläufig dahingestellt bleiben. Das nämliche gilt für das topographisch gleich- oder ver- 
schiedenzeitige Auftreten der Pigmentierung; da ein sicherer Fall von letzterem beim Elefanten noch nicht 
bekannt ist und die größeren Feten gleichmäßig pigmentiert sind, dürfte das Pigment in der Regel wohl 


allenthalben ziemlich gleichmäßig auftreten. 
Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC. Bd. 35 


268 K. Toldt jun., 


In der weiteren Entwicklung scheint die Färbungsintensität der Haut allmählich abzunehmen; denn 
die Haut des neugebornen Elefanten hat nach dem vorliegenden, im Alkohol aufbewahrten Rüssel 
bereits eine, zum Teil wohl auch durch die Konservierung beeinflußte lichtere, graue Färbung, ähnlich jener 
älterer Individuen. Herr Inspektor Kraus, der drei Neonati unmittelbar nach der Geburt gesehen hat, 
erklärte mir gegenüber, daß ihre Haut, solange sie noch feucht war, allerdings einen relativ dunklen Ein- 
druck machte; nach dem Trocknen und weiterhin infolge von äußeren Einflüssen (Staub etc.) nahm sie 
jedoch bald die normale Färbung der Erwachsenen an. Diese ist bekanntlich vielfach keine natürliche, 
sondern erscheint infolge von Staub oder auch von verschiedenen Ingredienzien, mit welchen die Ein- 
gebornen häufig die Haut einreiben, etc. mehr weniger verändert. 


DiemirbekanntenNashornfetenverhaltensichfolgendermaßen: Von den zweivonBrauer aus Deutsch- 
Ost-Afrika beschriebenen ist der eine (325 cm) noch ganz pigmentlos, der andere (27cm) pigmentiert. 
Die Haut des im Wiener Hofmuseum befindlichen, in Alkohol konservierten, gleichfalls afrikanischen Fetus 
(don. Baron F. Nicolics 1907) von 375 cm absoluter Schnauzen-Steißlänge ist gelblich bis braungrau 
und zeigt bei Lupenvergrößerung rings um die Mundöffnung, in der Submentalregion, an der Dorsalseite 
des Kopfes und Rumpfes (im mittleren Teile des letzteren ist die Haut schlecht erhalten und für diese 
Betrachtung nicht geeignet), in der Glutealgegend undan den Extremitäten in gleichmäßig dichter Anordnung 
dunkle Pünktchen, welche stellenweise, so zum Beispiel in der Submenfalregion und seitlich am Scheitel, 
in kurze Strichelchen ausgezogen sind. Rings um die Lippen sind sie’ am kräftigsten. Sie bestehen, wie 
man bei stärkerer Vergrößerung erkennen kann, aus einer oberflächlich gelagerten Ziemlich lockeren, 
hülsenförmigen Ansammlung von Pigment. Es erscheint mir jedoch sehr fraglich, ob sie mit Haaranlagen 
in Beziehung stehen. Im übrigen fand ich keine Andeutungen von Haaren, auch nicht von Spürhaaren, 
Wimpern oder Brauen. Bei einem ziemlich gleichgroßen Fetus (38 cm) eines Rhinoceros javanicus Cuv. 
aus dem LeydenerMuseum erwähnt de Meijere von Hautfärbung beziehungsweise -pigmentierung nichts. 
Dagegen fand er Epithelwucherungen, welche in die Lederhaut vorspringen und an ihrem unteren Ende 
ihrerseits durch eine Lederhautpapille eingestülpt sind. De Meijere glaubt, daß sie höchst wahrscheinlich 
die erste Anlage von Haaren darstellen. Vielleicht sind diese Gebilde bei unserem Exemplar durch die 
Pigmenthülsen (in den äußeren Wurzelscheiden?) markiert; für Haarbälge liegen diese aber zu oberflächlich 
und zu schräg (beinahe horizontal). Haare selbst fand de Meijere gleichfalls keine. 


Bartlett berichtet von einem neugebornen Badak-Nashorn, daß sein Leib beinahe schwarz- 
häutig war (zitiert nach Brehm), Brehm beim indischen Nashorn, daß junge Tiere viel heller sind als alte. 


Von Flußpferdfeten wurde einer von zirka 7cm Scheitel-Steißlänge im Jahre 1878 von Gray 
erwähnt und abgebildet. Im anatomischen Institut zu Freiburg i. Br. finden sich zwei verschieden große 
Feten, welche von Keibel (a) gelegentlich einer Publikation über ihren Nabelstrang besprochen wurden; 
der jüngere ist daselbst auch abgebildet. Wie mir Herr Professor Keibel freundlichst mitteilte, ist die Haut 
des kleineren, welcher von der Oberlippe bis zur Schwanzwurzel 10'7 cm mißt, pigmentlos und ganz 
gleichmäßig grauweiß. Die Haut des älteren, 51 cm langen Fetus, hat ein diffuses, rötlichbraunes Aussehen, 
ist aber an einzelnen ganz unregelmäßigen Stellen, offenbar infolge von Schädigung, grau. Bei dem 44 cm 
langen Fetus von Daubenton hatte sie eine »brune-olivätre« Färbung. Die Haut des neugebornen Fluß- 
pferdes ist besonders am Rücken stark pigmentiert; bei den jungen Tieren erscheint sie hell fleischrot und 


nimmt im Alter allmählich einen dunkleren, mehr grauen Farbenton an (Weber). 


Die Färbung der Cetaceenhaut ist bekanntlich sehr verschieden, vielfach auch individuell, die des 
Rückens zumeist dunkler als jene des Bauches. Erwähnt sei, daß bei Beluga leucas Gray bereits Em- 
bryonen von 20 cm Länge in der Haut Pigmente zeigen und die jungen Tiere in den ersten Lebensjahren 
dunkelbraun, später hellbraun bis grau sind; vom fünften Lebensjahre an ist der Weißwal dagegen schnee- 
weiß mit einem leichten gelblichen Ton [Kükenthal (a). 

Bei den Sirenen ist die Rückenhaut stärker pigmentiert als die Bauchhaut; während die kleineren 
Embryonen sehrdunkel gefärbt sind, ist dieFärbung bei größeren undbeiErwachsenenheller|Kükenthal(D)]. 


Fetus von Elephas maximus. 969 


Die Hautfärbung des erwachsenen Elefanten erscheint im allgemeinen lichter (grau) und matter 
als die des Fetus. Am vorliegenden Rüssel des Muttertieres findet sich namentlich im distalen Teile in der 
dunkel bräunlichgrauen Grundfärbung eine natürliche, mehr weniger verschwommene, unregelmäßige, 
licht gelbbraune Fleckung, welche stellenweise, besonders an der Unterfläche des Rüssels, die Oberhand 
erlangt. Erwähnt sei, daß sie hier, insbesondere am fingerförmigen Fortsatz mit einer größeren mecha- 
nischen Inanspruchnahme der Epidermis zusammenfällt. Wie ich anderseits an einem abgelösten Epidermis- 
stück aus dem mittleren Teile der Rüsseloberseite ersehen konnte, ist diese Zeichnung an der vor äußeren 
Einflüssen geschützten Innenfläche der Epidermis in der hier dunkleren Umgebung mehr weißlich, 
deutlicher und schärfer begrenzt (Taf. III, Fig. 4). Wie vorhin angedeutet, glaube ich, daß diese Zeichnung 
in der embryonalen Haut noch nicht gut ausgeprägt war (so ist auch beim Wiener Fetus von ihr nichts 
zu erkennen), sondern eine sekundäre, im Laufe des Wachstums der Epidermis auftretende Erscheinung 
darstellt. Sie bildet stellenweise eine unregelmäßige Netzzeichnung, welche vielfach so eng ist, daß sie im 
Verhältnis zur viel geringeren Flächenausdehnung der embryonalen Haut an dieser überhaupt noch nicht 


zum Ausdrucke hätte kommen können. 


3. Besprechung einzelner Körpergegenden exklusive ıhrer Behaarung. 


Der Rüssel. 


Der Rüssel unseres Fetus (Taf. IV, Fig. 7) ist relativ schlanker als jener des Neugebornen; beim 
letzteren nimmt insbesondere die Breite apikal nur langsam ab. Auch der Vergleich mit den Abbildungen 
der jüngeren Feten (vgl. Gray, Lönnberg, Brauer) scheint dafür zu sprechen, daß der Elefantenrüssel 
ursprünglich relativ schlank ist und mit zunehmender Entwicklung verhältnismäßig plumper wird; das 
erscheint infolge der muskulösen Beschaffenheit dieses Gebildes ganz natürlich. Bei solchen Vergleichen 
spielt jedoch der jeweilige Grad der Kontraktion des Rüssels eine wesentliche Rolle. Das gilt insbesondere 
für das Längenverhältnis, über welches ich deshalb nach dem. vorliegenden Material kein Urteil 
abgeben kann. 

Nach meinem Material hat es ferner den Anschein, daß die (apikale) Rüsselmündung beim Fetus 
etwas in die Quere gestreckt ist, während sie später einen mehr rundlichen Umfang annimmt. Ob das 
natürlich ist oder nur eine zufällige Gestaltsverschiedenheit infolge von verschieden starker Kontraktion, 
sei vorläufig dahingestellt. 

Die Unterseite des Rüssels, welche etwas lichter-ist als die Oberseite, ist flach und geht jeder- 
seits ohne deutlich vortretenden Wulst in den seitlichen Teil der Oberseite des Rüssels über. Die Ab- 
grenzung erscheint jedoch durch in Reihen gestellte Härchen gegeben. Eine stellenweise vorhandene 
Längsrunzelung knapp medial von diesen ist offenbar nur auf nachträgliche Schrumpfung zurückzuführen. 
Die Oberseite ist im kranialen Teile des Rüssels der Quere nach ziemlich stark gewölbt und wird gegen 
die Spitze zu etwas flacher. 

Die Unterseite zeigt mehr weniger deutliche, lineare Querfurchen und erscheint somit quer gefeldert 
Entlang des kranialen Abschnittes folgen zirka zwölf kräftige Furchen in Abständen von zirka 9 mm 
hintereinander, doch ist zwischen je zweien meistens noch eine ganz zarte eingeschoben. Im weiteren 
Verlaute wird die Furchung allmählich enger und unregelmäßiger; die zarteren Zwischenfurchen sind nun 
ebenfalls relativ kräftig, oft aber nur unvollständig, und die meisten Furchen verlaufen mehr weniger 
unregelmäßig wellig. Die Zahl dieser nur mehr 4 bis 2 mm hintereinander folgenden Furchen bis zur 
Rüsselspitze beträgt zirka 34. 

Die stärkeren Furchen erstrecken sich zumeist über die ganze Breite der Rüsselunterseite und viele 
jederseits noch ein Stück über den Rand an die Oberseite hinan; hier enden sie meistens alternierend 
zwischen den Ausläufern zweier Furchen der Oberseite. Einzelne besonders starke gehen jedoch direkt 
in eine solche über, so daß dann eine um den Rüssel kontinuierlich verlaufende Furche zustande kommt, 


270 K. Toldt jun., 


An der Oberseite des Rüssels sind die Furchen, zum Teil wohl infolge der größeren Länge der 
oberen Rüsselkontur, zahlreicher (zirka 14 weit und 62 weniger weit voneinander entfernte) und 
korrespondieren nur stellenweise mit solchen der Unterseite. Sie sind auch tiefer und weniger scharf 
linear (runzelig) und die ganze Furchung erscheint weniger gleichmäßig. Außen an der Basis des bereits 
deutlich ausgebildeten fingerförmigen Fortsatzes finden sich noch drei zarte Furchen. Der gegenüber- 
liegende, einen breiten Querwulst darstellende Rand der Rüsselmündung ist median nicht ausgezogen 
(ein Artunterschied gegenüber E. africanıs). Hier zeigt die Haut zahlreiche kleine Vertiefungen, aus welchen 
einzelne Haare hervortreten, während sie an den seitlichen Mündungsrändern senkrecht zu deren Achse 
gerunzelt ist. 

Der Furchung des Rüssels, welche mit der Beweglichkeit desselben in Zusammenhang steht, 
kommt im allgemeinen eine gewisse Konstanz zu, denn viele Furchen bleiben auch in der weiteren Ent- 
wicklung des Tieres mehr weniger erhalten. So findet sich bei dem in ziemlich stark kontrahierten Zustand 
befindlichen Rüssel des Neugebornen sowohl oben als unten ziemlich die gleiche Anzahl von nun 
etwas tiefer einschneidenden Runzeln, beziehungsweise Furchen vor. An der Rüsselunterseite ist die Haut 
zwischen den ursprünglichen Furchen mit zahlreichen kurzen, kreuz und quer verlaufenden oberflächlichen 
Furchen versehen. An der Oberseite zeigt die Hautoberfläche im basalen Teile des Rüssels zwischen den 
Runzeln zahlreiche punktförmige Vertiefungen (Haaraustrittsstellen) von hauptsächlich zwei verschiedenen 
Größen. Apikal werden diese Vertiefungen allmählich kleiner; dagegen tritt hier die chagrinartige Struktur 
der Haut deutlicher hervor und die Runzeln sind relativ breit und scharfrandig; sie sind im medianen 
Teile ziemlich kontinuierlich, kreuzen sich aber gegen die Ränder zu vielfach oder gehen ineinander über. 

Beim Rüssel des Muttertieres sind die ursprünglichen Querfurchen der Unterseite fast ganz 
verwischt; diese ist nun mit zahlreichen oberflächlichen Furchen verschiedener Stärke und Richtung 
bedeckt. Im basalen Teile ist diese Furchung im ganzen ziemlich gleichmäßig und vorherrschend trans- 
versal, während sie weiter apikal unregelmäßig eng netzförmig wird. Im letzten Teile sind jedoch auch 
die ursprünglichen Furchen gegen die Ränder zu noch als beiderseits korrespondierende, breite, quere 
Einsenkungen erhalten; in der medianen Partie kommen sie nicht zum Ausdruck, da diese, wie unter 
anderen auch Boas (a) berichtet hat, der Länge nach breit rinnenförmig vertieft ist. Zwischen je zwei 
Einsenkungen ist der Rüsselrand buckelförmig aufgetrieben. Bis zur Rüsselspitze finden sich jederseits 
zirka 13 solcher Furchen; sie folgen in je einem Buckel entsprechenden Abständen hintereinander, welche 
apikal immer enger werden (zirka 20 bis 8 mm). Proximal werden diese Furchen allmählich schwächer, 
beschränken sich bald nur auf eine Einkerbung des Randes und verschwinden schließlich ganz; doch 
finden sich auch im basalen Teile des Rüssels stellenweise beiderseits seitlich am Rande ziemlich 
symmetrische, relativ kräftige Einschnitte, welche wohl in der gleichen Weise zu deuten sind. Wenn an 
solchen Stellen Haare vorhanden sind, stehen sie vorzugsweise auf den vorspringenden Buckeln; das 
ist besonders bei einem jungen und einem alten gestopften E. africanus des Wiener Hofmuseums der 
Fall, bei welcher Art diese »raupenfußartigen« Erhebungen bekanntlich besonders deutlich ausgeprägt 
sind. Beim Fetus liegen die Härchen gleichfalls zumeist zwischen den Furchen, ein Beweis, daß die 
Einkerbungen beim Erwachsenen auf die ursprünglichen Furchen zurückzuführen sind. 

An der Rüsseloberseite finden sich in entsprechend vergrößertem Maßstabe ziemlich ähnliche Ver- 
hältnisse wie beim Rüssel des Neugeborenen; doch sind im basalen Teile die Runzeln und die Ver- 
tiefungen an den Haaraustrittsstellen infolge der Dickenzunahme der Epidermis mehr verflacht. An der 
Oberfläche des Coriums, beziehungsweise an der Innenfläche der Epidermis sind sie etwas schärfer 
ausgeprägt. Im Apikalteil sind die tiefen Furchen mit ihren charakteristischen kantigen Rändern noch 
deutlicher ausgebildet als beim Rüssel des Neugebornen. 

Vgl. auch die weiter hinten zu erwähnenden Linien in der Glutealgegend unseres Fetus. 

Erwähnt sei noch, daß beim erwachsenen Elefanten die Oberfläche des Coriums und im 
Zusammenhange damit die Innenseite der Epidermis im Bereiche der Furchen eine entsprechend 
veränderte Papillarstruktur zeigt. Das ist sehr schön an dem im anatomischen Institut aufbewahrten 


N] 
3 


Fetus von Elephas maximus. 2 


Rüssel des Muttertieres zu sehen, an welchem sich die an der Oberfläche stark rissige und im Detail 
vielfach in kleine, rechteckige Prismen zerklüftete Epidermis stellenweise durch Mazeration abgelöst hat 
(Taf. Ill, Fig. 4). Während die eng beisammen liegenden Coriumpapillen an den ungefurchten Stellen eine 
 rundlich-eckige, bienenwabenartigeOberflächengestalt(im InnernmitradiärausstrahlendenFurchen) besitzen, 
sind sie im Bereiche der Furchen deutlich senkrecht zur Richtung derselben in die Länge gezogen und 
mit Längsfurchen versehen. (Flächenabbildungen von der Elefantenhaut befinden sich bereits bei Dau- 
benton (a) in Buffon’s Hist. Nat.; vgl. ferner Smith.) 

Brauer (b) gibt bei seinem größeren Embryo (27 cm) des afrikanischen Nashorns unter den Eigen- ' 
schaften, welche für die Erwachsenen charakteristisch und bereits bei jenem vorhanden sind, an, daß die 
Haut gefeldert ist. De Meijere schreibt von seinem 38 cm großen Embryo des javanischen Nashorns, daß 
das ganze Tier wie beschuppt aussieht; in bestimmter Anordnung zu diesen unregelmäßig geformten, aus 
einer großen, flachen Lederhautpapille gebildeten Schuppen finden sich die vorhin erwähnten Epithel- 
wucherungen. 

Beim Wiener Nashornfetus ist der Bauch durch zarte, aber scharfe Längs- und Querfurchen in ganz 
schmale, querliegende Rechtecke gefeldert, welche gegen die Flanken hinauf unregelmäßig werden und 
dann allmählich verschwinden. Diese Verhältnisse, welche bei den erwachsenen Tieren nicht mehr 
(deutlich) zu erkennen sind, sind hinsichtlich der schuppenförmigen Profilierung der Hautoberfläche, 
welche bei einer Reihe von Säugetieren in verschiedener Weise auftritt, von Interesse (siehe meine dem- 
nächst in den Zoologischen Jahrbüchern erscheinende Abhandlung). 

Außerdem findet sich an der rechten Bauchseite unseres afrikanischen Nashornfetus eine bis zu 
14 mm breite, frei herabhängende Längsfalte, welche sich von der Inguinalgegend bis zur Achsel erstreckt 
und in ihrem mittleren Teile am breitesten ist. In der Inguinalgegend tritt knapp lateral neben dieser Falte 
eine zweite hinzu. An der linken Seite ist nur die erstgenannte Falte entwickelt, und zwar viel schwächer. 
Diese Bildungen scheinen eine Andeutung von Falten zu sein, wie sie in bestimmter Anordnung zum 
Beispiel beim erwachsenen indischen Nashorn vorkommen und nach Brehm hier bereits bei neugebornen 
Tieren vorhanden sind. Beim erwachsenen afrikanischen Rhinoceros fehlen sie jedoch, weshalb die Falten 
bei unserem Embryo eine vorübergehende Bildung in der Entwicklung dieser Art darstellen würden. 
Übrigens ist die beiderseits asymmetrische Ausbildung der Falten merkwürdig. Der Erhaltungszustand der 
Haut dieses Nashornfetus ist überhaupt ein ziemlich schlechter, so daß dieses Objekt nur mit einer 
gewissen Vorsicht zur Beurteilung der berührten Fragen herangezogen werden kann. 

Von der Kopf- und Nackenhaut eines neugebornen Hippopotamns amphibius berichtet Weber, daß 
ihre Oberfläche bereits durch untiefe Furchen in größere und kleinere Parzellen zerlegt ist, welche jenen 
des Erwachsenen entsprechen. 

Daß gewisse, bei erwachsenen Tieren vorhandene stärkere Hautfurchen beziehungsweise -falten 
(Kehlfurche, Achsel- und Schenkelfalten etc.) sich relativ früh ausbilden können, bedarf keiner Erwähnung; 
im besonderen seien diesbezüglich nur die Sirenen angeführt, bei welchen gewisse spezifische Furchen 
vielfach bereits beim Embryo zu konstatieren sind [vgl. insbesondere Kükenthal (b)]. Auch feinere 
Furchen, beziehungsweise Leisten treten bekanntlich frühzeitig auf, so zum Beispiel jene an der Palma 
und Planta des Menschen und der Affen. 

Mit der Anführung dieser Verhältnisse sei selbstverständlich nicht behauptet, daß die verschiedenen 
Furchen etc. in jeder Hinsicht gleichwertig sind. 


Die Umgebung der Mundöffnung und ihre Beziehung zur Rüsselbasis. 


Die Umgebung der Mundöffnung ist infolge der Ausbildung des Rüssels besonders bemerkenswert 
(Taf. III, Fig. 3). Die vordere mittlere Partie des Munddaches bildet keine deutlich abgesetzte Lippe, 
sondern geht gleichmäßig in die mittlere Partie der Rüsselunterseite über. Die Grenze des Mundhöhlen- 
anteiles des mittleren Teiles der Oberlippe erscheint durch das linear abgegrenzte Aufhören der 


272 K. Toldt jun., 


weißlichen Schleimhautfärbung gegeben, welches ungefähr mit der ersten Querfurche der bedeutend 
dunkleren Rüsselunterseite zusammenfällt. In der Abbildung konnte dieser Farbenunterschied nicht 
wiedergegeben werden, weil dadurch die Tiefenwirkung des Bildes gelitten hätte. Soviel von außen her 
zu erkennen ist, sind die Papilla incisiva und die Plicae palatinae transversae bereits deutlich ausgebildet. 
Beiderseits ist die mittlere Lippenpartie, welche 30 mm breit und schwach querkonkav ist, durch das 
mediale Ende der schräg oblongen, trichterförmigen Vertiefung, an deren Stelle später der Stoß- 
zahn zu liegen kommt, stark eingeengt. Am Vorderrand der hier spaltförmig auslaufenden Mündung der- 
selben findet sich ein deutlicher, von der mittleren Lippenpartie ausgehender runder Höcker, welcher in 
die Vertiefung vorspringt. Diese ist 21 mm lang und stark schräg nach vorne außen gerichtet; im mittleren 
Teile wird sie an ihrer hinteren Wand durch einen aus ihrer Tiefe kommenden, etwas gewunden und 
schräg medial ziehenden Wulst eingeschnürt, so daß die ganze Vertiefung in einen kürzeren und 
schmäleren medialen und einen längeren seitlichen Abschnitt abgeteilt erscheint. Der erstere stellt bei der 
normalen, abwärts hängenden Lage des Rüssels nur einen Spalt dar, welcher von dem Höcker so ziemlich 
erfüllt wird, wobei die gegenüberliegende Wand des Spaltes entsprechend eingebuchtet ist, und seitlich 
durch den erwähnten Wulst begrenzt wird. Der seitliche Abschnitt ist mehr trichterförmig und ziemlich 
tief (9 mm); sein Boden wird von zwei Höckerchen gebildet. 

Ungefähr von der Mitte des hinteren Mündungsrandes der Vertiefung zieht ein deutlich hervor- 
tretender wulstiger Lappen schräg nach hinten außen zum Mundwinkel und bildet den seitlichen Teil 
der Oberlippe. Auf seine Außenfläche setzt sich noch die Runzelung der Rüsseloberseite fort (siehe Taf.IV, 
Fig. 7). ’ 

Die paarigen seitlichen Vertiefungen Stehen offenbar einerseits mit der Abwärtsbiegung der Rüssel- 
basis, andrerseits mit der Ausbildung der Stoßzähne im Zusammenhang; diese sind bei den Weibchen 
des indischen Elefanten allerdings nur relativ schwach entwickelt und durchbrechen oft nicht einmal die 
Haut. Das Weitere über das Verhältnis der Vertiefung zum Stoßzahn muß der anatomischen Untersuchung 
vorbehalten bleiben. Bei erwachsenen Tieren mit gut entwickelten Stoßzähnen ist die Hautfläche an 
dieser Stelle, abgesehen von der kreisrunden, die Stoßzähne ohne wesentliche Erhebung umfassenden 
Austrittsöffnung derselben, ganz ausgeglichen. | 

Die Unterlippe ist, ähnlich wie beim Erwachsenen, in ihrer mittleren Partie zu einem deutlich 
vorspringenden, wulstigen Lappen ausgebildet; dieser läuft median stark spitz zu und ragt so weit vor, 
daß seine Spitze um 33 mm weiter nach vorne reicht als die vordere Grenze des Munddaches. An seiner 
Unterseite erscheint er hinten durch eine quere Furche abgegrenzt (siehe auch Taf. IV, Fig. 7). 

Die Behaarung der Mundöffnung und des Rüssels bildet für sich ein deutlich umgrenztes Haargebiet, 


welches im nächsten Abschnitte besprochen werden soll. 


Die Augengegend. 

In der Augengegend ist die zirkuläre Furchung der Haut bemerkenswert (Taf. IV, Fig. 7). Das Bereich 
der Orbita erscheint nämlich durch eine mehr weniger scharfe, kontinuierliche Furche umschlossen, welche 
besonders im vorderenundunteren Teile tief einschneidet, einem Gebiete, welches ungefähr der Ausdehnung 
des knöchernen Augenhöhlenrandes entspricht. Innerhalb dieses Gebietes finden sich auf den . Lidern 
noch weitere mehr weniger deutliche, jedoch nicht ringförmig geschlossene Furchen. Bis zu einem 
gewissen Grade finden sich ähnliche Verhältnisse auch bei den Erwachsenen. Die Lider sind nur zu 
einem schmalen Spalt geöffnet, dessen vorderes Drittel die auch von Turner erwähnte Nickhaut einnimmt. 


Die Schläfedrüse. 


38 mm hinter dem hintern Augenwinkel und etwas höher als dieser kann man bei genauem Zusehen 
einen 3 mm langen, schwach wellig verlaufenden und etwas schräg nach‘ vorne oben gerichteten, engen 
Spalt wahrnehmen, aus dessen hinterem Drittel ein Büschel von drei bis vier, zirka 3 mm langen Härchen 


Fetus von Elephas maximus. 273 


hervortritt(siehebesonders Taf. IV, Fig.7). Diese Bildung entspricht der Ausmündung der Hautdrüse, welche 
sich bei den erwachsenen Elefanten beiderlei Geschlechtes in dieser Gegend vorfindet. Ihre Ausmündung 
wurdebisher noch bei keinem Fetus erwähnt; sieistauch beijugendlichen Tieren nichtleichtaufzufinden 

„und selbst beim Erwachsenen nur ein enger, etwa 5 cm langer Spalt mit mehr weniger vorgetriebener 
Umgebung. Der Bau dieser Drüse wurde erst in neuerer Zeit von Eggeling an einem jugendlichen 
indischen Elefanten genauer dargestellt. Der Hauptsache nach besteht sie einerseits aus einer sackartigen 
Einsenkung der Haut, die starke und zarte Haare sowie Talgdrüsen besitzt und durch eine verengte Öffnung 
nach außen mündet, andrerseits aus einem scheibenförmigen Komplex (von 60 mm Durchmesser) eigentlich 
drüsiger Teile, welche in das erweiterte untere Ende des Hautsackes ausmünden und die Schweißdrüsen 
vertreten. Über die Physiologie dieser Drüse besteht noch ziemliche Unklarheit; beim Männchen sezerniert 
sie, wie ich selbst in Schönbrunn gesehen habe, zur Zeit der Brunst besonders stark. 


Die Ohrmuschel. 


Die Ohrmuschel ist ganz nach hinten geschlagen und liegt dem Rumpf flach an (Taf. I, Fig. 1); 
bezüglich ihrer Umrißform sei auf die Abbildung verwiesen. Der stark steil nach unten und etwas vorne 
gerichtete Vorderrand der Ohrmuschelbasis wird von zwei Falten gebildet, von welchen die obere 24 mm 
lang und dickwulstig ist und oben, fächerförmig ausladend, an der Innenfläche der Ohrmuschel ausläuft; 
man könnte sie etwa als Anthelix bezeichnen. Die darunter folgende dünnere, aber längere Falte (33 mm) 
wird an ihrem oberen Ende vom Anthelix etwas verdeckt und entspricht der Lage nach dem Tragus. Seine 
mediale Fläehe dringt in ihrem mittleren Teile tief schräg nach vorne ein (12 mm) und hier im Grunde 
beginnt der eigentliche, 4 mm hohe, spaltförmige Meatus auditorius externus. Der unteren Hälfte des 
Tragus gegenüber und nach außen von diesem teilweise verdeckt, befindet sich, der Innenseite der Ohr- 
muschelbasis anliegend, eine kleinere, 19 mm lange Falte. 


Die Milchdrüsen. 


Die einpaarigen, pektoralen, am vorliegenden Objekte angedrückten Zitzen sind 28 mm voneinander 
entfernt und stellen stumpfkegelförmige Erhebungen von 2 mm Höhe und ö mm Basisdurchmesser dar. 
An ihrer Spitze befindet sich eine rundliche, etwas lichtere und härtere Stelle, die Warze. 


Die äußeren Geschlechtsteile. 


Das äußere, 50 mm lange, offenbar weibliche Genitale liegt fast ganz ventral (Taf. V, Fig. 11). Die 
ziemlich stark wulstigen Schamlippen sind in der vorderen Partie (Praeputium) quer runzlig gefurcht, in der 
mittleren glatt und am kaudalen Ende wieder, aber nur seicht und spärlich, gefurcht. In der Tiefe des 
mittleren Teiles der Rima pudendi ragt die stark entwickelte Clitoris vor; hinter ihr der enge Scheiden- 
eingang. 

Zimmermann bildet von seinem Fetus ganz ähnliche Verhältnisse ab und weist darauf hin, daß 
man dieses Genitale zunächst für ein weibliches halten könnte. »Da aber diese vermeinte Mutterscheide 
nicht aufwerts, sondern gegen den Aftern herab lief, und dorten keine weitere Oefnung hatte, so war sie 
natürlicherweise nichts anders als eine Art vagina penis....« »Von dem mänlichen Gliede war nichts 
vorhanden als ein Teil der Vorhaut, wahrscheinlich war es beim Herausnehmen der Eingeweide aus Un- 
achtsamkeit verloren gegangen.« Da Turner von seinem annähernd gleich großen Fetus ohne weitere 
Bemerkung angibt, daß »the sheath of the penis was preserved« und dieselbe auch in der Gesamtab- 
bildung in gewöhnlicher Form angedeutet erscheint, dürfte der Unterschied in der Ausbildung zwischen 
dem äußeren männlichen und weiblichen Genitale bei solchen Feten doch bereits ein deutlicher‘ und 


1 Von andern Autoren wurde bei zum Teil viel kleineren Feten das Geschlecht, wie es scheint, ohne besondere Schwierigkeit 


bestimmt (vgl. die Übersichtstabelle p. 4). 


274 K. Toldt jun, 


das Zimmermann'sche Exemplar ein weibliches sein. Dagegen teilte mir Herr Direktor Meerwarth, 
welcher dasselbe auf mein Ersuchen daraufhin untersuchte, mit, daß es ein Männchen zu sein scheint. 
Zweifellos wird die anatomische Untersuchung unseres Exemplares diesbezüglich volle Sicherheit 
schaffen. Bekanntlich hat die Geschlechtsbestimmung infolge der eigenartigen Lageverhältnisse der 
Geschlechtsorgane auch bei größeren Elefanten mitunter Schwierigkeiten bereitet (siehe zum Beispiel 
Zimmermann, Schreber). 


Die Mittelfleischgegend. 


Das deutlich abgegrenzte, wulstig aufgetriebene Perineum (unterer Afterrand bis kaudales Vulvaende 
111 mm) ist relativ langgestreckt, da das Genitale fast ganz ventral liegt. Seine Hautoberfläche zeigt ein 
System von ziemlich kontinuierlichen zarten Linien, welche bald feinfurchig vertieft, bald etwas erhaben 
sind (Taf. V,Fig. 10). Zwei solche Linien umfassen halbkreisförmig die Unterseite der Schwanzbasis mitsamt 
dem Anus. Die andern (jederseits zirka acht) verlaufen an beiden Seiten spiegelbildlich. Sie beginnen seitlich 
von der Schwanzbasis, die zunächstliegenden etwas höher oben, und ziehen in Abständen von zirka 3 mm 
nebeneinander in lateral mehr weniger konvexem Bogen gegen die Mittellinie des Perineums nach abwärts. 
Letztere zeigt im obersten Teile eine kurze, unregelmäßige Furche und ist weiterhin beiderseits von einer 
Reihe von Härchen begleitet; solche finden sich auch allenthalben zwischen und auf den Linien zerstreut 
vor. Im unteren Teile der Mittellinie, an welchem noch keine Härchen erkennbar sind, zieht in leicht 
geschwungenem Verlauf die schwach leistenförmig vortretende Raphe perinei bis zur Vulva (Taf. V, Fig. 11) 
Auch vom oberen Ende der hinteren Obeischenkelfalte strahlen drei mehr weniger deutliche Linien bogen- 
förmig auf die Glutealfläche hinauf aus, verlieren sich aber daselbst bald. 

Bei größeren und erwachsenen Tieren ist die Mittelfleischgegend in entsprechend ähnlichem 
Umfange, jedoch weniger scharf abgegrenzt und erscheint äußerlich sehr schlaff. Ihre Hautober- 
fläche zeigt einige mehr weniger tiefe Furchen, welche ihrem Verlauf nach einzelnen Linien des Fetus 
entsprechen. 

Die Linien, beziehungsweise Furchen im Bereiche des Perineums stehen offenbar mit der Bewegbar- 
keit des Schwanzes in Zusammenhang, die an der Schenkelfalte mit der des Oberschenkels (vgl. die 
Furchen des Rüssels, p. 11 u. 12 [269 u. 270)). 


Der Schwanz. 


Der 224 mm lange Schwanz (Taf. V, Fig. 10) ist an seiner Basis relativ dick (Andeutung einer »After- 
klappe«?, vgl. das Mammut, Brandt) und annähernd spulrund (Basisumfang 100 nm); er verjüngt sich 
hauptsächlich im mittleren Drittel. Vom apikalen Drittel an'ist er ganz schwach beiderseitig komprimiert 
und wird an seiner Unterseite ziemlich scharfkantig. Das ziemlich abgeflachte, aber nicht besonders ver- 
breiterte Endstück (6 mm in der Richtung von vorne nach hinten, 3 mm Querdurchmesser) ist an seiner 
Spitze gegen die Unterseite zu abgerundet, am Übergang auf die Oberseite eckig abgestutzt. Im basalen 
Teile ist die Oberseite des Schwanzes schwach quer gerunzelt; das sind im Gegensatz zu den eben 
besprochenen Linien eigentliche Runzeln. Die Unterseite ist fast ganz glatt. 

Der Schwanz dieses Fetus ist im Verhältnis zur Rumpflänge etwas kürzer als bei einem gestopften 
erwachsenen Exemplar des Wiener Hofmuseums. Es erscheint nicht unwahrscheinlich, daß das allgemein 
zutrifft; denn, wie beispielsweise Schwalbe (b) gezeigt hat, wächst bei den Embryonen von Macacus 
cynomolgus der anfangs kurze Schwanz während des embryonalen Lebens rascher als der Rumpf (vgl. auch 
Toldt, Arch. Anthrop., 28. Bd.). 

Bei den lebenden von mir untersuchten jungen und älteren Elefanten ist die Unterseite der 
Schwanzrübe auf eine kurze Strecke etwas in die Breite gezogen; diese Verbreiterung, welche am hinteren 
Ende ziemlich deutlich abgesetzt erscheint, dürfte wohl als die Andeutung der beim Mammut stark ent- 
wickelt gewesenen Afterklappe zu deuten sein. Das beim indischen Elefanten seitlich nicht sehr stark 
komprimierte, von vorne nach hinten etwas verbreiterte Schwanzende wird von den lebenden Tieren nicht 


Fetus von Elephas maximus. 275 


genau longitudinal, sondern etwas windschief gehalten (bei einem daraufhin beobachteten Exemplar von 
rechts vorne nach links hinten). Bei manchen Individuen ist. das Schwanzende abnormalerweise mehr 
keulenförmig oder anderweitig deformiert. 


Die eigenartige Behaarung des Schwanzendes wird später besprochen. 


Die Extremitäten. 


An den Extremitäten scheinen die Hände und Füße, namentlich die ersteren, im Verhältnis zu den 
Unterarmen, beziehungsweise -schenkeln, etwas länger zu sein als beim Erwachsenen. Brauer betont bei 
seinem kleinen Kamerun-Fetus die scharf hervortretende Perissodactylie, welche dadurch zum Ausdrucke 
kommt, daß die mittlere Zehe viel stärker ist als die seitlichen, ferner die noch schwache Verbindung der 
Zehen mit dem elastischen Polster zum Klumpfuß. Beim vorliegenden Exemplar ist. diese Verbindung 
bereits eine vollkommene, indem die Zehen ganz in den Klumpfuß einbezogen und äußerlich fast nur noch 
durch die mehr weniger vortretenden Hufe markiert erscheinen. Nur die Mittelzehe (dritte) ist vorne im 
distalen Teile noch etwas vorspringend und beiderseits neben dem Huf durch eine Furche abgegrenzt 
(Taf. I, Fig. 1). Auch an der Hand ist es der mittlere Finger, welcher am ehesten noch etwas selbstständig 
erscheint, jedoch nicht mehr in dem Grade, wie die Mittelzehe. 


Die Hufe sind ziemlich flach, nagelförmig und mit ihrem unteren Rand mehr weniger auf die Sohle 
umgeschlagen. Zwischen dieser und dem Hufrand ist eine bis zu 5 mm dicke Lage filzigen Gewebes ein- 
geschoben. 


Am Vorderfuß befinden sich fünf, am Hinterfuß vier gut ausgebildete Hufe. Der aufsteigende 
Teil derselben ist mehr weniger halbkreisförmig und durchwegs breiter als hoch, jedoch in ver- 
schiedenem Verhältnis. Die Hufe der Hand sind etwas größer als die entsprechenden des Fußes, jedoch ist 
der Unterschied bei den meisten nur unbedeutend. Bekanntlich sind beim Elefanten die Vorderfüße etwas 
plumper als die Hinterfüße. Der Huf der Mittelzehe ist sowohl an den Vorderfüßen als auch an den Hinter- 
füßen der größte, doch hauptsächlich nur in bezug auf die Breite. Der Unterschied zwischen dem nächst- 
größten, dem der vierten Zehe, ist jedoch nur gering und diesem folgt unmittelbar der Huf der zweiten 
Zehe (am Hinterfuß ist der Breitenunterschied relativ etwas größer). Dem Huf der zweiten Zehe kommt 
am Vorderfuß auch der Huf der fünften nahe, während der erste vordere und der fünfte hintere relativ klein 
sind (vgl. die Maßtabelle). 


Alle Hufe zeigen eine mehr weniger deutliche, quermuldenförmige Vertiefung, welche bei den 
größeren ziemlich tief unten, bei den kleineren etwas höher liegt; bei jenen ist sie auch flacher. In ihrer 
oberen Partie sind sie schwärzlichgrau und werden nach unten zu lichter (weißlich). Die Oberfläche zeigt 
eine etwas radiär von unten nach oben verlaufende feinfurchige Struktur. 


Maße des Fetus (in Millimeter). 


(Rüsselmaße auch vom Neugebornen und vom Muttertier.)! 


Stirn-Steißlänge Be a ne Re ee re en DAN DAETENIEN TED 
» » Banelmah) STETS GErEree EU BEVOR 7510) 
Eee lsperzea Bandman)en ge En a en RA NETGTEEBZO 

BR -selkasıs Russelspirze Oberseite (Bandmaß), *- - 2 2... ZBieHaiigh near Ban. „8.2 02.7200 

(neon. 350; ad. basal unvollständig) 
» > Unterseite (Bandmaß) . . 215 


(neon. 280; ad. 1070) 
1 Der Rüssel des Neugebornen ist in ziemlich stark kontrahiertem Zustande konserviert. 


Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC. Bd. 39 


276 »  K. Toldt jun, 


Kopf, größte Höhe, senkrecht zur Regio submentalis 
en: Umfangidaselbst kmatanıt | 
» größte Breite (Wangengegend) . . . 


Rüssel, senkrechte Höhe am Beginn seiner Unterfläche . 


» Breite der Unterfläche (inklusive der Ränder) 
» Umfang daselbst . 

» Höhe am Beginne des untersten Drittels ; 

» Breite der Unterfläche daselbst . 


Pe Umfang daselbst . 


daselbst . 


»  dünnste Stelle, etwas über dem apikalen Ende, Höhe . 


» » » » » » » » 


» » » >» > » » » 


Rüsselende, senkrechter Durchmesser 


» querer Durchmesser 


» Umfang 


Rüssel, fingerförmiger Fortsatz, Länge 


» { » Breite an seiner Basis . 


» » » Dicke an seiner Basis . 


» Hinterrand der Rüsselmündung, Dicke . 


Mundwinkel, Abstand zwischen beiden . 
Oberlippe, Breite des mittleren Abschnittes 
» Länge des seitlichen Abschnittes . 
Stoßzahngrube, Länge . 
2 größte Tiefe 


Bnterlippe, anse: (wre ee 
» » des wulstigen Apikalteiles 
» Breite des letzteren an der Basis 


Augenhöhlengegend, Länge 
» Höhe . 

Lidspalte, Länge 

Lidränder, Länge . 


Breite 


Umfang . 


(neon. 63; ad. 207) 
(neon. 80; ad. 265) 


(neon. 220; ad. 758) 


(neon. 32; ad. 125) ° 
. 20 


(neon. 41; ad. 165) 


 (neon. 125; ad. 420) 


(neo 65) 
ER Sn 90) 
Hakan 88: al 252) 
| era 32; ad 98) 


(neon. 37; ad. 82) 


(neon. 105; ad. 282) 


(neon. 22; ad. 49) 
(neon. 20; ad. 45) 
(neon. 7; ad. 20) 


(neon. 12; ad. 30) 


164 
478 
116 
47 
62 
185 


22 


78 


13 


18 


20 


62 


Nickhaut, Länge 


Fetus von Elephas maximus. 


Schläfedrüse, Entfernung vom hinteren Augenwinkel . 


Ohrmuschel, Entfernung ihres unteren Beginnes vom hinteren Augenwinkel 


>» 


» 


» 


Hals, Höhe 


» 


» 


Rumpf, größter senkrechter Durchmesser, etwas hinter der Mitte zwischen den Extremitätenpaaren . 


» 


» 


Breite 


» oberen Ende des Tragus . 


Länge der Öffnung 


Abstand zwischen dem oberen und unteren Beginn 


größte Länge 


Höhe 


Höhe des Gehörganges am äußeren Ende 


Tragus, Länge BER SORT EN 
Falte an der Innenseite der Basis, Länge 


Umfang 
Schulterhöhe 


Breite daselbst . 


Umfang EEE a RE EN: 
Vordere Extremität, freier Teil des Oberarmes, Länge vorne . 


» » » » » hinten . 
Unterarm, Länge vorne . 
» => hinten . 
Hand, Länge vorne 
» » hinten - 
Ellbogen, sagittaler Durchmesser . 


» transversaler Durchmesser 
» Umfang - 5 
Handwurzelgelenk, sagittaler Durchmesser . 
» transversaler Durchmesser . 
>» Umfang N NEN LE Ne 
Handsohle, sagittaler Durchmesser inklusive der Hufe . 
» transversaler Durchmesser 
» Umfang 


Hintere Extremität, freier Teil des Oberschenkels, Länge vorne 


» 


» 


» 


» 3 » » hinten 
Unterschenkel, Länge vorne 
» » hinten. 
Fuß, Länge vorne 
« » hinten 
Knie, sagittaler Durchmesser 
“ »  transversaler Durchmesser 
» Umfang BEIM 
Fußwurzel, sagittaler Durchmesser 
» transversaler Durchmesser 
» Umfang 3 
Fußsohle, sagittaler Durchmesser . 
» transversaler Durchmesser . . . .®. 
» Umfang 


120 


138 
400 
350 
253 
130 
658 
100 


DI7 


110 


252 


145 


190 


132 


179 


278 K. Toldt jun.,. 
Hufe: 
Er Vordere Extremität Hintere Extremität 
größte Höhe größte Breite größte Höhe größte Breite 
1, 13 | 16 : 
2. 17 22 15 NR) 
3. 20 | 24 16 24 
4. 19 22%. 16 22 
5 16 =) en 13 15 
Milchdrüsen, Entfernung von der Kehlfureche ... 2... 00... u u an 
» » vom:Nabel.t: Sc na ee 
To Abstand zwischen beiden... ." , we. nn. en de Pe 
Nabel, Entfernung von (der Vulva . au IN SI en ea. 1 
a. "LT ängsdurchmessersan. der Basis). sr une a N 33 
»  Querdurchmesser an der Basis 0... ua se ee. a 
» Umfang an der Basis: 29.0 DE a Won a A I Nr 80 
Vulya,langer aa: ea ne ee De armen A) kan bier war 13 
»  Rima pudendi, Länge ee N a 
» Große Schamlippe, größte Breite... 2... el. oT See 2 
Perineum, Länge (Bandmaß) .  . u. 2 3 m wu ch ua ee eu u an ee 
After, Höhe, . 2... 2 ee u 
2. Belle... 2 ee Er u ee N 2 
3: Öffnung, Höhe 3,2... 2 Sr ee nee ae 9 
> >» Breite 00% Dr armen inet Eh, a ae Rt; 
Schwanz, Länge der Oberseite (Bandmat). el ne Geller m es 
» ».. „der Unterseite (Bandmaß) „....., 4.2.21 sturmian ae area kneeln entre Re) 
» Umfang:an der Basis... ar... te ar Tea aan me ee ee 


4. Über die Topographie des ersten Erscheinens der Es: beı den 
Säugetieren. 


Die embryonale und jugendliche Behaarung der Säugetiere wurde — abgesehen von der des 
Menschen — in ihrer äußeren Erscheinung bis vor kurzem relativ wenig beachtet und zumeist nur ganz 
allgemein behandelt. Gleichwohl ist sie für das Verständnis der gesamten Behaarung von großer Wichtig- 
keit, da sich einzelne Verhältnisse, vom Beginn ihrer Entwicklung an verfolgt, viel einfacher und klarer 
darstellen, als im ausgebildeten Zustande. Beispielsweise sei nur an die in letzter Zeit erschienenen Publika- 
tionen über die Spürhaare (vgl. Haacke, Maurer (b), Kükenthal, Toldt (a), Japha, Bresslau, Sara- 
sin u. a.) undüberdenHaarstrich [siehe insbesonders Schwalbe(b)]erinnert. Auch meine Studien über das 
Dreihaarformensystem (d) nahmen von der Entwicklung des ersten Haarkleides beim Fuchs ihren Ausgang. 
Hier möchte ich speziell auf das topographisch verschieden zeitliche Auftreten des’ ersten Haarkleides 
hinweisen (mit Ausschluß der jeweils auf bestimmte Stellen beschränkten, zumeist besonders früh auf- 
retenden Spürhaare). Darüber finden .sich wohl, in Arbeiten über das Säugetierintegument oder in 
Besprechungen von Säugetierfeten in bezug auf den ganzen. Körper oder nur auf gewisse Stellen gelegent- 
he Bemerkungen, so zum Beispiel bergits bei Heusinger, Eschricht, ferner bei Maurer (a), Roemer, 
Keibel (b), Bosch u. v. a. Eine genauere Darstellung dieser Verhältnisse haben kürzlich Chaine beim 


Fetus von Elephas maximus. 279 


Kaninchen, Schwalbe (b) bei Affen und ich (a) bereits vorher beim Fuchs und später bei der Hauskatze (c) 
gegeben (s. a. Hickl bei Schweinefeten). Eine besondere vergleichende Behandlung hat dieser Gegenstand 
meines Wissens bisher jedoch nicht erfahren. Ich kann mich hier auch nicht eingehender damit befassen, 
sondern muß mich darauf beschränken, einen Einblick in diese Verhältnisse zu geben. 

Zunächst erscheint es sicher, daß das topographisch verschieden zeitliche Auftreten der 
ersten Behaarung bei den Individuen einer Artim allgemeinen ziemlich konstant, bei den 
einzelnen Säugetierarten aber — im Gegensatz zu einer seinerzeitigen Bemerkung Eschricht's — 
sehr verschieden und mitunter, besondersin bezug aufeinzelne Körperstellen, ganz eigen- 
artig ist. Die Verschiedenheiten im zeitlichen Erscheinen der Haare stehen in den einzelnen Fällen viel- 
fach mit gewissen spezifischen Behaarungsverhältnissen (Länge, Stärke und Pigmentierung) im Zusammen- 
hang, doch haben solche Beziehungen, wie ich bereits seinerzeit (c) auseinandergesetzt habe und auch aus 
Nachstehendem hervorgeht, keine allgemeine Giltigkeit. Hiebei ist allerdings zu bedenken, daß es sich 
beim ersten Auftreten der Haare nur um das ontogenetisch erste Haarkleid handelt, welches von jenem 
der erwachsenen Tiere mitunter wesentlich verschieden erscheint (zum Beispiel beim Fuchs hinsichtlich 
der Färbung und der Haarformendetails). 


Als eine weit verbreitete Erscheinung ist zunächst zu erwähnen, daß die allgemeine Haarentwick- 
lung an den dorsalen beziehungsweise äußeren Gebieten des Rumpfes und der Extremitäten jener 
an der Ventralseite beziehungsweise an der Innenseite vorausgeht (abgesehen von gewissen epithelialen 
Bildungen, z. T. Sinushaaranlagen; siehe u. a. Pinkus, Bresslau). Das trifft im allgemeinen 
zum Beispiel beim Fuchs zu und scheint auch beim Menschen (siehe Schwalbe) der Fall zu sein. 
Ferner sei hier speziell die Angabe Kükenthal's (b) erwähnt, daß bei einem 5lcm langen Embryo 
von Manatus köllikeri Kükth. die Behaarung am Bauche zarter und spärlicher ist als am Rücken. (Auch die 
bei Echidna und Erinaceus auf den Rücken beschränkten Stacheln treten früher auf als die Haaranlagen 
am Bauche.) Bei unserem Elefantenfetus erscheinen die Haare dagegen am Rumpfe zuerst im ventralen 
Teile der Flanken. Noch allgemeiner scheint es zu sein, daß die Haare an relativ zarten und gegen 
ein freies Ende zu liegenden Körperteilen, so besonders an den distalen Teilen der Extremitäten, 
relativ spät erscheinen; doch gibt es auch hier Ausnahmen, und zwar nicht nur in Fällen, in welchen die 
Haare beim Erwachsenen an solchen Stellen besonders mächtig entwickelt sind, wie zum Beispiel am 
Schwanzende des Rindes (Heusinger), sondern auch, wenn dies nicht der Fall ist [zum Beispiel am 
Schwanze mancher Affen, siehe bei Schwalbe (b), ferner Toldt (c)). 


Im besondern seien bezüglich des ersten Auftretens des Haarkleides folgende Beispiele angeführt. 
Während sich die allgemeine Körperbehaarung am Rumpfe beim Fuchs zuerst beiderseits am 
Nacken und am hinteren Teile der Flanken am stärksten entwickelt, ist das nach Chaine beim Kaninchen 
zunächst im vorderen Körperabschnitt der Fall. Für Affenembryonen gilt nach Schwalbe (db) im allge- 
meinen dasselbe, jedoch nur in bezug auf den dorsalen Teil dieser Körperabschnitte (Kopf, Nacken, vor- 
derer Teil des Rückens). Beim Menschen erscheinen die Haare (abgesehen von den Augenbrauen) nach 
verschiedenen Autoren zuerst im Scheitelgebiet, von welchem aus sie sich kaudal weiter ausbreiten; nach 
Schwalbe stimmt diese Regel jedoch nicht genau. Beim Igel folgen die Stacheln der Flächenentwick- 
lung des Hautmuskels; dieser entsteht jederseits an den Flanken aus einer besonderen Anlage und 
beide breiten sich allmählich dorsal aus, um schließlich in der Mittellinie des Rückens zu verschmelzen; das 
Auftreten der Stacheln geht in der gleichen Reihenfolge vor sich (siehe Jacobfeuerborn; vgl. auch den 
Elefanten). Bei den Fuchsembryonen treten die Haare in der Mittellinie des Rückens später als seitlich von 
derselben auf (das gilt außer für die einigermaßen ähnlichen Verhältnisse beim Igel auch für den Schnabel- 
igel, siehe Roemer); damit hängt offenbar zusammen, daß in der weiteren Entwicklung des Fuchses die Be- 
haarung entlang des Rückgrates etwas kürzer ist als beiderseits desselben. Das entspricht auchden Verhält- 
nissen beim erwachsenen Tier, dessen Fell imGegensatz zu dem monotonen Erstlingskleid an dieser Stellezu- 
meist auch durch eine dunklere Färbung ausgezeichnet ist. Beim Kaninchen und bei den Affen im allgemeinen 


280 K. Toldt jun., 


scheint sich die Behaarung in der Mittellinie des Rückens gleichzeitig wie in ihrer Umgebung zu entwickeln. 
Dagegen ist nach Deniker bei einem Gorillafetus von 135 mm Scheitel-Steißlänge der Rücken bis auf den | 
Nacken und die Lendenregion nackt, während hier, sowie stellenweise (in longitudinalen Streifen, vgl. a. 
die Schweinefeten) an den Flanken und in der Bauchgegend die Haarspitzen bereits durchgebrochen sind. 

Von einem zirka acht Monate alten Tschegofetus berichtet Friedenthal (a), daß das ganze Schädel- 
dach in derselben Ausdehnung, in welcher beim Menschen später (von der zweiten Haargeneration an) 
lange Kopfhaare hervorwachsen, mit auffallend starken und langen Haaren bedeckt ist. Daß die Kopf- 
behaarung bei den Säugetierembryonen relativ mächtig sein kann, hat auch Chaine vom Kaninchen und 
Schwalbe von einzelnen Affen erwähnt. In besonders auffallender Weise ist das aber bei zwei mir vor- 
liegenden aus einem Uterus stammenden Feten von Procavia oweni Thos., Taf. IV, Fig. 8, der Fall 
(Scheitel-Steißlänge 130 mm; coll. Dr. A. Klaptocz, Franz. Guinea 1912). Die in Büscheln zu 3 bis 5 ange- 
ordneten Kopfhaare sind 3 mm lang, während am Rumpfe — abgesehen von den hier allenthalben in großen 
Abständen zerstreuten, bereits zirka 12 mm langen und mit deutlichen Blutsinus versehenen Borsteni — 
selbst die stärkeren Haare (Leithaare) noch kaum !/, mm lang sind. Der Unterschied im Gesamteindruck 
wird allerdings auch durch die dunkle Färbung der Haare erhöht, welche am Kopfe bereits deutlich, am 
Rumpfe dagegen naturgemäß noch nicht recht zur Geltung kommt. An diesem sind die Haare im Gegen- 
satz zu den Fuchsfeten in Fortsetzung der Kopfbehaarung entlang der Rückenmitte, besonders bis zur 
Drüse, am vorgeschrittensten, jedoch nicht in dem Maße wie am Kopfe. Die Kopfbehaarung der erwach- 
senen Klippschliefer zeigt bekanntlich nichts besonderes. Sie ist relativ nicht länger als’bei den meisten 
andern Säugetieren und wesentlich kürzer als das Haarkleid des Rumpfes. Man könnte die auffallende 
Verschiedenheit in dem Entwicklungszustand der Behaarung etwa so deuten, daß die Rumpfhaut zunächst 
hauptsächlich mit der Bildung der Borsten in Anspruch genommen ist und daher die Entwicklung der 
übrigen Haare hier vorläufig zurückbleibt; die einfache Behaarung des Kopfes kann sich dagegen von 
vornherein gleichmäßig entwickeln. Die Rückenmittellinie ist beim Erwachsenen nicht wesentlich länger 
behaart als an den Seiten des Rückens. 

Diese Verhältnisse wären jeweils noch eingehender zu verfolgen, so namentlich mit genauerer 
Berücksichtigung der verschiedenen Entwicklungsperioden der Haare (erste Anlage bis Spitzendurchbruch, 
Längenwachstum des durchgebrochenen Schaftes etc.) und hinsichtlich des Alters der Embryonen, wie es 
besonders vom Menschen bereits seit längerer Zeit bekannt ist (siehe zum Beispiel Kölliker, Entwicklungs- 
geschichte 1863, ferner Keibel [2] etc.). Hier sei nur an die frühzeitige epidermale Differenzierung 
an Hautstellen mit später dunkler Fellzeichnung bei Katzenembryonen erinnert (s. Toldt [c] und 
die daselbst angeführte Beobachtung von Schumacher’s bei Schweinefeten, s. a. Hickl). Hierbei muß 
jedoch hervorgehoben werden, daß, wie ich beispielsweise seinerzeit bezüglich der Spürhaare des Fuchses 
ausgeführt habe, die Anlagen mancher Haare in frühen Stadien relativ groß sind. Das ist, wie es scheint, 
auch an den Augenlidern der Katzenembryonen der Fall, obgleich die Haare im weiteren Entwicklungs- 
verlaufe hier ganz unscheinbar sind. 

Diese Betrachtungen geben bereits einigermaßen ein Bild von der Art, beziehungsweise von der 
Mannigfaltigkeit des ersten Auftretens der Behaarung bei den Säugetieren und seinen Beziehungen zum 
gesamten Haarkleid. 


5. Bemerkungen über das Integument von Procaviafeten. 


Bei dieser Gelegenheit sei noch einiges über die eben erwähnten Procaviafeten bemerkt. Von einer 
eingehenderen Besprechung von Feten dieser Gattung ist mir nur die in russischer Sprache abgefaßte 
Abhandlung von N. Nassonow (b) bekannt. Den ziemlich‘ schematisch gehaltenen Abbildungen nach 
scheinen unsere Feten etwas jünger zu sein. Die Rückendrüse ist nicht dargestellt. Bei unseren Feten 


1 An der Schnauze messen die längsten Spürhaare 20 mm. 


Fetus von Elephas maximus. 281 


(Taf. IV, Fig. 8) fällt dagegen ihre Lage durch einen lichteren Ton der Haut deutlich auf. Ferner erkennt 
man in ihrem caudaulen Teile bereits das eigentliche kleine, unbehaarte Drüsenfeld mit einer Anzahl ziemlich 
großer Poren, sowie kranial davor anschließend das größere Gebiet mit gegen das unbehaarte Feld gerichteten, 
relativ langen Haaren, welche im Gegensatz zu den schwärzlichen Haaren der Umgebung licht gelblich sind. 
Die allenthalben über den Körper zerstreuten langen Borsten (Spürhaare) sind nicht so zahlreich als sie in 
Nassonow’sFiguren, insbesondere entlang des Rückens dargestellt sind, und stehen namentlich am Hinter- 
rücken seitlich von der Mittellinie in ziemlich regelmäßigen Längsreihen. Die Haare der allgemeinen 
Körperbehaarung stehen noch nicht, wie Nassonow’s Abbildungen zeigen, fast durchwegs in Dreier- 
gruppen. Bei unseren Embryonen trifft das hauptsächlich nur für die kleineren Haare zu, von denen aber 
vielfach nur die Spitze des Mittelhaares durgebrochen ist; bei den Dreiergruppen, bei welchen alle drei Haar- 
spitzen bereits durchgebrochen sind, ist das Mittelhaar meistens besonders stark. Endlich gibt es noch 
Gruppen, in welchen alle drei Haare relativ kräftig sind. Zwischen all diesen Gruppen sind allenthalben in 
relativ großen, gleichmäßigen Abständen die zirka !/, mm langen kräftigen Spitzen der Leithaare (nicht der 
Borsten!) — zumeist ohne Nebenhaare — verteilt. Da jede der ziemlich dicht beisammenstehenden Haar- 
gruppen in stark schräger Richtung aus einer schwachen Hautvertiefung hervortritt, erscheint die Haut- 
oberfläche durch kleine, eng beisammenliegende und der Quere nach ziemlich regelmäßig alternierende 
Stufen zart profiliert. 

Die Haut ist an der Körperoberseite mit Ausnahme des Drüsenfleckes ziemlich dunkelgrau. Diese 
Färbung rührt hauptsächlich von einer interessanten Kombination vonEpidermis-und Coriumpigment 
her (Taf. IV, Fig. 9). Ersteres bildet relativ Kleine, getrennt nebeneinanderliegende, ziemlich intensiv braune, 
unregelmäßig verästelte Sternfiguren von grobkörniger, vielfach diskontinuierlicher Beschaffenheit; es 
findet sich in der malpighischen Schicht und besonders in den äußeren Haarwurzelscheiden. Die 
gleichfalls verästelten Figuren im Corium sind viel ausgedehnter und durchziehen das Gewebe wie 
ein lockermaschiges Netz; sie sind ferner lichter, zeigen keine so deutliche Körnchenstruktur und sind 
auch mehr kontinuierlich. Zum Teilträgt zur Hautfärbung auch der Follikelteil der pigmentierten Haare 
bei. Die Unterseite des Körpers ist, von der Oberseite ziemlich scharf abgegrenzt, lichtgelblich; hier ist das 
Hautpigment, insbesondere das des Coriums, sehr spärlich und die einzelnen Figuren sind kleiner; des- 
gleichen sind die Haare mit Ausnahme der (dunklen) Borsten der vorderen Körperhälfte ganz licht. 


6. Über die Behaarung des Elefantenfetus. 


Über die bisherige Kenntnis von der Behaarung von Elefantenfeten. 


Bei den Elefäntenfeten von Seba, Gray, Lönnberg und Brauer (a) wird von der Anwesenheit von 
Haaren noch nichts erwähnt. Die Exemplare der drei letzteren Autoren sind offenbar noch zu jung, als daß 
äußerlich Spuren von Haaren erkennbar wären. Bei dem Seba’schen Fetüs (»pellis ejus glabra prorsus est 
omnique pilo nuda«) dürften jedoch wenigstens an der Schwanzspitze bereits Härchen vorhanden gewesen 
sein; denn dieser Embryo ist nur unbedeutend kleiner als der Zimmermann’sche und für diesen wird als 
einzige Stelle mit Haaren die Schwanzspitze angegeben. Diese ist aber bei dem Seba’schen Exemplar, 
der Abbildung nach zu schließen, defekt. 

Die Schwanzspitze wäre also die Stelle, an welcher beim Elefanten die Haare zuerst auftreten, doch 
erscheint es — wenigstens nach den Längenverhältnissen der Haare am Wiener Fetus — nicht ganz aus- 
geschlossen, daß bei den genannten Feten auch bereits an andern Stellen, etwa an der Rüsselspitze und an 
der Unterlippe, Härchen vorhanden gewesen sind; vielleicht waren sie hier nur nicht gut erhalten oder 
wurden übersehen. 

Der nächstgrößte Fetus ist der Turner’sche, welcher den unsern beinahe an Größe erreicht. Turner 
machtüberdessenBehaarungfolgendeganzallgemeine Angaben: »Thegeneralsurface of theskin was without 
hairs, but short delicate hairs were present in the following localities: — the outer surface of the lower lip; 


282 K. Toldt jun,, 


the skin of the trunk, especially about and within the nostrils; the external auditory meatus; and the upper 
border of the tragus.« Die Lumbar- und Sacralregion war bei diesem Individuum beschädigt (so fehlte auch 
der Schwanz) und daher konnten die Behaarungsverhältnisse hier nicht mehr untersucht werden. Ferner 
bemerkt Turner noch, daß von Augenbrauen und -wimpern nichts zu sehen ist. 


Allgemeines über die Behaarung des Fetus. 


Wie aus der Übersichtsskizze (Taf. II, Fig. 2) zu ersehen ist, sind auch bei dem Wiener Exemplar 
die Haare erst an einzelnen, ziemlich gut umgrenzten Hautgebieten deutlich durchgebrochen. So befindet 
sich ein mehr weniger zusammenhängendes und gleichmäßiges Behaarungsgebiet in der Scheitel-Schläfen- 
gegend, ferner — was bereits vorhin gegenüber den Verhältnissen bei andern Säugetieren hervorgehoben 
wurde — jederseits seitlich am Bauche, dann an der Außenseite der Extremitäten und am Perineum. Auch 
die Umgebung des Mundes mit Einschluß des Rüssels bildet ein besonderes Gebiet für sich, innerhalb 
dessen die Behaarung an einzelnen Stellen in verschiedener, charakteristischer Weise ausgebildet ist. Das 
nämliche gilt. bis zu einem gewissen Grade vom distalen Teile des Schwanzes, von der Umgebung des 
Öhreinganges und den Augenlidern. Endlich findet sich je ein einzelnes, eng umgrenztes Haarbüschel in der 
Schläfedrüsenmündung und in der Submentalregion. Eine lockere, bogenförmige Reihe bilden fünf Härchen 
an der vorderen oberen Grenze der Augengegend; sie entsprechen offenbar den Pili supraorbitales. Um 
diese Verhältnisse zu erkennen, bedarf es stellenweise einer sehr genauen Untersuchung, da die vielfach 
sehr zarten Haarspitzen sich von der dunkeln Haut oft kaum abheben. 

Die längsten (bis zu 7 mm) und stärksten Haare befinden sich an der Schwanz- und Rüsselspitze und 
an der Unterlippe. Soweit die Haare die Haut durchbrochen haben, sind sie glänzend licht (weißlich): rings 
um die Mundöffnung, am Rüssel — mit Ausnahme einzelner an seiner Dorsalfläche — und im submentalen 
Büschel; mehr weniger dunkel sind die Wimpern, die Brauen, das Schläfedrüsenbüschel und die Schwanz- 
haare. Einzelne dunkle Härchen finden sich, wie eben bemerkt, auch an der Oberseite des Rüssels. Die 
kurzen Haarspitzen an den Extremitäten scheinen an den vorderen im allgemeinen etwas dunkler zu sein 
als an den hinteren. 

An den übrigen Körperstellen ist die Hautoberfläche scheinbar nackt; doch kann man stellenweise auch 
an diesen, zum Beispiel am Rücken, bei stärkerer Lupenvergrößerung ziemlich gleichmäßig zarte Haarspitzen 
wahrnehmen, welche in Abständen von zirka 3 mm’ohne bestimmte Regelmäßigkeit in der Haut zerstreut 
liegen. Die Zartheit und lockere Verteilung der eben genannten Haarspitzen bringt es mit sich, daß diese 
Behaarung nicht deutlicher zum Ausdrucke kommt. Bei stärkerer Vergrößerung sieht man hier, wie auch 
bei andern Haaren, daß sie an der Austrittsstelle aus der Haut von einem kleinen, lichten Hof umgeben 
sind, welcher seinerseits schwärzlich umrandet ist. 

Daubenton (b) gibt von seinem von der Schwanzspitze bis zum After zirka 44 cm messenden Fluß- 
pferdfetus an, daß sich »poils naissans« rings um die Nasenöffnungen und den Mund, an der Schnauzen- 
spitze sowie rings um die Ohren und um die Spitze des (platten) Schwanzes befinden; sie sind blond und 
die am Schwanze etwas über 10 mm lang. 

Von Nashornfeten ist mir keiner von geeigneter Größe bekannt (vgl. p. 6 und 10). 


Die Haare des Elefantenfetus haben, soweit sie durchgebrochen sind, eine stichelartige, zumeist 
etwas gebogene Form mit mehr weniger fein zulaufendem, mitunter sich ziemlich rasch verjüngendem 
Spitzenteil; die Spitze selbst endigt abgerundet und ist mitunter etwas aufgefranst. Die basale Hälfte der 
stärkeren Haare, zum Beispiel vom Schwanze, macht bereits einen ziemlich festen Eindruck, während ihr 
apikaler Teil sowie die zarten Haare im ganzen noch weich sind und daher vielfach unregelmäßig wellige. 
Konturen zeigen. Manche Haare sind streckenweise mit einer lockeren durchsichtigen Hülle umgeben. Das 
Oberhäutchen, welches nach Möbius bei den Terminalborsten des Elefanten stets vorhanden ist, ist auch 
beiden Erstlingshaaren meistens ohne Schwierigkeit nachweisbar. Seine Schüppchen sind anliegend und an 


Fetus von Elephas maximnus. 283 


stärkeren Haarstrecken 4 bis 8. lang und relativ etwas mehr in die Breite gestreckt, als jene auf den 
Abbildungen von Terminalhaaren bei Möbius. Die zumeist ganz lichte Rindensubstanz ist zart längs- 
gestrichelt. In den besonders basal etwas dunkel getonten Haaren des Schwanzes liegen die gelblichbraunen 
- Pigmentkörnchen allenthalben ziemlich gleichmäßig in der Rindensubstanz verteilt. Sie sind sehr fein, so 
daß die Pigmentierung fast diffus erscheint. Mitunter, besonders an Haaren der Unterlippe, finden sich, in 
der Rinde lose zerstreut, longitudinal gerichtete, langgestreckt spindelförmige Gruppen dunkler Pünktchen 
in einreihiger Anordnung; sie liegen der Schaftachse mehr weniger genähert, oft aber auch ziemlich nahe 
der Oberfläche. Diese.Gebilde erinnern einigermaßen an die Pigmentgruppen, welche Möbius von den 
Terminalhaaren erwachsener Elefanten abgebildet hat. In der Achse der Embryonalhaare finden sich jedoch 
neben zahlreichen einzelnen Pünktchen vielfach scheinbar ganz gleiche Gebilde sehr zahlreich und bilden 
streckenweise einen ungleichmäßigen, mehr weniger dicken, gegen seine Oberfläche zu lockerer gefügten 
Strang, welcher bei Abblendung lufthaltig erscheint und dem Markstrang entspricht. Mitunter liegen in 
demselben größere Luftansammlungen in Form von unregelmäßig langgestreckten Bläschen. Am stärksten 
ist dieser Strang im basalen Teile der Schwanzborsten ausgebildet. Nach Möbius enthalten beim erwach- 
senen Elefanten nur die dickeren Haare Markzellen, und zwar mäßig dicke Haare einen einfachen, dicke 
mehrfache Markstränge. Vielleicht sind die bei den Embryonalhaaren erwähnten, außerhalb des Stranges 
gelegenen Bläschengruppen eine den mehrfachen Marksträngen analoge Erscheinung. Hier möchte ich 
noch bemerken, daß ich auch bei lichten Borsten eines erwachsenen Elefanten solche isolierte, lufthaltige 
Gruppen fand (vgl. a. Smith). 

Die Haare vom Rüssel des Neugebornen, welche eine Länge bis zu 40 mm erreichen können, 
zeigen ähnliche Verhältnisse. Eine Hülle um den Schaft habe ich hier nicht mehr gefunden. Das ziemlich 
weit apikal reichende Mark ist auch im basalen Schaftteile zunächst noch ungleichmäßig ausgebildet, oft 
unregelmäßig fleckig und zeigt mitunter auf kurze Strecken zwei eng nebeneinanderliegende lufthaltige 
Stränge. Bei längeren Haaren wird der Strang im basalen Teile regelmäßig und ziemlich breit. 

Beim erwachsenenasiatischen Elefanten messen nach Möbius die stärkeren Haare 200bis 320 u 
im Durchmesser, die zarten SO bis 150 u. Beim Neugebornen beträgt dieses Maß an der Basis, also am 
stärksten Teile, 95 bis 170 u, beim Fetus 38 bis 45 u; davon entfäilt beide Male zirka !/, auf die Dicke des 
Markstranges. (Die Längenmaße sowie die allgemeine Färbung der Haare werden jeweils bei der speziellen 
Besprechung angegeben.) Abbildungen von Haarteilen eines neugebornen Elefanten finden sich in 
Friedenthal's Tierhaaratlas. 

Ob es sich bei den Haaren des Neugebornen um dieselbe Generation handelt, wie bei jenen des 
Fetus, das heißt, ob inzwischen ein Haarwechsel stattgefunden hat oder nicht, sei dahingestellt. Ich vermute 
das erstere, da die fetalen Haare doch zarter sind als der entsprechende Spitzenteil der Haare des Neu- 
gebornen; auch stellt bekanntlich bei andern Säugern das Haarkleid desselben bereits eine zweite Gene- 
ration dar (Mensch; AHalicore dugong Il1.?, Kükenthal[b].) Andrerseits wäre es nicht ausgeschlossen, daß 
der fetale Teil an der Spitze der Haare des Neugebornen abgestoßen wurde; doch erscheint auch die 
Spitze der letzteren vielfach noch so weich, als wäre sie die ursprüngliche. Die gleichartige Anordnung 
der verschiedenen Haarsorten (besonders am Rüssel und Schwanz) bei beiden Individuen würde in erster 
Linie dafür sprechen, daß es sich um dieselbe Haargeneration handelt, doch ist sie ja auch bei der 
Behaarung des Erwachsenen im Prinzipe dieselbe. 


Bekanntlich hat Möbius darauf hingewiesen, daß die jetzt lebenden Elefanten in ähnlicher Weise wie 
das viel stärker behaarte Mammut zwischen langen, borstenartigenGrannenhaaren auch kürzere,dünneFlaum- 
haare besitzen (vgl. a. Smith). Eine scharfe Grenze zwischen beiden gibt es, wenigstens bei den heutigen 
Elefanten, hinsichtlich der allgemeinen Körperbehaarung nicht, sondern es finden sich, wie ich seinerzeit (D) 
bemerkt habe, in bezug auf Länge und Stärke verschiedene Übergangsformen. Eine bestimmte Anordnung der 
einzelnen Haarsorten ist — abgesehen davon, daß die stärkeren Haare bedeutend spärlicher zerstreut sind 


und, wie ich bei manchen Elefanten gesehen habe, mitunter zwei Haare nahe beisammen stehen — im all- 
Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC. Bd, 40 


284 KK. Toldt jun,, 


gemeinen weder beim Mammut (Möbius), noch bei ‘den rezenten Elefanten (de Meijere) zu erkennen. 


Auch beim Fetus konnte ich, abgesehen von den Verhältnissen am Rüssel und Schwanz, nichts Genaueres 
feststellen. 


Bei den Flußpferden und Nashörnern scheinen mitunter Gruppenbildungen von Haaren vorzu- 
kommen (de Meijere). Von den Sirenen sei hervorgehoben, daß bei größeren Feten von Halicore dugong 
die stärkeren Haare besonders am Rücken deutlich in Längsreihen angeordnet sind (siehe insbesondere 
Kükenthal[2]). DieProcaviiden, unter welchen die auf Bäumenlebenden Formen (Dendrohyraz) eine etwas 
längere Behaarung besitzen als die Klippschliefer, haben, wie ich seinerzeit ausgeführt habe, ziemlich gut 
ausgeprägte Leithaare. Diese wären, wenn man dieses Haarkleid mit jenem des Mammuts in Verbindung 
bringen wollte, mit den starken Haaren desselben gleichzustellen. Die Leithaare von Procavia überragen 
allerdings die allgemeine Behaarung nicht so beträchtlich, wie das beim Mammut der Fall gewesen zu sein 
scheint. Damit würden bei ersterer eher die Rumpfspürhaare übereinstimmen; diese sind jedoch relativ 
spärlich und weit — beim Fetus bereits zirka 8 mm — voneinander entfernt (Abstand zwischen den 
stärkeren Haaren beim Mammut 4 bis 5 mm). Nach de Meijere stehen die Haare bei Procavia (am Rücken) 
in Gruppen von 10 bis 15 Stück, von welchen eins in der Mitte etwas stärker ist (vgl. a. p. 23 [281]. Die 
feinere Struktur der Haare hat eine gewisse Ähnlichkeit mit jener der Elefantenhaare, bedarf jedoch noch 
einer eingehenderen Untersuchung (besonders bezüglich der Markverhältnisse). Ich glaube übrigens, daß 
man den Behaarungsverhältnissen im allgemeinen keinen besonderen Wert für die Beurteilung verwandt- 
schaftlicher Beziehungen zwischen Procaviiden und Elephantiden beimessen kann. 


Auch bei der folgenden speziellen Besprechung der Behaarung unseres Fetus wird diese mit der ganz 
junger, halberwachsener und erwachsener Elefanten sowie mit der des Mammuts kurz verglichen. Ebenso 
werden die Nashörner, Flußpferde und Procaviiden sowie die Sirenen und Cetaceen fallweise herangezogen; 
das geschieht naturgemäß nur zum geringsten Teile in Hinsicht auf verwandtschaftliche Beziehungen, 
sondern hauptsächlich, um die Verhältnisse bei einigen haararmen Formen im allgemeinen zu vergleichen. 
Zuvor sei noch folgendes bemerkt. 


Wie zum Teil bereits von früheren Autoren ausgeführt wurde, haben die uns gewöhnlich zur Ver- 
fügung stehenden Elefanten (desgleichen zum Teil auch die Nashörner und Flußpferde) — soweit es sich um 
solche handelt, die den ersten Lebensjahren entwachsen sind — zumeist bereits eine geraume Zeit in 
Gefangenschaft zugebracht. Solche Exemplare sind für diese Untersuchungen wenig geeignet, da bei ihnen 
die Haare durch das Reiben an den Käfigwänden, beziehungsweise -gittern, durch das Abbürsten von seiten 
des Wärters etc. besonders stark beschädigt und vielfach an der Basis abgebrochen sind. Das muß man bei 
derartigen Studien besonders beachten; dann erscheinen auch die Elefanten, ähnlich wie es Weber vom 
Flußpferd hervorgehoben hat, nicht so haararm, als es vielfach angegeben wird. In der Literatur fand ich 
nur wenig ausreichende Angaben (vgl. die Zusammenstellung bei Möbius) und so muß ich mich haupt- 
sächlich auf einige Beobachtungen beschränken, welche ich an dem feucht konservierten Rüssel des Neu- 
gebornen und des Muttertieres sowie an einigen gestopften Exemplaren des Wiener Hofmuseums und an 
den eingangs erwähnten lebenden Individuen der Schönbrunner Menagerie machen konnte. Die Unter- 
suchung der lebenden Tiere konnte naturgemäß keine gründliche sein. 


Betreffs des Mammuts vergleiche die Publikationen von Möbius, Pfizenmayer u. a.; die 1907 und 
1909 erschienenen Abhandlungen von Salensky kenne ich leider nur aus einem Referate. Von einigem 
Interesse sind auch die bildliichen Mammutdarstellungen des diluvialen Menschen, welche bekanntlich 
namentlich in letzter Zeit an Höhlenwänden in Frankreich, Spanien u. a. O. vorgefunden wurden (siehe 
Taf. V, Fig. 13). 

Bezüglich der Nashörner, welche bekanntlich im Diluvium gleichfalls durch dichtbehaarte Arten ver- 
treten waren, habe ich mich hauptsächlich auf ein gestopftes und ein lebendes Exemplar von der relativ 
stark behaarten Art Rhinoceros sumatrensis Cuv. gestützt und beim Flußpferd auf die Arbeit von Weber 


u 


re 


Fetus von Elephas maximus. 285 


sowie auf eigene Beobachtungen an lebenden Exemplaren. Auf allfällige individuelle Unterschiede konnte 
ich hiebei naturgemäß nicht näher eingehen. Hinsichtlich der Sirenen und Cetaceen, welche bezüglich 
ihres Integuments bekanntlich eine große Ähnlichkeit aufweisen, hier jedoch nur wenig in Betracht kommen, 
liegt eine Reihe von Untersuchungen, besonders über fetales Material vor (siehe namentlich Kükenthal, 
Japha). Bei den Procaviiden kamen mir unter andern die beiden vorliegenden Feten zustatten. 


Bei haararmen Tieren ist fetales, beziehungsweise jugendliches Material für das eingehendere Studium 
der Behaarung besonders wichtig. Das haben bereits die erwähnten Untersuchungen über die Sirenen und 
Cetaceen ergeben, sowie die Arbeit von Weber, obgleich ihm nur ein Hautstück von der Kopf-Halsregion 
eines neugebornen Flußpferdes zur Verfügung stand. Ein weiteres Beispiel bildet der vorliegende Elefanten- 
fetus. Leider beziehen sich die letzten Fälle nur auf ein Entwicklungsstadium und nur von einer Art. Über 
die Nashörner scheinen diesbezüglich noch keine eingehenderen Beobachtungen vorzuliegen. 


Bekanntlich erscheinen die Neugebornen und Jungen der Elefanten — wie in gewisser Hinsicht 
auch die der Nashörner, Flußpferde und Sirenen (Feten) — stärker behaart als die Erwachsenen. Hiebei 
handelt es sich speziell bei den Elefanten nicht so fast um eine dichtere Anordnung der Haare als um eine 
bedeutendere Länge derselben.! Das gilt vielfach auch für die bald mehr bald weniger stark behaarten 
Stellen bei den Erwachsenen; denn bei diesen sind selbst die fast nackt erscheinenden Stellen zumeist: mit 
kurzen, vielfach relativ zarten Haaren bedeckt. Der Abstand zwischen den einzelnen Haaren der verschie- 
denen Haarstärken ist nach Möbius an den einzelnen Körperstellen ziemlich schwankend, doch scheint 
mir das nicht in dem Maße der Fall zu sein, als daß dadurch allein die Stärke der Behaarung eine wesent- 
liche Verschiedenheit zeigen würde. Erwähnt sei auch, daß die Behaarung bei den Elefanten an den 
Stellen, welche nicht besonders lang behaart sind, bei der direkten Aufsicht auf die Haut nicht leicht zu 
sehen ist, da die Haare zumeist sehr steil implantiert sind und sich auch in der Färbung nicht gut von der 
Haut abheben. Man erkennt sie besser, wenn man den Blick parallel zur Hautfläche richtet, wobei die Be- 
haarung durch das Tageslicht einen lichten Hintergrund erhält. 


Das Scheitel-Schläfengebiet. 


Das Scheitel-Schläfengebiet erstreckt sich in Form eines haubenförmigen, zirka 5Omm breiten 
Bandes vom Scheitel beiderseits an die Schläfe herab bis ungefähr in die Höhe des unteren Endes der 
Ohrmuschelbasis (Taf. II, Fig. 2). Seine hintere Grenze reicht nahe an diese heran; die vordere erstreckt sich 
nicht ganz bis zur Augengegend. Die Haare sind am Scheitel am längsten (gegen 5 mm) und zahlreichsten 
und werden nach allen Richtungen hin allmählich kürzer und spärlicher. Die Behaarung dieses Gebietes 
ist also gewissermaßen vom Scheitel ausgegangen. Im allgemeinen sind die Haare ziemlich gleichmäßig 
verteilt und treten in Abständen von zirka 2 mm einzeln aus der Haut hervor; nur nahe dem oberen Ende 
der Ohrmuschel ragen mitunter zwei Härchen aus einer Öffnung heraus. Eine Reihenstellung ist nur 
stellenweise angedeutet. 


Die Richtung der Härchen läßt sich nicht überall sicher feststellen, da sie noch sehr zart und kurz 
sind und mitunter auch künstlich aus ihrer natürlichen Lage gebracht sein dürften. Median am Scheitel 
sind sie gerade nach hinten gerichtet, seitlich davon etwas lateral; am hinteren Rande der Scheitelpartie 
ist ihre Richtung unregelmäßig, vorherrschend beiderseits medial konvergierend. Im vorderen Teile der 
Schläfepartie sind die Härchen nach unten, im hinteren nach oben gerichtet. 


Das Scheitelgebiet ist bekanntlich auch bei den jungen und erwachsenen Elefanten relativ 
stark haarig. Auch bei einer Reihe von bildlichen Mammutdarstellungen des diluvialen Menschen ist 
unter anderem die Behaarung an dieser Stelle besonders hervorgehoben (Taf. V, Fig. 13). 


I Aufdem gleichen Umstand beruht zum Beispiel auch die Verschiedenheit in der Dichte des Winter- und Sommerfelles 
beim Hermelin (Schwalbe [a]). 


286 K. Toldt jun., 


Die Rumpfbehaarung. 

Am seitlichen Bauchgebiet ist die Behaarung etwas schwächer als am Scheitel, jedoch gegenüber der 
noch nackt erscheinenden Rücken- und medianen Bauchpartie immerhin noch auffallend gut entwickelt (Taf. 
II, Fig. 2). Sie bildet jederseits zwischen der Oberarm- und Oberschenkelfalte einen ziemlich gleichmäßigen, 
zirka 50 mm breitenLängsstreifen. DieHärchen sind zirka 2mm lang und stehen ungefähr 5 mm voneinander 


entfernt. Sie sind vorherrschend nach abwärts gerichtet, im vorderen Teile unten jedoch zumeist nach vorne. 


Bei den jungen Elefanten sind bekanntlich der Bauch und die ganzen Rumpfseiten bis unterhalb des 
Rückgrates hinauf ziemlich lang, bei den erwachsenen relativ kurz behaart; diese Behaarung ist jedoch 
keineswegs eine gleichmäßige. Besonders dicht ist sie meistens unterhalb des Rückgrates, namentlich in 
den Einsenkungen hinter der Schulter und vor dem Darmbeinkamm. Bei älteren Tieren dürfte das wohl 
zum Teil darauf zurückzuführen sein, daß diese Stellen vor mechanischer Abnutzung relativ geschützt 
sind. Die eigentliche, stark vorspringende Rückgratpartie erscheint meistens beinahe nackt. Bei der »Greti« 
ist sie aber noch deutlich behaart. Die mediane Bauchpartie ist mehr weniger stark behaart; die seitliche, 
beim Fetus eine relativ vorgeschrittene Haarentwicklung zeigende Partie fand ich jedoch nur in einzelnen 
Fällen, zum Beispiel beieinem gestopften afrikanischen Männchen, etwas länger behaart als die mediane; 
dabei nimmt sie auch gegen den Rücken zu allmählich an Länge ab. Das Haarkleid des Mammuts war 
nach Pfizenmayer dem des Moschusochsen am ähnlichsten. Beim Mammut von der Beresowka war es 
an den Seiten des Rumpfes stark entwickelt und bildete hier einen aus langen Haaren bestehenden Saum 
(Salensky, nach einem Referat in Schwalbe’s Jahresberichten). Diese Behaarung ist ferner an verschie- 
denen Mammutabbildungen des diluvialen Menschen besonders hervorgehoben (Taf. V, Fig. 13), wenn 
auch diese Darstellung in erster Linie nur ihre untere Begrenzung andeuten soll (vgl. auch die ähnlichen 
Verhältnisse bei vielen Abbildungen vom Bison). Bei einem gestopften sumatranischen Nashorn des 
Wiener Hofmuseums ist die Behaarung seitlich vom Bauche besonders stark und von der kürzer behaarten 
medianen Bauchpartie durch einen beinahe nackt erscheinenden Streifen getrennt. Die starke Behaarung 
der seitlichen Partie erstreckt sich somit auf ein nicht sehr breites, longitudinales Feld. Das gleiche scheint 
bei einem lebenden sumatranischen Nashorn der Schönbrunner Menagerie der Fall zu sein. Das sind einige 
Beispiele, welche allenfalls mit der frühzeitigen Ausbildung der Haare an dieser Stelle beim Elefantenfetus 
in Beziehung gebracht werden könnten. Andrerseits kommt es, wie wir gesehen haben, öfter vor, daß 
anfänglich stark entwickelte Haare im weiteren Wachstume gegenüber den andern zurückbleiben (vgl. 
besonders die Kopfhaare bei Procavia). 

Vom sumatranischen Nashorn wäre noch zu erwähnen, daß die mediane Rückenlinie, besonders 
am Nacken und hinter dem Widerrist stark behaart ist, und daß sich diese Behaarung jederseits an der 
Schulter und vor dem Darmbeinkamm streifenförmig nach abwärts fortsetzt. Im übrigen ist die Rumpfseite 
ziemlich schwach behaart, die Glutealgegend etwas stärker. Das Scheitelgebiet ist im Gegensatz zu jenem 
des Elefanten nur schwach behaart. 

Bei alten Flußpferden finden sich in diesen Körpergegenden nur auf der dorsalen Fläche des 
Kopfes und Rückens bis zur Schwanzspitze spärlich verteilte Borsten (Weber). An einem Hautstück 
von Kopf und Nacken eines Neugebornen konstatierte Weber einen ziemlich dicken Besatz von lanugo- 
artigen Haaren, vgl. auch de Meijere. Nach diesem Autor fanden sich auch am Bauche eines gestopften 
jungen Tieres Haare zerstreut. 

Bei den Sirenen scheint — wenigstens in einzelnen Fällen, so zum Beispiel beim Embryo von 
Manatus köllikeri Kükth. — die Behaarung an der dorsalen Seite des Rumpfes etwas stärker und reich- 
licher zur Ausbildung zu gelangen als an der ventralen (Kükenthal [D)). 


Die Behaarung der Extremitäten. 
Die Außenseite der Vorderextremität ist im Bereiche des Unterarmes (oben und unten etwas 
darüber hinaus) ziemlich kontinuierlich und relativ stark behaart (Taf. II, Fig. 2). Die längsten Härchen 
(Smm) finden sich an der Vorderseite, etwas kürzere an der eigentlichen Außenseite und am Hinterrande. 


re 


De ei 


Fetus von Elephas maximus. 287 


Vorne und hinten sind sie ziemlich steil implantiert; an der Außenseite verlaufen sie annähernd in der 
Richtung des entsprechenden Extremitätenteiles nach abwärts. — Von »Karpalvibrissen«, die bei Arten, 
welche solche besitzen, in der Fetalzeit mitunter leichter nachweisbar sind als beim Erwachsenen (vgl. 
Toldt [a]), ist nichts zu sehen. (Nashorn, Flußpferd?) Bei den Procaviiden sind sie gut entwickelt. 

An der Außenseite der Hinterextremität ist die Behaarung, entsprechend den Verhältnissen 
am Vorderbeine, am Unterschenkel am besten ausgebildet, jedoch erstreckt sie sich relativ weiter nach 
oben (auf den Oberschenkel). Auch hier sind die Haare an der Vorderseite am längsten (4mm), an deı 
eigentlichen Außenfläche ist die Behaarung aber weniger kontinuierlich und kürzer, und auch die Hinter- 
seite ist nur auf eine relativ kurze Strecke, und zwar sehr zart behaart. — Die Haarrichtung entspricht 
ungefähr jener an der vorderen Extremität. 

Im allgemeinen hat es den Anschein, daß die Behaarung an der Außenseite der Extremitäten von den 
Ränderen, insbesondere vom Vorderrand, ausgeht und sich allmählich, aber nicht gleichmäßig rasch, über 
die eigentliche Außenseite ausbreitet. 

An der Innenseite der Extremitäten ist von Härchen nichts zu sehen. 

Bei den jungen und erwachsenen Tieren sind die Extremitäten fast allenthalben mehr weniger 
stark behaart, und zwar proximal länger als distal. Auch scheint die Streckseite im allgemeinen stärker 
behaart zu sein als die Beugeseite. Relativ haarig ist meistens die Gegend am Ellbogen und vorne unter- 
halb des Knies. Schwach behaart ist die Außenseite in der Höhe des Ellbogens, beziehungsweise des 
Knies. Auch die Vorderseite der Finger und Zehen, sowie die Innenseite der Extremitäten sind behaart, 
letztere oben, im Anschluß an die behaarte Ventralfläche des Rumpfes (inklusive der Penisscheide), ziem- 
lich lang. Die vordere Extremität scheint durchschnittlich etwas stärker behaart zu sein als die hintere; 
das dürfte auch beim Mammut der Fall gewesen sein (Herz). 

Bei den sumatranischen Nashörnern sind, soviel ich gesehen habe, die Extremitäten mehr 
weniger stark behaart, besonders stark an den Streckseiten und namentlich außen am Oberarm und in 
der Kniegegend. An den Füßen eines gestopften jungen Flußpferdes fanden sich zerstreut Haare 
(de Meijere). 

Die Behaarung der Mittelfleischgegend. 


Das Perineum ist in seinem oberen Teile, im Bereiche der vorhin erwähnten Linienzeichnung, mit 
kurzen (gegen Z2mm), ziemlich gleichmäßig verteilten Härchen versehen (Taf. V, Fig. 10). Oben reicht dieses 
Haargebiet beiderseits etwas über die Breite der Schwanzbasis hinaus, verjüngt sich aber nach unten zu 
allmählich gleichmäßig und beschränkt sich schließlich nur auf den medianen Teil des Perineums. In der 
mittleren Partie desselben sind die Härchen stellenweise deutlich inLängsreihen angeordnet. Im unteren Teile 
des Perineums (ab 28mm über der Vulva) finden sich auch in der mittleren Partie keine Härchen. Zu den 
Hautlinien stehen die Haare in keiner bestimmten Beziehung. Sie stehen meistens zwischen ihnen, manche 
jedoch auch direkt auf einer Linie. Die Härchen sind noch zu kurz, als daß man einen bestimmten 
Richtungszug erkennen könnte. 

Bei den jugendlichen und erwachsenen Elefanten finden sich in dieser Gegend schütter 
zerstreute, relativ kurze Haare, welche entlang der Mittellinie einen dichteren, ziemlich kontinuierlichen 
Streifen zu bilden scheinen. 


Die Behaarung des Schwanzes. 


Die Eigenartigkeit der Behaarung des Apikalteiles des Schwanzes wurde bei den bisher beschriebenen 
Feten nicht erwähnt. Zimmermann schreibt von seinem Exemplar ganz im allgemeinen: »Das Ende des 
Schwanzes ist..... bereits mit steifen, auseinander strebenden, sehr deutlichen Haaren oder Borsten 
besetzt.« Die andern Feten kommen. offenbar teils wegen der frühen Entwicklungsstufe, teils wegen der 
Schadhaftigkeit beziehungsweise des Verlustes des Schwanzes hier nicht in Betracht, 


288 K. Toldt jun., 


Beim Wiener Exemplar (Taf. V, Fig. 10) verläuft entlang der 70mm langen Kante der Unterseite des 
apikalen Schwanzstückes eine ziemlich regelmäßige Reihe von zirka 30 stark nach unten gerichteten 
Haarbüscheln, von welchen die oberen relativ weit (41mm) voneinander entfernt sind, und jedes aus zwei bis 
drei einzelnen Härchen verschiedener Länge (zirka 3mm) besteht, welche knapp beisammen aus einer kaum 
Imm breiten Hauterhebung hervortreten. Diese Verhältnisse erinnern einigermaßen an jene beiderseits 
am Rande der Rüsselunterseite, doch sind dort die Haarbüschel nicht so eng und scharf umgrenzt. Sie 
bestehen in beiden Fällen deutlich aus einzelnen Haaren und sind nicht etwa Borsten, deren Schaft büschel- 
förmig zerschlissen ist, wie es zum Beispiel beim Flußpferd der Fall ist. Nach unten zu folgen die Büschel 
immer enger hintereinander und 7 mm oberhalb der Schwanzspitze werden sie unregelmäßig doppelreihig 
(zwei Büschel knapp nebeneinander); auch sind die Härchen nun länger, und ganz unten steiler implantiert. 
Hier finden sich die längsten Haare des Fetus (7 mm). Diese Behaarung geht auch auf die Kante des abge- 
rundeten Schwanzendes über und endet an deren Übergang auf die Oberseite. An dieser finden sich nur 
ganz am Ende, nahe dem oberen Rande, 4 bis 5 einzelne Härchen. 

Beim erwachsenen Tiere, dessen Schwanzende wie jenes des Mammut normaler Weise bekannt- 
lich sehr lange, dicke Borsten trägt, sind diese Verhältnisse infolge der derben Struktur der Hautoberfläche 
und der beträchtlichen Länge und Stärke der Borsten viel weniger übersichtlich und häufig infolge mecha- 
nischer oder pathologischer Einflüsse unkenntlich. Gleichwohl ist die Büschelstellung der Borsten bereits 
seit langem bekannt (siehe zum Beispiel Naunyn; einschlägige Abbildungen finden sich unter andern in dem 
kürzlich erschienenen Tierhaaratlas von Friedenthal). Mitunter, zum Beispiel beim indischen Bullen in 
der Menagerie zu Schönbrunn, sind die Borsten fast ganz abgestoßen (siehe auch Eble). Im normalen Zu- 
stande finden sich die längsten Borsten an der Unterkante des Schwanzendes (Möbius)!. 

Bei den Nashörnern und beim Flußpferd sind die Behaarungsverhältnisse am Schwanzende ähnlich 
(zeilige Anordnung an den Kanten, aber in verschiedener Verteilung); die Borsten erreichen jedoch keine 
so beträchtliche Länge. Sonst findet sich, soweit mir bekannt ist, eine derartige Behaarung nur bei manchen 
Suiden (zum Beispiel bei Potamochoerus, Phacochoerus,; vgl. auch die Schwimmer Neomys fodiens P all., 
Myogale moschata Pall. und Fiber zibethicus L. [bei den zwei letzteren nur andeutungsweise], ferner Myr- 
mecophaga tridactyla L. und andere). Der übrige Teil des Schwanzes ist bei den Elefanten und Nashörnern 
kurz und spärlich behaart, beim Rhinoceros sumatrensis ziemlich dicht, besonders an der Unterseite. 


Die Behaarung der Umgebung der Mundöffnung mit Einschluß des Rüssels. 


Dieselbe stellt bei unserem Fetus für sich ein eigenartiges Behaarungsgebiet dar (Taf. IV, Fig. 7). Die 
Haare finden sich größtenteils entlang des Mundrandes vor und auch am Rüssel stehen sie hauptsächlich 
entlang der beiden Ränder der Unterseite, welche die Fortsetzung der seitlichen Teile der Oberlippe dar- 
stellen. Erst in der apikalen Partie des Rüssels treten auch auf seiner Oberseite einzelne Härchen auf, 
welche gegen das Ende zu zahlreicher werden; dagegen setzt hier die Randbehaarung aus. Die (distale) 
Rüsselmündung ist ringsherum stark behaart. Diese Verhältnisse, insbesondere die randständige Behaarung 
an der Rüsselunterseite, entsprechen der morphologischen Bedeutung des Rüssels als der hier lang aus- 
gezogenen Schnauze. Die auch beim Erwachsenen nur schwach behaarte, beiderseits von einem Haar- 
saum begrenzte mediane Partie der Unterseite könnte gewissermaßen als das Filtrum der Oberlippe ange- 
sprochen werden (vgl. besonders Boas [a])). 

Die seitlichen Teile der Oberlippe sind entlang des ganzen Randes ziemlich dicht mit zarten, 
lichten, mehr weniger senkrecht abstehenden Härchen von verschiedener Länge (zirka 2 mm) und Stärke 
besetzt. Sie zeigen keine bestimmte Anordnung, jedoch mitunter eine Tendenz zur Bildung von Querreihen. 
Oft stehen zwei bis drei Härchen nahe beisammen. An der Außenseite der Oberlippe finden sich nur ein- 
zelne, etwas schräg nach vorne unten gerichtete Härchen. 


1 Naunyn beobachtete an den Schwanzborsten des Elefanten eigentümliche Erscheinungen, welche er für das Produkt einer 
Pilzansiedlung hält; hiebei dürfte es sich um einen ähnlichen Pilz gehandelt haben, wie ich einen vor kurzem (c) von einer Borste eines 


langschnabeligen Ameisenigels abgebildet habe. 


Fetus von Elephas maximus. 289 


Beiderseits am Rande der Rüsselunterseite ist die Behaarung im ganzen eine längsreihige. Die 
relativ ziemlich langen Härchen stehen einzeln oder in losen Gruppen zu zweien oder mehreren beisammen. 
Im proximalen Teile des Rüssels sind sie 3 bis öcm lang, vorwiegend einreihig angeordnet und stehen in 
relativ weiten, nicht sehr gleichmäßigen Abständen (2 bis 3cm) hintereinander. Stellenweise befindet sich 
bereits hier mehr oder weniger schräg neben einem solchen Härchen in einem Abstand von zirka 2 mm 
noch ein zweites. Das trifft weiter abwärts ziemlich regelmäßig zu und weiterhin treten noch ein bis drei 
weitere Härchen einzeln oder paarweise hinzu, so daß hier lockere, nicht streng regelmäßige, etwas in die 
Quere gezogene Gruppen von drei bis fünf Härchen hintereinander folgen; innerhalb einer solchen 
zeigen aber vielfach zwei Härchen eine gewisse Zusammengehörigkeit, da sie relativ nahe (1 mm) neben- 
einander liegen. Die entsprechenden Härchen der einzelnen Gruppen stehen nicht strenge in Längsreihen; 
im ganzen aber bildet die Behaarung einen longitudinalen Streif entlang des Rüsselrandes. Allmählich wird 
auch der Abstand zwischen den einzelnen Gruppen immer enger und ungefähr ober dem apikalen Viertel 
der Rüssellänge ist die Behaarung relativ dicht und die Gruppen sind abgesehen von den stets noch 
erkennbaren Pärchen nicht mehr deutlich abgrenzbar. Das dauert jedoch nicht lange, da die Randbehaarung 
bald aufhört. Die Strecke von hier bis zur Mündung ist nämlich haarlos. Die Härchen sind im oberen 
Teile des Rüssels ziemlich stark schräg nach abwärts gerichtet, im unteren Teile etwas steiler implantiert. 
Sie liegen zumeist zwischen zwei Hautfurchen, seltener in einer solchen. Die Haaraustrittsstellen sind 
kaum erhaben, oft jedoch durch einen lichteren Ton ausgezeichnet. 

Bereits etwas über dem letzten Drittel der Rüssellänge treten einzelne, beinahe senkrecht implantierte 
Härchen auch an der Oberseite des Rüssels auf, und zwar hauptsächlich an den seitlichen Partien. Erst 
im apikalen Viertel, woselbst die Randbehaarung fehlt, erstreckt sich diese spärliche Behaarung 
ziemlich gleichmäßig auf die ganze Außenseite, doch sind die Härchen in ihrem medianen Teil noch 
relativ kurz. Nach allem kann man hier somit von einem Übergreifen der Behaarung von den Rändern 
des Rüssels auf seine Außenseite sprechen. 

Im Bereiche der (apikalen) Rüsselmündung ist die Behaarung relativ dicht und lang (6 mm), und 
zwar hauptsächlich auf dem querwulstförmigen Ende der im übrigen haarlosen Rüsselunterseite. Die 
Haare treten einzeln aus relativ starken trichterförmigen Vertiefungen hervor, welche in den seitlichen 
Partien in ziemlich kräftigen radiären Runzeln liegen. Die allseits von der Rüsselmündung ausstrahlende 
und sich etwas in dieselbe hinein erstreckende Behaarung ist am fingerförmigen Fortsatz unterbrochen; 
dieser ist nämlich nur im basalen Teile außen und an den Rändern kurz behaart. Seine Innenfläche und 
sein Spitzenteil sind haarlos. 

Die Unterlippe ist in ihrem stark wulstigen, zirka 25 mm langen Apikalteil, welcher an der Unter- 
seite durch eine Querfurche abgesetzt ist, ziemlich stark behaart, und zwar ähnlich wie die Rüsselmündung, 
allseits gleichmäßig ausstrahlend. Am Lippenrande treten hier die von hinten gegen die Spitze hin an 
Länge zunehmenden Härchen (zirka 3 bis 6 mm) in Abständen von zirka 3mm aus trichterförmigen Ver- 
tiefungen hervor, welche annähernd in longitudinalen Reihen liegen. An der Unterseite dieses Lippenteiles 
stehen die hier 6 mm langen Härchen etwas weiter voneinander und die Haut ist zwischen den einzelnen 
vertieften Haaraustrittsstellen polsterartig vorgewölbt. Nach hinten, gegen die Querfurche zu, ist die Haut 
mit ziemlich tiefen, etwas schräg nach unten vorne ziehenden Runzeln versehen. Im hinteren seitlichen 
Teile der Unterlippe befindet sich zirka 10 mm unterhalb des Randes eine Anzahl kurzer Härchen, welche 
annähernd in zwei Längsstreifen vom Mundwinkel herabziehen. Sonst finden sich nur noch an der Unter- 
seite hinter der Querfurche einzelne Härchen. 

Die Behaarung des Rüssels des Neugebornen ist gegenüber jener des Fetus im allgemeinen ent- 
sprechend vorgeschritten. Nun ist auch die eigentliche Unterseite in der basalen Hälfte mit zahlreichen 
kurzen, lichten Haarspitzen von etwas verschiedener Länge (1 bis 2 mm) versehen, welche annähernd in 
Abständen von zirka 2 mm zerstreut sind. Dabei steht die Mehrzahl in der Nähe oder am Rande von Haut- 
furchen und nur wenige inmitten von flachen Stellen. Diese Verhältnisse erinnern einigermaßen an die 
bekannte Stellung der Haare zu den Schuppen bei schuppentragenden Säugetieren. Die Härchen sind hier 


290 K. Toldt jun., 


mehr weniger schräg nach abwärts gerichtet, an den Seiten zumeist auch etwas lateral. Gegen die apikale 
Hälfte der Unterseite werden die Haarspitzen kürzer und an ihr selbst befinden sich auch jetzt noch 
keine Haare. Am übrigen Teil des Rüssels, an den Rändern und an der Oberseite, finden sich nun vielfach 
zwei in bezug auf die Länge und Stärke auffallend verschiedene Haarsorten, relativ lange Haarg und 
allenthalben dazwischen zahlreiche kurze Härchen (Spitzen). 

Die beiderseits ziemlich symmetrische Randbehaarung besteht nun aus beiden Haarsorten und bildet 
wiederum einen Streifen von wechselnder Breite; sie ist nahe der Rüsselbasis gegen die Seitenteile der 
Unterlippe zu am längsten (bis zu 35 mm lange, ziemlich gerade, lichte Haare) und ziemlich dicht; bald 
wird sie kürzer (14 mm) und die langen Haare sind nur sehr spärlich, zwei bis drei unregelmäßig alter- 
nierend beisammen. Etwas über der Hälfte der Rüssellänge wird die Behaarung wieder dichter. Ihre 
Richtung verläuft schräg nach unten und etwas außen. Oberhalb des Rüsselendes setzt sie auch hier auf 
eine kurze Strecke fast ganz aus (beide Haarsorten fehlen). Die Rüsselmündung ist lang und ziemlich dicht 
behaart, am stärksten und längsten am unteren Querwulst (13 mm lang). Am Vorderrand sind die Haare 
kürzer, ebenso am fingerförmigen Fortsatz, an welchem sich nun überall einzelne Härchen finden. Die Haare 
sind etwas gebogen, ziemlich steil implantiert und mehr weniger nach abwärts gerichtet. Die Haut ist an 
ihren Austrittsstellen deutlich trichterförmig vertieft. Die kurzen Haarspitzen fehlen im Bereiche der Rüssel- 
mündung. 

Die Oberseite des Rüssels ist in der basalen Hälfte mit dunkeln, zirka 15 mm langen, etwas gebo- 
genen Härchen ziemlich dicht bedeckt, von welchen einzelne relativ kräftig sind. Beiderseits werden sie 
gegen den Rand hinab kürzer. Die meisten sind nach abwärts gerichtet, manche jedoch nach oben. An 
ihren Austrittsstellen ist die Haut ziemlich stark eingesenkt. Allenthalben dazwischen zarte kurze Haar- 
spitzen. Distal nimmt die Behaarung allmählich ab, die längeren Haare (13 mm) sind nur mehr spärlich, 
liegen hauptsächlich in den seitlichen Teilen und kommen aus der Tiefe der hier besonders scharfen 
Runzeln hervor. Die Haarspitzen sind allenthalben noch ziemlich dicht und gleichmäßig verstreut; im 
letzten Viertel hören sie auf, dagegen sind hier die längeren Haare auch im medianen Teile vorhanden. 
Die in der basalen Hälfte ziemlich dunkle Haut wird distal allmählich lichter, desgleichen auch die Haare. 
Da die langen Haare aus den Runzeln hervortreten, sind hier keine deutlichen trichterförmigen Vertie- 
fungen der Hautoberfläche sichtbar; dagegen tritt hier die chagrinartige Struktur derselben gut .hervor.. Im 
apikalen Viertel der Rüssellänge finden sich nur mehr einzelne längere Haare beziehungsweise Haarspitzen. 

Im allgemeinen erscheint also die Rüsselbehaarung beim Neugebornen gegenüber den 
Verhältnissen beim Fetus entsprechend weiter ausgebildet. An Stelle der früheren Haarspitzen finden 
sich nun relativ lange Haare und zwischen diesen vielfach zahlreiche, noch ganz kurze Haare. Letztere 
sind ungefähr auf die oberen zwei Drittel der Rüssellänge beschränkt und reichen an den einzelnen Stellen, 
allmählich an Länge abnehmend, verschieden weit distal, am weitesten an den Rändern, am wenigsten weit 
an der Unterseite. Die lokalen Behaarungsverhältnisse (Länge und Dichte) haben sich zumeist im gleichen 
Verhältnis weiterentwickelt (vgl. insbesondere die Randbehaarung) und an manchen früher haarlosen 
Stellen ist nun auch eine Behaarung vorhanden (zum Beispiel in der proximalen Hälfte der Unterseite). 
Bemerkenswert sind jedoch die Verhältnisse an der Rüsseloberseite, welche beim Fetus nur am distalen 
Ende Haare trägt; beim Neugebornen hat die Behaarung in diesem Teile relativ wenig Fortschritte 
gemacht, während die proximale Hälfte nun ziemlich stark behaart ist (die stärkeren Haare sind zumeist 
auch länger als die des distalen Teiles). Gleichzeitig sind die Haare (und die Haut) hier im Gegensatz zu 
allen andern Rüsselstellen dunkel. Bei älteren Individuen könnte man diese Verschiedenheit in der Aus- 
bildung der Behaarung etwa damit in Zusammenhang bringen, daß der untere Rüsselteil relativ stark in 
Anspruch genommen wird und die Haarbildung hier infolge stärkerer mechanischer Fınflüsse (Reibung etc.) 
behindert wird. Für den Neugebornen jedoch kann man das wohl noch nicht annehmen. Die Abweichung 
in der proportionierten Weiterentwicklung der Behaarung dürfte in allgemeinen, vielleicht allerdings durch 
vererbte Anpassung beeinflußten, strukturellen Verhältnissen der Haut liegen (vgl. auch den distalen haar- 
freien Teil der Rüsselränder). Übrigens ergibt sich aus der vorstehenden Untersuchung auch für den 


Fetus von Elephas maximns. 291 


Elefantenrüssel, daß, wie bei verschiedenen andern Körperteilen der Säugetiere, so zum Beispiel bei den 
Extremitäten und zum Teil auch am Schwanz, die allgemeine Haarentwicklung im allgemeinen proximal 
beginnt und allmählich distal fortschreitet. Die frühzeitig erscheinenden stärkeren Haare an den Rändern 
und an der Spitze wären, so wie die an der Unterlippe mit den starken Haaren (zumeist Spürhaaren), 
welche vielfach bei andern Säugetieren an der Schnauze vorkommen, zu vergleichen. 

Der im anatomischen Institute in Alkohol aufbewahrte Rüssel des Muttertieres bot mir die Mög- 
lichkeit zu einem genauen Vergleich mit den Verhältnissen am Rüssel des Erwachsenen; stellenweise war 
jedoch seine Behaarung infolge mechanischer Abnützung zu Lebzeiten des Tieres stark beschädigt. Dieser 
Rüssel ist an seiner Unterseite bis zum apikalen Drittel mit einzelnen sehr feinen, kurzen, lichten Härchen 
(zirka 4 mm lang) versehen, welche keine bestimmte Richtung zeigen und gegen die Rüsselbasis etwas 
zahlreicher sind; das untere Drittel ıst ganz haarlos. Diese Behaarung des proximalen Teiles setzt sich in 
spärlicher Weise auch beiderseits auf die Ränder fort. Die eigentliche Randbehaarung bilden bis zu 140 mm 
lange kräftige Borsten, welche steif gewellt oder in drei bis vier Spiralen gewunden sind. Sie sind zunächst 
spärlich und stehen annähernd in zwei nicht streng regelmäßigen Längsreihen, welche zirka 20 bis 25 mm 
voneinander entfernt sind; der Abstand der Borsten hintereinander beträgt ungefähr ebensoviel. Unterhalb 
des basalen Drittels der Rüssellänge wird diese Behaarung dichter und es treten allmählich auch einzelne 
starke Borsten außerhalb der Doppelreihe gegen die Rüsseloberseite zu auf; im apikalen Drittel werden 
auch diese zahlreicher und erstrecken sich fast bis zur dorsalen Mittellinie des Rüssels. Die Borsten der 
eigentlichen Randbehaarung werden weiter distal allmählich kürzer, was wohl hauptsächlich auf Abnützung 
zurückzuführen ist und oberhalb der Rüsselmündung setzt sie ganz aus. Dagegen finden sich auch hier 
seitlich an der Oberseite noch lange Borsten, welche nach oben zu von zirka 10 mm langen Borsten- 
stümpfen abgelöst werden und die fast bis zur Mittellinie reichen. Die feinen kurzen Haare (3 bis 8 mm) 
fehlen hier; an der übrigen Dorsalfläche, besonders in deren basalem Teile, sind solche in Abständen von 
zirka 9 mm vorhanden; einzelne von ihnen sind relativ lang. 

Die Borsten, welche an der Unterseite liegen, sind zumeist licht, die der Oberseite schwarz. Doch 
kommen allenthalben solche mit nur schwarzem Spitzen- oder Mittelteil vor; einzelne Borsten zeigen ihrer 
ganzen Länge nach zweimal dunkle Strecken. Die dorsalen Borstenstummel des Apikalteiles sind licht. 
Die Borsten der Randbehaarung sind stark schräg nach unten gerichtet, die der Oberseite steiler implantiert. 

Am linken Rande des Rüssels ist die Behaarung auffallend mangelhaft; das beruht offenbar auf 
künstlicher Ursache infolge bestimmter, angewöhnter Bewegungen, durch welche besonders diese Rüssel- 
seite vielfachen Reibungen ausgesetzt war. Am rechten Rande konnte sich die Behaarung dagegen unge- 
hindert entwickeln und erreichte vielleicht eine ungewöhnliche Länge; für die charakteristische Verteilung 
der verschiedenen Haare hat dies jedoch keine Bedeutung (vgl. auch die bei Elefanten gelegentlich auf- 
fallend langen Cilien). Beim Fetus, beim Neugebornen und bei gestopften erwachsenen Exemplaren ist von 
einer derartigen Behaarungsasymmetrie nichts zu bemerken. 

Auch an der Rüsselmündung sind die hier durchwegs lichten Borsten links kürzer. Knapp ober der- 
selben sind am rechten Rande einzelne Borsten noch gegen 60 mm lang. Am Rande um die Mündung selbst 
sind die Haare kurz (bis zu 10 mm), aber kräftig und machen besonders an der linken Seite einen stark 
abgenützten Eindruck. An beiden Seiten greifen sie etwas auf die Innenseite der Choanen über, woselbst 
sie noch relativ lang (gegen 30 mm) sind. Die zarten Haare fehlen. Der fingerförmige Fortsatz ist nur beider- 
seits am Rande der Basis mit einzelnen kurzen Borstenstummeln bedeckt. 

Die Borsten treten an der Rüsselmündung aus deutlich ausgebildeten trichterförmigen Hautvertiefungen 
hervor. An der Rüsseloberseite stehen sie im apikalen Teile wiederum zumeist in den tiefen Hautfurchen 
(vgl. auch Gautier), die jetzt so breit sind, daß ihr Grund als schmaler Streif sichtbar ist. Die Oberfläche 
desselben ist an denBorstenaustrittsstellen meistens etwas vertieft. Basal an der Rüsseloberseite fallen die 
trichterförmigenVertiefungen nicht mehr auf, da die Epidermis hier sehr derb ist. Nach Ablösung derselben 
sind sie aber nahe der Rüsselbasis an der grauweißen Oberfläche des Corium noch ziemlich gut erkennbar. 


Gegen die Rüsselränder zu und an diesen selbst zeigt die Haut an den Borstenaustrittsstellen meistens 
Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC. Bd, 41 


292 K. Toldt jun., 


keine besondere Differenzierung, mitunter eine schwache, wallförmige Umfassung. — Die Behaarung des 
Rüssels des Muttertieres entspricht also in bezug auf die Verteilung der langen Borsten und der kurzen 
Haare fast durchaus den Verhältnissen beim Neugebornen und zum Teil auch jenen beim Fetus. Die 
einzelnen verschiedenen Haargebilde sind naturgemäß nicht mehr dieselben, sondern an Stelle der jugend- 
lichen Haare sind in annähernd ähnlicher Verteilung entsprechend längere und kräftigere getreten; auch 
die Abstände zwischen den einzelnen Haargebilden sind entsprechend größer. Bemerkenswert ist die 
Kürze der Behaarung der Rüsselmündung, welche beim Neugebornen noch relativ lange Haare trägt. Sie 
ist jedoch keine natürliche, sondern hängt offenbar mit der besonders ausgiebigen Benützung dieses Rüssel- 
teiles als Greiforgan zusammen. Bezüglich der Austrittsstellen aus der Haut ist nur das teilweise Ver- 
schwinden der trichterförmigen Vertiefungen basal an der Oberseite des Rüssels infolge der mächtigen 
Dickenzunahme der Epidermis erwähnenswert. 

Am Rüssel der andern von mir beobachteten jungen und erwachsenen indischen Elefanten 
lassen sich alle diese Verhältnisse — insoweit sie nicht durch Abnützung verwischt sind — wieder- 
erkennen, wenn auch zum Teil nicht in so auffallender Weise, wie am Rüssel des Muttertieres. Wie sie 
sich bei den afrikanischen Elefanten verhalten, konnte ich leider nicht genau feststellen, da mir nur 
drei gestopfte Exemplare, darunter ein ganz junges, zur Verfügung standen. Soviel erscheint jedoch sicher, 
daß auch bei dieser Elefantengruppe die Behaarung der Ränder der Rüsselunterseite in besonderer Weise 
ausgebildet, und zwar der spezifischen Form dieser Rüsselpartie entsprechend, eine typische ist. So tragen 
auch die hier fast bis zum apikalen Rüsselende reichenden »raupenfußartigen« Erhebungen noch Haare. 

Die eigenartige Behaarung des Rüssels der rezenten Elefanten scheint, wie bereits bemerkt, bisher 
noch nicht bekannt gewesen zu sein; so erwähnt auch Möbius in seiner im übrigen sehr ausführlichen 
Abhandlung, in welcher auch die Literatur eingehend berücksichtigt ist, darüber nichts. Der Rüssel des 
Mammuts wird von Pfizenmayer allenthalben gleichmäßig dichthaarig abgebildet. Interessant ist jedoch, 
daß die Darstellungen des Diluvialmenschen mehrfach einen Rüssel zeigen, der besonders an der Unterseite 
behaart erscheint (Taf. V, Fig. 13). Bei den Nashörnern trägt die Schnauze, soweit ieh beobachten 
konnte, nur einzelne Borstenstummel. Dagegen befinden sich auf der stark in die Breite gezogenen Lippen- 
partie des erwachsenen Flußpferdes dicht nebeneinander dicke, oft zerschlissene Borsten. Beim Neu- 
gebornen waren diese noch so kurz, daß sie nur wenig über die Hautoberfläche hervorragten. Dagegen 
fanden sich vornehmlich an der Unterlippe und in der Gegend der Nasenlöcher einzelne bis zu 4 cm lange 
Haare in der Stärke von Menschenhaaren. Zwischen diesen standen noch äußerst dünne Haare, die wie 
Lanugo aussahen (Weber). Während Weber in den Follikeln sämtlicher Borsten des Erwachsenen, 
welche er untersuchte, mit Ausnahme der Cilien Blutsinus fand, fehlten sie bei den Haaren des Neu- 
gebornen. Auch an der Schnauze des von Daubenton beschriebenen Fetus waren bereits Härchen 
sichtbar. DieProcaviiden haben an der Schnauze, die Feten auch in der Kinngegend, deutliche Spürhaare. 
Bei den Sirenen und Cetaceen kommen bekanntlich an verschiedenen Stellen des Kopfes, besonders 
an der Schnauze, mehr weniger gut ausgebildete Sinushaare in verschiedener Zahl vor. 


Die Behaarung der Augengegend. 


Im mittleren Teile des oberen Augenlides (Taf. IV, Fig. 7) findet sich knapp über dem eigentlichen, 
lichter erscheinenden Rand, diesem entlang, eine ziemlich scharf umgrenzte Gruppe relativ langer, nach 
abwärts über die Augenspalte herabhängender Haare (Länge bis zu 4 mm), welche den Wimpern ent- 
sprechen. Sie stehen auf einem mit der Sehne nach unten gerichteten, segmentförmigen Feld von 17 mm 
Länge und 3 mm Höhe, welches an seinen Enden 2 mm vom hinteren und 10 mm vom vorderen Augen- 
winkel entfernt ist. Die Haare stehen ziemlich dicht, treten aus punktförmigen Vertiefungen hervor und 
zeigen keine deutliche Reihenstellung. Gegen die Enden des Feldes, namentlich nach vorne zu, sowie gegen 
den oberen Rand desselben, werden sie zarter; im vordersten Teile sind sie nach vorn gerichtet. 

AmunterenLid befindet sich in entsprechender Lage unterhalb des eigentlichen Randes ein schmaler, 
15 mm langer Streif zarterer, schräg nach vorne unten gerichteter Härchen. Im hinteren Teile sind einzelne 
derselben relativ lang (3 mm). 


Fetus von Elephas maximus. 293 


Bei den Erwachsenen finden sich ähnliche Verhältnisse (Wimpern von verschiedener Länge und 
Stärke), jedoch naturgemäß in entsprechend mächtigerer Ausbildung. Mitunter kommen auffallend lange 
Wimpern vor (zum Beispiel bei einem von Daubenton [a] 1754 beschriebenen Elefanten am unteren 
Lid bis über 20 cm, am oberen nur 4cm; eine Abbildung mit langen Haaren am Oberlid findet sich im 
Haaratlas von Friedenthal). Die Nashörner besitzen, wie es scheint, weniger stark entwickelte Wimpern. 
Bei einem neugebornen Flußpferd konnte Weber keine Wimpern nachweisen, beim Erwachsenen sind 
sie jedoch vorhanden. Gegenüber den Procaviiden ist kein besonderer Unterschied zu verzeichnen. 

Am vorderen Ende des Supraorbitalbogens finden sich fünf bis zu 5 mm lange, mehr weniger 
gekrümmte dunkle Härchen, welche 2 bis 3 mm voneinander entfernt und in einem nach unten konkaven 
Bogen angeordnet sind. Sie entsprechen offenbar den Pili supraorbitales. Bei den Erwachsenen ist diese 
Gegend mehr weniger spärlich und kurz behaart; von (äußerlich erkennbaren) Spürhaaren oder von eigent- 
lichen Brauen kann man jedoch nicht gut sprechen. Das gleiche gilt für die Nashörner. Dagegen waren 
beim neugebornen Flußpferd »echte Augenbrauen gut ausgebildet« (Weber) und auch bei Erwachsenen 
in Schönbıunn konnte ich in dieser Gegend deutliche Borsten wahrnehmen. Bei den Procavia-Feten finden 
sich zirka 15 kräftige Spürhaare entlang des ganzen Augenbogens annähernd in drei übereinanderliegenden 
Reihen verteilt. Auch haben sie etwa fünf relativ schwache, einreihig im medianen Teile der Augenregion 
gelegene Pili infraorbitales. Die Sirenen und Cetaceen scheinen weder Cilien noch Augenbrauen zu 


besitzen. 2 
Das Haarbüschel an der Schläfedrüse. 


Wie vorhin erwähnt, tritt aus der Spaltöffnung der Schläfedrüse (Taf. IV, Fig. 7) ein Büschelchen 
von vier bis fünf verschieden langen, dunkeln Härchen hervor, deren längste 3 mm messen. Es zieht in 
Fortsetzung der Spaltrichtung schräg nach hinten unten. Bei der von Eggeling untersuchten Drüse eines 
jugendlichen / indischen Elefanten sind an der Wandung der sackartigen Einsenkung vereinzelte 
kurze, ziemlich weiche Härchen, im Grunde einzelne längere starre Haare implantiert. Im übrigen wurde 
das Drüsenhaarbüschel, wieoftauch die Drüsenöffnungselbst, beiderBesprechungdesElefantenintegumentes, 
so auch von Möbius, meistens nicht erwähnt. Die Behaarung derselben scheint bei den Erwachsenen nicht 
auffallend, und besonders bei gestopften Exemplaren (vielfach defekt?) schwer erkennbar zu sein; das’gilt 
auch für die Exemplare des Wiener Hofmuseums. Nur bei dem gestopften jungen @ Afrikaner konnte ich 
ein ziemlich dichtes, zirka 4A mm langes Büschel konstatieren, welches aus einer 2 mm breiten, nach unten 
gerichteten rundlichen Öffnung hervortritt und stark schräg implantiert ist. 


Die Behaarung des äußeren Ohres. 


Die Ohrmuschel (Taf. Il, Fig. 2) ist hauptsächlich nur am äußeren Rand ihrer Basis mehr weniger zart 
behaart, und zwar relativ am stärksten am Tragus, dessen Rand vornehmlich im oberen Teile ziemlich dicht 
mit über 2 mm langen, abstehenden Härchen besetzt ist; im unteren Teile sind sie nach abwärts gerichtet 
und anliegend. Ganz zarte Härchen finden sich entlang der Anthelix und der Falte am inneren Rand der 
Ohrmuschelbasis. An der letzteren Falte sind sie gleichfalls im oberen, vom Tragus verdeckten Teile 
stärker entwickelt. Sonst finden sich an der Ohrmuschel nur an einzelnen Stellen, so am oberen Beginn 
des Ohrmuschelrandes, einzelne ganz zarte Härchen. Bei den Erwachsenen ist die Umgebung, insbe- 
sondere der Vorderrand des Ohreinganges, mehr weniger dicht behaart (büschelartig? Eble). Besonders 
dicht, relativ lang und durch eine rötlichgelbe Färbung auffallend ist diese Behaarung bei den zwei jungen 
Individuen in Schönbrunn. Die Ohrmuschel der jungen und erwachsenen Elefanten ist an der Vorderfläche 
mit spärlichen kurzen Haaren besetzt, an der Hinterfläche größtenteils beinahe kahl. Nach Pfizenmayer 
besaß das Mammut an einzelnen Stellen der Außenseite des Ohres und vor allem an seinen Rändern 
ziemlich dichtstehende kurze Woll- und längere Grannenhaare. Im Gegensatz zum Hängeohr des Elefanten, 
dessen Ränder kaum behaart sind, tragen die abstehenden Spitzohren der Nashörner und des Fluß- 
pferdes einen mehr weniger dichthaarigen Randsaum, welcher sich auch auf die Seitenteile der Innenfläche 


294 K. Toldt jun., 


ausbreiten kann. Die Ohrmuschel von Procavia, deren Knorpel nach Boas (b) mit dem des Elefantenohres 
keine Ähnlichkeit darbietet, ist bei unseren Feten fast nackt, aber allenthalben mit lichten Pünktchen (Haar- 
anlagen?) versehen, welche an der vorderen Fläche bedeutend kräftiger sind als an der hinteren. Nur auf 
der Falte am oberen Ansatz des Ohrmuschelrandes findet sich ein Besatz von ziemlich kräftigen Haarspitzen. 


Die Pili submentales nebst Bemerkungen über das Verhältnis der Spürhaare zu den asinuösen Haaren 
im allgemeinen. 


In der Medianlinie der Unterkieferregion befindet sich 50 mm hinter der Unterlippenspitze ein kleines 
scharf umgrenztes rundliches Feld (Durchmesser 1 mm), aus welchem etwa vier, bis zu 6 mm lange und 
zirka sechs um die Hältte kürzere lichte Härchen ziemlich senkrecht aus der Haut hervortreten und ein 
vollkommen isoliertes Haarbüschel bilden (Taf. II, Fig. 3 und Taf. IV, Fig. 7). Es wurde noch bei keinem 
Elefantenfetus erwähnt und ist, wenigstens nach meinem Material, bei jungen und erwachsenen 
Tieren von der nun vorhandenen übrigen Behaarung dieser Gegend äußerlich nicht mehr zu unter- 
scheiden; in unauffälliger Weise dürfte es wohl auch hier vorhanden sein und nicht etwa nur eine vorüber- 
gehende Erscheinung bei der ersten Behaarung darstellen. Das sumatranische Nashorn zeigt 
ähnliche Verhältnisse wie die erwachsenen Elefanten. Bei den erwachsenen Flußpferden scheint diese 
Gegend nackt zu sein. Bei den Procaviiden sind die Spürhaare des Gesichtes (bei unseren Feten: Pili 
supraorbitales, infraorbitales, zygomatici, labiales superiores, 1. inferiores und submentales) zahlreich und 
stark ausgebildet (siehe auch Nassonow [b]). In der Hinterkinngegend finden sich beim Fetus 10 mächtige 
Haare, welche einzeln innerhalb eines queroblongen, Smm breiten Feldes aus der Haut hervortreten und 
gegenüber jenen des Elefanten viel schräger (nach hinten) gerichtet sind. Bei unserem Elefantenfetus ist 
das Submentalbüschel, abgesehen von den weit auseinanderstehenden Supraorbitalhärchen, die einzige 
Haargruppe, welche ihrem ganzen Aussehen nachals eine typische Vibrissengruppe erscheint. Das Schläfe- 
drüsenbüschelchen, welches dem äußeren Aussehen nach mit einer solchen eine gewisse Ähnlichkeit hat, 
kommt aus der Drüsenspalte hervor und kann als eine spezifische Begleiterscheinung der Drüse nicht 
hierher gerechnet werden. 


Daß das beim Elefantenfetus deutlich ausgeprägte Haarbüschel in der Hinterkinngegend bei größeren 
Individuen äußerlich nicht mehr recht unterscheidbar ist, erscheint mir deshalb von Interesse, da es 
wiederum ein Beispiel für eine Übergangserscheinung zwischen Sinushaaren und gewöhnlichen Haaren 
darstellt. Bekanntlich ist der Unterschied zwischen beiden Haarsorten zumeist bereits äußerlich ein großer 
und erst kürzlich hat ihn Schwalbe (c) folgendermaßen präzisiert. Faßt man die verschiedenen Haarformen 
des gewöhnlichen Haarkleides der Säuger (Leithaare, Grannen- und Wollhaäre) »als verschiedene Varia- 
tionen einer Grundform auf, charakterisiert durch einfachen Haarbalg, bei vielen niederen Säugern durch 
Stachelbildungen vertreten, die, wie diese Haare, in weiter Verbreitung über den Körper vorkommen, so 
stehen ihnen allen gegenüber lange, nur gruppenweise, besonders am Kopfe vorkommende Spürhaare, 
welche vor allem durch die Beschaffenheit ihres Haarbalges charakterisiert sind. Letzterer enthält einen 
oder mehrere mit Blut angefüllte Räume, sogenannte Blutsinus. Aus diesem Grunde wird diese Sonder- 
kategorie von Haaren als Sinushaare bezeichnet«. Die Verbreitung der letzteren über den Körper ist, 
wiesich zum Teil erst in neuerer Zeit gezeigt hat, in einzelnen Fällen doch eine relativ große, so bei 
den Procaviiden und beim ZFeterocephalus, wo sie auch über den ganzen Rumpf beziehungsweise 
Schwanz und den proximalen Teil der Extremitäten zerstreut sind. Ferner finden sich solche bei gewissen 
Eichhörnchenarten an Brust und Bauch. In diesen Fällen kann auch nicht mehr von einer gruppenweisen 
Anordnung gesprochen werden. Außer am Kopfe finden sich Spürhaare bekanntlich auch in einer Gruppe 
beisammen am Karpalgelenk vieler Säuger. Ferner sind bereits Übergangsformen zwischen sinuösen und 
asinuösen Haaren bekannt (bei einigen Affen, Fred£ric), beziehungsweise reduzierte Spürhaare, bei welchen 
der Sinusraum mehr weniger zu schwinden beginnt (bei den Zahnwalen, Japha). Weiters zeigen die 
erwähnten ventralen Haare der Eichhörnchen erst bei den erwachsenen Tieren typische Tasthaarpapillen 


Fetus von Elephas maximus. 295 


(Bresslau); vgl. auch die Behaarung des Flußpferdes (p. 34 [292]). Daß Haare mit wohlausgebildeten 
Sinusbälgen äußerlich ganz unscheinbar und von den gewöhnlichen Haaren nicht leicht zu unterscheiden 
sein können, hat Fr&d&ric an den Lippen von Affen konstatiert. Ähnlich scheint es sich auch mit dem 
Submentalbüschel bei den erwachsenen Elefanten zu verhalten, jedoch sind diesbezüglich noch weitere 
Untersuchungen erforderlich. Diesen Beispielen nach hat es den Anschein, daß der Unterschied zwischen 
sinuösen und asinuösen Haaren, so groß er im allgemeinen auch ist, doch kein durchgreifender ist, und 
daß sich bei systematischer Behandlung dieser Frage (zum Beispiel bei genauer Untersuchung sämtlicher 
Spürhaare und gewöhnlicher Haare des Oberlippenfeldes in verschiedenen Entwicklungsstufen einer Art 
oder bezüglich dieser Verhältnisse an verschiedenen Körperstellen bei Procavia und Heterocephahıs) 
vielleicht noch weitere Annäherungen ergeben dürften. In diesem Sinne habe ich mich übrigens bereits 
seinerzeit (b) ausgesprochen. 


7. Zusammenfassung. 


Der vorliegende Elefantenfetus ist bisher der einzige, von dem das Alter halbwegs genau zu ermitteln 
war (11 Monate, ungefähr die Hälfte der intrauterinen Entwicklungszeit; Scheitel-Steißlänge 565 cm). — 
Bei zwei in den letzten Jahren in der kais. Menagerie zu Schönbrunn erfolgten Geburten von einem 
indischen Elefantenweibchen betrug die Trächtigkeitsdauer etwas über 21, beziehungsweise genau 
22 Monate. 

Bezüglich der Körperproportionen wäre zu erwähnen, daß der Kopf bei den jungen Elefantenfeten 
relativ plump und stark gewölbt ist, und daß im Verlaufe des allgemeinen Körperwachstums der Rüssel 
verhältnismäßig dicker, die Hände und Füße etwas kürzer und der Schwanz länger zu werden scheinen. 

Bisher ist kein vorgeschrittener Elefantenfetus bekannt, bei welchem die Hautfärbung nicht durchwegs 
gleichmäßig dunkel gewesen wäre, denn die Scheckung des Zimmermann’schen Exemplars dürfte keine 
natürliche gewesen sein. Wann und allenfalls in welcher topographischen Reihenfolge die dunkle Haut- 
färbung in der Entwicklung der Elefanten in Erscheinung tritt, läßt sich noch nicht sicher sagen. 

Beim vorliegenden Fetus sind an der Hautoberfläche, besonders am Rüssel und in der Glutealgegend, 
bereits Furchen und Runzeln ausgeprägt, welche ihrer Zahl und Lage nach vielfach solchen bei Jungen 
und Erwachsenen entsprechen. 

Bei diesem Fetus ist bereits die Schläfedrüse äußerlich erkennbar. Ferner ist die Hautvertiefung 
an den Stellen, an welchen später die Stoßzähne durchbrechen, bemerkenswert. Hände und Füße sind 
bereits zu typischen Klumpfüßen ausgebildet. E 

Die Behaarung ist in erster Linie, ähnlich wie bei dem von Daubenton beschriebenen Flußpferd- 
fetus, in der Umgebung des Mundes inklusive bestimmter Stellen des Rüssels, an den Lidrändern, an der 
Basis der Ohrmuschel und an der Schwanzspitze deutlich ausgebildet. Von besonderem Interesse ist die 
Behaarung des Rüssels, dessen Unterseite beiderseits von einem Saum von Härchen begrenzt ist, welcher 
größtenteils aus längsreihig angeordneten Gruppen von zwei bis drei Haarspitzen besteht; zu diesen sind 
beim Neugeborenen noch einige zartere, kürzere hinzugekommen. Diese sowie andere Verhältnisse der 
Rüsselbehaarung lassen sich auch bei Erwachsenen wiedererkennen und scheinen bei den afrikanischen 
Formen in Zusammenhang mit entsprechenden Unterschieden der Rüsselform spezifisch verschieden zu 
sein. Die allgemeine, relativ schwache Behaarung des Rüssels beginnt proximal und breitet sich allmählich 
distal aus, wie essauch für die Extremitäten und zum Teil für den Schwanz der Säugetiere gilt. Auch am 
Schwanzende ist die eigenartige Behaarung deutlicher zu erkennen als bei den Erwachsenen. 

Im besonderen sei hervorgehoben, daß die Behaarung am Rumpfe, im Gegensatz zu den Verhältnissen 
bei vielen andern Säugetieren, zuerst in je einem longitudinalen Streifen beiderseits vom Bauche auftritt, 


1 In wieweit der eigentliche, drüsige Teil entwickelt ist, wird die histologische Untersuchung zeigen (vgl. auch die Violdrüse 
des Fuchses, Toldt [a)). 


296 "RK. Toldt jun., 


ferner das Vorhandensein eines submentalen Haarbüschels, sowie das reihenförmige Auftreten von einigen 
Haaren in der Supraorbitalgegend, welche den Pili supraorbitales anderer Säugetiere entsprechen dürften. 
Die beiden letzteren Befunde weisen darauf hin, daß auch beim Elefanten wenigstens Andeutungen von 
Spürhaargruppen vorhanden sind. Bei den Jungen und Erwachsenen sind diese Verhältnisse äußerlich nicht 
mehr deutlich erkennbar. Die Behaarung ist unter anderm auch am Scheitelgebiet, welches bei den jungen 
und erwachsenen Elefanten bekanntlich relativ stark behaart ist, verhältnismäßig vorgeschritten. Außer der 
eigenartigen Gruppierung der Haare am Rüssel und Schwanz, konnte auch beim Fetus keine bestimmte 
Haaranordnung konstatiert werden. 

Ob bei der allgemeinen Behaarung des Neugebornen noch dieselbe Haargeneration vorhanden ist wie 
beim Fetus, konnte nicht mit Sicherheit festgestellt werden. Vermutlich dürfte inzwischen ein Haar- 
wechsel stattgefunden haben. 

Bezüglich des hauptsächlich aus allgemeinem Interesse vorgenommenen Vergleiches mit andern 
haararmen Säugern wäre zunächst hervorzuheben, daß die Nashörner und Flußpferde mit den Elefanten 
die zeilige Anordnung von starken Borsten an den Kanten des Schwanzendes gemein haben. An der 
beim Elefanten eigenartig gestalteten Ohrmuschel ist die Haarverteilung eine wesentlich andere als bei 
den annähernd gleichgeformten und -behaarten Ohren des Nashorns und Flußpferdes. Die Behaarung der 
Umgebung der Mundöffnung ist bei allen dreien entsprechend ihren verschiedenen Schnauzenformen eine 
andere. Von einer Beurteilung der eigentlichen Körperbehaarung sehe ich ab, da die fetale und jugendliche 
Behaarung dieser Säuger nicht hinreichend bekannt ist. Betont sei nur, daß sowohl bei.den Elefanten als 
auch bei den Nashörnern die untere Partie der Flanken zu einer relativ starken Behaarung neigt. Auf 
das Vorkommen von Spürhaaren wäre, wie es sich gezeigt hat, bei diesen Tieren noch besonders zu 
achten. Was die Procaviiden betrifft, so hat die Konstellation der Haarformen ihres allgemeinen Haar- 
kleides — abgesehen von den Rumpfspürhaaren — eine gewisse Ähnlichkeit mit der des Mammuts. Auch 
haben sie Pili submentales. Derartige Umstände müssen jedoch keineswegs mit verwandtschaftlichen 
Beziehungen im Zusammenhang stehen, wie ja die Behaarung im allgemeinen diesbezüglich relativ wenig 
sichere Anhaltspunkte bietet. Als Gegensatz wäre, abgesehen von den durch die verschiedenen Schnauzen- 
formen bedingten Verhältnissen, besonders die ungewöhnliche Fülle von mächtig entwickelten Spürhaaren 
bei den Procaviiden hervorzuheben, welche allerdings ihrerseits als eine sekundäre Erscheinung anzusehen 
ist, sowie der Umstand, daß die Bauchseiten keine mächtigere Ausbildung des Haarkleides aufweisen. Die 
zu den Elefanten mehrfach in Beziehung stehenden Sirenen haben in der Fetalzeit eine relativ stärker ent- 
wickelte Behaarung als im erwachsenen Zustande, insofern bei den Feten außer stärkeren Haaren auch 
deutliche Anlagen von Beihaaren vorhanden sein können. Eine Gleichstellung dieses Umstandes mit der 
relativ starken Behaarung der jugendlichen Elefanten dürfte’ jedoch nicht am Platze sein, da letzterer Fall 
hauptsächlich auf eine besondere Länge der Haare zurückzuführen ist. Die Sirenen haben ferner am Kopf 
relativ reichlich Spürhaare; das nämliche gilt für verschiedene Cetaceen, welche im übrigen keine deut- 
lichen Haare besitzen. Da es sich hier um Tiere handelt, bei welchen der Wasseraufenthalt das Integument 
sicherlich wesentlich beeinflußt hat, müßte man bei einer Beurteilung von Beziehungen zwischen der 
Behaarung dieser und der Elefanten mit besonderer Vorsicht vorgehen. 

Schließlich sei noch auf die vergleichende Betrachtung ‚des ersten Erscheinens der Haare in bezug 
auf seine Topographie bei den verschiedenen Säugerarten verwiesen, sowie auf die Besprechung einiger 
Integumentverhältnisse bei zwei Procaviafeten (relativ. lange Kopfbehaarung, Behaarungsverhältnisse im 
Gebiete der Rückendrüse, Hautpigmente u. s. w.). 


—— 


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Fetus von Elephas maximus. 297 


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— c) Beiträge zur Kenntnis der Behaarung der Säugetiere, Zoolog. Jahrbücher, Abt. f. System., 
Bd. 33, p. 9—86. Jena 1912. 


Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC. Bd. 42 


300 K. Toldt jun., Fetus von Elephas maximus. 


— d), Über Hautzeichnung bei dichtbehaarten Säugetieren nebst Bemerkungen über die Oberflächen- 
profilierung der Säugetierhaut, ibid., Bd. 35, wird demnächst erscheinen. I 

Tournier G., Les Elephants. Paris 1909. 

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p. 519-522. London and Cambridge 1881. i | 

Weber M., Studien über Säugetiere. I. Beiträge zur Anatomie von Hippopotamus amphibius, 
Jena 1886. 

Zimmermann E. A. W., Beschreibung und Abbildung eines ungebornen Elephanten etc., 
Erlangen 1783. , 


Während des Druckes dieser Abhandlung erschienen: 


Hickl A. Die Gruppierung der Haaranlagen (»Wildzeichnung«) in der Entwicklung des Haus- 
schweines, Anat. Anz., 44. Bd., p. 393—402, 1913. 
Semon R., Die Fußsohle des Menschen. Arch. mikrosk. Anat., 82. Bd., Abt. II, p. 164—211, 1913. 


Nachschrift. 


Aus einem soeben (Ende Oktober 1913) ausgegebenen Heft der »Bibliographia Zoologica« erfuhr 
ich, daß über den p. 4 unter Nr. 10 angeführten Elephantenfetus aus dem französischen Kongo nun in einer 
wissenschaftlichen Zeitschrift ein ganz kurzer Bericht mit Abbildung erschienen ist (Durrieux A, 
Presentation d’un foetus d’Elephant. C. R. de la Soc. de Biol., Tome 73, p. 188—189, Paris 1912). Hier sei 
hervorgehoben, daß auch dieser ziemlich stark geschrumpfte Fetus unregelmäßig gefleckt erscheint. Ob 
diese Fleckung eine natürliche ist, wird in der Notiz nicht erörtert. Soviel kann man jedoch mit Sicherheit ° 
entnehmen, daß die Haut dieses Fetus, dessen Stirn-Steißlänge nun mit 143mm angegeben wird, 


wenigstens stellenweise bereits merklich pigmentiert ist. 


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Fig. 1. 11 Monate alter Q Fetus eines Rlephas maximus — Indiens) Te Nass anti nern von 1 der 


Si Du 56:5 cm. Rüssel im proximalen Teile etwas seitlich. nach außen ehe, so daß hier seine Unte 


= Zwischen dem Auge und der Ohrmuschelbasis die spaltfö rmige Öffnung der Schläfedrüse mit Haar " 
5 des Nabelstranges liegt relativ weit hinten. 13. t 

h Zeichnung vom akademischen Zeichner Herrn Bruno Keilitz ausgeführt. 

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Toldt, K.: Fetus von Elephas maximus. Taf.l. 


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Denkschriften d.kais. Akad.d.Wiss.math.naturw. Klasse, Bd.XC. 


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Fig. 2. Elefantenfetus (von Fig. 1): Ser ae a bereits deutlich 


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Toldt,K.: Fetus von Elephas maximus. Taf... 


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Denkschriften d.kais. Akad.d.Wiss:math.naturw.Klasse,Ba.XC. 


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Fig. 3. 


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Elefantenfetus (von Fig. 1): Mundgegend von unten. Rüsselbasis nach vorne umgelegt, wodurch der Mund etwas 
geöffnet erscheint. In der Mitte die Zunge, darunter die behaarte Unterlippenspitze. Jederseits von der Zunge ziehen die 
seitlichen Teile der Ober- und Unterlippe zum Mundwinkel. Beiderseits schräg vor der Zunge eine Vertiefung, die der Lage 


des Stoßzahnes entspricht. An der Rüsselunterseite Querfurchen. Submentales Haarbüschel. 1]. 


.Innenfläche eines durch Mazeration losgelösten Epidermisstückes von der Oberseite der proximalen Rüssel- 


hälfte des Muttertieres des vorgenannten Elefantenfetus. Die im allgemeinen ziemlich regelmäßigen polygonalen 
Eindrücke der Coriumpapillen sind an den Stellen, an welchen die Haut gerunzelt war, in die Länge gezogen und quer zur 
Achse der Runzeln gerichtet. Allenthalben zerstreut verhornte Scheiden von Haaren verschiedener Stärke. Stellenweise ist 
die Epidermis licht gefleckt. 1/,. 


. Fetus von 7°25 cm Scheitel-Steißlänge eines Elefanten aus Kamerun. Nach A. Brauer. 


. Fetus von 6°6 cm Scheitel-Steißlänge eines Elefanten aus Ceylon. Nach J.E. Gray. 


Zeichnungen vom akademischen Zeichner Herrn Bruno Keilitz ausgeführt. 


Taf. 


Toldt, R.: Fetus von Elephas maximus. 


Lith.Anst.Th. Bannwarth, Wien 


Denkschriften d.kais. Akad.d.Wiss.math.naturw. Klasse, Bd.XC. 


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Fig. 


Tafel IV. 


. Kopfdes Elefantenfetus (von Fig. 1). Rüssel etwas seitlich nach außen gedreht, so daß seine Unterseite teilweise sichtbar 


ist. Furchung der Haut des Rüssels und der Augengegend. Schläfedrüsenöffnung mit Haarbüschel. Nickhaut (im vorderen 
Teile der Lidspalte). Behaarung des seitlichen Teiles der Oberlippe, der Unterlippe und des Rüssels. Cilia, Pili supraorbitales 


und Pili submentales. 23. 


. Fetus von Procavia oweni Thos. (130 mm absolute Scheitel-Steißlänge). Relativ starke Behaarung des Kopfes und zum 


Teil der Rückenmittellinie. Rückendrüsengebiet: vorne licht behaart, hinten median haarlos mit Drüsenausmündungen. An 
verschiedenen Stellen im Gesichte Gruppen mächtiger Spürhaare. Einzelne Spürhaare auch allenthalben am Rumpfe zerstreut; 
gegenüber der erst zum Teil eben durchgebrochenen allgemeinen Behaarung sind sie in der Entwicklung weit vorge- 


scehritten. 1/,. 


. Flächenansicht eines durchsichtig gemachten Hautstückes aus der Lendengegend des Procavia-Fetus (von 


Fig. 8). Haarbälge in vier Dreiergruppen, mit Pigment in der äußeren Wurzelscheide. Mittelhaar deutlich. Ganz oberflächlich 
Epidermispigment (intensiv dunkel) in Gestalt verästelter Figuren von locker körniger Struktur. Etwas tiefer ein Netzwerk von 


lichterem, ziemlich homogenem Coriumpigment. X 180. 


Zeichnungen vom akademischen Zeichner Herrn Bruno Keilitz ausgeführt. 


Taf. IV. 


Toldt, R.: Fetus von Elephas maximus. 


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Lith.Anst.Th. Bannwarth, Wien 


Derikschriften d.kais. Akad.d.Wiss.math.naturw.KRlasse,Ba.XC. 


Fig. 10. 


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Tafel Y: 


Hinteres Rumpfende des Elefantenfetus (von Fig. 1). Deutlich abgegrenztes, langgestrecktes Perineum; die Haut- 
oberfläche an demselben mit zarten Furchen und Haarspitzen. Anus von der Schwanzwurzel größtenteils verdeckt. An der 


Unterseite des apikalen Schwanzteiles zeilig angeordnete Haarbüschel. 2];. 


. Äußeres Genitale desselben Fetus, fast ganz ventral, zwischen der Basis der Oberschenkel gelegen. Schamlippen 


etwas auseinander gehalten. Clitoris stark ausgebildet. Unterhalb derselben das Orificium vaginae. Ganz oben im Bilde der 


Ansatz des Nabelstranges. Unterhalb des Genitales der untere Teil des Perineums; in seiner Mittellinie die Raphe perinei. 1]. 


. Flächenansicht eines durchsichtig gemachten Hautstückes aus der Lendengegend des Elefantenfetus (von 


Fig. 1). Verteilung der Coriumpapillen (rundlich umgrenzte Stellen) und des Epidermispigmentes. Rechts unten der optische 


‚Querschnitt eines Haarbalges. X 70. — Zu Fig. 9 und 12 vgl. auch die Abbildungen der Pigmentierung von Affenhäüten in 


meiner demnächst erscheinenden Abhandlung (d, Taf. IX, Fig. 8 und 9). 


. Fein gravierte Mammutdarstellung des Diluvialmenschen in Font-de-Gaume (Dordogne); vorgeschritteneres 


Magdalenien. Nach H. Breuil. Behaarung besonders am Kopf, an der unteren Rumpfseite und an der Rüsselunterseite markiert. 


Zeichnungen vom akademischen Zeichner Herrn Bruno Keilitz ausgeführt. 


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Toldt, K.: Fetus von Elephas maximus. Taf. V. 


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Lith.Anst.Th. Bannwarth,Wien 


Denkschriften d.kais. Akad.d.Wiss.math.naturw.Klasse,Bd.XC. 


STUDIEN 
ÜBER JUGLANDACEEN UND JULIANIACEEN 


VON 


STEPHANIE HERZFELD. 


AUS DEM BOTANISCHEN INSTITUT DER K. K. UNIVERSITÄT IN WIEN. 


Mit 1 Textfigur und 7 Tafeln. 


VORGELEGT IN DER SITZUNG AM 3. JULI 1913. 


Einleitung. 


Im Jahre 1907 erschien Hemsley’s Arbeit »On the Julianiaceae«, in der er aus den morphologischen 
Ähnlichkeiten auf Verwandtschaft mit den Juglandaceen und Cupuliferen schloß und vorschlug, diese 
neu abgegrenzte Gruppe zwischen die genannten Ordnungen zu stellen. Die Untersuchung der anatomischen 
Merkmale überließ er Fritsch. Dieser Autor betont in seiner Abhandlung »The anatomy of Julianiaceae« 
die Ähnlichkeit zwischen ihnen und den Terebinthaceen. Hierauf erschien Hallier’s »Über die Julianiaceen, 
eine Terebinthaceen-Gattung, und die wahren Stammeltern der Kätzchenblütler,« eine Schrift, in welcher 
auf der Basis der angenommenen nahen Beziehungen zu den Terebinthaceen ein neues System aufgestellt 
wurde, das die Kätzchenblütler als sehr abgeleitete Pflanzen erscheinen ließ. Auf diesem Hallier’schen 
System fußt Lotsy’s Stammesgeschichte, soweit sie bis heute veröffentlicht ist; doch scheint der Autor 
selbst die Empfindung zu haben, daß sich der eingeschlagene Weg nur schwierig werde bis zu Ende 
verfolgen lassen. 

So hatten die Julianiaceen und mit ihnen die Juglandaceen eine große Bedeutung in der Systematik 
erhalten, woraus sich das Bedürfnis erklärt, die Entwicklungsgeschichte der weiblichen Blüte von Juglans 
regia L. neuerdings zu untersuchen. 


Methode. 


Es wurden von Anfang Jänner bis Ende Mai 1911 in ziemlich regelmäßigen Zeiträumen erst Knospen, 
dann Blüten von Juglans regia in Alkohol-Eisessig fixiert und nach der Mikrotommethode behandelt. Bei 
der Färbung stellte es sich heraus, daß Juglans nur schwierig Safranin, hingegen rasch Hämatoxylin an- 
nimmt. Bald zeigte es sich, daß die Juglans-Blüte morphologisch nur zu deuten ist, wenn die Untersuchung 


auf beide Geschlechter und auf alle Gattungen der Ordnung sowie auf die Julianiaceen ausgedehnt wird. 
Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC. Bd. 43 


302 S2 Herzjeld, 


Ich studierte daher Juglans Sieboldiana Maxim. (die Blüten stammen aus Lunz! und Albern), die mit ihren 
vielblütigen weiblichen Kätzchen eine relativ ursprüngliche Gattung ist, dann Plerocarya fraxinifolia Kunth 
aus dem Botanischen Garten in Wien, endlich spärliches Herbarmaterial von Platycaria strobilacea Sieb. 
et Zuce., Carya alba Nutt., Engelhardtia spicata Blume und parvifolia C. DC. sowie Juliania adstringens 
Schl. Die getrockneten Pflanzen wurden in destilliertem Wasser mit etwas Kalilauge auf dem Wasserbad 10’ 
bis 1/," aufgekocht, dann mit Alkohol-Eisessig wie frisches Material behandelt; sie lieferten oft ganz brauch- 
bare Mikrotomserien. Da ich fand, daß die Krystalle, welche die meisten der untersuchten Blüten in großer 
Menge besaßen, nach dem Einschließen nicht mehr sichtbar waren, wenn die Schnitte in Nelkenöl gelegen 
hatten — die Krystalle besitzen offenbar den gleichen Brechungsexponenten wie dieses Medium —, be- 
nützte ich später mit gutem Erfolg Xylol statt Nelkenöl vor dem Kanadabalsam. 


1 Nach Abschluß der Untersuchung haben sich Anzeichen dafür ergeben, daß die Figuren 30 bis 36 in Tafel I möglicherweise 


zwei verschiedenen Formen angehören. Doch ändert dies nichts an den gewonnenen Resultaten. 


Studien über Juglandaceen und Julianiaceen, 303 


Juglans regıa L., weibliche Blüte. 


a) Entwicklungsgeschichte und Morphologie. 


Zum besseren Verständnis der Verhältnisse bringe ich erst die Abbildung eines jungen Blütensprosses 
von Juglans regia (Taf. |, Fig. 1). Wir sehen zwei große Blätter, die einander gegenüberstehen; das vordere 
wurde abgelöst; seine Stellung ist durch die Narbe (N V S) erkenntlich. Sie unterscheiden sich durch ihre 
Ganzrandigkeit und Dicke von den assimilierenden Blättern; es sind die Vorblätter des ganzen Sprosses (V SS). 
Dieser trägt bis zu vier Blüten, welche akropetale Aufblühfolge besitzen; die zwei untersten verkümmern 
meistens (1). Die junge Blüte zeigt im untern Teile ihrer Kugelgestalt eine schwache Einschnürung, die 
sich später vertieft und scheinbar hinaufwandert, indem offenbar der unter ihr befindliche axile Teil stärker 
wächst als der obere. Verhältnismäßig weit oben auf der Blüte 1 sitzt eine Braktee (B), die auf der Blüte 2 
vom Beschauer abgewendet ist. Deutlich sind zweierlei Hüllxreise der Blüte zu erkennen, die innere, vier- 
zipflige, ist noch eingerollt, die äußere Hülle hat ebenfalls vier Zipfeln. 

Taf. I, Fig. 2 zeigt die zwei Sproßvorblätter (V S) und zwei Blütenanlagen; an der jüngeren von 
beiden (a) ist ein Ringwulst um einen stumpfen Vegetationskegel angedeutet, bei der älteren (b) ist er schon 
bis zur Höhe der Kegelspitze herangewachsen. Der Ring entwickelt sich weiter und differenziert sich in 
Blättchen (Taf. I, Fig. 3a). Nun bildet sich ein zweiter innerer Wulst, der sich bis zur Spitze des Kegels 
erstreckt und sich ebenfalls in Blättchen differenziert (Taf. I, Fig. 4). Symmetrisch verlaufende Gefäßbündel 
gehen in die äußere Hülle. Die Braktee (D), welche sehr hoch an der Blüte inseriert scheint, ist offenbar 
durch Rekauleszenz mit der Achse verwachsen. Indem die Spitze des Vegetationskegels im Wachstum 
zurückbleibt, erscheint sie als Einsenkung in der Mitte der Blüte (Taf. I, Fig. 5). Dieser ehemaligen Spitze 
ist eine wichtige Rolle vorbehalten, indem auf ihr später das Ovulum entsteht. 

Nun bilden sich um diesen Punkt zwei einander gegenüberstehende Erhebungen: die beiden Karpiden. 
Taf. I, Fig. 5 belehrt uns über das Aussehen derselben in der Jugend, Fig. 6 über die zentral gelegene Zelle, 
welche durch ihre Größe und Reichtum an Protoplasma auffällt. Fig. 7 zeigt das Heranwachsen der Karpiden 
und den Verlauf der Gefäßbündel, die vollkommen getrennt in die beiden Blütenhüllen und in den Frucht- 
knoten gehen. Über die Blättchenzahl beider Hüllkreise geben die Querschnitte (Fig. 8 und 9) Aufschluß. Wir 
sehen in der Mitte die zwei Karpiden und in dekussierter Stellung vier innere Hüllblätter, die wir als Perianth 
bezeichnen, sowie vier äußere Blättchen, welche wir mit dem allgemein üblichen Ausdruck »Vorblätter« 
benennen. Es ist auffallend, daß fast alle Autoren, die bisher die Juglansblüte bearbeiteten, von nur zwei Vor- 
blättern sprechen und doch hat mir jede Querschnittserie deren vier ergeben, wenn sie auch nicht immer 
auf demselben Schnitt als vier getrennte Blättchen erschienen (in Fig. 8 sind zwei derselben bereits ver- 
einigt). Nur ältere Autoren, Duhamel 1755, Berg und Schmidt 1863, De Candolle im Prodromus 1874, 
Koch in seiner Dendrologie 1869 erwähnen drei bis mehrere Zähne der äußeren Hülle. 

Die Braktee steht so, daß ihre Mittellinie durch den Spalt zwischen den Karpiden verlauft, also recht- 
winklig zur Mediane der letzteren. Längsschnitte, welche durch die Mitte der Narben und Karpiden gehen, 
treffen die Braktee nicht (Taf. I, Fig. 5 und 7); wurde hingegen die Braktee durchschnitten, so konnte auf 
dem Bild nur eines der beiden Karpiden sichtbar werden (Taf. I, Fig. 10). Es scheint, daß manchmal eines 
der vier Vorblätter die Rolle der Braktee übernimmt oder die Braktee so hoch hinaufrückt, daß eines der 
vier Vorblätter ausfallen muß (Taf. I, Fig. 11). An ganz reifen Blüten sowie an Früchten ist sie nie mehr zu 
sehen, sie scheint zu vertrocknen und abzufallen. 

Gehen wir auf einer Querschnittserie in die Tiefe der Blüte, so sehen wir die Vorblätter zu einer 
ringförmigen Hülle vereint in einer Höhe, in der die Perianthblätter noch getrennt sind (Taf. I, Fig. 12). 


304 Sh Herzfeld, 


Bei ganz jungen Blüten, die kaum die erste Anlage eines Ovulums besitzen, kann man in Querschnitt- 
serien (Taf. I, Fig. 13 bis 20) am Grunde der beiden noch getrennten Karpiden zwischen ihren benachbarten 
Rändern je einen 7 bis 141 hohen Zapfen beobachten (Taf. I, Fig. 17); auf dem tieferen Schnitt, der die 
ingförmige, möglicherweise axile Basis der Karpiden zeigt (Taf. I, Fig. 19), ist die Anlage der Scheidewand 
zu sehen, welche die beiden einander gegenüberliegenden Zapfen verbindet und das Ovarium an der Basis 
halbiert. Es ist nicht unmöglich, daß diese Zapfen ein reduziertes zweites Karpidenpaar vorstellen. In der 
Mitte dieser Scheidewand, welche median zur Abstammungsachse verlauft, entsteht das Ovulum (Taf. I, 
Fig. 20). | 

An der Basis sowohl der Karpiden wie des Perianths und der Vorblätter beobachten wir eine Meristem- 
zone. Diese gibt nicht nur nach aufwärts Zellen ab und bewirkt so das Heranwachsen des Griffels sowie 
der Blütenhüllblätter; es scheinen auch eifrig Zellagen nach abwärts, an den Basalteil des Ovariums ab- 
gegeben zu werden, denn der Fruchtknoten wächst rasch ringförmig heran (ohne irgend eine Verwachsungs- 
stelle zu zeigen!) und hebt die auf ihm sitzenden Blütenhüllen empor, während das Ovulum und die Scheide- 
wand in der Tiefe der Höhlung bleiben. Der Ovarialraum bleibt in der Regel offen und durch die Mitte des 
Griffels mit der Außenwelt in Verbindung (Taf. I, Fig. 21), ein Verhalten, welches die Blüte fast gymnosperm 
erscheinen läßt; ab und zu findet man in älteren Blüten einen geschlossenen Ovarialraum — bei Juglans 
Sieboldiana Maxim. ist dies stets der Fall (Taf. VI, Fig. 149). 


Die erste kegelförmige Anlage des Ovulums umgibt sich mit einem Ringwall, dem inneren Integument 
(Taf. I, Fig. 22), das langsam heranwächst (Taf. I, Fig. 23) und sich schließlich, eine Mikropyle bildend, 
über dem Nucellus schließt (Taf. I, Fig. 24). Indessen begann tief unten am Ovulum ein zweiter Wall sich 
zu bilden (Taf. I, Fig. 25 und 23), der den Nucellus nicht ringförmig umgeben kann, weil die Scheidewand 
ihn daran hindert (Taf. I, Fig. 26). Er ist daher auf radialen Längsschnitten nur dann zu sehen, wenn sie 
in der Mediane der quer zur Abstammungsachse stehenden Karpiden und Narben geführt werden, da die 
rechtwinklig zu dieser Linie laufenden Schnitte durch die Scheidewand gehen. 


Dieser in zwei getrennten Blättern heranwachsende Wall wird von den meisten Autoren als funiku- 
lare Bildung bezeichnet; nur Karsten erklärt sie für ein äußeres Integument. 


Ich bin zur selben Auffassung gelangt, bevor mir Karsten’s Arbeit bekannt war, und freute mich der 
Übereinstimmung mit diesem Gelehrten. Dem sitzenden Ovulum fehlt ein Funikulus, wie kann daher eine 
»flügelartige Wucherung« desselben bestehen? Der Wall wird, wie jedes äußere Integument, später ange- 
legt wie das innere, wächst nach der Befruchtung rasch heran, indem sich die Zellen bei gleichzeitiger 
lebhafter Teilung in radialer Richtung strecken und den Ovarialraum derart vollständig ausfüllen, daß sie 
sich innig an die Fruchtknotenwand anschmiegen und einen zentrifugalen Druck auszuüben scheinen 
(Taf. 1, Fig. 24 und 27, Taf. VII, Fig. 155). Daß Nicoloff’s Beschreibung sowie. seine Zeichnungen ein 
solches Anschmiegen leugnen, dürfte auf Schrumpfung des Materials beim Fixieren zurückzuführen sein. 
Karsten spricht diesem äußeren Integument die Funktion zu, den Ovarialraum für die Kotyledonen der 
jungen Nuß vorzubereiten und auszuweiten; es zerfällt unmittelbar vor dem Heranwachsen der letzteren. 
Nach Nawaschin dringt außerdem der Pollenschlauch bei der Befruchtung durch dieses Gewebe, bevor 
er die Chalaza erreicht. 

Sehr spät, möglicherweise erst nach der Bestäubung, erfolgt die Anlage des Gametophyten, dessen 
Entwicklungsgeschichte Karsten und Nawaschin bearbeitet haben. Im Gegensatz zu Nicoloff, der 
Karsten’s Angabe über das Vorhandensein eines sporogenen Gewebes leugnet, glaube ich, ein solches 
gesehen zu haben (Taf. VII, Fig. 155). Vom Befruchtungsvorgang dünkt mir aus phylogenetischen 
Gründen Nawaschin’s Fund sehr wichtig, daß der zweikernige männliche Gamet sein Cytoplasma bis in 
den Embryosack mitnimmt — ein Vorgang, den er als »altes, von den Gymnospermenvorfahren stammendes 
Merkmal« bezeichnet. 


Bemerkenswert scheint mir ferner, daß Karsten in drei Fällen bei Juglans regia L. sowie stets bei 
Juglans nigra L. die beiden Polkerne zur Zeit der Befruchtung noch getrennt vorfand, so daß der zweite 


Studien über Juglandaceen und Julianiaceen. 305 


Spermakern sich mit nur einem Polkern vereinigen konnte; trotzdem wurde auch der zweite, unbefruchtete 
Polkern zur Teilung und Endospermbildung angeregt, was vielleicht auch als ursprüngliches Merkmal zu 
bezeichnen ist. 


An einer reifen Frucht, deren grüne Hülle in vier Teilen aufgesprungen war (Taf. V, Fig. 129), konnte 
festgestellt werden, daß der Griffel mit den Narben nur auf dem Holzteil der Schale sitzt; außen zogen in 
den Furchen des Holzes die vertrockneten, von der grünen Hülle bloßgelegten Gefäßbündel; es war daher 
— wie es auch Karsten angibt — nur der innerhalb der Gefäßbündel liegende Teil des Fruchtknotens 
verholzt; die grüne Hülle hatte sich deutlich in zwei parallel verlaufende Schichten gespalten, deren innere 
noch die Perianthzipfeln, deren äußere die Vorblätter trug. In der Holzschale sieht man apikal — am spitzen 
Ende — einen kurzen Spalt, der so lang ist wie die Dicke des Holzes (Taf. V, Fig. 130); er wird von den 
Rändern der beiden Karpiden gebildet. Die meridional verlaufende Linie, in der sich die Holzschale öffnet, 
liegt in der Mediane der Karpiden und Narben. Dieser Spalt ist schon im jugendlichen Fruchtknoten vor- 
gebildet. Bei schwacher Vergrößerung fallen auf Querschnitten stets zwei dunkler angefärbte gerade Linien 
auf (Taf. I, Fig. 26 und 31, Taf. VII, Fig. 156), welche radial von der Innenwand des Fruchtknotens bis zu 
dem innersten kräftigen Gefäßbündel ziehen, das später die Verholzung der Schale nach außen zu begrenzt. 
Diese gerade Linie erscheint bei stärkerer Vergrößerung (Taf. I, Fig. 28) aus vier bis sechs Reihen von 
Zellen gebildet, die viel reicher an Protoplasma, großkerniger und zartwandiger sind als ihre Umgebung 
und sich von dieser auch durch die große Regelmäßigkeit in der Anordnung unterscheiden. Diese Zellen 
strecken sich zwar später (Taf. I, Fig. 29), bleiben aber dünnwandig und behalten Kern wie Protoplasma 
zu einer Zeit, wo die ganze Nachbarschaft bereits verholzt ist und ihren Inhalt eingebüßt hat. Dieser Um- 
stand erklärt das Aufgesprengtwerden der Samenschalen durch den Keimling in der vorgebildeten meridio- 
nalen Linie. Daß diese Dehiszenzlinie nicht die Verwachsungsstelle der Karpiden ist, wie häufig angegeben 
wird, ergibt sich aus ihrer Lage. 


In dieser Spaltebene entsteht nach der Befruchtung in der untern Hälfte der Nuß eine zweite ver- 
holzende Scheidewand (Taf. V, Fig. 130), die rechtwinklig steht zur ursprünglich angelegten, durch fast die 
ganze Frucht verlaufenden Haupttrennungswand, welche das äußere Integument halbiert. In der primären 
Scheidewand verlaufen die zum Ovulum führenden Bündel (Karsten verlegt sie irrtümlicherweise in die 
jüngere Wand). Die sekundäre Scheidewand halbiert die heranwachsenden Kotyledonen in ihrer unteren 
Hälfte. 


b) Anatomisches. 


Sehr lehrreich für die Morphologie der Blüte ist der Gefäßbündelverlauf (Taf. II, Fig. 37 bis 44 inkl.); 
wir sehen vollkommen getrennt zu äußerst die Bündel in die Vorblatthülle, zunächst in die Perianthblätter, 
zu innerst in den Fruchtknoten ziehen. (Benson und Welsford lassen die Bündel von Perianth und Vor- 
blättern vereint verlaufen.) Vom Fruchtknoten-Gefäßbündelkreis zweigt je ein mächtiger Strang in die 
Scheidewand zwischen den Hälften des äußern Integuments und verlauft in einem nach auswärts gekrümmten 
Bogen empor, erreicht nicht ganz die Höhe des Nucellusscheitels, biegt dann in derselben Ebene nach 
abwärts, indem es sich in mehrere Bündel teilt, um — immer noch in der Scheidewand streichend — 
unterhalb des Ovulums abermals umzubiegen und aufsteigend in das innere Integument zu gelangen; er 
hat indessen seinen Xylemteil ganz verloren und besteht nur aus sehr engen, langgestreckten, prosenchy- 
matischen Zellen, die offenbar Assimilate führen. Sowie das innere Integument erreicht ist, vereinigen sich 
die Bündel zu einem Ring, der sich sehr rasch in zahllose kleine Stränge auflöst, welche aufwärts führen, 
aber nicht die Höhe erreichen, zu welcher die Gefäße in der Scheidewand geführt hatten (Taf. II, Fig. 37). 


Die Hauptgefäßbündel besitzen Holzparenchym. Die Blüten sind sehr reich an Harz, das sie in großen 
Zellen, nicht aber in Gängen führen. (Solereder bezeichnet die Juglandaceen als eine Familie, der alle 


inneren Sekretzellen fehlen!). Äußerst mannigfaltig sind die Haare und Drüsen gestaltet, welche die Blüten 
bedecken. 


306 St. Herzfeld, 


Wir sehen: 

. lange, einzellige, zugespitzte Haare (Taf. II, Fig. 45); 

. einzellige Büschelhaare (Taf. Il, Fig. 46); 

. mehrzellige Haare (Taf. II, Fig. 47 und 48); 

. Drüsenhaare, welche einen kleinen, einzelligen Kopf auf einem kurzen Stiel tragen (Taf. II, Fig 49); 


aAwmıw m 


. Drüsenhaare mit größerem, durch Vertikalwände geteilten Kopf auf kurzem Stiel (Taf. II, Fig. 50); 
. Drüsenhaare mit ebensolchem Kopf auf langem Stiel (Taf. Il, Fig. 51); 


op) 


. Drüsenhaare mit kurzem Stiel, deren Kopf vertikale und horizontale Wände besitzt (Taf. II, Fig. 52). 
endlich 8. Schilddrüsen auf kurzem Stiel (Taf. Il, Fig. 54 zeigt sie von außen, Fig. 53 im radialen 
Längsschnitt). | 

Auffallend ist die Stellung des Protoplasmas in der Mitte der Stielzellen. (Solereder zählt nur 1., 
2,5. und 8. als Trichomformen auf.) 

Sehr interessant sind die Spaltöffnungen gebaut, von denen häufig zwei eine gemeinsame Atemhöhle 
besitzen (Taf. III, Fig. 62). Sie sind erhaben gebaut, ähnlich wie die von Cucurbita Pepo. Je fünf bis sieben 
kreisförmig angeordnete Zellen (Taf. III, Fig. 63) erheben sich in Reihen, deren Zahl 1 bis 7 beträgt, über- 
einander zu einem von den Schließzellen abgeschlossenen Kamin (Taf. III, Fig. 64, 65, 66 und 67). 
(Solereder zählt die Juglandaceen zu den Ordnungen, welche Spaltöffnungen ohne Nebenzellen haben; 
allerdings sind bisher die Spaltöffnungen an den Blüten nicht untersucht worden.) An den Schließzellen 
selbst beobachtet man alle Übergänge, von kräftigster Entwicklung der Vor- und Hinterhofleisten bis zu 
deren Verkümmerung. 

Haberlandt meint, daß sich kaum ein plausibler Grund für das Vorhandensein erhöhter Spalt- 
öffnungen an behaarten Pflanzenteilen angeben lasse. Ich glaube aber, einen solchen gefunden zu haben; 
es mag wohl das Bedürfnis entstanden sein, die durch das dichte Haarkleid gehinderte Verdunstung durch 


Erheben der Spaltöffnungen zu fördern. Gleichzeitig sehen wir, daß häufig mit Hilfe eines Pfropfes, der die 


Stomata verschließt, die Wasserabgabe reguliert wird, sicher ein xerophiles Verhalten. 


Juglans Sıeboldiana Maxım., weibliche Blüte. 


Die 12 bis 14 cm langen Kätzchen besitzen an ihrer Basis zwei gegenständige Sproßvorblätter wie 
Juglans vegia. Die zahlreichen Blüten mit ihren stark rotgefärbten Narben unterscheiden sich nur in 
geringem Maß von denen der Walnuß. Auffallend ist die fast regelmäßige dichotome Spaltung der beiden 
Griffel, so daß wir vier Narbenschenkel sehen (was zuweilen auch bei Juglans regia der Fall ist), das 
tiefere Sitzen der Braktee (Taf. I, Fig. 30), welche auch noch bei älteren Blüten erhalten bleibt und sich 
unterhalb ihrer Insertion noch lange als blattstielartige Erhöhung abwärts verfolgen läßt (Taf. I, Fig. 31), 
der Verschluß der Ovarialhöhle (Taf. VII, Fig. 149), endlich die Vorblatthülle, welche die Blüte viel lockerer 
einschließt als es bei Juglans regia der Fall ist (Taf. I, Fig. 36), und welche meist drei größere, mehrfach 
gezähnte Zipfel besitzt (Fig. 32, 33, 34 und 35). 

War schon bei Juglans regia L. das Vorhandensein von vier Vorblättern bei nur einer Blüte nicht zu 
deuten, so bereiten uns die drei Vorblattzipfel und die lockere Hülle hier noch mehr Schwierigkeiten. Diese 
lassen sich hinwegräumen, wenn wir zum Vergleich die Blüten der Julianiaceen heranziehen. 


Julianıa adstringens Schl., weibliche Blüte. 
Morphologie und Deutung. 


Die in Mexiko in nur beschränkter Zahl lebenden Julianiaceen, diöcische Bäume oder Sträucher, 
sind im Habitus den Eichen und Nußbäumen außerordentlich ähnlich, besitzen wie letztere wechsel- 
ständige, nebenblattlose, unpaarig gefiederte Blätter und überraschen bei genauer Untersuchung durch die 
Übereinstimmung der Blüten sowohl in morphologischer als anatomischer Hinsicht. 


Studien über Juglandaceen und Julianiaceen. 307 


Am Ende der Zweige sitzen die Blütenstände, welche dicht behaart sind, die Farbe der haarigen 
Blattstiele besitzen und als zusammengesetzte Infloreszenzen bezeichnet werden müssen, da jede 
scheinbare Blüte selbst ein Blütenstand ist. Jede solche einfache Infloreszenz sitzt in der Achsel einer 
behaarten Braktee (Tafel V, Fig 128), hat eine lange flachgedrückte Achse, die sich unterhalb der Blüten 
wie bei Juglans etwas einzieht. Oberhalb dieser Verschmälerung des Stieles sehen wir eine kugelig 
erweiterte Hülle, von Hemsley Involucrum genannt, welche mehrere, in einer Ebene flach nebeneinander 
stehende Blüten umschließt; dadurch erhält die Infloreszenz zwei verschieden lange Querachsen. Ortho- 
pterygium Huancui Hemsl. besitzt drei Blüten, Juliania vier (ich habe eine junge Frucht mit sechs Blüten 
beobachtet, Taf. VII, Fig. 157). Die Hülle besitzt mehrere Zipfel; Hemsley gibt als häufigste Zahl deren 
fünf an, ich fand mehrmals drei wie bei Juglans Sieboldiana Maxim. 

Aus dem Involucrum ragen die behaarten Griffel der Blüten heraus, jedoch meist nur die beiden 
mittleren, da die äußersten Blüten häufig verkümmern. Von jeder Blüte steigt ein Stylus auf, der sich 
spaltet; Hemsley erklärt ihn für dreiteilig, doch sind häufig zwei der Äste noch längere Zeit miteinander 
verbunden (Taf. Ill, Fig. 68). Eine nicht zu verkennende dreieckige Anordnung der Gewebe des Griffels 
gestattet vielleicht einen Rückschluß auf die Zusammensetzung des Fruchtknotens aus drei Karpiden 
(Taf. VII, Fig. 160); doch läßt sich in den Querschnittserien durch das Ovarium nirgends eine Ver- 
wachsungsstelle der Karpiden erkennen, ebensowenig wie bei Juglans. Nur die ersten Stadien der Blüten- 
entwicklung, die mir nicht zu Gebote standen, könnten über diese Frage sicheren Aufschluß gewähren. 
Weder Hemsley noch Fritsch haben die erste Anlage der Karpiden gesehen. 

Ein Längsschnitt durch die Infloreszenz (Taf. VII, Fig. 161) zeigt drei Blüten getroffen; eine vierte 
ist erst auf den nächsten Schnitten der Serie rechts sichtbar. Von den tief in die Achse eingesenkten 
Blüten sind die äußersten seitlich mit dem Involucrum verwachsen. Ein Querschnitt (Taf. VI, Fig. 150) 
belehrt uns darüber, daß in der kürzeren der beiden Querachsen sämtliche Blüten mit der äußeren Hülle 
verwachsen, jedoch untereinander frei sind. Ein ähnliches Bild zeigt ein Querschnitt durch eine Blüte 
von Juglans Sieboldiana Maxim., wo die äußere Hülle stellenweise frei ist (Taf. VI, Fig. 149). 

Hemsley erklärt die Blüten für nackt, also ohne Perigon, nur aus einem Fruchtknoten bestehend. 
Ich bin zur Auffassung gelangt, daß eine mit der Ovarialwand innig verwachsene Perianthhülle existiert. 
Am Längsschnitt (Taf. VII, Fig. 159) sehen wir links eine Vorwölbung am Involucrum, welche ich für eines 
der Perianthblätter halte, die aus Raummangel außen mit dem Involucrum verwachsen sind. An der Quer- 
schnittserie sehen wir neben zwei Blüten, die an der kürzeren Querachse mit der Infloreszenz zusammen- 
hängen, eine dritte Blüte, deren Griffel durchquert ist (Taf. VI, Fig. 150). In dieser Höhe ist er noch 
ringsum frei; doch beachte man die Vorwölbungen am Involucrum, die ich für reduzierte Perianthblätter 
dieser dritten Blüte halte. Auf dem nächsten Bild (Taf. VI, Fig. 151) sehen wir, daß sich eines derselben 
mit dem Griffel bereits vereinigt hat; tiefer unten (Taf. VI, Fig. 152) wird diese Umwallung inniger und von 
der Gegenseite kommen zwei Blättchen entgegen; auf dem nächsten Bild (Taf. VI, Fig. 153) sehen wir auch 
diese Vereinigung vollzogen. In meiner Vermutung, daß wir an jeder Blüte eine Verwachsung von Ovarium 
und Perianth zu sehen haben, wurde ich durch den Umstand bestärkt, daß die reifen Fruchtschalen sich 
in zwei parallele Schichten spalten, deren innere zum Griffel gehört, also Fruchtknoten ist, während die 
äußere Schichte gewiß dem Perianth entspricht, wie dies bei der Frucht von Juglans der Fall ist (Tafel V, 
Fig. 129). 

Die Ovarialhöhle ist wie bei Juglans häufig offen (Taf. II, Fig. 58, Taf. VI, Fig. 153, Taf. VII, Fig. 158). 

Der Fruchtknoten ist einfächerig und zeigt keine Verwachsungsstelle der Karpiden, auch keine Dehis- 
zenzlinie, da die Samen die Schalen nicht zersprengen. Er enthält ein Ovulum von sehr interessantem Bau. 

Es ist oft schief im Ovarium gelagert, daher die Schnitte die verschiedensten Bilder liefern. Es sitzt 
meist zentral, manchmal ein wenig an der Wand des Fruchtknotens hinaufgerückt. An herauspräparierten 
Samenanlagen sehen wir (Taf. III, Fig. 69), daß ein Funiculus von wechselnder Länge das Ovulum trägt, 
welches sich dann halbkreisförmig dreht und seinen Nucellus samt dem inneren Integument halb in ein 
vom Funiculus ausgehendes Gewebe eingräbt, von dem es einseitig umhüllt wird. Dieses Gewebe, welches 


308 S0 Hienzfeld, 


Hemsley für einen Appendix des Funiculus hält, möchte ich für ein einseitig entwickeltes äußeres Inte- 
gument ansprechen. Ich sah bei einer Juglans Sieboldiana Maxim. ein solches einseitig entwickeltes 
Integument (Taf. I, Fig, 31); denken wir uns das von unten aufsteigende Ovulum um 90° gedreht, so hätte 
der Querschnitt den Nucellus längs getroffen und ein ähnliches Bild wäre entstanden, wie es bei Jnliania 
zu sehen ist. Auch bei Juliania sehen wir wie bei Juglans Gefäße nur ins innere Integument verlaufen 
(Taf. II, Fig. 70, 71, 72). 

Die hartschaligen Einzelfrüchte werden durch den Zerfall der gemeinsamen Hülle frei. 


Vergleichende Anatomie der weiblichen Blüten von Juglans und Julianıa. 


Fritsch betont in seiner Arbeit die anatomischen Verschiedenheiten zwischen Juglans und Juliania. 
Ich glaube aber zeigen zu können, daß diese gegenüber den morphologischen und anatomischen Ähnlich- 
keiten keine große Wichtigkeit besitzen. 

Haare, Drüsen (Tat. II, Fig. 55, 56, 57, 61) und Spaltöffnungen (Taf. III, Fig. 73) sind identisch gebaut; 
nur Schilddrüsen fehlen der Juliania. Holzparenchym besitzt sowie Juglans auch das primäre Holz von 
Juliania (Taf. Il, Fig. 59), das bei phylogenetischen Fragen von größerer Bedeutung ist als das sekundäre, 
in welchem nach Fritsch das Holzparenchym fast ganz fehlt; ebenso spielt das Fehlen der Spiralver- 
dickungen im sekundären Holz keine Rolle gegenüber dem Vorhandensein desselben im primären (Taf. II, 
Fig. 59); Juglans besitzt zwar nicht treppenförmige Tüpfel an Gefäßen so wie Juliania, wohl aber hat 
deren die nah verwandte Engelhardtia; die unregelmäßige Anordnung der Gefäße, die oft isoliert oder zu 
zwei bis drei stehen, ist beiden verglichenen Gattungen gemeinschaftlich; Krystalle sind so wie in der 
Juliania-Blüte auch in jener von Juglans, in größter Menge bei Carya vorhanden; der einzige wesentliche 
anatomische Unterschied liegt im gänzlichen Fehlen von Harzkanälen bei Juglans gegenüber dem Überfluß 
an solchen bei Juliania; aber auch Juglans besitzt einen enormen Reichtum an Harz, das in zahlreichen 
Drüsen und in großen Zellen statt in Schläuchen entsteht — ist diese Differenz groß genug, zwei in jeder 
anderen Hinsicht ähnliche Gattungen zu trennen? Müßte man nach diesem Gesichtspunkt nicht sowohl 
Juliania adstringens Schl. als auch Orthopteryginm Huaucni Hemsl., denen Harzkanäle im Mark fehlen, 
von den übrigen Julianiaceen abgliedern, die solche im Mark besitzen? 

Ich halte mich aus morphologischen und anatomischen Gründen für berechtigt, Juliania zur Deutung 
der Juglans-Blüte heranzuziehen. 


Deutung der weiblichen Blüte von Juglans. 


Ich sehe in der Juglans-Blüte eine durch Reduktion aus der Juliania-Teilinfloreszenz entstandene 
verarmte Infloreszenz. Möglicherweise hatten die Vorfahren der Juliania, welche heute ihre Blüten in die 
verbreiterte Achse der Teilinfloreszenz hineinzwängt, in vergangenen Zeiten nicht gestauchte Blütenstände; 
vielleicht waren es einst cymöse Infloreszenzen, jedes Blütchen mit zwei Vorblättern versehen. Bei der 
Stauchung könnten sich diese zum Involucrum vereinigt haben. Bei Juglans ist wohl die Blütenzahl durch 
Reduktion innerhalb des Involucrums auf eins reduziert worden. So wird die auf andere Weise unerklär- 
liche Vierzahl der Vorblätter von Juglans regia L. begreiflich, ebenso die Drei- oder Mehrzahl der Vor- 
blätter von Juglans Sieboldiana Maxim. sowie die Involucrumsähnlichkeit von deren Vorblätter; die 
Infloreszenzbraktee von Juliania ist zu homologisieren mit der Braktee der Juglans-Blüte, die mehr oder 
minder auf die Achse hinaufgerückt ist. 


Juglans, Teratologısches. 


Selbstverständlich würde die Annahme, daß die Juglans-Blüte als verarmte Infloreszenz aufzufassen 
sei, durch das Auffinden mehrerer Blüten in gemeinsamem Involucrum wesentlich unterstützt werden. 


Studien über Juglandaceen und Iulianiaceen. 309 


Prüfen wir nun die verschiedenen bekannten Anomalien dieser Art. Karsten erzählt, er habe in einer 
Blüte von Juglans cordiformis Maxim. einen Fruchtknoten gesehen, der einfächerig war und zwei wohl 
ausgebildete Nucellen mit je einem normalen Embryosack besaß. Dies scheint mir wenig b&weisend für 
die Infloreszenztheorie. 

Besser verwendbar sind die Doppelnüsse. Kronfeld beschreibt in seiner verdienstvollen Juglans- 
arbeit die häufig im Handel vorkommenden, einseitig abgeplatteten Nüsse, die er Kuchennüsse benennt 
und welche offenbar zu zweit, die Abplattungsstelle einander zugewendet, in gemeinsamer Hülle saßen. 
Einem solchen Typus im Jugendstadium entspricht eine von mir beobachtete Anomalie, die äußerlich den 
Eindruck zweier oberflächlich verwachsener Blüten machte (Taf. V, Fig. 131). Der Querschnitt (Taf. II, 
Fig. 74) zeigte zwei getrennte Stempel mit je einem befruchteten Ovulum in gemeinsamer grüner Hülle; 
die innern Blütenhüllen um die zwei Fruchtknoten waren infolge von Raummangel seitlich verwachsen, 
die Vorblatthülle bildete das gemeinsame Involuerum. Hiebei ist es für die Frage gleichgültig, ob letzteres 
wie. bei einer Juliania die beiden Blüten lose umgab oder ob es gewohnheitsmäßig wie bei Juglans 
regia L. auch die getrennt herausragenden Teile der zwei Blüten innig umwuchs. 

Hieher sind auch jene Doppelnüsse zu zählen, die „The Gardeners Chronicle“ 1876, II. Bd., p. 561 
mit Bezugnahme auf den „Almanach du Jardinier“ 1875 beschreibt und abbildet (Taf. III, Fig. 75); hier 
wird von zwei Nußbäumen — deren einer dem Aussehen nach hybrid ist — berichtet, die alljährlich nur 
solche Doppelnüsse trugen, welche seitlich mit ihren Holzschalen ein wenig verwachsen waren. Der 
Almanach hält es für möglich, eine Varietät mit solchen Nüssen zu ziehen. (Kronfeld glaubt, es gäbe 
bereits eine solche und hält irrtümlich die in Decandolle’s Prodromus „Juglans bifera“ Nouv. Duh. 
genannte Varietät für eine Art mit Doppelnüssen; Duhamel, von dem diese Varietät ursprünglich als 
„Nux bifera“ beschrieben ist, erklärt die Abart als „Noyer, qui donne ses fruits deux fois l’annee“). 

Hieher gehört auch die Doppelfrucht Taf. 5, Fig. 126; die Nuß, welche derrechten Blüte entstammt, 
ist herausgenommen; die Trennungswand zwischen beiden, welche ordnungsgemäß von d nach 5 laufen 
sollte — diese beiden Stellen zeigen tiefe Furchen — setzt zwar in d, aber etwas rechts von 5b, in ean. In 
der Mitte dieser Trennungswand sollte der zweite Schalenspalt sowohl für den linken Kern, gegenüber 
von a, als auch für den rechten hier fehlenden Kern, gegenüber von c, verlaufen. Die beiden Schalenstücke, 
welche der linken Frucht zugehören, 1 und 4, beginnen in a und enden in der Mifte der Trennungswand d e, 
die Hauptscheidewand geht vom Schalenstück 1 zur Schale 4, ist ein wenig verschoben, sonst aber ganz 
normal, wie es auch der Kern ist. In der zweiten Frucht verlauft die Scheidewand unregelmäßig, auch der 
Kern war nicht wohl ausgebildet. Wir können auch hier von gemeinsamem Involucrum sprechen und eine 
Rückschlagserscheinung zum Julianiatypus annehmen. 


Männliche Blüten. 


a) Juglans. 

Die männlichen Blüten von Juglans stehen in dichten, hängenden Kätzchen. Jede Blüte zeigt eine 
Schwach dreilappige Braktee, die mit der Achse in Rekauleszenz hoch hinauf verwachsen ist, und eine 
außen haarige, meist sechsblättrige Blütenhülle, die aber auch ein oder zwei Blätter reduzieren kann; sie 
hat bei Juglans regia L. (Taf. V, Fig. 132) und Sieboldiania Maxim. eine längliche (Taf. III, Fig. 76), bei 
Juglans nigra L. eine fast kreisförmige Gestalt (Taf. V, Fig. 133). In der Seiten- und Rückenlage der Blüte 
sehen wir bei Juglans Sieboldiana Maxim. wenig deutlich, daß drei Blätter tiefer inseriert sind, also viel- 
leicht zwei Wirtel vorhanden sind; bei Juglans regia L. und nigra L. stehen sie in einem sechsblättrigen 
Wirtel. Das Diagramm macht die Stellungsverhältnisse klar (Textfig. p. 16 [316]). Die Zahl der Antheren, 
die stets vor den Perianthblättern stehen, schwankt; bei Juglans Sieboldiana Maxim. (Fig. 76 und 77) 
habe ich am häufigsten deren 13 gesehen, die — in zwei Kreisen angeordnet — eine der Trimerie der 
männlichen Blüte entsprechende Stellung einnahmen: vor den vier breiteren Perigonblättern war eine Ver- 


doppelung der Staubblätter eingetreten, was dem Bedürfnis des Windblütlers nach großer Pollenmenge 
Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC. Bd. 44 


310 St. Herzfeld, 


entspricht. Bei Juglans regia L. sind häufig 15 Antheren in zwei Kreisen zu sehen, indem vor jedem 
Perianthblatt zwei Staubblätter, also zwölf im äußeren Wirtel stehen, während drei im inneren angeordnet 
sind (Textfig. p. 16 [316]). Das kurze Filament entwickelt stets ein über die Pollensäcke hinausragendes 
Konnektiv und ist häufig selbst blattartig verbreitert mit deutlichen Zähnen am Rand (Fig. 79). 


b) Juliania. 


Die Blüten bilden mehrfach zusammengesetzte, lockere Kätzchen mit langen dünnen Stielen. Die 
Teilinfloreszenzen besitzen ein Tragblatt, den Einzelblüten fehlt ein solches. Letztere haben 3 bis 5 mm 
Durchmesser, sind gelblich-grün, außen haarig und von einem vier- bis neunteiligen, schmalblättrigen, 
regelmäßigen Perianth umgeben (Fig. 80). Hemsley findet die Stamina in der Zahl mit den Perianth- 
blättern übereinstimmend und mit diesen abwechselnd inseriert; nach meinen Beobachtungen sind sie, 
wenn die Zahlenverhältnisse übereinstimmen, vor den Perianthblättern eingefügt wie bei Juglans; häufig 
aber sind sie in größerer Anzahl vorhanden. 

Eichler bezeichnet bei Juglans zwei der Blütenhüllblätter als Vorblätter, eine Deutung, die allgemein 
akzeptiert wurde, auch von Nicoloff. Diese Auffassung erschien mir als anfechtbar durch den Umstand, 
daß die Stamina vor sämtlichen Blütenhüllblättern auf gleiche Weise inseriert waren; mir schienen letztere 
bei Juglans sowie bei Juliania in morphologischer Hinsicht gleichwertig. Volle Sicherheit brachte mir 
aber erst die Untersuchung der sehr ähnlichen Pferocarya-Blüten und ihrer Übergangsformen von den 
weiblichen zu Zwitterblüten sowie von diesen zu normalen männlichen Blüten, die ich an androgynen 


Kätzchen beobachten konnte. 


Pterocarya fraxınıfolia Kunth. 
a) Weibliche Blüten. 


Ein sehr schönes Exemplar von Pterocarya fraxinifolia Kunth im Botanischen Garten lieferte mir 
reichliches Material, sowohl rein männliche und rein weibliche als auch sehr interessante androgyne 
Kätzchen. 

Die langen, hängenden, weiblichen Kätzchen tragen zahlreiche Blüten mit auffallend rot gefärbten 
Narben. Jede der schwach zygomorphen Blüten (Taf. V, Fig. 135) besitzt eine der Achse opponierte 
Braktee, zwei seitlich stehende, mit dem Perigon nicht verwachsene Vorblätter und ein vierteiliges Perianth 
mit ungleich langen Zipfeln, das höher als bis zur Hälfte hinauf mit dem Fruchtknoten verwachsen ist. 
Querschnitte zeigen (Taf. II, Fig. 93, 94, 95, 96, 97), daß die Perianthzipfeln mit den Rändern voneinander 
und vom _Ovarium schon in einer Höhe getrennt sind, da sie median noch mit letzterem zusammenhängen. 
Von den zwei median stehenden Griffeln ist jener, welcher der Rhachis abgewendet ist, der längere. 
Der Ovarialraum ist meist geschlossen; die Zahl der Karpiden dürfte wohl der Griffelzahl entsprechen. 
Auch hier sieht man im Fruchtknoten keinerlei Verwachsungsstelle der Karpiden. Eine Dehiszenz- 
linie ist angedeutet, doch sprengt der Samen die Schale nicht. Das Ovulum liefert in Längs- und Quer- 
schnitten (Taf. III, Fig. 90, 91) dieselben Bilder wie Juglans, da es ein ebensolches inneres und äußeres 
Integument besitzt, welch letzteres durch eine transversal zur Abstammungsachse verlaufende Scheide- 
wand halbiert wird (Taf. III, Fig. 97). Die Narben sitzen wie bei Juglans carinal, d.h. in der Mitte der 
Karpiden, aber vermöge der medianen Stellung der letzteren ebenfalls median, während sie bei Juglans 


quer stehen. 


b) Übergangsformen, zwittrige und männliche Blüten. 
Sehr häufig findet man Kätzchen, welche den Übergang von weiblichen zu zwittrigen und von diesen 
zu männlichen Blüten zeigen. Wir wollen ein solches untersuchen, und zwar von der Basis der Infloreszenz 


ausgehend, die Stempelblüten trug. 


Studien über Juglandaceen und Julianiaceen. all 


Oberhalb der normalen weiblichen Blüten konnte an denselben eine allmähliche tiefere Spaltung des 
Perigons und gleichzeitige Loslösung desselben vom Fruchtknoten beobachtet werden (Taf. V, Fig. 136, 
137). Die Vorblätter verkleinerten sich und vereinigten sich seitlich mit der Braktee, um schließlich als 
zwei seitliche Zipfel derselben zu erscheinen (Fig. 140, 141). Sowie der Fruchtknoten vom Perianth frei 
geworden, entstand die erste Zwitterblüte (Fig. 138, 142); abwechselnd mit den Perigonblättern traten vier 
Antheren auf, die ein lang geschwänztes Konnektiv besaßen (Fig. 139). Nun begann eine Vermehrung der 
Staubblätter; zuerst wurde eines der vier Perigonblätter durch ein Staubblatt ersetzt, so daß drei Perianth- 
teile und fünf Antheren vorhanden waren. Als wenn dies ein fälschlich eingeschlagener Weg zur Ver- 
mehrung der Staubblätter gewesen wäre, sehen wir in den nächsthöheren Blüten wieder vier Perianth- 
blätter, aber einen zweiten Staminalkreis abwechselnd zum früheren inseriert (Fig. 143). Nun wird die Blüte 
allmählich aus einer Zwitterblüte zu einer männlichen; der Stempel in der Mitte beginnt zu verkümmern und 
alle denkbaren Übergangs-, Durchwachsungs- und Verwachsungsstadien mit einem Staminum zu zeigen 
(Fig. 145, 146, 147), bis er schließlich durch ein normales, aber sonderbarerweise zentralständiges Staub- 
blatt vertreten ist. 

Bisher war immer noch die Zahl der Perigonblätter wie bei der weiblichen Blüte vier geblieben, aber 
die mit der Braktee verwachsenen Vorblätter waren stetig reduziert worden (Fig. 143), schließlich nur 
mehr als eine leichte Schwellung zu beiden Seiten des Tragblattes (Fig. 147) und endlich überhaupt nicht 
mehr zu erkennen (Fig. 148). 

Jetzt verliert die Blüte ihre Regelmäßigkeit (Fig. 148), die Achse verlängert sich, indem sie die 
Braktee emporhebt, es entstehen noch zwei Perianthblätter durch Umwandlung von zwei Antheren, die 
Stamina im Innern vermehren sich — und die normale zygomorphe, männliche Blüte der Pferocarya ist 
ausgebildet (Taf. III, Fig. 92); sie ist der von Juglans Sieboldiana sehr ähnlich, kann wie diese auch die 
Perianthblattzahl reduzieren (Textfig. p. 16[316]). t 


Deutung der männlichen Blüte von Juglans, Julianıa und Pterocarya. 


Bei der Umwandlung der Pferocarya-Stempelblüte in die Staubblüte beobachteten wir die allmähliche 
Reduktion der Vorblätter bis zu ihrem gänzlichen Verschwinden; der männlichen Pferocarya-Blüte fehlen 
also die Vorblätter. Ich bin der Auffassung, daß auch die analog gebauten männlichen Blüten von Juglans 
und Juliania keine Vorblätter besitzen und ihre Blütenhüllblätter sämtlich als Perianthblätter bezeichnet 
werden müssen. Die Juliania-Blüte, welche in einem zusammengesetzten Blütenstand sitzt, hat nur an 
den Teilinfloreszenzen Tragblätter; sowie wir die weibliche Juglans-Blüte als eine verarmte Juliania- 
Teilinfloreszenz auffaßten, so können wir uns denken, daß auch die männlichen Blüten von Juglans und 
Pterocarya auf dem Wege der Ableitung von julianiaähnlichen Vorfahren den Blütenstand vereinfachten, 
so daß wir die Braktee der Teilinfloreszenz von Juliania mit dem Tragblatt der Einzelblüte von Juglans 
und Pterocarya homologisieren können, wie wir es auch bei den weiblichen Blüten getan haben. 


Engelhardtıa spicata Blume. 


Leider stand mir nur spärliches Herbarmaterial in schon vorgeschrittenem Stadium zur Verfügung, 
das dem Schneideverfahren bedeutenden Widerstand entgegensetzte. 

Die Blüten beiderlei Geschlechts stehen in langen, hängenden Kätzchen. 

Die weibliche Blüte besitzt eine doppelte Blütenhülle; die äußere besteht aus einer sehr langen, der 
Achse opponierten Braktee, die mit zwei größeren und einem kurzen mehrzipfligen Vorblatt zu einem 
lockeren Involucrum vereinigt ist (Taf. IV, Fig. 113). Das Perianth ist nicht nur mit dem Fruchtknoten 
sondern auch mit dem langen Griffel bis zu dessen Hälfte verwachsen. (Fig. 112) und spaltet sich dann in 
vier Zipfel. Der Griffel teilt sich in zwei transversal zur Achse stehende Äste, welche je zwei Narben 
tragen. Die Ovarialhöhle ist offen und besitzt am Grunde eine median gestellte Scheidewand, so daß sich die 


312 Shukler field, 


Fruchtblätter als transversal gestellt erweisen (Taf. III, Fig. 89, 105). Die Narben sitzen carinal, daher ent- 
sprechend der Karpidenstellung quer zur Achse. Inmitten der Scheidewand sitzt das orthotrope Ovulum 
mit zwei Integumenten, von denen das äußere in mehreren getrennten Lappen emporwächst, welche an 
ihrer Außenseite und ihrem oberen Ende mit der Fruchtknotenwand verwachsen (Taf. III, Fig. 88). Letztere 
selbst zeigt keine Verwachsungsstellen der Karpiden. 


Die männliche Blüte besitzt eine mit zwei Vorblättern verwachsene kurze Braktee (Taf. IV, Fig. 111), 
die sich manchmal analog jener der Fruchtblüten sehr verlängert (Taf. IV, Fig. 110). Die Perianthblätter 
sind auf drei reduziert, eines sitzt median, je eines lateral (Tafel II, Fig. 104); meist konnte ich fünf 
Antheren beobachten, von denen eine vor dem mittleren, je zwei vor den seitlichen Perianthblättern saßen. 


Bei Zwitterblüten, die ich sah, hatte sich der Fruchtknoten vom Perianth losgelöst unter gleich- 
zeitiger Trennung der vier Perigonblätter, so daß sich die Antheren zwischen das Pistill und die Blüten- 
hüllblätter — und zwar vor dieselben — einschieben konnten. Der Pollen schien normal. 


CGarvaalbaNnwer 


Während Engelhardtia in den Blüten beiderlei Geschlechts sowohl Perianth wie Vorblätter besitzt, 
zeigt Juglans, Juliania und Pierocarya eine Reduktion zuerst in der männlichen Blütenhülle, die nur 
einen Kreis aufweist, indem sie vorblattlos geworden ist. 


Bei Carya sehen wir diese Vereinfachung auch auf die weibliche Blüte sich erstrecken. Sie steht in 
einer verarmten, aufrechten Infloreszenz von juglansähnlichem Charakter, ist außen stark behaart und 
mit eigenartigen Drüsen bedeckt. Diese sind eine interessante Kombination von Schilddrüsen mit Büschel- 
haaren (Taf. I, Fig. 60), welche an der unteren der beiden Stielzellen im Kreise inseriert sind. Die Sekret- 
bildung findet unterhalb der Kutikula statt, bewirkt deren kugelige Auftreibung und ihr Einsinken nach der 
Entleerung des Sekrets. i 


Die unscheinbare, einfache, grünliche Hülle (Taf. IV, Fig. 114, 115) ist in vier ungleiche Zipfel 
gespalten, deren größter der Achse opponiert, tiefer inseriert ist als die anderen und als Braktee bezeichnet 
werden kann. Querschnitte zeigen (Taf. II, Fig. 101, 102), daß die drei Blütenhüllblätter einem einzigen 
Kreise angehören; vermutlich ist das vierte Blatt, welches oberhalb der Braktee sitzen sollte, ausgefallen. 
Da wir bisher beim Wegtallen eines Hüllkreises gesehen haben, daß es die Vorblätter waren, welche ver- 
schwanden, sehe ich keinen Grund, bei Carıra etwas anderes anzunehmen. 


Die zweiteilige Narbe ist mächtig entwickelt und: median gestellt. Das Ovulum ist orthotrop 
(Taf. III, Fig. 100), sitzt aufrecht inmitten einer median verlaufenden Scheideward und hat wie die 
schon besprochenen Arten auch ein äußeres Integument, das erst nach der Befruchtung in mehreren 
Lappen heranwächst; diese sind mit der inneren Ovarialwand seitlich und — nach Karsten’s Angabe — 
auch oben verwachsen; letzteres konnte ich nicht beobachten. Die Querschnitte ergeben mit jenen von 
Engelhardtia große Ähnlichkeit. Die Scheidewand sitzt wie bei allen Juglandaceen zwischen den Kar- 
piden an ihren Vereinigungsstellen. Da die Narben ebenfalls median situiert sind, muß man sie als 
kommissural (Taf. III, Fig. 108) bezeichnen. Die Fruchtknotenwand zeigt in der Jugend keine Dehiszenz- 
linie, doch sprengt der Keimling die Schale. 


Die männlichen Blüten bilden lockere, hängende Kätzchen; jede Blüte (Taf. IV, Fig. 116) weist eine 
Braktee und zwei seitliche Blütenhüllblätter auf, vor denen je ein Staubblatt inseriert ist, während ein 
drittes und viertes Staminum ohne jede Hülle an der Achse steht; manchmal sind die Antheren auch zu 
je zwei vor den Blütenhüllblättern eingefügt, ein fünftes kann der Braktee opponiert stehen. Auch hier liegt 
kein Grund vor, die zwei Blätter anders zu deuten als in der weiblichen Blüte; ich sehe in ihnen Perianth- 
blätter. Wir erklären also die Vorblätter bei Carva in beiden Geschlechtern für abortiert, das Perianth der 
weiblichen Blüte auf drei, das der männlichen auf zwei Blätter reduziert (Textfig. p. 16 [316)). 


Studien über Juglandaceen und Julianiaceen. 313 


Die stärkste Vereinfachung zeigen die Blüten von 


Platycarya strobilacea Sıeb. et Zucc. 


Hier sehen wir die männlichen Blüten in hängenden, die weiblichen in aufrechten Kätzchen. 

Erstere reduzieren die zwei Perianthblätter der Carya-Blüten auf zwei seitliche Anhängsel der 
Braktee (Taf. III, Fig. 81, Taf. V, Fig. 125) und besitzen meist sechs Antheren, von denen ein Paar median, 
je eine vor den zwei Perianthzipfeln und je eine seitlich an der verbreiterten Achse steht (Textfig. p. 16). 

Die weiblichen Blüten (Taf. IV, Fig. 117, 118) sitzen in den Achseln von Brakteen und haben einen 
anscheinend flachgedrückten Fruchtknoten mit meist zwei transversalstehenden Narben und zwei seit- 
lichen, flügelartigen Anhängseln, die später zu Flugorganen der Frucht werden, welch letztere vom Samen 
nicht gesprengt wird. (Siebold berichtet in seiner »Flora japonica« von zwei, drei oder vier Narben.) 

Die Längs- und Querschnitte durch den Fruchtknoten (Taf. III, Fig. 82, 83, 84, 85) zeigen die Ver- 
hältnisse von Ovulum und Integument wie bei Carya; doch trat deutlich eine Dreiecksform des Ovariums 
zutage; bei zweinarbigen Gynoecien konnte ich eine Scheidewand am Grunde des Fruchtknotens finden; 
sie stand median zur Abstammungsachse, so daß die transversal stehenden Narben als carinal zu 
bezeichnen sind. 

Der dreieckige Fruchtknoten ließ auf eine versteckte Trimerie schließen, die ich tatsächlich an 
zwittrigen Blüten und Übergangsformen zu solchen nachweisen konnte, welche sich in den sehr häufigen 
androgynen Kätzchen vorfanden. Ich untersuchte Blüte für Blüte in solchen Kätzchen von unten, woselbst 
die normalen weiblichen Blüten saßen, nach oben vorschreitend. 

Zuerst trat auf dem Ovarium an jener Seite, die der Rhachis zugewendet war, median ein Hautsaum 
auf (Taf. IV, Fig. 119) bei gleichzeitiger basaler Loslösung der seitlichen Lappen. Dann gab es Blüten mit 
drei Narben (Taf. IV, Fig. 120, 121) mit zunehmendem Freiwerden der zwei seitlichen und des medianen 
Anhangs; diese Anhänge wurden blattartig, wobei auf ihrer Innenseite Pollensäcke auftraten (Taf. IV, 
Fig. 121). Oberhalb dieser Blüten gab es wieder solche mit zwei Narben (Taf. IV, Fig. 122); es trat ein 
zweiter dreigliedriger Wirtel von Blättern auf, die innen Pollensäcke trugen (Taf. IV, Fig. 123; diese 
Pollensäcke fand ich zu viert in zwei Reihen übereinander angeordnet!); schließlich gab es sogar Blüten 
(Taf. IV, Fig. 124) mit einem dritten dreigliedrigen Wirtel von normalen Staubgefäßen. 

Ich glaube daher von einer versteckten Trimerie der Platycarya-Blüte reden zu dürfen. Von den 
drei Blütenhüllblättern ist das mediane unterdrückt, wohl aber noch durch ein Gefäßbündel vertreten, die 
zwei lateralen Blätter sind mit dem Fruchtknoten verwachsen. Der Umstand, daß Übergänge derselben zu 
Antheren beobachtet werden, spricht dafür, daß wir es mit Perigonblättern und nicht mit Vorblättern zu 
tun haben. 


Nachtrag. 


Erst nach Vollendung der Korrektur erschien die deutsche Übersetzung der Arbeit von Nawaschin 
und Finn »Zur Entwicklungsgeschichte der Chalazogamen Jnglans regia und Juglans nigra«, von der 
ich vorher nur die Zusammenfassung gesehen hatte, die in deutscher Sprache der russischen Veröffent- 
lichung angehängt ist. In dieser prachtvollen Untersuchung nehmen die Autoren Stellung gegen Karsten’s 
Deutung der »flügelartigen Wucherung« in der Juglans-Samenanlage als ein äußeres Integument — eine 
Auffassung, die ich in dieser Arbeit vertreten habe. Nawaschin erinnert daran, daß auch Betula infolge 
einer starken Wucherung in den inneren Zellschichten der Fruchtknotenwand ein solches »Füllgewebe« 
ausbildet, welches ebenfalls der Leitung des Pollenschlauches dient. 

Hierauf möchte ich entgegnen, daß diese beiden Gewebe doch verschiedenen Ursprungs sind: Bei 
der Birke entsteht es in der Fruchtknotenwand, bei den Juglandaceen unterhalb des inneren Integu- 
ments; dürfen wir aus funktionellen Gründen bei so verschiedenem Entstehungsmodus eine morpho- 
logische Gleichwertigkeit annehmen? Ich glaube nicht. 


314 St. Herzfeld, 


Zusammenfassung. 


Wenn wir die Resultate der vorliegenden Untersuchung überblicken, muß es uns klar werden, daß 


wir innerhalb der ganzen Reihe der Juglandales eine Tendenz zur fortschreitenden Vereinfachung der 
Blüten sowohl in der Anordnung als auch in ihrer Ausbildung beobachten können. (Man vrgleiche die Dia- 
gramme p. 16 [316)].) 

Vermutlich besaßen die gemeinsamen Vorfahren der Juglandaceen und Julianiaceen in beiden 
Geschlechtern reich zusammengesetzte Infloreszenzen, weibliche Blüten etwa vom Urtypus der Pterocarya- 
Blüte mit vierteiligem Perianth und zwei Vorblättern, aber es fehlte wohl die Blütenbraktee, wie es auch 
heute noch im männlichen Geschlecht bei Juliania der Fall ist; die Brakteen der Teilinfloreszenzen waren 
sicher vorhanden. 

Die Vereinfachung begann im weiblichen Geschlecht und schlug möglicherweise zwei Wege ein. 

Einerseits wurden bloß die Teilinfloreszenzen durch Einzelblüten ersetzt, die nun in der Achsel der 
Inflloreszenzbraktee saßen und auf solche Weise zu einem Blütentragblatt kamen. So kann Pierocarya 
entstanden sein. Eine weitere Reduktion sehe ich in der innigen Verwachsung der Braktee mit der 
Vorblatthülle, wie sie Engelhardtia zeigt. j 

Der zweite Weg der Vereinfachung der weiblichen Blüten führte wohl zur Stauchung der Teil- 
infloreszenzen, so daß drei bis sechs Blüten in eine verbreiterte gemeinsame Achse zum Teil versenkt 
wurden, wobei sämtliche Vorblätter zu einem mehrzipfligen Involucrum verwuchsen; die Perianthblätter 
mußten aus Raummangel innig einerseits mit dem Pistill, außen mit der Vorblatthülle verschmelzen, so 
daß über Stellungs- und Zahlenverhältnisse mit Sicherheit nichts ausgesagt werden kann; die Infloreszenz- 
braktee blieb erhalten. Wir sind zur Juliania-Blüte gelangt. 

Die weitere Vereinfachung betrifft die Zahl der im Involucrum der Teilinfloreszenz eingeschlossenen 
Blüten; indem diese normalerweise auf eins herabsinkt, gewinnen die Perianthblätter wieder Platz und 
die Möglichkeit, sich frei zu machen; wir sehen die vier Perigonteile des Urtypus zurückkehren und nur 
die Vielzipfligkeit der äußeren Hülle, ihr gelegentlich loser Zusammenhang mit der Blüte, das teratologische 
Auftreten von zwei Blüten im Involucrum erinnern an Juliania, so kann die Juglans-Blüte abgeleitet 
gedacht werden; die Infloreszenzbraktee ist auf die Achse durch Rekauleszenz hinaufgerückt. 

Die weiter fortschreitende Vereinfachung macht nun die gemeinsame Vorblatthülle unnötig, da die 
Einzahl der Blüte in der Teilinfloreszenz fixiert ist; so sehen wir bei Carya die — wie bei Juglans — 
hoch auf die Achse gerückte Braktee mit den Perigonblättern die einzige Blütenhülle bilden; jener 
Perianthzipfel, welcher unmittelbar über dem Tragblatt saß, ist ausgefallen, so daß wir nur drei Perigon- 
teile zählen. 

Die hier schon sehr starke Verwachsung des Perianths mit dem Pistill steigert sich noch bei 
Platycarya, die Braktee hat sich von der Blüte frei gemacht und erweckt völlig den Eindruck eines 
Blütentragblattes. Die Blüte besitzt eine versteckte Trimerie; in der Regel sind nur zwei Perigonblätter 
entwickelt, die lateral stehen und so innig mit dem Pistill verwachsen sind, daß sie nur mehr wie seitliche 
Flügel desselben erscheinen. 

Das Gynoeceum ist stets unterständig, innig mit den äußeren Hüllkreisen zu einem homogenen, 
axil scheinenden Gebilde verwachsen, das keinerlei Rückschlüsse auf eine Zusammensetzung aus Karpiden 
gestattet. Bei Juglans konnte die Anlage von zwei Karpiden beobachtet werden; es scheinen auch meistens 
— wenn die Narbenzahl Schlüsse gestattet — zwei Karpiden bei den anderen Gattungen vorhanden; die 


nn nenn ei et aenerneeei reTTENNE  DLEDD  E 


Studien über Juglandaceen und Iulianiaceen. 315 


Dreiecksform des Fruchtknotenquerschnittes von Platycarya und Griffelquerschnittes von Juliania läßt 
drei Karpiden vermuten. Die Ovarialhöhle ist bei allen Gattungen in manchen Fällen oben offen, in anderen 
geschlossen. 

Der Fruchtknoten ist einfächerig und legt (mit Ausnahme des trimeren Pistills von Juliania) sehr 
früh eine Scheidewand an, die zwischen den Karpidenrändern zwei gegenüberliegende Zäpfchen verbindet, 
welche vielleicht ein reduziertes zweites Karpidenpaar vorstellen. Diese Scheidewand zieht nur bei 
Pterocarya quer zur Abstammungsachse, so daß deren Karpiden median, hingegen bei allen übrigen 
Gattungen transversal zur Achse liegen. 

Meist sind zwei Griffel vorhanden, bei Juliania und oft bei Platycarya drei, was die Wahrschein- 
lichkeit für deren Trimerie erhöht. Der Griffel ist bei Julzania und in der Reihe Pterocarya-Engelhardtia 
wohl entwickelt, teilt sich in drei, respektive zwei Äste, die bei Juliania und Engelhardtia abermals 
spalten. In der zweiten Verwandtschaftsgruppe, Juglans-Carya-Plalycarya, ist der Griffel sehr kurz und 
nur ursprüngliche Juglans-Arten (Juglans Sieboldiana Maxim.) besitzen fast immer eine doppelte Dicho- 
tomie desselben. 

Die Narben sitzen bald median, bald transversal zur Achse, doch stimmt ihre Lage nicht immer mit 
jener der Karpiden überein, so daß drei Typen entstehen: 

I. mit carinalen Narben (Narbe in der Mitte des Karpids), 

a) sowohl Karpiden als Narben median: Pferocarya (Eichler zählt fälschlich auch Juglans hierher), 
b) sowohl Karpiden als Narben transversal: Juglans, Platycarya, Engelhardtia (für letztere hat Eichler 
irrtümlicherweise einen besonderen Typus angenommen); 

II. Narben kommissural (Narbe an den Vereinigungsstellen von je zwei Karpiden). 

c) Karpiden transversal, Narben median: Carya. 

Zentral zum Fruchtknoten sitzt das einzige, orthotrope Ovulum, das bei Juliania statt von einer 
emporwachsenden Scheidewand — wie beiden anderen Juglandales — von einem Funikulus empor- 
gehoben und umgewendet wird; außer dem inneren Integument besitzt jedes Ovulum auch ein äußeres, 
das bei Juliania nur einseitig entwickelt ist, bei Juglans und Pterocarya in zwei Blättern, bei Platycarya, 
Carya und Engelhardtia in mehreren Lappen hinaufwächst, indem es bei den zwei letztgenannten Ord- 
nungen mit der Innenwand des Ovariums seitlich und oben verwächst. Bei Juglans findet Chalazogamie 
statt — bei Juliania wird sie vermutet; der Pollenschlauch wächst durch das äußere Integument, das auch 
die Funktion hat, den Fruchtknoten für die Kotyledonen vorzuweiten. 

Der Teil des Fruchtknotens, welcher innerhalb des GefäßbündelKreises liegt, verholzt; bei Juglans 
und Carya werden die Schalenhälften durch den Keimling gesprengt; Juglans bildet zu diesem Zweck 
schon früh eine Dehiszenzlinie in der Mitte der Karpiden aus; bei Plerocarya ist eine solche angedeutet. 
Der außerhalb der Fruchtknotenbündel liegende Teil der Fruchthülle bleibt bei Juliania, Juglans und 
Carya fleischig. 

Den Urtypus der männlichen Blüte können wir uns ähnlich wie den der heutigen Juliania-Blüte 
denken, in reich zusammengesetzten Infloreszenzen, jede Blüte mit vier- bis neunteiligem regelmäßigem 
Perianth und wechselnder Zahl der Antheren, die — wenn sie in der Zahl mit den Perigonteilen überein- 
stimmen — vor den Blütenzipfeln stehen. Vermutlich waren ursprünglich Vorblätter vorhanden, es fehlte 
voraussichtlich die Blütenbraktee, doch war auch hier ein Tragblatt der Teilinfloreszenz vorhanden. 

Die Vorblätter sind wohl rasch verschwunden; sie fehlen den heutigen Julianiaceen, die sich nur 
durch diesen Umstand von dem angenommenen Urtypus unterscheiden; wir sehen bei Übergangsformen 
der Pterocarya ihr allmähliches Verschwinden und können in der ganzen Reihe nur bei Engelhardtia mit 
einiger Sicherheit annehmen, daß sie auch heute noch vorhanden sind, wenn auch mit der Braktee innig 
verwachsen. 

Die Vereinfachung der männlichen Blüte beginnt mit dem Verschwinden der Teilinfloreszenz, so daß 
jede Blüte wieder in der Achsel der Braktee der Teilinfloreszenz sitzt. Mit der Verminderung der Zahl der 
Einzelblüten tritt anfangs eine Vermehrung der Stamina auf, deren Zahl beiJuglans und Pterocarya bis über 


316 St. Hersfeld, 


30 angegeben wird; sowie im weiblichen Geschlecht geht auch bei den männlichen Blüten nun einerseits 
in der Reihe Pferocarya-Engelhardtia, andrerseits in der Reihe Juglans-Carya-Platycarya eine stetige 
Vereinfachung in der Einzelblüte vor sich; die Blüte streckt sich, wird stark zygomorph, die ursprüngliche 
Sechszahl der Perigonblätter von Juglans und Pierocarya wird allmählich bis auf drei bei Engelhardtia, 
zwei bei Carya, auf zwei Anhängsel der Braktee bei Platycarya vermindert, ebenso sinkt die Antherenzahl' 
bei Engelhardtia auf fünf, bei Carya sogar auf vier! 

Die viel umstrittenen Verwandtschaftsverhältnisse der Juglandales scheinen mir durch obige Unter- 
suchungen etwas klarer; zweifellos sind wohl die innigen Beziehungen der Julianiaceen zu den Juglandaceen 
geworden. 

Die Julianiaceen weisen stets Zweihäusigkeit auf, ebenso gewisse Engelhardtiaarten, während alle 
anderen Gattungen einhäusig sind. Diöcie scheint mir in dieser Reihe das Primäre, Monöcie trat wohl 
später auf. Häufig beobachten wir Übergänge zur Zwittrigkeit — vielleicht sind wir heute Zeugen der 
Umwandlung in diesen Zustand, welcher sich möglicherweise fixieren wird. So ist wohl die Abstammung 
der Juglandales von Monochlamydeen etwa vom Typus der Fagales wahrscheinlich, und wenn wir auch 
verwandtschaftliche Beziehungen zu den Terebinthales konstatieren können, so überwiegen dennoch die 
Anzeichen dafür, daß die Juglandales ursprünglicher sind als jene. 

Zum Schlusse möge eine diagrammatische Übersicht die Blütenverhältnisse darstellen. 

Hypothetischer Urtypus der Juglandales. 


Ä 
& 
S 


2, . . 
= Z A 5 


Diagrammatische Darstellung der mutmaßlichen Verwandtschaftsverhältnisse innerhalb der Reihe der Juglandales. In allen Figuren 


bedeutet: A— Abstammungsachse, B = Braktee, P= Perianth, 7’ = Vorblatt, a—= weibliche, b — männliche Blüte. 


Fig. 1: Plerocarya fraxinifolia Kunth, Fig. 2: Engelhardtia spicata Blume, Fig. 3: Juliania adsiringens Hemsl., Fig. 4: Juglans 


a und D= J.regia \L., c = J. Sieboldiana Maxim., Fig. 5: Carya alba Nutt., Fig. 6: Platycarya strobilacea Sieb. et Zuce, 


=] 


Studien über Juglandaccen und Iuliamiaceen. Sl 


Literatur. 


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O. C. Berg und CE. F. Schmidt. Officinelle Gewächse. I., Leipzig, 1863. 

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D. Brandis. Indian Trees. London, 1906. 


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A = Abstammungsachse. Na — Narbe. 
B = Braktee. NVS = Narbe des Sproßvorblattes. 
BL — Blüte. O0 —= Ovulum. 
D — Dehiszenzlinie. P = Perianth. 
E = Embryosack. R = Ringwulst, Ringgefäß. 
Fr — Fruchtknoten. iR — innerer Ring. 
F = Funieulus. pS = primäre Scheidewand. 
aG — aufsteigendes Gefäßbündel. sS$ — sekundäre Scheidewand. . 
abG — absteigendes Gefäßbündel. Sa —= Samenanlage. 
Gp = Grundparenchym. SCH — Scheidewand. 
Gr = Griffel. Sp = Spiralgefäß. 
Gz = Geleitzelle. Sr — Siebröhre. 
Hp = Holzparenchym. U — Umbiegestelle. 
I = Involuerum. oU — obere Umbiegestelle. 
al —= äußeres Integument. V = Vorblatt. 
il = inneres Integument. Vk — Vegetationskegel. 
K = Karpid, Konnektiv. | VS — Sproßvorblatt. 
N = Nucellus. Z —= Zäpfchen. 


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Fig. 1 bis 36 inklusive. 


Juglans regia L., weibliche Blüte. 


1. Blütensproß, drei Blüten sichtbar, (2), (3) entwickelt, (1) im Wachstum zurückgeblieben, die Braktee bei (1) und (3) deutlich 
sichtbar; von den zwei Sproßvorblättern ist das vordere abgetrennt. 
2, Zwei sehr junge Blüten mit Sproßvorblättern, (a) und (b) zeigen Vegetationskegel und erste Anlage eines Ringwulstes. 
3. Junger Sproß; der Ringwulst hat sich in Blättchen differenziert = die Vorblätter. 
4. Junge Blüte mit Braktee, Vorblattkreis, in den Gefäßbündel verlaufen, und Perianthkreis (radialer Längsschnitt). 
5. Zwei junge Blüten im Längsschnitt (tangential zur Achse), Vorblätter, Perianth und erste Anlage der Karpiden; mehrere 
Perianthzipfel sind quer getroffen. 
6. Die zentral gelegene größte Zelle zwischen den Karpiden der vorigen Blüte stark vergrößert; sie entwickelt das Ovulum, 
7. Tangentialer Längsschnitt, erste Anlage des Ovulums. 
8. Junge Blüte im Querschnitt, zwei der vier Vorblätter sind vereinigt. 
10. Radialer Längsschnitt, daher die Braktee getroffen, aber nur ein Karpid zu sehen. 
11. Junger Sproß im Längsschnitt, ein Vorblatt übernimmt die Rolle der Braktee. 
9. Etwas ältere Blüte quer geschnitten, von den vier Vorblättern sind drei teilweise ergänzt (= die punktierte Linie). 

12. Dieselbe Serie, tiefer unten gelegener Schnitt, die Vorblätter zu einer kreisförmigen Hülle verschmolzen. 

13 bis 18. Von oben nach unten aufeinanderfolgende Querschnittserie durch eine sehr junge Blüte. Man beobachte die 
allmähliche Verwachsung des Perianths mit den Karpiden und Vorblättern; in Fig. 16 sieht man in schwacher, in Fig. 17 in 
starker Vergrößerung rechts ein Zäpfchen, das oberhalb jenes Schnittes sichtbar ist, in welchem die Karpidenränder vereinigt 
sind. Das linke zweite Zäpfchen ist in dieser Höhe bereits mit den Karpiden verschmolzen. 

19. Etwas ältere Blüte, Anlage der Scheidewand, welche das Ovarium unten halbiert; die zwei Ovarialhälften sind schraffiert. 

20. Auf der Scheidewand erscheint die erste Anlage des Ovulums. 

21. Tangentialer Längsschnitt, daher Braktee nicht sichtbar; junges Ovulum, getrennter Gefäßbündelverlauf. 

22. Ovulum, das anormalerweise schief steht, inneres Integument tritt auf. 

23 und 25. Das äußere Integument, auf tangentialen Längsschnitten in beiden Blättern sichtbar, tritt auf. 

24. Das innere Integument schließt sich zur Mikropyle über dem Nucellus, das äußere wächst empor. 

26. Querschnitt durch den Fruchtknoten unterhalb des Ovulums, zeigt die Scheidewand zwischen den zwei Hälften des äußeren 
Intesuments sowie die Dehiszenzlinie, in welcher später der Keimling die Holzschale der Nuß sprengt. 

27. Ein radialer Längsschnitt traf eine Hälfte des äußeren Integuments' und zeigt das Eindringen desselben in das Gewebe des 
Fru chtknotens. 

28. Dehiszenzlinie in starker Vergrößerung (Querschnitt durch den jungen Fruchtknoten). 

29, Dehiszenzlinie in der jungen Nußschale. 

Juglans Sieboldiana Maxim., weibliche Blüte. 
.30. Die Braktee und lockere Vorblatthülle deutlich sichtbar. (Vergleiche hiezu die Anmerkung auf p. 2 [302].) 

31. Querschnitt, zeigt den Stiel der Braktee, Nucellus, inneres Integument und abnormalerweise einseitig entwickeltes äußeres 
Integument. 

32, 33, 34. Eine Blüte in drei Stellungen, um die Vorblatthülle deutlich zu zeigen. 

35. Querschnitt, fünf Vorblätter. 

36. 


Querschnitt; auffällig = der lockere Vorblattkreis. 


Herzfeld,St.: Swdien über Juglandaceen und Juliamiaceen. 


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Tafel ll. 


Fig. 37 bis 61 inklusive. 
Juglans regia L., weibliche Blüte. 


Fig. 37. Radialer Längsschnitt durch eine schon bestäubte weibliche Blüte, Gefäßbündelverlauf; die ins Perianth führenden Bündel 


punktiert; Beschreibung im Text (p. 5 [305)). 


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38 bis 44. Querschnitte, welche in der Höhe geführt wurden, die in Fig. 37 angegeben. Die punktierte Linie ist die Grenze, bis 
zu welcher die Verholzung der Schale eintritt. In den Fig. 43 und 44 bilden die äußeren aufsteigenden mit den inneren 


absteigenden Gefäßbündeln je einen Ring. 


Haare und Drüsen von Juglans regia: 
» 45. Einzelliges Haar. 
» 46. Büschelhaare. 
» 47. Zweizelliges Haar_mit langer Endzelle. 
» 48. Vielzelliges Haar. 
» 49. Kleines Drüsenhaar mit kurzem Stiel und einzelligem Köpfchen. 
» 50. Köpfchen durch Vertikalwände geteilt. 
» 51. Ebensolches Köpfchen auf langem Stiel. 
» 52. Kopf auch durch Horizontalwände geteilt. 
» 58. Schilddrüse im medianen Längsschnitt. 


» 54. Schilddrüse von außen getroffen. 


Juliania adstringens Schl. 
Fig. 55. Einzelliges Haar (Typus von Fig. 45). 
>» 56. Kleiner Drüsenkopf auf längerem Stiel (Typus von Fig. 51; der Stiel ist geschrumpft). 
» 57. und 61. Drüsenkopf mit Horizontalwänden (Typus von Fig. 52). 
» 58. Zellbegrenzung des Ovarialspaltes im Griffel. , 
» 59. Primäres Gefäßbündel mit Ringgefäß, Spiralgefäß, Holzparenchym, Siebröhre, Geleitzelle, Grundparenchym. 


Carya alba Nutt. 


Fig. 60. Kombination von Schilddrüse mit Büschelhaaren, welche an der unteren der zwei Stielzellen im Kreise sitzen. 


Herzfeld,St.: Studien über Juglandaceen und Julianiaceen. 


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Fig. 


62. 


104. 


Tarelıl. 


Fig. 62 bis 109 inklusive. 
Juglans regia L. 


Fig. 62 bis 67. Erhabene Spaltöffnungen: 
Doppelspaltöffnung; Schließzellen längs getroffen. 
65, 66. Spaltöffnungen im Längsschnitt; Schließzellen im medianen Querschnitt. 


. Querschnitt durch den Kamin. 

. Flächenschnitt durch Schließzellen. 

. Doppelblüte im Querschnitt: 2 Blüten in gemeinsamer Hülle. 
. Doppelfrucht aus »The Gardeners Chronicle«. 

. Diagramm der weiblichen Blüte. 


Männliche Blüte: 
Diagramm. 


. Anthere., 


Juglans Sieboldiana Maxim. 


Männliche Blüte von innen gesehen, Antheren abgelöst. 


. Diagramı. 


Juliania adstringens Schl. 
Weibliche Blüte: 


. Griffel. 
. Herauspräparierte Samenanlage in toto. 


71, 72. Mikrotomserie durch die Samenanlage, zeigt den Verlauf des Gefäßbündels. 


. Diagramm, vier Blüten in gemeinsamem Involucerum; die punktierte Linie ist das innig mit dem Fruchtknoten und dem 


Involuerum verwachsene Perianth. 


Männliche Blüte: 


> 


Von innen gesehen, Antheren losgelöst. 
Diagramm. 
Platycarya strobilacea Sieb. et Zucc. 


Männliche Blüte: 
Von innen gesehen, Antheren losgelöst. 
Diagramm. 
Weibliche Blüte: 
Tangentialer Längsschnitt; die punktierte Linie — das ergänzte zweite Gefäßbündel. 


. Radialer Längsschnitt, trifft die Braktee und das dritte Bündel. 


Querschnitt unterhalb des Ovulums; Scheidewand und Lappen des äußeren Integuments. 
Querschnitt, durch das Ovulum gehend. 
Diagramm, das dritte Perianthblatt punktiert. 


Engelhardtia spicata Blume. 
Weibliche Blüte: 


. Längsschnitt, außen Vorblätter, Griffel mit Perianth verwachsen, Ovarialhöble offen, Nucellus mit innerem Integument, 


äußeres Integument wächst in mehreren Lappen empor, ist mit der Fruchtknotenwand an der punktierten Linie 
verwachsen. 


9, Querschnitt unterhalb des Ovulums, Scheidewand und Lappen des äußeren Integuments. 
. Diagramm. 


Männliche Blüte: 
Diagramm. 
Carya alba Nutt. 
Weibliche Blüte: 


Fig. 100. Radialer Längsschnitt. 
101 und 102. Querschnitt, äußeres Integument in mehreren Lappen. 


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108. 


109. 


92: 
98. 


90. 
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Diagramm. 


Männliche Blüte: 
Diagramm. 
Pterocarya fraxinifolia Kunth. 
Männliche Blüte: 
Von innen gesehen, es können auch sechs oder weniger Perianthblätter vorhanden sein. 
Diagramm. 


Weibliche Blüte: 
Längsschnitt. 
Aus dem vorigen Schnitt: stärkere Vergrößerung des Ovulums. 


93 bis 97. Querschnittserie. 


93. 
94. 
95. 
96. 
97. 


99: 


Die vier ungleichen Perianthblätter quer und eine Narbe längs getroffen, man sieht die Ovarialspalte im Karpid. 
Die Perianthblätter verwachsen median mit dem Fruchtknoten, Ovarialhöhle geschlossen. 

Braktee getroffen, Ovarialraum wieder offen. 

Braktee ist schon verschmolzen, Vorblätter erscheinen, Ovulum getroffen. 

Ein Vorblatt ist verschmolzen, Scheidewand unterhalb des Ovulums halbiert das äußere Integument. 
Diagramm. ö 


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Herzfeld,St.: Studien über Juglandaceen und Julianiaceen. Taf... 


Herzfeld del.. fig. 62-109 incl.. Lith.Anst.Th.Bannwarth 
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Tatel IV. 


Fig. 110 bis 125 inklusive. 
Engelhardtia spicata Blume. 


Weibliche Blüte: 


. Vorblätter und Braktee losgelöst, Perianth bis zur Hälfte des Griffels verwachsen. 


Blüte samt äußerer Hülle: Vorblätter mit Braktee verwachsen. 


Männliche Blüte: 


. Braktee mit zwei Vorblättern verwachsen; von den drei Perigonblättern sind nur zwei zu sehen. 


Ebenso mit verlängerter Braktee. 


Carya alba Nutt. 
Weibliche Blüte: 
Braktee tiefer inseriert als die Perigonblätter; Narbe mächtig; oberer Teil der Blüte. 


Ebenso, ganze Blüte. 


Männliche Blüte: 


Braktee, zwei Perianthblätter und vier Antheren sind zu sehen. 


Platycarya strobilacea Sieb, et Zucec. 


Männliche Blüte: 


5. Braktee mit zwei Anhängseln — reduzierte Perianthblätter. 


Weibliche Blüte: 
a) Normale Blüte: 
Von der Achse aus gesehen, zwei Perianthblätter innig mit dem Fruchtknoten verschmolzen. 


Von außen gesehen, Braktee losgelöst. 


b) Sechs Übergangsformen zur Zwittrigkeit: 
Ein drittes Perianthblatt tritt als medianer Hautsaum auf. 


Von der Seite gesehen, drei Perianthblätter, drei Narben. 


Von innen gesehen, drei Perianthblätter, drei Narben, es beginnt die Bildung von Pollensäcken auf den Perianthblättern. 


Von innen gesehen. 
Ein zweiter Wirtel von drei Perianthblättern mit Antheren tritt auf. 


Ein dritter Wirtel von drei Perianthblättern ist vorhanden; die Braktee ist zurückgeschlagen. 


Taf. IV. 


Herzfeld, St. : Studien über Juglandaceen und Julianiaceen. 


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Herzfeld et Kasper del.. Fig.110-125 incl.. Lith.Anst. Th.Bannwarth, Wien 
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Fig. 


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Fig. 


Tafel V. 


Fig. 126 bis 148 inklusive. 
Juliana adstringens Schl., weibliche Blüte. 
128. Infloreszenz; rechts eine Teilinfloreszenz, links eine zweite abgeschnitten, in der Mitte ein Rest der Sproßachse. 


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Juglans regia L. 


127. Doppelfrucht von außen. 

126. Dieselbe durchschnitten (Erklärung im Text). 

129. Normale Frucht, die äußere Hülle in zwei Schichten aufgesprungen, deren innere die Perianthzipfel, die äußere Vorblatt- 
zipfel: trägt. 

134, Normale Frucht, oberer Teil. ö 

130. > > eine Schalenhälfte, zeigt die primäre und sekundäre Scheidewand. 

131. Doppelblüte. 


132. Männliche Blüte von außen. 


Juglans nigra L. 


133. Männliche Blüte von außen. 


Pterocarya frexinifolia Kunth. 


a) Normale weibliche Blüte: 


135. Sproß mit zwei Blüten. 


b) Übergangsformen zur Zwittrigkeit: 
136 und 137. Tiefere Spaltung des Perianths, Freiwerden des Fruchtknotens. 
138. Zwitterblüte, Auftreten von Antheren zwischen Perianth und Fruchtknoten. 
139. Anthere mit langgeschwänztem Konnektiv. 
140, 141, 142, 144. Zwitterblüte von außen und von der Seite, zunehmende Verkümmerung der Vorblätter. 
143. Zwitterblüte mit zwei Staminalkreisen. 


145, 146, 147. Verwachsung und Durchwachsung von Anthere und Gynoeceum. 


c) Männliche Blüte. 
148. Von außen, Vorblätter fehlen. 


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in 


Herzfeld,St.: Studien über Juglandaceen und Julianiaceen. Alle ak 


Herzfeld etKasper del.. Fig. 126-148 incl.. 
Derikschriften d.kais. Akad.d.Wiss.math.naturw. Klasse Bd.XC. 


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Fig. 149— 154. Mikrophotographien. 


Fig. 149. Juglans Sieboldiana: Querschnitt durch eine ältere Blüte; Ovarialraum geschlossen, Perianth mit dem Karpid vollkommen, 


mit der Vorblatthülle stellenweise verbunden. 

150 bis 154. Juliania adstringens: Querschnittserie durch eine ®. Teilinfloreszenz. Fig. 150, 151, 152, 153 zeigen im Involu- 
erum drei, Fig. 154 zwei Blüten getroffen. 

150. Im Innern des Involucrums rechts ein Querschnitt durch einen freien Griffel der ersten Blüte, dann die vermutlich von 
Perianth umwachsenen Griffel der zweiten und dritten Blüte, die an zwei gegenüberliegenden Seiten mit der kürzeren Quer- 
achse des Involucrums verwachsen sind. 

151. Dem freien Griffel rechts ist von der Wand eine Vorwölbung entgegengewachsen und hat sich mit ihm vereinigt. 

152. Neben dem seitlich schon breit angewachsenen Griffel wölben sich zwei neue Blättchen vor, gegenüber wachsen zwei 
andre Wülste entgegen. 

153. Der Griffel ist auch an der gegenüberliegenden Seite mit dem Involucrum verwachsen. Er selbst sowie der nebenstehende 
zeigen Ovarialspalte. Die am meisten links gelegene Blüte hat einen dreieckigen Ovarialraum. 

154. Zwei Blüten sind getroffen, deren Eichen durchschnitten ist. Die rechts liegende zeigt oben das einseitige äußere Integument, 


unten den quer getroffenen Funiculus; das innere Integument und der Nucellus sind längs getroffen. 


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Herzfeld, St.; Studien über Juglandaceen und Julianaceen. Taf. VI. 


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A. Mayer und Herzfeld phot. Fig. 149—154 incl. Lichtdruck v. Max Jaffe, Wien. 


;  Denkschriften d. kais. Akad, d. Wiss. math.-naturw, Klasse, Bd. XC. 


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Fig. 155 bis 161. Mikrophotographien. 


Fig. 155. Juglans regia, Ovulum: im Nucellus das zentrale, dunkler angefärbte sporogene Gewebe, das innere Integument schließt 
sich über dem Nucellus. Das äußere Integument hat radial angeordnete Zellen, welche einen Druck nach außen aus- 
zuüben scheinen. £ 

» 156. Juglans Sieboldiana. Querschnitt durch die @ Blüte. Anlage der Dehiszenzlinie: von der Ecke des: Ovarialspaltes ziehen 
geradlinig zum Gefäßbündel regelmäßig angeordnete Zellen, die dicht protoplasmatisch sind. 

» 157 bis 161. Juliania adstringens: Fig. 157. Entzwei geschnittene Sammelfrucht mit sechs Früchten; jede Fruchtschale ist in 
zwei parallele Schalenschichten gespalten, deren innere zum Griffel führt, also Fruchtknotenwand ist, während die äußere 
vermutlich dem Perianth angehört. 

» 158. Querschnitt: Inmitten des Griffels ist cine Ovarialspalte zu sehen. 

» 159. Längsschnitt durch eine Teilinfloreszenz, zwei Blüten sind getroffen, oberhalb der linken sieht man ein Blatt, offenbar 
Perigonblatt, an der Fruchtkotenwand. 

» 160. Querschnitt durch den Griffel, um dessen Trimerie zu zeigen. 


» 161. Längsschnitt: Drei Blüten sind getroffen, deren Samenanlagen die verschiedensten Schnittbilder ergeben. 


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Lichtdruck v. Max Jaffe, Wien. 


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Fig. 155—161 incl. 


Herzfeld, St.: Studien über Juglandaceen und Julianaceen. 


A. Mayer und Herzfeld pnot. 


Denkschriften d. kais. Akad. d. Wiss. math.-naturw. Klasse, Bd. XC. 


BERICHT ÜBER DIE VON HANS SAUTER AUF 
FORMOSA GESAMMELTEN SCHLANGENARTEN 


VON 


D" FRANZ STEINDACHNER 


W.M.K. AKAD. 


Mit 4 Tafeln und 21 Textfiguren 


VORGELEGT IN DER SITZUNG AM 3. JULI 1913 


Das Naturhistorische Hofmuseum in Wien erhielt im Laufe des Jahres 1912 durch Herrn Hans 
Sauter in Anping auf Formosa eine große Sammlung formosanischer Reptilien in bedeutender Anzahl von 
Arten und Individuen sowie von zahlreichen Fundstätten. 

Über die in dieser Sammlung enthaltenen 37 Schlangenarten, von denen 2 noch nicht beschrieben 
waren, wird in vorliegender Abhandlung ausführlich berichtet. 

Bisher kennt man von Formosa nach Einziehung einiger bisher für neu gehaltener Arten 42 terrestre 
und 8 marine Schlangenarten, welche letztere wegen ihrer weiten Verbreitung im Indischen Ozean sowie 
im Stillen Ozean von Australien bis Japan für Formosa nicht charakteristisch sind. 

Von den erwähnten 42 Arten von Landschlangen (im Gegensatze zu den Meeresschlangen) sind nach 
unseren gegenwärtigen Kenntnissen nur 4 Arten ausschließlich auf Formosa beschränkt, alle übrigen kommen 
auch auf dem so nahe gelegenen südöstlichen chinesischen Festlande vor, mit Ausnahme von Psammody- 
nastes pulverulentus, welche Art, bisher von China noch nicht bekannt, auf Formosa aber ebenso gemein 
ist wie in Indochina, den östlichen Himalayagegenden, Hinterindien und dem ostindischen Archipel. 

Gemeinsam mit den Liu-Kiu-Inseln hat Formosa nur 3 Schlangenarten, Typhlops braminus, Liopeltis 
semicarinala (Hallow.) und Dinodon rufozonatum (Cant.) Pet. 


ı. Typhlops braminus (Daud.) Cuv. 


8 Exemplare von Kosempo (Koll. Sauter), 115 bis 155 cm lang. 

Unterseite des Kopfes weißlich. 

Als sichere weitere formosanische Fundorte dieser Art führt Masamitsu Oshima noch an: Kontei, 
Koshun und Tainan. 

Nach demselben Autor sollauch Zyphlops leucoproctus Blgr., bisher nur von Neuguinea und Queens- 
land bekannt, auf Formosa bei Kuraru, Koshun vorkommen (siehe Masamitsu Oshima: »An Annotated 
List of Formosan Snakes« in Annot. Zool. Jap., Tokyo, Vol. 7, p. 186 [|1910]), was wohl sehr zu bezweifeln ist. 


Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC. Bd. 46 


320 


2. Sibonophis collaris (Gray). 


Psammophis collaris Gray, Ann. & Mag. Nat. Hist., Ser. 2, Vol. 12, p. 390. 
Ablabes collaris Gthr., Cat. Colubr. Snakes, p. 28. 

— — Gthr., Rept. of Brit. India, 1864, p. 228. 
Polyodontophis collaris Blgr., Cat. of Snak. Brit. Mus., I, 1893, p. 184. 


Dr. F, Steindachner, 


Sibonophis collaris Stejn., Proc. U. St. N. Mus., Vol. 38, p. 103. 


Die Zahl der Supralabiala beträgt 10 bis 9, in letzterem Falle ist das 5. mit dem 6. verschmolzen und 
es begrenzen nur das 4. und 5., sonst das 4., 5. und 6. direkt das Auge nach unten. Bei einem Exemplare 
von Taihorin sowie von Suishario ist überdies auch noch das 1. Supralabiale mit dem 2. vereinigt und es 
bilden somit das 3. und 4. Supralabiale den unteren Augenrand. 

Bei sämtlichen (13) mir vorliegenden Exemplaren von Formosa erreicht das drittletzte dreieckige, 
nach unten zugespitzte Supralabiale nicht den oberen Mundrand. Es liegt unter dem einzigen Temporale 
der ersten Reihe. Von den beiden Temporalia der zweiten Reihe ist bald das obere, bald das untere der 


Länge nach vollständig in 2 aufgelöst. 


Rostrale bei oberer Ansicht des Kopfes nur wenig sichtbar, viel breiter als hoch. Sutur zwischen den 
Internasalia mehr minder unbedeutend kürzer als die zwischen den Präfrontalia. 

Frontale nicht breiter als das Supraoculare; es ist ebenso lang oder (in der Regel) ein wenig länger 
als sein Abstand vom vorderen Kopfende, länger als breit und kürzer als die Parietalia,'welche mit ihrem 
etwas schräge gestellten Vorderrande das Supraorbitale und das obere der beiden Postorbitalia begrenzen. 
Vorderes Kinnschildpaar ebenso lang oder ein wenig kürzer als das hintere Paar und in Kontakt mit 4 Infrala- 
bialia. Zeichnung genau dieselbe wie bei den Exemplaren von dem benachbarten asiatischen Festlande. 

Schuppen in 17 Reihen. Anale geteilt. Subcaudalia paarig, nur wenige derselben in seltenen Fällen 


einfach. 


Schwanz bei vollständig erhaltenen Exemplaren sehr lang und schlank. 


V. 164—177. Sube. 116—129. A.1/l. 


Totallänge 
dg 662 
630 

560 

102 

9 450 


Formosa: Kosempo, Taihorin, Suishario (Koll. Sauter). Das Museum in San Francisco besitzt zwei 


Exemplare vom Kanshirei. 


Schwanzlänge | Ventralia | Subcaudalia 
280 mm 177 116 
235 165 129 
210 "164 125 
225 (Stummelschw.) 176 ca. 110 
150 175 al 


Sube. paarig. 


3. Tropidonotus annularis Hallow. 


Tropidonolus habereri Werner!, Abh. Bayer. Akad. Wiss., Bd. XXI, pt. 2, p. 354, Taf. I, Fig. 1—2 (1904). 


Natrix annularis Stejn., Herpet. of Japan, U. St. Nat. Mus., Bull. 58, p. 291 (1907). 
— — Masamitsu Oshima, Annot. Zool. Jap., Tokyo, Vol. 7, p. 188 (1910). 


Sehr häufig auf Formosa bei Kosempo, Taihorin und Alikang. Bei mehreren kleinen Exemplaren von 
Kosempo ist die Unterseite und der seitliche Abfall des Kopfes mit zarten, stachelartigen Wärzchen besetzt. 


1 Tr. haberi Wern. ist zweifellos identisch mit Tr. annularis und es ist bei den typischen Exemplaren des Münchner Museums 


nur die unterste Schuppenreihe des Rumpfes nach einer gütigen Mitteilung des Herrn Dr. Erich Zugmayer ungekielt. 


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Schlangenarten von Formosa. 321 


Die Zahl der Temporalia und deren Größe ist sehr variabel, 1+2,2-+ 2,2 +3. In der Regel ist nur 
ein Präoculare vorhanden, sehr selten 2; Postocularia 3, selten 4. Supralabialia selten 7 oder 8, in der 
Regel 9, von denen das 3. und 4. oder das 4. und 5. das Auge nach unten umrandet. 

Bei sämtlichen von mir untersuchten Exemplaren von Formosa sind die Internasalia, die sich nach 
vorne verschmälern, kürzer als das Frontale und letzteres ist viel breiter als das Suboculare, Rostrale von 
oben kaum sichtbar. Der Durchmesser des Auges ist in der Regel 2mal, seltener mehr als 2mal in der 
Schnauzenlänge enthalten. Nasale geteilt. 

Rumpfschuppen mit Ausnahme der untersten Reihe stark gekielt. 

Bei einem einzigen Exemplare sind auch die Schuppen der vorletzten Längsreihe nahezu glatt. Bei 
einem Exemplare von Kosempo ist ein kleines Schüppchen zwischen die Präfrontalia eingeschoben. 

Schuppenreihen 19. Anale geteilt. 

Das größte Exemplar der Sammlung Sauter ist trotz eines Stummelschwanzes nahezu 7 m lang. 
Sämtliche Exemplare zeigen an der dunkel bleifarbigen Rückenseite eine schwärzlichgraue, mehr minder 
verschwommene netzförmige Zeichnung. 


V. 139—149. Subec. 63— 76. 


Totallänge Schwanzlänge | Ventralia Subcaudalia 
20 910 mm 231 mm 139 69 
dg 860 220 141 73 
20 675 180 144 76 
dg 756 200 145 70 
470 223 149 73 
141 63 
| 2141 69 


4. Tropidonotus swinhonis Gthr. 
(Ann. Mag. Nat. Hist., Ser. 4, Vol. I, 1868, p. 420. 
Tropidonolus nuchalis Blgr., 1. c., Ser. 6, Vol. VII, 1891, p. 281. 
Natrix swinhonis Stejn., Herpet. of Japan, U. St. Nat. Mus. Bullet. 58, p. 293 (1901). 
— — Masamitsu Oshima, Annot. Zool. Jap. Tokyo, Vol. 7, p. 189 (1910). 


Bei sämtlichen zahlreichen Exemplaren (von verschiedenen Örtlichkeiten) aus Formosa, welche Herr 
Sauter dem Hofmuseum einsendete, ist eine mehr minder deutliche linienförmige Einsenkung längs der 
Mitte der Halsgegend bemerkbar, wie sie Dr. Boulenger bei Tropidonotus nuchalis nach Exemplaren von 
China (Ichang) beschreibt. Letztere Art kommt daher bestimmt auch auf Formosa vor, ich möchte sie aber 
gleich Dr. Günther nicht spezifisch von Tropidonotus swinhonis Gthr. trennen, da sie in der Beschup- 
pungsweise und Körperzeichnung vollständig miteinander übereinstimmen und die Nackenfurche zuweilen 
schwach angedeutet ist. 

Nur bei 2 von 16 untersuchten Exemplaren von Kosempo und Suishario sind 2, bei allen übrigen 
1 Präoculare entwickelt; die Zahl der Postocularia schwankt zwischen 2 und 3, bei 1 jungen Exemplare 
sind sie zu einem einzigen Schildchen vereinigt; fast ausnahmslos begrenzen 4 Infralabialia das erste 
Kiemschildpaar, welches stets viel kürzer als das zweite Paar ist. 

Temporalia 1 + 2. 

Supralabialia 6, von denen das 3. und 4. den unteren Augenrand bilden. Nur bei einem jungen 
Individuum sind durch Verschmelzung der 3. und 4. Supralabiale 5. Supralabialia vorhanden, von denen 
das 3. den unteren Augenrand begrenzt. Das vorletzte Supralabiale ist länger und höher als das letzte. 

Rostrale bei oberer Ansicht des Kopfes nur wenig sichtbar, breiter als hoch. 


322 


Dr. F.Steindachner, 


Sutur zwischen den Internasalia kürzer als die zwischen den Präfrontalia. Frontale länger als breit, 
mehr minder bedeutend kürzer als die Parietalia, deren hinterer Rand bald etwas länger, bald etwas kürzer 


Fig. 1. 


Tropidonotus swinhonis. 


Obere Ansicht des Kopfes 
und Vorderrumpfes. 
2 mal vergrößert. 


ist und mehr minder schräge nach vorn und innen abgestutzt erscheint. 

Der Abstand des Vorderrandes des Frontale ist namentlich bei größeren 
Exemplaren ebenso lang oder auch etwas länger als das Frontale. 

Die Kielung der Rückenschuppen ist variabel, mehr minder scharf her- 
vortretend. Bei den von mir untersuchten Exemplaren sind es namentlich einige 
Weibchen, bei denen die Schuppenkiele stark entwickelt sind, während bei 
mehreren größeren Männchen die Schuppen schwach gekielt sind. 

Die unterste Schuppenreihe der Rumpfseiten ist in der Regel glatt, doch 
zeigt sich zuweilen ein schwacher Kiel in der hinteren Längenhälfte einzelner 
Schuppen in dieser Längsreihe. 

Die nie fehlende schwärzliche Nackenbinde ist mehr oder minder breit; 
vor und hinter derselben liegt eine breite rotgelbe Zone. 

Ein schräger schwarzer Streif unter dem Auge, ein zweiter in der 
Schläfengegend, der bis zum unteren Mundrand nächst den Mundwinkeln 
herabzieht und am letzten Infralabiale endigt. 

In geringer Entfernung hinter dem Collare liegt bei zwei ganz jungen 
Individuen von 18:7 und 22:5 cm Länge von Suishario in geringer Entfernung 
hinter der Halsbinde eine zweite schmälere Halsbinde, die mit dem Alter ganz 
verschwindet oder in Form von 2 mehr oder minder großen, nicht scharf 
abgegrenzten Seitenflecken sich erhält. 

Die schwarzen kleinen Rumpffleckchen werden nur durch die dunkle 
Umrandung einzelner Rumpfschuppen gebildet. Sie sind sehr zahlreich bei 
jungen Individuen und stehen im Quincunx, im höheren Alter verschwinden sie 
zuweilen in dem hinteren Teile des Rumpfes vollständig. Zwischen denselben 


liegen ferner sehr kleine helle Fleckchen zerstreut, die gleichfalls im höheren Alter ganz oder teilweise 


verschwinden. 


Das größte der von uns untersuchten Exemplare ist 700 mm lang, von denen 126mm auf den 


Schwanzteil entfallen. 


V. 138—155. Sube. 52—74. A. geteilt. Schuppenreihen 15. 


Totallänge Schwanzlänge|l Ventralia |' Subcaudalia | Präocularia | Postocularia 
en en I ln un Sr u een hl kn st Mei nn ale nn Li Eee EB I A ee NEE 
&g 700 mm 126 mm 158 56 1 3 
d 630 110 165 55 
d 630 107 154 52 
2 560 126 144 61 
2 556 123 140 62 
g 350 98 153 74 
545 93 155 52 
935 92 153 52 
496 110 139 58 
487 110 138 59 
9 425 95 142 60 
225 39 156 53 
223 39 142 67 
187 40 141 62 


Formosa: Kosempo, Suishario, Kanshirei. 


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Schlangenarten von Formosa. 323 


5. Tropidonotus sauteri Blgr. 
(Ann. Mag. Nat. Hist., Ser. VIII, Vol. 4, 1909, p. 495.) 


Naltrix copei, Van Denburg, Proc. Calif. Acad. Sci. (4) Vol. 3, p. 52 (1909). 
—  sauleri Stejn., Proc. U. St. Nat. Mus., Vol. 38, p. 103 (1910). 


Nach der großen Anzahl der eingesendeten Exemplare zu schließen, scheint diese Art, die keine 
besondere Größe zu erreichen scheint, an einzelnen Lokalitäten überaus häufig zu sein. Das Wiener 
Museum erhielt von Kosempo allein 27 Exemplare, von denen das größte 435 mm lang ist, davon entfallen 
237 auf den Schwanz. 

Von den 7 Supralabialia ist das vorletzte am größten und höchsten. Es variiert an Höhe schr 
bedeutend, reicht zuweilen bis zum Parietale hinauf und trennt das einzige (zuweilen der Quere nach 
geteilte) Temporale der vorderen Reihe von den I bis 2 Schildern der zweiten Reihe vollständig. In diesem 
Falle ist das Temporale der ersten Reihe äußerst klein oder mindestens äußerst niedrig, lineär. Das 3. 
und 4. Supralabiale begrenzen das Auge nach unten. Rostrale breiter als hoch, bei oberer Ansicht des 
Kopfes nur als schmaler Querstreif sichtbar. Internasalia etwas kleiner, namentlich schmäler als die 
Präfrontalia, daher die Sutur zwischen ersteren ein wenig kürzer als die zwischen den letzteren. 

Frontale bedeutend länger als breit, sein Abstand vom vorderen Kopfende übertrifft ein wenig 
seine Länge. 

Die Parietalia sind sehr lang und ihr Abstand vom vorderen Kopfende kommt ihrer Länge gleich. 

4 Infralabialia begrenzen das vordere Kinnschildpaar, welches viel kürzer als das hintere ist. 

1 Präoculare, zuweilen geteilt, und 3, selten 2 Postocularia. Temporalia 1 + 1 — 2, selten 3, das obere 
Temporale der 2. Reihe ist nicht selten der Länge nach vollständig geteilt. 

Schuppenreihen 17, in der Regel sind die Schuppen der untersten Reihe glatt. Anale geteilt, Sub- 
caudalia paarig. 


Die Oberseite des Kopfes und der Seitenabfall desselben mit Ausnahme der Supralabialia braun, 
letztere gelb mit fast schwarzer Umrandung, daher die gelbe Grundfarbe als große Flecken scharf hervor- 
tritt. Gleichsam als Fortsetzung dieser Reihe größerer Supralabialflecken folgt eine viel schmälere bogige 
helle Nackenbinde, die an der Nackenlinie unterbrochen ist. Sehr kleine dunkelbraune Fleckchen, meist 
durch dunklere Umrandung einzelner Schuppen gebildet; am Rumpfe und an den Seiten desselben eine 
Reihe nicht sehr scharf hervortretender größerer heller Fleckchen, die bei älteren Exemplaren in der 
hinteren Längenhälfte des Rumpfes oder vollständig verschwinden. Unterseite des Körpers weißlich mit 
einem scharf hervortretenden Fleck auf jedem Bauch- und Subcaudalschilde am Beginne des aufsteigenden 
Teiles derselben. 


V. 125—131. Subc. 68—84. 


Fundorte auf Formosa: Kosempo, Suishario, Kanshirei, Taihorin. 


Totallänge Schwanzlänge| Ventralia Subecaudalia 

au ie. 2 rn WER ey We EHRE. "3 MUNEERIREAREEESERER 
9 385 mn 95 mm 131 68 
9 385 118 128 81 
g 430 230 129 78 
g 435 237 126 80 
d' 345 112 125 84 
125 75 
130 79 

Von Tyopidonotus pisealor erhielt das Hofmuseum durch einen Hamburger Sammler ein Exemplar von Nord-Formosa; in 


Sauter's Sammlung aus Inner-Formosa ist diese Art durch kein Exemplar vertreten. 


324 Dr. F.Steindachner, 


6. Macropisthodon rudis Blgr. 
Taf. IV. 
Macropisthodon rudis Blgr., Ann. Mag. N. H. (7), XVII, p. 568 (1906). 

— — Werner, Jahrb. Hamb. Wiss. Anst., XXVI, Beiheft 2, p. 212, Fig. 2 (1909). 
Pseudagkistrodon carinalus Van Denb., Proc. Calif. Ac. Sc. (4), Vol. III, p. 51 (1909). 
Macropisthisiodon carinalus (Van Denb.) Stejn., Proc. U. St. N. Mus., V, 38, p. 104 (1910). 
Natrix namiei Masamitsu Oshima, Annot. Zool. Jap., Tokyo, Vol. 7, p. 139 (1910). 


11 Exemplare von Kosempo, Kankau, Suishario und Polisha in H. Sauter’s Sammlung. Als weitere 
formosanische Fundorte dieser Art wären noch zu erwähnen Toroku und Berg Arizan. 

Körperform gedrungen. Kopf dreieckig bei alten Exemplaren, bei jüngeren normal tropidonotusartig, 
kaum mehr als halb so breit wie lang. 

Rostrale bei den von mir untersuchten jüngeren Exemplaren 11/, mal, bei erwachsenen nahezu oder 
genau 2 mal breiter als hoch, von oben nur wenig sichtbar. Sutur zwischen den Internasalia ebenso lang 
oder in der Mehrzahl der Fälle etwas kürzer als die zwischen den Präfrontalia. 

Frontale in der Regel ein wenig länger als breit, ebenso lang oder ein wenig länger als sein Abstand 
vom vorderen Kopfende und mehr oder minder unbedeutend kürzer als die Parietalia. 

2 Lorealia, übereinander gelegen. Bei einem Exemplare sind sie bei stärkerer Entwicklung des 
2. Präoculare durch letzteres voneinander getrennt und zugleich etwas kleiner als normal. 

Präocularia 3, Subocularia 4, Postocularia 3, selten 4 und ein größeres Supraoculare. 

Temporalia schuppenförmig, stark gekielt, 3 bis 4 in erster und in der Regel mindestens 4 in zweiter 
Reihe. 

Supralabialia 7, von denen das 5. und 6. am größten ist. Durch die zusammenhängende Reihe der 
Subocularia sind die Supralabialia von der Bildung des unteren Augenrandes ausgeschlossen. 

Infralabialia 10, das erste Paar derselben stoßt nach innen hinter dem Mentale zusammen. Das erste 
Paar der Kinnschilder ist kürzer und schmäler als das 2. Paar und wird beiderseits nach außen von 4, 
seltener von 5, oder abwechselnd auf einer Seite von 4, auf der anderen von 5 Infralabialia begrenzt. 

Die Schilder auf der Oberseite des Kopfes zeigen sehr kleine warzenförmige Erhöhungen, die 
stellenweise zu kurzen Leistchen zusammenfließen. 

Schuppen der Schläfengegend, des Rumpfes und Schwanzes stark scharf gekielt. Bei dem typischen 
von Boulenger beschriebenen Exemplare aus China bilden sie 25, bei 10 von mir und sämtlichen von Van 
Denburgh untersuchten Exemplaren von Formosa nur 23 Längsreihen. Bei einem von Masamitsu 
Oshima als Natrix namiei n. sp. (= Macropisthodon rudis Blgr.) beschriebenen Exemplare aber, welches 
sich im Museum zu Taihoku befindet und dessen genauerer Fundort und Sammler leider nicht bekannt 
ist, sowie bei einem Exemplare des Wiener Museums von Kosempo, liegen sie gleichfalls in 25 Längsreihen 
geordnet. 

An dem Kopfskelette eines großen Exemplares finden sich im Oberkiefer rechts 10, links 9 Zähne 
vor, auf welche beiderseits ohne größeren Zwischenraum 2 lange, fast horizontal liegende Fangzähne 
folgen. Unterkieferzähne rechts 15, links 16. 

Die Oberseite des Kopfes ist einfarbig braun und durch einen etwas dunkleren Längsstreif, der 
bereits am oberen Rande des Rostrale beginnt und, vom Auge unterbrochen, am Mundwinkel endigt, von 
den heller gefärbten Seitenteilen des Kopfes geschieden. 

Bezüglich der Größe, Form und Lagerung der meist intensiv graubraunen oder grauvioleten Rumpf- 
binden und Rumpfflecken variiert diese Art sehr bedeutend und es stimmen in dieser Beziehung unter 
den mir vorliegenden 11 Exemplaren kaum je 2 genau miteinander überein. 

Eine viereckige, am Vorderrande häufig hell gesäumte Nackenbinde ist stets vorhanden. Auf sie folgen 
bei wenigen Exemplaren noch 2 bis 3 breite, respektive lange Querbinden, die in der Rückenmitte durch 
einen rundlichen oder rhombenförmigen größeren Fleck und an den Seiten durch einen schmalen Quer- 
streif von der helleren (bläulichgrauen oder braunen) Grundfarbe des Rumpfes voneinander getrennt sind. 


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Schlangenarten von Formosa. 825 


Bei anderen Exemplaren schnüren sich die zunächst der Nackenbinde gelegenen Rumpfbinden 
bereits am Rücken bedeutend ein, zeigen daher eine sattelartige Form oder lösen sich vollständig in zwei 
ungleiche Hälften auf, die nach oben voneinander durch einen schlangenförmig gewundenen, bald 
schmäleren, bald breiteren Längsstreif (von der Grundfarbe des Rumpfes) getrennt werden. 

Zuweilen sind die Rumpfbinden teilweise in 3 Fleckenreihen aufgelöst, und zwar in eine mittlere 
Längsreihe rundlicher kleinerer Flecken und in eine paarige seitliche Reihe größerer rundlicher oder 
ovaler Flecken. Diese nehmen gegen das Rumpfende zu in Übereinstimmung mit der Abnahme der Rumpf- 
höhe ziemlich rasch an Höhe, verhältnismäßig aber nur wenig an Länge ab und fließen häufig teilweise 
oder vollständig in Längsstreifen zusammen, wie es am Schwanze regelmäßig vorzukommen scheint. Eine 
Reihe kleiner dunkler Fleckchen liegt ferner auf den 2 bis 3 untersten Schuppenreihen des Rumpfes, und 
zwar alternierend mit den darüber gelagerten großen Flecken oder Binden der Rumpfseiten. 


Fig. 2. 


Fig. 3. - Fig. 4. 


If 


Macropisthodon rudis Blg. 


Fig. 2 seitliche, Fig. 3 untere, Fig. 4 obere Ansicht des Schädels, in 2 mal. Vergr. 


Die Unterseite des Kopfes ist gelblichweiß, die des Rumpfes anfangs spärlich, hierauf aber immer 
dichter, namentlich nächst dem oberen Ende der Bauchschilder grauviolett gesprenkelt, so daß die Bauch- 
schilder wie durch einen dunklen Streif von den Seiten des Rumpfes abgegrenzt erscheinen. In dem 
hintersten Teile der Bauchseite des Rumpfes und auf den Subcaudalia endlich verdrängt die dunkle 
Sprenkelung die helle Grundfärbung fast vollständig. 


326 Dr. F Steindachner, 


Bei einem alten Männchen von etwas mehr als 850 mm Länge, bei dem leider das Schwanzende 
verstümmelt ist, heben sich sämtliche Rumpfflecken nur sehr matt von der schmutzig olivengrünen Grund- 
farbe ab. 

V. 138—155. Sube. 46—57. A. geteilt. 


Totallänge Schwanzlänge | Ventralia Subcaudalia 


| 

g 850 mm ca. 150 nm 155 

2 757 \ 145 148 49 
d 635 115 153 - 55 
2 610 105 146 54 
2 575 114 155 54 
g 510 85 149 48 
d 380 70 151 57 


Achalinopsis n. o. 


Steind., Akad. Anzeiger, Jahrg. 1913, Nr. 12, p. 218 (23. Mai 1913). 


Zunächst verwandt mit der Gattung Achalinus Peters. 
Maxillarzähne 15 von gleicher geringer Größe. Mandibularzähne 16, die mittleren ein wenig länger 


als die übrigen. Kopf nicht deutlich vom Rumpfe geschieden. Auge sehr klein, Pupille rundlich, Nasalia - 


geteilt, Narine am vorderen Nasale gelegen. Loreale und Präocularia fehlend, durch die großen Präfrontialia, 
Postocularia aber durch die Temporalia der ersten Reihe ersetzt. Rumpf in seinem mittleren Längsteile 
deutlich komprimiert. Schuppen lanzettförmig, neben einander gelagert, gekielt, ohne Endgrube, in 
27 Reihen (bei der bisher bekannten Art). Ventralia querüber gerundet. Schwanz von mäßiger Länge, 
zugespitzt. Subcaudalia unpaarig. Hypapophysen längs der ganzen Wirbelsäule entwickelt. 


7. Achalinopsis sauteri n. sp. 


Steind.,l. c., p. 219. — Taf. ], Fig. 1 bis 7. 


Kopf verlängert, schmal. Rostrale bei oberer Ansicht des Kopfes nicht sichtbar, ziemlich klein, breiter 
als hoch. Internasalia zum Teile den vorderen konvexen Abfall der Schnauze bildend, um vieles schmäler 
als die stark in die Breite entwickelten Präfrontalia. Die Sutur zwischen letzteren ist etwas länger als die 
zwischen den Internasalschildern und nahezu so lang wie das Frontale. Das Frontale ist von verhältnis- 
mäßig geringer Größe, breiter als lang und nur halb so lang wie die nach hinten in eine lange Spitze aus- 
gezogenen Parietalia. Ein großes Schild begrenzt den hinteren, das obere Temporale der 1. und 2. Reihe 
den äußeren Rand der letzteren. 

Supralabialia 6, das vorderste derselben ist sehr klein, das letzte sehr groß und auffallend lang. Das 
4. und 5. Supralabiale bilden den unteren Augenrand. Über dem oberen Rande des 1., 2. und einem kleinen 
Teile des 3. Supralabiale liegen die beiden Nasalia, während der seitliche Abfall der Präfontalia nach unten 


bis zum oberen Rande des 3. bis 4. Supralabiale herabzieht und nach hinten den Vorderrand des Auges 
bildet. 


Supraoculare etwas größer als das kleine Auge. Von den beiden Temporialia der vorderen Reihe, die 


unter sich an Größe variieren, reichen bald nur das obere, bald beidenach vorne bis direkt an das Auge; sie 
sind mehr minder wenig kürzer oder ebenso lang wie: die beiden Temporalia der 2. Reihe. 6 Infralabialia 
und ein sehr kleines Mentale. Das erste Paar der Infralabialia stoßt mit seinem Innenrande aneinander und 


ww. 


Schlangenarten von Formosa. 327 


c 


begrenzt mit den folgenden zwei Paaren das vordere Kinnschildpaar, welches etwas kürzer und schmäler 
als das hintere Paar ist, auf welches unmittelbar das erste Bauchschild wie bei den Achalinus-Arten folgt. 

Die Rumpfschuppen decken sich gegenseitig nicht und sind an der Außenseite gewölbt und gekielt. 

Das ungeteilte Analschild ist zirka 2mal länger als das vorangehende letzte Ventrale. Subcaudalia 
einfach. Seiten des Rumpfes olivengrün bis grauviolett, dunkler gegen die Rückenlinie zu. Die Schuppen 
in den 2 bis 3 untersten Längsreihen sind in ihrer hinteren Längenhälfte viel heller gefärbt als in der 
vorderen. 

Die Bauch- und Subcaudalschilder sind mattgelb und am hinteren und oberen Rande grau- oder 
rötlichviolett gesäumt und zwar am weitaus intensivsten am oberen Seitenrande. 


V. 158—184. Subc. 61—83. A. ungeteilt. 


Totallänge des größten Exemplares von Suishario: 756 mm, Schwanzlänge: 121 mm, Totallänge 
des kleinsten Exemplares: 175 mm, Schwanzlänge: 46 mm. 


a) @ V.184, C. 64, Koll. Hans Sauter. 
b) oh MG: KAomn@2620 2 » » 
c) Q V. mer (GE AOTERS » » 
ar Oo M.172 CE 6177» » > 
EIROEV. 154, 2C.707 > » » 
» d NVonlae ERNTFS » » 

8) 106.0, C.78205> » » 
Bea. 170, .€2837 > » » 


8. Pseudoxenodon macrops. (Blyth.) Blgr. 


Taf. II und II. 


Tropidonotus macrops Blyth., Journ. As. Soc. Beng., Vol. XXIII, p. 296 (1855). 

— -—  Gthr., Rept. Brit. Ind., p. 263 (1864). 

— -— Stoliczka, Journ. As. Soc. Beng., Vol. 40, p. 436. 

—  macrophlhalmus Gthr., Rept. Brit. Ind., p. 262, Pl. XXIII, Fig. C. 

— —. Anders, Proc. Z. S. Lond. 1871, p. 77. 

—  sikkimensis Anders., Journ. As. Soc. Beng., Vol. 40, 1871, p. 17. 
Pseudoxenodon macrops Blgr., Faun. Ind. Rept., p. 340 (1890). 

—  sinensis Blgr., Ann. u. Mag. N. HH. (7), Vol. 13, p. 134 (1904). 

—  stejnegeri Barbour, Bull. Mus. Comp. Zool., 1908, Vol. 51, Nr. 12, p. 317. 


10 erwachsene und 4 junge Exemplare von Suishario, 1 halberwachsenes Exemplar von Ranlai-sun 
245 bis 800 m lang. 

Rostrale breiter als hoch, bei oberer Ansicht des Kopfes mäßig sichtbar. Sutur zwischen den Inter- 
nasalia kürzer als die der Präfrontalia. Frontale fast ebenso breit wie lang, ebenso lang oder ein wenig 
kürzer als sein Abstand vom vorderen Kopfende, kürzer als die Parietalia, deren Länge übrigens variabel 
ist und bald nahezu ihrer Entfernung vom vorderen Kopfende, bald fast nur vom hinteren Rande der 
Internasalia gleicht. 

1 Prä-, 3 Postocularia. Bei 2 Exemplaren zeigt sich am Präoculare, das nur sehr wenig oder nicht auf 
die Oberseite des Kopfes übergreift, eine Längsfurche in seiner Höhenmitte. Loreale ebenso lang wie hoch, 
oder ein wenig höher als lang, dreieckig mit abgerundeter oberer Spitze oder mehr minder regelmäßig 
viereckig. 


Temporalia 2 + 2, das obere der vorderen Reihe in der Regel sehr bedeutend kleiner und kürzer als 
das untere. 


Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC. Bd. 45 


328 Dr. F. Steindachner, 


Supralabialia 8, von denen das 4. und 5. den unteren Augenrand bilden und das vorletzte am 
höchsten ist. Bei erwachsenen Exemplaren ist die Augenlänge der Hälfte der Schnauzenlänge gleich. 
Nasale halb oder vollständig geteilt. 

9 bis 10 Infralabialia, das erste Paar derselben am Innenrande aneinander stoßend. 4 bis 5 Infra- 
labialia begrenzen nach außen das erste Paar der Kinnschilder, das ebenso lang oder etwas kürzer als 
das hintere Paar ist. Nacken ausdehnbar. Anale geteilt. 19 bis 21 Schuppenreihen in der Nackengegend, 
17 bis 19 (20) im mittleren und 15 im hintersten Teile der Rumpflänge. Schuppen der oberen Reihen 
zart gekielt. Schuppen der mittleren Seitenreihen des Rumpfes schmal, sehr u gestellt, dachziegel- 
förmig sich deckend. 

Die gelblichen oder weißlichen Snpralablie sind seitlich dunkel gerandet. Eine dunkle Längsbinde 
zieht vom hinteren Augenrande zum Mundwinkel und ist oben breit hellgerandet. Ä 

Eine zuweilen nur sehr schwach angedeutete A förmige, dunkle Binde liegt am Nacken; ihre 
vordere Spitze reicht nach vorne bis zum hinteren Ende der Parietalia oder noch ein wenig über dasselbe 
hinaus. 

Eine Reihe mehr minder schmaler ovaler oder auch querbindenähnlicher Flecken von rötlicher oder 
gelblicher Färbung zieht längs der Rückenmitte hin. Diese hellen Flecken sind häufig am vorderen und 
hinteren Rande dunkler gesäumt, als es die Grundfarbe des Rückens ist. Am unteren seitlichen Ende 
derselben liegt ein mehr minder intensiv schwarzer, bald größerer, bald kleinerer, rundlicher oder zu einem 
kurzen Querstreif verlängerter Fleck, der nur bei einem der uns aus Formosa vorliegenden Exemplare in 
der ganzen vorderen Rumpfhälfte vollständig fehlt. Bei eben diesem Exemplare von Rantai-sun sind auch 
einige der letzten hellen Rückenflecken äußerst klein und stark verschwommen. 

Bei der Mehrzahl der von uns untersuchten Exemplare endigt übrigens die Reihe der (isolierten) 
hellen Rückenflecken in mäßiger Entfernung vor dem Beginne des Schwanzes und es schließt sich dann 
an sie ein gleich heller, medianer Längsstreif an, der bis zum Schwanzende ununterbrochen fortläuft und 
sich anfänglich stellenweise querüber ein wenig verbreitert. Da unter diesen Erweiterungen auch je ein 
kleines schwarzes Fleckchen ähnlich wie bei den vorangehenden größeren hellen Rumpfflecken liegt, ist 
wohl anzunehmen, daß dieser mediane helle Rumpf- und Schwanzstreif aus der Verschmelzung und Ver- 
längerung der letzten an Breite ab-, an Länge aber zunehmenden hellen Rumpf- und sämtlicher Schwanz- 
flecken hervorgegangen ist. 


Ein tiefschwarzer, schmaler (linienförmiger) Streif begrenzt den Außenrand des 3. bis 5., zuweilen 


“ auch den des 6. Bauchschildes, der mit oder ohne Unterbrechung nach hinten in die unbedeutend höher 
gelegene Reihe matt grauvioletter Flecken übergeht, die am oberen Ende des aufsteigenden Teiles aller 
übrigen Ventralia und Subcaudalia, und zwar je einer auf jedem Schilde liegen. Diese Flecken nehmen 
gegen das hintere Körperende allmählich an Umfang, namentlich an Höhe ab und fließen häufig am hinteren 
Teile des Rumpfes, stets aber am Schwanze zu einer Längsbinde zusammen, die auf letzterem sich linien- 
förmig verschmälert. 

An diese Fleckenreihe schließt sich unmittelbar nach oben eine Reihe heller Fleckchen an, die zum 
Teile noch am Rande des aufsteigenden Astes der Ventralia sowie der Subcaudalia und zum Teile aut 
der unteren Hälfte der untersten Schuppenreihe des Körpers liegen, erst deutlich in einiger Entfernung 
hinter der Halsgegend beginnen und gleich den Flecken der unteren dunklen Reihe noch vor dem hinteren 
Rumpfende und am Schwanze zu einem linienförmigen Streifen zusammenfließen. Die flache Unterseite des 
Rumpfes ist bei älteren Exemplaren selten, bei jüngeren häufiger einfarbig gelb, die des Schwanzes grau. 
In der Regel liegen auf den vorderen Bauchschildern in ungleichen Abständen voneinander intensiv 
schwarzbraune Querbinden, die sich hie und da zuweilen in zwei Hälften trennen. Hierauf folgen nach 
hinten durch weitere Auflösung eine mehr oder minder geringe Anzahl gerundeter dunkler Flecken; auf 


1 Auch bei den 3 im Wiener Museum befindlichen Exemplaren von Darjeeling und Pegu aus Stoliczka’s Sammlung liegen 


19 Schuppen querüber in der Gegend der größten Rumpfhöhe und 19 bis 21 am Nacken. 


u 


Schlangenarten von Formosa. 329 


dem restlichen, doch weitaus größten Teile der Bauchseite endlich liegen verschwommene, dunkel grau- 
violette Pünktchen in mehr minder großer Menge zerstreut, die am hinteren Rande der Ventralia sich bei 
manchen Exemplaren besonders dicht aneinander drängen. 

Bei völliger Übereinstimmung mit den soeben beschriebenen Exemplaren in der Zahl und Größe der 
Kopfschilder, der Schuppenreihen des Rumpfes, der Ventralia und Subcaudalia glaube ich ein in der 
Grundfärbung des Rumpfes und in der Zeichnung desselben abweichendes Exemplar von Suisharyo, 
welches auf Tafel III abgebildet ist, als eine Abart von Psendoxenodon macrops als var. sauteri unter- 
scheiden zu sollen. 

Bei diesem Exemplare ist die Oberseite des Kopfes, der Rücken sowie die Seiten des Rumpfes matt- 
braun. In der Nackengegend macht sich die etwas dunklere, gleichförmige Zeichnung nur wenig bemerkbar. 

Hierauf folgen am Rücken zuerst einige, nur 2 bis 3 Schuppenlängen einnehmende, nicht scharf 
hervortretende dunkelbraune Querbinden von mäßiger Breite, die etwas schmäler als die sie trennenden 
Zwischenräume (von der Grundfarbe des Rückens) sind. Die nächstfolgenden Querbinden nehmen allmählich 
an Länge ab und ändern in der hinteren Längenhälfte des Rumpfes auch ihre Form, indem sie sich bogen- 
artig derart krümmen, daß auf einen nach vorne konvexen Querbogen ein nach vorne konkaver Bogen 
folgt. Kurz vor dem hinteren Rumpfende verschwinden sie vollständig. 

Alternierend mit diesen Rückenbinden folgt nach unten an den Seiten des Rumpfes eine Reihe mehr 
minder rundlicher dunkelbrauner Flecken, die dort, wo die Rückenzeichnung eine bogige Form annimmt, 
den zwischen je aufeinanderfolgenden Bogen gelegenen Zwischenraum (von der Grundfarbe des 
Rückens) nach unten mehr minder unvollständig abschließt. 

Eine dunkle, etwas schräg gestellte Binde zwischen dem hinteren Augenrande und dem Mundwinkel, 
über dieser eine helle Zone; eine Reihe grauvioletier Fleckchen am aufsteigenden Teile der Ventralia und 
Subcaudalia und unmittelbar darüber eine Längsreihe heller Flecken, welche beide Fleckenreihen zirka von 
der Längenmitte des Rumpfes an eine zusammenhängende Längslinie bilden; endlich im vorderen Längen- 
drittel des Rumpfes auf der Bauchfläche, vom 6. oder 7. Ventrale an, eine Anzahl dunkelbrauner Querbinden, 
die dann weiter zurück sich querüber in zwei Hälften trennen und zuletzt sich in Flecken auflösen wie 


Fig. 5. 


Pseudoxenodon macrops. 
Fig. 5. Seitliche, Fig. 6. Untere, Fig. 7. Obere Ansicht des Kopfes in natürl. Größe. 


bei typisch gezeichneten Exemplaren von Pseudoxenodon macrops. Bei var. sauteri fehlen somit nur 
die für den Typus von Ps. macrops so charakteristischen quergestellten hellen ovalen Flecken oder 
kurzen Querstreifen des Rumpfes. 

Das hier beschriebene Exemplar der Var. sauteri ist 675 mm lang bei einer Schwanzlänge von 
146 mm. Ventralia 152; Subcaudalia 65. Schuppen in der Nackengegend in 19, im mittleren Teile der 
Rumpflänge in 20 Reihen. 

Analschild geteilt. 

Die Zahl der Ventralia schwankt bei den aus Formosa bekannten Exemplaren von Pseudorenodon 
macrops zwischen 150 bis 162 (bei den im Britischen Museum befindlichen Exemplaren aus den Himalaya- 


330 Dr. F. Steindachner, 


gegenden, dem südwestlichen China und von Burma nach Boulenger zwischen 158 bis 173), die der 
Subcaudalia zwischen 61 bis 74 (bei den erwähnten Exemplaren des Britischen Museums zwischen 
55 bis 75). 


Totallänge |Schwanzlänge| Ventralia | Subcaudalia Totallänge |Schwanzlänge | Ventralia | Subcaudalia 
g 822 mm 172 mm 154 66 g 517 mm I5 mm 155 62 
2 810 160 157 62 d 346 61° 155 66 
0 800 145 157 62 g 271 50 151 61 
2 777 162 dg 303 65 150 74 
. 2 730 122 159 64 265 60 150 68 


Tbom. Barbour beschreibt in »Bull. of the Museum of comparat. Zool. at Harvard College«, Vol. 51, 
p. 317 bis 318 (1908), eine neue Pseudoxenodou-Art, Ps. stejnegeri, nach einem einzigen Exemplar von 
Mt. Arizan in Zentralformosa. Diese Art unterscheidet sich angeblich von Ps. dorsalis Gth., welche 
Barbour für die nächstverwandte Art hält, durch das Vorkommen von 2 Präocularia, in der Zahl der 
Ventralia (153), Subcaudalia (60) und in der Zeichnung, während sie doch nach der Zahl der Ventralia, 
Subcaudalia sowie insbesondere nach den Schuppenreihen des Rumpfes genau mit Ps. macrops Blyth. 
übereinstimmt, somit mit dieser Art zunächst verglichen werden sollte. 


Bei Pseudoxenodon stejnegeri Barb. sind wohl wie bei P. dorsalis Blgr. nur ein Präoculare entwickelt, 
doch zeigt die bei.einigen wenigen formosanischen Exemplaren unserer Sammlung von P. macrops bemerk- 
bare Furchung längs der Höhenmitte des Präoculare die Disposition zu einer Trennung in zwei Hälften. 

Da auch bei der hier beschriebenen Var. sauteri die schmalen hellen Querbinden oder Flecken 
am Rücken nicht entwickelt oder erloschen sind, fehlt somit bei dem als Ps. stejnegeri unterschiedenen 
Exemplare von Mt. Arizan in Zentralformosa überdies die bei dem mir vorliegenden Exemplare der 
Var. sanuteri noch mehr minder deutlich erhaltene dunkle, vordere und hintere Einfassung der erloschenen 
gelben Rückenflecken, während bei letzterer Abart, wie bei Ps. stejnegeri, die Reihe der dunkleren Seiten- 
flecken erhalten bleibt. ; 

Ich halte es daher für sehr wahrscheinlich, daß P. stejnegeri, dessen Abbildung und Beschreibung 
in »Proc. New Engl. Zool. Club«, Vol. IV, p.67, pl.7, Fig. 8 (1909), mir leider nicht zugänglich ist, nur 
als eine weitere Abart von P. macrops zu deuten sei, da sie wie diese Art in der Nackengegend 19, in 
der Mitte der Rumpflänge 17 Schuppenreihen zeigt und die Zahl der Ventralia 153, die der paarigen Sub- 
caudalia 68 beträgt. 


In »Ann. & Mag. Nat. Hist.«, Ser. 7, Vol. 13, p. 134 (1904), beschreibt Dr. Boulenger eine neue 
Pseudoxenodon-Art nach Exemplaren von China als Ps. sinensis, diesich von P. macrops durch die geringere 
Anzahl von Ventralschildern (144 bis 158, gegen 160 bis 175 bei P. macrops) und das häufige Vor- 
kommen von nur 7 Supralabialia unterscheiden soll. Da aber bei den von mir untersuchten ebenso großen 
formosanischen Exemplaren von Ps. macrops die Zahl der Ventralia zwischen 154 und 162 schwankt, bei 
jungen Individuen sogar nur 150 bis 155 beträgt, die Rumpfschuppen wie bei Ps. sinensis in der Regel in 
17 Längsreihen liegen und zuweilen auch 3 Supralabiala entwickelt sind, läßt sich keine scharfe Grenze 
zwischen diesen beiden Arten ziehen. Dem Mangel von dunklen viereckigen Flecken im vorderen Teile 
der Bauchseite kann wohl kaum die Bedeutung eines speziellen Unterscheidungsmerkmales beigelegt 
werden, zumal wenigstens bei einigen jungen und wenigen alten Exemplaren von P. macrops (aus Formosa) 
der Wiener Sammlung die Bauchseite gleichfalls vollkommen ungelfleckt ist. Nebenbei sei bemerkt, daß die 
nunmehr zu Ps. sinensis Blg. bezogene Exemplaren von Kia-ting-fu aus der Sammlung Pratt früher von 
Dr. Günther und Dr. Boulenger selbst zu Ps. macrops bezogen worden waren (s. Catal. of Snak. Brit. 
Mus,, Vol. I, p. 271). 


ae 


Schlangenarten von Formosa. 331 


g. Dinodon rufozonatus (Cant.). 
Lycodon rufozonatus Cantor, Zool. Chusan, pl. XI (1840). 
Dinodon cancellatum D. B., VII, p. 447 (1854). 
—  rufozonalus Peters, Sitzb. Ges. naturf. Freunde, 1881, p. 89, Blgr, 
— — var. formosana Böttg., Ber. Offenb. Ver. Nat., 24 bis 25, 1885, p. 124. 
—  rufozonalum Stejn., Herpet. of Japan, p. 358. 


— — Masamitsu Oshima, Annot. Zool. Jap., Bd. 7, p. 1910 (»An Annot. List of Formos. Snakes «). 


Über ganz Formosa verbreitet. Das Wiener Hofmuseum besitzt zahlreiche Exemplare von Kosempo, 
Suishario, Kankau und Kanshirei, das Museum in Taihoku (oder Taipeh) von Horisha, Shinko, Taihoku 
und Banshiro, Kagi. Die von uns untersuchten Exemplare sind 355 bis 1030 mm lang. Das Rostrale greift 
dreieckig auf die Oberseite des Kopfes über und schiebt sich zwischen die Internasalia ein, deren Sutur, 
hiedurch verkürzt, viel kürzer als die der viel größeren Präfrontalia ist. 

Frontale ebenso lang wie breit oder nur unbedeutend länger als breit, ebenso lang oder merklich 
kürzer als sein Abstand vom vorderen Kopfende und viel kürzer als die Parietalia, die am hinteren Rande 
abgestutzt sind. 

1 Prä-, 2 Postocularia. Das Loreale ist mehr minder bedeutend länger als hoch und beteiligt sich bei 
keinem der von uns untersuchten Exemplare aus Formosa an der Bildung des vorderen Augenrandes. 

2 +3 Temporalia; das obere der Temporalia in der 2. Reihe ist kleiner als die nach unten folgenden 
Temporalia derselben Reihe und zugleich viel kürzer als jedes der beiden Temporalia der 1. Reihe. Supra- 
labialia jederseits 8. Nur bei 1 Exemplare sind links 9, rechts 8 Supralabiala entwickelt. In der Regel 
begrenzen das 3., 4. und 5. Supralabiale das Auge nach unten, und zwar das erste nur wenig mit seinem 
oberen hinteren spitzen Ende. Seltener bilden nur das 4. und 5. oder das 5. und 6. Supralabiale den unteren 
Augenrand, Infralabialia 10, selten 11; das 1. Paar derselben stoßt hinter dem Mentale aneinander. 5 Infra- 
labialia begrenzen das 1. Kinnschildpaar, welches etwas länger und breiter als das 2. ist. Nasale geteilt. 
Oberseite des Kopfes wie die Rumpfbinden nahezu tiefschwarz oder sehr dunkel grauviolett. Seitenabfall 
des Kopfes hell weißlichgrau oder weißlich mit einem Stich ins Gelbliche. Die vorderen Supralabialia sind 
zuweilen seitlich dunkel gerandet. Ein schmaler Ausläufer der dunklen Färbung der Oberseite des Kopfes 
zieht über die Postocularia schräge zum Mundwinkel und ein 2. viel breiterer von der hinteren Längen- 
hälfte des Außenrandes der Parietalia schräge nach hinten und unten zur Halsgegend herab. 

Die vorderste, am Nacken gelegene Rumpfbinde ist größer als die übrigen und am vorderen Rande 
oval gerundet. Bei jungen Individuen reicht sie jedoch zuweilen durch einen spitzwinkeligen medianen 
Ausläufer bis zum hinteren Ende der Parietalia; in der Regel aber trennt dieNackenbinde eine schmale bogige 
Zone scharf von der hellen Grundfarbe der Rumpfseiten und von der schwärzlichen Oberseite des Kopfes. 

Die auf die Nackenbinde folgenden gleichfalls schwärzlichen viereckigen Rückenbinden nehmen 
unter sich nur unbedeutend an Größe ab oder auch zu; erst kurz vor dem Beginne des Schwanzes werden 
sie bis zur Schwanzspitze regelmäßig und rascher kleiner. Die Zahl der Rückenbinden, die durchschnittlich 
nur durch einen Zwischenraum von der Länge einer Schuppe voneinander getrennt sind, schwankt bei 
den von uns untersuchten 13 Exemplaren von Formosa zwischen 55 bis 62 am Rumpfe und 26 bis 35 am 
Schwanze, somit im ganzen zwischen 82 bis 97. 

Auf diese mediane Reihe großer Flecken und mit ihnen alternierend folgt nach unten eine zweite 
Reihe kleiner Flecken, die unter sich an Größe und Form variieren, bis auf die unterste Schuppenreihe des 
Rumpfes herabreichen und am Beginne des Schwanzes verschwinden. 

Auf dem aufsteigenden Aste des bei weitem größten Teiles der Ventralia liegt je ein dunkel grau- 
violetter Fleck, der nicht auf die ganz einfärbige, helle Bauchfläche des Rumpfes übergreift, während am 
ganzen Schwanze die entsprechenden Flecken der Subcaudalia sich auchüber die Unterseite des Schwanzes 
erstrecken und mit der entgegengesetzten Seite entweder vollständig zu einer Querbinde vereinigen oder nur 
durch eine zarte helle Linie an der Unterseite des Schwanzes voneinander getrennt erscheinen. Bei jungen 


332 Dr. F.Steindachner, -, 


Individuen sind nur am ‚aufsteigenden Aste der vordersten Ventralia vereinzelte Spuren von dunklen 
Fleckchen bemerkbar. ’ 

Rumpfschuppen in 17 Reihen. Im hintersten Teile des anne sind die Schuppen der mittleren 
3 Längsreihen sehr schwach gekielt, wie schon a DER im seiner großen Abhandlung über die Her- 
petologie Japans (p. 359) hervorhebt. : 

Ventralia: 192 bis 216 (bei den von Masamitsu Oki untersuchten von Ako, 
Koshun und Kagi 190 bis 205). Subcaudalia: 79 bis 87 (nach den Exemplaren des Formosaner Museums 
61 bis 86). 


Mediane Querbinden am 


Totallänge Schwanzlänge Ventralia Subcaudalia 
Br Rumpfe Schwanze 
785 mm 180 mL 199 TI ae 56 26 
870 200 204 BE ae |; 58 28 
1022 220 204 ? 84 al _ i _ x 
2 1020 220 - 205 87 62 Era 
772 Las 200 86 ‚62 | BarıR un 
', 355 75 212 84 55 ern * 


'10. Dinodon septentrionalis Gthr. 


‚Var. ruhstrati Fischer. 


7 Exemplare von Suishario und Kosempo bis zu 1030 mm Länge. | 

Rostrale breiter als hoch, von oben nur wenig Sichtbar. Sutur zwischen den Internasalia kürze 5 
die zwischen den Präfrontalia. Frontale ein wenig länger als breit, ebenso lang wie sein Abstand vom 
vorderen Kopfende, kürzer als die Parietalia, deren Länge ihrem Abstande vom vorderen Kopfende gleicht. 
Nasale geteilt. Loreale länger als hoch. 1 Präoculare, den vorderen Augenrand bildend. 2 Postocularia. 
Temporalia.2 + 3, selten 2. Oberlippenschilder 8, das-3.,4: und 5. das Auge nach unten begrenzend. In 
der Regel ist das 2. Paar der Kinnschilder ebenso. lang’ wie das vordere oder nur unbedeutend Fe 
5 Infralabialia liegen am Außenrande des ersten Kinnschildpaares. 

Schuppen in-17 Reihen, von denen die der 3 bis 4 unteren Längsreihen nicht gekielt sind. Yeniralia 
212 bis 233. Subeaudalia 104 bis 116, nach Masamitsyu Oshima bei usmplane von Shinchiku und 
Koroton 81 bis 103. 

Anale ungeteilt. 


Die Oberseite des Kopfes ist bei erwachsenen Individuen bis zum hinteren Ende desselben mehr 
minder intensiv schokoladefarben, zuweilen ebenso dunkel wie die Nackenbinde und in vielen Fällen heller 
braun gesprenkelt. 

Abweichend hievon ist bei einem jungen Exemplare von Suishario nur die vordere Hälfte der ice 
seite des Kopfes bis zum hinteren Ende des Frontale und bis zum hinteren Rande der Supraorbitalia tief 
schwarzviolett wie die Rückenbinde, die hintere Hälfte der Kopkckeigeite perlgrau und nach vorne wie 
nach hinten scharf abgegrenzt. 

Bei einem Exemplare von Kosempo ist die Oberseite des Vorderkopfes dunkelviolett, die des Eike 
kopfes heller bräunlich. Supralabialia gelblich, am Seitenrande dunkel gesäumt. 2 

Rumpf und Schwanz oben und seitlich mit zahlreichen, intensiv braunvioletten Querbinden, die in dem 
vorderen, weitaus größten Teile der Rumpflänge nur bis auf den aufsteigenden Teil der Ventralia, weiter 
zurück gegen das Rumpfende zu sich ein wenig über die Unterseite des Rumpfes ausdehnen oder daselbst 
durch dunkle Fleckchen ersetzt werden, während am Schwanze selbst die Rückenbinden in der Regel auf 
die Bauchseite ihrer ganzen Breite nach übergreifen und geschlossene Ringe bilden. 


Schlangenarten von Formosa. 333 


Von den Rumpfbinden ist die vorderste, die Nackenbinde weitaus am größten und längsten; die 
nächstgelegenen 4 bis5 Querbinden nehmen ziemlich gleichförmig rasch, die hierauf folgenden Rücken- 
binden aber nur sehr wenig an Umfang ab, während sie zugleich allmählich weiter auseinanderrücken, so 
daß am hinteren Teile des Rumpfes die Rückenbinden schmäler als die sie trennenden Zwischen- 


räume sind. 


Die Seitenränder der Rückenbinden mit Ausnahme der vordersten sind mehr minder stark aus- 


‚gezackt oder eingeschnürt. Diese Einschnürungen führen bei manchen größeren Exemplaren zur völligen 


Trennung des seitlich gelegenen Teiles der Rückenbinden in 1 bis 2 selbständige, übereinander gelagerte 
Fleckenreihen, in welch letzterem Falle die Flecken der oberen Reihen mehr minder langen und ziemlich 
niedrigen Längsstrichen gleichen, während die Flecken der. unteren Reihe häufig eine rundliche oder längs- 
ovale Form zeigen und der Höhe nach sich nur über den aufsteigenden Teil der Ventralia und die unterste 
Schuppenreihe des Rumpfes ausbreiten, hie und da auch gänzlich verschwinden. 

Zwischen den Rückenbinden, und. mit ihnen alternierend, ist endlich. eine Reihe dunkler runder 
Flecken entwickelt, die wie der unterste, manchmal abgelöste Teil der Rückenbinde nur über den auf- 
steigenden Teil der Ventralia und die darüberliegende Schuppenreihe sich hinzieht, jedoch erst hinter den 
ersten Rückenbinden beginnt und am Schwanze fehlt. 

Die schmalen Zwischenräume zwischen den vorderen Rückenbinden sind einfarbig hellperlgrau oder 


'schmutzigweißlich; weiter zurück werden sie, wie schon erwähnt, allmählich breiter und der ganze 


mittlere Teil derselben nimmt eine mehr minder dunkle mattgraue oder braunviolette Färbung an, die 


"durch die Aneinanderhäufung oder dichte Sprenkelung mit dunkeln Punkten veranlaßt wird, die allmählich 


die helle Grundfarbe bis auf eine linienförmige Umrandung der Rückenflecken verdrängen kann. 

Bei einem großen Exemplare von Suishario ist die auffallend lange Nackenbinde bis auf einen 
schmalen medianen Rückenstreif und bei einem zweiten Exemplare vom gleichen Fundorte vollständig in 
2 Längshälften ‚gespalten; es sind zugleich die 2 bis 3 folgenden Rückenbinden verhältnismäßig kürzer als 
bei allen übrigen Exemplaren und bei dem ersteren Exemplare mit nicht vollständig getrennter Nacken- 
binde und auffallend kurzer 2. Binde nehmen zugleich die Rückenbinden von der 2. bis zur 4. ziemlich 
rasch an Größe zu statt ab. | 


Die Zahl der Rückenbinden schwankt zwischen .38 bis 41, die der Schwanzbinden zwischen 22 
bis 25. 


s e ? Ba | Querbinden 
Totallänge Schwanzlänge Ventralia Subeaudalia 
j 1 | am Rumpfe am Schwanze 
2 1030 mm 241 mm 233 104 38 24 
670 165 212 107 41 22 
9 880 222 216 116 38 24 
2 673 167 127 105 38 25 


ıı. Zoacys nigromarginatus (Blyth.) Gthr. 


6 Exemplare von Kosempo, Taihorin und Kankau. Die oberen 4 bis 6 Schuppenreihen des Rumpfes 
mit Ausschluß der Halsgegend gekielt. | 


Rostrale breiter als von oben sichtbar. Nasale geteilt. Ein Loreale länger als hoch. Sutur zwischen 
der Internasalia kürzer als die zwischen den Präfrontalia. Frontale an Größe variabel, bei 1 Exemplare 
gleicht die Breite desselben am Vorderrande seiner Länge; bei anderen ist das Frontale länger als breit, 
ebenso lang oder kürzer als die Parietalia, ferner ebenso lang oder ein wenig kürzer als sein Abstand vom 
vorderen Kopfende. 


334 „Dr. Fr. Steindachner, 


1 Präoculare und unter diesem ein kleines Suboculare, 2 Postocularia. Temporalia 2 + 2, das untere 
Temporale der 2. Reihe der Länge nach geteilt. 8 bis 9 Supralabialia, das 4. und 5. oder das 5. und 6. an 


das Auge stoßend. 4 bis 5 oder 5 bis 6 Infralabialia begrenzen das vordere Kinnschildpaar, welches kürzer . 


als das hintere Paar ist. Schuppenreihe 16. Anale geteilt. Subcaudalia paarig. 

Diese Art war bisher nicht aus Formosa bekannt. Ventralia bei den formosanischen Exemplaren: 
195 bis 204, Subcaudalia: 135 bis 144. 

Körperzeichnung normal, doch verschwinden die beiden seitlichen dunkelbraunen Längsbinden all- 
mählich nach oder selbst vor der Längenmitte des Rumpfes. 


Totallänge Schwanzlänge | Ventralia | Subcaudalia 

& 2110 mm 675 mm 197 144 

g 1478 5083 204 135 

021170 385 195 139 

9 1565 Al® ar, 195 (88) 
(mit Stummelschw.) (Stummelschw.) 


L. Stejneger führt auch fide Werner Zoacys dhummnades als eine auf Formosa (bei Tamsui) vor- 
kommende Art an; die uns von Sauter eingesendete herpetologische Sammlung aus Formosa enthält kein 
Exemplar dieser Art, die sich übrigens von Z. nigromarginatus nur durch die geringere Anzahl der Sub- 
caudalia unterscheidet (!), die aber bekanntlich mehr minder variabel ist. Nach D. Boulenger kommen 
auch bei Z. dhummades (2 bis) 4 Reihen gekielter Schuppenreihen am Rücken vor gegen 4 bis 6 bei 
Z. nigromarginatus. Zahl der Ventralia bei Z. dhummades nach den bisher untersuchten Exemplaren 187 
bis 199, die der Subcaudalia 96 bis 120. Ventralia bei Z. nigromarginatus: 190 bis 205, Subcaudalia: 123 
bis 144. - 

Meiner Meinung nach könnten daher diese beiden Arten in eine einzige Art (Z. dhummades Cant.) 
vereinigt werden. 


12. Zamenis (Ptyas) korros (Schleg.). 


3 Exemplare von Kosempo, Kankau und Taihorin. Nur bei einem dieser Exemplare ist der Schwanz 
vollständig, bei den 2 anderen verstümmelt. 


Lorealia 2 bis 3 (1 + !/,). Nasale geteilt. Frontale ebenso lang wie sein Abstand vom vorderen Kopf- 
ende, etwas mehr als 11/,mal länger als breit, kürzer als die Parietalia. Supralabialia 8, das 4. und 5. ans 
Auge stoßend, 1 bis 2 Prä-, 1 Suboculare, 2 Postocularia, Temporalia 2 + 2. Rostrale breiter als hoch, von 
oben sichtbar. 5 

Schuppen in 15 Reihen. Anale geteilt. 


V. 261 bis 168. Sube. bei dem intakt erhaltenen Exemplare 121. 


13. Zamenis mucosus.(Lin.) Blgr. 


Coluber mucosus Linn., S. N. I, p. 388 (1766). 
Natrix mucosus Laur., Syn. Rept., p. 77 (1768). 
Coryphodon blumenbachii D. B., Erpet. gen., VII, p. 184 (1854). 
Plyas mucosus Cope, Proc. Ac. Phil., 1860, p. 563. 

—  —  Gthr., Rept. Brit. Ind., p. 249 (1864). 
Zamenis mucosus Blgr., Faun. Ind., Rept., p. 324 (1890). 
Plyas mucosus Stejn., Herpet. of Japan in. »U. St. N. Mus. Bullet 58«, p. 345 (1907). 

Masamitsu Oshima, An Annotated List of Formosan Snakes in Annot. Zool. Jap.-Tokyo, VII, p. 194 (1910). 


ne et ee ee rer 6 


re 


Schlangenarten von Formosa. 335 


Zamenis mucosus Böttg., Kat. Schl. Mus. Senckenberg, 1898, p. 41. 
—  — Werner, Neue oder seltene Rept. und Frösche, Mitt. aus d. Nat. Mus., 2. Beiheft zum Jahrb. der Hamb. Wissensch. Anst., 
XXX, p. 46 (1913). 


Von dieser Art wurde dem Wiener Museum durch H. Sauter kein Exemplar eingesendet. Das 
britische Museum besitzt je 2 auf Formosa von Swinhoe gesammelte Exemplare, das Museum Sencken- 
bergianum in Frankfurt 1 Exemplar von Taiwan-fu in Südformosa, das Museum in Taihoku (Taipeh) 
Exemplare von Koshun, Kagi, Korisha und Hoppo, das Museum in Hamburg Exemplare von Kosempo 
(Koll. Sauter). 


14. Coluber porphyraceus Cant. 


Elaphe porphyracea V. Denb., Proc. Calif. Acad. (4), Vol. III, p. 53 (1909). 
— — Stejn., Proc. U. St. Nat. Mus., Vol. 38, p. 105 (1910). 
Liopeltis kawakami Masamitsu Oshima, Annot. Zool. Jap., Tokyo, Vol. 7, p. 193 (1910). 


Zahlreiche Exemplare von Kosempo, Taihorin, Alikang, Suishario und Fushoho bis zu einer Total- 
länge von 1060 mm. Das Museum von San Francisco in Kalifornien erhielt gleichfalls durch Sauter 
Exemplare von Kanshirei, Shinchiku und Giran (Formosa). 

Kopf nicht deutlich vom Rumpfe abgesetzt, durchschnittlich 2mal länger als breit. Rostrale mehr als 
1?/, mal breiter als hoch, von oben sichtbar. Nasale geteilt. Sutur zwischen den Internasalia viel kürzer als 
die zwischen den Präfrontalia. Die Länge des kleinen Auges gleicht 1/, seines Abstandes vom vorderen 
Kopfende. 

Frontale länger als breit, ebenso lang oder unbedeutend länger als sein Abstand vom vorderen Kopf- 
ende. Präoculare mit seiner oberen Spitze mit dem Frontale in Berührung. 

2 Postocularia. Temporalia 1 + 2. Oberlippenschilder 8, das 4. und 5. begrenzt das Auge nach unten. 
18 Infralabialia. 4 bis 5 Infralabialia am Seitenrande des ersten Kinnschildpaares, welches etwas länger als 
das hintere Paar ist. Schuppen glatt, in 19 Längsreihen. Anale geteilt. 

Der am hinteren Augenrande beginnende dunkle Längsstreif zieht sich bei den meisten der von uns 
untersuchten Exemplaren aus Formosa ununterbrochen bis zum hinteren Schwanzende fort, löst sich 
jedoch zuweilen bei alten Exemplaren am Rumpfe in eine Reihe von punktartigen Fleckchen auf, die dicht 
gedrängt nebeneinander liegen oder durch mehr oder minder kurze Zwischenräume voneinander getrennt 
sind. Nur bei wenigen Individuen seizt sich der Augenstreif bis zur 2. oder 3. Querbinde des Rumpfes fort. 

Die Zahl der Querbinden am Rumpfe beträgt 12 bis 13, die der Schwanzbinden 4 bis 5. 


Totallänge Schwanzlänge| Ventralia Subcaudalia 
& 1060 mm 191 203 61 
g 1006 192 210 74 
d 3825 150 214 69 


15. Coluber taeniurus (Cope) Blgr. 


Elaphis taeniurus Cope, Ac. Philad., 1860, p. 565. 
Elaphe laeniura Stejn., Herpet. Japan, 1907, p. 310. 


Ein junges Exemplar, 9, von Suishario, ein völlig erwachsenes Exemplar, ©, 1960 mm lang, von 
Byoritsu. 

Bei dem kleineren Exemplare von 497 mm Länge ist das Rostrale bei oberer Ansicht des Kopfes nur 
sehr wenig, bei dem großen aber verhältnismäßig bedeutender sichtbar, stets breiter als hoch. Die Sutur 


zwischen den Internasalia ist zirka 3mal kürzer als die zwischen den Präfrontalia und das Frontale bei dem 


Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC. Bd. 48 


336 Dr. F. Steindachner, 


kleinen Individuum ebenso lang, bei dem großen merklich kürzer als sein Abstand von dem vorderen 
Kopfende. 

Das Präoculare steht nur bei dem großen Exemplare in Berührung mit dem Frontale, nicht bei dem 
jungen Individuum. Das kleine Subpräoculare liegt über dem 4. und 5. Supralabiale. 2 Postocularia. 

Supralabialia 9, bei dem alten Exemplare auf der linken Kopfseite 10, von denen das 5. und 6,, 
respektive 6. und 7. das Auge nach unten begrenzen. Temporalia 2+3 bei dem jungen Exemplare, nur 
1 + 2 rechts (durch Verschmelzung der Schilder), links 2 + 3 bei dem alten Exemplare. 5 Infralabialia mit 
dem 1. Kinnschildpaare in Berührung. 

Bei dem kleinen Exemplare liegen die Rumpfschuppen in 23, bei dem großen in 25 Längsreihen. 
Analschild geteilt. 

Eine tiefschwarze Binde zieht von dem hinteren Rande des Loreale nach hinten bis zur Mundwinkel- 
gegend. Eine paarige Reihe schwarzer, gestreckt rhombenförmiger oder unregelmäßig ovaler Flecken mit 
größerem Längsdurchmesser beginnt hinter der Halsgegend im oberen Teile der Rumpfseiten; sie sind 
mit einander durch eine Querlinie von gleicher Färbung verbunden. Noch vor Beginn des 2. Längen- 
drittels des Rumpfes werden sie allmählich kleiner und verschwinden zuletzt im letzten Längendrittel 
des Rumpfes, während die mit ihnen alternierenden Flecken der unteren Seitenreihe des Rumpfes 


allmählich größer und viereckiger werden, daher näher aneinanderrücken, so daß sie zuletzt am Rumpfe 
nur durch helle quere Linien voneinander getrennt werden, an den Seiten des Schwanzes aber vollständig 
zu einer Längsbinde zusammenfließen: » ; 

Die unterste Schuppenreihe oder diese nebst der unteren Hälfte der über ihr gelegenen Schuppen- 
reihe ist heller als der übrige Teil der Körperseiten gefärbt und trägt kleine dunkle unregelmäßige 
Fleckchen, die bereits vor dem hinteren Ende des Rumpfes völlig verschwinden, so daß von hier an 
sowie längs der ganzen Caudale die untere Fleckenreihe der Körperseiten wie durch einen hellgrauen 
Streif von dem oberen Rande der Bauchschilder getrennt erscheint. 

An dem aufsteigenden Teil der Bauchschilder liegen im vorderen Teile der Rumpflänge schwarze 
viereckige Flecken von der Länge 1.bis 3.Schilderlängen, weiter zurück werden diese Flecken allmählich 
länger und fließen zuletzt noch vor dem hinteren Rumpfende vollständig zu einer schwärzlichen Längs- 
binde zusammen. Der mittlere Querteil der Ventralia zeigt bei dem jungen Exemplare nur im vordersten 
Teil des Rumpfes einige verschwommene, grauviolette Fleckchen; bei dem großen Exemplare sind letztere 
über die ganze mittlere Bauchfläche unregelmäßig verteilt, fehlen jedoch an der Unterseite des Schwanzes 
vollständig wie bei dem Kleinen Exemplare. 
t 


16. Coluber phyllophis Blgr. 
Phyllophis carinata Gthr. Rept. of Brit. India, p. 295, pl. XXI, Fig. B. 


Coluber phyllophis Blgr., Ann. u. Mag. N. Hist., Ser. 6, Bd. VII, 1891, p. 280. 
Elaphe carinata Stejn., Herpet. Japan, 1907, p. 302. 


Ein Exemplar von Kosempo, J', 800 mm lang. 

Rostrale breiter als hoch, bei oberer Ansicht des Kopfes deutlich sichtbar. Internasalia ebenso lang 
wie breit. Sutur zwischen denselben ebenso lang wie die zwischen den Präfrontalia. Frontale zirka 11/, mal 
länger als breit, kürzer als die Parietalia und ebenso lang wie sein Abstand von dem vorderen Kopfende. 
Nasale undeutlich halb geteilt. 1 Prä-, darunter 1 Suborbitale, 2 Postorbitalia. Augendurchmesser halb so { 
lang wie die Schnauze. 


"Totallänge Schwanzlänge| Ventralia Subcaudalia $ 
d 497 mm 107 mm 246 110 j 
2 1960 450 250 104 H 

| 
i 
a 
4 
j 


Schlangenarten von Formosa. 337 


Supralabialia 8, das 4. und 5. unter dem Auge, 11 Infralabialia. Vorderes Paar der Kinnschilder 
ebenso lang wie das hintere Paar und von 5 Infralabialia jederseits umrandet. 

Anale geteilt. 23 Schuppenreihen am Rumpfe. Schuppen der untersten Reihe nicht, die vorletzten 
schwach, die Schuppen der übrigen Reihen stark gekielt. 

Supra- und Infralabialia seitlich scharf dunkelgerandet, oben und seitlich schmutzig-semmelfarben, 
unten gelblich. Schwache Spuren von dunkleren schmalen Querbinden, durch dunkle Umrandung einzelner 
Schuppen gebildet, am vorderen Teile des Rückens. Eine dunkle Längslinie auf der 4. Schuppenreihe über 
den Ventralia. Bauchrand stumpf gekielt. Ein dunkles Fleckchen am aufsteigenden Teil jedes Ventral- 
schildes. Etwas kleinere dunkle Flecken liegen unregelmäßig auf dem ganzen mittleren Teil der Ventralia, 
namentlich im vorderen Teile der Rumpflänge zerstreut. Der hintere Rand der letzteren Ventralia des 
Rumpfes und der der Subcaudalia ist bei dem vorliegenden Exemplare äußerst schwach, undeutlich dunkel 


gerandet. 
Totallänge: SOO mm, Schwanzlänge: 17, Ventralia: 214, Subcaudalia: 94. 


Da Stejneger den Gattungsnamen Coluber Lin. für Vipera reserviert wissen will, schlägt er gleich 
Collett für die Coluber-Arten (im Sinne Boulenger’s) den von Fitzinger im Jahre 1833 gewählten 
Gattungsnamen Elaphe (= Elaphis Bonap. 1840) für Phyllophis carinata Gthr. vor, so daß der Spezies- 
name Günther's bei Zlaphe beibehalten werden kann, während der Speziesname »carinatus« für Phyllo- 
phis carinata Gthr. bei Auflassung der Gattung Phyllophis und Einbeziehung derselben zur Gattung 
Coluber (Linne pt., Wagler, Boie, Schl., Gthr., Blgr.) nicht zulässig ist, da Linne bereits eine andere 
Art als Col. carinatus beschrieben hat. 


17. Holarchus formosanus (Gthr.). 


Simotes formosanus Gthr. Ann. Mag. N. H. (Ser. 4), Vol. IX, 1872, p. 20. 

— — Blgr., Cat. Snak. Brit. Mus. II, p. 222, Pl. VIII, Fig. 2. 

—  hainanensis Böttg., Ber. Senckenb. Gesellsch. 1894, p. 133, Taf. III, Fig. 2. 
Holarchus formosanus Stejn., Herpet. of Japan, p. 354. 


12 Exemplare von Kosempo und Kankau. Das größte derselben, ein S‘, 645 mm lang. 
Nasale geteilt, Analschild ungeteilt. 

_  Rostrale auf die Oberseite des Kopfes weit übergreifend, dreieckig, zirka ebenso hoch wie breit. 
Supralabialia 7 bis 8, das 4. und 5., bei 2 Exemplaren auf einer Kopfseite nur das 4., bei 1 Exemplare rechts 
das 4. und 5., links das 3. und 4. Supralabiale an das Auge stoßend. Bei einem Exemplare reicht das 6. der 
7 Supralabialia beiderseits nicht bis zum oberen Mundrande hinab. Frontale ebenso lang oder ein wenig 
länger als sein Abstand vom vorderen Kopfende, ebenso lang oder unbedeutend kürzer als die Parietalia, 
und zirka 2mal so breit wie das Supraorbitale. 

Sutur zwischen den Internasalia durchschnittlich nur halb so lang wie die zwischen den Präfrontalia; 
1 bis 2 Prä-, 2 Postocularia; Temporalia 1 + 2. In der Regel jederseits 4, selten 3 und 4 oder jederseits 
3 Infralabialia in Berührung mit dem vorderen Paar der Kinnschilder, das um vieles kürzer als das hintere 
Paar ist. 

Schuppen in 19 Reihen. 


Totallänge Schwanzlänge| Ventralia Subcaudalia Totallänge . |Schwanzlänge| Ventralia Subcaudalia 
g 645 mm 122 mm 162 54 2 520 mm 79 mm 165 45 

2 569 86 157 43 2 553 103 156 Sl 

0 499 75 167 46 505 80 173 47 
d 445 70 161 46 


338 Dr. F. Steindachner, 


In der Regel zieht längs der Rückenlinie ein goldgelber Längsstreif hin, der bei einzelnen Exemplaren 
sich ziemlich scharf von der braunen Grundfarbe abhebt. 

Die Zahl der ausgezackten schmalen Querbinden des Rumpfes, meist nur durch die dunkle 
Umrandung einzelner Schuppen gebildet, ist sehr groß, oft bis zu 80 am Rumpfe; sie verschwinden häufig 
am Schwanze vollständig. 

Bei manchen Exemplaren ist jede 3. oder 4. Querbinde des Rumpfes merklich breiter und intensiver 
gefärbt als die dazwischen gelegenen Querbinden. 

Außer den eingangs angeführten formosanischen Localitäten kennt man H. formosanus noch von 
Takao, Tamsui, Taipa und Byoritsu auf Formosa. 


18. Oligodon sauteri Steind. 
(Akad. Anzeiger, Jahrg. 1918, Nr. 12, p. 219.) 


Taf. I, Fig. 9 und 10. 


Körperform sehr schlank; V. 259. Rumpfschuppen in 15 Reihien, Anale geteilt, ebenso das Nasale. 
1 Prä-, 2 Postocularia. Loreale fehlend. Temporalia 1 + 1. 

Rostrale breiter als hoch, bei oberer Ansicht des Kopfes nur wenig sichtbar. Die Sutur zwischen den 
Internasalia ist zirka 1/, so lang wie die zwischen den Interparietalia. ; 

Das Frontale steht an Länge den Parietalia nach und ist etwas länger als breit; es ist ferner ebenso 
lang wie sein Abstand von dem vorderen Kopfende. 


Supralabialia 7, das erste derselben sehr klein, das 6. am höchsten, das 7. etwas länger als das vor- 


angehende. Das 3. und 4. Supralabiale bilden den unteren Augenrand. 

6 Infralabialia; 2 Paare von Kinnschilden von gleicher Größe, 3 Infralabialia begrenzen seitlich das 
1. Kinnschildpaar. Von den Subcaudalia sind bei dem zur Beschreibung vorliegen sen) Exemplare die 2 
ersten ungeteilt, die übrigen 28 aber paarig. 

Oberseite des Kopfes vom vorderen Ende etwa bis zur Längenmitte des Frontale fast Sc hierauf 
folgt eine breite schmutziggelbe bogige Querbinde, die seitlich etwas schräge über die aneinander- 
stoßenden Hälften des 1. und 2. Temporale sowie des 6. und 7. Supralabiale herabzieht und auch nach 
hinten breit schwärzlich gerandet ist. Von dieser schwärzlichen Umsäumung zieht eine breitere paarige 
Seitenbinde und eine unpaarige mediane schwärzliche Binde über den Rumpf und Schwanz bis zur Spitze 
des letzteren. Die Zwischenräume dieser Längsbinden sind dunkel kupferfarben. 

Die untere schwärzliche Längsbinde der Rumpfseiten deckt die 2 unteren und die untere Hälfte der 
drittletzten Schuppenreihen und nimmt erst an den Seiten des Schwanzes an Höhe ab (um die Höhe einer 
Längsschuppenreihe). Die mediane Längsbinde des Rumpfes hat die Breite von !/, 11/, Schuppenreihen 
und wird an der Oberseite des Schwanzes um eine Schuppenbreite schmäler. 

Seiten des Kopfes schmutziggelb mit einem schwärzlichen Fleck unter dem Auge und partieller 
schmaler schwärzlicher Umrandung einzelner Supra- und Infralabialia sowie der Kinnschilde. 

Unterseite des Kopfes und Rumpfes gelb. Zahlreiche (zirka 68 bis 70), je 1 bis 21/, Schuppen 
deckende Querbinden an der Unterseite des Rumpfes und 5 bis 6 an der des Schwanzes, der in eine zarte, 
stachelige Spitze ausläuft. Einige dieser Querbinden, namentlich die vordersten derselben, lösen sich 
unvollständig in 2 zueinander halb alternierende Hälften auf und die vorderste nächst den Kinnschildern 
ist zu einem großen ovalen Fleck umgestaltet. 


V. 259. Sube. 30. 
Totallänge des beschriebenen Exemplares: 510 mm, Schwanzlänge: 31 mm. 


Fundort: Formosa, Suishario. Koll. H. Sauter. 


Schlangenarten von Formosa. 339 


19. Oligodon ornatus Van Denb. 


(Proe. Calif. Acad. of Sc., Ver. IV, Vol. 3, p. 53, 1909.) 
Holarchus lorquatus konishii n. subsp. Masamisu Oshima, Annot. Zool. Jap. Tokyo, Vol. 7, p. 196 (1910). 


Von dieser bisher nur in zwei Exemplaren bekannten Art erhielt das Wiener Museum 4 erwachsene 
Exemplare von Kosempo und 5 junge von Suishario; erstere sind 311 bis 480 mm lang. 

Supralabialia 7, von denen das 3. und 4. den unteren Augenrand bilden und das 6., eingeschoben 
zwischen das 5. und 6. Supralabiale, lange nicht bis zum oberen Mundrand herabreicht, daher auch als 
2. Temporale der ersten Reihe gedeutet werden könnte, von denen das obere an das untere der beiden 
Postorbitalia stoßt. Das Loreale ist durch das Präfrontale ersetzt, welches seitlich nach unten bis zum 
oberen Rand des 2. Supralabiale reicht. 1 Präoculare. € 

Das Rostrale greift ziemlich bedeutend dreieckig auf die Oberseite des Kopfes über. 

Sutur zwischen den Internasalia kürzer als die zwischen den Präfrontalia. Frontale viel breiter als 
das Supraoculare, seine Länge genau oder nahezu seinem Abstand vom vorderen Kopfende gleich und 
kürzer als die breiteren Parietalia. 3 bis 4 Infralabialia begrenzen das vordere Kinnschildpaar, welches viel 
länger als das hintere Paar ist. Anale geteilt. 

Der herzförmige, tief schwarzbraune Nackenfleck reicht mit seiner nach vorne gekehrten Spitze ca. 
bis zur Längenmitte der Parietalia. Die dreieckförmige Stirnbinde endigt mit ihren Ästen an und hinter den 
Mundwinkeln und fließt vorne an ihrer Winkelspitze mit der Stirnbinde zusammen, die seitlich vom Auge 
unterbrochen, am 4. und dem vorderen Teile des 5. Supralabiale bis knapp zum oberen Mundrand zieht. 
Vorderer Abfall des Rostrale, vordere Hälfte des ungeteilten Nasale häufig schwärzlich. Einzelne schwarze 
Fleckchen an der Unterseite des Kopfes. 

Oberseite des Kopfes heller als die des Rückens, auf dem 8 bis 12 tiefbraune, hellgerandete, 2 mal 
eingeschnürte Querbinden bis zum hinteren Rumpfende und 2 an der Oberseite des kurzen Schwanzes 
liegen, welcher stumpfkonisch gerundet endigt. 

Große viereckige schwarze Flecken am Bauche und an der Unterseite des Schwanzes. Sie nehmen 
bald die ganze Breite der daselbst gelegenen Schilder ein, oder verschieben sich gegeneinander und 
bilden eine Zickzackbinde oder lösen sich in 2 scharf voneinander getrennte Längsreihen von 4eckigen 
Flecken auf, die stellenweise der Länge nach zusammenfließen. 

Zwischen diesen Querbinden liegen je 2 bis 3 Querreihen schwärzlicher Punkte (in der Regel in 
einer Querreihe), von denen die untersten, die ca. zwischen der 3. und 4. Längsschuppenreihe über dem 
Bauchrande liegen, durch eine sehr zarte bräunliche Linie miteinander vereinigt sind. 

Sq. 15. V. 159—173. Sube. 32—39, paarig. A. 1/1. 


Totallänge Schwanzlänge ' Ventralia Subcaudalia 
480 mm 74 mm 167 39 
381 50 161 35 
315 47 167 34 
311 54 173 35 
145 17 173 32 
135 17 164 34 


Formosa: Suishario, Kosempo (Koll. Sauter). 

Die von Masamitsu Oshima als Holarchus torguatus konishii n. sp. beschriebene Form fällt 
meines Erachtens mit Oligodon ornatus Van Denburg der Art nach zweifellos zusammen. Es kommt 
somit O. ornatus auch im nördlichen Teile von Formosa bei Urai, Shinko und Botanko, Keelung vor. 


340 Dr. F. Steindachner, 


20. Liopeltis semicarinata (Hallow.). 


Eurypholis semicarinatus Hallo w., Proc. Ac. Philad. 1860, p. 493. 

Cyclophis nebulosus Gthr., Ann. Mag. N. H. (4), Vol. I, 1860, p. 418, pl. XIX, Fig. C. 

Ablabes semicarinatus Blgr., Proc. Z. S. Lond. 18387, p. 148; Cat. Snak. Brit. Mus., Vol. II, p. 278. 
— -— Böttg. Offenb. Ver. Naturk. 33 bis 36, Ber. 1895, p. 115. 
— -— Wall, Pfoc. Z. S. Lond. 1903, p. 101. 

Liopellis semicarinata Stejn., Herp. Jap., U. St. Nat. Mus., Bull. 5 bis 8, p. 340, 1907. 


Ein Exemplar, ©, von Kankau, 1080 mm lang. 

Die Schuppen in den 3 bis 5 oberen Längsreihen des Rumpfes und am vorderen Teile des Schwanzes 
sind schwach gekielt. Hinteres Paar der Kinnschilde länger als das vordere, welches auf der linken Kopf- 
seite von 3, auf der rechten von 4 Infralabialia begrenzt wird. 

Bei eben diesem Exemplare ist das Nasale an der linken Kopfseite nicht geteilt. Rostrale nahezu 
ebenso hoch wie lang, bei oberer Ansicht des Kopfes knapp sichtbar. Sutur zwischen den Internasalia 
kürzer als die zwischen den Präfrontalia. Frontale ebenso lang wie sein Abstand vom vorderen Kopfende, 
kürzer als die Parietalia, deren Länge nahezu ihrem Abstande vom vorderen Kopfende gleicht. Loreale 
nahezu 2mal länger als hoch. 

1 Prä-, 2 Postocularia. Augenlänge genau der Hälfte der Schnauzenlänge gleich. Temporalia 1 + 2. 
Supralabialia 8, das 4. und 5. an das Auge stoßend. Rumpfschuppen in 15 Reihen, Anale geteilt. Ventralia 
169. Subcaudalia 96. Bei den zahlreichen im britischen Museum sowie im Museum zu Washington 
befindlichen Exemplaren von den Loo Choo-Inseln ist die Zahl der Ventralia etwas größer (V. 174—192), 
die der Subcaudalia nicht unbedeutend kleiner (Subc. 70—82). 

Oben olivengrün mit einem Stiche ins bläuliche, etwas heller gegen die Bauchseite zu, welche eine 
gelbliche Färbung zeigt. Von einer dunkleren Umrandung der Schuppen in der untersten Längsreihe des 
Rumpfes, sowie von einer helleren Färbung der Schuppenzentra, die Dr. Boulenger erwähnt, ist bei dem 
mir vorliegenden Exemplare von seltener Größe (Totallänge 1088 mm, Schwanzlänge 308 mm) nichts 
bemerkbar. ’ 


21. Liopeltis major (Gthr.). 


Cyclophis major Gthr., Cat., p. 120 (1858). 
— —  Gethr., Rept. Brit. Ind., p. 230, pl. XVII, Fig. 1 (1864). 
Ablabes major Bött. Ber. Senckenb. Gesellsch. 1894, p. 140. 
— — Blogr. Cat. Snak. Br. Mus., V. II, p. 279.(1894). 
Liopeltis major Stejn., Herpet. of Japan, 1907, p. 338. 
— — Masamitsu Oshima, Ann. Zool. Jap., Tokyo, Vol. 7, p. 192, 1910. 


3 große Exemplare von 710 bis 895 mm Länge von Kosempo und Byoritsu. Bei jedem derselben ist 
das Nasale geteilt. Supralabialia 8, das 4. und 5. bilden den unteren Augenrand. Rostrale fast ebenso hoch 
wie lang, bei oberer Ansicht des Kopfes bemerkbar. Sutur zwischen den Internasalia viel kürzer als die 
zwischen den Interparietalia. Frontale ebenso lang oder ein wenig länger als sein Abstand vom vorderen 
Kopfe, mehr minder unbedeutend kürzer als die Parietalia, deren hinterer Rand ein wenig schräge abge- 
stutzt ist. 1 bis 2 Prä-, 2 Postocularia. Temporalia 1 + 2, 4 Infralabialia berühren das vordere Kinnschild- 
paar, das etwas länger und breiter als das hintere ist. Schuppen in 15 Reihen. Anale geteilt. Subcaudalia 
paarig. Ventralia 163 bis 176, Subcaudalia 83 bis 96. 


Totallänge Schwanzlänge| Ventralia Subcaudalia 
2 710 mm 190 mm |. 165 90 
g 895 225 166 wAee 
2 885 259 167 96 


Schlangenarten von Formosa. 341 


Nach Masamitsu Oshima besitzt das Museum in Taihoku (Taipeh) Exemplare dieser Art von 
Koshun, Horisha, Urai, Shinko, Kwanonzan und Taihoku, von denen das größte 1013 mm lang ist. 


22. Calamaria pavimentata D. B. 


Calamaria pavimentala D. B., Erpet. gen., Vol. VII, p. 71, 1854. 
— -— Blgr., Cat. Snak. Brit. Mus., Vol. II, p. 348, 1894 und Ann. u. Mag. N. H:., Ser. 8, Vol. IV, p. 495. 
— quadrimaculala D. B., Erpet. gen., Vol. VII, p. 73 (sec. Blgr.). 
—  siamensis Gthr., Rept. of Brit. Ind., p. 196 (sec. Boul.). 
—  pavimenta Jan., lconogr. gen., Livr. 10, pl. 1, Fig. 9. 


—  berezowskii Stejn., Herpet. of Japan in U. St. N. Mus., Bull. 58, p. 376. 


16 Exemplare von Kosempo, Suishario, Taihorin, Fuhosho, von denen das größte 310 mm lang ist. 
Ich glaube, daß dieselben nicht von Cal. pavimentata spezifisch zu trennen seien, wenngleich bei ihnen 
ausnahmslos das gelbe Fleckenpaar an der Basis wie am Ende des Schwanzes fehlt. 

Kopf 1t/, (bei jungen Individuen) bis 1?/,mal länger als breit. Das Rostrale greift mehr oder minder 
mäßig auf die Oberseite des Kopfes über, doch finde ich bei den mir vorliegenden jungen wie alten Indi- 
viduen den an der Oberseite des Kopfes gelegenen Teil stets kürzer als die Hälfte der Suturlänge zwischen 
den Präfrontalia. Das Rostrale ist ferner in der Regel ebenso hoch wie lang. 

Frontale etwas länger wie breit, zirka 21/, bis 3mal breiter als das Supraoculare, viel kürzer als die 
Parietalia und ein wenig länger als sein Abstand vom vorderen Kopfende. Die beiden Vorderränder des 
Frontale stoßen unter einem stumpfen, die beiden hinteren Ränder desselben unter einem mehr minder 
langen spitzen Winkel zusammen. 

Die Sutur zwischen dem Supraeculare und Frontale ist ein wenig kürzer als die zwischen dem 
letzteren und einem Präfrontale; nur bei einem jungen Exemplare gleichen sich beide Suturen an Länge. 

Die Breite der beiden Parietalia zusammen gleicht !/, bis nahezu ?/, des Abstandes des vorderen 
Kopfendes vom Hinterrand der Parietalia. Präfrontalia durchschnittlich ebenso lang wie das Frontale. 

1 sehr kleines Prä- und ein etwas größeres Postoculare. 

4 Supralabialia, von denen das 2. und 3. den unteren Augenrand bilden, das 4. weitaus am größten 
das 3. am kleinsten ist. Das 4. Supfralabiale bildet die untere Umrandung des Parietale. 5 Infralabialia, die 
des ersten Paares stossen hinter dem Mentale aneinander. 

Die Kinnschilde des ersten Paares sind mehr minder länger als die des 2. Paares; sie berühren ein- 
ander an ihrem Innenrande und sind am Außenrande von 3 Infralabialia begrenzt. Die Kinnschilde des 
2. Paares sind in der hinteren Hälfte ihres Innenrandes durch eine Schuppe von einander getrennt. 

In der Regel liegt ein nicht scharf abgegrenzter gelber Fleck hinter jedem Parietale. Nackenfleck 
mehr minder intensiv schwärzlich, nach hinten von einer mehr minder zusammenhängenden oder in 
Flecken aufgelösten gelben Nackenbinde begrenzt, die übrigens zuweilen nur schwach angedeutet ist. 

Oberseite des Kopfes und die kleinere obere Hälfte der Supralabialia grau oder grauviolett, untere 
Hälfte derselben gelblich; häufig ist der Seitenrand der Supra- und Infralabialia schmal violett gesäumt, 
ebenso der Außenrand des ersten Kinnschildpaares. 

Rumpf oben und seitlich bald heller bald dunkler grau violett und stets noch etwas dunkler, 
äußerst zart gesprenkelt. Diese Sprenkelung ist aus den Schuppenrändern nur unter der Lupe unter- 
scheidbar. 

6 mehr minder schart hervortretende schwärzlich-violette zarte Linien verlaufen am Rumpfe. Die 
beiden mittleren derselben sind am schwächsten entwickelt und eigentlich nur durch die dichte dunklere 
Randpunktierung der medianen Schuppenreihe des Rückens gebildet. Namentlich bei älteren Individuen 
liegt auch zwischen den aneinander stoßenden Rändern der zwei untersten seitlichen Schuppenreihen des 
Rumpfes sowie zwischen dem unteren Rande der untersten Schuppenreihe des Rumpfes und dem oberen 


342 Dr. F. Steindachner, 


_ seitlichen Rande der Ventralia ein dunkelvioletter Längsstreif oder eine Reihe dunklerer Fleckchen, während 
der ganze mittlere Teil der Schuppen dieser Längsreihen wegen teilweisen oder gänzlichen Manz einer 
dunklen Sprenkelung auffallend hell erscheint. 

Bauchseite gelb. Eine violette Linie zwischen dem Innenrande der Subcaudalia in der hinteren 
größeren oder kleineren Längenhälfte des Schwanzes. 

13 Schuppenreihen am Rumpfe, Anale einfach. Ventralia 153 bis 181. Subcaudalia 15 bis 23. BE 
Schwanz endigt konisch zugespitzt. 


Totallänge Schwanzlänge) Ventralia Subcaudalia Totallänge Schwanzlänge| Ventralia Subcaudalia 
g 310 mm 20 mm 166 19 g 274 19 mm 173 ‘ 17 
P 300 19 167 23 dg 259 mm 25 166 23 
d 285 21 178 18 242 15 181 15 
d' 286 20 170 17 230 24 153 22 
dg 283 21 174 17 147 12 175 17 


Dr. Boulenger bemerkt am Schlusse seiner Abhandlung über 4 neue Froscharten und eine neue 
Schlangenart aus Formosa, welche vom Herrn H. Sauter entdeckt und in mehreren Exemplaren dem 
britischen Museum eingesendet worden waren, daß Calamia berezowskii Gthr. von Lun-ngan-fu von Cal 
pavimentata D.B.(Blgr.) nicht spezifisch verschieden sein dürfte und führt die in dieser Sammlung 
Sauter’s enthaltenen Calamarien vön Kosempo als Cal. pavimentata an. 

Stejneger bezieht dagegen ein Exemplar von Taipa zu Cal. berezowskii Gthr. (s. Stejn., Herpetol. 
of Japan, p. 376 bis 377); da jedoch in der Beschreibung ausdrücklich erwähnt wird, daß bei demselben 
das Frontale etwas länger als breit sei, so kann auch dieses formosanische Exemplar der Art nach nur zu 


Fig. 8 bis 13. 


Calamaria pavimentata. 


Oberseite des Kopfes nach 6 Exemplaren von Kosempo; 3 mal vergr. 


Cal. pavimentata bezogen werden, selbst wenn C. berezowskii Gthr. der Art nach von C. pavimentata ver- 
schieden sein sollte. 

Die von Masamitsu Oshima als Cal. berezowskii Gthr. angeführten, leider nicht charakterisierten 
Exemplare von Taichu, Kuraru und Koshun dürften gleichfalls nicht von Cal. pavimentata spezifisch ver- 
schieden sein. 

In der Zeichnung des Rumpfes und der Unterseite des Schwanzes stimmt Cal. pfefferi Stejn. auf- 
fallend mit C. pavimentata überein, doch fehlt ein gelbes Collare, das übrigens zuweilen auch bei Cal. 
pavimentata zur sehr schwach angedeutet ist. Auch soll nach Stejneger die Sutur des Frontale mit dem 
Supraoculare länger sein als die mit dem Frontale. 


| 


Schlangenarten von Formosa. 343 


23. Boiga kraepelini (Stejn.) 


Boiga kraepelini Stejn., Proc. Biol. Soc. Washington, XV, p. 16. 

— -—  Stejn., Herpet. of Japan, U. St. Nat. Mus., Bulletin 58, Wash. 1907, p. 381. 
Dipsadomorphus kraepelini W all., Proc. Zool. Soc. London, 1903, p. 94. 

— -—  Bilgr., Ann. & Mag. of Nat. Hist., Ser. 8, Vol. IV, 1909, p. 49. 


Dinodon multilemporalis Masamitsu Oshima, List of Formosan Snakes, p. 198. 


6 Exemplare von Kosempo und Kankau. 

Rostrale breiter als hoch, bei der Mehrzahl der mir vorliegenden Exemplare äußerst schwach, bei 
1 Exemplare mäßig von oben sichtbar, bei einem anderen großen Exemplare verhältnismäßig bedeutend 
auf die Oberseite des Kopfes übergreifend. Internasalia mehr minder bedeutend kleiner als die Präfrontalia, 
die Sutur zwischen den ersteren ist bei dem Exemplare mit dem stärker nach oben übergreifenden 
Rostrale ausnahmsweise nur halb so lang wie die Sutur zwischen den Präfrontalia. Frontale ganz unbe- 
deutend kürzer als sein Abstand vom vorderen Kopfende. Die Temporalia sind in der Regel viel länger als 
das Frontale und nur bei einem alten Exemplare unserer Sammlung ein wenig länger als letzteres. Auge 
groß, mit querelliptischer Pupille, an Länge zirka ?/,mal bei einem jüngeren Exemplar von 765 mm, 
5/, bis ®/,mal bei alten Individuen in der Schnauzenlänge enthalten. Nasale ganz oder nur halb geteilt. 
Loreale 4eckig, ein wenig höher als lang. In der Regel sind 2 Präocularia, bei 1 Exemplar auf der 
linken Kopfseite nur 1 Präoculare entwickelt. Bei einem anderen Exemplare liegt beiderseits unter den 
2 Präocularia ein sehr kleines Suboculare als ein abgelöster Teil des 3. Supralabiale, welches somit von 
der Bildung des unteren Augenrandes ausgeschlossen wird. 2 Postocularia. 

Temporalia schuppenförmig, an Größe daher auch an Zahl sehr variabel, 3 +4, 4+5,5 + 5, bei 
einem großen Exemplare 4 + 6 rechts und 5 + 7 links. 9 Supralabialia, 10 bei einem Exemplare auf der 
linken Kopfseite, von denen in der Regel das 3., 4. und 5., selten das 4., 5. und 6., und bei einem Exem- 
plare mit einem Suboculare nur das 4. und 5. an das Auge stoßen. 

Infralabialia 11 bis 13. Das vordere Kinnschildpaar ist länger und bedeutend breiter als das hintere 
Paar und wird seitlich, in der Regel jederseits seitlich von 4, seltener von 5 und bei einem Exemplare 
links von 4, rechts von 6 Infralabialia begrenzt. 

Das Anale ist bei einem unserer Exemplare einfach, bei allen übrigen geteilt. 

Schuppen in 21 Längsreihen, die der Mittelreihe nicht oder kaum größer als die der sich anschließen- 
den Reihe. 

Die uns vorliegenden Exemplare gehören 2 Varietäten an, welche bereits Stejneger nach den 
Exemplaren des Hamburger Museums erwähnt, die aber teilweise wenigstens nicht scharf geschieden 
werden können. Bei 4 Exemplaren unserer Sammlung (Var. a) ist nämlich der Kopf oben und seitlich ein- 
färbig, die Querbinden am Rücken des Rumpfes, hauptsächlich durch die dunklere Umrandung der 
Schuppen gebildet, heben sich nicht scharf von der braunen Grundfarbe der Körperseiten ab; die Bauch- 
seite ist bald ganz einfärbig oder, namentlich am hinteren Rande der Ventralia und Subcaudalia, zart 
grauviolett wie bestäubt. 

Bei den 2 übrigen Exemplaren (Var. b) zieht eine scharf abgegrenzte und ein wenig dunkler 
gerandete, schmale grauviolette Binde vom hinteren Augenrande nur wenig schräge zu den Mundwinkeln 
und setzt sich hinter diesen, an Breite zunehmend, zur Halsgegend horizontal fort, in der sie sich nach 
unten mit dem Nackenfleck vereinigt. Über dieser Augenbinde liegt eine 2. mehr minder schmale Längs- 
binde, die am hinteren Teile des Supraoculare beginnt und bei dem einen nicht weiter als die Parietalia 
zurückreicht, bei dem anderen aber bei schwacher Senkung bis zu den Mundwinkeln zieht und daselbst 
mit der Augenbinde zusammenfließt. Ein mehr minder nagel- oder amboßartiger dunkler Längsfleck liegt 
auf den aneinanderstoßenden Längshälften der Internasalia und der übrige Teil der Kopfoberseite ist bei 
den größeren der beiden Exemplare gruppenweise ziemlich dicht grauviolett gesprenkelt, so zum Beispiel 


am vorderen Endteile des Supraoculare und nächst dem Innenrande der Parietalia. 


Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC. Bd. 47 


344 Dr. F. Steindachner, 


Die Rückenbinden treten ferner bei dieser 2. Varietät durch ihre tiefere Färbung viel schärfer hervor 
als bei Varietät a und die grauliche oder schmutziggelbliche Bauchfläche ist gegen den aufsteigenden 
‘Teil der Ventralia und Subcaudalia durch eine aus grauvioletten Punkten gebildete Randbinde deutlich 
abgegrenzt. Diese Art der Bauchfärbung erwähnt aber Stejneger auch bei dem zur Varietät a gehörigen 
Exemplare des Hamburger Museums mit einförmig braunem pie ist daher nicht ausschließlich 
charakteristisch für die Varietät D. 

Bei sämtlichen 6 von uns untersuchten Exemplaren liegen nur im vordersten Teile des Rumpfes 
nächst über dem Bauchrande eine kurze Reihe kleiner dunkler Flecken, die mit den Rückenbinden alter- 
nieren. Die Zahl der letzteren schwankt zwischen 50 bis 58 am Rumpfe und 29 bis 32 am Schwanze. 

Gegen die Analgegend zu rücken die Rückenbinden allmählich näher aneinander und fließen am 
Schwanzrücken, im Verhältnis zur rasch abnehmenden Höhe bedeutend in die Länge gezogen, stellenweise 
zickzackförmig zusammen. 

Sämtliche Exemplare unserer Sammlung sind Weibchen. 


Totallänge Schwanzlänge|l Ventralia Subcaudalia Totallänge Schwanzlänge Ventralia Subcaudalia 
I 

2 1185 mm 335 mm 242 149 20 910 mm 273 mm 235 150 

2 1040 295 241 148 2 900 285 250 144 

0 980 290 236 154 OEEE765 204 240 153 

0975 | 277 239 154 


Die Zahl der Ventralia schwankt bei den bisher bekannten Exemplaren nur zwischen 236 und 250, 


die der Subcaudalia zwischen 140 und 154. | 
Fundorte auf Formosa: Kelung (im nördlichen Teil von Formosa), Südkap, Kosempo, Kankau, ferner 
Koshun und Shinchiku nach Angabe von Masamitsu Oshima,.der in seiner Abhandlung »An Annotated 


Fig. 14. Fig. 15. Fig. 16. 


MUNLKLLLAG- 


u 


Boiga kraepeliniü Stejn. 


Fig. 14. Seitliche, Fig. 15. Obere, Fig. 16. Untere Ansicht des Schädels, 2mal vergrößert. 


List of Formosan Snakes, with Descriptions of Four New Species and One New Subspecies« auf p. 198 
bis 199 Dipsadomorphus kraeplini Stejn. als eine neue Dinodon-Art, D. multitemporalis, beschreibt. 
24. Psammodynastes pulverulentus (Boie) Gthr. 


Nach der großen Anzahl der von Sauter eingesendeten Exemplare zu schließen, scheint diese Art 


auf Formosa überaus gemein zu sein. 


ae re 


Schlangenarten von Formosa. 345 


Wir erhielten Exemplare von Taihorin, Taiwan fu, Kosempo, Kankau, Kanhirei. Masamitsu Oshima 
führt als weitere Fundorte von Ps. pulverulentus auf Formosa Koshun, Mansu, Urai, Kotosho, Shinko, 
Horisha, Taichu und Shinchiku an. 

Das größte der uns aus Formosa vorliegenden 42 Exemplare ist 545 mm lang, dessen Schwanzlänge 
beträgt 105 mm. 

Die Zahl der Ventralia schwankt zwischen 161 und 175, die der Subcaudalia zwischen 55 und 79. 

Ein im Museum von Taihoku befindliches Exemplar von Koshun ist 625 mm lang, bei einer Schwanz- 


länge von 125 mm. 


25. Distira spiralis (Shaw) F. Wall. 
Var. melanocephala (Gray pt., Blgr.). 


Distira spiralis var. melanocephala, Major F. Wall, Mem. Asiat. Soc. of Bengal, Vol. II (1907— 1910); p. 208, Calcutta 1911. 
Hydrophis melanosoma Gthr., Rept. of Brit. Ind., p. 367. 
— melanocephalus (Gray part.) Blgr., Cat. Snak. Brit. Mus., Vol. III, p. 283, pl. XV, 1896. 
Disteira orientalis Stejn., Proc. Biol. Soc. Washington, XIV, p. 191, 1901. 
Microcephalophis melanocephalus (Gray) Stejn., Jour. Sci. Coll. Imp. Univ., Tokyo, Vol. XII, pt. III, p. 224, 1898. 
Disteira melanocephala Stejn., Herp. of Japan, p. 421, 1907. 

— -— Stejn., Proc. U. St. Nat. Mus., Vol. 38, p. 110, 1910. 

Von dieser so charakteristischen lokalen Abart von Distira spiralis im Sinne Wall’s liegen mir 
17 Exemplare von Anping! vor, die insgesamt im allgemeinen Habitus, in der Körperzeichnung und 
Färbung, in der Beschuppungsweise des Rumpfes, in der Zahl der horizontalen wie queren Schuppen- 
reihen des Rumpfes miteinander und mit der Variatio melanocephala (= Hydrophis melanocephalus Blgr.) 
übereinstimmen, aber in der Zahl und Form der Supralabialia, der Postocularia und namentlich der Tempo- 
ralia nicht unbedeutend voneinander abweichen. 

Kopf lang, schmal, am vorderen Ende oval gerundet, 2mal länger als breit. Geringste Nackenhöhe 
zirka 1?/, bis 2mal in der größten Rumpfhöhe enthalten. 

Die Zahl der Supralabialia beträgt in der Regel 8, selten nur 7. Das 5. derselben ist bei einigen 
Exemplaren in 2 kleine übereinanderliegende Schüppchen getrennt. Das 3., 4. und 5., seltener nur das 
3. und 4. Supraoculare (namentlich bei Exemplaren mit 7 Supraocularia) stoßen an das Auge. Bei einem 
Exemplare unserer Sammlung beteiligt sich an der linken Kopfseite ein einziges Supralabiale an der 
Bildung des Augenrandes, da der obere Teil des 4. und 5. Supralabiale abgelöst zu einem Suboculare sich 
vereinigt. 3 
1 Prä-, viel häufiger 2 als 1 Postoculare. Rostrale unbedeutend breiter als hoch, auf die Oberseite des 
Kopfes dreieckig übergreifend. Sutur zwischen den Präfrontalia, welche nach außen mit dem 2. Supra- 
labiale stets in Berührung stehen, sehr kurz und mehr als 21/, bis fast 4mal kürzer als die zwischen den 
langen Nasalia. 

Frontale nicht ganz 2mal so lang wie breit, ebenso lang oder ein wenig länger als sein Abstand vom 
vorderen Kopfende und etwas kürzer als die Parietalia, an deren Außenrande 2 bis 3 Schilder liegen. 

Unter 14 Exemplaren von nahezu gleicher mittlerer Größe und 2 großen Exemplaren von 840 und 
mehr als 1000 mm Länge sind nur bei 7 Exemplaren jederseits 1 Temporale, bei 9 Exemplaren auf einer 
Kopfseite (zufällig stets der linken) durch mehr oder minder schräge Spaltung 2 Temporalia, auf der 
anderen Kopfseite 1 Temporale, bei 1 Exemplare beiderseits durch vollkommen horizontale Spaltung 
2 Temporalia in einer Reihe entwickelt, von denen das untere in letzterem Falle sehr klein ist. Bei dem 
Vorkommen von 2 Temporalia in einef Reihe auf einer Kopfseite ist das untere in der Regel zum größeren 
Teile auf Kosten der 2 bis 3 letzten Supralabialia entwickelt. 

Bei einem Exemplare endlich mit 7 Supralabialia (siehe Textfig. 17 u. 18) liegen zwischen dem Außen- 
rande der Parietalia und den 3letzten Supralabialia auf der linken Kopfseite 4, auf der rechten 3 Temporalia 


1 Nach Masamitsu Oshima kommt diese Form auch bei Ajinkoto vor. 


346 Dr. F. Steindachner, 


in 2 Längsreihen nach der Formel 2+2 und 1-2, von denen das untere der 1. Reihe auf der linken Kopf- 
seite zwischen das 5. und 6. Supralabiale sich tief herabsenkt und an seiner unteren Spitze fast nur durch 
einen linienförmigen Zwischenraum vom oberen Mundrand getrennt erscheint. Die beiden kleineren 
Schilder, die ich als Temporalia der 2. Reihe deuten zu dürfen glaube, liegen auf einer Kopfseite über dem 
7., auf der anderen Kopfseite über dem 6. und 7. Supralabiale. 

Die sogenannten Marginalia (nach Wall) am Unterkieferrande beginnen hinter dem 2. oder 3. Infra- 
labiale. 

Die langen Infralabialia des ersten Paares stoßen hinter dem Mentale nach innen aneinander. Das 
1. Paar der Kinnschilder ist in der Regel nicht länger als das 2. und wird nach außen von 3 Infralabialia 
begrenzt. | | 

Die Rumpfschuppen decken sich gegenseitig schwach ziegelförmig und zeigen eine rhombenförmige 
Gestalt. Sie sind in der Nackengegend glatt, hierauf zart gekielt. Ventralia an verschiedenen Stellen eines 
und desselben Exemplares sehr ungleich der Größe nach entwickelt, nur sehr wenig bis zirka 3mal größer 
als die Rumpfschuppen der anstoßenden Reihe; in geringer Entfernung vor der Analmündung teilen sie 
sich in der Regel paarig. Am Nacken liegen die Rumpfschuppen durchschnittlich in 27 bis 28, selten in 25 
(bei 1 jüngeren Exemplare) oder 31 (bei 2 alten Exemplaren), in der Längenmitte des Rumpfes bei jüngeren 
und halberwachsenen Exemplaren durchschnittlich in 35 bis 37, bei 3 großen Exemplaren von 845 bis 
1029 mm in 40 bis 41 Reihen. Ventralia 302 bis 344 (nach Stejneger bis 351), Subcaudalia 35 bis 49 
(nach Stejneger bis 53). 

Der lange schmale Kopf ist bei den von uns untersuchten Exemplaren bis zu einer Totallänge von 
900 mm Länge ringsum gesättigt schwarzbraun bis schwärzlichgrau, ebenso die ganze Unterseite des 
Rumpfes. 

Bei einem alten Exemplare von 1029 mm Länge ist dagegen die Oberseite des Kopfes dunkelocker- 
farben, die Unterseite desselben hell schmutzigbraun. Die Unterseite des Rumpfes zeigt bei eben diesem 
Exemplare keine zusammenhängende schwärzliche Längsbinde, sondern ist wie die Rumpfseiten bräun- 
lichgelb, wird jedoch durch die von der Höhenmitte der Rumpfseiten ab mehr minder rasch an Länge 
(respektive Breite) zunehmenden dunklen Querbinden, die nach unten stets zu Ringen zusammenfließen, 
stark eingeschränkt. Nur hie und da vereinigen sich noch 2 aufeinanderfolgende Querbinden an den 
Bauchschildern vollständig. eier 

Kaum bei der Hälfte der untersuchten jüngeren Exemplare von 540 bis 645 mm Länge liegen kleine, 
intensiv gelbe punktförmige Fleckchen an der Sutur der Präfrontalia (jederseits je eines) zuweilen auch am 


Fig. 17. 


Distira spiralis (Shaw) var. melanocephala. 


Fig. 17. Rechte, Fig. 18. Linke Seitenansicht des Kopfes eines Exemplares. 


vorderen Ende des Supraeculare und am Postorbitale. Bei einem Exemplare zieht überdies ein zarter 
horizontaler gelber Streif in der Schläfengegend vom hinteren Augenrande bis unter das hintere Ende der 
Parietalia. 

Die Zahl der schwärzlichen Querbinden am Rumpfe schwankt zwischen 51 bis 64, die der Schwanz- 
binden zwischen 4 bis 7. Die hintere, bald etwas längere, bald etwas kürzere Längenhälfte des Schwanzes 
ist einfärbig schwarz. 

Die eingangs gegebene Synonymie bezieht sich nur auf die nach Major Wall’s Vorgange als eine 
Varietät von Distira spinalis (Shaw) gedeutete Distira (= Hydrophis) melanocephala (Gray pt., Blgr.), 


« 


Schlangenarten von Formosa. 347 


welche nach den zahlreichen, von Herrn Sauter gesammelten Exemplaren zu schließen, bei Anping 
(Formosa) ebenso häufig vorkommen muß wie nächst den Riu Kiu-Inseln. 

Bei den 2 größten Exemplaren unserer Sammlung von Anping wurde das Kopfskelett herausgenom- 
men und es konnte unter der Loupe (bei 30maliger Vergrößerung) nicht die geringste Spur einer Furchung 
an den 5 bis 6 hinter dem Giftzahn gelegenen Oberkieferzähnen aufgefunden werden. 


Totallänge Schwanzlänge| Ventralia Subeaudalia | Rumpfbinden ee 
2 1029 mm Ss9 mm 314 46 64 5 
dg 845 s0 3083 40 50 5 
d& 645 55 325 36 48 5 
dd 640 57 319 49 62 7 
2595 50 302 40 61 5 
g 5390 47. MN 322 35 93 b) 
dg 540 45 344 43 5) 4 


26. Distira ornata (Gray) Blgr. 


Ein Exemplar, Männchen, 695 mm lang, von Anping. 

Kopf zirka 1'/, mal länger als breit, etwas breiter als hoch und merklich breiter als der dünnste Teil 
des nur mäßig schlanken Halses, dessen geringste Höhe zirka 2!/, mal in der größten Rumpfhöhe ent- 
halten ist. 

Rostrale etwas breiter als lang, fünfeckig, auf die Oberseite des Kopfes übergreifend, unten wie auch 
bei der früher angeführten Art mit 3 deutlichen Vorsprüngen, von denen der mittlere größer als die 
seitlichen ist; Nasale trapezförmig, länger als breit; der hintere Rand desselben ein wenig breiter als der 
vordere. Auf einer Kopfseite ist das Nasale halbgeteilt, auf der anderen ungeteilt. Sutur zwischen den 
Nasalia 2mal so lang wie die zwischen den Präfrontalia, deren Außenrand mit dem 2. Supralabiale in 
Berührung steht. 

Frontale hexagonal, ein wenig kürzer als sein Abstand vom vorderen Kopfende, länger als breit und 
kürzer als die Parietalia, die mit dem äußeren Endteile ihres Vorderrandes an den hinteren Rand des 
oberen Postoculare stoßen. 

1 Prä- und 2 Postorbitalia; das untere der letzteren zeigt auf einer Kopfseite durch eine kleine Ein- 
buchtung am Vorderrande Neigung zu einer Auflösung in 2 Schildchen. 

7 Supralabialia, von denen das 3. und 4. den unteren Augenrand bilden und das 3. ein wenig größer 
als jedes der übrigen ist. 

Jederseits 2 übereinandergelagerte Temporalia, von denen das obere, längs unter dem Außenrande 
des Parietale gelegen, noch über die Längenmitte desselben zurückreicht, übrigens auf einer Kopfseite 
länger als auf der anderen ist. 

Das Mentale zeigt an den beiden Enden seines oberen Randes einen tuberkelartigen Vorsprung, 
welcher den Vertiefungen zwischen den 3 Vorsprüngen am gegenüberliegenden unteren Rande des 
Rostrale entspricht. 

Auf der rechten Kopfseite ist nach dem 2. Infralabiale ein Marginale vollständig abgetrennt, auf der 
linken dagegen eine Ablösung vom 3. Infralabiale nur angedeutet und ferner das 4. Infralabiale mit dem 9. 
halb verschmolzen. 

9 Infralabialia, von denen die des 1. Paares nach innen hinter dem Mentale aneinanderstoßen. 
3 Infralabialia begrenzen den Außenrand des ersten Paares der Submentalia, welche unbedeutend kleiner 
als die durch 2 nach vorne spitz zulaufende Schuppen getrennten Submentalia des 2, Paares sind. 


348 Dr. F. Steindachner, . 


Die Schuppen der Halsgegend sind glatt, rhombenförmig und decken sich schwach dachziegelförmig, 
die übrigen Rumpfschuppen nach allmählichem Übergange mosaikartig nebeneinander gelagert, regelmäßig 
Beckig, zart gekielt oder mit einer kleinen Tuberkel in der Mitte versehen. Übrigens bemerkt man in dem 
hintersten Teile der Rumpfseiten wieder Schuppen, die sich äußerst schwach dachziegelförmig decken wie 
alle am Schwanze gelegenen Schuppen, und am hinteren Rande mehr minder stark und breit gerundet sind. 


Bei dem vorliegenden Exemplare beginnt zirka 11 Schuppenlängen hinter dem 2. Paare der Sub- 
mentalia eine Reihe von Bauchschildern, die durchschnittlich 2mal größer als die Schuppen der angrenzen- 
den Schuppenreihe sind und 2 Tuberkeln tragen, stellenweise sich paarig auflösen oder auch an Größe 
kaum von den benachbarten Schuppen sich unterscheiden. 4 Analia. 


Die Rumpfschuppen bilden am dünnen Halsteil zirka 30, in der größten Rumpfhöhe 36 bis 38 Längs- 
reihen, in der größten Schwanzhöhe t/, 10 !/, Schuppenreihen. 


Ventralia zirka 250. Subcaudalia 45. 


Oberseite des Kopfes in ihrer hinteren Hälfte grauviolett mit einem kleinen punktförmigen gold- 
braunen Fleckchen nahe dem Innenrande jedes Parietale hinter dessen Längenmitte. Vordere Kopfhälfte 
an der Oberseite heller graubraun, unterbrochen durch matt gelblichbraune, verschwommene wolkige 
Flecken. Von gleicher Färbung mit letzteren sind die Seiten des Kopfes, die Infralabialia und Submentalia. 


37 intensiv grauviolette Querbinden am Rumpfe, 10 am Schwanze, getrennt durch fast milchweiße 
Zwischenräume, die gegen die Rückenlinie zu in ein sehr helles, wässeriges Grauviolett übergehen. 


Die 4 bis 5 vordersten dunklen Querbinden des Rumpfes sind fast viereckig, nahe aneinander 
gerückt, daher nur durch schmale, gleichmäßig breite helle Zwischenräume voneinander getrennt und 


unten 


reichen nicht bis zur Bauchseite des Rumpfes herab. Die folgenden Querbinden nehmen an den Seiten nach . 


unten allmählich ein wenig rascher an Länge wie insbesondere auch an Intensität der Färbung ab, gleichen 
somit der Form nach schlanken Dreiecken und vereinigen sich am Bauche zu geschlossenen Ringen. 


Die dunklen Querbinden am Schwanze ziehen sich bis zur Schwanzspitze fort, rücken gegen diese 
allmählich, im ganzen nur wenig näher aneinander und nehmen ihrer ganzen Höhenausdehnung nach nicht 
an Länge ab. 


Kopflänge DE ee Me a NS Rd Down WlkangerdesıRrontale nr re 0.0 6 mm 
Kopibreites =. lee Fin) MR a ER. BR 16 Breite >» nt 0.505 4 
Koptnoher. se re Em: Bares ea. Breite/des, Supraoeularem er Er 3 
klalsbreite era nr. BL ca. 141/, Länge der Parietalia . . . ... 2.2. .00n. 8 
Halshohegen. Bzrer SEE ee ca. 14 Größte Rumpfnohes.ar. SE De 29 
Breitende SIRo Straleme  er 41, \ >, ASehwanzhöhe: .n.uu:u%% „un. ee 17 
Höhe » EN TE RE A ON ec 3 Schwanzlänge, won eure nee 5 80 
Baneerd eräintennesa as ee 4 Totallange . 2 Kodak er 695 
Abstand des vorderen Kopfendes vom Frontale . . 7 


Das hier beschriebene Exemplar von Formosa glaube ich ohne Bedenken zu Distira ornala (Gray) 
beziehen zu dürfen, mit welcher Art Major Wall mit Recht Hydrophis godeffroyi Pet. (= Distira godeffroyi 
Blgr.) vereinigt. Unter den bisher von Distira ornata gegebenen Abbildungen stimmt unser Exemplar am 
meisten mit Jan’s Abbildung von Hydrophis striatus Jan (= Distira ornata) in der 40. Lieferung der 
»Iconogr. gen. des Ophid.«, Tafel VI, Fig. 1, überein, unter anderem auch bezüglich des Vorkommens von 
nur 2 ziemlich langen Schildern längs unter dem Außenrande der Temporalia. 

Zur selben Art dürfte wohl auch das von Masamitsu Oshima als D. geoffroyi (Pet.) angeführte 
Exemplar von Keelung mit 279 Ventralia, 40 Subcaudalia, 32 Schuppenreihen am Nacken und 40 in der 
größten Rumpfhöhe gehören. 


e 
i 


GE gen une Zum 


Schlangenarten von Formosa. 349 


27. Laticauda semifasciata (D. B.). 


Platurus semifaseiatus Reinw. (nom. nud.), Schleg., Physion. des Serp. (1837), p. 516. 
Hoydrophis colubrina Schlegel, Physion des Serp., Atlas, pl. 18, Fig. 18— 20. 
— — pt. Schlegel, Fauna japon., Rept., p. 92, Pl. X (1838). 
Platurus fasciatus pt., Dum. Bibr., Erpetol. gen., T. VII, 2d part. (1854), p. 1322. 
—  schistorhynchus Gthr., Proc. Zool. Soc. Lond., p. 297, p. 14, Fig. A (juv.). 
— — Blegr., Cat. Snak. Brit. Mus., Vol. III, p. 329 (1896). 
— — Wall, Monogr. ofthe Sea Snak. in Mem. Asiat. Soc. of Beng., Vol. II, p. 184 (1911). 
Laticauda semifasciata Stejn., Herp. Jap. 1907, p. 409, u. Batrach. and Rept. of Formosa, Proc. U. St. Nat. Mus., Vol. 38, p. 109 (1910). 
Laticaudata semifasciala Masamitsu Oshima, Annot. Zool. Jap., Vol. VII, p. 204, Tokyo, 1910. 


1 Exemplar, 1210 mm lang, von Taihan-Roku.! 

l unpaariges Schildchen zwischen den Präfrontalia. Internasalia mit ihren Innenrändern zusammen- 
stoßend; vor ihnen liegt zwischen den Nasalia und dem Rostrale ein fünfeckiges Schildchen, das breiter 
als lang ist. 

Rostrale ebenso hoch wie breit, von 5 Schildern begrenzt. Frontale länger als die Parietalia und als 
sein Abstand vom vorderen Kopfrande. Parietalia ein wenig breiter als lang. 

1 Prä-, 2 Postocularia; Temporalia 2 + 3. 

Supralabialia 7, von denen das 3. u. 4. das Auge begrenzen; sie nehmen vom 1. bis zum 3. allmählich 
an Höhe zu. 

7 Infralabialia, von denen das 4. weitaus am größten ist. 

Mentale sehr klein. Hinter diesem stoßen die Infralabialia des ersten Paares aneinander. 4 Infra- 
labialia begrenzen das erste Kinnschildpaar, welches viel größer als das 2. Paar der Kinnschilde ist, die 
voneinander durch eine Schuppe getrennt werden. 

Rumpfschuppen in 25 Reihen. Ventralia 203, von denen die 4 letzten wie das Anale paarig sind. Die 
hinteren Ventralia zeigen längs der Mittellinie einen stumpfen Kiel. Subcaudalia paarig, 36 an der Zahl. An 
den Seiten des ruderförmigen Schwanzes, der 138 mm lang ist, liegen die Schuppen in 4 Längsreihen. 

Die Oberseite des Rumpfes ist bei dem mir vorliegenden erwachsenen Exemplare von Formosa matt 
dunkelbraun. Eine viel hellere, verschwommene schmale Binde zieht diademartig über die Schnauze von 
einem Auge zum anderen. 

34 breite bränliche Querbinden am Rumpfe und 6 am Schwanze. Wie bei dem von Schlegel vortreff- 
lich abgebildeten alten Exemplare erlöschen auch bei unserem großen Exemplare die nach unten sich mehr 
minder bedeutend verschmälernden Rumpfbinden bereits gegen die Höhenmitte des Rumpfes zu und der 
direkt unter ihnen gelegene Teil des Rumpfes ist schmutzig braungelb. Der zwischen diesen dunklen 
Binden befindliche dreieckige, nach unten an Breite rasch zunehmende Raum der Rumpfseiten ist matt 
bleifarben. 

Stejneger wählt für diese Art im Gegensatze zu Boulenger den Artnamen »semifasciata Reinw.« 
und zitiert hiezu Schlegel’s »Essai sur la Physionomie des Serpens«, p. 516 (1837). Daselbst findet sich 
nur eine Stelle vor, in der Pl. semifasciatus Reinw. erwähnt wird. Es heißt daselbst: »On observe souvent 
des varietes de cette espece (das ist Hydrophis colubrinus), un individu adulte a teinte päles et a plaque 
rostrale divisee a servi de type au Plat. semifasciatus de Reinwardt.« In dem in einem Jahre später 
publizierten Werke Schlegel’s »Fauna japonica. Les Ophidiens« wird auf p. 82 AH. colubrina neuerdings 
beschrieben, der Name Pl. semifasciatus Reinw. nicht mehr erwähnt, obwohl das auf Tafel 10 abge- 
bildete Exemplar fast zweifellos die Type von PI. semifaciatus sein dürfte. 

Es scheint daher ein Pl. semifasciatus nie von Reinwardt beschrieben worden, somit ein Nomen 
nudum zu sein, welches Reinwardt einem dem Reichsmuseum in Leyden gewidmeten Exemplare in litt. 
gegeben hat. Hierauf weist auch eine Stelle im 2. Teile des 7. Bandes von Dum. Bıbr., Erpetologie generale 


1 Im Museum zu Taihoku befindet sich nach Masamitsu Oshima ein 1222 mm langes Exemplar von Kwashoto. 


350 Dr. Fr. Steindachner, 


p. 1322, hin, in welcher für eine 2. Varietät von Platurus der Name Var. semifasciatus vorgeschlagen und 
dieselbe kenntlich zum ersten Male beschrieben wird, mit der Bemerkung, daß sie vielleicht sogar als eine 
besondere Art unterschieden werden könne. Die betreffende Stelle lautet im 2. Absatz der zitierten Seite: 
»Quant ä variete que nous nommons avec M. Reinwardt Semifascie..., nous serions tente d’en faire une 
espece distincte, si nous en avions observe& plusieurs exemplaires semblables. M. Schlegel l’a indique a la 
fin de son article sur ’Hydrophis Colubrin. C'est seulement d’ apres le nom que nous avons cru devoir 
conserver ici d’indication de cette variete, en effet, tresreconnaissable ence que les bandes noires qui oceu- 
pent les deux tiers de la conference du tronc, ne laissent aucune trace dans la partie moyenne du corps« etc. 

Indem somit Dumeril und Bibron zum ersten Male Platurus semifasciatns Reinw. (in litt.) ziemlich 
kenntlich beschrieben, übersahen sie zugleich, daß Schlegel’s Abbildung in der Fauna japonica, Rept. 
(Taf. X), eben dem Pl. semifasciatus Reinw. (in litt.), nicht aber dem Aydrus colubrinus Schn. entspricht. 

Die erste charakteristische Beschreibung von Laticauda (= Platurus) semifasciata gab jedoch 
Dr. Günther unter dem Artnamen Platurus schistorhynchus und ich bin daher in einigem Zweifel, ob 
nicht der von Günther vorgeschlagene Artname gewählt werden sollte.! 


28. Bungarus candidus (L.) var. multicinctus Blyth. 


9 Exemplare von Kosempo, Kankao, Taihorin und Anping bis zu einer Totallänge von 1620 mm, 
von denen 140 mm auf den Schwanzteil entfallen. 

Bei allen diesen Exemplaren ist das erste Kinnschildpaar kürzer als das 2. und von 3 bis 4 Infra- 
labialia begrenzt, ferner ist das Frontale nur bei jüngeren Individuen ebenso lang wie sein Abstand vom 
vorderen Kopfende, bei alten dagegen nicht unbedeutend kürzer; ebenso verhält es sich bei den Parietalia 
mit bezug auf das Verhältnis ihrer Länge zum Abstand vom vorderen Kopfende. Internasalia viel kleiner 
als die Präfrontalia, Sutur zwischen ersteren zirka halb so lang wie die zwischen letzteren. 

7 Supralabialia, das 3. und 4. ans Auge stoßend. Auge klein, 1 Prä- und 2 Postocularia. Loreale 
fehlend. Nasale geteilt. Temporalia 1 + 1 bis 1 + 2. Schuppenreihen 15. Anale ungeteilt. 

V. 204— 218 Sube. 41—51. 


| | 


Totallänge Schwanzlänge Ventralia | Subcaudalia | Querbinden am Rumpfe und am Schwanze 
1670 mm 140 mım 216 51 45 + 15 (am Schw.) 
980 130 214 48 50 + 16 
960 110 213 on 40 + 10 
417 55 zalıl 44 38 —+ 10 


Bei älteren Exemplaren geht die bleigraue Färbung der Kopfoberseite allmählich in die schwärzliche 
Färbung der breiten Nackenbinde über; bei jüngeren Exemplaren ist die Oberseite des Kopfes heller grau 
und scharf abgegrenzt von der schwärzlichen Nackenbinde, die am mittleren Teile ihres Vorderrandes 
einen ziemlich breiten Ausläufer nach vorne abgibt, der, am vorderen Rande abgestutzt, bis zum hinteren 
Ende der Parietalia reicht. 

Bungarus candidus, forma maulticinctus ist eine der gemeinsten Schlangenarten Formosas und über 
die ganze Insel verbreitet. 

Abgesehen von den eingangs angeführten Fundorten sind als weitere Fundstellen Taihoku, Hozisha, 
Koshun und Hoppo von Masamitsu Oshima angegeben. 


1 Das Wiener Hofmuseum besitzt ein junges Exemplar von Laticauda colubrina aus Japan, bei welchem abnormerweise das 
Frontale, mit seiner vorderen Spitze die beiden Präfrontalia vollständig voneinander trennend, bis zu den Internasalia reicht und die 
Parietalia längs ihrer ganzen Innenreihe durch 2 Schuppen voneinander geschieden sind. 42 schwarze Ringe am Rumpfe, Smm am 


Schwanze. Untere Hälfte der Supralabialia gelb. 23 Schuppenreihen am Rumpfe. 


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Schlagenarten von Formosa. 301 


2g. Calliophis macclelandii (Reinh.) Gthr. 


Calliophis swinhoei Van Denb,, Proc. Calif. Acad. of Se., IV. Ser., Vol. 3, p. 255 (Dezember 1912). 


1 Exemplar von Suishario. 
Supralabialia 7, von denen das 3. und 4. den unteren Augenrand begrenzen. Nasalia geteilt. Kein 
Loreale, das einzige Präoculare reicht nach vorne bis zum hinteren Nasale. 2 Postocularia. 


Rostrale breiter als hoch, bei oberer Ansicht des Kopfes deutlich sichtbar. Sutur zwischen den 
Internasalia viel kürzer als die zwischen den mehr als 2mal größeren Präfrontalia. 

Frontale ebenso lang wie sein Abstand vom vorderen Kopfende, kürzer als die Parietalia. Auge sehr 
klein. Temporalia 1 + 1. 4 Infralabialia begrenzen das erste Kinnschildpaar, welches ein wenig länger als 
das hintere ist. 

Rumpfschuppen in 13 Reihen. Anale geteilt. Subcaudalia paarig. Eine breite schwarze Querbinde 
deckt fast vollständig die Präfrontalia, die vordere Längenhälfte des Frontale, die vorderen zwei Drittel 
des Supraoculare und endigt nach unten am oberen Mundrande am 4. Supralabiale und den angrenzenden 
Hälften des 3. und 5. Supralabiale. Das Rostrale, die Internasalia und das vordere Nasale sind schmutzig- 
braun und dunkler marmoriert. 

Der ganze übrige Teil des Kopfes hinter der Stirnbinde bis in die nächste Nähe des hinteren Endes 
der Parietalia und seitlich herab bis zum oberen Mundrande von der hinteren Hälfte des 5. Supralabiale 
an bis zu den Mundwinkeln ist gesättigt milchigweiß mit einem gelblichen Stiche. Die schwarze Nacken- 
binde ist nur sehr wenig schmäler als die vorangehende helle Hinterhauptsbinde und greift nicht bedeutend 
auf die Unterseite der Halsgegend über. 

Rückenseite des Rumpfes und Schwanzes schokoladebraun, mit 27 schmalen, schwarzen, weißlich 
zart gerandeten Querbinden am Rumpfe und 7 am Schwanze, welche an der Unterseite des Körpers mit den 
unter ihnen gelegenen großen, mehr minder rundlichen, ovalen oder 4eckigen Flecken, deren Gesamtzahl 
doppelt so groß wie die der Rumpf- und Schwanzbinden ist, zu kompletten Ringen zusammenfließen. 


In der Mitte der Entfernung je zweier aufeinander folgenden Leibesbinden liegt zu jeder Seite des 
Körpers ein mehr minder kleiner, punktartiger Fleck mit heller Umrandung vertikal genau über den 
zwischen den Leibesringen befindlichen großen Bauchflecken. Bei dem hier beschriebenen Exemplare ist 
auf der rechten Körperseite statt eines kleinen Fleckchens ein der Hälfte einer Querbinde entsprechender 
Querstreif entwickelt, der mit dem unter ihm gelegenen Bauchfleck zusammenfließt. 

Eine schwarze Vertebrallinie fehlt. 

Totallänge 207 mm, Schwanzlänge 39 mm. 

Ventralia 207, Subcaudalia 39 (paarig). 

Bei dieser Art ist die Zahl der Ventralia und Subcaudalia äußerst variabel. 


Die Zahl der Ventralia schwankt nach Dr. Boulenger’s Angabe im 3. Bande des Kataloges der 
Schlangen des britischen Museums (p. 398) bei der typischen Form von Calliophis maclellandii zwischen 
212 bis 240, bei der Var. univirgatus Gthr. zwischen 182 bis 231, die der Subcaudalia zwischen 25 bis 34. 
Das hier beschriebene Exemplar besitzt 39 Subcaudalia. 


Ich zweifle daher nicht, daß die beiden von Herrn J. Van Denburgh l.c. als C. swinhonis n. sp. 
beschriebenen Exemplare mit 230 und 219 Ventralia und 34 und 41 Subcaudalia zur Art C. maclellandii 
(Reinh.) gehören, mit der sie in allen wesentlichen Merkmalen, auch in der Körperzeichnung, überein- 
stimmen. 

Die geringe Zahl der Ventralia (207) bei unserem Exemplare von Suishario macht die von L. Stej- 
neger gemachte Bemerkung (»Herpotol. of Japan and adjacent Territory«, Washington 1907, p. 293) über 
die große Kluft, die bezüglich der Zahl der Ventralia zwischen den Exemplaren von Formosa und jenen 
von China und Indien bemerkbar ist, hinfällig. 


Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC. Bd. 50 


352 Dr. F. Steindachner, 


30. Amblycephalus formosensis Van Denb. 


Ambycephalus formosensis Van Denb,., Proc. Calif. Ac. Sc., Ser. 4, Vol.'3, p..55.(1909).  ) 


Psammodynastes compressus Masamitsu Oshima, Annot. Zool. Jap. Tokyo, Vol. 7, p. 201. 


24 Exemplare von Kosempo, Suishario und Alikong, 180 bis 590 mm lang. 

Rostrale nur wenig breiter oder ebenso breit wie hoch, bei oberer Ansicht des Kopfes nur als eine 
schmale Linie oder nicht sichtbar. Internasalia stets kleiner als die Präfrontalia, deren Größe übrigens ein 
wenig variiert. In der Regel ist die Sutur zwischen ersteren bedeutend länger, bei einigen wenigen Exem- 
plaren aber nur ebenso lang wie die zwischen den Präfrontalia, die mit ihrer hinteren äußeren Ecke bis 
unmittelbar an den vorderen Augenrand in seinem obersten Teile reichen. Frontale länger als breit, kürzer 
als die Parietalia, ebenso lang oder in der Regel länger als sein Abstand vom vorderen KopengE Nasale 
nicht geteilt. Loreale klein, etwas schräge gestellt. | 

Das Präoculare zeigt zuweilen eine Neigung zur Trennung in zwei Querhälften. Den ganzen unteren 
Augenrand begrenzt ein einziges, sehr schmales, langes Suboculare, den hinteren Augenrand 1 bis 2 Posto- 
cularia. Supraoculare durchschnittlich halb so lang wie das Frontale. Temporalia 2—3 + 3. 

Supralabialia 7, das letzte derselben sehr lang. Sie sind durch das lange Suboculare von der Bildung 
des unteren Augenrandes ganz ausgeschlossen. 

Die Parietalia variieren bedeutend an Länge, sind daher zuweilen bedeutend länger oder nur ebenso 
lang wie ihr Abstand vom vorderen Kopfende. 

Bei 1 Exemplare von 526 mm Länge hat sich abnormer Weise etwa in der Mitte des Innenrandes 
der Parietalia je ein sehr kleines Schildchen abgelöst, von denen das eine etwas größer als das andere ist. 
Bei eben diesem Exemplare hat sich ferner das hintere Endstück der Parietalia nach der Form einer 
Schuppe abgetrennt. 

Auch bei dem von Van Denburgh beschriebenen typischen Exemplare von Kansherei wird das 
Vorkommen eines kleinen Interparietale erwähnt, das jedoch nichts weniger als charakteristisch für diese 
Art ist. 

Das erste Paar der Infralabialia verschmälert sich in der Regel nach innen zu einer Spitze, mit der 
sie in der Regel knapp aneinanderstoßen; viel seltener kommt es zur Bildung eines kurzen Innenrandes, 
an dem die Infralabialia des 2. Paares einander berühren. Ausnahmsweise bleiben sie von einander eine 
kurze Strecke lang entfernt und es steht das Mentale in Kontakt mit dem ersten Paar der Submentalia, so 
bei dem typischen, von Van Denburgh beschriebenen Exemplare im Museum von San Fun Kali- 
fornien, und einem von den zahlreichen Exemplaren des Wiener Museums. 

3 Paare großer Kinnschilder, die des ersten Paares sind länger als breit und viel länger als die der 
übrigen Paare. Rumpf komprimiert. Rumpfschuppen in 15 Längsreihen. Schuppen der medianen Reihe nicht 
immer deutlich größer, namentlich breiter als die der angrenzenden Reihe. ‘ 

Bei dem von Van Denburgh beschriebenen einzigen typischen Exemplare sind sämtliche Rumpf- 
schuppen ungekielt, ebenso auch bei der Mehrzahl der von uns untersuchten Exemplare, bei den übrigen 
aber sind die Schuppen der 7 bis 9 oberen Reihen ganz deutlich, zuweilen selbst scharf gekielt, so daß für 
die Amblycephalus-Arten das Vorkommen oder die Abwesenheit von Kielen auf den Rumpfschuppen der 
oberen Reihen als Unterscheidungsmerkmal nicht gut verwendbar ist. 

Ventralia 163 bis 181; Subcaudalia paarig, 64 bis 80. Anale einfach, i 

In der Zeichnung und Färbung stimmt A. formosensis mit der Mehrzahl der übrigen Amblycephahıs- 
Arten überein. Die Oberseite des Kopfes ist bald mehr bald minder dunkelbraun und überdies häufig dicht 
dunkelviolett gesprenkelt. Rumpf in der Regel hellbraun. Eine schwärzlichbraune Linie zieht vom unteren 
Augenrande schräge zum oberen Mundrand, eine zweite beginnt am hinteren Augenrande und begrenzt 
von da ab die Oberseite des Kopfes nach außen. Weiter zurück senkt sie sich an der Halsgegend etwas 
herab und vereinigt sich in dieser zugleich mit der dunklen Linie, die von dem hinteren Ende jedes der 


Schlangenarten von Formosa. 398 


beiden Parietalia schräge herabzieht, mit der ziemlich breiten Längsbinde der Halsseiten. Zahlreiche 
schmale, mehr minder schräge nach hinten geneigte dunkelbraune Querbinden am Rumpfe und Schwanze. 
Häufig nehmen sie an den Seiten des Rumpfes nur die Länge einer Schuppe ein und werden stets gegen 
die Rückenlinie zu breiter. 

Unterseite des Körpers weißlich gelb und mit dunkelbraunen punktartigen Fleckchen unregelmäßig, 
mehr minder dicht gesprenkelt. Fast regelmäßig liegt eine Punktreihe am Seitenrande des Bauches. 

Nach der großen Anzahl der Ventralia und Subcaudalia sowie der Kielung der Rückenschuppen zu 
schließen, scheint mir A. formosensis vielleicht näher mit A. carinatus als mit A. moellendorfii verwandt 
zu sein, wenngleich das Präfrontale wie bei letztgenannter Art bis zum vorderen Augenrande herantritt. 


Totallänge Schwanzlänge| Ventralia Subcaudalia Totallänge Schwanzlänge| Ventralia Subcaudalia 
g 590 mm 132 mm 181 77 g 470 mm 107 mm 163 73 
dg 567 142 172 76 dg 470 118 171 80 
dg 495 115 175 74 1 274 66 171 80 
dg 485 120 164 73 d 255 92 180 73 
g 480 113 170 73 180 37 165 70 


1 Typisches Exemplar von Kanshirei. 


31. Ancistrodon acutus (Gthr.). 


Habys acutus Gthr., Ann. u. Mag. Nat. Hist., Ser. VI, Vol. I, p. 171, pl. XII (1888), und in Pratt, Snows of Tibet, p. 248 (1892). 
Anecistrodon acutus Blgr., Cat. Snak. Brit. Mus., Vol. III, p. 524 (1896). 
— — Blegr. Capt. F. Wall. Prodr. Snak. hitherto record. from China, Jap. u. the Loo Choo Isl., Proc. Z. S. Lond. 1902, p. 93. 
Agkistrodon acutus (Gthr.) Van Denb., New et previously unrec. spec. of Rept. et Amph. from formosa, Proc. Calif. Ac. of Sc. Se. IV, 
Vol. III (1909), p. 55. 
— -— Masamitsu Oshima, Annot. List of. Formosan Snak. in Annot. zoolog. Jap. Tokyo, Bd. 7 (1910), p. 205. 


6 Exemplare von 460 bis 8l5 mm Länge von Kosempo und Alikang in Sauters’ Sammlung; nach 
Masamitsu Oshima befinden sich Exemplare derselben Art bis zu 1380 mm Länge im Museum zu 
Taihoku (Taipeh) von Koshun, Hoppo, Taichu, Horisha und Shinko; im Museum von S. Franeisco (Kali- 
fornien) Exemplare von Koshun und Shinchika. Das größte der im britischen Museum aufbewahrten Exem- 
plare aus China ist 1500 mm lang. 

Kopf dreieckig, nach vorne stark zugespitzt, zirka ?/,mal länger als breit. Ein hornartiger häutiger 
Anhang an der Schnauze, dessen ganze Vorderseite von dem hohen Rostrale (nach Boulenger von dem 
Rostrale und einem von diesem getrennten 2. Schild) und dessen Hinterseite von den Internasalia 
bedeckt ist. Schilder an der Oberseite des Kopfes granuliert. Frontale länger als breit, ebenso lang oder ein 
wenig kürzer als die Präfrontalia und ebenso breit, seltener minder breit wie ein Supraoculare. 

Die Parietalia sind länger als das Frontale und zeigen eine starke Neigung zur Lostrennung ein- 
zelner seiner Teile nächst dem Innenrande sowie insbesondere nächst seinem hinteren Ende zu separaten 
Schildern. So ist bei einem großen Exemplare am Innenrande der Parietalia ein ziemlich großer Teil als 
ein paariges Interparietale abgetrennt. Bei drei kleineren Exemplaren bemerkt man gleichfalls ein bald 
kleineres bald größeres paariges Interparietale; überdies ist jedes der beiden Parietalia der Länge nach 
vollständig in 2 Schilder (ein vorderes und ein hinteres Parietale) gespalten, von denen bei einem dieser 3 
Exemplare die hintere kleinere Parietalhälfte von der der entgegengesetzten Seite durch eine Längsreihe 
sehr kleiner Schildchen getrennt ist, welche also direkt auf die Interparietalia folgen. Nasale geteilt: hinter 
diesen liegen 3 Loricalia übereinander, von denen das obere, relativ viel größere nach hinten an das obere 
der beiden Präocularia stoßt. Die beiden übrigen kleinen Lorealia begrenzen die Zügelgrube nach vorne. 


354 Dr. F. Steindachner, 


2 Prä-, 2 Subocularia. Das untere Präoculare ist niedriger als das obere und reicht nach vorne bis zur 
Zügelgrube. Das vordere der beiden Subocularia ist sehr kurz und von sehr geringer Höhe; es schließt sich 
an dasselbe nach vorne ein etwas längeres Schildchen an, welches wie das untere Präoculare bis zur 
Zügelgrube reicht und mit diesem letztere nach hinten begrenzt. 

Das hintere Suboculare ist sehr groß, kahnförmig gebogen, nach hinten an Höhe zunehmend. Es bildet 
fast den ganzen unteren und zugleich einen kleinen Teil des hinteren Augenrandes. 

1 Postoculare. 

7 Supralabialia, von denen das 3. und nach ihm das 4. am größten und höchsten sind. Das 2. Supra- 
labiale bildet die untere Hälfte des Vorderrandes der Zügelgrube. Längs über den 4letzten Supralabialia 
liegen 3 Temporalia in unterer Reihe, von denen das vordere größte nach unten in den dreieckigen 
Einschnitt, der vom Hinterrande des 4. und dem Vorderrande des 5. Supralabiale gebildet wird, sich 
einschiebt und nach vorne bis an den hinteren Rand des hinteren Suborbitale reicht. 

11 Infralabialia, von denen die des ersten Paares hinter dem Mentale nach innen aneinander stossen. 
Körperzeichnung und Färbung wie bei den typischen chinesischen Exemplaren. 

Oberseite des Kopfes intensiver dunkelbraun oder grauviolett als die Oberseite des Rumpfes; noch 
dunkler, zuweilen fast schwarz ist der Längsstreif, der vom hinteren Augenrand etwas schräge nach 
hinten und unten bis hinter die Mundwinkel herabreicht. 

Die Grundfarbe des Rumpfes ist oben und seitlich mehr minder matt oder dunkel grauviolett und 
geht gegen die Analgegend zu allmählich in ein helles Semmelbraun über, welches auch die Grundfarbe 
des Schwanzes bildet. 

Große dreieckige Flecken liegen an den Seiten des Rumpfes, die bei der Mehrzahl der uns vorliegen- 
den Exemplaren ausnahmslos oben am Rücken mit ihrer oberen Spitze ziemlich breit aneinander stossen, 
bei anderen Exemplaren aber mit Ausnahme der vordersten Dreiecke getrennt bleiben und mit denen der 
gegenüberliegenden Rumpfseite alternieren. 

Diese Flecken nehmen gegen die Längenmitte des Rumpfes allmählich an Größe zu, hierauf aber, 
namentlich anfänglich, bis zum Schwanzende etwas rascher an Umfang ab. ’ 

Die vorderen dieser Seitenflecken sind im obersten Endstück und nächst dem Seitenrande mehr 
minder intensiv dunkelbraun, im mittleren Teile hell semmelbraun und nächst der breiten Basis matt 
grauviolett; gegen das Rumpfende zu überwiegt aber allmählich immer mehr und mehr die braune 
Färbung in diesen Seitenflecken, ebenso am Schwanze, dessen hinterstes Längenviertel oder Längendtrittel 
einfarbig grauviolett ist. 

In der Regel sind alle diese Flecken an dem Seitenrande mit einer sehr zarten weißlichgrauen Linie 
scharf gesäumt. Unter diesen dreieckigen Flecken liegt eine Reihe doppelt so zahlreicher, schart abge- 
grenzter, intensiv schwarzer, rundlicher oder ovaler Flecken auf den zwei untersten Schuppenreihen des 
Körpers und am seitlichen Teile der Bauchschilder. 

Auch der mittlere Teil der weißlichgelben Bauchseite ist mit unter sich mehr minder großen, oft 
ganz unregelmäßen schwarzen Flecken besetzt, die übrigens lange nicht den Umfang der Flecken der 
unteren Seitenreihe des Körpers erreichen. Auf den vordersten Bauchschildern liegen nur schwarze Punkte 
in geringer Anzahl. 

Die Zahl der dreieckigen Rumpfflecken nimmt mit dem Alter ein wenig zu und beträgt bei jüngeren 
Exemplaren 18 bis 19, bei älteren 20 bis 21-am Rumpfe und 6 bis 7 am Schwanze. 

Rumpfschuppen in 21 Reihen; sie sind mit Ausnahme der schwach gekielten Schuppen der untersten 
Reihe stark tuberkelförmig gekielt. Anale einfach. Subcaudalia zum größten Teile paarig. 

Schwanz komprimiert in seiner hinteren Längenhälfte; die Schuppen der untersten seitlichen Längs- 
reihe, die längs über den Subcaudalia liegt, sind daselbst verhältnismäßig viel größer, namentlich höher als 
die der übrigen Reihen, die einander an Größe gleichen. 


V.152 bis 168. Sube. 52 bis 60. 


Schlangenarten von Formosa. 355 


Totallänge |Schwanzlänge| Ventralia | Subcaudalia 
1 47 
9. 813 mm 107 mm 168 An +4+ Din; (zus. 52) 
115 152 2 1 a ( 96 
725 — +4 1-- —— » 
0 2 53 
41 
d 565 83 158 ee 9 Bi 
bB} 
& 640 98 164 en (» 59) 
47 
g 540 86 153 Nr (Br 
90 
JS 465° 72 155 (>59) 


32. Lachesis (Trimeresurus) monticola (Gthr.) Blgr. 

1 erwachsenes Exemplar von 475 mm Länge und 3 junge Exemplare von Suishario. 

8 Schuppen zwischen den Supraocularia; 10 Supralabialia, von denen das 2. den Vorderrand der 
Lorealgrube bildet. 3 Schuppenreihen zwischen dem Auge und den Supralabialia. Die Internasalia stoßen 
aneinander. Nasale geteilt. 

Rostrale ebenso hoch wie lang, bei oberer Ansicht des Kopfes nur als eine schmale Linie bemerkbar. 
Auge klein, Supraorbitale länger als das Auge. 3 Schilder zwischen dem vorderen Ende des Supraorbitale 
und dem mehr als 2mal größeren Internasale. Canthus rostralis stumpf. 2 Schuppen längs unter der 
Schnauzenkante zwischen dem vorderen Augenrande und dem hinteren Nasale. Schuppen an der Ober- 
seite des Kopfes klein, nebeneinander gelagert. 

Rumpfschuppen der oberen Längsreihen schwach gekielt. 

Oberseite des Kopfes hellbraun; ein medianer dunkelbrauner Längsstrich am Nacken. Eine tief 
schwarzbraune Binde zieht vom hinteren Augenrande etwas schräge bis zu den Seiten des Halses herab, 
eine zweite vom Mundwinkel zum oberen Rande des 4. und 5. Bauchschildes. Eine dritte schräge Binde 
läuft vom unteren Augenrande zum 5. und 6. Infralabiale. Längs über der Schläfenbinde liegt eine nicht 
scharf umrandete Randzone, die ein wenig heller als die Grundfarbe der Kopfoberseite ist. 

Die Querbinden an der Oberseite des Rumpfes verschieben sich mehr minder mit ihren seitlichen 
Hälften gegeneinander und bilden, hie und da zusammenfließend, ein Zickzackband. Zwischen diesen 
dunklen Querbinden ist der Rücken kupferfarben. Seiten des Rumpfes grauviolett mit 2, stellenweise 
8 Reihen schwarzer Flecken. Die Flecken der 2 oberen Reihen sind sehr variabel an Form und Größe, 
zuweilen strichelartig in die Länge gezogen und stets sehr bedeutend kleiner als die rundlichen oder 
ovalen Flecken der unteren Reihe, deren Ränder ein wenig sternförmig ausgezackt sind. Bauchschilder 
seitlich am aufsteigenden Teile teilweise unregelmäßig matt schokoladefarben gefleckt, im mittleren Teile 
wie bestäubt. | 

Rumpfschuppen in 25 bis 27 Reihen. Anale ungeteilt. Subcaudalia paarig. 

In der Körperzeichnung stimmt das hier beschriebene große Exemplar fast ganz genau mit den von 
J. Fayrer gegebenen Abbildung (»The Thanalophodia of India«, London 1872, Pl. 15) überein. 


Totallänge Schwanzlänge| Ventralia Subcaudalia 
g 475 mm 66 mm 149 39 
252 32 145 45 
196 28 146 44 
179 32 147 50 


356 ' Dr. F.Steindachner, 


Als ein zweiter sicherer Fundort dieser Art auf Formosa ist Tapposha, Mt. Arizan in Zentralformosa 
(Barbour, Proc. N. Engl. Zool. Club, Vol. 4, p. 74, 1909) erwähnt. 


33. Lachesis (Trimeresurus) mucrosquamatus Cant. 


Diese Art ist über ganz Formosa verbreitet und scheint überaus häufig zu sein. Die Sauter’sche 
Sammlung enthält zahlreiche Exemplare von Kosempo, Suishario, Kankau, Trihorin, Alikang, von denen 
das größte, ein ©, 1280 mm lang ist. 

Das britische Museum besitzt Exemplare von Zentral- und Südformosa. 

Rostrale ebenso hoch wie breit oder ein wenig breiter als hoch und bei oberer Ansicht des ae 
nur als eine schmale Linie bemerkbar. 2 bis 4 Schüppchen trennen die kleinen Internasalia. 13 bis 
16 Schuppen zwischen den bald größeren bald kleineren Subocularia. 

Supralabialia 8 bis 11, in den meisten Fällen 9; das 2. bildet den Vorderrand der Lorealgrube und das 
schlanke 2. und 3. der Präocularia den oberen und unteren Rand derselben. 13 bis 14 Infralabialia; 3, selten 
4 Schuppenreihen zwischen dem unteren Augenrande und den Supralabialia. Nasale ganz oder halb geteilt. 

Schuppen an der Oberseite des Kopfes sehr klein, in der Schnauzengegend in der Regel körnig, 
gewölbt, die folgenden wie die größeren der Schläfengegend gekielt. | 

Rumpfschuppen in 25 bis 27 Reihen, stark gekielt. Bei manchem Exemplare erhöhen sich die Kiele 
in ihrer vorderen und hinteren Höhenhälfte ein wenig wie zu einem winzigen Stachelchen bei mittlerer 
Depression des Kieles. | 

Die ganze Oberseite des Kopfes mit Ausnahme eines breiten hellgrauen Streifes längs über dem 
schmalen, scharf umgrenzten, dunkel grau- oder braunvioletten Streif, der vom hinteren Augenrande 
schräge nach hinten und unten bei den Mundwinkeln vorüber zum hinteren seitlichen Kopfende zieht, ist 
bald mehr bald minder intensiv braun. In letzterem Falle tritt die ziemlich breite, stets dunklere Umrandung 
derselben stark hervor, und beginnt bereits in der Internasalgegend. Zuweilen liegen 2 sehr dunkle 
Streifen am Hinterhaupte, die vorne in der Kopfmitte sich spitzwinkelig vereinigen und nach hinten diver- 
gierend an dem Beginne der Halsgegend endigen. 

Zahlreiche dunkle Querbinden am Rücken, deren Hälften stellenweise sich gegeneinander mehr 
minder'stark verschieben-und zuweilen mit der folgenden Querbinde zu einer kürzeren oder längeren 
Zickzackbinde zusammenfließen. Unter diesen liegt an den Seiten des Rumpfes eine Reihe ziemlich großer 
Flecken, die sich bei manchen Exemplaren in zwei übereinanderliegende Reihen auflösen, von denen die 
untere ganz oder teilweise auf den aufsteigenden Teil der Ventrale fällt. 


Anale ungeteilt. Subcaudalia paarig, nur in sehr seltenen Fällen sind einige wenige (2) der vorderen 
Subcaudalia einfach. Die Zahl der Ventralia und Subcaudalia ist nur geringen Schwankungen unterworfen, 
wie nachfolgende Tabelle zeigt. Der Kopf nimmt nach vorne ziemlich gleichmäßig an Breite ab und endigt 
daselbst ziemlich zugespitzt. Die größte Kopfbreite gleicht genau oder nahezu der Hälfte der Kopflänge. 


Totallänge Schwanzlänge| Ventralia | Subcaudalia Totallänge us Ventralia Subcaudalia 
2990 mm 187 mm 208 91 2 810 mm 165 mm 214 89 

2 920 181 212 85 &g 690 127 206 95 

2 900 167 207 92 © 615 113 204 90 

2 890 157 208 89 


Mit Einbeziehung der Exemplare des britischen Museums von Formosa (somit mit Ausschluß zweier 
Exemplare unbekannten Fundortes aus Belcher’s Sammlung) schwankt die Zahl der Ventralia nur 
zwischen 200 bis 214 und die der Subcaudalia zwischen 85 bis 95. 


u 


Schlangenarten von Formosa. 357 


Das von Dr. Boulenger angeführte Exemplar mit nur 76 Subcaudalia hat wahrscheinlich einen gut 
verheilten Stummelschwanz. wie das im Wiener Hofmuseum befindliche größte Exemplar dieser Art von 
Taihorin mit 71 Subcaudalia, dessen Totallänge 1280 mm bei einer Schwanzlänge von 201 mm Länge 
beträgt. 


Fig. 19. 


Lachesis (Trimeresurus) mucrosquamatus. 


Fig. 19. Seitliche, Fig. 20. Obere, Fig. 21. Untere Ansicht des Schädels, 2 mal vergr. 


34. Lachesis (Trimeresurus) gramineus (Shaw). 


9 Exemplare von Kosempo und Suishario in Sauter’s Sammlung. Masamitsu Oshima gibt als 
weitere Fundorte auf Formosa an: Kuraru, Koshun, Horisha Banshiro, Kagi, Taichu, Hoppo; nach 
Barbour kommt sie bei Bankoro in Zentralformosa, nach Stejneger in Taihoku (Taipa), wie überhaupt 
in Nordformosa häufig vor. 

Bei sämtlichen formosanischen Exemplaren unserer Sammlung zieht eine gelbliche Linie längs der 
untersten Schuppenreihe der Rumpfseiten hin, die sich zuweilen nach vorne bis unter das Auge fortsetzt, 
häufig aber in der Halsgegend endigt. 

Rostrale ebenso hoch wie breit oder ein wenig breiter als hoch, in der Regel ein wenig auf die Ober- 
seite des Kopfes übergreifend. 


358 Er. Fr. Steindachner, 


Die beiden Internasalia sind bei manchen Exemplaren nicht viel größer als die nach hinten sich 
anschließenden Randschuppen des Canthus rostralis und vorne voneinander durch 1 bis 3 Schüppchen 
getrennt. Nasale ungeteilt. : 

10 bis 11 Supralabialia, von denen das 2. den Vorderrand der Lorealgrube bildet. 3 Präocularia, die 
beiden unteren verhältnismäßig lang und niedrig, nach vorne divergierend und die Lorealgruben nach oben 
und unten begrenzend. 

Das obere Präoculare ist häufig kürzer als die beiden anderen. Ein langes Suboculare, teilweise auch 
mit dem unteren Präoculare verschmolzen zeigt am unteren Rande 1 bis 2 Einbuchtungen, die auf die Ver- 
einigung von 2 bis 3 Schildern hindeuten. 2 bis 4 Postocularia, 12 bis 13 Infralabialia. 

Zwischen dem Suboculare und den Supralabialia liegen vorne 1, dann 1 bis 2, zuletzt 3 Se 
übereinander. € 

Supraoculare schmal, mehr minder lang, von dem der entgegengesetzten Kopfseite durch 12 bis 15 
Schüppchen in einer Querreihe getrennt. 

Schuppen an der Oberseite des Kopfes auf der Stirn und Schnauze glatt, weiter zurück und in der 
Schläfengegend zart gekielt. Rumpfschuppen in 21 Längsreihen. 

Ventralia bei den im Wiener Museum befindlichen formosanischen Exemplaren 162 bis 169, Sub- 
caudalia 60 bis 71. 

Das größte der bisher in Formosa beobachteten Exemplare ist 800 mm lang. Masamitsu Oshima 
führt bei einem 487 mm langen Exemplare von Koshun nur 131 Ventralia an, bei 16 anderen formosani- 
schen Exemplaren 158 bis 169, Dr. Boulenger bei 7 Exemplaren von Formosa 151 — 163. 


V. 151— 169, Subec. 60— 71. 


Totallänge See Ventralia Subcaudalia 
| | 
2 730 mm 145 mm 162 71 
2 710 126 167 63 
2 700 132 163 70 
2 670 123 164 70 
g 640 102 166 60 
2 625 145 } 169 61 
2 542 111 163 70 


g' 480 95 al: 63 


Schlangenarten von Formosa. | 359 


Nachtrag. 


& 


35. Tropidonotus chrysargus Schleg. 


2 Exemplare von Nordformosa. Coll. Sauter. 


36. Tropidonotus stolatus (Lin.). 
2 Exemplare, 225 und 950 mm lang. Coll. Sauter. 


V. 148 und 149. C. 69 und 74. 


37. Naja naja (L.) var. atra Cant. 
1 Exemplar ©, 1024 mm lang, von Kankau. Coll. Sauter. 


V. 175, C. 43. Schwanzlänge 175 mm. 25 Längsschuppenreihen am Nacken, 21 in der Mitte der 
Rumpflänge. 

Rechts 9, links 8 Infralabialia, Supralabialia 7, von denen das 3. und 4. den unteren Augenrand bilden 
und das 3. zugleich mit dem Präoculare das Auge nach vorne begrenzen. 

1 Prä- und 3 Postocularia. Temporalia 2 + 1. Rostrale zirka 10 mm breit, 7 mm hoch. Parietalia 
13 mm lang, 10!/, mm breit, Frontale 8!/, mm lang, 7 mm breit, Augenlänge 5 mım, Internasalia 7, Präfron- 
talia 9 mım lang. 

14 schmale gelbbraune Querbinden, am vorderen und hinteren Rande schwarz gesäumt, an den 
Seiten des Rumpfes. Grundfarbe des Rückens braunviolett, gegen den Schwanz an Intensität der Färbung 
zunehmend. Der brillenförmige Nackenfleck ist semmelfarben. Bauchseite schwärzlich, nur die 8 ersten 
und das 11.—15. Bauchschild sind gelb, das 9. und 10. violett. 


Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC. Bd. 


360 | Dr. FSteindachner, 


Übersicht der bisher von Formosa bekannten Schlangenarten. 


. Zyphlops braminus (Daudin) Cuv. 


San! 
= 2. Sibinophis collaris (Gray) Stejn. 
= 3. Tropidonotus stolatus (Linne) Boie. 
= 4 — piscator (Schn.) Boie. 
= 5. — annalaris Hallow. 
#6. .— swinhonis Gthr. 
eo: 7. —  sauteri Blgr. 
*18, Macropisthodon rudis Blgr. 
° 9. Achalinus formosanus Blgr. 
° # 10. Achalinopsis sauteri n. g., n. sp. 
= 11. Pseudoxenodon macrops (Blyth) Bl gr. 


= 12. Dinodon rufozonatus (Cantor) Pet. 


#13. —  septentrionalis Gthr. var. ruhstreati Fisch. 
14. Zoacys dhumnades (Cantor) Cope. 
= 15. —  nigromarginatus (Blyth.) Gthr. 5 
= 16. Zamenis (Ptyas) korros (Schleg.) Blgr. 
17... — — ‚mucosus (Lin.) Blgr. 
= 18. Coluber porphyraceus Cantor. 
= 19. — daeniurus (Cope.) Blgr. 
= 20. — phyllophis Blgr. 
21. — rufodorsatus (Cant.) Gthr. 


= 22. Holarchus formosanus (Gthr.) Stejn. 
° = 23. Oligodon sauteri Steind. 
on 

= 25. Liopeltis semicarinata (Hallow.) Stejn. 

= 26. .— 


= 27. Calamaria pavimentata D. B. 


ornaltus Van Denb. 


major (Gthr.) Stejn. 


28. Hypsirhina plumbea (Boie) Gray. 


(Die mit einem * bezeichneten Arten befinden sich in den Sammlungen des Hofmuseums in Wien. Die durch ° gekennzeichneten 


Arten sind bisher nur von Formosa bekannt. 


1 Lalicauda Laur. 1768 = Platurus Latz 1802. 


3 Stejneger ist der Ansicht, daß nach den internationalen Regeln der Nomenklatur Coluber hydrus Pall. = Tropidonotus 
tessellatus (Laur.) als Type von Schneider’s Gattung Hydrus angenommen werden müsse (s. Stejneger »Formosan Batrachrans 


and Reptiles« in Proc. U. St. Nat. Mus., Vol. 38, p. 111, 1910), schlägt daher den neuen Gattungsnamen Pelamydrus für Hydrus 


platurus vor. 


Ru '% 


x 


Br 


6. 


29. 
30. 
31. 
32. 
33, 
34. 


35. 

36. 
37 
38. 


39. 
40. 
41. 


42. 
43. 


44. 
45. 
= 46. 
47. 
48. 
49. 
50. 


2 Boulenger hält Emidocephalus ijimae im Gegensatze zu Stejneger und F. Wall für identisch mit EZ. annulatus Krefft. | 
; 
i 
H 
t 


—  bennettii (Gray). 
—  enhydris (Schneid,) D.B. 
Cerberus rhynchops (Schneid.) Gehr. 
Boiga kraeplinii Stejn. > 
Psammodynastes pulverulentus (Boie) D. B. 
Distira spiralis (Shaw) F. Wall var. melanocephala 
(Gray pt., Blgr.) 
— ornata (Gray) Blgr. 
—  cyanocincta (Dand.) Blgr. 
—  viperina (Schmidt) Blgr. 
Laticauda! semifasciata (D. B.) Stejn. — Platurus 
schistorhynchus Gthr. 
—  laticaudata (Lin.) Stejn. 
Emidocephalus ijimae Stejn. Wall. 
Hydrus platurus (Lin.) Blgr. — Belamydrus plalurus 
(Lin.) Stejn. 3 
Bungarus candidus (L.) Cant. var. multicinctus 
Blyth. Blgr. 
Naja naja (Lin.) Stej n. var. atra Cant. —N. tripu- 
dians Merr. var. atra Cant. 
Calliophis macclelandii (Reinh.) Gthr. = 
Amblycephalus formosensis V. Denb. 
Aneistrodon acutus (Gthr.) Blgr. 
Lachesis (Trimeresurus) monticola (Gthr.) Blgr. 
—. mucrosguamatus (Cantor) Blgr. 
— — gramıneus (Shaw) Bler. 
Tropidonotus ehrysargus Schleg. 


| 
3 


Schlangenarten von Formosa. 36l 


Erklärung der Tafeln. 


Tafel I. 


Fig. 1—7. Achalinopsis sauteri Steind. (Fig. 1—4 zweimal, Fig. 5—7 fünfmal vergrößert.) 


» 8-10. Oligodon sauteri Steind., 2mal vergrößert. 


Tafel II. Tafel II. 


Macropisthodon rudis Blgr. ad. et jun. Psendoxenodon macrops (Blyth) Blgr. 


Tafel IV. 


Pseudoxenodon macrops var. sauteri. 


/ 


F. Steindachner: Schlangen von Formosa. 


Jos. Fleischmann, n. d. Nat. gez. 


Denkschriften d. kais. Akad. d. Wiss., math.-naturw. Klasse, Bd. XC. 


Kafl, 


F. Steindachner: Schlangen von Formosa, Taf. II. 


Jos, Fleischmann, n. d. Nat. gez. 


Denkschriften d. kais. Akad, d. Wiss., math.-naturw. Klasse, Bd. XC. 


F. Steindachner: Schlangen von Formosa. Taf. III. 


Jos. Fleischmann, n. d. Nat. gez. Druck aus der k:k.Hofu Staatsdri 


Denkschriften d. kais. Akad. d. Wiss., math.-naturw. Klasse, Bd. XC. 


F. Steindachner: Schlangen von Formosa. 


Jos. Fleischmann, n. d. Nat. gez. 


Denkschriften d. kais. Akad. d. Wiss., math.-naturw. Klasse, Bd. XC. 


Druck aus der k.k.Hof-u.Staatsdruckerei 


RACHITIS UND EPITHELKÖRPERCHEN 


VON 


DR J. ERDHEIM 


ASSISTENTEN AM PATHOLOGISCH-ANATOMISCHEN INSTITUT ZU WIEN (VORST. HOFR. PROF. WEICHSELBAUM) 


Mit 11 Tafeln und 16 Textfiguren 


VORGELEGT IN DER SITZUNG AM 16. OKTOBER 1913 


INHALTSVERZEICHNIS. 


Einleitung . 


I. Rachitische Veränderungen der Rippen 


1. Normale Rippen a 
A. Kasuistik, Fall1bis 8. 
B. Das histologische Bild der normalen Rippe 
a) Rippen in der Wachstumsperiode 
b) Rippen mit abgeschlossenem Wachstum ° 


c) Über einige Wachstumserscheinungen an normalen Rippen 


2. Rachitische Rippen OR: 
A. Kasuistik, Fall 9 bis 23 . a va 
B. Das histologische Bild der rachitischen Rippe 


C. Über die Kombination von Rachitis mit Marasmus 


II. Rachitische Veränderungen’der Zähne 


1. Normale Backenzähne . 
A. Kasuistik, Fall 1 bis8. 


B. Das histologische Bild der normalen Backenzähne . 
2. Rachitische Backenzähne 


A. Kasuistik, Fall 9 bis 23 


B. Das histologische Bild der rachitischen Backenzähne . 
3. Normale Nagezähne . 


A. Kasuistik, Fall 1 bis8. 


B. Das histologische Bild der normalen Nagezähne 
Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC. Bd. / 


en 
[8 


157 [519] 


157 [519] 


364 Dr. I. Erdheim, 


4. Rachitische Nagezähne Re 
Amkasussuk,wRalll9Abisy28 re ee 
B. Das histologische Bild der rachitischen Nagezähne . 


III. Frakturheilung bei Rachitis 


1. Frakturheilung beim normalen Tier 
A. Kasuistik, Fall 1 bis 8 


B. Das histologische Bild des Frakturcallus beim normalen Tier . 


2. Frakturheilung bei rachitischen Tieren 
A. Kasuistik, Fall 9 bis 22 


B. Das histologische Bild des rachitischen Frakturcallus . 


3. Rachitische Spontanfrakturen der Rippen 
A. Kasuistik, Fall 9 bis 23 


B. Das histologische Bild der rachitischen spontanen Rippenfraktur 
IV. Über das calcioprotektive Gesetz . 


V. Epithelkörperchen bei Rachitis 


1. Epithelkörperchen bei normalen Tieren . 
A. Kasuistik, Fall 1 bis 8 


B. Größe und histologische Beschaffenheit der normalen Epithelkörperchen 


2. Epithelkörperchen bei rachitischen Tieren . 
A. Kasuistik, Fall 9 bis 23 


B. Größe und histologische Beschaffenheit der Epithelkörperchen rachitischer Tiere . 


Figurenerklärungen auf den Tafeln I bis XI. 


Literatur . 


Seite 
163 [525] 
163 [525] 
172 [534] 


182 [543] 


182 [544] 
182 [544] 
192 [554] 


203 [565] 
203 [565] 
218 [580] 


233 [595] 
234 [596] 
240 [602] 


249 [611] 


260 [622] 


262 [624] 
262 [624] 
269 [631] 


274 [636] 
274 [636] 
295 [657] 


318 [680] 


Rachitis und Epithelkörperchen. 369 


Einleitung. 


Gelegentlich experimenteller Tetanieuntersuchungen fand ich zum ersten Male die bis dahin unbe- 
kannte Beziehung der Epithelkörperchen zum Kalkstoffwechsel. Es zeigte sich nämlich, daß bei der Ratte 
das Dentin des Nagezahnes, welches das ganze Leben kontinuierlich wächst, von dem Tage an, an dem 
man dem Tier die Ek. (= Epithelkörperchen) wegnimmt, nicht mehr oder nur unvollständig verkalkt. 

Ich habe seitdem die Frage nach den Beziehungen der Ek. zum Kalkstoffwechsel stets im Auge 
behalten und war bestrebt, das Verhalten der Ek. des Menschen bei denjenigen Krankheiten zu unter- 
suchen, bei denen Anomalien des Kalkstoffwechsels bestehen, also bei Osteomalacie und Rachitis. 

In der Tat gelang es mir sehr bald in einer Reihe von Fällen bei Östeomalacie des Menschen in den 
Ek. Hyperplasie und Hypertrophie nachzuweisen, während beim rachitischen Kind die Untersuchungen 
auf Schwierigkeiten stießen. 

In diesem Stadium der Bestrebungen eröffnete sich mir nun eine, sicheren Erfolg versprechende 
Gelegenheit, den Zusammenhang zwischen Rachitis und Ek. bei der Ratte zu beweisen. Es war dies 
gelegentlich noch nicht veröffentlichter Callusstudien, bei denen es mir auffiel, daß trotz gleich langer 
Heilungsdauer der Fraktur die Vereinigung der Fragmente bei einem Teil der Tiere bereits eingetreten 
war, bei einem anderen Teil der Tiere aber nicht. Im Obduktionsprotokoll der ersteren Tiere fand sich 
weiterhin stets die Angabe, die Ek. seien makroskopisch von normaler Größe, während bei den letzteren 
Tieren die Ek. konstant sehr beträchtlich vergrößert waren. Die nähere Untersuchung ergab ferner, daß 
die Tiere mit der rasch heilenden Fraktur und normal großen Ek. ein normales Skelett und transparente 
Nagezähne besaßen, die mit der verzögerten Frakturheilung und.den vergrößerten Ek. an spontaner 
Rachitis litten, einen Rosenkranz, oft zahlreiche spontane Rippenfrakturen und völlig opake Nagezähne 
aufwiesen, wie sie in typischer Weise auch nach der Ek.-Exstirpation gefunden werden. 

Nach dieser gelegentlichen Beobachtung war es klar, daß bei der Ratte die spontane Rachitis mit 
einer auffallenden Vergrößerung der Ek. einhergehe und darum dieses Tier besonders geeignet sei, den 
schon seit langem angestrebten Beweis für den Zusammenhang der Rachitis mit den Ek. zu erbringen. 

Der Arbeitsplan war der folgende: Verarbeitet wurden 8 normale und 15 rachitische Ratten. Für die 
Unterscheidung zwischen normalen und rachitischen in vivo erwiesen sich die Nagezähne als ganz ver- 
läßlich, denn sie sind beim normalen Tier transparent, beim rachitischen opak. Aus den im Abschnitt über 
den Kallus angegebenen Gründen wurden 15 Tage vor der Tötung jedem Tier eine oder beide Fibulae 
gebrochen. Bei der Obduktion wurde auf die Größe der Ek. geachtet und die in toto entnommenen Hals- 
organe in der Weise histologisch verarbeitet, wie dies im Abschnitt über die Ek. angegeben ist. Ferner 
wurden die Nage- und Backenzähne histologisch nach Entkalkung in Salpetersäure untersucht. Wie uns 
vielfältige Erfahrungen gelehrt haben, lassen sich die Kalkverhältnisse an den Zähnen trotz Salpetersäure- 
entkalkung sehr gut beurteilen. Endlich wurde die gebrochene Fibula und eine Anzahl Rippen untersucht, 
Fibula und Rippen wurden, nach eintägiger Formolfixation, in Müller’scher Flüssigkeit bei 36° entkalkt, 
wozu meist wenige Tage genügten. 

Aus dem Arbeitsplan geht hervor, daß die vorliegende Mitteilung in die folgenden Teile zerfällt. 
1. Die rachitischen Veränderungen der Rippen, 2. der Zähne. 3. Frakturheilung bei Rachitis. Jedem dieser 
drei Abschnitte sind die Untersuchungen an den normalen Tieren vorausgeschickt, die wir uns als Basis 
für die Beurteilung der rachitischen Veränderungen erst schaffen mußten. Im 4. Abschnitte ist die Kalk- 
verteilung im Skelett besprochen, soweit sie von statischen Momenten abhängt und in den drei ersten 
Abschnitten gelegentlich zur Beobachtung gelangte. Im 5. Abschnitt ist von der Größe und histologischen 
Struktur der Ek. normaler und rachitischer Tiere die Rede, 


© 
[op) 
{op} 


Dr. J. Evdheim, 


Bei der histologischen Untersuchung des Skelettes auf Rachitis bestand ursprünglich bloß die 
Absicht, die Rachitisdiagnose zu verifizieren, und darum wurden zumeist nur die Rippen untersucht. Wie 
nämlich Pommer'’s sorgfältige Untersuchungen gezeigt haben, ist die Rachitis eine das gesamte Skelett 
betreffende Erkrankung; darum schien es nicht erforderlich, alle Knochen zu untersuchen. An welcher 
Stelle des Skelettes immer wir unsere Untersuchungen anstellten, an Rippen und Fibulae, Backen- und 
Nagezähnen, sowie am Callus, fanden wir in der Tat die Regel Pommer's bestätigt. Die Wahl der zu 
untersuchenden Knochen fiel ferner darum auf die Rippen, weil, wie Schmorl, einer unserer besten 
Rachitiskenner, zeigte, die Rippen als die raschest wachsenden Knochen, die rachitischen Veränderungen 
zu allererst aufweisen, und so selbst eine beginnende Rachitis der Aufmerksamkeit nicht entgehen konnte. 

Im Laufe der Untersuchung jedoch erwiesen sich die rachitischen Veränderungen der Rippen als so 
interessant, daß es sich verlohnte, die Befunde in extenso mitzuteilen und zu besprechen, und so wuchsen 
diese Untersuchungen über den Rahmen einer einfachen Verifizierung der Rachitisdiagnose hinaus. 

Es erschien aber auch sehr verlockend, sich einmal in recht eingehender Weise mit der Tierrachitis 
zu befassen, über die unsere Kenntnisse bis vor kurzem sehr mangelhaft waren, aber derzeit immer mehr 
an Umfang und Tiefe gewinnen. Die Angaben über Tierrachitis sind so divergierend, daß die einen Autoren 
überhaupt bezweifelten, ob echte Rachitis beim Tier vorkomme, die anderen eine solche zwar zugeben, 
aber sie als von der menschlichen Rachitis mehr oder weniger verschieden ansehen. 

Mit Recht machen Schmorl und Lehnerdt darauf aufmerksam, daß manches, was beim Tier als 
Rachitis beschrieben wurde, überhaupt gar keine Rachitis sei. So ist die als Rachitis aufgefaßte Schnüffel- 
krankheit, die zum Bilde menschlicher Rachitis nicht paßt, nach Untersuchungen von Rehn und Ingier 
eine der Ostitis fibrosa nahestehende Krankheit, aber keine Rachitis. So ist die mit hochgradiger Porose 
einhergehende, als Rachitis und Osteomalacie aufgefaßte Skeletterkrankung der Herbivoren, die im Gegen- 
satz zur menschlichen Rachitis auf Calciumdarreichung heilt, ebenfalls keine Rachitis, sondern die pseudo- 
rachitische Osteoporose Stoeltzner’s, die durch kalkarmes Futter verursacht ist. Damit, meint Schmorl], 
sei noch nicht gesagt, daß echte Rachitis und Osteomalacie beim Tier nicht vorkomme, nur müsse manches 
unter diesem Namen Beschriebene ausscheiden, wie man auch den Morbus Barlow, die senile Osteo- 
porose und die Ostitis fibrosa von der Rachitis und Osteomalacie des Menschen zu trennen gelernt hat. 

Wir leben also gerade in einer Zeit, in der in puncto Rachıtis und Osteomalacie die Tierpathologie 
in jenes Stadium der Klärung eingetreten ist, das in der menschlichen Pathologie schon früher begonnen 
hat und darum derzeit weiter gediehen ist. Also schon aus diesem Grunde lohnte es sich, auf die Ratten- 
rachitis einzugehen, um so mehr, als wir an der Hand unseres Materiales dazu gelangen, das Vorkommen 
von Rachitis, bei der Ratte wenigstens, ohne Einschränkung zu bejahen und ihre Identität mit der mensch- 
lichen Rachitis zu behaupten. Natürlich werden wir bei der Beantwortung unserer Frage nicht einfach 
dekretierend, sondern mit dem vollen Rüstzeug unserer modernen Beweisführung in solchen Fragen 
vorgehen. 

Aber noch aus einem anderen Grunde schien es an der Zeit, sich eingehender mit der Tierrachitis 
zu befassen. Schon Pommer und neuerdings Schmorl betonen zu wiederholten Malen, daß uns die 
morphologischen Knochenstudien der menschlichen Rachitis und Osteomolacie nicht dazu führen können, 
die Pathogenese und Ätiologie zu ergründen, die ja außerhalb des Skelettes liegen, und darum verweisen 
sie nachdrücklichst auf das Tierexperiment. Aber unsere Kenntnisse über die Rachitis der Tiere sind, wie 
oben auseinandergesetzt, noch mangelhaft, und es gilt, erst diesen Boden für die zukünftige tierexperimen- 
telle Forschung der Rachitisätiologie vorzubereiten, d. h. die Tierrachitis gründlich kennen zu lernen. 

In der modernen Rachitisliteratur macht sich in der Tat ein stark empfundenes Bedürfnis nach 
gründlicher Erforschung der Tierrachitis fühlbar, in der Hoffnung, auf diesem Wege zu der so lang schon 
ersehnten Klärung der Rachitisätiologie zu gelangen. Schmorl erhofft sich von der Erforschung der Tier- 
rachitis nicht nur Früchte für die Veterinärmedizin, sondern »sie wird auch für viele zur Zeit noch offene, 
die menschliche Rachitis betreffende Fragen von größter Bedeutung sein, im besonderen für die Frage 
der Ätiologie der Rachitis«. Und Wieland: »Erst wenn beim Tier die histologische Rachitisdiagnose nach 


?achitis und Epithelkörperchen. 367 


den gleichen modernen Prinzipien, wie in der menschlichen Pathologie allgemein durchgeführt sein wird, 
können die einschlägigen Befunde der Tierpathologie erfolgreich herangezogen werden, zur Lösung der 
Frage nach der Ursache....der Rachitis.« 

Die zwei Zitate mögen genügen, um zu zeigen, wie sehr zeitgemäß tierrachitische Studien sind. 
Freilich vermag der einzelne nur wenig zu leisten, und darum können auch wir uns nur auf die Rachitis 
des einen Tieres, der Ratte, beschränken und sonst auch nicht einmal auf die Literatur der Tierrachitis 
eingehen. Nur von der Literatur der Rattenrachitis soll die Rede sein. Aber trotz dieser Beschränkung auf 
das eine Tier erwies sich der von den Autoren erhoffte Vorteil tierrachitischer Studien als berechtigt, 
indem es gleich an diesem Tiere gelang, eine bisher unbekannte Seite der Rachitispathogenese kennen zu 
lernen: Die Hyperplasie und Hypertrophie der Ek. 

Wer den modernen Standpunkt der Rachitisdiagnose kennt, der wird es gerechtfertigt finden, wenn 
wir im folgenden in möglichst genauer Weise auf die histologischen Veränderungen des Skelettes 
eingehen. Es genügt darauf hinzuweisen, daß Ingier neuestens bei der Schnüffelkrankheit einen Rosen- 
kranz, eine Verbreiterung der Knorpelwucherungszone und periostale Auflagerungen fand und trotzdem 
Rachitis ausschließt. Wir sind sehr anspruchsvoll bei der Rachitisdiagnose geworden und stellen sie nicht 
mehr so leichtfertig, wie ehedem. Um wie viel höher werden aber unsere Anforderungen an die Sicherheit 
der Rachitisdiagnose sein müssen, wenn wir auf sie so wichtige Schlüsse aufzubauen haben, wie es eben 
die Rachitispathogenese ist. 

So wurde denn die vorliegende Arbeit mit Zahlen- und Figurenmaterial mehr beschwert, als der 
Flüssigkeit der Lektüre dienlich ist. Es sei dies noch damit entschuldigt, daß wir alle, Leser und Autor, 
bei der Tierrachitis in puncto Histologie der Knochen, Zähne, Callus und Ek. uns meist auf jungfräulichem 
Gebiete befinden, auf dem urteilsmäßige, also auf Erfahrung basierte Angaben uns gar nicht zustehen. 
Der Leser aber hat bei der gewählten Art des Berichtes auch noch den Vorteil, daß er sich aus dem ihm 
vorgelegten Materiale ein selbständiges Urteil zu bilden vermag, das von dem in der Arbeit vertretenen 
Standpunkte unter Umständen abweichen kann, und daß er aus den Zahlen und Figuren Zusammenhänge 
und Tatsachen herauszulesen vermag, die in der Publikation zum Teil vielleicht nur darum unbeachtet 
geblieben sind, weil sie nicht in die augenblickliche Interessensphäre des Autors fallen. 

Wie bei der Tierrachitis so häufig, so war es auch in unserem Materiale, daß die rachitischen Ratten 
in einem viel vorgeschritteneren Alter standen, als wir die Rachitis beim Menschen für gewöhnlich anzu- 
treffen gewohnt sind, ohne daß wir sagen könnten, ob die Rachitis bei der Ratte erst so spät aufzutreten 
pflegt, oder ob sie zwar auch zeitlich auftritt, aber sehr lange persistiert. Ungeachtet des vorgeschrittenen 
Alters der Tiere war die Rachitis mit Sicherheit zu diagnostizieren und zuweilen in sehr schwerem Grade 
entwickelt. 

Soviel uns bekannt geworden, hat sich mit der Rachitis der Ratte bisher nur Morpurgo befaßt. Er 
fand bei der spontanen Osteomalacie der Ratte einen Diplococcus, den er als den Erreger der Osteomalacie 
ansieht und der, auf erwachsene Ratten übertragen, in einem hohen Prozentsatz der Fälle zu Osteomalacie, 
auf junge Tiere übertragen zu Rachitis führte. Mit der bakteriologischen Seite der Frage befassen sich 
unsere Untersuchungen nicht. Was Morpurgo über die Morphologie der osteomalacischen und rachiti- 
schen Rattenknochen angibt, soll in den entsprechenden Abschnitten zur Sprache kommen. 

Haben sich auch die folgenden Ausführungen speziell die Rachitis der Ratte zur Aufgabe gestellt, 
so wird es unvermeidlich sein, bei Fragen allgemeiner Art die menschliche Rachitis mit in die Diskussion 
zu ziehen. Es ist klar, daß, wer menschliche Pathologie betreibt, selbst wenn er Tierrachitis vor sich hat 
und beschreibt, doch stets die Menschenrachitis im Sinne hat und behält, und so gilt vieles, was hier von 
der Rattenrachitis gesagt ist, auch für die Kinderrachitis. Zwischen beiden besteht eine so weit- 
gehende Identität, daß man, bei einem genügenden Grad von Selbstkritik, die Erfahrungen des einen 
Gebietes auf das andere übertragen darf. Es wäre unter solchen Umständen eine ungerechtfertigte Unter- 
lassung, wollten wir auf die in Fülle aufgestappelten Erfahrungstatsachen verzichten, über die wir bereits 
bei der Menschenrachitis verfügen und die unser Verständnis für die Tierrachitis sehr zu fördern vermögen! 


368 Dr. J. Erdheim, 


Wo aber Unterschiede im Skelettbau zwischen Mensch und Ratte bestehen, da sollen sie besonders 
betont werden. 3 

Die folgende histologisch-technische Bemerkung ist durch Wieland’s neueste Publikationen ver- 
anlaßt. Unsere Rippen- und Callusuntersuchungen sind sämtlich an Serienschnitten von in Müller’scher 
Flüssigkeit entkalktem und mit Haemalaun-Eosin gefärbtem Materiale ausgeführt, an dem bei genügend 
langer Einwirkung der Farbstoffe das kalkhaltige Knochengewebe blau, das kalklose rein rot erscheint. 
Wie schon Kassowitz bei seiner Chromsäureentkalkung und Pommer bei der Müllerentkalkung 
hervorheben, ergibt in bezug auf das Bild der Kalkverteilung der Vergleich so entkalkter Schnitte mit 
solchen aus unentkalktem Material ganz gleiche Resultate. Die Müller-Entkalkung nun, wie auch die 
Verwendung des viel bequemeren Eosins statt Karmin läßt aber Wieland nur für Knochen erwachsener 
und jugendlicher Individuen gelten, bezeichnet aber diese Technik für die Knochen von Neugeborenen 
und Foeten als unbrauchbar, wenn es auf Feinheiten der Kalkverteilung ankommt. Der Grund dafür ist 
der, daß der Intensitätsgrad der Verkalkung des fötalen Knochengewebes noch so gering ist, daß es sich 
mit Eosin selbst ohne jede Entkalkung, und nach Müller-Entkalkung sogar mit Karmin rot färbt, wenn 
auch dies Rot durch seinen dunklen Ton oder einen violetten Stich für den Erfahrenen vom rein- und 
hellroten Osteoid noch leicht zu unterscheiden ist. Wieland verwendet daher nur Celloidinschnitte völlig 
unentkalkter Knochen und färbt sie nur mit Haemalaun-Karmin. 

Wenn wir trotzdem bei der alten Technik der Müller-Entkalkung und Haemalaun-Eosinfärbung 
verblieben, so geschah dies erstens deshalb, weil wir es nicht mit Knochen von Föten und Neugeborenen, 
sondern mit solchen von halbwüchsigen Tieren zu tun hatten, zweitens deshalb, weil wir bei unseren 
Untersuchungen auf nicht zerrissene Schnitte, ja Schnittserien, ferner auf Feinheiten der histologischen 
Gewebsstruktur reflektierten, zwei Desiderate, die mit der Wieland’schen Technik nicht zu erzielen 
gewesen wären. Mit der zweifellos einzig tadellosen Technik Wieland’s wären unsere Osteoidmaße 
vielleicht um eine Nuance kleiner ausgefallen. Da wir aber die Maße zu Vergleichszwecken benötigen, 
und das ganze Material gleichmäßig behandelt ist, so scheinen uns die Vorteile der angewandten Technik 
mehr ins Gewicht zu fallen, als ihre Nachteile. 

Bevor wir daran gehen unsere histologischen Knochenbilder zu beschreiben und zu deuten, wollen 
wir besonders betonen, wie unerläßlich es ist, hiebei sich stets vor Augen zu halten, daß der Knochen 
dazu da ist, mechanisch-statischen Aufgaben zu dienen, sei es als Werkzeug für die Muskeln, sei es als 
Stütze für die Körperlast. Vieles, was am pathologischen Knochen geschieht, zielt darauf hinaus, die durch 
die Krankheit verringerte Brauchbarkeit wieder herzustellen. Wir sind gewiß noch weit davon entfernt, 
hier völlig klar zu sehen, aber angesichts der sich entgegenstellenden Schwierigkeiten dürfen wir doch 
nicht unterlassen, wenigstens den Versuch einer Deutung vom statisch-mechanischen Gesichtspunkte zu 
machen. Diese Bestrebungen scheinen in pathologisch-histologischen Arbeiten nicht genügend jene Pflege 
und jenes Interesse zu finden, die sie zweifellos verdienen. 


Rachitis und Epithelkörperchen. 369 


I. Rachitische Veränderungen der Rippen. 


Tafel I und II, Diagramm I bis XII auf Tafel IX. 
1. Normale Rıppen. 
A. Kasuistik. 


Fall 1. Weiße, weibliche Ratte, 184 g schwer, auf dem Lande aufgewachsen, Nagezähne tadellos, gelb, durchscheinend, intakt 


15 Tage vor der Tötung wurde dem Tiere eine der oberen Rippen reseziert und die rechte Fibula frakturiert. Der Wundver- 


lauf ungestört. Bei der Obduktion wog das Tier 198 g, war kräftig und gut genährt, die Nagezähne unverändert; am Skelett 


keine Spur von Rachitis, die Epithelkörperchen leicht und bequem zu sehen, an der Bruchstelle die Fibulafragmente schon 


fest vereinigt, in allen Lungenlappen kleine Pneumonieherde. 


Histologischer Befund. Das Material wurde 4 Tage in Müller entkalkt. 


I. Obere Rippe (Fig. 1). 


Es lag ursprünglich nicht in der Absicht dieser Versuchsreihe, Unterschiede im Bau verschiedener Rippen desselben 


Falles zu behandeln. Wenn trotzdem gelegentlich der Anlegung der Fibulafraktur eine der obersten Rippen entfernt wurde, so 


geschah dies nur darum, weil dieses sowie die anderen normalen Tiere ursprünglich für eine andere Versuchsreihe bestimmt 


waren. 


Doch wollen wir die Befunde, wenn sie schon einmal vorliegen, auch mitteilen, umsomehr, als sie uns einen tieferen 


Einblick in den Ablauf des Rippenwachstums vermitteln. 


a) 


b) 


Der verkalkte Rippenknorpel (vK) ist sehr dunkelblau gefärbt, die Zellen groß, hell und das Gewebe von den in 
jedem Falle vorhandenen Querrissen durchsetzt. 

Der ruhende Knorpel (rK) ist durchschnittlich 228 u hoch, maximal 300, minimal 150; er besitzt eine homogene, 
rotviolette Grundsubstanz, die Zellen sind groß und hell. Die Seitenausbuchtung (a) springt wenig vor und enthält mehr 


kleine, dunkle Zellen. 


c) Die Knorpelwucherungsschicht (KW) ist durchschnittlich 54 u hoch, maximal 75p, minimal 45 1; sie ist somit 


r) 


€) 
D 


8) 
h) 
i) 
k) 


außerordentlich nieder. In ihrer relativ sehr reichlichen, blau-violetten, homogenen Grundsubstanz liegen in weiten 
Abständen ganz niedrige, spärliche Zellsäulen, die aus sehr kleinen, querspindeligen Zellen mit verhältnismäßig hellen 
Kernen zusammengesetzt sind. 

Die präparatorische Verkalkungsschicht (pV) ist im Durchschnitt 22 u hoch, im Maximum 60 u, im Minimum 
8 1; sie ist also ganz besonders nieder, so daß maximal 2 Zellen übereinander liegen. Oft ist die Schicht nur eine Zelle 
hoch und stellenweise enthält sie gar keine Zellen. Die Grundsubstanz ist durchwegs verkalkt, schwarzblau und tritt so 
prägnant hervor, daß sie trotz ihrer geringen Höhe und der schwachen Vergrößerung in der Fig. 1 zu sehen ist. Die 
Zellen liegen übereinander, so noch die ehemalige Säulenanordnung andeutend, sind ganz klein rundlich und hell. 

Die enchondrale Össifikation und primäre Spongiosa fehlen vollständig. 

Die sekundäre Spongiosa (sSp) besteht aus einigen spärlichen nur am Rippenrande anzutreffenden, kurzen, dicken 
Knochenbalken, die augenscheinlich als Stützbalken funktionieren und sich dabei auf die Innenfläche der Corticalis 
aufstützen. Nach oben hin hat aber die sekundäre Spongiosa eine Knochenplatte ausgebildet (b), welche die ganze 
Breite der Rippe einnimmt, am Rande kontinuierlich in das obere Ende der Corticalis übergeht, dabei der Unterfläche 
des Knorpels überall auf’s engste anliegt, nach oben deutlich, wenn auch flach bogenförmig gekrümmt ist und so den 
Knorpel trägt. Die Stützbalken der Spongiosa (sSp) inserieren mit ihrem oberen Ende an dieser knöchernen Schluß- 


platte. Diese wird nur selten von einem Gefäß perforiert, das bis zum Knorpel reicht, ihn aber nicht abbaut. Die sekun- 


-däre Spongiosa ist durchschnittlich 246 u hoch, maximal 450 p, minimal 150 ». 


Die Corticalis (C) ist relativ dick, vollkommen kompakt gebaut und sehr arm an Gefäßkanälen. Das obere Corticalis- 
ende ist nicht kalklos. 

Das Periost ohne Besonderheiten. 

Das Knochenmark (M) zellig, mit mäßig vielen Fettzellen untermischt. 


Das Osteoid fehlt fast vollständig und ist nur ausnahmsweise an einem Spongiosabälkchen anzutreffen. Nach 


8 Messungen ist es durchschnittlich 1°3p. hoch, maximal 2}. minimal Ip. 


3 


0) 


Dr. J. Erdheim, 


Il. Mittlere Rippen (Fig. 2, 3). Das Material wurde bei der Obduktion gewonnen und 5 Tage in Müller entkalkt. 


a) 
b) 


Der verkalkte Rippenknorpel (Fig. 2, vK) wie oben. 


Der ruhende Knorpel (Fig. 2, 3, rK) ist im Durchschnitt 287 u hoch, 375. maximal, 180 u. minimal. In der homogenen 
rot-violetten Grundsubstanz liegen meist große helle Zellen, die nur gegen die Seitenausbuchtungen hin (Fig. 2a, b) 
klein und dunkel werden. Es ist bemerkenswert, daß die auf der pleuralen Seite liegende Ausbuchtung (b) viel weniger 
prominiert als die auf der pektoralen (a), namentlich, wenn man die Lagebeziehung derselben zu der nächst unteren 


Schicht, der Knorpelwucherungszone, berücksichtigt. 


Die Knorpelwucherungsschicht (Fig. 2, 3, KW) ist durchschnittlich 172. hoch, maximal 195 u, minimal 90y ‚hat 
in toto eine kalottenförmige Gestalt, mit der konvexen Seite nach oben und der planen nach unten. In der blauvioleiten 
reichlichen, homogenen Grundsubstanz die ganz kleinen, spindeligen Zellen mit dem dunklen Kern und Protoplasma, 
welche quer übereinander zu schön ausgebildeten, hohen, nach oben zusammenstrebenden Säulen aufgetürmt sind. Die 
zwischen den Zellen in den Zellsäulen liegende Grundsubstanz färbt sich dunkler als die Grundsubstanzpfeiler zwischen 
den Zellsäulen. Es ist wieder bemerkenswert, daß die Schicht auf der pleuralen Seite (Fig. 2, rechts) bis hart an die 


Rippenoberfläche reicht, auf der pektoralen aber schon ein gutes Stück vor der Rippenoberfläche endet. 


Die präparatoricshe Verkalkungsschicht (Fig. 2, 3, ?V) ist im Durchschnitt 97 u hoch, maximal 180 a, minimal 
75. Die Zellen werden nach ganz kurzem Übergang aus der vorhergehenden Schicht sehr groß, hell (Fig. 2, 3, pV), 
platten sich zu polygonalen Formen ab, bekommen einen großen runden hellen Kern und ein sehr helles reichliches 
Protoplasma. Wenn auch die Zellen in der direkten Fortsetzung der Zellsäulen der vorhergehenden Schicht liegen, so 
tritt ihre Säulenanordnung darum „weniger scharf hervor, weil infolge der Zellvergrößerung die Zellsäulen breiter 
geworden sind, so daß die Grundsubstanzpfeiler zwischen ihnen so schmal erscheinen als in den Zellsäulen zwischen 
den Zellen. Immerhin ist die Säulenanordnung doch noch zu sehen; die Säulen stehen in der Mitte parallel zur Rippen- 
achse, am Rande divergieren sie nach oben und enthalten 2 bis 4 Zellen der Höhe nach. Die auf ein schmales, weit- 


maschiges Netz reduzierte Grundsubstanz ist vollkommen verkalkt, schwarzblau. 


e) Enchondrale Ossification und primäre Spongiosa. Auf der ganzen Linie befindet sich die verkalkte Knorpel- 


schicht in regstem vasculärem Abbau. Markgefäße dringen elektiv in den Zellsäulen vor, brechen die Kapseln auf und 
füllen den Hohlraum mit Blut (Fig. 3a). Bei diesem Abbau gehen nicht nur alle Zellen verloren, sondern ein Teil der 
Grundsubstanzsepta wird abgetragen; ein großer Teil bleibt aber stehen und bildet entweder geradeaus nach unten 
ziehende Grundsubstanzstreifen (Fig. 3, pSp.) oder ein Netz, in dessen Maschen von Osteoblasten umlagerte Blut- 
kapillaren liegen. Auf diese nun stehen gebliebenen Reste von Knorpelgrundsubstanz apponieren die gut entwickelten 
Osteoblasten einen erst dünnen Knochenanwurf und so entstehen die Bälkchen der primären Spongiosa, deren Gestalt 
eben von den stehengebliebenen Resten der Grundsubstanz diktiert wird. Zumeist handelt es sich um schmale, mehr 
oder weniger parallel zur Rippenachse liegende Bälkchen (Fig. 3, Sp) mit zentralem, schwarzblauen Knorpeleinschluß, 
von Osteoblasten umlagert und durch Markräume getrennt. (Fig. 32), welche außer Gefäßen auch schon zelliges Mark in 
geringer Menge enthalten können. Die so aus dem Prozeß der enchondralen Ossifikation resultierende Schicht der 
primären Spongiosa (Fig. 2, pSp) ist sehr gut ausgeprägt, im Durchschnitt 208». hoch, im Maximum 300 u, im Minimum 
135 1, aber infolge des dichten Beisammenstehens der Bälkchen bei schwacher Vergrößerung viel weniger übersichtlich 


als die sekundäre Spongiosa. 


Bevor wir zu dieser übergehen, wollen wir noch die mit ce und d in Fig. 3 bezeichneten Stellen besprechen. Es 
findet sich hier an der unteren Grenze der primären Spongiosa ein horizontaler, aber nicht durch die ganze Rippe ziehen- 
der Streifen aus Knorpelgewebe (d), welches sich durch polygonale, aber viel kleinere und dunklere Zellen (d) und durch 
eine verkalkte Grundsubstanz auszeichnet. Unter dem Knorpel liegt, diesem aufs engste angeschmiegt, die Knochen- 
platte c, die unten wieder von dem, dem Rippenrande nahestehenden sekundären Spongiosabälkchen (sSp) gestützt 
wird, das gegen die Corticalis (C) hinstrebt und in einem anderen Schnitt der Serie auch tatsächlich daselbst inseriert. 
Es ist dies geradezu eine Wiederholung jener Verhältnisse, denen wir in der oberen Rippe begegnet sind: Eine niedere 
Schicht verkalkten, kleinzelligen Knorpels, eine knöcherne Schlußplatte mit inserierenden Knochenbalken, nur daß ober- 
halb des Knorpels hier Markräume (e) liegen. Es handelt sich somit um eine Stelle, die darauf hinweist, daß hier vor nicht 
langer Zeit ein völliger Stillstand im Längenwachstum der Rippe bestanden hat, derzeit aber das Längenwachstum 
wieder aufgenommen wurde und in lebhaftester Weise wieder vor sich geht. Dies erfolgt in der Weise, daß durch 
Kanäle der Schlußplatte Gefäße zum Knorpel gelangen und seinen Abbau wieder aufnehmen, während höher oben 


aus der Knorpelwucherungsschicht heraus eine neue, wieder großzellige präparatorische Verkalkungsschicht sich heraus- 


Rachitis und Epithelkörperchen. 371 


zubilden beginnt. Ein Teil des kleinzelligen Knorpels (4) und der knöchernen Schlußplatte (c) blieb aber stehen, kam so 
unter die Zone der enchondralen Ossifikation und der primären Spongiosa zu liegen, um dann im weiteren Verlaufe, 
zusammen mit anderen, überflüssig gewordenen Spongiosabalken, dem osteoklastischen Abbaue überantwortet zu 


werden. 


f) Die sekundäre Spongiosa ist durchschnittlich 4281. hoch, 600 p. im Maximum, 300 j. im Minimum und besteht aus 
viel spärlicheren, dafür dickeren Knochenbalken (Fig. 2, 3, sSp), die in manchen Schnitten ganz fehlen und zwischen 
sich Markräume aufweisen, die breiter sind als die Balken, in direkter Kommunikation mit der großen Markhöble stehen 
und dasselbe zellige Mark führen. Die Balken bestehen aus reifem Knochengewebe, enthalten auch Kittlinien, aber keine 
Knorpeleinschlüsse, verraten aufs klarste Stützstrukturen, indem sie sich unten auf die Corticalis aufstützen, oben die 


primäre Spongiosa tragen. 


g) Die Corticalis (Fig. 2, 3, C) ist im allgemeinen kompakt gebaut und ihr zugespitztes oberes Ende reicht bis ins Niveau 
der Knorpelwucherungszone, und zwar bis in die Ossifikationsgrube hinein. An der pektoralen Periostfläche sieht man 
auf der Corticalis eine ansehnliche, junge periostale Knochenauflagerung, die relativ viel von Gefäßkanälen durchzogen 
ist und im Gegensatz zur alten Kompakta recht oft schmale Osteoidsäume aufweist, während der verkalkte Teil derselben 
heller blau ist als die alte Corticalis und rote Sharpey’sche Fasern enthält. Es ist kein Zweifel, daß hier eine junge, im 
Fortschreiten begriffene Knochenapposition vorliegt, die in Lage und Aussehen sich in allen untersuchten Rippen des 
Falles vorfand, also etwas typisches ist. Es handelt sich um eine physiologische Erscheinung, die mit dem Körper- 
wachstum in Zusammenhang steht. Wenn wir uns den Querschnitt durch den Thorax eines jungen und alten Tieres 
ansehen, so liegen beim ersteren Tiere mit dem kleineren Thorax die Rippen dem Thoraxzentrum näher als beim alten 
Tier mit dem großen Thorax. Dieses Hinausverlegen der Rippe beim Körperwachstum ist infolge ihrer Konsistenz durch 
einfaches Aufbiegen nicht möglich und wird nur so erreicht, daß der Knochen, namentlich an seinem vorderen Ende 
innen ab- außen angebaut wird. Unsere periostale Appositionsmasse liegt auch in der Tat an der äußeren, der pektoralen 
Fläche. Jetzt erst verstehen wir auch, warum in Fig. 2 die Knorpelwucherungsschicht (XW) auf der pektoralen Seite 
die Rippenoberfläche nicht erreicht. Auch diese Schicht muß mit der Vergrößerung des Thoraxraumes nach außen 
wandern, und ist diesbezüglich derzeit etwas im Rückstand. Darum auch erstreckt sich das großzellige Gebiet des 
ruhenden Knorpels auf der pektoralen Seite (Fig. 2c) vielmehr nach aufwärts, als auf der pleuralen (4). — So sehen wir 
denn, daß im vorliegenden Falle die Rippe nach den verschiedensten Richtungen, aus unbekannten Gründen förmlich 
plötzlich, ihr Wachstum aufgenommen hat, der Länge nach: am Knorpel, der Dicke nach und entsprechend der Thorax- 


erweiterung: an der Corticalis. 
h) Periost ohne Besonderheiten. 


i) Das Knochenmark (Fig. 2, M) ist vorwiegend zellig mit eingestreuten spärlichen Fettzellen. 


k) Das Osteoid wurde an 3 Stellen gemessen. 1. an der Spongiosa, wo es sehr spärlich und gering ist; 2. an der 
Corticalis, wo es in der periostalen Auflagerung sehr häufig ist, eine größere Dicke besitzt und sogar durch eine Über- 
gangszone vom kalkhaltigen Knochen getrennt ist, deren körnige Struktur man erkennen kann; 3. am oberen Corti 


calisende. 


1. 11 Messungen, 1°4y Durchschnitt, 2-51 Maximum, 1 1 Minimum 


DRS » 3:95 » Tön » 1’5u » 
36 » 5-8 » Ton » 6 > 
* * 
* 


Fall 2, Weiße, weibliche Ratte, 122g schwer, mit tadellosen, gelben, durchscheinenden, intakten Nagezähnen, am Lande auf- 
gewachsen. 15 Tage vor der Tötung wurde dem Tier eine obere Rippe reseziert und die rechte Fibula frakturiert. Die 
Heilung der Wunden erfolgte per primam. Bei der Obduktion hatte das Tier ein Gewicht von 135 g, die Nagezähne waren 
nach wie vor tadellos, das Tier war muskelkräftig und gut genährt, von Rachitis fand sich keine Spur, die Epithelkörperchen 


waren nicht zu sehen, die rechte Fibula an der Frakturstelle schon ganz fest vereinigt. 
Histologischer Befund: Material 3 Tage in Müller entkalkt. 


I. Obere Rippe. 


a) Der verkalkte Rippenknorpel ohne Besonderheiten, die Grundsubstanz dunkelblau mit vielen queren Rissen, die 
Zellen groß, hell. 
Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC, Bd, 


Dry. J. Erdheim, 


b) Derruhende Knorpel ist im Durchschnitt 2551. hoch, maximal 300 u, minimal 225. In der rotvioletten, homogenen, 


reichlichen Grundsubstanz liegen zumeist große, helle Zellen mit lichtem Kern, oft 2 in einer Kapsel. 


c) Die Knorpelwucherungsschicht ist im Durchschnitt 94 u hoch, maximal 150 u, minimal 60 y.. In der blauvioletten, 
sehr reichlichen Grundsubstanz liegen kleine, dunkle, querspindelige Zellen in niederen Säulen, welche durch breite 


Grundsubstanzstreifen getrennt sind. 


d) Die präparatorische Verkalkungsschicht ist im Durchschnitt 20 p. hoch, maximal 30 », minimal 15. Die 
Schicht ist durchwegs vorhanden, aber nur 1 bis 3 Zellen hoch. Die Zellen sind wohl größer als in der Wucherungs- 
schicht, aber doch deutlich kleiner als in den mittleren Rippen, hell, rundlich noch deutlich in Säulen stehend, die ver- 


kalkte Grundsubstanz ganz dunkel und rein blau. 
e) Von enchondraler Ossifikation und primärer Spongiosa sieht man nichts. 


f) Die sekundäre Spongiosa ist im Durchschnitt 447 u hoch, maximal 600 u, minimal 285 u. Eine dicke, flache 
Knochenplatte liegt der Unterfläche des Knorpels innigst an, ist nirgends unterbrochen, geht am Rande kontinuierlich in 
das obere Corticalisende über und wird nur selten von einem Blutgefäß durchbohrt, das bis zum Knorpel gelangt, aber 
ihn nicht abbaut. An die Unterfläche dieser knöchernen Schlußplatte inseriert hie und da ein ganz kurzes, dickes 


Knochenbälkchen, das an der Innenfläche der Corticalis seinen Stützpunkt findet. 


g) Die Corticalis ist nicht viel dicker als die Schlußplatte und durchwegs von kompaktem Bau. Ihr oberes Ende ist nicht 
kalklos. 
h) Das Periost ohne Besonderheiten. 


i) Das Knochenmark ist durchaus zellig und enthält viele Riesenzellen. 


k) Das Osteoid ist sehr dünn und so selten, daß in der ganzen Serie nur 7 Messungen ausgeführt werden konnten. Es 
findet sich ausschließlich an der Corticalis, und zwar an der Endostfläche, oder als frische Ausfüllung von Lakunen 


auch an der Periostfläche. 


7 Messungen, 2. Durchschnitt, 3°5 u Maximum, 1°9 1 Minimum. 


* * 


II. Mittlere Rippen (Fig. 4). 


a) Der verkalkte Rippenknorpel (vK) und 


b) derrubende Knorpel (rK) verhalten sich wie oben. Diese Schicht ist im Durehschnitt 222 u. hoch, maximal 300 u, 


minimal 180 u, und hat unten eine deutliche Ausbauchung nach außen (a). 


c) Die Knorpelwucherungsschicht (KW) ist durchschnittlich 142 x hoch, maximal 150, minimal 135 p. Sie hat in toto 
eine kalotten- oder linsenförmige Gestalt; die Zellen sind sehr klein, spindelig mit kleinem dunklen Kern und spärlichem 
aäunklen Protoplasma; sie sind übereinander zu hohen, sich zuspitzenden Säulen gruppiert, die nach oben zusammen- 
streben. Die homogene, blauviolette Grundsubstanz ist oben, wo die Zellsäulen schmal sind, reichlich, unten wo sie 
breit sind und dicht zusammenliegen, spärlicher. In den Säulen zwischen den Zellen ist die Grundsubstanz dunkler 


gefärbt als in den Pfeilern zwischen den Zellsäulen. 


d) die präparatorische Verkalkungszone (pV) ist durchschnittlich 924. hoch, maximal 105 y, minimal 90 y. Die 
Schicht ist 2 bis 4 Zellen hoch. Die Zellen sind sehr groß, gequollen, haben ein reichliches, helles Protoplasma und 
einen großen, hellen runden Kern, sie platten sich gegenseitig polygonal ab und erzeugen eine solche Verbreiterung der 
parallei zur Rippenachse stehenden Säulen, daß die Grundsubstanz zwischen den Säulen ‚nicht breiter ist, als in den 
Säulen zwischen den Zellen. Die Grundsubstanz ist durchwegs verkalkt, sehr dunkelblau und präsentiert sich als 


dünnes Netz, das in jeder Masche eine Zelle enthält. 


e) Enchondrale Össifikation und primäre Spongiosa. Die enchondrale Ossifikation spielt sich in regulärer Weise 
ab und ist sehr lebhaft. Die die Knochenkapseln aufbrechenden Markgefäße rücken in einer Linie vor und sind sehr 
zahlreich. Die Grundsubstanzpfeiler, welche zwischen den im vaskulären Abbau begriffenen Zellsäulen liegen, werden 
relativ wenig mit abgebaut und bleiben zumeist in Form nahe beisammenstehender, zueinander und zur Rippenachse 


paralleler, schwarzblauer Knorpelstreifchen stehen, und die dem Gefäß rasch nachrückenden, sehr zahlreichen und 


Rachitis und Epithelkörperchen. 373 


prächtig entwickelten Osteoblasten apponieren einen dünnen Knochenanwurf auf die Knorpelstreifehen und so kommt 
die primäre Spongiosa zustande (pp). Diese stellt eine relativ hohe Schicht dar, die im Durchschnitt 189 u hoch ist, im 
Maximum 270, im Minimum 105 x. Entsprechend der ihnen durch die Knorpelreste diktierten Form, Zahl und Lage 
sind die Knochenbälkchen sehr zahlreich, parallel und dicht zusammenstehend, darum nur ganz schmal und schließen 
im Zentrum den Knorpelrest ein, an dem das Knochengewebe globulär angebaut ist. Der Knochenanwurf der primären 
Spongiosabälkchen rückt verschieden hoch hinauf, so daß zu oberst einmal nur eine, ein andermal 3 aufgebrochene 
Knorpelkapseln von ihm frei sind. Zwischen je 2 Knochenbälkchen ist gerade nur für das Blutgefäß und die um dieses 
herumliegenden Osteoblasten Platz. Nur an jenen wenigen Stellen, wo außer den Knorpelzellsäulen auch die zwischen 
ihnen liegenden Grundsubstanzpfeiler teilweise mitentfernt worden waren (d), gibt es etwas größere Markräume, in denen 
zwischen Gefäßwand und Östeoblastenbelag auch etwas zelliges Mark Platz hat. Ausnahmsweise findet man in den 
tieferen Teilen der primären Spongiosa genau wie im Falle 1 eine unverbrauchte, über einem Fragment einer knöchernen 


Schlußplatte liegenden Knorpelzellmasse. 


P) Die sekundäre Spongiosa ist im Durchschnitt 546 p. hoch, im Maximum 675 u; im Minimum 450 p. Sie ist in jeder 
Hinsicht von der primären Spongiosa verschieden. Die Bälkchen sind viel spärlicher (sSp), ja in vielen Schnitten über- 
haupt nicht zu sehen, viel dicker, frei von Nnorpeleinschlüssen und nicht parallel zur Rippenachse gelegen, sondern 
aufs klarste als Strebepfeiler funktionierend. Das obere Ende der Bälkchen trägt einzelne primäre Spongiosabälkchen, 
das untere Ende stützt sich auf die Innenfläche der Corticalis, und darum haben alle 3 in der Fig. 4 enthaltenen sekun- 
dären Spongiosabälkchen die Eigenschaft, von oben innen nach unten außen zu verlaufen. Am Übergang der Schicht 
der primären Spongiosa in die sekundäre werden die Bälkchen der ersteren an ihrem unteren Ende abgebaut, was in 
sehr lebhafter Weise vor sich gehen muß. Trotzdem ist dieser Abbauprozeß nicht direkt zu sehen, da die denselben 
besorgenden Zellen durchaus nicht den Charakter von Osteoklasten haben, sondern unscheinbare Elemente sein 
dürften. Die zwischen den sekundären Spongiosabalken liegenden Markräume sind um das Vielfache breiter als die 


Knochenbalken und enthalten dasselbe zellige Mark (M) wie die große Markhöhle, deren Fortsetzung sie ja sind. 


g) Die Corticalis (C) ist dick, durchaus kompakt, arm an Gefäßkanälen und ihr oberes Ende spitzt sich zwar fein zu und 


endigtin der Ossifikationsgrube (D}, fast an der oberen Grenze der Knorpelwucherungsschicht. 


h) Das Periost (e) ist reich an Bindegewebszellen und endet hoch oben in der Ossifikationsgrube (b) mit einer kleinen 


Verdickung, dem Ossifikationswulst (Ranvier). 
i) Das Knochenmark ist auschließlich zellig, enthält viele Riesenzellen (c) und ist sehr gefäßreich. 


k) Das Osteoid ist im allgemeinen selten anzutreffen, am ehesten noch an der sekundären Spongiosa und der pektoralen 
Corticalisseite, hier hauptsächlich an der periostalen Oberfläche und in Gefäßkanälen. Die an der sekundären Spongiosa 
und der Corticalis gewonnenen Zahlen sind unter 1. angeführt. Unter 2. finden sich die Maße des Osteoids am oberen 
Corticalisende. Das ist jene Stelle, wo der Rippenschaft in die Länge wächst und hier muß in wachsenden Rippen stets 
Osteoid gefunden werden, welches die äußerste Spitze bildet, mit der einen Fläche dem Knorpel aufliegt, an der anderen 
vom Periost überzogen wird. Hier sind die Maße stets dort genommen, wo das Corticalisende am dicksten und zugleich 
noch in toto kalklos ist. Sonderbarerweise finden wir gerade da, wo der Knochenbau am allerlebhaftesten ist, nämlich 
an der primären Spongiosa, das Osteoid fast gar nicht. Es ist äußerst dünn, nur bei sehr intensiver Färbung überhaupt 
wahrnehmbar und eigentlich nur da zu sehen, wo ein Schrägschnitt dem Osteoidsaum eine größere Dicke verleiht als 


er in Wirklichkeit hat. 


1. 34 Messungen, 5°6 u Durchschnitt, 15°5 u Maximum, 2-5 u Minimum. 
6 » 6.04 » 75u » 5°Oyu » 


[5 


Fall 3. Weiße, weibliche Ratte, 120 g schwer, mit intakten, gelblichen, durchscheinenden, tadellosen Nagezähnen, am Lande auf- 
gewachsen. 15 Tage vor der Tötung wurde dem Tiere eine obere Rippe reseziert und die rechte Fibula frakturiert. Die 
Heilung erfolgte per primam. Bei der Obduktion wog das Tier 128g, war muskelkräftig und gut genährt, die Nagezähne 
unverändert tadellos, am Skelett keine Spur von Rachitis, die Epithelkörperchen als winzige Pünktchen zu sehen, der Fibu- 


lacallus noch eine Spur beweglich. 


Histologischer Befund. Das Material wurde 3 Tage in Müller entkalkt, 


© 


Dr. J. Eidheim, 


I. Obere Rippe. 


a) 


b) 


c) 


a) 


e) 


D 


k) 


Der verkalkte Rippenknorpel ist wie gewöhnlich dunkelblau gefärbt und von queren Rissen durchsetzt, seine 


Zellen groß, hell, mit kleinen, dunklen Kernen. 


Der ruhende Knorpel ist im Durchschnitt 385 » hoch, im Maximum 510 u, im Minimum 300 w. In der reichlichen,, 


homogenen, rotvioletten Grundsubstanz liegen große helle Zellen, oft zu zweit beisammen und sich abplattend. 


Die Knorpelwucherungszone ist im Durchschnitt 67 p. hoch, im Maximum 75 u, im Minimum 45 p. Die Grund- 
substanz ist reichlich, homogen, blauviolett und enthält ganz kleine, dunkle, querspindelige Zellen mit kleinem, dunklen 


Kern und spätlichem, dunkelroten Protoplasma; die Zellen sind zu niederen Säulen aufgeschichtet. 


Die präparatorische Verkalkungszone ist 27 u im Durchschnitt, 45 u maximal, 15 x minimal hoch. Ihre Zellen 
sind größer als in der vorhergehenden Schicht, rundlich, polygonal und hell, aber doch viel kleiner als in der gleichen 
Schicht bei den mittleren Rippen. Die Zellen noch in Säulen zu 1 bis 3 übereinander, die Grundsubstanz ist rein- und 
sehr dunkelblau, verkalkt und die obere Grenze dieser Verkalkung ist linear scharf und entsprechend den Grund- 


substanzpfeilern zwischen je 2 Zellsäulen nach unten konkav. 


Die enchondrale Össifikation fehlt eigentlich ganz und von primärer Spongiosa ist keine Spur zu sehen. Es 
ist nämlich die Schicht der 


sekundären Spongiosa durch eine knöcherne, flache oder sogar nach unten konvexe Schlußplatte repräsentiert, die 
an die ganze Unterfläche des Knorpels apponiert ist. Diese Knochenplatte bildet an den Rändern mit dem oberen Ende 
der Corticalis ein Kontinuum und, schützt den Knorpel vor dem Abbaue, so daß man von einem abgeschlossenen 
Längenwachstum der Rippe reden kann. Nur manchmal ist diese Knochenplatte von einem Markgefäß durchbrochen, 
das bis zum Knorpel gelangt, sogar eine Kapsel aufbrechen kann, aber es folgen keine Osteoblasten und so fehlt die 
Ossifikation. Die Grenze zwischen dem Knorpel und der Knochenplatte ist linear scharf und globulär. Die Unterfläche 
der Schlußplatte wird von einigen sehr spärlichen, kurzen Stützbälkchen gestützt, die keine Knorpeleinschlüsse auf 
weisen und ihrerseits wieder an der Innenfläche der Corticalis ihren Stützpunkt finden. Die Höhe der sekundären 


Spongiosa beträgt im Durchschnitt 311 u, maximal 375 p, minimal 145 ». 


Die Corticalis ist nicht 2mal so dick als die Schlußplatte und zeigt am oberen Ende eine lacunär angenagte Periost- 


und eine glatte Endostfläche, aber das obere Corticalisende ist nicht osteoid. 
Das Periost bietet nichts besonderes. 


Das Knochenmark ist zellig, enthält mäßig reichlich Fettzellen, nicht sehr reichliche Riesenzellen und mäßig viele 
Blutgefäße. 


Das Osteoid konnte nur an einer Stelle der Schlußplatte nachgewiesen werden und war hier im Durchschnitt 2:5 u 


dick, maximal 3°0 j. minimal 2°0 ». 


II. Mittlere Rippen. 


a) 
b) 


ce) 


a) 


Der verkalkte Rippenknorpel zeigt das gleiche Verhalten wie in der vorıgen Rippe. 


Der ruhende Knorpel ist durchschnittlich 300 x hoch, maximal 375 p, minimal 255 u. Im übrigen ist das Verhalten 


das gleiche wie in der oberen Rippe. 


Die Knorpelwucherungsschicht ist durchschnittlich 174 u. hoch, maximal 210 u, minimal 150%. Die Schicht hat 
in toto eine linsenförmige Gestalt. Die Zellen wie gewöhnlich klein, dunkel, querspindelig, zu hohen Säulen gruppiert, 
welche unten breit, oben schmal und zugespitzt sind und im ganzen derart nach oben konvergieren, daß die mittleren 
Zellsäulen parallel zur Rippenachse stehen, die am Rande aber sich der Horizontalen annähern. Die homogene, blau- 
violette Grundsubstanz ist unten, wo die Säulen schon breit sind, spärlich, oben aber reichlich und etwas über die 
Spitzen der Säulen hinausreichend und hier recht gut gegen den ruhenden Knorpel abgegrenzt. Die Farbe der Grund- 


substanz in den Säulen zwischen den Zellen ist dunkler als zwischen den Säulen. 


Die präparatorische Verkalkungszone ist im Durchschnitt 105 u hoch, maximal 135 p, minimal 75 p.. Es stehen 
hier 4 bis 7 Zellen übereinänder und sind sehr groß und hell, ihr Kern wie ein wasserhelles Bläschen, an dem sich nur 


die Kernmembran tingiert, das Protoplasma ganz blaß bläulich und exquisit wabig. Die Zellen platten sich infolge der 


e) 


1) 


g 


Rachitis und Epithelkörperchen. 375 


Vergrößerung zu polygonalen Formen ab und verbreitern die Säulen so sehr, daß die Grundsubstanzsepta zwischen 
ihnen nicht dicker sind als in den Säulen zwischen den Zellen. Im Gegensatze zu den nach oben konvergierenden 
Säulen der nächstoberen Schicht, sind die Säulen in dieser Schicht parallel zur Rippenachse gestellt, so daß sie in der 
Rippenachse eine geradlinige Fortsetzung der Säulen der oberen Schicht bilden, während am Rippenrande die Säulen 
am Schichtübergang winkelig abgebogen sind. Die zu einem dünnen, weitmaschigen Netz reduzierte Grundsubstanz ist 
verkalkt, dunkelblau, doch betrifft die Verkalkung nur die Knorpelkapseln und läßt zwischen 2 Zellen das Grund- 
substanzseptum in der Mitte seiner Dicke frei. Erst in jenen untersten Knorpelausläufern, die in den primären Spongiosa- 


bälkchen stecken, ist die Verkalkung gleichmäßig schwarzblau. 


Enchondrale ÖOssifikation und primäre Spongiosa. Die enchondrale Ossifikation geht in regster Weise nach 
dem normalen Typus vor sich. Markgefäße dringen elektiv in den Zellsäulen vor, brechen eine Knorpelkapsel nach der 
andern auf, massenhafte Osteoblasten folgen dem Gefäße auf dem Fuß und apponieren auf die stehenbleibenden Grund- 
substanzsepta des Knorpels einen Knochenanwurf, was schon in der 2. bis 3. eröffneten Knorpelzelle (von oben 
gerechnet) der Fall ist. So resultieren aus dem Prozeß die primären Spnngiosabälkchen, deren Schicht im Durchschnitt 
321 u. hoch ist, maximal 495 jı, minimal 225 u. Diese primären Spongiosabälkchen stehen dicht zusammen, parallel zu 
einander und zur Rippenachse und enthalten in ihrem Innern den charakteristischen Knorpeleinschluß. Zwischen je 
2 Bälkchen liest ein von Osteoblasten umgebenes Blutgefäß, manchmal sogar schon etwas zelliges Mark zwischen 
Gefäßwand und Osteoblastenschicht. Knorpeleinschlüsse findet man übrigens auch in den oberen Abschnitten der 
Cortiealis. Die Form und Stellung der primären Spongiosabälkchen wird vor allem durch die Grundsubstanzsepta des 
Knorpels vorbestimmt, diktiert, womit noch nicht gesagt ist, daß diese Knorpelstruktur selbst nicht auch schon bis zu 
einem gewissen Grade statische Aufgaben erfüllt. Immerhin sind die Bälkchen der primären Spongiosa vergängliche 
provisorische Gebilde, welche in dem Maße als sie oben neu entstehen, unten abgetragen werden und ihre Stelle wird 
durch die sekundäre Spongiosa eingenommen, welche in klarster Weise Stützstruktur verrät, die absolut nicht von der 
Knorpelstruktur diktiert, vorherbestimmt wird. Solange das Längenwachstum anhält, wird auch die sekundäre Spongiosa 
von unten her abgebaut. Ist aber das Längenwachstum beendet, dann wird die primäre Spongiosa ganz abgetragen und 
definitiv durch die sekundäre ersetzt. Den Abbau der primären Spongiosabälkchen an ihrem unteren Ende sieht man im 
vorliegenden Falle recht gut. Er erfolgt durch ganz kleine, unscheinbare Osteoklasten, welche ein undeutlich eosinrotes 


Protoplasma aber keinerlei auffallend differente Kerne aufweisen. 


Die sekundäre Spongiosa ist im Durchschnitt 424 u hoch, im Maximum 450 y, im Minimum 375 y.. Die Eigen- 
schaften der sekundären Spongiosabälkchen sind die folgenden: Sie sind wie in jeder normalen Rippe an Zahl so 
gering, daß sie in manchen Schnitten ganz fehlen, dafür sind sie viel dicker als die primären Spongiosabälkchen; sie 
stehen nicht mehr parallel zur Rippenachse, sondern schief von oben innen, nach unten außen, als echte Strebebalken, 
die oben die primäre Spongiosa tragen, unten sich auf die Innenfläche der Corticalis aufstützen. Sie bestehen aus reifem 
Knochengewebe, enthalten Kittlinien, sind oben noch von schönen, unten von immer kleineren Osteoblasten umlagert ; 
sie enthalten in der Regel auch keine Knorpeleinschlüsse, oder dies ist nur ausnahmsweise der Fall. An der Stelle, wo 
das schief verlaufende sekundäre, mit den senkrecht absteigenden primären Bälkchen sich schneidet, bleibt nämlich 
letzteres partiell, gerade an dem Schnittpunkte stehen und wird zum Aufbaue des sekundären Bälkchens mitverwendet' 
Manchmal wird ein langes, sekundäres Bälkchen von 2 und 3 primären geschnitten und dann kann es 2 und 3 Knorpel- 
einschlüsse enthalten. Aber diese Knorpeleinschlüsse nehmen nicht die Achse des Bälkchens ein, sondern stehen 
nach wie vor parallel zur Rippenachse, treten also am oberen Rande in den Balken ein und durchziehen ihn schief bis 
zum unteren Rande. An diesem Verhalten der Knorpeleinschlüsse erkennt man sofort, daß sie bloß aus den primären 
Bälkchen entlehnt sind und daß trotz des Knorpeleinschlusses das Bälkchen kein primäres, sondern ein sekundäres ist. 
Im allgemeinen aber sind die sekundären Spongiosabalken knorpelfrei. 

Wenn auch die sekundäre Spongiosa von unten immer abgebaut, von oben zugebaut wird, also transitorischer 
Artist wie die primäre, so ist sie deswegen nicht überflüssig, ohne sie würden die primären Bälkchen einfach frei in die 
Markhöhle hineinhängen ohne jegliche Unterstützung. Die Knorpelverkalkungsschicht, die primäre und sekundäre 
Spongiosa sind eben transitorische Bildungen, die die Aufgabe haben, die Überführung von Knorpel in Knochen, somit 
das Längenwachstum, ohne Gefährdung der Kontinuität des Knochens und seiner statischen Aufgabe im wachsenden 


Organismus zu vermitteln. 


Die Corticalis besteht aus kompaktem, wie bei der Ratte gewöhnlich, nicht schön lamellärem Knochen, mit wenig 
Zellen, Gefäßkanälen und Kittlinien. Das obere Ende der Corticalis reicht bis ins Niveau der Knorpelwucherungsschicht 


hinauf. 


376 Dr. J. Erdheim, 


Im oberen Teil weist die Corticalis noch folgende, nicht immer vorhandene Eigenschaften auf. Sie ist etwa in der 
Höhe der primären Spongiosa und etwas tiefer unterbrochen oder enthält Knorpeleinschlüsse. Die Unterbrechung ist 
zweifellos ein erworbener Zustand, denn am obersten Ende, im Niveau der Knorpelwucherungs- und präparatorischen 
Verkalkungsschicht, wo die Corticalis an Länge wächst, ist sie immer, wenn auch in geringer Mächtigkeit zu sehen. 
Dieser Abbau der Corticalis spielt sich immer an der gleichen Stelle, in der Höhe der primären Spongiosa ab, führt zur 
Bloßlegung der Spongiosa und geht auflakunärem Wege an der Periostfläche vor sich. Es ist das gerade jene Stelle, 
wo das zu dick angelegte vordere Ende der knöchernen Rippe sich zu dem viel dünneren Schaft verschmächtigt. Diese 
Verschmächtigung hat zur Aufgabe, dem Rippenschatt seine gewöhnliche Dicke zu verleihen. Es gibt aber auch noch 
einen zweiten Grund zum lakunären Abbau des Schaftes vom Periost aus und das ist die bei der Vergrößerung des 
Thoraxraumes erlolgende Verlegung der Rippe nach außen, was durch Anbau an der pektoralen und Abbau an der 
pleuralen Periostfläche erfolgen muß. Den Abbau und die Unterbrechung der Corticalis aus diesem Grunde werden wir 
daher nur an der pleuralen Fläche finden, welche auch tatsächlich die bevorzugte ist. 

Das Vorkommen von Knorpeleinschlüssen in der Corticalis an der gleichen Stelle hat folgenden Grund. Der aus 
den oben angegebenen Gründen entstandene Defekt, der pleuralen Corticalis hat den Zweck, diese mehr nach der 
Rippenachse zu zu verlegen, und so schließt sich der Defekt durch Knochenneubildung wieder, die aber mehr gegen 
das Rippeninnere zu erfolgt. (Nebenbei bemerkt, kann diese Verlegung der Corticalis erfolgen, ohne daß letztere eine 
Unterbrechung erfahren muß.) Dort, wo aber jetzt Knochenneubildung erfolgen soll, befindet sich gerade die bloß- 
gelegte Spongiosa. Es brauchen daher nur die Zwischenräume zwischen den primären Spongiosabälkchen mit Knochen- 
gewebe ausgefüllt und die hier schon liegenden Bälkchen mit zum Aufbau der Corticalis verwendet zu werden, und so 
entsteht die Corticalis. Weil aber die primären Spongiosabälkchen Knorpeleinschlüsse enthalten, gehen diese in die 
Corticalis über, und zeigen auch jetzt noch in ihrer neuen Rolle ihre alte Eigenschaft, parallel zu einander und zur 
Rippenachse zu verlaufen. y 

h) Das Periost zeigt nichts besonderes und endet oben entsprechend der oberen Grenze der Knorpelwucherungsschicht 


in der Ossifikationsgrube mit einer kleinen Verdickung, dem Ossifikationswulst. 

i) Das Knochenmark ist zellig mit spärlichen Fettzellen untermischt. Gegen das obere Ende der Markhöhle werden die 
Riesenzellen und Gefäße sehr reichlich. 

k) Das Osteoid kommt in meßbarer Breite eigentlich nur an 2 Stellen vor: 1. an der Außenfläche und den Gefäßkanälen 
der Corticalis, 2. am oberen Corticalisende. 


1. 37 Messungen, 6 Durchschnitt, 12°5 Maximum, 2°5 Minimum. 


DL » In » 150 u S 2-5 > 


Fall 4. Weiße, weibliche Ratte, 126g schwer, mit intakten, gelben, durchscheinenden, tadellosen Nagezähnen, am Lande auf- 
gewachsen; 15 Tage vor der Tötung wurde dem Tier eine obere Rippe reseziert und die rechte Fibula frakturiert. Der 
Wundverlauf blieb ungestört. Bei der Obduktion erwies sich das Tier als muskelkräftig und gut genährt. Die Nagezähne 
waren nach wie vor tadellos, das Tier wog 134 g. Es land sich keine Spur von Rachitis. Die Epithelkörperchen waren als 


winzige Pünktchen mit freiem Auge deutlich zu sehen. Der Fibulakallus war noch ganz deutlich beweglich. 


Histologischer Befund: Das Material wurde 3 Tage in Müller entkalkt. 


I. Die obere Rippe. 
a) Der verkalkte Rippenknorpel bietet nichts besonderes, er ist dunkelblau gefärbt, enthält große, helle Zellen mit 
kleinem dunklen Kern und ist von zahlreichen Querrissen durchsetzt. 

b) Der ruhende Knorpelist im Durchschnitt 285 u hoch, maximal 300 », minimal 240 y. Die Grundsubstanz wie immer 
reichlich, homogen, rotvioleti und gefäßlos, die Zellen meist groß, hell, mit großem hellen Kern, zu 2 bis 4 zusammen- 
liegend. 

c) Die Knorpelwucherungsschicht hat im ganzen eine linsenförmige Gestalt und ist durchschnittlich 131 p hoch, 


maximal 150 px, minimal 120 u. In der blauvioletten reichlichen Grundsubstanz liegen niedere, nach oben zusammen- 


strebende Säulen, die aus kleinen querspindeligen, nach unten sich vergrößernden Zellen zusammengesetzt sind, die 


heller sind als in den meisten andern Fällen. 


Rachitis und Epithelkörperchen. 377 


d) Die präparatorische Verkalkungszone ist als kontinuierliche Schicht erhalten, die im Durchschnitt 19 p. hoch ist, 
maximal 30 y., minimal 151. Die Schicht ist also nieder, nur I bis 3 Zellen hoch; die Zellen hell, rundlich in Säulen 
stehend, aber kleiner als in den mittleren Rippen; die Grundsubstanz ist wie immer in den oberen Rippen zwischen 
er Säulen noch immer deutlich reichlicher als in den Säulen zwischen den Zellen, im ganzen aber spärlicher als 
in der vorhergehenden Schichicht und vollständig verkalkt, dunkelblau und die obere Grenze dieser blauen Färbung 


gar nicht scharf. 


e) Enchondrale Össifikation und primäre Spongiosa. Die enchondrale Ossifikation spielt sich in minimalem 
Grade ab, und eine primäre Spongiosa fehlt ganz. Es ist nämlich der Unterfläche des Knorpels die zur sekundären 
Spongiosa gehörige knöcherne Schlußplatte angelagert, welche nur hie und da von einem Markgefäß durchbrochen 
wird, das so zum Knorpel gelanet und in demselben nach Aufbrechen einiger Zellen und Abbau der zwischen ihnen 


gelegenen Grundsubstanz eine kleine Höhle aushebt. 


fP Die sekundäre Spongiosa wird von der eben erwähnten Schlußplatte und einigen wenigen Stützbälkchen dar- 
gestellt, die die Querplatte auf die Innenfläche der Corticalis aufstützen. Die Platte ist nicht gewölbt, sondern flach, hat 
nach oben gegen den Knorpel eine konvexglobuläre Grenze, geht am Rande kontinuierlich in das obere Corticalisende 
über, ist nur wenig dünner als dieses, und besteht, wie die Balken selbst, aus reifem, mit Kittlinien versehenen, von 


Knorpeleinschlüssen freien Knochengewebe. Die Schicht ist im Durchschnitt 340 y. dick, maximal 405 p., minimal 270 . 


£) Die Corticalis nimmt nach oben an Dicke ab, besteht aus reifem Knochengewebe mit Kittlinien, ist am oberen Ende 
von der Periostfläche her lakunär angenagt und weist im oberen Ende der pleuralen Seite Knorpeleinschlüsse auf, die 
in typischer Weise zum Teil noch jene zur Rippenachse parallele Stellung einnehmen, wie in jener Zeit, als sie noch im 


primären Spongiosabälkchen lagen. Am oberen Corticalisende findet sich kein Östeoid. 
h) Das Periost bietet nichts besonderes. 
i) Das zellige Knochenmark enthält reichlich Fettzellen, aber nur wenige Riesenzellen und Blutgefäße. 


k) Das Osteoid ist sehr spärlich, findet sich im wesentlichen an der Peri- und Endostfläche der Corticalis, selten an der 


Spongiosa. 
13 Messungen, 2:5 u Durchschnitt, 5 x Maximum, 1°3 x. Minimum. 


* * 


II. Mittlere Rippen (Fig. 5). 
a) Der verkalkte Rippenknorpel (vÄ) bietet den gleichen Befund wie oben. 


b) Der ruhende Knorpel (rK) ist durchschnittlich 277 u hoch, maximal 330 w, minimal 180 u, und zeigt eine seitliche 
Ausbauchung (a) oberhalb der Ossifikationsgrube. In der reichlichen, rotvioletten, gefäßlosen Grundsubstanz liegen 
meist große, helle Zellen mit rundem, großem, hellem Kern und lichtem, reichlichem Protoplasma, das nur ausnahms- 
weise dunkelblau ist (b). Gegen die seitlichen Ausbauchungen hin werden die Zellen, wie in allen Fällen, kleiner und 


dunkler. 


ce) Die Knorpelwucherungszone (KW) hat in toto eine linsenförmige oder flach kalottenförmige Gestalt und ist 
durchschnittlich 141 p. hoch, maximal 165 u, minimal 135 u. Die Grundsubstanz ist homogen, blauviolett, oben reichlich 
und gegen die vorhergehende Schicht nicht scharf begrenzt, unten spärlicher. Die kleinen, dunklen, querspindeligen, 
dicht zusammengepreßten Zellen setzen hohe, nach oben zusammenstrebende und sich zuspitzende Säulen zusammen. 


In den Säulen zwischen den Zellen färbt sich die Grundsubstanz dunkler als zwischen den Säulen. 


d) Die präparatorische Verkalkungszone (pV)) ist durchschnittlich 56 1. hoch, maximal 60 u, minimal 45 u. Es 
liegen 2 bis 4 Zellen übereinander, die polygonal, groß, hell sind, einen runden, hellen Kern mit feiner Chromatin- 
struktur besitzen, ein helles Protoplasma, aber im allgemeinen nicht so groß und hell sind als in manchem anderen 
Falle. Die Zellen stehen in Säulen, die parallel sind zur Rippenachse und infolge der Zellenvergrößerung so breit sind, 
daß zwischen ihnen die Grundsubstanz auf schmale Septen reduziert ist. Diese ist überall vollständig verkalkt, von 


dunkelblauer Farbe, die sich nach obenhin in keiner Weise scharf begrenzt. 


e) Die enchondrale Ossifikation und primäre Spongiosa. Die enchondrale Ossifikation geht in sehr lebhafter Weise 


nach normalem Typus vor sich, indem Knorpelkapseln von Blutgefäßen aufgebrochen werden und nachwuchernde 


378 


Dr. J. Erdheim, 


Osteoblasten sofort, oft schon in der (von oben gerechnet) zweiten eröffneten Kapsel Knochengewebe in globulärer 
Form apponieren, so daß daraus die primären Spongiosabälkchen resultieren. Dieser ganze Prozeß hat im vorliegenden 
Falle etwas Klares und Übersichtliches, was bei den anderen Tieren nicht immer der Fall ist, und das beruht auf 
folgendem: Für gewöhnlich fallen dem vaskulären Abbau vor allem die Zellsäulen zum Opfer, während die Grund- 
substanzpfeiler zumeist erhalten bleiben. Da die Pfeiler die Grundlage für die primären Spongiosabälkchen abgeben, 
werden diese in großer Zahl gebildet, stehen dicht zusammen, bleiben darum sehr schmal und die Markräume zwischen 
ihnen sind so eng, daß nur ein enges Gefäß und einige Osteoblasten Platz in ihnen finden. Es resultiert dabei gewöhn- 


lich ein sehr dicht gebautes, wenig übersichtliches Balkenwerk. Anders hier. Es werden nicht nur die Zellsäulen, 


_ sondern zum großen Teil auch die zwischen ihnen liegenden Grundsubstanzpfeiler mit abgebaut und nur wenige stehen- 


D» 


gelassen. Darum gibt es hier auch nur wenige primäre Spongiosabälkchen (2 Sp), die durch mit Gefäßen und Osteo- 
blasten angefüllte, oft sogar zelliges Mark führende, breite Markbuchten (c) voneinander getrennt sind, also weit aus- 
einanderstehen (» Sp}, ?,Sp») und darum auch einen dicken Knochenanwurf erhalten. Es resultieren so kräftige, senk- 
recht nach abwärts ziehende primäre Spongiosabälkchen, die weit auseinanderstehen und darum viel leichter zu 
studieren sind. Es ist nur noch zu erwähnen, daß durch starke Knochenapposition bis 5 Bälkchen sich zu einem 
dickeren Massiv vereinigen können, das dann natürlich ebensoviele Knorpeleinschlüsse führt. Die primäre Spongiosa 


ist durchschnittlich 97 u hoch, maximal 155 u, minimal 45 y. 


Die sekundäre Spongiosa (s,Sp) ist im Durchschnitt 651 y. hoch, maximal 1050 u, minimal 450 u. Wie gewöhnlich 
besteht die Schicht aus einigen wenigen Balken, die sich oben an die primäre Spongiosa anschließen, als echte Stütz- 
balken schräg nach unten außen ziehen, um ihren Stützpunkt an der Innenfläche der Corticalis zu finden, dick sind, 
aus reifem Knochen mit Kittlinien bestehen und sogar noch einen Saum schmächtiger Osteoblasten aufweisen. Ihre Zahl 
ist geringer, als man dies nach der Fig. 5 schließen könnte. Es ist für das Photogramm ein Schnitt mit besonders reich- 
licher Spongiosa ausgewählt worden. Die Markräume zwischen den Balken sind um vieles breiter als diese selbst und 
führen zelliges Mark. Besonders schön sind in,diesem Falle die Knorpeleinschlüsse der sekundären Spongiosabälkchen 
zu sehen (sSp), welche, da sie den primären Spongiosabälkchen entlehnt sind, wie in diesen noch immer mehr oder 
weniger senkrecht nach abwärts ziehen, ohne Rücksicht darauf, daß das Bälkchen selbst schräg liegt. Dies ist typisch 


für den entlehnten, aber inkonstanten Knorpeleinschluß der sekundären Spongiosa. 


g) Die Corticalis besteht aus reifem Knochengewebe mit blauen, schlanken, dunklen Knochenzellen und wenigen Gefäß- 


kanälen und reicht fein zugespitzt bis zur Ossifikationsgrube hinauf (e). In der Höhe der primären Spongiosa ist die 
Corticalis entweder unterbrochen, so daß daselbst die Spongiosa bloßliegt, oder es ist der Defekt bereits unter Mit- 
verwendung der Spongiosa wieder vermauert und dann enthält’ die Corticalis die von der Spongiosa entlehnten Knorpel- 
einschlüsse, die, ebenso wie seinerzeit in der Spongiosa selbst, senkrecht nach abwärts ziehen und sogar auch tiefer 
unten in der Corticalis anzutreffen sind. 

In allen Rippen war ferner entweder bloß auf der pektoralen oder auch auf der pleuralen Seite eine frischere 
periostale Knuchenauflagerung zu sehen (C, C), die im Gegensatz zur alten Corticalis größere Knochenzellen mit 
helleren Kernen, eine nicht rot-, sondern blauviolette Farbe, nicht spärliche, sondern zahlreiche Gefäßkanäle und viel 
zahlreichere und dickere osteoide Säume (f) besitzt. Alles das sind Zeichen des geringen Alters dieser periostalen 
Auflagerung (C) im Vergleich mit der alten Corticalis (a C). 

Diese periostale Auflagerung ist beim physiologischen Umbau der Rippe entstanden und nicht etwa die Folge 
irgendeines pathologischen Prozesses. Mit zunehmendem Alter des Tieres wird nämlich die Rippe nicht nur länger, 
sondern auch dicker und die Dickenzunahme kommt zustande durch Abbau an der enostalen und Anbau an der peri- 
ostalen Fläche. Dem Abbau fällt die alte Corticalis immer mehr zum Opfer und in der Fig. 5 ist dieser Abbau so weit 
gediehen, daß die alte Corticalis (aC)) bei d endet und von da an die Kontinuität der Corticalis schon allein durch die 
junge Auflagerung (C) gegeben ist, während diese tiefer unten (f) noch der alten Corticalis aufliegt. Das Sonderbare 
an diesem Umbauprozeß ist nur, daß er nicht ganz allmählich, unmerklich vor sich geht, sondern nach langer Ruhe- 
pause, förmlich sprungweise, von neuem aufgenommen wird, so daß er leicht zu beobachten ist. Dient dieser Umbau 
der Dickenzunahme der Rippe, so ist er ringsherum an der Corticalis zu finden. Der Umbau hat gerade am oberen 
Rippenende einen so bedeutenden Sprung gemacht, daß hier die alte Corticalis schon ganz abgetragen wurde, und das 
zeigt, daß die Verdickung der Rippe gerade an der Ossifikationsgrenze in der letzten Zeit rasch und sprunghaft 
zugenommen haben muß. Findet der Umbau in der beschriebenen Richtung nur auf der einen, der pectoralen Seite 


statt, so dient er nicht der Verdickung der Rippe, sondern ihrer mit der Vergrößerung des Thoraxraumes einhergehenden 


Verlagerung in zentrifugaler Richtung. 


rer 


Rachitis und Epithelkörperchen. 379 


h) Das Periost endet mit einer geringen Verdickung in der Össifikationsgrube (e), die am oberen Rande der Knorpel. 


i) 


k) 


wucherungsschicht liegt. 


Das zellige Knochenmark, welches am oberen Ende massenhaft strotzend gefüllte Gefäße und auch einige Fettzellen 


führt, enthält nur mäßig viele Riesenzellen. 


Das Osteoid findet sich am häufigsten: 1. in der periostalen Auflagerung, was ganz natürlich ist, weil das, was das 


Auftreten osteoider Säume anzeigt, nämlich der Appositionsvorgang, hier am regsten vor sich geht; 2. in der Spongiosa 


ist es seltener und dünner; 3. am oberen Schaftende war es am dicksten. 


1. 27 Messungen, 7 '4 p. Durchschnitt, 12°5 » Maximum, 2°5 u Minimum. 


2. 24 » 45 u » 10:0 u > 25 » 
388 > 8Ay » 125 u > 75% > 
* x 
* 


Fall 5. Weiße, männliche Ratte, 210 g schwer, mit intakten, gelben, durchscheinenden, tadellosen Nagezähnen, am Lande auf- 


gewachsen. 15 Tage vor der Tötung wurde dem Tier eine obere Rippe reseziert und die rechte Fibula frakturiert. 


Heilung per primam. Bei der Obduktion wog das Tier 225 g, war besonders muskelkräftig und gut genährt, die Nagezähne 


nach wie vor tadellos, am Skelett keine Spur von Rachitis, die Epithelkörperchen waren makroskopisch mit Sicherheit nicht 


zu sehen. Die Fibula an der Bruchstelle schon ganz fest vereinigt. 


Histologischer Befund. 


I. Obere Rippe. Das Material wurde 3 Tage in Müller entkalkt. 


a) 


2) 


ec) 


a) 


D) 


Der verkalkte Rippenknorpel ist wie immer dunkelblau gefärbt, von queren Rissen durchsetzt und enthält große, 


helle Zellen mit kleinem, dunklem Kern. 


Der ruhende Knorpel ist durchschnittlich 270 u hoch, im Maximum 300 u, im Minimum 240 u. In der homogenen, 
reichlichen, hellrotvioletten Grundsubstanz liegen zumeist große, helle Zellen mit großem, hellem, rundem Kern, in 


Gruppen bis zu 4 beisammen. 


Die Knorpelwucherungszone hat im ganzen eine flach linsenförmige Gestalt und ist durchschnittlich 123 p. hoch, 
maximal 135 u, minimal 105 u. Die homogene, hellblauviolette Grundsubstanz ist oben reichlich, unten weniger 
reichlich, die kleinen, querspindeligen Zellen mit dem kleinen, dunklen Kern, dem spärlichen dunkelroten Protoplasma 
setzen Säulen zusammen, die sich nach oben verjüngen und konvergieren. Die Grundsubstanz in den Säulen zwischen 


den Zellen ist dunkler gefärbt als zwischen den Säulen. 


Die präparatorische Verkalkungsschicht ist im Durchschnitt 93 x hoch, maximal 105 x, minimal 75 u. An 
Stellen, an denen enchondrale Ossifikation vor sich geht, ist die Schicht 2 bis 4 Zellen, sonst 7 bis 12 Zellen hoch. 
In langsamem Übergang gehen die Zellen aus denen der vorhergehenden Schicht hervor, werden größer, heller, haben 
einen großen, runden, fast homogen lichtblauen Kern und ein noch helleres, wabiges Protoplasma. Die Zellen setzen 
parallel zur Rippenachse stehende oder sogar nach oben divergierende Säulen zusammen. Infolge der Zellvergrößerung 
werden die Säulen so breit, daß die Grundsubstanz zwischen ihnen so schmal wird wie in den Säulen zwischen den 
Zellen. Die Grundsubstanz ist homogen verkalkt, schwarzblau, doch liegen zu oberst 1/, bis 2 bereits vergrößerte 


Zellen noch außer dem Verkalkungsbereich. 


Enchondrale Ossifikation und primäre Spongiosa. Die im folgenden zu schildernden Bilder sind sehr mannig- 
faltig und werden uns zeigen, daß hier, im Gegensatz zur oberen Rippe anderer Fälle, die enchondrale Ossifikation gar 
nicht ruht, im Gegenteil sehr lebhaft ist, allerdings nachdem kurz vorher ein Stillstand des Prozesses bestanden hatte. 
Also wieder ein Beispiel für die sprunghafte Art des Knochenwachstums. Die enchondrale Ossifikation geht in reger 
Weise nach normalem Typus vor sich und die die Knorpelkapseln aufbrechenden Kapillaren dringen bald in gerader 
Linie vor, bald ist eine der anderen um 1 bis 3 Zellen vor. Das Aufbrechen der Kapseln erfolgt entlang den Säulen und 
die zwischen den Zellsäulen liegende Grundsubstanz wird vorläufig überall erhalten. So werden aus dem Knorpel die 
Grundsubstanzpfeiler herausgearbeitet, die eine Höhe von I bis 3 Zellen erreichen, ohne daß Osteoblasten nachrücken 
und den Knochenanwurf erzeugen würden. Bevor dies geschieht, wird ein großer Teil der Grundsubstanzpfeiler von 


unten her abgetragen, ein Teil bleibt aber stehen und bekommt einen ganz besonders dicken Knochenanwurf und so 


Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC. Bd. 54 


380 Dr. J. Erdheim, 


entstehen statt vieler dünner einige dicke primäre Spongiosabälkchen. Es findet somit unter den knorpeligen Anlagen 
der primären Spongiosabälkchen eine Auslese statt, sie werden sozusagen vereinzelt. 

In anderen Schnitten hat wieder der größere Teil der Ossifikationszone folgende Beschaffenheit: Zu oberst liegt 
die präparatorische Knorpelverkalkungsschicht; es folgt nach-unten eine 1 bis 3 Zellen hohe Knorpelschicht, in der die 
Kapseln von Blutgefäßen aufgebrochen werden, ohne daß sich Osteoblasten oder ein Knochenanwurf einstellen würden; 
noch weiter nach unten folgt eine 3 bis 6 Zellen hohe Schicht verkalkten Knorpels, der absolut frei ist von vaskulärem 
Abbau und helle, aber kleine Zellen enthält, die, je tiefer nach unten, um so kleiner werden; ganz unten endlich folgt 
eine horizontale, dicke Knochenplatte, welche in einer globulären Linie der Unterfläche des Knorpels angebaut und 
stellenweise durch einen Gefäßkanal perforiert ist. ’ 

Wir haben uns somit vorzustellen, daß hier das Wachstum einige Zeit geruht hat, nur kleinzelliger Knorpel 
gebildet und durch eine knöcherne Schlußplatte vermauert wurde. Die neuerliche Aufnahme des nassen 
erfolgte so, daß die Knorpelwucherungszone neuen, großzelligen Knorpel in die Verkalkungsschicht abzusetzen begann, 
durch die knöcherne Schlußplatte Gefäße neuerdings in den Knorpel eindrangen, dessen alte kleinzellige Schichten in 
der Tiefe unberührt ließen und erst am oberen jüngeren, großzelligen Knorpel neuerdings ihre abbauende Tätigkeit 


wieder aufnahmen. Die primäre Spongiosa ist durchschnittlich 106 u hoch, maximal 330 u, minimal 45 u. 
J) Die sekundäre Spongiosa ist durchschnittlich 637 u hoch, maximal 750 x, minimal 525 u. Sie besteht wie gewöhn- 


lich aus einigen wenigen, dafür dickeren Bälkchen, die oben die primäre Spongiosa tragen, sich unten auf die Innen- 


fläche der Corticalis stützen und aus reifem Knochengewebe bestehen. 


£) Die Corticalis besteht aus einer reifen Compacta mit Kittlinien und im Spongiosabereiche mit Knorpeleinschlüssen 


und lakunärer, zum Teil noch immer-in osteoklastischer Resorption begriffener periostaler Fläche: 


h) Das Periost ist ungewöhnlich dick und zellreich und endet an der oberen Grenze der Knorpelwucherungszone, in der 


Ossifikationsgrube, mit einem besonders kernreichen Ossifikationswulst. 
i) Im zelligen Knochenmark liegen viele Riesenzellen und im oberen, gefäßreicheren Anteil auch einige Fettzellen. 


k) Das Osteoid ist so selten, daß an 8 Schnitten nur 27 Messungen möglich waren. 1. Es fand sich noch am ehesten an 
der periostalen, weniger an der enostalen Corticalisfläche, sehr selten an der sekundären, gar nicht an der primären 


Spongiosa. 2. wurde es am oberen Corticalisende gemessen. 


1. 21 Messungen, 4°2 u Durchschnitt, 10 x. Maximum, 25 u Minimum. 
2 © » 634 > 10 u » 2-5 » 


II. Mittlere Rippen. Das Material wurde 5 Tage in Müller entkalkt. 
a) Der verkalkte Rippenknorpel steht oft auffallend winkelig zur knöchernen Rippe; sonst der Befund wie oben. 


b) Der ruhende Knorpel ist im Durchschnitt 300 p. hoch, maximal 330 u, minimal 270 ı.. Auf der konkaven Seite des 
zwischen Knorpel und Knochen gebildeten Winkels ist die seitliche Ausbauchung kleiner als auf der entgegengesetzten; 


sonst alles wie oben. 


c) Die Knorpelwucherungszone ist durchschnittlich 154 x hoch, maximal 165 u, minimal 135 u. Der Übergang von 


den kleinen. Zellen dieser zu den großen Zellen der nächsten Schicht ist stellenweise allmählich, sonst alles 
wie oben. 


d) Die präparatorische Verkalkungsschicht ist durchschnittlich 99 u hoch, maximal 105 x, minimal 90 u. Die 


Zellen stehen zu 2 bis 4 übereinander; sonst alles wie oben. 


e) Enchondrale Ossifikation und primäre Spongiosa. Die enchondrale Ossifikation geht auf der ganzen Linie 
vor sich. Nirgends ruht der Prozeß, nirgends gibt es Zeichen dafür, daß er früher geruht hat. In regulärer Weise rücken 
den die Kapseln aufbrechenden Gefäßen sehr zahlreiche und kräftige Osteoblasten nach und in der ersten bis zweiten 
eröffneten Knorpelkapsel, von der obersten gerechnet, stellt sich auch schon der Knochenanwurf ein. Aber ehe noch die 
Balken eine namhafte Länge erreichen, werden die meisten von ihnen schon wieder von unten abgebaut, darum bleiben sie 
ganz kurz und die Schicht der primären Spongiosa ganz nieder, im Durchschnitt 135 u, maximal 375 1, minimal 45 u, 


hoch. Vielleicht ist diese auffallende Kürze der primären Spongiosabälkchen nichts. anderes als der Beginn ihres 


Rachitis und Epithelkörperchen. 381 


Verschwindens bei diesem schon älteren Tiere. Wissen wir doch schon, daß nach abgeschlossenem Längenwachstum 
die primäre Spongiosa ganz verschwindet und durch eine sekundäre dauernd ersetzt wird. Dieses Kurzhalten der 
Bälkchen bleibt aber nicht ohne Ausnahme, denn man sieht in einem Schnitt zum Beispiel 1 bis 3 primäre Spongiosa- 
bälkchen, welche aus der Reihe der anderen nach unten zu tief herausragen, um mit der sekundären Spongiosa in 
Fühlung zu treten. Es findet also auch hier eine Auslese unter den Bälkchen statt, viele werden rasch abgebaut, ver- 


einzelt, einige bleiben erhalten und werden recht lang. 


f) Die sekundäre Spongiosa ist durchschnittlich 990 ı. hoch, maximal 1200 y, minimal 600 u. Sie ist besonders 
dürftig, besteht aus einigen Bälkchen, wie sie schon oben geschildert wurden. Osteoblasten fehlen hier ganz oder sind 


sehr klein. 


g) Die Corticalis wie oben; sonst im Spongiosabereiche bald unterbrochen, bald Knorpel einschließend, bald an der 
periostalen Fläche lakunär und an der endostalen mti Osteoblasten besetzt. Das obere Corticalisende reicht bis zur 


Ossifikationsgrube. 
h) Periost ohne Besonderheiten. 
i) Das Knochenmark ist rein zellig, nach oben zu reich an Riesenzellen und Gefäßen. 


k) Das Osteoid ist im allgemeinen selten, so daß an 12 Schnitten nur 26 Messungen möglich waren; es fand sich fast 
nur an der Corticalis und gar nicht an der primären Spongiosa. Da diese in lebhafter, jene in träger Apposition begriffen 
ist, so muß dieses Verhalten sehr auffallen. Es zeigt sich, daß der Kalkstoffwechsel allein nicht maßgebend ist für die 
Anwesenheit von Osteoid, sondern auch noch lokale Momente mitspielen. So zum Beispiel besteht beim primären 
Spongiosabälkchen aus lokalstatischen Gründen das Bedürfnis, so rasch und gründlich wie möglich zu verkalken, da 
es zur Aufgabe hat, den von den Gefäßen soeben eıst zerfressenen Knorpel zu verstärken. In der mächtigen Corticalis 
mit dem dünnen Appositionssaum besteht ein solches Bedürfnis nach raschester Verkalkung aber nicht. Die Dicke des 
Osteoids betrug nach 26 Messungen 6°3 y. im Durchschnitt, 15 u im Maximum, 2-5 „im Minimum. Am oberen Corti- 
calisende gemessen betrug aber das Osteoid bloß 25 im Durchschnitt, 3» im Maximum, 2 p im Minimum. Diese 
kleinen Zahlen dürften ihren Grund in verlangsamter Apposition bei diesem schon älteren Tiere haben, bei dem das 


obere Corticalisende nur noch ein ganz geringfügiges Längenwachstum aufgewiesen haben dürfte. 


Fall 6. Weiße, männliche Ratte, 138 g schwer, mit intakten, gelben, durchscheinenden, tadellosen Nagezähnen; am Lande auf- 
gewachsen. 15 Tage vor der Tötung des Tieres wurde eine obere Rippe reseziert und die rechte Fibula frakturiert. Bei der 
Obduktion wog das Tier 148g, die Nagezähne waren nach wie vor tadellos, das Tier kräftig und gut genährt. Die Wunde 
am Thorax war per primam geheilt, die am Bein klaffte etwas, die Haut war infiltriert, aber das Infiltrat erstreckte sich nicht 
in die Tiefe und erreichte die Fibula bei weitem nicht. Es fand sich keine Spur von Rachitis. Die Epithelkörperchen warnse 


als winzige Pünktchen schwach angedeutet, der Fibulakallus noch etwas beweglich. 
Histologischer Befund. Das Material wurde 3 Tage in Müller entkalkt. 


I. Obere Rippe. 


a) Der verkalkte Rippenknorpel hat eine dunkelblaue Farbe, ist von vielen Querrissen durchsetzt, enthält große, 
locker liegende Knorpelzellen, die zu mehreren in einem besonders dunkel gefärbten, scharf begrenzten Hof zusammen- 
gefaßt sind. Die blaue Färbung des verkalkten Knorpels hat zum Teil eine scharfe, zum Teil eine ganz unscharfe 
Grenze, reicht auf der pektoralen Seite fast bis zum Perichondrium, auf der pleuralen Seite jedoch liegt noch rote 


Knorpelgewebe zwischen beiden. 


b) Der ruhende Knorpel ist im Durchschnitt 217 . hoch, im Maximum 300 y, im Minimum 150 p. In der reichlichen 


rotvioletten, gefäßlosen Grundsubstanz liegen zumeist große, helle Zellen. 


e) Die Knorpelwucherungszone ist im Durchschnitt 75 u hoch, maximal 90 p, minimal 60 p.. Die blauviolette Grund- 
substanz ist, namentlich oben, besonders reichlich. Die nach oben zusammenstrebenden Säulen sind nieder und schmal, 
stehen weit auseinander und bestehen aus kleinen, dunklen, querspindeligen Zellen, die nach unten langsam größer, 
heller, rundlich werden. Die Grundsubstanz in den Säulen zwischen den Zellen färbt sich dunkler als zwischen den 


Säulen. Die Schicht ist in toto flach linsenförmig. 


382 Dr. J. Erdheim, 


ad) Die präparatorische Verkalkungsschicht ist durchschnittlich 21 x boch, maximal 30 p, minimal 15 y. Sie ıst 

1 bis 3 Zellen hoch, die Zellen sind hell und rundlich, größer als in der vorhergehenden Schicht, aber doch viel kleiner 

als in der gleichen Schicht bei nicht ruhendem Längenwachstum. Die Kleinheit der Zellen dieser Schicht unter Abschluß 

. des Längenwachstums gehen immer Hand in Hand. Die Zellen stehen noch in Säulen und da die Zellen klein sind, so 
sind die Säulen schmal, die Grundsubstanz zwischen den Säulen nicht stark reduziert und die Säulenstruktur gut 

erhalten. Die Grundsubstanz ist durchwegs verkalkt, dunkelblau, und diese Farbe zeigt nach oben eine haarscharfe 


Grenze, die zwischen je 2 Zellsäulen eine nach unten konkave Form besitzt. 


e) Enchondrale Össifikation und primäre Spongiosa. Diese fehlt vollständig, erstere so gut wie vollständig, da 
nur ganz ausnahmsweise ein Gefäß die unten zu erwähnende knöcherne Querplatte perforiert, so zum Knorpel gelangt 


und ihn in kaum merkbarer Weise abbaut. Das ist alles. 


. P Die sekundäre Spongiosa ist im Durchschnitt 249 x hoch, im Maximum 300 u, im Minimum 210 p. Sie hat oben 
die typische quere, flache, knöcherne Schlußplatte ausgebildet, welche der Unterfläche des Knorpels angelagert ist, am 
Rande ringsherum kontinuierlich in das obere Ende der Corticalis übergeht, aus reifem Knochengewebe besteht, Kitt- 
linien und Gefäßkanäle aufweist, aber Knorpeleinschlüsse vermissen läßt. Die Platte kann als kontinuierlich bezeichnet 
werden, denn sie weist nur vereinzelt ein perforierendes Kanälchen auf. Die Schlußplatte wird von äußerst spärlichen 


Bälkchen getragen, die sich auf die Innenfläche der Corticalis aufstützen. 


&) Die Corticalis ist am oberen Ende so dick als die Schlußplatte, unten dicker, aus reifem Knochen mit Kittlinien auf- 
gebaut und oben an der Periostfläche lakunär angenagt. Während normaliter das obere, verdickte Ende der Rippe für 
gewöhnlich am äußersten Ende, gegen die Ossifikationsgrube hin, wieder etwas zusammengeschnürt ist und so leicht 
becherförmig wird, ist bei dieser Rippe, wie gewöhnlich bei ruhendem Längenwachstum, das obere Ende einfach 


trichterförmig verbreitert. Das obere Corticalisende ist frei von Osteoid. 
h) Das Periost ist ohne Besonderheiten. 


i) Im zelligen Knochenmark finden sich spärliche Riesenzellen, Gefäße und Fettzellen, letztere nach unten etwas zahl- 


reicher. 


k) Das Osteoid ist so selten, daß an 5 Schnitten nur 10 Messungen möglich waren. Es findet sich überhaupt nur an der 


Innenfläche der Corticalis und vereinzelt auch auf der Schlußplatte. 


10 Messungen, 2°4 u. Durchschnitt, 3,8 u Maximum, 1'3 u Minimum. 


* %* 


II. Mittlere Rippen (Fig. 6). 


a) Der verkalkte Rippenknorpel (wK) zeigt im wesentlichen dasselbe wie oben, nur sind die Zellen etwas größer, 
haben ein helles, fädig geschrumpftes Protoplasma und einen pyknotischen Kern. Die Grenze der intensiv blauen Farbe 


ist gegen das Perichondrium zu stets unscharf, gegen den ruhenden Knorpel aber manchmal scharf. 


b) Der ruhende Knorpel (rK) ist im Durchschnitt 270 x hoch, maximal 300 u, minimal 225 u. Er zeigt, wie in jeder 
normalen Rippe, oberhalb der Ossifikationsgrube eine geringe seitliche Ausbuchtung (a) und enthält in der reichlichen, 
rotvioletten, homogenen Grundsubstanz, wie immer, axial große, helle Zellen mit großem, rundem, hellem Kern und 


hellem Protoplasma, während nach den Seitenausbauchungen hin die Zellen klein und dunkel werden. 


c) Die Knorpelwucherungsschicht (XW) ist im Durchschnitt 157 u hoch, maximal 195 u, minimal 135 u. In diesem 
Fall ist die Gesamttorm der Schicht nicht immer regelmäßig linsenförmig, sondern oft leicht S-förmig gebogen (KW) 
In der blauvioletten, oben reichlichen, unten spärlichen Grundsubstanz liegen zu hohen, nach oben zusammenstrebenden 
Säulen aufgetürmt die kleinen, dunklen, querspindeligen Zellen, die nach unten allmählich größer werden. Die Grund- 
substanz in den Säulen zwischen den Zellen färbt sich dunkler als zwischen den Säulen. In manchen Rippen sieht 
man am Rippenrande die Grundsubstanz von oben außen nach unten innen von leicht basophilen, parallelen Zügen 


durchsetzt, die die Zellsäulen durchqueren. 


d) Die präparatorische Verkalkungsschicht (pV) ist durchschnittlich 101 x hoch, maximal 120 wu, minimal 75 ». 
Die großen, polygonalen Zellen mit großem, hellem, rundem Kesn und noch hellerem, wabigem Protoplasma bilden, zwei 


bis vier- übereinander, Säulen, die nicht nach oben konvergieren, sondern axial parallel zur Rippenachse stehen, 


7 


€) 


D 


7 


h) 


i) 


Rachitis und Epithelkörperchen. 383 


marginal sogar nach oben divergieren können und infolge der Zellvergrößerung so breit sind, daß sie eng zusammen- 
stoßen und die überall verkalkte, intensiv blaue Grundsubstanz zwischen den Säulen so dünn ist, als zwischen den 
Zellen in den Säulen. Am Rippenrande bleiben die Zellen kleiner, sind weniger hell, liegen in reichlicher, noch dunkler 
blauer Grundsubstanz und reichen tief hinunter, wo sie doch noch dem vaskulären Abbau verfallen oder unbenutzt 


liegen bleiben. = 


Enchondrale Ossifikation und primäre Spongiosa. Die enchondrale Ossifikation ist lebhaft, geht nach 
normalem Typus vor sich, Gefäße brechen die Kapseln auf, 1 bis 2 Kapseln tiefer stellt sich bereits auf osteoblastischem 
Wege der Knochenanwurf ein und die primären Spongiosabälkchen sind fertig. Unter diesen tritt, gelegentlich ihres 
Abbaues von unten her, eine Auslese in der Art ein, daß etwa drei benachbarte ganz kurz bleiben (»Sp,), das vierte 
aber der abbauenden Tätigkeit vorläufig noch lange Zeit entgeht und darum sehr viel länger wird (9Sp,). Zwischen 
den langen Bälkchen entsteht dann ein größerer, mit zelligem Mark erfüllter Raum (d). Alle primären Spongiosabälkchen 
sind von besonders reichlichen und großen Osteoblasten umsäumt, in deren Protoplasma deutlich ein runder, heller 
Fleck wahrnehmbar ist. Im zentralen Teile der Rippe stehen die Bälkchen parallel zur Rippenachse, am Rippenrande aber 
divergieren sie in auffallender Weise nach oben, also ganz so ähnlich, wie das mit den randständigen Knorpelzell- 
säulen in der präparatorischen Verkalkungsschicht der Fall ist. Die Höhe der primären Spongiosa beträgt durchschnitt- 


lich 242 p, maximal 450 u, minimal 105 u. 


Die sekundäre Spongiosa (sSp) ist hier so dürftig, daß man Mühe hat, hie und da ein Bälkchen zu finden, das 
dann dick ist, eine randständige Lage einnimmt, schief nach unten außen zieht (s Sp), um sich auf die Innenwand der 
Corticalis zu stützen, aus reifem Knochengewebe besteht und keinen Knorpeleinschluß aufweist. Die Schicht ist durch- 


schnittlich 318 u hoch, maximal 450 u, minimal 225 ». 


Die Corticalis ist der interessanteste Teil dieser Rippe. Man kann hier nämlich eine rotviolett gefärbte alte Corticalis 
von durchaus kompaktem Bau, aus reifem Knochen mit Kittlinien bestehend (2C), von einer neuen, blauvioletten 
Corticalis unterscheiden (»C), welche unten zwar auch kompakt ist, nach oben aber, wo sie immer dicker wird, zahl- 
reiche, stets mit Osteoid und Osteoblasten ausgekleidete Gefäßkanäle aufweist (zC) und, nach den größeren Kernen zu 
urteilen, aus einer erst jungen periostalen Wucherung hervorgegangen ist. Die neue Corticalis erstreckt sich auf der 
pektoralen Seite viel weiter nach unten (vertebralwärts) als auf der pleuralen Seite und nach oben reicht sie bis fast 


zur Össifikationsgrube hinauf (g), während die alte Corticalis schon viel früher, bei e und f ihr Ende findet. 


Wenn wir uns nun die Frage vorlegen, wer das ganze Massiv der primären Spongiosa trägt, so müssen wir 
sagen, im Bereiche der Markhöhle die sekundäre Spongiosa (sSp), an der Peripherie das scharf abgeschnittene Ende 
der alten Corticalis (e, f) und außerdem bei c,d auch die junge Corticalis. Das Ungewöhnliche des Falles liegt also 
darin, daß das Massiv der primären Spongiosa viel breiter ist als der Durchmesser des alten Schaftes, der also nicht 
imstande ist, die Spongiosa zu umgreifen und dies der jungen Corticalis überläßt. Es muß also vor kurzem hier der 
Fall eingetreten sein, daß der alte Schaft zu schmal für die in die Breite gewachsene Spongiosa geworden ist, so daß 


sich die Notwendigkeit ergeben hat, zur Stütze der zu groß gewordenen Spongiosa am alten Schaft rasch eine peri- 
ostale Auflagerung auszubilden. 


Es ist zwar ganz natürlich, daß mit zunehmendem Alter, also mit dem Dickerwerden der Rippe, auch die 
Spongiosa in die Breite. wächst, aber man würde erwarten, daß dabei der Durchmesser der Rippe so allmählich 
zunimmt und mit der Spongiosa in Harmonie bleibt, daß man diese Dickenzunahme der Corticalis nicht leicht verfolgen 
könne. Das Ungewöhnliche am vorliegenden Bilde ist es eben, daß der ganze Vorgang so sprunghaft erfolgt war, daß 
er sehr leicht zu verfolgen ist. Eine solche Disharmonie zwischen dem Rippendurchmesser im Spongiosa- und Corti- 
calisbereiche kann nur so zustande gekommen sein, daß entweder die Spongiosa plötzlich übermäßig breit wurde, 
oder so, daß die Corticalis abnorm lang in ihrem alten, kleinen Durchmesser verharrte. Letztere Möglichkeit wird uns 
plausibler vorkommen, wenn wir die Fig. 6 mit anderen Rippen vergleichen. Es ergibt sich dabei, daß im vorliegenden 
Falle der Rippendurchmesser im Spongiosabereich das Normalmaß nicht überschreitet, eher noch etwas gering ist, aber 
der Durchmesser der alten Corticalis ist auffallend gering. 


Das Periost bietet nichts Besonderes, es endet oben im Niveau der Knorpelwucherungszone mit dem Ossifikations- 
wulst. 


Das Knochenmark ist ausschließlich zellig, enthält massenhaft Riesenzellen und ist im oberen Teile gefäß- 
reich. 


38% 


er 


"Dv. I. Erdheim, 


Das Osteoid findet sich vor allem 1. in der neuen Corticalis, wo sie in jedem Gefäßkanal’zu sehen, also sehr 


häufig ist. Es wurde 2. auch am oberen Corticalisende gemessen. 
to} oO 


1. 42 Messungen, 58 y. Durchschnitt, 10 „. Maximum, 1°3 p. Minimum. 
2.9 » 751 » 10 1. » Op. » 


Fall 7. Weiße, männliche Ratte, 153g schwer, mit intakten, gelben, durchscheinenden, tadellosen Nagezähnen. Am Lande auf- 


gewachsen. 15 Tage vor der Tötung wurde dem Tier eine Rippe reseziert und die rechte Fibula frakturiert. Der Wundverlauf 


blieb ungestört. Bei der Obduktion wog das Tier 175 g, war muskelkräftig und gut genährt, die Nagezähne waren nach wie 


vor tadellos, von Rachitis war keine Spur zu finden, die Hauptepithelkörperchen waren makroskopisch nicht sichtbar, an der 


Frakturstelle war die Fibula schon ganz fest. 


Histologischer Befund: 


I. Obere Rippe (Fig. 8). Der Knochen wurde 2 Tage in Müller entkalkt. 


a) Der verkalkte Rippenknorpel zeigt nichts Besonderes, ist dunkelblau, von vielen Querspalten durchsetzt, große, 


b) 


helle Zellen mit pyknotischen Kernen enthaltend. 


Der ruhende Knorpel (rK) ist durchschnittlich 243 j. hoch, maximal 270 u, minimal 195 p. In seiner homogenen, 
hellrotvioletten, gefäßlosen Grundsubstanz liegen zumeist große, helle Zellen in Gruppen (rK), die gegen die Seiten- 


ausbuchtungen (a) hin kleiner und dunkler werden. 


c) Die Knorpelwucherungszone (KW) ist im Durchschnitt 71 p. hoch, maximal 75 u, minimal 60 y, im ganzen also 


a) 


nieder. In der homogenen, hellblauvioletten, namentlich oben reichlichen Grundsubstanz liegen die niederen, nach 
oben zusammenstrebenden Säulen, die sich aus querovalen, kleinen, dunklen Zellen zusammensetzen, welche nach 
unten (b) langsam größer, heller, rundlich werden. In den Säulen zwischen den Zellen ist die Grundsubstanz dunkler 


gefärbt als zwischen den Zellsäulen. 


Die präparatorische Verkalkungszone (pV) ist durchschnittlich 64 j. hoch, maximal 75 x, minimal 60 y. Es 
wechselt also die Dicke recht bedeutend und das kommt auch darin zum Ausdruck, daß man an manchen Stellen, 
nämlich an solchen, welche im Abbau begriffen sind (»V), nur 2 bis 4 große, helle, polygonale Zellen mit hellem, 
großem, homogenem Kerne der Höhe nach zählt, während an anderen Stellen, an denen der Abbau ruht (c), 6 bis 
8 Zellen der Reihe nach gezählt werden können, von denen aber nur die zu oberst liegenden die gleiche Beschaffenheit 
haben wie die eben beschriebenen, während die zu unterst liegenden viel kleiner und dunkler sind (c). Die Zellen 
stehen in Säulen, die axial senkrecht hinuntersteigen (c), am Rande aber (» V') nach oben divergieren. Die Grund- 


substanz ist durchwegs verkalkt, dunkelblau und diese Farbe verliert sich nach oben ganz langsam. 


Enchondrale Ossifikation und primäre Spongiosa. Letztere existiert hier überhaupt gar nicht, erstere ist 
stellenweise (e, f) in geringem Grade zu beobachten, stellenweise fehlt auch sie ganz (c, 4). An den letzteren Stellen 
liegt dem Knorpel die typische quere, knöcherne Schlußplatte (4) an, die hier nie die Dicke der Corticalis erreicht, in 
diese am Rand übergeht und in keinem Schnitte komplett erhalten, sondern vielfach (e, %) durchbrochen, defekt ist. Es 
ist wieder typisch, daß da, wo die Schlußplatte den Knorpel berührt, dieser besonders kleinzellig ist, ein Verhalten, das 
darauf hindeutet, daß hier seit einiger Zeit die enchondrale Ossifikation vollständig ruht. An solchen Stellen aber, wo 
die Querplatte defekt ist (e, 7), dringen Markgefäße wieder in den Knorpel ein und bauen ihn ab. Bei diesem Abbau 


werden die Zellsäulen nicht elektiv aufgebrochen, sondern auch alle Grundsubstanz mitentfernt, so daß an solchen 


‚Stellen ganz große Markbuchten entstehen (e), in deren Bereiche das zellige Knochenmark in ausgedehnter Weise mit 


dem Knorpel in Kontakt tritt. Durch seitliche Ausbreitung dieser Markbuchten kann der Knorpel auch an solchen Stellen 
abgebaut werden (f), an denen die Querplatte noch steht, und da sieht man, daß nicht allein der zu oberst liegende, 
frisch entstandene, großzellige, sondern auch der alte, kleinzellige Knorpel dem vaskulären Abbau verfällt. An solchen 
Stellen breiten sich die Osteoblasten an der bloßgelesten oberen Fläche der Querplatte aus, während an der Decke der 
Bucht der Knorpelabbau weiter vor sich geht. Ein Knochenanwurf ist noch nirgends zu sehen. 

Es handelt sich somit um eine Rippe, an der vor einiger Zeit die enchondrale Ossifikation zur Ruhe gelangt war 
die präparatorische Verkalkungszone nur mit kleinen Zellen ausgestattet, die primäre Spongiosa abgetragen, der 


Knorpel durch eine knöcherne Querplatte vermauert wurde, während jetzt wieder seit einiger Zeit an vielen Stellen die 


= 


D 


2) 


h) 
i) 


R) 


Rachitis und Epithelkörperchen. 385 


enchondrale Ossifikation wieder aufgenommen wurde, die junge, oberste, präparatorische Verkalkungsschicht wieder 
große Zellen bekam, Markgefäße den Knorpelabbau wieder betreiben, Osteoblasten wieder nachrücken, aber zu einem 
Knochenanwurf ist es noch nicht gekommen. Alles dies spielt sich nur an einem Teile der Rippenbreite ab, zum Teil 
ist noch das Bild der Ruhe erhalten. 

Die sekundäre Spongiosa ist durchschnittlich 266 p. hoch, maximal 300 x, minimal 180 jı, besteht aus der schon 
oben geschilderten flachen Querplatte, deren kontinuierlicher marginaler Übergang in das obere Corticalisende, wie zum 
Beispiel bei g, durch gerade hier stattfindenden Abbau stellenweise wieder aufgehoben ist. Ganz kurze, dicke, rand- 
ständige Balken tragen die Querplatte und stützen sich auf die Innenfläche der Corticalis. Durch entsprechende Lokali- 
sation des an der Platte platzgreifenden Abbaues kommt es vor, daß ein solcher Stützbalken seinen Kontakt mit der 


Platte verloren hat oder aber direkt den Knorpel zu tragen scheint. 


Die Corticalis (i) besteht aus reifem Knochengewebe mit Kittlinien und ist nahe dem oberen Ende an der Periost- 


fläche lakunär begrenzt. 
Das Periost ist ohne Besonderheiten. 


Das zellige Knochenmark ist am oberen Ende stärker vaskularisiert (2) und enthält mäßig viele Riesenzellen (m) und 


spärliche Fettzellen. 


Das Osteoid ist selten, am ehesten an der Endostfläche der Corticalis, selten an der Spongiosa und fehlt am oberen 


Corticalisende. An 5 Schnitten waren nur 10 Messungen möglich. 
2:9 u. Durchschnitt, 5 u Maximum, 2:5 u Minimum. 


* * 


II. Mittlere Rippen (Fig. 7). Das Material wurde 3 Tage in Müller entkalkt. 


a) 
b) 


c) 


e) 


Der verkalkte Rippenknorpel (vK) zeigt dasselbe wie oben. 


Der ruhende Knorpel (rX) ist durchschnittlich 210 u hoch, maximal 255 pw, minimal 150 x. Außer, daß die Zellen 


hier stellenweise stark blau gefärbt sind, ist der Befund der gleiche wie oben. 


Die Knorpelwucherungsschicht (XW) ist im Durchschnitt 177 u hoch, maximal 195 ı, minimal 150 y. Die Schicht 
ist also hoch, ebenso die besonders schön nach oben verjüngten und zusammenstrebenden Zellsäulen. Am Rande 
finden sich die nach unten und medial konvergierenden, basophilen Züge in der Grundsubstanz, die sogar in die nächst 


obere und untere Schicht übergehen können. Sonst alles wie oben. 


Die präparatorische Verkalkungszone (»V) ist durchschnittlich 94 x hoch, im Maximum 105 p, im Minimum 
90 u. Die in parallelen Säulen stehenden Zellen sind sehr groß, polygonal, hell, mit rundem, hellem, sehr chromatin- 
armem Kern und ganz hellem, feinwabigem Protoplasma. Die Säulen stehen infolge ihrer Verbreiterung dicht zusammen, 
die ganz verkalkte, dunkelblaue Grundsubstanz ist auf ein ganz schmales Netz reduziert, in dessen Maschen eben die 


großen Zellen liegen. 


Enchondrale Ossifikation und primäre Spongiosa. Erstere geht in lebhafter Weise nach regulärem Typus vor 
sich, indem die Gefäße clektiv in den Zellsäulen vorrücken und die Grundsubstanzsepta zwischen ihnen meist stehen 
lassen. Rasch rücken Osteoblasten nach, apponieren den Knochenanwurf und die primären Spongiosabälkchen sind 
fertig. Wir müssen bei der primären Spongiosa zwei deutlich voneinander verschiedene Schichten unterscheiden. Die 
obere Schicht (9Sp,) besteht aus dicht zusammenliegenden, parallelen, niederen Bälkchen mit zentralem Einschluß 
eines besonders dunkelblauen, konkav-globulär begrenzten Knorpelgrundsubstanzstückes und beiderseitigem, dünnem 
Knochenanwurf, während die sehr engen Markräume zwischen den Bälkchen massenhaft Osteoblasten aufweisen, ein 
sehr enges Gefäß und nur ausnahmsweise einige Markzellen. Am unteren Ende der Bälkchen sieht man in großer Menge 
und in voller Tätigkeit Osteoklasten, die die Bälkchen kurz halten, aber recht unscheinbar sind, selten mehr als fünf 
nach Form, Größe und Farbe gar nicht auffallende Kerne enthalten und eigentlich viel mehr durch ihr rein rotes, ganz 
lockeres, grobwabiges Protoplasma auffallen, das auch nicht sehr reichlich ist. Nebenbei bemerkt, sind solche Osteo- 
klasten in der Schicht der enchondralen Ossifikation zu sehen, wo sie den stehenbleibenden Grundsubstanzsepten 
anliegen oder sogar in den eröffneten Kapseln sich zeigen. Die untere Schicht der primären Spongiosa besteht aus 


einigen wenigen, dafür aber viel höheren, tief hinunterhängenden Bälkchen (pSp,), welche der abbauenden Tätigkeit 


386 


Dr. J. Erdheim, 


der Osteoklasten entgangen sind und wie die kurzen natürlich in der präparatorischen Verkalkungsschicht wurzeln. 
Diese Schicht ist viel übersichtlicher gebaut, die wenigen Bälkchen haben einen dickeren Knochenanwurf (p Sp»), stehen 
weiter auseinander und die zwischen ihnen liegenden großen Markräume (c) enthalten dasselbe zellige Mark wie die 
große Markhöhle, deren Fortsetzung sie ja sind. Es resultiert daraus, daß die Höhe der primären Spongiosa sehr ver- 


schieden ist, je nachdem, wo wir messen. Sie ist im Durchschnitt 179 x hoch, maximal 435 u, minimal 90 n. 


Pf) Die sekundäre Spongiosa (sSp) ist im Durchschnitt 572 » hoch, im Maximum 600 y, im Minimum 450 y. Ihre 


Bälkchen sind äußerst spärlich, dick, bestehen aus reifem Knochengewebe und stützen sich unten auf die Innenfläche 


der Corticalis auf. 


g) Die Corticalis ist im vorliegenden Falle sehr interessant. Nach genauer Beachtung der rein morphologischen Ver- 


hältnisse wird es uns leicht sein, nachzuweisen, daß in den Rippen dieses Falles vor einiger Zeit eine plötzliche all- 
seitige Verdickung des Schaftes in der Art wie im Falle 6 erfolgt war, derzeit aber an der so veränderten Rippe ein 
anderer Prozeß im Gange ist, nämlich das zum Zwecke der Thoraxvergrößerung nötig gewordene Hinausverlegen des 


vorderen Rippenendes. An der nebenstehenden Skizze sieht man unten die alte Schaftcorticalis (a, c) zu innerst liegen 


Skizze 1. 
Schema einer Rippe des Falles 7. 


a,c== alte Corticalis, bei b und d endend. 
e, g = junge Corticalis, bei A id endend. 
i = oberes Corticalisende. 
k = Knorpelwucherungszone. 
l= präparatorische Verkalkungsschicht. 


m, n — Spongiosa, diese bei o bloßliegend. 


und zu äußerst die jüngere periostale Auflagerung (e, g), die die Verdickung der Rippe bewerkstelligt. Im Falle 6 sah 
man, daß die alte Corticalis (auf der pleuralen und pektoralen Seite) an der unteren Grenze der primären Spongiosa 
plötzlich aufhörte und von da an bloß die äußere, junge Corticalis die Kontinuität des Knochens aufrecht erhielt. Im 
vorliegenden Falle jedoch sind diese Verhältnisse in folgender Weise modifiziert worden. An der pleuralen Seite endet 
die junge Corticalis bereits bei A, während die alte genau wie bei Fall 6 geradeaus gegen das Spongiosamassiv hinzieht 
und an der alten Stelle hoch oben endet (b). An der pektoralen Seite ist es umgekehrt, hier endet die alte Corticalis 
schon vorzeitig bei d und die junge hält bis zur Ossifikationsgrube hinauf (f) die Kontinuität des Knochens aufrecht. 
Es fehlt also an der pleuralen Seite die junge, an der pektoralen die alte Corticalis am oberen Rippenende und dadurch 
wird eben erzielt, daß das obere Rippenende in toto nach außen verlegt wird. Dieser Prozeß findet darin seine Fort- 
setzung, daß bei p die pleurale Fläche lakunäl abgebaut, die endostale angebaut wird. Bei dem Abbau der jungen 
Corticalis an der pleuralen Seite entstand wie gewöhnlich bei o eine Unterbrechung der Corticalis mit Bloßlegung der 
primären Spongiosa, während am oberen Rippenende, an der Ossifikationsgrube, noch die Corticalisspitze (i) erhalten 
ist. In manchen Rippen ist durch Ausfüllung der Markräume zwischen den bloßgelesten Spongiosabälkchen unter Mit- 
verwendung der letzteren der Corticalisdefekt wieder geschlossen worden, was man an den hier typischen Knorpel- 


einschlüssen erkennt (Fig. 7 d). 


Sr 


Rachitis und Epithelkörperchen. 387 


Dieses Verhalten der in der Skizze mit o bezeichneten Stelle hat auch darin seinen Grund, daß der Rippen- 
knorpel diesem Hinausverlegen der knöchernen Rippe mit Verspätung folgt, so daß der dort aus dem zu sehr pleural- 
wärts liegenden Knorpel hervorgehende Teil der Spongiosa in die Corticalis aufgenommen werden muß. 

Die alte und junge Corticalis unterscheiden sich in bezug auf den Charakter des Knochengewebes in folgenden 
Punkten voneinander: Die junge Corticalis ist mehr blauviolett, die alte rotviolett, die Knochenzellen sind in der jungen 
Cortiealis nicht zahlreicher, aber deutlich etwas größer und heller, die Gefäßkanäle zahlreicher und nicht selten mit 


Osteoid ausgekleidet, das den Gefäßkanälen der alten Corticalis fehlt. 


h) Das Periost bietet nichts Besonderes. 
i) Das zellige Knochenmark führt vereinzelte Fettzellen, wenig Riesenzellen und ist im oberen Teile stark vaskularisiert. 


k) Das Osteoid findet sich mäßig häufig 1. hauptsächlich in der jungen Corticalis und an der Endostfläche der alten, viel 


seltener an der Spongiosa; 2. wurde es auch am oberen Corticalisende gemessen. 


1. 33 Messungen, 4:7 u. Durchschnitt, 10°0 u. Maximum, 1°3 u Minimum. 
216 > 63 u > 75u > 501 > 


Fall 8. Schwarzweiße, männliche Ratte, 142g schwer, mit intakten, gelben, durchscheinenden, tadellosen Nagezähnen, am Lande 
E geboren und aufgezogen und dann längere Zeit im Laboratoriumsstall gehalten. 15 Tage vor der Tötung wurde dem Tiere 
die rechte Fibula frakturiert. Heilung per primam. Bei der Obduktion wog das Tier 142 g, die Nagezähne waren nach wie 

vor tadellos, das Tier war muskelkräftig und gut genährt, es fanden sich keine Zeichen von Rachitis, die Ek. waren sehr 


klein, der Fibulakallus war etwas, aber nur sehr wenig beweglich. 
Histologischer Befund. Das Material wurde 4 Tage in Müller entkalkt. 


a) Der verkalkte Rippenknorpel ist dunkelblau, reich an Querrissen, die Grenze der blauen Färbung überall unscharf, 


der subperichondrale, kalkfreie Streifen auf der pleuralen Seite breiter als auf der pektoralen. Die Zellen groß, hell. 


b) Der ruhende Knorpel ist durchschnittlich 210 ıı hoch, maximal 270 y, minimal 150 y. In der homogenen, gefäßlosen, 
hellrotvioletten Grundsubstanz liegen axial große, helle Zellen mit rundem, hellem Kern; gegen die seitlichen Aus- 


buchtungen hin werden die Zellen klein und dunkel. 


ec) Die Knorpelwucherungsschicht ist durchschnittlich 130 x hoch, maximal 150 u, minimal 105 u und hat die Form 
einer Kalotte. Die homogene, oben reichliche, unten spärliche Grundsubstanz färbt sich hellblauviolett und enthält zu 
hohen Säulen aufgetürmte, querspindelige, dunkle, kleine Zellen, die nach unten allmählich größer werden, bevor noch 
die Grundsubstanz verkalkt. Die Säulen spitzen sich nach oben zu, streben nach oben zusammen und die in ihnen 
zwischen den Zellen enthaltene Grundsubstanz färbt sich dunkler als zwischen den Säulen. Am Rande der Schicht 


ziehen in der Grundsubstanz basophile Züge in typischer Richtung. 


d) Die präparatorische Verkalkungszone ist durchschnittlich 72 x hoch, maximal 90 u, minimal 60 j.. Die Zellen 
groß, hell, mit großem, rundem, hellem Kern und noch hellerem Protoplasma, von polygonaler Form, stehen in Säulen 
übereinander, die senkrecht hinunterziehen und so verbreitert sind, daß die überall dunkelblaue, verkalkte Grundsubstanz 


zwischen den Säulen so schmal ist als zwischen den Zellen in den Säulen. 


e) Enchondrale Ossifikation und primäre Spongiosa. Die die enchondrale Ossifikation einleitenden Gefäß- 
einbrüche rücken im Knorpel in einer geraden Linie vor und ein bis zwei erbrochene Kapseln tiefer stellt sich der durch 
wohlausgebildete Osteoblasten besorgte Knochenanwurf ein. An manchen Stellen aber kommt es nicht zur Knochen- 
apposition, da mit dem vaskulären Aufbruch der Kapseln Riesenzellen auftauchen, welche auch die Grundsubstanzsepta 
abtragen, und so gibt es an solchen Stellen keine primären Spongiosabälkchen und das zellige Mark der großen Mark- 
höhle reicht bis an den Knorpel heran. Die Riesenzellen, die hier in Betracht kommen, sind bald recht unscheinbar, mit 
wenigen Kernen und einem wabigen Protoplasma, bald ganz ansehnlich, mit vielen Kernen und reichlichem, sattrotem und 
homogenemProtoplasma. Mit den Knochenmarksriesenzellen sind diese Riesenzellen nicht zu verwechseln, denn erstere sind 
rundlich und enthalten im Zentrum des hellroten Protoplasmaleibes einen sehr großen, hellen, regellos gelappten Kern, 
letztere enthalten in beliebiger Lage multiple und isolierte, untereinander in Form und Größe übereinstimmende 


Kerne. 
Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC. Bd. 55 


388 Dr. J. Erdheim, 


Aber nicht überall kommt es zum Abbau der Knorpelgrundsubstanz, meist kommen die Osteoblasten dazu, 
Knochen zu apponieren, aber diese .dicht stehenden, primären Spongiosabälkchen werden meist nicht lang, denn sie 
werden an ihrem unteren Ende von einer ansehnlichen Menge von Riesenzellen des unscheinbaren Typus abgebaut, 
kurz gehalten. Endlich gibt es, wenn auch spärlich, Bälkchen, welche diesem Abbau entgehen, darum sehr lang; werden, 
unten mit der sekundären Spongiosain Kontakt kommen und zwischen sich zelliges Mark führen. Die primäre Spongiosa 
ist durchschnittlich 92 u hoch, maximal 180 u, minimal 45 g. 

J Die sekundäre Spongiosa ist im Durchschnitt 395 x hoch, maximal 750 px, minimal 210 u. Die Bälkchen sind nicht 
reichlich, doch leicht auffindbar, sind randständig, tragen oben die primäre Spongiosa und unten stützen sie sich auf 
die Innenfläche der Corticalis auf, bestehen aus reifem Knochengewebe, sind oben von niederen Osteoblasten ein- 
gesäumt, unten fehlen diese. 

g) Die Corticalis besteht aus reifem, schichtweise aufgebautem Knochengewebe, ohne daß man verschiedene Alterstypen 
unterscheiden könnte. Im obersten Anteil enthält sie oft Knorpeleinschlüsse, ist außen lakunär angenagt oder sogar mit 
Bloßiegung der primären Spongiosa unterbrochen, während selbst dann noch, wie immer, die äußerste Spitze der Corti- 
calis, die bis zur Ossifikationsgrube reicht, erhalten ist. 

h) Das Periost ohne Besonderheiten. 

i) Das Knochenmark ist ausschließlich zellig, enthält nur mäßig; viele Riesenzellen und ist im obersten Abschnitt nur 
mäßig gefäßreich. 

k) Das Osteoid findet sich fast nur an der Innen- und Außenfläche der Corticalis, fehlt an der Spongiosa fast ganz, ist im 
ganzen als selten zu bezeichnen, denn an 9 Schnitten waren nur 17 Messungen möglich, nach denen das Osteoid im 


Dürchschnitt 3°9 u dick ist, maximal 6°3 x, minimal 1°3 u. Am oberen Schaftende betrug die Dicke des Osteoids nach 


6 Messungen 75 "im Durchschnitt, 10°0 u maximal, 50 u minimal. 


* * 


B. Das histologische Bild der normalen Rippe. 


Bevor wir zur Besprechung der histologischen Befunde übergehen, wollen wir einen Blick auf das 
Tiermaterial werfen. Es wurden ausschließlich die zahmen, weißen, einmal eine schwarzweiße Ratte 
verwendet und von den 8 untersuchten Tieren waren 4 Männchen, 4 Weibchen. Das Körpergewicht der 
Tiere schwankte zwischen 128 und 225g und daraus können wir schließen, daß die Tiere weder ganz 
jung noch vollständig ausgewachsen waren; sie befanden sich noch in mäßig lebhaftem Wachstum. Die 
Erfahrung lehrt nämlich, daß man — gleichmäßig guten Ernährungszustand und vollkommene Gesundheit 
vorausgesetzt (eine Voraussetzung, die für unser Material nach dem Obduktionsergebnis zutrifft) — aus 
dem Gewichte der Ratte einen Schluß auf ihr Alter machen kann. 

In den 15 Tagen, in denen die Tiere beobachtet wurden, nahm ihr Körpergewicht zum Teil recht 
erheblich, nämlich um 8 bis 22 8, zu. Diese Gewichtszunahme ist nicht allein auf das Skelettwachstum, 
sondern zum Teil auf die Zunahme von Weichteilen, Muskulatur und Fettgewebe zurückzuführen. Zu 
dieser Annahme berechtigt erstens die Tatsache, daß die schwersten, also ältesten Tiere 1, 5 und 7 die 
größte, die leichteren, also jüngeren Tiere 2, 3, 4 und 6, die geringste Gewichtszunahme aufzuweisen 
haben; zweitens die Erfahrung, daß das Skelettwachstum mit zunehmendem Alter sich verlangsamt, 
während die Muskulatur und das Fettgewebe bei der Obduktion älterer Ratten verhältnismäßig viel reich- 
licher vorgefunden wird als bei der jüngerer Tiere. Daß aber die Gewichtszunahme zum Teil auch auf das 
Skelettwachstum zurückzuführen ist, das werden wir aus der bei allen Tieren noch lebhaften enchondralen 
Össifikation ersehen können, von der im histologischen Befund die Rede sein soll. Das Tier 8 bildet in 
bezug auf das Körpergewicht insofern eine Ausnahme, als bei ihm die Gewichtszunahme ausblieb, was 
vielleicht auf die sofort zu erwähnende andere Vorgeschichte des Tieres zurückzuführen ist. 

Bei der Obduktion erwiesen sich sämtliche Tiere als muskelkräftig und gut genährt. Von patholo- 
gischen Veränderungen fanden sich nur bei Tier 1 kleine pneumonische Herde in allen Lungenlappen, 
eine im Aussehen und Verlauf von der Pneumonie des Menschen ganz abweichende Krankheit, die sich 


ni 


Rachilis und Epithelkörperchen. 389 


bei der Ratte außerordentlich oft findet und bei dem leichten Grade, wie im vorliegenden Falle, von keiner 
besonderen Bedeutung ist, wie ja schon die ansehnliche Gewichtszunahme des Tieres anzeigt. 


Von rachitischen Skelettveränderungen konnte bei der Obduktion in keinem der Fälle auch nur 
die geringste Spur gefunden werden und schon in vivo war die Abwesenheit von Rachitis an den Nage- 
zähnen zu konstatieren. Bei der normalen Ratte sind nämlich die Nagezähne stets intakt, gelb und durch- 
scheinend und so war es auch in allen unseren 8 Fällen. Die wichtigste unter diesen Eigenschaften ist die 
durchscheinende Beschaffenheit, welche bei Eintritt der Rachitis, wie wir an entsprechender Stelle 
hören werden, einer opaken Platz macht. Die Kenntnis dieser Tatsache, die sich auf langdauernde Beob- 
achtung stützt, war für den Fortgang der Arbeit insofern von großer Bedeutung, als sie schon in vivo die 
Unterscheidung zwischen ganz normalen und rachitischen Ratten ermöglichte und so bei der Wahl der 
Versuchstiere unentbehrlich geworden war. Im Abschnitt über die rachitischen Zahnveränderungen werden 
wir des näheren auf die Ursachen eingehen, die zum Opakwerden der Nagezähne führen. 


Ein sehr wichtiger Punkt war die Herkunft der Tiere. Sämtliche Tiere wurden auf dem Lande 
geboren und aufgezogen, die Tiere | bis 7 in Erlaa bei Wien, wo sie von einer Gutsverwaltung zu 
Handelszwecken gezüchtet werden, das Tier 8 in Atzgersdorf bei Wien, wo es bei einem Tierzüchter auf- 
wuchs. Während die Tiere 1 bis 7 sehr bald nach Einstellung im Laboratoriumsstall zu den Versuchen 
verwendet wurden, weilte das Tier 8 längere Zeit, nachdem es vom Lande herein gebracht worden 
war, in unserem Laboratoriumsstalle, bevor es in die Versuchsreihe aufgenommen wurde. Wir werden später 
hören, daß sämtliche Rachitistiere ganz anderer Herkunft waren, was auf die Ätiologie der Rachitis ein 
gewisses Licht wirft. 


a) Rippen in der Wachstumsperiode. 


Über den verkalkten Rippenknorpel (vK der Fig. 1, 2, 4 bis 7) ist nicht viel zu sagen. Seine 
Zellen sind stets groß und hell (Fig. 5), haben einen kleinen, dunklen, pyknotischen Kern und ein helles 
Protoplasma, an dem man selten eine fädige Schrumpfung bemerken kann. Die Zellen liegen meist locker 
in der dunkelblauen verkalkten Grundsubstanz, welche in jedem Falle von zahlreichen queren Rissen 
durchsetzt ist (Fig. 2, 7). Diese Risse muten beim ersten Blick wie durch die Fixation entstandene Kunst- 
produkte an, sind aber doch vielleicht vitaler Natur. Die dunkelblaue Farbe der Grundsubstanz verliert 
sich gegen das Perichondrium zu stets, gegen den ruhenden Knorpel fast immer unscharf und manchmal 
ist die zwischen verkaiktem Knorpel und Perichondrium liegende Schicht kalklosen Knorpels auf der 
pektoralen Seite schmäler als auf der pleuralen. In einem Falle (5) bildet die Längsachse des verkalkten 
Rippenknorpels mit der der knöchernen Rippe einen auffallend kleineren Winkel, als dies sonst der Fall 
zu sein pflegt. 


* * 


Der ruhende Knorpel wird von Kossowitz allseits wachsender Knorpel genannt, was genau 
genommen auch sicher richtiger ist als die jetzt gebräuchliche Bezeichung, die die Nichtbeteiligung dieser 
Knorpelschicht an der Knorpelwucherung zum Ausdruck bringt. Der ruhende Knorpel (Fig. I bis 8, rK) 
zeigt in verschiedenen Rippen desselben Falles, aber auch in verschiedenen Fällen nur mäßige Unter- 
schiede in seiner Höhe. Ersteres ist daran zu erkennen, daß im Einzelfalle der Durchschnitt, das Maximum 
und Minimum untereinander nur mäßig verschieden sind, letzteres daran, daß die Durchschittshöhen der 
verschiedenen Fälle nicht allzu different sind (Diagramm I, Tafel IX). Die geringste Durchschnittshöhe 
betrug (Fall 7) 210 p, die höchste (Fall 5) 300 p. 


Gegen die knöcherne Rippe zu wird die Schicht stets breiter, was einmal weniger (Fig. 4), ein ander- 
mal stärker betont ist (Fig. 7). Dadurch, daß die Rippe am unteren Rande des ruhenden Knorpels eine 


390 Dr. J. Erdheim, 


zirkuläre Einschnürung, die Ranvier’sche Össifikationsgrube, aufweist (Fig. 5 c), ist der ruhende 
Knorpel an seiner unteren Grenze seitlich ausgebaucht (Fig. 2, 4 bis 8) und diese Ausbauchung ist 
zuweilen auf der pektoralen Seite stärker ausgeprägt als auf der pleuralen (Fall 1 und 5), im allgemeinen 
jedoch nur mäßig entwickelt. 

Die Grundsubstanz ist stets reichlich, homogen, ausnahmslos hellrotviolett gefärbt und gefäßlos. 
Die Zellen sind im axialen Teile der Schicht stets groß und hell, haben einen großen, hellen, runden Kern, 
ein reichliches helles, ausnahmsweise dunkelblaues Protoplasma und liegen oft in Gruppen zu 2 bis 4, im 
ganzen locker (rK, Fig. 1 bis 8). Marginal jedoch, gegen die seitlichen Ausbuchtungen hin, werden sie 
konstant kleiner, dunkel und liegen dichter (a, Fig. 4 bis 8). 


* * 


Die Knorpelwucherungsschicht oder Proliferationszone, wie sie auch genannt wird (KW, 
Fig. 1 bis 8), ist im ganzen niederer als der ruhende Knorpel, durchschnittlich fast nur halb so hoch. Es 
zeigt sich, daß die Höhe im Einzelfall sehr wenig variiert, denn der Unterschied zwischen Durchschnitt, 
Maximum und Minimum ist in der Regel sehr gering und ebenso gering ist die durchschnittliche Höhe 
in den verschiedenen Fällen, denn (Diagramm II, Tafel IX) die geringste Zahl beträgt 130 1 (Fall 8), die 
höchste bloß 177 u (Fall 7). 


Die Gesamtform dieser Schicht ist bald die einer flachen Linse, bald einer Kalotte, mit der planen 
Fläche nach unten, der konvexen nach oben. Die Figg. 4 und 5 zeigen die flach-kappenförmige Form sehr 
gut. Ausnahmsweise weist die Schicht in toto eine leichte Verbiegung auf, die einmal ganz ausgesprochen 
(Fig. 6), ein andermal nur angedeutet ist (Fig. 4). Einmal (Fall 1) war die Schicht in toto wie pleurawärts 
verschoben. 


Die Grundsubstanz ist homogen, gefäßlos, stets hellblauviolett gefärbt, im ganzen reichlich, aber 
gegen die präparatorische Verkalkungsschicht spärlicher werdend, weil, wie wir sofort hören werden, die 
Zellsäulen in der gleichen Richtung an Breite zunehmen. Infolge der differenten Färbung läßt sich die 
Grenze gegen den ruhenden Knorpel meist recht gut, wenn auch nie haarscharf bestimmen (Fig. 5). In den 
Zellsäulen zwischen den Zellen färbt sich die Grundsubstanz konstant deutlich dunkler als in den Grund- 
substanzpfeilern zwischen den Säulen. In drei Fällen (6, 7, 8) fanden sich marginal in der Grundsubstanz 
basophile, ungefähr parallele, spärliche Züge, die durch die Zellsäulen durchziehend schief von außen nach 
innen verliefen, so zwar, daß im Schnitte die der einen und die der anderen Seite gegen die große Mark- 
höhle zu konvergieren. Solche Züge pflegen meist nur bei jüngeren Tieren vorzukommen. Diese die 
Knorpelreihen verbindenden Liniensysteme und Netze fand Kassowitz namentlich bei jüngeren mensch- 
lichen Embryonen und da von diesen Linien niemals punktförmige Querschnitte vorkommen, faßt er sie 
als Schnittbilder flächenhafter, fibrillenloser Zwischensubstanzlager auf und nennt sie daher »interfasci- 
kuläre Spaltlinien«. 


Im Gegensatz zur Knorpelwucherungsschicht des Menschen ist die der Ratte in der Rippe gefäßlos, 
also frei von den Knorpelmarkkanälen, die vom Perichondrium herstammen und nach Kassowitz die 
wichtige Aufgabe haben, die Ernährung des hier üppig wuchernden Knorpels zu besorgen. Nach 
Kassowitz treten die Knorpelmarkkanäle auch beim Menschen erst dann auf, wenn die Knorpelmasse zu 
groß geworden ist, um allein vom Perichondrium bis ins Zentrum hinein ernährt werden zu können. Dies 
wird auch der Grund sein, warum die Rippe der Ratte, in der die Masse der Knorpelwucherungszone 
absolut genommen sehr klein ist, zeitlebens keine Knorpelmarkkanäle besitzt. 


Die Zellen sind ganz klein, dunkel, spindelig (Fig. 3, KW), haben einen kleinen dunklen Kern, ein 
spärliches, dunkles Protoplasma und werden gegen die präparatorische Verkalkungsschicht, bevor sich 
noch die Verkalkung der Grundsubstanz einstellt, meist langsam, selten plötzlich größer, heller und rund 
(Fig. 8 B). Die Zellen liegen quer zur Rippenachse, dicht zusammengepreßt und übereinandergetürmt, so 


a Te ee 


Rachitis und Epithelkörperchen. 391 


daß hohe, gut ausgeprägte Zellsäulen entstehen. Eine Säule enthält der Breite nach oft mehr als eine 
Zelle und 2 bis 3 Zellsäulen liegen ferner oft ganz dicht beisammen (Fig. 3, 8). Die Säulen spitzen sich 
gegen den ruhenden Knorpel zu, konvergieren, wie das Kassowitz schon beim Menschen beschreibt, in 
der gleichen Richtung sehr deutlich, so daß die axialen Zellsäulen etwa parallel der Rippenachse stehen, 
die marginalen sich allmählich der Querschnittebene nähern (Fig. 2 bis 8). Da die Zellsäulen gegen die 
Verkalkungsschicht zu breiter werden, so werden die zwischen ihnen liegenden Grundsubstanzpfeiler in 
der gleichen Richtung schmäler, aber selbst da sind sie noch breiter als die Grundsubstanzsepta zwischen 
den Zellen in den Säulen, wie dies schon Kassowitz für den Menschen beschrieben hat. 


* * 


Die präparatorische Verkalkungsschicht ist von allen die niedrigste, nur etwa halb so hoch 
wie die Knorpelwucherungsschicht. Im Einzelfalle variiert die Schichthöhe wenig, denn die Unter- 
schiede zwischen Durchschnitt, Maximum und Minimum sind mit Ausnahme des Falles 1 ganz gering. 
Hingegen ist die durchschnittliche Schichthöhe in den verschiedenen Fällen recht verschieden (Dia- 
gramm III, Tafel IX), denn sie beträgt im Falle 4 bloß 56 u, im Falle 3 hingegen 105 u, also fast das 
Doppelte. Die Kenntnis der normalen Schichthöhe und ihrer Variationsbreite ist zur Beurteilung pathologi- 
scher Fälle unerläßlich. 

Die Zellen dieser Schicht sind, wenn auch in verschiedenen Fällen etwas variierend, stark ver- 
größert, oft wie gequollen, hell und sich polygonal abplattend (pV, Fig. 3). Einmal (Fall 6) waren sie 
marginal etwas kleiner und weniger hell als an anderen Stellen. Der Kern der Zellen ist stets groß, rund, 
hell (pV, Fig. 3), mit feiner, spärlicher Chromatinzeichnung, die auch ganz fehlen kann, so daß bloß der 
Kernrand tingiert ist. Das Protoplasma ist reichlich, noch blässer bläulich gefärbt, oft deutlich feinwabig. 
Die Zellen stehen noch immer in Säulen, nur 2 bis 4 (einmal 4 bis 7) übereinander. Die Säulen sind 
infolge der Zellenvergrößerung verbreitert, dichter aneinandergepreßt und stehen entweder alle oder nur 
die axialen parallel zur Rippenachse (Fig. 4,pV), während die marginalen gegen die große Markhöhle hin 
sogar konvergieren (Fig. 2, 3, 7), was Kassowitz als ein Zusammenstreben gegen sein »Wachstums- 
zentrum« auffaßt. Es ergibt sich daraus, daß axial die Zellsäulen der Knorpelwucherungs- und präpara- 
torischen Verkalkungszone in gerader Linie ineinander übergehen, während marginal die Säulen an der 
Grenze beider Schichten bald mehr bald weniger stark abgeknickt sind (Fig. 3, 7). 

_ Die Grundsubstanz ist infolge der Vergrößerung der Zellen und des engeren Beisammenliegens 
der Säulen an Menge reduziert, so daß die Pfeiler zwischen den Säulen nicht breiter sind als die Septa 
zwischen den Zellen in den Säulen. Es bildet darum die Grundsubstanz ein zartes, weitmaschiges Netz 
mit je einer Zelle in jeder Masche und die Säulenanordnung der Zellen ist, wenn auch noch zu sehen, so 
doch weniger stark betont als in der Knorpelwucherungsschicht. Wenn, wie zum Beispiel im Falle 6, 
marginal, also nahe dem Perichondrium, die Zellen kleiner, die Grundsubstanz reichlicher ist, so ist der 
Grund dafür statischer Natur. Wie wir noch oft hören werden, sind die marginalen Partien der Rippe bei- 
weitem stärker statisch in Anspruch genommen und darum ist hier die Grundsubstanz, die allein im 
Knorpel von mechanischer Festigkeit ist, auf Kosten der Zellen reichlicher entwickelt. 

Die Grundsubstanz ist in der Regel gleichmäßig verkalkt, dunkel, fast schwarzblau und diese 
Farbe verliert sich nach der Knorpelwucherungszone zu, also da, wo die Verkalkung einsetzt, ganz all- 
mählich. Eine scharfe Kalkgrenze ist bei der Ratte absolut nicht zu sehen und bei der angewandten 
Müller-Entkalkung auch keine krümelige obere Kalkgrenze, wie sie beim Menschen von H. Müller, 
Kassowitz und Pommer beschrieben wird; nur soviel ist klar, daß an der oberen Schichtgrenze 1 bis 
2 Lagen bereits deutlich heller und größer gewordener Zellen noch in unverkalkter Grundsubstanz liegen 
(Fig. 3, f), da die Zellvergrößerung vor der Verkalkung eintritt. Im Falle 3 war ferner zu sehen, daß die 
Verkalkung zuerst die Knorpelkapseln betraf und die Grundsubstanzsepta zwischen den Zellen in den 
Säulen schen ganz schwarzblau waren, während die Grundsubstanzpfeiler zwischen den Zellsäulen in der 


392 Dr. J.Erdheim, 


Mitte ihrer Dicke noch kalklos waren. In diesem Falle waren die Grundsubstanzpfeiler erst dort ganz 
gleichmäßig verkalkt, wo sie schon als zentraler Einschluß in den primären Spongiosabälkchen lagen. 
Auch Kassowitz und Pommer sprechen beim Menschen davon, daß in den Grundsubstanzpfeilern 
zuerst die Peripherie oder, was eigentlich dasselbe ist, zuerst die Umgebung der Knorpelzellen 
verkalkt. 

Hier muß ein sehr wichtiger Unterschied im Knochenbild des Menschen und der Ratte hervor- 
gehcben werden. Beim normalen Menschen werden in dem sogenannten einseitig wachsenden Knorpel 
drei Schichten unterschieden: Zu oberst die Proliferationsschicht, die identisch ist mit dem, was wir bei 
der Ratte Knorpelwucherungsschicht nennen, zu unterst die präparatorische Verkalkungsschicht, die bei 
Mensch und Ratte gleichwertig ist, und zwischen beiden findet sich beim Menschen noch eine, schon unter 
normalen Umständen recht hohe »Säulenzone« mit schon sehr großen Knorpelzellen und stark reduzierter, 
aber kalkloser Grundsubstanz. Von einer solchen Säulenzone nun kann man bei der normalen Ratte 
eigentlich kaum reden. Wohl sind bei der Ratte, wie erwähnt, zwischen die kalklose kleinzellige Knorpel- 
wucherungszone und die kalkhaltige großzellige präparatorische Verkalkungszone 1 bis 2 Lagen von 
Knorpelzellen als Übergang eingeschoben, die schon deutlich größer, wenn auch nicht maximal groß sind 
und noch in kalkloser Grundsubstanz liegen. Aber von einer eigentlichen Schicht, die etwa der mensch- 
lichen Säulenzone gleichzustellen wäre, ist keine Rede, denn sowie die Zelle die maximale Größe erreicht 
hat, verkalkt auch schon die Grundsubstanz. Das Auftreten einer der menschlichen Säulenzone gleichen 
Schicht von Zellen, die ihre volle Größe erreicht haben- und trotzdem noch in kalklöser Grundsubstanz 
liegen, kann man bei der Ratte bereits als ein sicheres Zeichen von Rachitis bezeichnen. 

Dies Beispiel zeigt, wie unerläßlich es ist, beim Tier zuerst die normalen Verhältnisse kennen zu 
lernen, bevor man darangeht, pathologische Befunde zu deuten. 


Daß die Knorpelgrundsubstanz knapp vor dem Abbau des Knorpels verkalkt, hat folgenden 
Sinn: Bei diesem Abbau werden meist alle Knorpelzellen nach Aufbrechen der Kapsel, aber auch sehr 
viel Grundsubstanz zerstört, abgetragen, es wird der Knorpel durch die eindringenden Blutgefäße förmlich 
zernagt, und wenn dieser reduzierte Knorpel trotzdem seine Aufgabe erfüllen, i < Rippe vor der Kontinui- 
tätstrennung oder der Epiphynlösung bewahren soll, so muß er an Festigkeit durch vorausgehende Ver- 
kalkung gewinnen. Auch können wir verstehen, warum der vaskuläre Knorpelabbau entlang der Zell- 
säulen und nicht entlang der Grundsubstanz zwischen diesen vor sich geht. Der Knorpel ist ja schon 
selbst nach statischen Prinzipien gebaut, wobei die Grundsubstanz der tragfähige, die weiche Zelle der dazu 
untaugliche Gewebsbetandsteil ist. Wenn aber der Knorpel partiell abgebaut und dabei seine Tragfähigkeit 
so wenig als möglich reduziert werden soll, so ist es klar, daß vor allem. die Zellen dem Abbau verfallen 
werden. Die Verkalkung hat die Aufgabe, die statische Sicherheit der Knorpelschicht für die Zeit ihres 
vaskulären Abbaues zu garantieren. So sagt Heubner, ohne präparatorische Verkalkungszone wäre das 
Vorwärtsschreiten der Knochenbildung nicht möglich, und Schmorl läßt sie maßgebend sein für die 
regelrechte Vaskularisation und Einschmelzung des Knorpels. 

Wenn die präparatorische Verkalkungsschicht beim immer vor sich gehenden OÖssifikationsprozeß 
eine gewisse konstante Höhe behält, so kann das nur darauf beruhen, daß zwischen ihrem Anbau 
durch die Knorpelwucherungsschicht und der Verkalkung, die sich beide an der oberen Schichtgrenze 
abspielen, einerseits und dem vaskulären Abbau, der an der unteren Schichtgrenze durch die Markgefäße 
besorgt wird, andrerseits eine gewisse Harmonie besteht. Bei der Rachitis, wie wir hören werden, ist diese 
Harmonie durch einen Stillstand des vaskulären Abbaues gestört, denn die Knorpelverkalkung bleibt aus 
und der reguläre vaskuläre Abbau hat die Knorpelverkalkung zur Vorbedingung. Wir führen dieses Ver- 
halten darum hier schon an, weil wir erst an dem pathologischen Objekt zur Erkenntnis der Tatsache 
kommen, daß die dem vaskulären Abbau vorangehende Knorpelverkalkung diesen überhaupt erst ‘ 
ermöglicht. 

Daß die Knorpelgrundsubstanz eine funktionelle Architektonik verrät, hat Schaffer, 
unser bester Kenner des Knorpelgewebes, am permanenten Knorpel der auf Biegung beanspruchten 


Rachitis und Epithelkörperchen. 393 


Kiemenstäbe von Ammocoetes als erster erkannt. Von den Knorpelgrundsubstanzpfeilern der Säugerepi- 
physe meinte Rud. Schmidt, daß sie die späteren Spannungsrichtungen der Knochenspongiosa bedeuten, 
was Friedländer mit Recht in Abrede stellt. Neuerdings fand aber Romeis (Mollier) in der Tibia und 
dem Calcaneus des Kaninchenembryo eine charakteristische Architektur des Knorpels, dessen Grund- 
substanzpfeiler, als belastet, nicht abgebaut werden und als »Gußvorlagen« der (primären) Knochen- 
spongiosa dienen. In diesem Sinne ist die Knorpelarchitektur eine Vorstufe der Knochenarchitektur (und 
zwar der primären Spongiosa), von der die der späteren (sekundären) Spongiosa abweicht. Während aber 
Romeis diese Knorpelarchitektur mit Wahrscheinlichkeit zum großen Teil von der mechanischen 
Beanspruchung bedingt sein läßt, erklärt Schaffer diese Knorpelarchitektur aus Wachstumsverhältnissen 
heraus im Sinne der »Wachstumsarchitektur« von Kassowitz. Gebhart endlich meint, der Epiphysen- 
knorpel beim Säuger sei ins Diaphysenrohr eingekeilt, »ähnlich wie ein Faßspund ins Spundloch«, wobei 
in der Höhe der Ranvier’schen Ossifikationsgrube »Querschnürung« zustandekomme, die die Pfeiler- 
anordnung der Knorpelgrundsubstanz in dieser Schicht erklärt. 


* * 


Die enchondrale Össifikation und die primäre Spongiosa. In allen untersuchten Fällen ging 
die enchondrale Ossifikation in lebhafter Weise und nach dem von H. Müller 1858 beschriebenen 
Typus vor sich. Sehr zahlreiche Markgefäße rücken, etwa in gerader Linie, im Knorpel vor, und zwar 
elektiv in den Zellsäulen, Kapsel um Kapsel aufbrechend, wobei natürlich die Septa zwischen je zwei 
übereinanderliegenden Zellen durchbrochen werden, die Knorpelzellen zugrunde gehen und der Kapsel- 
raum mit Blut angefüllt wird, ohne daß es möglich wäre, an dieser Stelle etwas von der Endothelwand 
der Kapillare zu sehen. 

Die schmalen Pfeiler verkalkter Grundsubstanz zwischen den Zellsäulen aber bleiben in der 
Regel zum größten Teile erhalten und haben konkav buchtige Begrenzungslinien. Nur ein geringer Teil 
der Pfeiler wird für gewöhnlich mitentfernt, doch kommt auch hie und da ein Fall unter (4), wo ein großer, 
Teil der Pfeiler weggeschafft wird, bevor sich noch der Knochenanwurf einstellt. 

Im Falle 7 und 8 war Gelegenheit gegeben, zu beobachten, daß der Abbau der Pfeiler durch Riesen- 
zellen erfolgen kann, die von zweierlei Art waren. Bald sind es unscheinbare Elemente mit einigen 
wenigen Kernen und einem wabigen hellroten Protoplasma, bald Zeilen von ansehnlicher Größe mit vielen 
Kernen und einem reichlichen, homogenen, sattroten Protoplasma. Mit den Knochenmarksriesenzellen 
sind die eben beschriebenen nicht leicht zu verwechseln, denn die Knochenmarksriesenzellen haben einen 
zentral im runden, hellroten Protoplasmaleib liegenden, sehr großen, ganz unregelmäßigen, gelappten Kern. 
Schon Steudener sah im Menschenfötus beim Abbau des ersten Kalkkerns im Knorpel neben Gefäßen 
auch Riesenzellen mit dem Abbau beschäftigt. 


Wir haben also gesehen, daß die verkalkten Grundsubstanzpfeiler in der Regel in geringer, aus- 
nahmsweise in größerer Zahl abgetragen werden, noch bevor sie den Knochenanwurf erhalten; es findet 
also unter ihnen eine Auslese statt, sie werden sozusagen »vereinzelt« und dies kann durch Riesenzellen 
besorgt werden. 

Die stehengebliebenen verkalkten Grundsubstanzpfeiler behalten natürlich dieselbe Stellung bei, 
wie sie sie im Knorpel vor dem Kapselaufbruch hatten, d. h. sie stehen ungefähr parallel zur Rippenachse 
und in manchen Rippen divergieren die marginalen sogar gegen die präparatorische Verkalkungszone hin. 
Soweit der Knorpelabbau. 

Der Invasion des Gefäßes in den Kapselraum folgt sozusagen auf dem Fuße eine große Menge 
prächtig entwickelter Osteoblasten, die auf die Seitenflächen der stehengebliebenen verkalkten Grund- 
substanzpfeiler einen Knochenanwurf apponieren. Dieser ist, von der obersten aufgebrochenen Zelle 
gerechnet, frühestens in der zweiten, spätestens in der vierten Kapselbucht zu konstatieren, ist erst 
äußerst dünn, nimmt gegen die große Markhöhle hin an Dicke zu und füllt die konkaven Buchten des 


394 Dr. J. Erdheim, 


Knorpels mit entsprechend eingepaßten konvexen Füllmassen, den Globuli ossei, aus. Im allgemeinen 
bleibt der Knochenanwurf dünn, nur wenn die Knorpelpfeiler durch das Vereinzeln weiter auseinander- 
stehen (Fall 4), kann der Knochenanwurf dicker werden. 

Die buchtige Grenze zwischen Knochen und Knorpel im Spongiosabälkchen ist vom statischen 
Gesichtspunkt eine höchst zweckmäßige Einrichtung, die eine möglichst sichere Vereinigung zwischen 
der knorpeligen Epiphyse und der knöchernen Diaphyse garantiert. Diese Vereinigung erfolgt nämlich in 
den obersten Spongiosabälkchen derart, daß der verkalkte Knorpel wurzelförmige Fortsätze entsendet, die 
von der Diaphyse her in Knochen gefaßt werden. Eine wirkliche organische Verschmelzung zwischen 
Knochen- und Knorpelgewebe erfolgt hierbei natürlich nicht, um aber trotzdem die Verbindung möglichst 
fest zu machen, ist die Grenze zwischen beiden Geweben buchtig-zackig. Dies wird dadurch erzielt, daß 
beim vaskulären Abbau die stehengelassenen kalkhaltigen Knorpelgrundsubstanzpfeiler nicht etwa 
geglättet werden, sondern ihre buchtige, von den Knorpelkapseln herrührende Begrenzung bei- 
behalten wird. 

Soll aber neuer Knochen auf altem apponiert werden, so ist selbst dann eine Gewebsverschmelzung 
nicht möglich und das Ziel einer möglichst innigen Vereinigung wird wieder nach demselben Prinzip 
möglichst unebener Berührungsflächen erreicht. Nur daß hier in Ermanglung präexistenter Unebenheiten 
Osteoklasten den alten Knochen anrauhen, indem sie Lacunen ausheben, in die hinein der neue Knochen 
apponiert wird. 


Aus diesem dem Knorpelabbau folgenden Knochenanbau resultiert die primäre Spongiosa (p Sp, 
Fig. 2 bis 7), die folgende Eigenschaften besitzt. Sie bildet stets eine wohl ausgeprägte Schicht, die 
niemals fehlt und im Gegensatz zu den bisher besprochenen drei Schichten, in ein und demselben Fall 
und ein und derselben Rippe von sehr verschiedener Höhe ist, so daß diese in ihren den Durchschnitt, 
«Jas Maximum und Minimum anzeigenden Zahlen große Unterschiede aufweist. Die Ursache dieser 
bedeutenden Unterschiede wird sofort zur Sprache kommen. Ferner ersehen wir aus dem Diagramm IV, 
Tafel IX, daß die durchschnittliche Höhe der Schicht in den verschiedenen Fällen so stark differiert, wie 
in keiner der bisherigen Schichten; so ist im Falle 8 die Schicht durchschnittlich 92, im Falle 3 aber 
321 u hoch, also mehr als dreimal höher. 

Die Bälkchen der primären Spongiosa (p Sp, Fig. 2 bis 7) stehen in der Regel dicht nebeneinander, 
sind sehr zahlreich und schmal, enthalten stets in ihrem Zentrum den schwarzblau gefärbten, stets 
homogen verkalkten Knorpeleinschluß und stehen zueinander und zur Rippenachse mehr oder 
minder parallel, nur die marginalen divergieren manchmal gegen den verkalkten Knorpel hin. In ihrer 
Form und Stellung sind also die Bälkchen der primären Spongiosa schon durch die Grundsubstanzpfeiler 
des verkalkten Knorpels bedingt und vorher bestimmt, deren Stellung bereits statischen Bedürfnissen 
entspricht, wobei aber der verkalkte Knorpel und die primäre Spongiosa vergängliche Ein- 
richtungen sind. 

Im Falle 4, wo die Knorpelpfeiler nur zum geringen Teile stehengeblieben sind, sind auch die 
primären Spongiosabalken spärlich, stehen nicht so dicht zusammen, ihr Knochenanwurf ist dicker und 
damit gewinnt diese Schicht sehr an Übersichtlichkeit, im Gegensatz zum dichten Bau der primären 
Spongiosa in den anderen normalen Fällen. Nach Roux’s Meinung rührt der besonders dichte Bau der 
obersten Spongiosateile daher, daß sie als »Aufnahmeschicht« funktionieren, d.h. als erste den Druck 
vom Knorpel aufnehmen. 

Der dichten Stellung der Balken entsprechend, sind die Zwischenräume zwischen diesen so eng, 
daß hier außer einem engen, zentral liegenden Gefäß nur noch die Osteoblasten Platz haben, die sehr 
zahlreich, voll entwickelt sind, einen rundlichen hellen Fleck im Protoplasma aufweisen und das Gefäß 
ringsherum umlagern oder eigentlich das Knochenbälkchen umsäumen. Ist aber nur etwas mehr Platz 


Rachitis und Epithelkörperchen. 395 


vorhanden, dann treten auch schon Markzellen auf, die dann konstant zwischen Gefäß und Osteoblasten- 
reihe liegen. Solche breitere, auch zelliges Mark führende Markräume der primären Spongiosa finden 
sich nur dort, wo die Bälkchen weiter auseinanderstehen, und dies ist unter folgenden Umständen 
der Fall. 

Die primären Spongiosabälkchen sind sehr verschieden hoch, und zwar deshalb, weil viele, oft die 
meisten von ihnen, an dem zur großen Markhöhle gekehrten Ende sehr bald abgebaut und auf diese 
Weise kurz gehalten werden. Wenige Bälkchen jedoch entgehen diesem Abbau lange Zeit, werden daher 
sehr hoch und ragen weit über die Grenze aller anderen gegen die große Markhöhle zu vor, wo sie mit 
der sekundären Spongiosa in Fühlung treten. Darum hat die primäre Spongiosa manchmal zwei aus- 
gesprochene Schichten, eine gegen den verkalkten Knorpel zu, aus dichtstebenden, niederen Bälkchen 
bestehende (Fig. 6, 7, p Sp,), und eine gegen die große Markhöhle zu, die aus wenigen, sehr hohen, weit 
auseinanderstehenden Balken besteht (Fig. 6, 7. pSp,), zwischen denen weite, viel zelliges Mark führende 
Markräume liegen (Fig. 6 b, Fig. 7 c). Diese stellen nichts anderes dar, als eben eine kontinuierliche Fort- 
setzung der großen Markhöhle. Jetzt ersi verstehen wir, warum die Höhe der primären Spongiosa in ein 
und derselben Rippe so sehr verschieden sein kann. Sie hängt eben davon ab, ob wir den Maßstab an die 
hohen oder niederen Balken legen. Wir sehen also, daß auch an den fertigen Bälkchen eine Auslese 
stattfindet, indem die statisch überflüssig gewordenen kurz gehalten werden, während die wenigen 
statisch wichtigen noch lange Zeit bestehen bleiben. 

Dieser Prozeß der Auslese vollzieht sich auf dem Wege lakunärer Resorption an dem der großen 
Markhöhle zugewendeten Bälkchenende, wobei der zentrale Knorpeleinschluß bloßgelegt wird. Die Riesen- 
zellen, die den Abbau besorgen, sind einmal in großer Zahl an der Arbeit zu sehen, sie sind aber so 
unscheinbar, daß man sie ein andermal nicht ohne weiteres ausnimmt, wiewohl die Resorption ebenso 
lebhaft vor sich gehen muß wie die Össifikation, wenn die primäre Spongiosa die normale Höhe nicht 
überschreiten soll. Diese Osteoklasten enthalten selten mehr als 5 Kerne von unauffälliger Größe, Form 
und Farbe und ein spärliches, rotes, ganz lockeres, selbst großwabiges Protoplasma. Schon Pommer 
erwähnt, daß ein Osteoklast ganz klein und sogar einkernig sein kann. Die stets deutlich eosinophile, also 
acidophile Eigenschaft des Protoplasmas der Osteoklasten steht in einem deutlichen Gegensatz zu der 
von Askanazy beschriebenen basophilen Natur des Protoplasmas der Osteoblasten, was namentlich 
vom Standpunkt auch des Gegensatzes ihrer physiologischen Funktion interessant ist. 


Die sekundäre Spongiosa (s Sp, Fig. 1 bis 7) unterscheidet sich in allen ihren Eigenschaften von 
der primären. Die Bälkchen, aus denen sie besteht, sind bei weitem viel spärlicher (Fig. 4, sSp), ja in der 
Regel so spärlich, daß sie in vielen Schnitten ganz fehlen; sie können aber auch überhaupt nur in ver- 
einzelten Exemplaren vorliegen, so daß man Mühe hat, sie überhaupt aufzufinden (Fig. 6, 7, s Sp). Unsere 
Figuren, namentlich Fig. 5, geben insofern nicht das richtige Bild wider, als zu ihrer Herstellung besonders 
solche Schnitte ausgesucht wurden, die möglichst viel sekundäre Spongiosabälkchen enthalten. Die Ver- 
einfachung der Spongiosastruktur kleiner Tiere führt Gebhardt darauf zurück, daß die Bauelemente der- 
selben nicht unter ein gewisses Maß sinken können. 


Wenn im folgenden von der Höhe dieser »Schicht« die Rede ist, so ist das eigentlich als die Höhe 
jenes Gebietes zu verstehen, innerhalb dessen sekundäre Spongiosabälkchen vorkommen. Von einer 
eigentlichen Schicht kann man aber infolge der Spärlichkeit der Bälkchen nicht reden. Das Diagramm V, 
Tafel IX zeigt uns vorerst, daß die sekundäre Spongiosa eine größere Höhe aufweist als irgendeine andere 
Schicht und daß die durchschnittliche Höhe in den verschiedenen Fällen in weiten Grenzen schwankt, da 
sie im Falle 6 nur 318 ı, im Falle 5 aber 990 u, also mehr als das Dreifache, beträgt. Im Einzelfall kann die 


Höhe bald wenig (3, 7), bald bedeutender variieren (8), meist aber ist dies nur in mäßigem Grade der Fall. 
Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC. Bd. 56 


396 Dr. J. Erdheim, 


Die Balken der sekundären Spongiosa sind ferner viel dicker als die der primären und infolge 
ihrer geringen Zahl liegen sie weit auseinander, so daß die Markräume viel breiter sind als die Balken 
und stets dasselbe zellige Mark führen wie die große Markhöhle, deren Fortsetzung sie eigentlich dar- 
stellen. Sind aber die Balken sehr spärlich, so umgrenzen sie eigentlich nicht Markräume und man kann 
dann dieses Verhalten besser so auffassen, daß sie selbst im Knochenmark liegen. Daß die Markräume mit 
der Entfernung vom Knorpel größer werden, faßt Roux vom mechanischen Standpunkt so auf, daß er 
sagt, auf diese Weise werde die auf eine Fläche gleichmäßig verteilte Beanspruchung allmählich auf 
immer weiter auseinanderstehende Bälkchen »gesammelt« oder, was dasselbe ist, in »Teilbeanspruchungen« 
zerlegt. 

Die sekundären Spongiosabalken bestehen stets aus reifem, gut verkalktem Knochengewebe, in 
dem zuweilen sogar Kittlinien nachgewiesen werden können, und sie sind, namentlich gegen die primäre 
Spongiosa zu, oft von Osteoblasten eingesäumt, die aber bereits kleiner, niederer sind als an den primären 
Spongiosabälkchen und die gegen die Markhöhle zu überhaupt fehlen. 


Auch die Verlaufsrichtung der sekundären Spongiosabälkchen ist ganz anders als die der 
primären. Niemals stehen sie parallel zueinander und zur Rippenachse, sondern sie zeigen in klarster 
Weise Stützstruktur, indem ihr oberes Ende einzelne primäre Spongiosabalken trägt, ihr unteres Ende 
sich auf die Innenfläche der Corticalis aufstützt, und darum zienen die Balken gewöhnlich von der 
primären Spongiosa durch die Markhöhle schief nach dem Rippenrande zu (Fig. 4, sSp) und sind auch 
meist marginal anzutreffen (Fig. 6, s Sp). Es ist also der Verlauf der sekundären Spongiosabalken in keiner 
Weise von den Grundsubstanzpfeilern des Knorpels unmittelbar abhängig und vorher bestimmt. 

Auch die sekundäre Spongiosa ist, solange die Rippe wächst, eine transitorische Einrichtung, 
wird von der Markhöhle aus abgebaut, auf der der primären Spongiosa zugekehrten Seite angebaut, 
worauf die Anwesenheit von Osteoblastensäumen hier und ihre Abwesenheit dort schon hindeutet. Ist 
also die sekundäre Spongiosa, wie die anderen Schichten des enchondralen Ossifikationsprozesses, eine 
transitorische Einrichtung, so ist sie deswegen nicht überflüssig. Denn sie trägt mit dazu bei, daß die Über- 
führung des knorpeligen Skelettes in das knöcherne, also das Längenwachstum, ohne Gefährdung 
der Knochenkontinuität und unter Wahrung der statischen Aufgaben des Knochens im 
wachsenden Organismus vollzogen werden kann. 


Es ist noch ein Punkt der sekundären Spongiosa zu erledigen und das ist das Vorkommen von 
Knorpeleinschlüssen in ihren Knochenbälkchen. Es liegt in der Natur der Sache, daß die sekundären 
Spongiosabälkchen im Gegensatz zu den primären in der Regel frei sind von Knorpeleinschlüssen. Aus- 
nahmsweise begegnet man ihnen aber doch und dann ist ihr Verhalten charakteristisch und ganz anders 
als bei der primären Spongiosa, so daß es auf den ersten Blick in die Augen springt (Fig. 5, s Sp). Die 
länglichen Knorpeleinschlüsse stimmen nämlich in ihrer Längsachse im Gegensatz zu den primären 
Spongiosabälkchen nicht immer mit der des Knochenbalkens überein, sondern betreten ihn meist an dem 
einen Rande, durchziehen ihn schräg und erreichen so den anderen Rand des Knochenbalkens. 


Diese Eigentümlichkeit ist auf folgende Weise zu erklären. Beim fortschreitenden Längenwachstum 
des Knochens rückt die sekundäre Spongiosa allmählich nach aufwärts in Gebiete vor, die ehedem von 
der primären eingenommen waren. Denken wir uns für einen Augenblick ein primäres Spongiosabälkchen 
noch zu einer Zeit erhalten, als schon ein sekundäres in Ausbildung begriffen ist, so wird das erstere, 
parallel zur Rippenachse ziehende, sich mit dem letzteren, schief verlaufenden in einem Punkte schneiden. 
Im Bereiche dieses Schnittpunktes nun wird das primäre Bälkchen, im Gegensatz zu allen seinen übrigen 
Abschnitten, nicht abgebaut, sondern bleibt stehen, wird zum Aufbau des sekundären Bälkchens mit- 
verwendet und bringt so in letzteres den Knorpeleinschluß mit hinein. Dieser aber behält seine 
ursprüngliche Lage parallel zur Rippenachse bei, onne Rücksicht darauf, daß das sekundäre Bälkchen 
eigentlich schief verläuft, und daran erkennt man eben, daß dieser Knorpeleinschluß nicht autochthon, 
sondern entlehnt ist. 


Rachitis und Epithelkörperchen. 397 


Der Zufall kann es mit sich bringen, daß ein sekundäres Bälkchen gleich an zwei und drei Stellen 
Knorpeleinschlüsse führt, die dann untereinander ungefähr parallel sind, aber den Balken schief durch- 


‘ziehen. Hat aber der sekundäre Balken auf einem Teil seiner Strecke einen mit der Rippenachse parallelen 


Verlauf, dann kann der Knorpeleinschluß an dieser Stelle auch axial im Bälkchen verlaufen. Diese sich 
»gar nicht an die Konformation« der Knochenbälkchen haltenden, an und für sich aber in paralleler 
Stellung zur Knochenachse verharrenden Knorpeleinschlüsse bezeichnet Kassowitz mit Recht als ein 


schönes Beispiel dafür, wie verkalkte Texturen nicht gegeneinander verschoben werden können. 


Die Notwendigkeit, die Gesamtspongiosa in eine obere primäre und eine untere sekundäre zu 
teilen, ergibt sich schon allein daraus, daß ihr Verhalten, wie eben geschildert, grundsätzlich verschieden 
ist. Die Bezeichnung primäre und sekundäre Spongiosa aber hat darin ihre Berechtigung, daß, wenn 
wir irgendeine bestimmte Stelle ins Auge fassen, stets diejenige Spongiosa, die wir als primär bezeichneten, 
zuerst das Feld beherrscht, und in dem Maße, als diese primäre Spongiosa von unten her abgebaut wird, 
erst sekundär jene Spongiosa an die gleiche Stelle nachrückt, die wir die sekundäre nannten. 

Das Bedürfnis nach einer Unterteilung der Spongiosa gibt sich zum Beispiel bei Schmorl in seiner 
Beschreibung der Rachitis tarda kund, indem dieser Autor von einer »ersten«, zu oberst liegenden und von 
einer »weiteren« oder »tiefeıen« Spongiosa spricht. Doch ist hier diese Einteilung nach anderen Prinzipien 
erfolgt ais beiuns, und zwar sind beide darum voneinander unterschieden worden, weil erstere kalklos 
und dicht gebaut, die letztere zum Teil kalkhaltig und lockerer gebaut ist. 


Die Corticalis (Fig. 1 bis 7, C) hat bei der Ratte gewöhnlich einen recht kompakten Bau, Gefäß- 
kanäle sind sehr spärlich. Das Knochengeweebe hat reife Struktur, die Knochenzellen sind klein, schlank, 
spärlich, die Zwischensubstanz rotviolett und nicht schön lamellär, aber stellenweise von schichten- 
förmigem Aufbau und mit Kittlinien versehen (Fig. 3,C, Fig. 8,i). Die Corticalis ist außen vom Periost, 
innen vom Endost bedeckt. j 


Gegen den Knorpel zu weitet sich das von der Corticalis umschlossene Marklumen bedeutend aus, 
zugleich nimmt die Dicke der Corticalis ab und ihr oberstes Ende spitzt sich ganz scharf zu, umgreift 
die ganze Spongiosa, die präparatorische Verkalkungsschicht und einen Teil oder die ganze Knorpel- 
wucherungszone und endet in der Ossifikationsgrube (Fig. 4b). In diesem obersten Abschnitt ist die 
Corticalis entsprechend der durch die Ossifikationsgrube erzeugten Einschnürung der Rippenoberfläche 
becherförmig eingebogen und da, wo sie den Knorpel umfaßt, hat sie wohl eine periostale Bedeckung, 
aber keine enostale, denn mit der Innenfläche liegt sie dem Knorpel unmittelbar auf. Das oberste Corti- 
calisende liegt in der Höhe der Knorpelwucherungsschicht oder sogar in der ihres oberen Randes. Es ist 
nicht ohne Grund, daß das obere Corticalisende zumindest auch noch die untere Partie der Knorpel- 
wucherungsschicht zirkulär umschließt. Gerade diese Knorpelpartie ist in ihrer Festigkeit durch die Ver- 
größerung der gegen mechanische Einflüsse widerstandsunfähigen Zellen und durch die Hand in Hand 
damit einhergehende Reduktion der tragfähigen Grundsubstanz herabgesetzt und es gibt 1 bis 2 Zell- 
schichten, in deren Bereiche die genannte Veränderung schon im Gang ist, ohne daß sich vorerst noch die 
die Festigkeit wieder erhöhende Verkalkung der reduzierten Grundsubstanz eingestellt hätte. In dieser 
Lage ist also die statische Festigkeit des Knorpels mit seiner schon reduzierten, aber noch nicht ver- 
kalkten Grundsubstanz verringert und darum ist es zweifellos von Vorteil, wenn hier der Knorpel von 
einem Knochenreif umgürtet ist. Dies ist die hauptsächlichste statische Bedeutung des oberen 
Corticalisendes und wenn man so sagen darf, der erste Kunstgriff innerhalb des Rahmens jenesVorganges, 
den wir enchondrale Ossifikation nennen, die Knorpelverkalkung der zweite. Beide zielen darauf ab, 
die Kontinuität des gesamten Knochens trotz der bei der enchondralen Ossifikation nötigen Zerstörung 
des Knorpels zu wahren. Viel weniger Bedeutung kommt dem oberen Corticalisende hingegen bei der 


398 Dr: J. Erdheim, 


Vermittlung der Kraftübertragung vom Knorpel auf den Knochen zu. Diese erfolgt hauptsächlich vom ver- 
kalkten Knorpel aus durch Vermittlung der Spongiosa auf die tieferen Corticalisabschnitte, während das 
oberhalb der verkalkten Knorpelschicht liegende Corticalisende hierbei wenig in Betracht kommt, wenn es 
vielleicht auch nicht völlig ausgeschaltet ist. 

Beim Menschen hat sich mit dem oberen Corticalisende schon Virchow befaßt und gibt an, daß 
diesem entsprechend sich beim Längenwachstum des Knochens das Perichondrium immer mehr in Periost 
verwandle. Kölliker gibt an, daß das obere Corticalisende etwas weiter reiche als die Ossifikationsgrenze 
im Knorpel, zugeschärft ende und etwas eingebogen sei. Kassowitz findet, daß das obere Corticalisende 
namentlich an rasch wachsenden Knochen um ein deutliches Stück höher reiche als der verkalkte Knorpel 
und in der Mitte der Höhe der Säulenzone ende. Kassowitz befaßte sich nicht mit der statischen 
Bedeutung dieser Erscheinung, wohl aber mit ihrer Voraussetzung, die darin besteht, daß der vom Knochen 
umgriffene Teil des Knorpels zumindest sein Dickenwachstum eingestellt haben muß, was vom verkalkten 
Knorpel selbstverständlich ist, aber ebenso auch für die untersten Partien der Säulenzone gelten muß. In 
sehr anschaulicher Weise schildert er dies gesetzmäßige Verhalten von den ersten Anfängen fötaler Corti- 
calisbildung an. : 


Über das Periost ist nicht viel zu sagen, es ist mäßig zellreich und endet in der Ossifikationsgrube 
mit einer leichten, zellreichen Anschwellung, dem »Ossifikationswulst«. 


Das Knochenmark in de großen Markhöhle ist entweder ausschließlich zellig oder enthält spär- 
liche, ja nur vereinzelte Fettzellen, die die Gegend gegen die Spongiosa zu bevorzugen können. Fett- 
zellen fanden sich in der Hälfte unseres Materials. Unter den Markzellen kann man solche mit großen, 
hellen, runden, oft gelappten oder gelochten Kernen von solchen mit kleinem, dunklem Kern unterscheiden, 
Riesenzellen sind stets vorhanden, aber an Zahl sehr wechselnd, bald sind sie spärlich, bald mäßig an 
Zahl, bald recht reichlich, namentlich gegen die Spongiosa zu. An der gleichen Stelle pflegen in der Regel 
auch die Gefäße beonders zahlreich und stark gefüllt zu sein. 


Wir gelangen zu einem sehr wichtigen Punkte, dem Osteoid in den normalen Rippen. Unter Osteoid 
verstehen wir ein Knochengewebe, dessen Grundsubstanz noch nicht verkalkt ist. Die Anschauung, das 
Osteoid könne aus normal kalkhaltigen Knochen durch Kalkentziehung entstehen, ist derzeit als verlassen 
anzueshen. Schon das normale Knochenwachstum vollzieht sich, wie man schon seit langem weiß, derart, 
daß es kalklos gebildet wird und erst sekundär verkalkt. Nach Wieland war aber Pommer der erste, der 
dieses »physiologische Osteoid« auch wirklich gesehen hat. Pommer’s Entdeckung, daß das Osteoid 
nicht nur beim Kinde, sondern auch beim Erwachsenen regelmäßig nachweisbar sei, ist von der größten 
Bedeutung für das Verständnis der Rachitis und Osteomalacie geworden, denn nur so ist es möglich, nicht 
nur erstere, sondern auch letztere auf das gleiche einfache Prinzip kalkloser Apposition zurückzuführen. 
Wieland’s sorgfältige Untersuchungen haben Pommer’s Befunde insofern erweitert, als sie den noch 
fehlenden Beweis dafür erbrachten, daß das physiologische Osteoid auch beim Fötus und Neugeborenen 
konstant zu finden ist. 

Das Osteoid war bei unseren normalen, halbwüchsigen Ratten ungefähr so wie beim normalen 
Menschen derselben Altersstufe, nur ganz dünn und selten anzutreffen. So findet sich im Falle 5 die 


Rachitis und Epithelkörperchen. 399 


Angabe, daß es in 12 Rippenschnitten nur 26 Messungen auszuführen möglich war, im Falle 8 in 9 Schnitten 
nur 17 Messungen, was etwa 2 Messungen auf einen Schnitt ergibt. Das Knochengewebe ist also im 
wesentlichen sehr gut verkalkt, denn die Gesamtmenge des Osteoids ist äußerst gering. 

Ein bevorzugter Sitz für das Osteoid ist die Corticalis (Fig. 6, nC), wo es am häufigsten an der 
pektoralen Periostfläche, in den Gefäßkanälen und am Endost zu finden ist. Die Bevorzugung der Corticalis 
hat darin ihren Grund, daß sich hier gelegentlich der weiter unten zu erwähnenden Wachstumsvorgänge oft 
noch ganz rege Apposition findet. Konstant findet man das Osteoid aber am obersten Ende der Corti- 
calis, wo sich ja das Längenwachstum derselben abspielt. Es ist dies jener Teil, der mit seiner inneren 
Fläche dem Knorpel aufruht, an der äußeren aber vom Periost überzogen ist. Die äußerst fein zulaufende 
Spitze ist nur auf eine kurze Strecke in ihrer ganzen Dicke kalklos, und gemessen wurde an jener 
dicksten Stelle, an der die Corticalis gerade noch ihrer ganzen Dicke nach kalklos ist. Die erwähnten 
Umstände bringen es mit sich, daß das Osteoid gerade in der Corticalis in der Regel am häufigsten, 
‚sogar fast oder ganz ausschließlich anzutreffen ist, hier auch die größte Dicke erreicht und gegen den 
’kalkhaltigen Knochen hin manchmal die sehr schmale und feinkörnige Übergangszone aufweist, die an 
anderen Stellen überhaupt kaum wahrnehmbar ist. Schon Pommer gibt an, daß die Breite dieser Über- 
gangszone selbst im normalen Skelett sehr schwankt. 


Schon viel dünner und spärlicher ist das Osteoid in der sekundären Spongiosa, wo es gelegent- 
lich auch fehlen kann. Am seltensten und dünnsten ist es aber in der primären Spongiosa, wo es so 
dünn ist, daß man eine starke Färbung anwenden muß, um es zum Vorschein kommen zu lassen, und 
dann noch Schrägschnitte aufsuchen muß, die den Osteoidsaum breiter erscheinen lassen, als er in Wirk- 
lichkeit ist. Zumeist fehlt aber das Osteoid an der primären Spongiosa sogar ganz. 


Es muß äuf den ersten Blick sehr verwundern, daß wir an der primären Spongiosa mit ihren äußerst 
lebhaften Appositionsvorgängen eigentlich fast gar kein Osteoid finden, während dieses in der Cortcalis 
soviel häufiger und dicker anzutreffen ist, wiewohl in dieser der Appositionsvorgang, an und für sich rege, 
doch immerhin mit dem der primären Spongiosa keinen Vergleich aushält. Wir würden eigentlich geradezu 
umgekehrt das meiste Osteoid in der primären Spongiosa erwarten. Dies wäre auch gewiß der Fall, wenn 
die Anwesenheit und Dicke des Osteoids einzig und allein vom augenblicklichen Zustande des Kalk- 
stoffwechsels abhängig wäre. Dem ist aber nicht so. 


Wir werden bei der Rachitis mehrmals Gelegenheit haben, Beweise dafür zu erlangen, daß außer 
dem Zustande des Kalkstoffwechsels auch noch rein lokale, statisch bedingte Momente bei 
der Raschheit der Verkalkung neu apponierten Knochengewebes sehr in die Wagschale fallen. Es gibt 
eben statisch bedingte, calcioprotektive Gewebsabschnitte im Knochen und, wie wir später 
hören werden, auch im Knorpel, die aber bei Rachitis viel klarer und öfter zum Vorschein kommen als im 
normalen Knochen. Ein solcher Ort aus statischem Bedürfnis und Reiz bedingter Beschleunigung des 
Verkalkungsvorganges ist aber eben der Knochenanwurf der primären Spongiosabälkchen, denn er hat die 
Aufgabe, die Reste des soeben erst durch die Gefäßinvasion zerfressenen Knorpels so rasch als möglich 
zu verstärken und so den für die Knochenkontinuität gefährlichsten Moment des enchondralen Ossifi- 
kationsprozesses abzukürzen. Es stellt sich also der Knochenanwurf auf die nackt dastehenden Knorpel- 
septa nicht nur sehr rasch, nämlich manchmal schon in der zweiten aufgebrochenen Kapsel ein, sondern 
es verkalkt auch dieser Knochenanwurf besonders rasch und es istschwer, die Vermutung zu unterdrücken, 
ob nicht der beim Abbau des verkalkten Knorpels freiwerdende Kalk die in engster Nachbarschaft vor 
sich gehende Knochenverkalkung besonders zu beschleunigen vermag. 


Anders an der Corticalis. Diese ist dick und, weil vollständig verkalkt, auch sehr fest. Kommt aber 
der Zeitpunkt, wo auch sie aus statischem Bedürfnis an Dicke zunehmen, also Knochen apponieren muß, 
so geschieht dies viel langsamer als an der primären Spongiosa und es ist kein Grund vorhanden, diese 
Junge Apposition in besonders beschleunigtem Tempo der Verkalkung zuzuführen. Denn die alte, ganz 
verkalkte und dicke Corticalis, die wesentlich dicker ist als die junge, beginnende Auflagerung, entspricht 


400 Dr. J. Erdheim, 


dem statischen Bedürfnis noch ganz gut. Es ist, wenn man so sagen darf, nichts: so Schwerwiegendes auf 
dem Spiele, es droht dem Knochen nicht eine so schwere Katastrophe, wie es die Kontinuitätstrennung ist, 
wenn die dünne, junge Auflagerung nicht raschestens verkalkt. Es ist also kein Bedürfnis für eine 
beschleunigte Verkalkung gegeben und darum geht sie im gewöhnlichen Tempo vor sich. 

Wenn wir das über die Verteilung des Osteoids in der normalen Rippe der Ratte Gesagte kurz 
zusammenfassen, so finden wir, daß es am häufigsten und dicksten in der Corticalis anzutreffen war, 
schon spärlicher und dünner in der sekundären und am seltensten und dünnsten in der primären Spongiosa. 
Das Befremdliche an diesem Befunde ist die trotz lebhaftester Knochenapposition geringste Osteoidmenge 
in der primären Spongiosa. Die Erklärung dafür ist die, daß die primäre Spongiosa statisch bedingtes 
calcioprotektives Gebiet ist. u 

Es wird nach dem Gesagten von Interesse sein, nachzusehen, was über die hier berührten Fragen in 
der Literatur vorzufinden ist. 

Die Wichtigkeit des Knochenanwurfes der obersten Spongiosa, die wir primäre nennen, erkannte 
M. B. Schmidt bei der Östeochondritis luetica, in deren erstem und zweitem Stadium das wichtigste 
Charakteristikon darin besteht, daß der Knochenanwurf ausbleibt, die durch den vaskulären Abbau aus der 
präparatorischen Verkalkungsschicht herausgearbeiteten Knorpelgrundsubstanzpfeiler nackt bleiben, darum 
zu schwach sind, zerbrechen und so zu Epiphysenlösung führen. Dieses Verhalten hat zwar mit der Kalk- 
verteilung, von der wir sprachen, nichts zu tun, zeigt uns aber die statische Dignität des Knochenanwurfes 
in der primären Spongiosa, ferner wohin es käme, wenn der Knochenanwurf sich zwar.bilden, aber nicht 
verkalken würde (was ja dem Ausbleiben der Knochenbildung fast gleich käme) und daß hier die 
beschleunigte Verkalkung sozusagen ganz am Platze ist. 

Heubner jedoch spricht direkt von den Kalkverhältnissen. Da, wo er die normale enchondrale 
Össifikation des Kindes schildert, sagt er, daß das in den obersten Markräumen soeben erst gebildete 
Knochengewebe »sozusagen momentan« fest wird, was man daran erkennt, daß die Spongiosabalken nur 
ganz schmale Osteoidsäume aufweisen. Dies momentane Festwerden ist unbedingtes Erfordernis für den 
regelmäßigen Ablaut der enchondralen Ossifikation, »denn, wenn dies nicht im gleichen Schritte mit der 
Auflösung der provisorischen Knorpelverkalkung geschieht ...., so würde diese kritische Stelle nach- 
giebig werden und allen möglichen Deformationen ausgesetzt sein.« Die Anwendung der Wortes kritisch 
_ zeigt, wie Heubner hier richtig statisch gedacht hat, doch findet sich bei ihm nirgends der Vergleich 
zwischen den Östeoidverhältnissen der primären Spongiosa und denen anderer Knochenstellen und somit 
fehlt der Beweis, daß statisch weniger exponierte Stellen es mit der Verkalkung sozusagen weniger 
eilig haben. 

Bei Wieland findet sich zwar an vielen Stellen der Vergleich der Kalkverhältnisse in der primären 
mit denen der übrigen Spongiosa und der Corticalis durchgeführt, aber eine Erklärung für seine sehr 
charakteristischen Befunde von statischen Gesichtspunkten fehlt hier wieder. Sein Tatsachenmaterial ist 
sehr umfänglich. Was zunächst die Flächenausdehnung betrifft, so fand er das Osteoid beim Fötus an 
allen Spongiosabälkchen, beim Neugeborenen an den primären durchwegs, an den sekundären nur stellen- 
weise, beim Säugling, wenn überhaupt, so noch am ehesten an den primären, fast gar nicht an den 
sekundären, vereinzelt an der Corticalis. Es besteht somit die ausgesprochene Tendenz zur Abnahme der 
Flächenausdehnung des Osteoids mit dem Alter, und darin eilt die sekundäre Spongiosa der primären 
deutlich voran. Daß die Flächenausdehnung, aber auch die Dicke des Osteoids mit zunehmendem Alter 
abnimmt, hat früher schon Pommer für das postfötale Stadium gefunden und mit der physiologischen 
Abnahme des Wachstums in Zusammenhang gebracht. In gleicher Weise erklärt Wieland seine Befunde 
damit, daß die Knochenapposition, mit der ja das Vorkommen von ÖOsteoid zusammenhängt, mit dem Alter 
des Individuums abnimmt und in der primären Spongiosa viel reger ist als in der sekundären. Mit einer 
pathologischen, durch die Lues bedingten Appositionshemmung bringt es Wieland in Zusammenhang, 
daß bei Osteochondritis luetica das Osteoid in der primären Spongiosa selbst beim Fötus ganz fehlen 
kann, während es an der sekundären Spongiosa und Corticalis deutlich nachweisbar ist. 


Rachitis und Epithelkörperchen. 401 


Was nun die Osteoiddicke betrifft, so gibt Wieland für den Fötus, Neugebornen, Säugling und 
für die Lues congenita an, daß das Osteoid in der primären Spongiosa konstant »äußerst fein, kaum meß- 
bar« ist, an den sekundären konstant breiter und »daher gut meßbar«. Eine Erklärung für dieses Verhalten 
gibt er aber nicht. Nach unseren Ausführungen sind Wieland’s Befunde nur. so zu erklären, daß eben 
auch beim Menschen der Knochenanwurf der primären Spongiosa calcioprotektives Gebiet ist, und wir 
werden auf diese Befunde um so mehr Gewicht legen, als sie völlig objektiv, ohne Kenntnis des calcio- 
protektiven Gesetzes erhoben sind. 


Wenn Wieland ferner die Abnahme der Osteoidmenge mit zunehmendem Alter auf die physio- 
logische und bei Lues auf eine pathologische Abnahme der Knochenapposition zurückführt, so hat er wohl 
mit dieser Erklärung recht. Doch muß, zum Teil wenigstens, als weitere Ursache für diese Erscheinung 
auch noch der Umstand betont werden, daß mit zunehmendem Alter die Indienststellung der Knochen 
zunimmt, was eine Beschleunigung der Verkalkung zur Folge haben wird. Bei der Rippe speziell kommt 
die Verwendung bei der Atmung besonders in Betracht, was beim Vergleich des Säuglings mit einem 
Fötus oder dem Neugebornen sehr in die Wagschale fallen wird. Bei der Lues congenita aber ist die 
primäre Spongiosa bei der drohenden Epiphysenlösung in erhöhtem Maße calcioprotektive Zone, was in 
den meisten Fällen zu einem völligen Fehlen des Osteoids in derselben führt. 


Wenn wir unsere Befunde an der Ratte mit denen Wieland’'s am Menschen vergleichen, so ergibt 
sich eine völlige Übereinstimmung darin, daß auch bei der Ratte die Osteoiddicke konstant in der 
sekundären Spongiosa und der Corticalis größer ist als in der primären Spongiosa. In der Flächen- 
ausdehnung jedoch besteht ein großer Unterschied insofern, als Wieland in der primären Spongiosa das 
Osteoid, wenn auch kaum meßbar, so doch noch in der größten Flächenausdehnung fand, während bei der 
Ratte die Osteoiddicke so weit gesunken war, daß man sie gerade hier am seltensten sehen und messen 
konnte. Wir werden kaum fehlgehen, wenn wir diesen Unterschied damit erklären, daß Wieland Föten, 
Neugeborene und junge Säuglinge, wir aber schon halbwüchsige Tiere untersuchten. Von welchem Ein- 
fluß aber das Alter aufs Osteoid ist, wurde schon oben gesagt. 


Es erscheint noch von Interesse, daß Kassowitz noch allerneuestens die Existenz physiologischen 
Osteoids leugnet und zum Beweise dafür anführt, daß er es an der primären Spongiosa vermißte, wo es, 
wenn überhaupt, so doch vor allem anderen zu finden sein müßte. Dieses Desiderat erscheint völlig 
logisch. Wenn aber, wie wir nunmehr wissen, die primäre Spongiosa calcioprotektives Gebiet ist, so 
werden wir nicht gerade sie uns aussuchen, wenn wir uns von der Existenz des physiologischen Osteoids 
überzeugen wollen. 


Die genaue Kenntnis der Dicke des OÖsteoids bei der normalen Ratte ist für unsere spezielle 
Fragestellung von großer Bedeutung. Unsere Messungen ergaben, daß die Dicke des Oteoids in ein und 
demselben Falle in recht weiten Grenzen variiert, denn die Unterschiede zwischen Durchschnitt, Maximum 
und Minimum sind recht erheblich. Zum Teil dürfte diese Schwankung darauf zurückzuführen sein, daß 
die an der Corticalis und der Spongiosa gewonnenen Zahlen zusammengezogen wurden. Auch die Durch- 
schnittshöhe der verschiedenen Fälle variiert (Diagramm X, Tafel IX), und zwar derart, daß die kleinste 
gewonnene Zahl 2:7 u (Fall 1), die größte 6°3 u (Fall 5), also mehr als das Doppelte beträgt. Die seiner- 
zeit von mir für zwei normale Ratten angegebenen Durchschnittszahlen von 5 und 5°5 u passen in unsere 
heutige Zahlenreihe sehr gut hinein. 

Vergleichen wir unsere Normalzahlen der Osteoiddicke in derRippe der Ratte mit den beim Menschen 
gefundenen Zahlen, so erscheinen uns die letzteren, wie sie Pommer für das postfötale Leben fand, zum 
Teil wesentlich größer: Je ein Kind von 3 Tagen und 4 Wochen = 5 bis 7, 15 bis 19 u; je eines von 
58 Wochen und 10 Monaten = 3 und !5g; beim Erwachsenen 1 und 3, 9 und 12 u. Wieland’s Zahlen 
sehen den unsrigen viel ähnlicher: Fötus = 3°6 bis 4 und 5 u; Neugeborner = 3:6 bis 5'4 u; Säugling = 
bis Yu; Lues congenita 5 bis 8 y. Dies die Zahlen für die Rippe; im Schädel jedoch ist die Osteoiddicke 
normaliter schon wesentlich größer, 7 bis 12 u. Wir sehen also nicht nur erhebliche Schwankungen je nach 


402 Dr. J. Erdheim, 


dem Alter der Individuen, sondern auch je nachdem, an welcher Skelettstelle man mißt. Lehnert wieder 
findet bei normalen jungen Hunden großer Rassen das physiologische Osteoid so erheblich breit, daß man 
beim Menschen schon an Rachitis denken würde. 


Angesichts der Tatsache, daß die normale Osteoiddicke beim Menschen anders ist als beim Tier, 
ferner bei den Tieren untereinander wechselt, selbst bei verschiedenen Rassen derselben Art, angesichts 
der Schwankungen in den verschiedenen Altersstufen und selbst an den verschiedenen Skelettstellen des- 
selben Individuums, ist es geradezu unerläßlich, für jene Tierart, bei der man Rachitis studieren will, vor- 
erst die Normalzahl der Östeoiddicke zu ermitteln, und zwar für jene Altersstufe und jene Skelettstelle, die 
bei den Rachitisuntersuchungen in Betracht kommt. Das ist die einzig sichere Basis, von der aus man 
pathologische Fälle verläßlich beurteilen kann; auf dieser Basis hat Pommer die moderne und woHl all- 
gemein anerkannte Lehre von der Rachitis und Osteomalacie aufgebaut, von dieser Basis aus konnte 
Wieland die lang umstrittene Frage der angeborenen Rachitis aus der Welt schaffen. 


Aber selbst wenn man alle die genannten, die normale Osteoiddicke beeinflussenden Faktoren, wie 
wir das in unseren Untersuchungen getan haben, eliminiert, so erhält man nicht etwa eine starre, sondern 
eine in mäßigen Grenzen variierende Zahl. Und das liegt in der Natur der Sache. Denn es unterlaufen 
bei der Mikrometrie vielfach Schrägschnitte, die den Osteoidsaum breiter erscheinen lassen als er ist, 
ferner auch solche, die gerade im Anfang der Entstehung sich befinden und ihre volle Breite noch nicht 
erlangt haben, und endlich Knochenstellen verschiedener Beanspruchungsgröße, die, wie wir gehört haben, 
ebenfalls auf das Tempo der Verkalkung von Einfluß ist. 


‘ Für sich im Diagramm XI, Tafel IX sind die beim Messen des Osteoids am oberen Corticalis- 
ende gewonnenen Zahlen zusammengestellt. Ein Vergleich mit dem die Osteoidverhältnisse der Corti- 
calis und Spongiosa darstellenden Diagramm X zeigt, daß die Durchschnittszahlen am oberen Corticalis- 
ende im ganzen größer und daß die Durchschnittszahlen der verschiedenen Fälle (wenn wir von dem 
an erster Stelle stehenden Falle 5 absehen) auch in geringerem Grade variieren, denn im Falle 1 beträgt 
sie 5°8 1, im Falle 3 aber 9yu, was noch lange nicht das Doppelte ist. Die Schwankung im selben Fall 
ist ebenfalls erheblich geringer. 


Daß die Osteoiddicke am oberen Corticalisende größer ist als sonst in der Corticalis, hat darin seinen 
Grund, daß das Längenwachstum der Corticalis, das sich eben an ihrem oberen Ende abspielt, rascher vor 
sich geht als das Dickenwachstum. Es ist dies Verhalten ein Beispiel für die schon oben erwähnte Tat- 
sache, daß das Tempo der Knochenapposition von Einfluß ist auf die Osteoidbreite, weshalb jugendliche 
Individuen breitere Osteoidsäume aufweisen als alte mit verlangsamter Apposition. Nach Pommer kann 
auch ohne Rachitis eine sehr rasch vor sich gehende Knochenbildung eine Verbreiterung der Osteoid- 
säume nach sich ziehen. Da das obere Corticalisende bei verschiedenen Tieren unter der gleichen 
statischen Einwirkung steht, haben die Osteoidmaße derselben in erhöhtem Maße Vergleichswert und wir 
wollen daher einen Vergleich der durchschnittlichen Breite des OÖsteoids am oberen Corti- 
calisende mit dem Gewicht der Tiere anstellen. Im Diagramm XI, Tafel IX sind die Fälle nach der 
Größe der Durchschnittszahlen in ansteigender Reihenfolge geordnet. Wir wollen die Fälle in derselben 
Reihenfolge hier untereinanderstellen und zu jedem die durchschnittliche Breite des Osteoids und das 
Körpergewicht des Tieres dazusetzen, wobei nur noch daran zu erinnern ist, daß bei der Ratte, bei der 
keinerlei Rassenunterschiede vorkamen, das größere Körpergewicht auf das höhere Alter des Tieres 
schliesen läßt, vorausgesetzt, daß die Tiere alle gesund und in gleich gutem Ernährungszustande sich 
befinden, wie dies eben bei unseren Tieren der Fall war. 


Ein Blick auf die Tabelle belehrt uns, daß die Osteoidbreite des oberen Corticalisendes in demselben 
Maße zunimmt, als das Körpergewicht, also auch das Alter des Tieres abnimmt. Nur der Fall 2 bildet eine 
Ausnahme, da er ein zu geringes Körpergewicht aufweist. Je älter das Tier ist, desto schmäler also 
das Osteoid. 


Rachitis und Epithelkörperchen. 403 


Tier Östeoidbreite Körpergewicht 
) N 229 8 
1 58 u 198 8 
2 Om 135 8 
& 630 morg 
6 754 148 8 
S Mo 142 8 
4 sam 134 8 
3 SORT 128 8 


Je älter das Tier, desto langsamer wird aber auch das Längenwachstum, damit auch die Knochen- 
apposition am oberen Corticalisende Man kann also sagen, die Verschmälerung des Östeoids mit 
zunehmendem Alter ist eine Folge verlangsamter Knochenapposition. Damit haben wir ein schönes 
Ilustrationsfaktum für die Tatsache gewonnen, daß die Breite des Osteoids unter manchem anderen 
auch vom Tempo der Knochenapposition abhängen kann. Tier 5, das älteste unserer Reihe, mit 
schon stark verlangsamtem Körperwachstum, hat im oberen Corticalisende ein nur 2:5 wim Durchschnitt 
breites Osteoid, das Tier 3, das jüngste der Reihe, mit noch sehr lebhaftem Körperwachstum, hat an 
gleicher Stelle ein noch 9 u im Durchschnitt breites Osteoid. 


* * 
* 


b) Rippen mit abgeschlossenem Wachstum. 


Die Fälle I bis 7 waren ursprünglich für eine andere Versuchsreihe bestimmt und darum wurde bei 
ihnen 15 Tage vor der Tötung die Resektion einer Rippe vorgenommen, die gar nicht in dem Plan der vor- 
liegenden Versuchsreihe lag. Die histologische Untersuchung dieser resezierten Rippen ergab in den 
meisten Fällen einen Befund. welcher von dem abwich, der an den post mortem gewonnenen Rippen 
erhoben wurde. Unsere bisherigen Ausführungen bezogen sich ausschließlich auf das anatomische, 
die folgenden beziehen sich auf das operative Material. Der Hauptunterschied zwischen beiden lag 
darin, daß die post mortem untersuchten Rippen durchwegs lebhafte Wachstumserscheinungen aufwiesen, 
während die in vivo resezierten Rippen in der Regel das Bild vollkommenen Wachstumsstillstandes 
boten. Der Grund für dieses auffallende Verhalten ist einfach der, daß die in vivo resezierten Rippen stets 
zu den obersten gehörten, die ihr Wachstum zu einer Zeit schon einzustellen pflegen, als die mittleren 
Rippen, wie sie post mortem untersucht wurden, noch lebhafte Wachstumserscheinungen aufweisen. Weil 
also die Befunde am operativen Material unsere Kenntnisse vom normalen histologischen Bilde der Rippen 
unseres Versuchstieres vervollständigen, wollen wir auch diese mitteilen und dabei, um Wiederholungen 
zu vermeiden, nur jene Punkte hauptsächlich anführen, in denen das Verhalten eben von jenem abweicht, 
das wir bei den mittleren Rippen bereits kennen gelernt haben. 


In bezug auf den verkalkten Rippenknorpel (Fig. 1, vK') besteht gegenüber den mittleren Rippen 


gar kein Unterschied. 
* * 


Der ruhende Knorpel unterscheidet sich von dem der mittleren Rippen in bezug auf die Schicht- 
höhe fast gar nicht. Dort schwankt die Durchschnittszahl zwischen 210 und 300 1, hier, wie das Dia- 
gramm VI, Tafel IX zeigt, zwischen 217 und 385 g. Bloß die Schwankung zwischen Durchschnitt, 
Maximum und Minimum im selben Falle ist manchmal größer als in den mittleren Rippen. In bezug aut 
den histologischen Aufbau ist gar kein Unterschied zu konstatieren (r X, Fig. 1, 8). 


* * 


Denkschriften der mathem.-naturw, Kl, XC. Bd, 7 


404 Dr. J. Erdheim, 


Die Knorpelwucherungsschicht weist aber schon deutliche Unterschiede auf. Ihre Höhe ist, 
wie das Diagramm VII, Tafel IX zeigt, auffallend geringer, oft weniger als halb so hoch (KW, Fig. 1, 8) 
als in den mittleren Rippen (Diagramm II) und es erscheint dies ganz natürlich, daß Rippen, deren enchon- 
drale Ossifikation stillsteht, eine viel niedrigere Knorpelwucherungsschicht aufweise die ja sozusagen der 
erste Akt dieses Prozesses ist. Dort hatten wir ferner eine Schwankung zwischen 130 und 177 u, hier eine 
solche von 54 bis 131 u, also schwankt hier die Durchschnittshöhe der verschiedenen Fälle in viel weiteren 
Grenzen und das Maximum hier gleicht dem Minimum dort. Aber in ein und demselben Falle ist die 
Schwankung ebenso gering wie bei den mittleren Rippen. 

Der histologische Bau ist hier prinzipiell derselbe (KW, Fig. 1, 8) wie in den mittleren Rippen, 
nur sind die Zellsäulen stets niedriger, spärlicher, schmäler, weiter auseinanderstehend und darum die 
Grundsubstanzpfeiler zwischen den Zellsäulen breiter und die Grundsubstanz in toto reichlicher 
(Fig. 1, KW), insbesondere gegen den ruhenden Knorpel hin. Die Zellen sind die gleichen, kleinen, 
dunkeln, querspindeligen Elemente, die sich gegen die Verkalkungszone zu langsam vergrößern, heller 
und rund werden; manchmal sind sie aber im allgemeinen deutlich heller als in den mittleren Rippen. 
Basophile Züge konnten aber in der Grundsubstanz niemals nachgewiesen werden. Im übrigen ist hier zu 
dem bei den mittleren Rippen Gesagten nichts Neues hinzuzufügen. 

Wir werden auch später noch darauf zu sprechen kommen, daß das Längenwachstum eines Knochens 
sich nirgends anders als in der Knorpelwucherungszone abspielt, im Gegensatz zu der oft anzutreffenden 
Meinung, daß dies in der Zone der enchondralen Ossifikation der Fall sei; genau genommen spielt sich 
aber in der Zone der enchondralen OÖssifikation bloß das Längenwachstum der knöchernen Diaphyse ab, 
was eben nicht identisch ist mit dem ganzen Knochen. Unter solchen Umständen ist es leicht verständlich, 
daß die Knorpelwucherungszone nicht nur physiologisch bei der Verlangsamung des Körperwachstums 
mit zunehmendem Alter niedriger sein wird, sondern auch bei pathologischer Wachtumshemmung. Schon 
Hofmeister spricht bei thyreoidektomierten Hunden von mangelhafter Knorpelbildung und bei der mit 
bedeutender Hemmung des Längenwachstums einhergehenden Kongenitalen Thyreoaplasie sah Dieterle 
die Knorpelwucherungszone auf die Hälfte, die Säulenzone auf weniger als ein Drittel der normalen Höhe 
reduziert und dabei genau wie bei unseren Rattenrippen mit abgeschlossenem Wachstum die Zellen 
weniger dichtstehend, die Grundsubstanz vermehrt. 


* * 


Die präparatorischeKnorpelverkalkungsschicht ist, wie bei den mittleren Rippen, die niedrigste 
von allen (Diagramm VIII, Tafel IX) und im Einzelfalle wenig schwankend, absolut genommen aber 
auffallend niedriger und das ist für die ruhende enchondrale Ossifikation ganz besonders charakteristisch. 
Dort hatten wir in den verschiedenen Fällen eine Schwankung der durchschnittlichen Höhe zwischen 56 
und 105 u, hier zwischen 19 und 27 uw wenn wir die zwei letzten Fälle der Reihe, nämlich Fall 7 und 5, 
auf die wir sofort zu sprechen kommen, vorläufig aus dem Spiele lassen. Es ist also hier das Maximum 
nur halb so groß als dort das Minimum, aber die Schwankung in den verschiedenen Fällen ist hier viel 
geringer. 

Ein Blick auf das Diagramm VIII belehrt uns, daß die zwei letzten Fäile mit ihren Durchschnitts- 
zahlen von 64 und 93 u eigentlich in die Reihen der mittleren Rippen hineinpassen, hier aber ganz aus 
der Reihe fallen und dies mit gutem Grund. Wie wir nämlich später hören werden, ist gerade in diesen 
zwei Rippen zu sehen, daß die enchondrale OÖssifikation, nachdem sie einige Zeit stillgestanden hatte, 
wieder von neuem begonnen hat, im Falle 7 (64 u hoch) erst mäßig, im Falle 5 (93 u hoch) aber schon 
sehr lebhaft vor sich geht und das wird typischer Weise mit einer Vergrößerung der Höhe der 
präparatorischen Verkalkungsschicht eingeleitet. Es ist also berechtigt, die zwei letzten Fälle des Dia- 
gramms VII unberücksichtigt zu lassen, wenn vom Verhalten bei’ stillstehender Ossifikation die 
Rede ist. 


Rachitis und Epithelkörperchen. 405 


Im histologischen Befund bestehen folgende Unterschiede gegenüber den mittleren Rippen. Die 
Zellen vergrößern sich in allmählichem Übergang von der Knorpelwucherungsschicht, werden rund und 
hell, erreichen aber nicht die Größe wie in mittleren Rippen, sind öfter rundlich als polygonal; auch der 
Kern ist kleiner, das Protoplasma spärlicher, beides weniger licht gefärbt und zweimal (Fall5 und 7) waren 
die Kerne ganz homogen blaßblau, wie sie bei den mittleren Rippen nie waren. 

‚Die Säulen sind infolge der Kleinheit der Zellen schmäler, weniger dicht beisammenstehend, wes- 
halb sie etwas besser hervortreten. Zufolge der geringen Höhe der Schicht sind auch die Säulen sehr 
nieder, denn sie enthalten, vorausgesetzt daß die enchondrale Ossifikation nicht neuerdings in Gang 
gekommen ist, maximal drei Zellen übereinander. Stellenweise aber sieht man in jedem Falle die Schicht 
auf eine einzige Zellhöhe reduziert und zuweilen hat selbst diese keinen Platz und dann besteht die 
Schicht an einer solchen Stelle bloß aus Grundsubstanz. 

Diese ist stets durchwegs homogen verkalkt, schwarzblau und infolge der geringeren Zellgröße 
nicht so spärlich wie in den mittleren Rippen, und zwischen den Zellsäulen sind die Grundsubstanzpfeiler 
breiter als zwischen den Zellen in den Säulen. Die gegen die Knorpelwucherungszone stehende Grenze 
der Knorpelverkalkung ist, wie in den mittleren Rippen ausnahmslos, meist unscharf, aber in 2 Fällen 
(4 und 6) war diese Grenze ganz scharf und nicht geradlinig, sondern gegen die Knorpelwucherungs- 
schicht in der Weise konkavbuchtig, daß die Verkalkung der Grundsubstanzpfeiler nicht hoch hinauf- 
reicht, dagegen an den Zellsäulen empor die Verkalkung auch hoch hinaufzieht. 

Wenn wir also eine kurze Charakteristik der Schicht entwerfen sollen, so müßte man sagen, 
daß, wenn die Rippe sich dem Abschluß ihres Längenwachstums nähert, die nieder gewordene Wucherungs- 
schicht nur noch kleine Zellen in die Verkalkungsschicht absetzt, dann sistiert das Wachstum dieser 
Schicht ganz, während der Stillstand ihres Abbaues an der unteren Fläche sich entweder langsamer 
oder später einstellt, so daß die Schichthöhe abnimmt. Von einer Atrophie der Schicht läßt sich aber 
eigentlich nicht sprechen. Wenn wir bedenken, daß die Knorpelverkalkung ein vorbereitender Akt der 
enchondralen Ossifikation ist, so wird es uns nicht wundernehmen, daß sie eingestellt wird, wenn die 
enchondrale Össifikation zum Stillstand Kommt. 


Von einer enchondralen Össifikation läßtsich so gut wie gar nicht sprechen und eine primäre 
Spongiosa fehlt unter allen Umständen ganz, wenn das Längenwachstum völlig stillsteht. Inwiefern man 
aber selbst dann noch von gerinfügigen Andeutungen enchondraler Ossifikation reden kann, werden wir 
bei der sekundären Spongiosa hören, die ausnahmslos vorhanden ist. 

Es muß also die primäre Spongiosa nach eingetretenem Stillstand der enchondralen Ossifikation 
spurlos abgetragen worden sein, so daß wir sie zeitlich an die enchondrale OÖssifikation 
gebunden ansehen müssen und ebenso vorübergehend wie diese. Die sekundäre Spongiosa aber ist auch 
nach abgeschlossenem Längenwachstum stets noch zu sehen, aber, wie wir sofort hören werden, in sehr 
veränderter Form. 


Die sekundäre Spongiosa ist, wie das Diagramm IX zeigt, im Durchschnitt viel niedriger, in ver- 
schiedenen Fällen weniger different (Diagramm IX, Tafel IX), aber im gleichen Fall ebenso bald mehr, bald 
weniger schwankend wie bei den mittleren Rippen. Es schwankt nämlich die Schichthöhe von 246 bis 
447 u, wenn wir aus den schon angeführten Gründen den neuerdings in regstem Längenwachstum 
begriffenen, an letzter Stelle des Diagrammes stehenden Fall5 weglassen. Bei den mittleren Rippen 
schwankte diese Zahl zwischen 318 und 990 y. Es ist also bei der oberen Rippe die sekundäre Spongiosa 
wohl auch die höchste unter den Schichten, aber doch im Vergleich mit der der mittleren Rippe stark 
reduziert. 


406 Dy. J. Erdheim, 


Diese Reduktion der Schichthöhe kommt nach Abschluß des Längenwachstums dank einer 
besonderen, zweckmäßigen Einrichtung zustande, einer quer über die ganze Rippe sich ausdehnenden 
knöchernen Platte, welche der Unterfläche des verkalkten Knorpels in einer scharfen Grenzfläche 
innigst angeschmiegt ist, welch letztere globulär gestaltet, also rauh ist, um ein Abrutschen des 
Knorpels vom Knochen zu verhindern. Diese Tragplatte oder Druckaufnahmeplatte geht zirkulär an der 
ganzen Peripherie kontinuierlich in das obere Ende der Corticalis über, so mit ihr eine statisch-mechanische 
Einheit darstellend. Zur Versteifung oder Verstrebung dieser Verbindung dienen noch spärliche 
Knochenbalken, die oben die Querplatte tragen und unten sich auf die Innenfläche der Corticalis auf- 
stützen. Es zerfällt somit die Besprechung der sekundären Spongiosa in zwei Teile, in die der Querplatte 
und die der Tragbalken. 


Die Querptatte ist bald dünn, bald fast so dick wie das obere Corticalisende, sie ist in der Regel 
flach, platt, einmal aber (Fig. 1,5) war sie ganz wenig konvex, ein andermal ebenso ganz wenig konkav 
gebogen. Sie besteht aus reifem Knochengewebe mit Kittlinien, hie und da mit einem Gefäßkanal, aber 
ohne Knorpeleinschlüsse. Die Platte kann als kontinuierlich bezeichnet werden, wiewohl sie hie und da 
von einem Gefäß perforiert ist, das so zum Knorpel gelangt und diesen entweder gar nicht abbaut oder 
selten einmal eine oder einige wenige Kapseln samt Grundsubstanzsepten abbaut und so eine kleine 
Höhle schafft, aber Osteoblasteneinwanderung und Knochenanbau folgen nicht (Ausnahmen siehe unten). 
So kann man eventuell noch von einem sehr geringfügigen vaskulären Abbau sprechen, aber nicht von 
einer wirklichen enchondralen Ossifikation. Die zwei Fälle 5 und 7 aber, wo lebhafte enchondrale Ossifi- 
kation stattfindet, gehören nicht in den Abschnitt über ruhendes Längenwachstum und sollen im nächsten 
Abschnitt in passendem Zusammenhange zur Sprache kommen. 


Die die Querplatte stützenden Spongiosabalken (Fig. 1, sSp) zeichnen sich dadurch aus, daß sie 
äußerst spärlich, ganz Kurz und dick sind, nur marginal liegen, mit ihrem oberen Ende die Platte tragen, 
mit dem unteren sich auf die Innenfläche der Corticalis stützen und darum, der Stützstruktur entsprechend, 
schief stehen. Noch weniger als bei den mittleren Rippen kann man hier von einer wirklichen Schicht 
sprechen und wenn trotzdem von einer Schichthöhe die Rede ist, so ist damit eigentlich eine Höhen- 
strecke gemeint, innerhalb welcher sich die so seltenen Balken finden. Im übrigen gilt hier von den 
sekundären Spongiosabalken dasselbe wie bei den mittleren Rippen. 


Ähnlich wie die Höhenabnahme der Knorpelwucherungszone findet sich eine knöcherne Querplatte 


auch in Fällen pathologischen Stillstandes des Körperwachstums. So sah sie als erster Langhans bei 


Kretinismus, Steinlin bei thyreoidektomierten Tieren und Dieterle bei kongenitaler Schilddrüsenaplasie. 
Dieterle’s genaue Beschreibung stimmt mit der unsrigen genau überein, nur daß er unter dem »Quer- 
balken«, wie er die Querplatte nach dem Schnittbild nennt, eine hohe Spongiosa fand. Dieterle gibt ferner 
an, der Querbalken komme auch bei infantilem Myxoedem vor, dann bei Cachexia thyreopriva, dem 
Paltauf’schen Zwergwuchs und mehr weniger deutlich beim normalen Individuum gegen Ende der 
Wachstumsperiode und sei »ein Symptom des Wachstumsstillstandes«. 


* * 


Die Corticalis (Fig. 1, C) stimmt bezüglich ihres Gewebsaufbaues mit der der mittleren Rippen 
vollkommen überein. Der Hauptunterschied liegt im oberen Corticalisende. Dieses weitet sich nicht becher- 
förmig, sondern trichterförmig und weniger stark aus, wird nicht sehr viel dünner, besitzt eine glatte 
Endost, aber eine lakunäre oder sogar noch in fortschreitendem Abbau begriffene Periostfläche, umgreift 
dem; Knorpel nicht, sondern endet unter der präparatorischen Verkalkungsschicht oder geht hier, 
besser gesagt, in die Querplatte über. Jegliche Abwesenheit von Osteoid am oberen Corticalisende ist ein 
Beweis dafür, daß mit abgeschlossener enchondraler Ossifikation auch das Längenwachstum der Corticalis 
vollständig sistiert. 


u rue 


Rachitis und Epithelkörperchen. 407 


Dieses so ganz abweichende Verhalten des oberen Corticalisendes ist der Ausdruck einer gegen die 
mittleren, noch fortwachsenden Rippen vollständig veränderten statischen Inanspruchnahme. 
Hier gibt es keine Knorpelschicht, die in ihrer Festigkeit durch Vergrößerung der Zellen, Reduktion der 
Grundsubstanz und Kalklosigkeit der letzteren herabgesetzt ist, darum umringt das obere Corticalisende 
auch nirgends den Knorpel. Die Corticalis endet vielmehr unter dem verkalkten Knorpel und indem sie 
hier recht dick ist und kontinuierlich in die Querplatte übergeht, kommt sie bei der Vermittlung der Kraft- 
übertragung vom Knorpel auf den Knochen in hohem Grade in Betracht. Diese Übertragung erfolgt 
nämlich vom verkalkten Knorpel und der Querplatte über das obere Corticalisende direkt auf den 
knöchernen Rippenschaft und nur spärliche Bälkchen entlasten zum Teil die Vereinigungsstelle zwischen 
Querplatte und oberem Corticalisende. Bei den noch im Wachstum begriffenen Rippen, bei denen das 
obere Corticalisende höher hinaufreicht als die Knorpelverkalkungsschicht, ist das letztere von der Kraft- 
übertragung von der Epi- zur Diaphyse fast ausgeschaltet, darum dünn und zum Teil osteoid. 


* * 
* 


Vom Periost ist nichts Besonderes zu berichten. 


Das Knochenmark ist das gleiche zellige wie in den mittleren Rippen, mit dem gleichen, sehr 
wechselnden Gehalt an Riesenzellen, aber die Gefäße sind entschieden spärlicher, wiewohl auch hier, nach 
oben zu, oft reichlicher als sonst und die Fettzellen viel häufiger (Fig. 1, M). Bei den mittleren Rippen 
waren Fettzellen nur in der Hälfte der Fälle nachweisbar, hier waren sie mit einer einzigen Ausnahme 
stets vorhanden, wiewohl bald reichlich, bald spärlich und einmal nach oben hin etwas reichlicher 
als sonst. 


Das Osteoid muß in seiner Flächenausdehnung als verschwindend gering bezeichnet werden. 
War es schon in den mittleren Rippen selten anzutreffen, so ist es hier sehr selten zu sehen, manchmal 
fehlt es fast ganz, einmal war es nur an einer einzigen Stelle nachweisbar, einmal konnten in der ganzen 
Serie nur 7 Messungen ausgeführt werden. Von dieser Seltenheit abgesehen, war es noch am ehesten in 
der Corticalis anzutreffen, wo es eigentlich nur an der Endost- und Periostfläche vorkommt und nur 
zweimal hier überhaupt fehlte. Noch seltener ist es an den Spongiosabalken zu finden, wo es dreimal 
und am seltensten an der Querplatte, wo es viermal fehlte. 

Die Dicke des Osteoids können wir an der Hand des Diagramms XII, Tafel IX studieren. Das erste, 
was uns hier im Vergleich mit dem Diagramm X der mittleren Rippen in die Augen springt, ist die geringe 
Dicke des Osteoids. Die Durchschnittszahlen desselben schwanken, wenn wir von den an letzter Stelle 
stehenden im Wachstum nicht mehr ruhenden Fällen 7 und 5 absehen, zwischen 1'3 und 25 gegen 2°7 
und 6°3 1 der mittleren Rippen. Hier erreicht also das Maximum nicht einmal das Minimum der mittleren 
Rippen. Die Ursache dafür ist klar, sie liegt in der sehr verlangsamten Knochenapposition an diesen 
weder der Länge noch der Dicke nach wachsenden Rippen. Wir haben damit zu dem schon auf p. 40 
und 41 [402 und 403] Mitgeteilten ein weiteres Illustrationsfaktum für die Tatsache gewonnen, daß die 
Dicke des Osteoids unter anderem auch vom Tempo der Knochenapposition abhängt, und zwar derart, 
daß Verlangsamung der letzteren mit einer Verschmälerung des Osteoids einhergeht. Die durchschnittliche 
Dicke des Osteoids in den verschiedenen Fällen schwankt von 1:3 bis 2°5 u, also so wie bei den mittleren 
Rippen, um das Doppelte (vgl. Diagramm XII mit X), aber die Schwankung zwischen Durchschnitt, 
Maximum und Minimum im selben Falle ist deutlich geringer als bei den mittleren Rippen. 


* * 


408 Dr. J. Erdheim, 


c) Über einige Wachstumserscheinungen an normalen Rippen. 


Es sollen hier gewisse Wachstumserscheinungen der normalen Rippen geschildert werden, die sich 
zum Teil im Rahmen des enchondralen Längenwachstums, zum Teil im Rahmen des periostalen 
Dickenwachstums der Rippen abspielen und das Gemeinsame haben, daß sie gewissermaßen sprung- 
haft vor sich gehen und -nicht so gleichmäßig, allmählich und unmerklich, wie wir es am Knochen für 
sewöhnlich erwarten und bisher geschildert haben. 

Wir beginnen mit dem sprunghaften Längenwachstum. Was wir bisher kennen gelernt haben, 
das war die im Abschnitt a regulär und gleichmäßig vor sich gehende, das Längenwachstum des Knochens 
besorgende enchondrale Ossifikation und das im Abschnitt 5 geschilderte Zustandsbild ruhenden, 
abgeschlossenen Längenwachstums. Wir werden aber im folgenden sehen, daß, nachlem einmal die Rippe 
in einen Zustand gelangt ist, den wir als abgeschlossenes Längenwachstum ansehen dürfen, nun von 
neuem das Längenwachstum beginnt und in regulärer Weise vor sich geht. Die Rippe setzt also nicht 
kontinuierlich bis zu ihrem definitiv ausgewachsenen Zustande die enchondrale Ossifikation ununter- 
brochen fort, sondern diese sistiert, wohl nur gegen das Ende der Wachstumsperiode, zeitweise, die Rippe 
bekommt ganz das Aussehen wie beim abgeschlossenen Wachstum und dann hebt das Wachstum von 
neuem an. Ob dieses sprunghafte Längenwachstum sich mehrere Male wiederholt, ob es sich an jeder 
Rippe oder nur an den oberen ereignet und ob es sich in jedem Falle abspielt, läßt sich aus unserem 
Materiale nicht sagen. Wenn wir aber sehen, daß zum Beispiel das noch ganz junge Tier 6 (Gewicht 138 8) 
in seiner Rippe, auch wenn es eine obere ist, das Bild abgeschlossenen Längenwachstums darbietet, so 
ist es von vornherein klar, daß dieser Wachstumsabschluß bloß provisorischer Natur sein kann, 
denn das Tier hat ja-bloß erst die halbe Größe des vollwüchsigen Tieres erreicht. 

Wir erkennen das sprunghafte Längenwachstum an folgendem: In jedem Falle hanken Längen- 
wachstums konnten wir feststellen, daß die knöcherne Querplatte hie und da eine ganz kleine Lücke auf- 
wies, durch die ein Blutgefäß durch die Knochenplatte zum Knorpel gelangte. Dieser wurde aber vom 
Gefäß entweder gar nicht behelligt oder das Gefäß hat ausnahmsweise einmal eine oder einige Knorpel- 
zellen samt der dazwischenliegenden Grundsubstanz abgebaut und so eine kleine Höhle erzeugt, in der es 
aber in der Regel zu keiner Osteoblasten- und Knochenbildung kommt. Aber in der oberen Rippe des 
Falles 7 war dies schon anders (Fig. 8). Hier sah man, daß die präparatorische Verkalkungszone 
wieder höher geworden ist, als sie bei ruhendem Längenwachstum sonst zu sein pflegt; daß die tieferen 
Anteile dieser Schicht (c) noch so kleinzellig sind, wie dies bei abgeschlossenem Längenwachstum immer 
der Fall ist, daß aber diese Schicht zu oberst mit neuen, großen Zellen (p V) ausgestattet worden ist, 
wie wir sie bei im Gang befindlicher enchondraler Ossifikation immer finden. Während bei ruhendem 
Wachstum der Höhe nach 1 bis 3 Zellen gezählt werden, zählt man hier 6 bis 8 Zellen. Die Knochen- 
platte (d) ist vielfach lückenhaft geworden (e, h), denn an vielen Stellen sind Markgefäße durch sie 
zum Knorpel vorgedrungen, dessen untere, kleinzellige, alte Schicht vorerst ausgiebig, wenn auch nur 
zum Teil abbauend (e), so daß der neue großzellige Knorpel ((p V) in direktem Kontakt mit dem Mark (e) 
tritt. In diesen Resorptionsräumen kann man auch schon Osteoblasten finden, aber zur Bildung von 
neuem Knochengewebe ist es hier noch nirgends gekommen. Wo aber auch jetzt noch der vaskuläre 
Abbau nicht platzgegriffen hat, da sieht man die Knochenplatte (d) und hart über ihr den kleinzelligen 
Knorpel und darüber erst den jungen großzelligen. 

Bevor wir in der Weiterentwicklung des Vorganges fortschreiten, allen wir noch die Frage 
beantworten, warum wir dieses Bild mit teilweisem Abbau und teilweiser Ruhe als eine nach vorläufiger 
Ruhepause sich wieder in Gang setzende enchondrale Ossifikation deuten und nicht als eine enchon- 
drale Ossifikation, die sich anschickt, ins Ruhestadium überzugehen und die es schon fleck- 
weise durchgeführt hat. Schon allein die Betrachtung des Knorpels genügt zur Entscheidung. Die 
Knorpelzellen sind bei fortschreitender enchondraler Ossifikation groß, bei ruhender klein. Ferner liegen in 
der präparatorischen Verkalkungszone die älteren Partien unten, die jüngeren oben. Im vorliegenden Falle 


Rachitis und Epithelkörperchen. 409 


liegen zu oberst große, zu unterst kleine Zellen, ergo war früher Stillstand der enchondralen Ossifikation, 
jetzt ist diese wieder im Gange. 

Wir gehen in der Schilderung des uns hier interessierenden Vorganges weiter und nehmen die obere 
Rippe des Falles 5 vor. Hier ist bereits auf der ganzen Linie dieenchondrale Össifikation von 
neuem in regstem Gange und es wäre überflüssig, sie zu schildern. Lägen nur einzelne Schnitte vor, so 
wäre nichts weiter Bemerkenswertes zu verzeichnen, aber in der Serie fand sich, allerdings nur in manchen 
Schnitten, folgendes Bild: Zu oberst gewöhnlicher, großzelliger, verkalkter Knorpel; nach unten 
anschließend, etwa 1 bis 3 Zellen hoch, die Kapseln aufgebrochen, aber die Grundsubstanz noch erhalten; 
noch tiefer eine 3 bis 6 Zellen hohe Schicht verkalkten, gar nicht abgebauten Knorpels mit kleinen Zellen, 
die, je tiefer, desto kleiner werden; und ganz zu unterst, diesem kleinzelligen Knorpel innigst mit 
scharfer globulärer Grenze angeschmiegt, ein Fragment der queren Knochenplatte. Nach dem Vor- 
hergegangenen bedarf es nicht erst einer eingehenden Beweisführung, daß das soeben geschilderte, nur 
einen kleinen Teil des Rippenquerschnittes einnehmende Bild nicht anders zu deuten ist, als ein noch 
kleiner erhaltener Rest der aus der Ruheperiode stammenden knöchernen Querplatte samt kleinzelligem 
Knorpel darüber, während überall sonst die enchondrale Össifikation in vollstem Gange ist. Es ist dies 
gegen den oben geschilderten Fall 7 ein sehr erheblicher Fortschritt. 

Fast das Gleiche wie in der oberen Rippe des Falles 5 fand sich in zwei mittleren Rippen des 
Falles 1 und 2 und wir wollen nur kurz an der Hand der Fig. 3 (Fall 1) rekapitulieren. p V = der junge 
großzellige Knorpel, e = die Zone neu aufgenommener enchondraler Össifikation, wobei es aber schon 
zur Bildung der primären Spongiosabalken (p Sp) gekommen ist, unten d, die Reste des kleinzelligen 
Knorpels auf dem Reste der knöcheren Schlußplatte c aufruhend. Das weitere Schicksal dieses Restes der 
Knochenplatte und des kleinzelligen Knorpels ist, soweit man bei der Ratte sieht, natürlich spurloser 
Abbau, und wenn dieser einmal vollzogen ist, dann ist es unmöglich zu sagen, ob hier je zuvor ein Still- 
stand im Längenwachstum bestanden hatte oder nicht. 

Wir haben also gesehen, daß, wenn das Längenwachstum, nachdem es einmal abgeschlossen war, 
von neuem aufgenommen wird, dies nicht in der Weise vor sich geht, daß die knöcherne Querplatte von 
unten her zuerst ganz abgetragen wird, wie man vielleicht denken könnte. Da die Statik der Rippen nun einmal 
auf die Querplatte eingerichtet ist, wird diese vorläufig belassen und bloß durch Anlegung mehrerer Bohr- 
kanäle die Wiederaufnahme der enchondralen Össifikation oberhalb der Querplatte ermöglicht. So wird 
der Wechsel der Statik allmählich vollzogen und erst dann mit der endgültigen Abtragung der überflüssig 
gewordenen Querplatte begonnen. 

Auch von der thyreoaplastischen Wachstumshemmung gibt Dieterle an, daß sie durch Schild- 
drüsenmedikation derart beseitigt wird, daß der Querbalken stehen bleibt, während oberhalb desselben 
die enchondrale Ossifikation wieder aufgenommen wird, und führt als Beweis den Fall von M. Mayer an, 
bei dem nach viermonatiger Schilddrüsendarreichung und einer Längenzunahme von 4 cm das Röntgen- 
bild den Querbalken 1 cm hinter der OÖssifikationslinie zeigte. Mit Recht hebt Dieterle hervor, daß dies 
Verhalten dafür spreche, daß der Querbalken nicht das Hindernis des Längenwachstums ist. 

Mehrere quer übereinander gelegene Knochenscheiben in langen Röhrenknochen hat übrigens 
v.Rechlinghausen beschrieben. Sollte die mikroskopische Untersuchung dieser queren Knochenscheiben 
ergeben, daß sie an ihrer der Epiphyse zugewandten Fläche mit besonders kleinzelligem Knorpel belegt 
sind, so wird die Deutung dieser Erscheinung als mehrfach provisorisch eingestelltes und dann wieder auf- 
genommenes Längenwachstum als zulässig erscheinen. 


Wir gehen zur Besprechung der sprunghaften Wachstumserscheinungen an der Corticalis 
über. Wäre der Gang des Knochenwachstums an der Rippe einfach der, daß sie am Knorpel der Länge 
nach, am Periost der Dicke nach wächst, so wäre hier nichts weiter hinzuzufügen. Die nähere Überlegung 


410 Dr. J.Erdheim, 


zeigt aber, daß an dem Rippenschaft, solange das Körperwachstum anhält, immerfort Veränderungen vor 


sich gehen müssen, deren höchst kompliziertes Ineinanderspielen in einem einzelnen gegebenen 
Objekt das volle Verständnis des Vorganges fast unmöglich machen kann. 

An was wir uns aber doch heranwagen dürfen, das ist die Besprechung einiger dieser Vorgänge für 
sich allein. Es kommt hier folgendes in Betracht: 1. Die junge knöcherne Rippe ist dünn, die alte dicker 
und diese Veränderung wird dadurch erzielt, daß die Corticalis an der Periostfläche apponiert, an der 
Endostfläche abgebaut wird, letzteres nicht in gleichem Grade wie ersteres, denn die Corticalisdicke 
ist ja beim alten Tier größer als beim jungen. Die Dickenzunahme der Rippe spielt sich aber nicht allein 
am knöchernen Schaft ab, sondern auch in der Ossifikationszone, denn die Breite (nicht Höhe) der 
Knorpelwucherungszone zum Beispiel, ‘von Perichondrium zu Perichondrium gemessen, ist beim älteren 
Tier größer als beim jungen, und diesem Breitenwachstum des Knorpels muß auch der Schaft folgen. 

2. Der Thoraxraum ist beim jungen Tier klein und wird mit dem Alter größer, so daß die ihn 
begrenzenden Rippen in zentrifugaler Richtung hinaus verlegt werden und dabei ihre Krümmung 
nach einem kleinen Radius in eine solche nach einem großen Radius übergeht. Durch einfaches Auf- 
biegen etwa der vorderen Rippenabschnitte läßt sich diese Formänderung der starren Rippe natürlich 
nicht erzielen, sondern nur durch einen Wachstums- und Umbauprozefß. 

Bei der gebogenen Form der Rippe wird allein schon durch das Längenwachstum am hinteren und 
namentlich am vorderen Rippenende der Thoraxraum in sagittaler und querer Richtung vergrößert, denn 
bei diesem Längenwachstum entfernen sich die Rippenenden voneinander und der Scheitel der Rippen- 
krümmung entfernt sich von der Sagittalebene. Um aber die scharfe Krümmung der jugendlichen Rippe in 
die flache der alten zu verwandeln, ist, namentlich an den Rippenenden, Abbau an der pleuralen und 
Anbau an der pektoralen Periostfläche erforderlich. Damit aber bei diesem Umbau die Corticalis der 
pleuralen Seite nicht übermäßig dünn und die der pektoralen übermäßig dick wird, muß an der endostalen 
Corticalisfläche pleural An-, pektoral Abbau stattfinden. So sehen wir, wie komplex schon der eine Vor- 
gang der Thoraxvergrößerung allein ist. Er wird im wesentlichen durch das Längenwachstum der Rippen 
besorgt und der Umbau ist nur zur Korrektion der Form erforderlich. 

3. In der Querschnittebene der enchondralen Ossifikation, also an der Knochen-Knorpelgrenze, ist 
die Rippe dicker als der knöcherne und sogar der knorpelige Rippenschaft. Das hat zur Folge, daß die 
knöcherne Rippe bei der enchondralen Ossifikation zu dick angelegt wird und daß es so nötig wird, sie 
erst sekundär in den schmächtigen Zustand überzuführen. Dies geschieht so, daß subchondral die Corti- 
calis an der Periostfläche abgebaut wird und damit sie dabei nicht völlig verschwinde, wird sie enostal 
angebaut. Die Ursache dafür aber, warum die Dicke der Rippe in der Zone der enchondralen OÖssifikation 
größer ist als sonstwo, ist die, daß dieser Querschnitt ein Locus minoris resistentiae ist. Hier wird der 
Knorpel vaskulär zerstört und es gibt eine kurze Strecke, wo er auf die Grundsubstanzpfeiler reduziert ist, 
ohne daß diese noch einen Knochenanwurf hätten. Je mehr solche Pfeiler vorhanden sind, desto weniger 
belastet ist jeder einzelne, für viele Pfeiler gehört aber eine größere Querschnittfläche. Dies die statische 
Erklärung für die physiologische Verdickung an der Knochen-Knorpelgrenze. 

Es genügt, zu versuchen, das Ineinanderspielen bloß dieser drei genannten Faktoren sich für einen 
Augenblick zu vergegenwärtigen um zu begreifen, daß es unendlich schwer, ja unmöglich sein Kann, 
diesen Komplex von Vorgängen bis ins einzelne zu erfassen. Wenn wir aber doch zuweilen die gegebenen 
Bilder zu verstehen glauben, so haben wir es folgenden zwei Umständen zu verdanken. 1. Die Vorgänge 
spielen sich manchmal nicht alle auf einmal, sondern nacheinander ab, wodurch eine Zerlegung des 
Vorgangskomplexes zustande kommt; 2. erfolgt die Veränderung öfter nach einer Pause sprunghaft, 
dafür nachholend in größerem Ausmaß, wodurch der Prozeß als solcher unserer Wahrnehmung leichter 
zugänglich wird. Dieser letztere Punkt ist darum besonders bemerkenswert, weil er unserer Vorstellung 
von der Gleichmäßigkeit und darum Langsamkeit und Unmerklichkeit solcher Vorgänge entgegensteht. 

Bevor wir dazu übergehen, das bisher Gesagte mit einigen Beispielen zu belegen, sollen zuerst zum 
besseren Verständnis derselben jene Rigenschaften genannt werden, an denen man unter Umständen mit 


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Rachitis und Epithelkörperchen. 411 


Leichtigkeit das junge vom alten Knochengewebe unterscheiden kann, wiewohl beide von reifer 
Struktur sind. Es ist kein Widerspruch, von einem jungen Knochengewebe reiler Struktur zu sprechen, 
denn wir gebrauchen hier den Ausdruck »Knochen von reifer Struktur« in dem Sinne, wie man an mensch- 
lichem Material von lamellärem Knochengewebe spricht, im Gegensatz zum geflechtartigen. Im jungen 
Knochengewebe färbt sich die kalkhaltige Grundsubstanz mehr blauviolett, im alten mehr rotviolett; die 
Knochenzellen sind im jungen Knochengewebe nicht zahlreicher, aber größer und haben einen größeren, 
helleren Kern; die Gefäßkanäle sind im jungen Knochengewebe zahlreicher und von häufig anzutreffenden 
Osteoidsäumen ausgekleidet, denen eventuell noch Osteoblasten anliegen, während Osteoid im alten 
Knochengewebe äußerst spärlich ist. 


Wir beginnen mit einem Beispiel von sprunghafter Dickenzunahme des knöchernen 
Rippenschaftes. In Fig. 5 (Fall 4) sieht man nicht nur die alte Corticalis (aC) in ihrem Bau scharf von 
der jungen differenziert (C, C, f), sondern beide durch eine scharfe Linie voneinander abgesetzt, ein 
Zeichen, daß das Dickenwachstum der Rippe einige Zeit geruht haben muß, um dann ruckweise von 
neuem fortzuschreiten. Das Schicksal der alten Corticalis, vollständig abgebaut zu werden, ist im Spon- 
giosabereich schon vollzogen, denn hier fehlt sie schon ganz und endet bei d. Daß aber der Abbau gerade 
hier schon so weit gediehen ist, kann entweder darauf beruhen, daß seinerzeit dieser Teil der alten Corti- 
calis bei der Verschmächtigung der zu breit angelegten Rippe verloren ging oder darauf, daß hier auch 
der Rippenknorpel breiter geworden ist und das Dickenwachstum am oberen Schaftende dem rascher 
folgen mußte als in den entfernteren Teilen des Schaftes. Im ersteren Falle muß der Abbau sich von der 
periostalen, im letzteren von der enostalen Fläche aus vollzogen haben. 

Ein weit exzessiveres Beispiel dieser Art ist Fig. 6 (Fall 6), wo die alte Corticalis (a C) von 
einem dicken Mantel der neuen (n C) eingehüllt ist und wo man direkt sieht, wie die bei e und f endende 
alte Rippe zu dünn geworden war, um die viel breiter gewordenen Knorpelschichten und die Spongiosa 
umfassen zu können. Hier ist also die Verdickung der knöchernen Rippe eine Folge der Knorpel- 
verbreiterung und aus den im mikroskopischen Befunde des Falles erwähnten Gründen ist es viel wahr- 
scheinlicher, daß hier der Schaft lange Zeit zu dünn blieb, als daß der Knorpel plötzlich dicker geworden 
wäre. Auf alle Fälle hat hier die junge periostale Auflagerung eine Disharmonie ausgeglichen, die zwischen 
der Dicke des Rippenknorpels und -knochens bestanden hat. Dieser Vorgang ist physiologisch und war im 
Falle 4 an allen untersuchten Rippen wahrnembar. 

Daß mit der Breitenzunahme des knöchernen Rippenschaftes auch eine solche des Rippen- 
knorp els, namentlich in der Ossifikationszone, Hand in Hand gehen muß, ist kiar. Wie sehr der Knorpel 
dazu befähigt ist, eine solche Zunahme seiner Breite (von Perichondrium zu Perichondrium, nicht Höhe) 
auszuführen, sehen wir am besten bei der Rachitis. Ein Vergleich der Breite der Knorpelwucherungszone 
zum Beispiel des Rachitisfalles 20 (Fig. 16) mit der eines beliebigen normalen Falles (Fig. 4 bis 7) zeigt 
dies am besten. 


Im Falle 1 und 7 hatten wir weiterhin Gelegenheit, Beispiele für die oben an zweiter Stelle genannte 
Wachstumskomponente kennen zu lernen, die mit der Thoraxvergrößerung in Zusammenhang steht. 
Der Fall 7 war darum von besonderem Interesse, weil, wie die dort gegebene Skizze zeigt, es klar war, 
daß den dem Thoraxwachstum dienenden Vorgängen eine allgemeine Rippenverdickung vorangegangen 
sein muß. Das, was zur Vergrößerung des Thorax gehört, der Abbau an der pleuralen Periost- und der 
pektoralen Endostfläche einerseits und der Anbau an der pleuralen Endost- und der pektoralen Pleura- 
fläche andrerseits vollzieht sich hauptsächlich an dem das Längenwachstum besorgenden sternalen 
Rippenteile. Bezüglich der Einzelheiten des Vorganges muß auf den histologischen Befund und die Skizze 
p- 24 [386] verwiesen werden. 


Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC. Bd. 58 


412 Dr. J. Erdheim, 


Daß bei der Vergrößerung des Thoraxraumes auch der knorpelige Teil der Rippen mit hinaus ver- 
legt und nach einem größeren Radius gekrümmt werden muß, ist ganz klar, doch würde es zu weit führen, 
wollten wir auseinandersetzen, wie das geschieht und inwiefern dies harmonisch mit dem knöchernen 
Abschnitt der Rippe geschieht oder nicht. 

Das Problem des Thoraxwachstums ist einigermaßen dem des Schädelwachstums ähnlich, worüber 
sich schon Virchow, Kölliker und Kassowitz dahin geäußert haben, daß die Vergrößerung der 
Schädelhöhle vor allem durch das Nahtwachstum erfolge, hingegen die Änderung der Knochenkrümmung 
und der Form der Schädelhöhle durch Abbau an der Innen- und Anbau an der Außenfläche. 

Speziell das Verhalten der Rippe beim Thoraxwachstum hat an menschlichen Embryonen Steudener 
studiert und später hat noch Kassowitz den Vorgang in identischer Weise dargestellt und abgebildet. 
Steudener schildert, wie dem Abbau an der pleuralen Periostfläche zuerst die Corticalis der pleuralen 
Seite der ganzen Dicke nach zum Opfer fällt, weiterhin die ganze enchondrale Spongiosa und endlich auch 
die Corticalis der pektoralen Seite. Wenn trotzdem die Kontinuität des Knochens nicht unterbrochen wird, 
so ist das nur der auf der pektoralen Seite sich entwickelnden periostalen Auflagerung zu verdanken. Von 
per enchondralen Spongiosa aber bleibt am vorderen und hinteren Rippenende je ein kegelförmiges Stück 
erhalten, das durch Abbau an der pleuralen Fläche bloßliegt. 


Wir eilen zum dritten Punkte, zur Verschmächtigung der in der Ossifikationszone zu dick an- 
gelegten knöchernen Rippe. Es sei hier daran erinnert, daß die Corticalis an ihrem obersten Ende die 
Spongiosa und die zwei unteren Knorpelschichten umgreifend, becherförmig zusammengebogen ist, bis in 
die. Ossifikationsgrube hinaufreicht und unter dieser eine kleine Ausbuchtung zeigt, von der die Rippen- 
oberfläche schief, und zwar knorpelwärts gegen die Ossifikationsgrube zu auf kurzer, knochenwärts auf 
langer Strecke abfällt. An der Periostfläche dieser letzteren Strecke, also etwa in Spongiosahöhe, 
spielt sich ein reger osteoklastischer Abbau der Corticalis ab, der die Verschmächtigung der Rippe 
zum Ziele hat. 

Man sollte nun erwarten, daß diesem Abbau von außen ein enostaler Anbau stets so die Wage hält, 
daß bei diesem Vorgang die Corticalis ihre Dicke nicht ändert. Zum Teile mag es sich auch in der Tat so 
verhalten, zum Teile aber geht zeitweise der periostale Abbau vor sich, der enostale Anbau aber bleibt aus 
und die Folge davon ist, daß an dieser typischen Stelle die Corticalis völlig unterbrochen und die 
primäre Spongiosa bloßgelegt wird. Auf der Strecke von der Höhe der Ausbuchtung bis zur Ossifi- 
kationsgrube aber, also am obersten Ende selbst, fehlt die Corticalis aber nie. Diese zur Defekt- 
bildung führende Disharmonie zwischen An- und Abbau wird dann so ausgeglichen, daß die Räume 
zwischen den Bälkchen der bloßgelegten primären Spongiosa mit Knochengewebe ausgefüllt werden und 
damit wird, unter Mitverwendung der primären Spongiosabälkchen, der Defekt wieder 
geschlossen. 

Weil aber die primären Spongiosabälkchen Knorpeleinschlüsse enthalten, so kommen diese in 
die Corticalis zu liegen und daß sie der Corticalis nicht von Haus aus gegeben, sondern entlehnt sind, 
kann man noch immer daran erkennen, daß diese Knorpeleinschlüsse auch jetzt noch in der Corticalis 
ebenso mehr oder weniger parallel zur Rippenachse liegen, wie seinerzeit im primären Spongiosabalken 
(Fig. 7,d). Es besteht hier also eine vollkommene Analogie mit den p. 34 [396] bei der sekundären 
Spongiosa geschilderten Verhältnissen. Ist aber einmal der Knorpeleinschluß in der Corticalis enthalten, so 
bleibt er da lange Zeit liegen, auch wenn diese Corticalisstelle infolge des fortschreitenden Längen- 
wachstums der Rippe tief unter die Spongiosaschicht hinabgerückt ist. 


Zu dem Gesagten müssen noch zwei Bemerkungen gemacht werden. Sowohl die Defektbildung als 
auch die Knorpeleinschlüsse der Corticalis fanden sich stets nur an der genannten typischen Stelle vor 


rue 


Rachitis und Epithelkörperchen. 413 


und sind in den meisten Fällen gesehen worden; jedoch ist zum Zustandekommen der Knorpeleinschlüsse 
eine Defektbildung durchaus nicht nötig. Hält nämlich der Abbau der periostalen mit dem Anbau der 
enostalen Fläche zwischen den Spongiosabalken Schritt, so bekommen wir die Knorpeleinschlüsse 
ohne Defektbildung. 

Ferner wäre, da die Verschmächtigung der Rippe ringsherum erfolgen sollte, eigentlich zu erwarten, 
daß die Knorpeleinschlüsse und Defektbildung ebenso häufig pleural als pektoral angetroffen 
werden. Das ist aber durchaus nicht der Fall. Die pleurale Seite dominiert ganz bedeutend (Fig. 7 d) 
und das wird wohl damit zusammenhängen, daß hier das Hinausverlegen der Rippe zum Zwecke der 
Thoraxvergrößerung mit hineinspielt. Dabei erfolgt nämlich ebenfalls ein Abbau an der Periostfläche, aber 
nur pleural und darum wird sich eben pleural der Abbau aus Thoraxvergrößerung und aus Ver- 
schmächtigung der Rippe summieren. Ferner dürfte bei dem Hinausverlegen des Rippenschaftes der 
Knorpel langsamer nachfolgen und etwas mehr pleuralwärts vorspringen. Was dann pleural aus dem 
Knorpel an Spongiosa hervorgeht, fällt natürlich der pleuralen Seite der Corticalis zu. 

Hunter war der erste, der die Resorption an der Knochenoberfläche nahe den Gelenkenden und 
auch an anderen Stellen als jenen Vorgang erkannte, durch den während des Wachstums die typische 
Knochenform erhalten wird, und er nannte daher den Vorgang »modellierende Resorption«. Brull& und 
Hugueny bestätigen diese Angaben, aber erst Kölliker hat die modellierende Resorption monographisch 
bearbeitet. Er fand als erster, daß dabei das äußerste Corticalisende »die Endlamelle«, stets der Resorption 
entgeht, daß bei der Resorption nicht nur die Corticalis vollständig zerstört, sondern auch die Spongiosa 
bloßgelegt, partiell zerstört wird, sich aber wieder zur Compacta "verdichtet, deren Genese durch die 
Knorpeleinschlüsse verraten wird. Speziell am vorderen Rippenende des Kalbes fand er je eine große 
Resorptionsfläche an der pleuralen und pektoralen Oberfläche und an der menschlichen Rippe des Neu- 
geborenen nur eine solche an der pleuralen Seite. 

Ein sehr interessantes Beispiel dafür, welche Folgen das Ausbleiben der modellierenden Resorption 
nach sich zieht, hat uns Lehnerdt kennen gelehrt. Er fand nämlich, daß Strontiumdarreichung neben 
anderen eingreifenden Veränderungen am Skelett auch noch speziell einen völligen Stillstand der lakunären 
Resorption zur Folge hat bei unbehindertem Längenwachstum. Es wachsen also die Rippen in die Länge, 
aber die modellierende Resorption bleibt aus. Es resultieren daraus Rippen, die an ihrem vorderen Ende 
auf eine lange Strecke zylindrisch verdickt sind und wie Patronen sich ausnehmen. Die verdickte Strecke 
ist jene, welche zur Zeit der Strontiumfütterung gewachsen war und durch das Fehlen der modellierenden 
Resorption in jener Dicke verharrte, in der sie bei der enchondralen Ossifikation angelegt worden war. 


414 


Dr. J. Erdheim, 


2. Rachitische Rippen. 
A. Kasuistik. 


Fall 9. Weiße, weibliche Ratte, 81 g schwer, mit gelben, opaken Nagezähnen, im Laboratoriumsstall aufgewachsen. 15 Tage vor der 


Tötung wurde dem Tier die rechte Fibula frakturiert. Am gleichen Tage ist dem Tiere der extraalveoläre Teil des linken 


unteren Nagezahns zur Hälfte und der des rechten unteren ganz abgebrochen, als das Tier beim Anfassen in die eiserne 


Zange biß. Die Operationswunde ist glatt geheilt. Bei der Obduktian wog das Tier 84 9, war kräftig, muskulös, gut genäht, 


die gelben, opaken Nagezähne waren in ihrer vollen Länge wieder ersetzt. Es fand sich kein Rosenkranz, aber 5 Rippen- 


kallus. Die Ek. schienen nicht vergrößert, leuchteten aber weiß aus der rosaroten Schilddrüse heraus. Die Fibula war an der 


gebrochenen Stelle noch ganz deutlich beweglich. 


Histologischer Befund: Das Material wurde 4 Tage in Müller entkalkt. 


a) 


a) 


e) 


Der verkalkte Rippenknorpel ist dunkelblau, mit an Zahl wechselnden Querrissen versehen. Das Blau begrenzt 
sich gegen den ruhenden Knorpel scharf, gegen den seitlichen Rand unscharf und unter dem Perichondrium liegt eine 


Schicht hellrotvioletten Knorpels. 


Der ruhende Knorpel ist durchschnittlich 383 ı, maximal 464 u, minimal 288 y. hoch. In der rotvioletten, homogenen 
Grundsubstanz liegen axial große, helle Zellen mit rundem, hellem Kern, seitlich kleine, dunkle Zellen und hier, bald 
spärlicher, bald sehr reichlich violette Züge in der Grundsubstanz, welche für das junge Tier charakteristisch zu sein 


scheinen. 


Die Knorpelwucherungszone ist durchschnittlich 150 x, maximal 160 u, minimal 144 u hoch und enthält in der 
homogenen, hellblauvioletten Grundsubstanz kleine, dunkle, querspindelige Zellen, welche zu nach oben sehr deutlich 
zusammenstrebenden Säulen gruppiert sind. Die Totalform der Schicht ist die eines höheren Käppchens mit der Kon- 


vexität nach oben. 


Die präparatorische Verkalkungszone ist durchschnittlich 173 y, maximal 192 j., minimal 160 p. hoch. Da die 
von unten in den Knorpel einschneidenden Buchten keine großen Unregelmäßigkeiten zeigen, ist die Höhe der Schicht 
wenig wechselnd und der Höhe nach liegen 6 bis 8 Zellen. Diese sind ganz besonders groß, das Protoplasma ganz hell, 
der Kern sehr groß und hell. Die von den Zellen gebildeten Säulen sind so breit geworden, daß sie sehr dicht 
zusammenstehen. Sie stehen parallel zur Rippenachse, die randständigen divergieren aber nach oben. Die auf schmale 
Streifen reduzierte Grundsubstanz ist in der oberen Hälfte der Schicht kalklos, in der unteren verkalkt, rein und 
satt blau und diese blaue Farbe ist am oberen Rande bald unscharf begrenzt, bald ganz scharf. In letzterem Falle kann 
man beim vorliegenden wie auch bei anderen Tieren bemerken, daß die Verkalkung zwischen den Zellen nicht nach 
allen Richtungen gleichmäßig fortschreitet, sondern in Form dünner Fäden, die am Querschnitt rundlich sind und bei 
Schrägschnitten in der bekannten Weise beim Drehen an der Mikrometerschraube ihren Platz wechseln. Am aller- 
dunkelsten blau ist jedoch der verkalkte Knorpel dort, wo erin den primären Spongiosabälkchen den zentralen Ein- 


schluß bildet, eine Tatsache, die man oft auch in anderen Fällen feststellen kann. 


Enchondrale Ossifikation und primäre Spongiosa. Die enchondrale Ossifikation spielt sich eigentlich normal 
ab. Die Gefäße dringen in den Knorpel in ziemlich gerader Linie vor, haben an ihrem oberen Ende durchwegs kein 
Endothel und brechen überall die Knorpelkapsel auf. Die so in den Knorpel eingefressenen Markbuchten sind bald so 
schmal wie eine Zellsäule, bald so breit wie ihrer einige. Die zwischen den Buchten stehen gebliebenen Knorpelstücke 
enthalten nirgends unverbrauchte Knorpelzellen, höchstens Globuli ossei. Mit den Gefäßen kommen auch Osteoblasten 
in die Bucht, welche den Knochenanwurf eızeugen, der in den ein bis vier obersten aufgebrochenen Kapseln 
noch fehlt. 

Aus diesem Prozeß resultiert eine gut ausgeprägte primäre Spongiosaschicht, deren parallel zur Rippen- 
achse und dicht stehenden Bälkchen zentral Knorpel einschließen und außen infolge der dichten Stellung der Bälkchen 
bloß einen dünnen Knochenanwurf tragen. Dieser ist, obwohl mit Osteoblasten belegt, mit wenigen Ausnahmen frei von 
Osteoid, ein Verhalten, das ganz an die normalen Fälle erinnert. Die zwischem den Bällchen befindlichen Markräume 
sind meist so eng, daß sie außer dem Gefäß und den Osteoblasten nur wenig Raum für etwas Bindegewebe lassen, das 
zwischen Gefäß und Osteoblastensaum liegt. Die Schicht ist durchschnittlich 126 x hoch, maximal 255 p, 


minimal 60 ». 


4 


Rachitis und Epithelkörperchen. 415 


f Die sekundäre Spongiosa weicht insofern von der Norm ab, als sie eine eigene Schicht bildet, die zum Teil viel 
höher ist als die primäre Spongiosa und die Bälkchen so zahlreich sind, daß ihrer stets mehrere in einem Schnitt liegene, 
während man in der normalen Rippe oft lange nach einem primären Spongiosabälkchen suchen muß. Sonst aber sind 
die Verhältnisse fast normal: Im Gegensatz zur primären Spongiosa enthalten die Bälkchen der sekundären keine 
Knorpeleinschlüsse mehr, stehen lockerer, sind dicker, nicht mehr parallel zur Rippenachse gestellt, sondern verraten 
Stützstrukturen. Zur Bewerkstelligung dieses Umbaues sind Osteoklasten in Tätigkeit, die nicht selten sind, stets dem 
unteren Ende der primären Spongiosabälkchen anliegen, ein rotes Protoplasma besitzen, aber von unscheinbarer 
Größe sind. Die Bälkchen sind der Hauptsache nach gut verkalkt, Osteoidsäume sind nicht gerade selten, aber lange 
nicht an jeder Bälkchenoberfläche zu sehen; Osteoblasten sind vorhanden, aber nieder, in den Markräumen zelliges 
Mark. Die sekundäre Spongiosa ist im Durchschnitt 462 j. hoch, maximal 675 y, minimal 225 ». 

In jenen Rippen, in denen in einiger Entfernung von der Ossifikationsgrenze eine Fraktur mit stärkerer 
winkeliger Knickung nach außen im knöchernen Schaft liegt, macht sich diese Knickung an der Össifikationsgrenze in 
folgender Weise geltend: Sekundär kam es nämlich auch an der Ossifikationsgrenze zu einer Abknickung, aber im 
entgegengesetzten Sinne, nach innen und die Stelle dieser Knickung liegt in der Schicht der sekundären Spongiosa. 
Dabei ist die Corticalis der pectoralen Seite (konkave Seite der Knickung) verdickt und die Spongiosa stützt sich innen 
hauptsächlich auf die pleurale Corticalis. Daß die Knickung gerade in der Schicht der sekundären Spongiosa sitzt, hängt 
mit ihrer größten Umbaufähigkeit, also der größten Anpassungsfähigkeit an die neue Gestalt zusammen, ferner auch 
damit, daß die Rippe, soweit sie knorpelig ist, also vom Rippenknorpel bis zur enchondralen Ossifikationsgrenze, 


elastisch ist, aber die äußere Form nicht sobald zu ändern vermag. 


£) Die Corticalis ist auffallend dünn, aus reifem Knochengewebe aufgebaut, kompakt und mäßig von Gefäßkanälen 
durchzogen. Aber auch Osteoid findet sich in pathologischer Menge, insbensondere am oberen Corticalisende, das auf 


eine längere Strecke ganz kalklos ist, am Endost und in den Gefäßkanälen. 
h) Das Periost ist ohne Besonderheiten. 


i) Im rein zelligen Knochenmark sind die Zellen mit großem, hellem, rundem, gelapptem oder gelochtem Kern, nur 
etwas zahlreicher als die mit kleinem, dunklem Kern; die Riesenzellen sind recht reichlich und gut erhalten, die Gefäße 


etwas stärker gefüllt. 


k) Das Osteoid ist am dicksten 1. im oberen Schaftende; an 2, Stelle ist die Corticalis und an 3. Stelle die sekundäre 
Spongiosa zu nennen, wo es noch immer etwas häufiger und dieker ist als normal. Die Kalkgrenze ist feinkörnig und 


nur selten erheblich verbreitert. 


1. 10 Messungen, 245 u. Durchschnitt, 32°5 u. Maximum, 125 „ Minimum. 


2. 28 >» 164 u » 45:0 y. » 2:5 u > 
3.22 > 8-51 > a 
* x* 
* 


Fall 10. Weiße, weibliche Ratte, 164 9 schwer, von unbekannter Provenienz; es fand sich unter den Zuchttieren des Laboratoriums- 
stalles. Die Nagezähne waren intakt, gelb, aber ganz opak. 15 Tage vor der Tötung wurden dem Tiere beide Fibulae 
frakturiert. Der Wundverlauf ungestört. Bei der Obduktion wog das Tier nur noch 153 9, hat also 11 g abgenommen. Die 
Nagezähne sind nach wie vor gelb, opak, beide unteren zu kurz, beide oberen zu lang, ein Zustand, der schon am 9. Ver- 
suchstag konstatiert worden war. Es fand sich ein Rippenkallus. Die Ek. waren nur‘wenig vergrößert. Beide Fibulae waren 
noch ganz beweglich, die linke mehr als die rechte. Es bestand endlich ausgedehnte Pneumonie, welche die Gewichts- 


abnahme und den Umstand erklärt, daß das Tier stets schweren Atem hatte. 
Histologischer Befund: Das Material wurde 3 Tage in Müller entkalkt. 


a) Der verkalkte Rippenknorpel zeigt zahlreiche Quersprünge, enthält große Zellen und seine intensiv blaue Farbe 


zeigt überall eine unscharfe Begrenzung. 


b) Der ruhende Knorpel ist im Durchschnitt 316 » hoch, 432 » im Maximum, 240 p. im Minimum. In seiner homogenen 
rotvioletten Grundsubstanz liegen axial große, helle Zellen, am Rande gegen die gering ausgebildeten Seiten- 


ausbuchtungen hin aber kleine, dunkle, blaue Zellen. 


416 


Dr. J. Erdheim, 


c) Die Knorpelwucherungsschicht ist 92 u im Durchschnitt hoch, 112 „im Maximum, 80 u im Minimum. Ihre Gesamt- 


a) 


e) 


D 


g 


form ist die einer flachen Kalotte. Die Grundsubstanz homogen, reichlich, blauviolett und die kleinen, dunklen, quer- 


spindeligen Zellen setzen Säulen zusammen, die nach oben deutlich konvergieren. 


Die präparatorische Verkalkungsschicht beginnt oben fast ohne jeden Übergang in gerader Linie, während 
die untere Grenze unregelmäßig ist, da die in den Knorpel einschneidenden Markbuchten tief sind und dabei bald so 
schmal wie eine Zellsäule, bald so breit wie ihrer einige und zwischen den Buchten der stehengebliebenen Knorpel 
bald so schmal ist, daß er nur aus Grundsubstanz besteht, bald so breit, daß er einige Zellsäulen enthält. Die Schicht 
ist durchschnittlich 128 ». hoch, 283 u maximal, 48 u. minimal. Der sehr große Unterschied zwischen Maximum und 
Minimum erklärt sich aus der Unregelmäßigkeit der unteren Grenze. Die Zellen sind alle von gleichem Aussehen, 
mittelgroß, rundlich-polygonal, ihre Kerne mäßig hell und rund, die Kapseln, aber auch das Protoplasma blau, letzteres 
nur in den tiefstgelegenen Zellen schön rot granuliert. Die Säulen parallel zur Rippenachse, dichtstehend. Die Grund- 
substanz im Bereiche der oberen 2 bis 3 Zellschichten kalklos, sonst kalkhaltig, dabei die Grundsubstanzpfeiler 
zwischen zwei Zellsäulen manchmal in der Mitte ihrer Dicke einen kalklosen Streifen aufweisend. Die obere Kalk- 


grenze ist unscharf. 


Enchondrale Ossifikation und primäre Spongiosa. In den schon oben erwähnten, in den Knorpel hinein- 
gefressenen primären Markbuchten liegt ein junges, zellreiches Bindegewebe mit einem oder mehreren Blutgefäßen und 
nie fehlenden, aber selten großen Osteoblasten. Der die Buchten begrenzende Knorpel zeigt am Buchtenrand eine 
konkav-globuläre Begrenzung von eröffneten und entleerten Kapseln. Dieses Verhalten deutet auf einen regulär statt- 
gehabten vaskulären Knorpelabbau hin, der aber jetzt nicht mehr rege vor sich geht; man sieht nämlich in jedem Schnitt 
nur an ein bis zwei Stellen eine in 'eine Kapsel eingebrochene Kapillare, während die meisten "Gefäße in den Buchten 
nicht nur ringsherum ein intaktes Endothel besitzen, sondern auch von Bindegewebe umgeben sind. Ausnahmsweise 
hat der Knorpel in engster Nachbarschaft der Bucht auf die Breite einer Zelle bei sonst intakter Beschaffenheit seine 
Basophile eingebüßt und an anderen Stellen sieht man manchmal trotz Eröffnung der Knorpelkapsel eine nackte 
Knorpelzelle stehengeblieben und das Bindegewebe berühren. 

Wenn die zwischen den Buchten stehengebliebenen Knorpelstücke sehr breit sind, so enthalten sie entweder 
unverbrauchte Knorpelzellen oder diese sind schon durch knöcherne Globuli ersetzt. Die in’ den Buchten stets 
anwesenden Osteoblasten apponieren auf die Knorpelreste einen Knochenanwurf, der bald bis zur höchsten eröffneten 
Kapsel hinaufreicht, bald aber 3 bis 9 eröffnete Kapseln tiefer endet, so daß man von einer ausgesprochenen Ver- 
spätung der Knochenapposition reden kann. 

Die aus der enchondralen Ossifikation resultierenden Bälkchen der primären Spongiosa sind recht breit, stehen 
in weiten Abständen voneinander, sind im ganzen spärlich und sehr verschieden hoch. Die Schicht ist durchschnittlich 
144 u, maximal 272 y, minimal 80 u hoch. Die Kalkverhältnisse dieses Knochenanwurfes sind sehr wechselnd. Bald ist 
er trotz bedeutender Dicke ganz kalklos, bald in dem globulären, dem Knorpel anliegenden Teile verkalkt, sonst kalk- 
los, bald endlich in toto recht gut verkalkt. Die in die Bälkchen eingeschlossenen Knorpelinseln sind in der Regel ganz 
schwarzblau von der Verkalkung. Ausnahmsweise aber ist der Knorpeleinschluß kalklos und hebt sich trotzdem in der 
Farbe gut vom Knochengewebe ab, wenn dieses verkalkt ist. Manchmal endlich ist der Knorpeleinschluß von kom- 
plizierterem Aussehen, da er am Rande, wo unabgetragene Knorpelkapselreste liegen, kalklos, zwischen diesen aber 
also zentral, verkalkt ist und das gibt mit den kalkhaltigen Globuli und dem kalklosen übrigen Teile des Knochen- 
anwurfes ein oft kompliziertes und zierlich detailreiches und in den Farben abwechslungsreiches Bild eines primären 


Spongiosabälkchens. 


Die Markräume der primären Spongiosa sind meist breiter als die Bälkchen, enthalten vorwiegend Binde- 


gewebe, manchmal kleine Anhäufungen von zelligem Mark und Osteoblasten fehlen auch nie, sind aber meist flach. 


Die sekundäre Spongiosa ist im Durchschnitt 660 u. hoch, 800 1 maximal, 560 u minimal. Sie geht oben ohne 
Grenze aus der primären Spongiosa hervor, besteht aus gleich schlanken Bälkchen, die schmäler sind als die Mark- 
räume, recht gut verkalkt sind, doch allenthalben auch pathologisch breite Osteoidsäume tragen, nach unten einen flach 
bogenförmigen Abschluß der Markhöhle erzeugen und dort langsam in die Corticalis übergehen. Die Markräume und 


die Osteoblasten verhalten sich genau wie in der primären Spongiosa. 


Die Corticalis ist im allgemeinen recht dünn und gut verkalkt. Das meiste Osteoid findet sich auf der pektoralen 


Peri- und Endostfläche, aber auch in den Gefäßkanälen. Die Kalkgrenze ist pathologisch breit und grobkörnig. Die 


Corticalis ist bis zu ihrem oberen Ende in ihrer Selbständigkeit gut gewahrt, überall von gleichem Kalkgehalt, nur das 


= 


in u u 


Rachitis und Epithelkörperchen. 417 


obere Corticalisende, welches stets bis zur oberen Grenze der Knorpelwucherungszone reicht, ist auf eine patho - 


logische Länge, aber in mäßiger Dicke ganz kalklos. 


h) Das Periost bietet keine Besonderheiten. 


i) Im zelligen Knochenmark liegen spärliche Fettzellen. Die Zellen mit den großen, hellen, gelochten und gelappten 


Kernen überwiegen über die mit kleinen, dunklen Kernen. Die mäßig vielen Riesenzellen sind gut entwickelt. 


k) Das Östeoid wurde an 4 Stellen gemessen: 1. primäre, 2. sekundäre Spongiosa, 3. Corticalis, 4. oberes Corticalis- 


IE 1. 44 Messungen, 11°4 1 Durchschnitt, 25°O u Maximum, 5:0 x Minimum. 
2. 50 » 14:2 u > 3751. » 2:dn > 
3. 46 > 29:64 » 800 u » 8:Ou » 
AB. Yin 18-9 1 > 36-01. 2 BO 2 
* £ * 


Fall 11. Weiße, weibliche Ratte, 165 g schwer, mit gelben, opaken Nagezähen, im Laboratoriumsstall aufgewachsen. 15 Tage vor 


der Tötung wurde die rechte Fibula frakturiert. Wundheilung per primam. Bei der Obduktion wog das Tier 160 g, war 


kräftig und gut genährt, die Nagezähne nach wie vor gelb, intakt, opak. Kein Rosenkranz. Nur ein Rippenkallus. Die Ek. 


weit über mittelgroß, weiß aus der roten Schilddrüse herausleuchtend. Die Bruchstelle der Fibula noch gänzlich beweglich, 


kaum durch einen schwachen, weichen Kallus zusammengehalten. 


Histologischer Befund (Fig. 9): Das Material wurde 5 Tage in Müller entkalkt. 


a) 


b) 


a) 


Der verkalkte Rippenknorpel (wK) hat im Zentrum eine dunkelrotviolette Farbe und viele quere Sprünge, in deren 
Bereiche die fibrilläre Struktur wie gewöhnlich durch Zerfaserung deutlich hervortritt. Die rein blaue Farbe der peri- 
pheren Schichten ist nach außen bald scharf, bald unscharf abgegrenzt. Die Zellen groß, hell, mit pyknotischen 


Kernen. 


Der ruhende Knorpel (rK) ist durchschnittlich 418 u hoch, 528 ı maximal, 272 » minimal. Die Grundsubstanz 
homogen, rotviolett, die Zellen in den axialen Partien (rK‘) groß, hell und mit ebensolchen Kernen, in den wenig vor- 


tretenden seitlichen Ausbauchungen (a) kleiner, dunkler, mit oft stark blau gefärbtem Protoplasma. 


Die Knorpelwucherungszone (XW) im Durchschnitt 101 u hoch, 128 1. maximal, 80 u minimal. Die Schicht hat 
eine bald linsenförmige, bald flach kalottenförmige Gestalt und ist überdies zuweilen im Sinne eines ganz flachen W 
verbogen (KW). In der homogenen, blauvioletten Grundsubstanz liegen die nach oben deutlich zusammenstrebenden 


Säulen, die aus dunklen, kleinen, querspindeligen Zellen aufgebaut sind. 


Die präparatorische Verkalkungszone (k—pV, k+pV) ist durchschnittlich 227 u hoch, 448 u im Maximum, 
80 y im Minimum, also mäßig pathologisch verdickt. Sie besteht aus dicht zusammen- und parallel zur Rippenachse 
stehenden Säulen, in denen die Zellen zumeist ganz groß und hell sind, mit großen, lichten, runden Kernen. Nach 
unten zu haben aber die Knorpelzellen manchmal ein homogenes, dichtes, sattrotes Protoplasma. Die Schicht geht oben 
aus der vorhergehenden fast ohne jeden Übergang hervor und darum ist hier die Grenze scharf ebenmäßig. Die untere 
Grenze ist uns höchst unregelmäßig, denn breite Markschichten schneiden von unten sehr tief in die Schicht ein und 
lassen zwischen sich wieder breite Knorpelmassen stehen. Daher kommt es, daß die sonst pathologische Schichthöhe 
stellenweise bis zu normalen Werten herabsinkt. 

Bezüglich der Knorpelverkalkung müssen zwei Schichten unterschieden werden, eine obere kalklose und eine 
untere kalkhaltige. Die obere fehlt nie (k—pV), ist 1 bis 16 Zellen hoch und kann im axialen Teile die ganze Höhe der 
Schicht einnehmen (b). An solchen Stellen zeigen die Zellen aber regressive Erscheinungen, nämlich grobwabige 
Beschaffenheit des Protoplasmas und pyknotische Kerne. Die kalkhaltige Schicht spielt im allgemeinen eine größere 
Rolle (k+pV), wegen ihres zackig ausgefressenen unteren Randes aber variiert ihre Höhe ebenfalls sehr, von I bis 
17 Zellen Höhe; axial kann sie gelegentlich ganz fehlen oder mitten in ihrer Dicke eine kalklose Partie einschließen. 
Der Kalkgehalt der Grundsubstanz ist sehr bedeutend, ihre Farbe schwarzblau und die obere Kalkgrenze bald linear 


scharf, wie so oft bei Rachitis, bald unscharf, wie meist in der Norm. 


418 


e) 


I) 


h) 


Dr. J. Erdheim, 


Encehondrale Össifikation und primäre Spongiosa. Die in den Knorpel vordringenden Markbuchten sind 


bald so schmal wie eine Zellsäule, bald so breit wie mehrere Zellsäulen. Im letzteren Falle wird im Bereiche einer 
solchen großen Bucht auch alle Zwischensubstanz zwischen den Säulen abgetragen, dafür bleiben zwischen zwei 
Buchten auch breite, meist verkalkte, seltener kalklose, unverbrauchte Knorpelmassen stehen, die in letzterem Falle den 
Typus des Sinterknorpels annehmen, dessen Zellen noch atrophische Kerne aufweisen. Dieser hat nicht konkav-, sondern 
konvexbuchtige Seitengrenzen. In den Markbuchten liegt der Hauptmasse nach junges, an großen, hellen, spindeligen 
Zellen reiches Bindegewebe und darin am Ende der Bucht ein oder einige Blutgefäße, deren Endothel meist ringsherum 
intakt, nur manchmal defekt ist, so daß freies Blut in die Knorpelkapseln dringt. 

Der vaskuläre Abbau ist also nicht sehr rege. Die in der Bucht nachrückenden Osteoblasten sind meist nieder, 
manchmal aber auch kubisch und.der Knochenanwurf stellt sich etwas verspätet ein, denn vielfach bleibt der heraus- 
gearbeitete Knorpel 2 bis 5 Zellen frei von demselben. Während ferner dieser erste Knochenanwurf normaliter kaum 
einen Osteoidsaum zu verraten pflegt, ist er hier trotz oft bedeutender Dicke auf längere Strecken ganz kalklos. 

Die primäre Spongiosa (p Sp) tritt als eigene Schicht absolut nicht in jener Klarheit hervor wir in normalen 
Fällen; ihre Bälkchen sind wohl in jedem Schnitt vorhanden (p Sp), aber zu spärlich, ihre Länge gering, wenn auch 


wechselnd, die Stellung oft schief. Nach unten zu ist ihre Verkalkung recht gut. 


Die sekundäre Spongiosa (s Sp) ist durchschnittlich 1200 u hoch, maximal 1400 », minimal 1000 ı. Das Verhalten 
steht in vielen Punkten in der Mitte zwischen schwerer Rachitis und normalem Bilde. Die Schicht ist höher und die 
Bälkchen zahlreicher als in der normalen Rippe, in der man nach einem Schnitt mit einem schönen, sekundären 
Spongiosabällcchen oft suchen muß. Ferner sind die Bälkchen lang und schmal, recht gut verkalkt, bilden eine lockere 
Spongiosa, die in sinnfälliger Weise Stützstruktur aufweist (O), alles also wie normal; doch fehlen im Gegensatz zur 
Norm die Osteoidsäume (O) selten, wenn sie auch schmäler sind als bei schwerer Rachitis. Das Knochengewebe ist von 
reifer Struktur, enthält auch Kittlinien. Die Einhüllung der Bälkchen mit wenn auch schmalen fibrösen Streifen (c) ist 
typisch für Rachitis. Die Markräume (d) enthalten im übrigen zelliges Mark. Die an die Corticalis inserierende Spongiosa 


verwischt die Selbständigkeit der ersteren gar nicht (e). 


Die Corticalis (C) besteht aus reifem Knochengewebe, ist nirgends porös, enthält viele Kittlinien und recht viel Kalk. 
Das Osteoid ist aber auch recht ansehnlich, mit einer schönen, grob krümeligen Übergangszone. Am dicksten ist das 
Osteoid auf der pektoralen Periost- (f), an der pleuralen Endostseite (g) und pathologisch dick auch am oberen Corti- 
calisende (A). In der Höhe, wo die primäre Spongiosa in die sekundäre übergeht, kann aber die Corticalis auf eine 


kurze Strecke auch ganz kalklos sein. 
Das Periost zeigt keine Besonderheiten. 


Das Mark ist ausschließlich zellig; darin finden sich neben Zellen mit großen, hellen, einfachen, gelappten und 


gelochten Kernen auch solche mit kleinem, dunklem Kern. Die Riesenzellen und Gefäße normal. 


Das Osteoid pflegt, namentlich im Schaft, eine breite, grobkrümelige Übergangszone aufzuweisen. Wenn die sub- 


periostale Osteoidauflagerung des Schaftes zu verkalken beginnt, so geschieht dies nicht da, wo man es erwarten’ 


würde, nämlich im tiefsten Teile, wo die Kittlinie das Osteoid vom kalkhaltigen Schaft trennt, sondern mitten in der 
Dicke der Osteoidmasse, ein Verhalten, auf das Pommer aufmerksam machte. In dem verkalkten blauen Knochen 
bleiben die Sharpey’schen Fasern kalklos, rot und stechen darum besonders hervor. Ihr Verlauf entspricht dann nicht 
immer einer Verlängerung der inserierenden Muskelfasern, sondern ist oft dazu senkrecht. Es sind folgende Messungen 
der Osteoidsäume vorgenommen worden: 1. An der Corticalis, wo sie am dicksten sind und sehr oft vorkommen. 2. Für 
sich gemessen wurden jene Stellen, an denen die Corticalis ganz kalklos ist; die Zahlen wurden halbiert und stimmen 
mit den ersten gut überein. 3. Am oberen Schaftende. 4. An der primären Spongiosa, wo noch ganz kalklose Beläge 


gemessen wurden. 5. An der sekundären Spongiosa ist das Osteoid am dünnsten, aber sehr häufig. 


1. 41 Messungen, 51°4 p. Durchschnitt, 160°0 » Maximum, 2°5 u Minimum, 


255 > 50-0 > 175:0, 0 2.8 Su 

3. 6 > 27-9 u. > 37.5... 1 Sa gl 

4. 25 > 19-7 u > B7s. 3, Fan 

5. 30 > 9-31 » 20-01 2 1 Dam > 
%* * 


wre, 


ee 


Rachitis und Epithelkörperchen. 419 


Fall 12. Weiße männliche Ratte, 250 g schwer, mit gelben, opaken Nagezähnen, im Laboratoriumsstall aufgewachsen. 15 Tage vor 


der Tötung wurde die rechte Fibula frakturiert. Die Wundheilung erfolgte per primam. Bei der Obduktion wog das Tier 


244 g, war groß, kräftig, muskulös und gut genährt; die Nagezähne gelb, opak, kräftig, intakt. Die Ek. waren übermittel- 


eroß, die Rippen frei von Spontanfrakturen. Die Bruchstelle der Fibula elastisch und nicht mehr viel beweglich. 


Histologischer Befund (Fig. 10). Das Material wurde 7 Tage in Müller entkalkt. 


a) 


b) 


Der verkalkte Rippenknorpel(vK) zeigt nichts von der Norm abweichendes; er ist zentral sehr dunkel, rotviolet, 
gefärbt und von vielen Querspalten durchzogen, peripher rein dunkelblau und diese Farbe hat nach außen bald eine 
linear scharfe, bald eine ganz unscharfe Begrenzung und kann fast bis zum Perichondrium reichen. Die Zellen stehen 


dicht, sind groß, haben pyknotische Kerne und ein helles Protoplasma. 


Der ruhende Knorpel (rK) ist durchschnittlich 320 u hoch, 362 u im Maximum, 264 ı. im Minimum. In der reich- 
lichen, homogenen, rotvioletten Grundsubstanz liegen nahe dem verkalkten Knorpel bei rK große, helle Zellen mit 
hellem Kern, sonst sind die Zellen klein, mit hellem Kern und rein dunkelblauem Protoplasma. Die seitlichen Aus- 


buchtungen (a) treten wenig hervor. 


Die Knorpelwucherungszone (KW) ist im Durchschnitt 140 u hoch, 154 1 im Maximum, 128 p. im Minimum, 
also normal hoch. Ihre Gesamtform ist flach linsenförmig (Fig. 10), manchmal auch plankonvex, mit der Konvexität 
nach oben. Die Grundsubstanz reichlich homogen, bläulichviolett, die Zellen klein, dunkel, spindelig, querliegend und 
zu Säulen gruppiert, die deutlich nach oben zusammenstreben. Die Farbe der Grundsubstanzseptehen zwischen den 


Zellen ist dunkler als zwischen den Zellsäulen. 


Die präparatorische Verkalkungszone (pV) geht aus der vorhergehenden fast ohne jeden Übergang hervor. Sie 
ist im Durchschnitt 88°8 u hoch, maximal 176 u, minimal 48 u. Die Zellen werden sehr groß und hell, platten sich 
polygonal ab und bedingen eine so starke Verbreiterung der Säulen, daß die Grundsubstanz zwischen den letzteren so 
schmal wird, wie zwischen den Zellen in den Säulen. Dadurch wird die Säulenstruktur nicht ganz aufgehoben, sondern 
etwas weniger deutlich. Die Säulen stehen parallel zur Rippenachse. Begegnet man aber ausnahmsweise etwas reich- 
licherer Grundsubstanz, so ist sie schleimig degeneriert, blau und längsgefasert. Das Aussehen der Knorpelzellen ist 
überall gleichförmig, überall das Protoplasma und die Kerne groß und ganz hell. 

Bezüglich des Kalkgehaltes der Grundsubstanz müssen zwei Schichten streng unterschieden werden. Die obere 
kalklose (k—p V‘) ist bald höher, bald niederer als die untere kalkhaltige (k+p V'), blaue und kann auf eine ganz kurze 
Strecke auch fehlen. Der Höhe nach kann man in der oberen 1 bis 5, in der unteren 1 bis 7 Zellen zählen. Die obere 


ist nach 
18 Messungen 44 u im Durchschnitt hoch, 80 u. maximal, 16 u minimal. 


Die untere ist nach 
18 Messungen 48:8 u im Durchschnitt hoch, 96 u. maximal, 32 » minimal. 


Enchondrale Ossifikation und primäre Spongiosa. Die enchondrale Ossifikation ist weder rege noch ganz 
normal. Die in dem Knorpel vorgeschobenen Markbuchten sind nur selten so schmal, daß sie in einer einzigen Zell- 
säule vordringen, meist so breit, daß ihnen eine große Anzahl von Zellsäulen samt den dazwischen liegenden Grund- 
substanzpfeilern zum Opfer fällt. Zwischen je zwei solchen vorgeschobenen Markbuchten liegt aber auch ein sehr 
breites und bis zu 8 Zellen hohes Knorpelmassiv, in dem zuweilen die Knorpelzellen durch Globuli ossei ersetzt sind, 
während die Grundsubstanz unverbraucht erhalten ist. Diese Markbuchten enthalten der Hauptsache nach ein junges 
horizontal geschichtetes, an großen, hellen Zellen reiches Bindegewebe und erst am obersten, blinden Ende Blut- 
kapillaren, die rings herum meist nicht nur ihr intaktes Endothel, sondern auch Bindegewebe aufweisen, so daß also 
von einem im Gange befindlichen vaskulären Abbau nicht die Rede sein kann. Nur manchmal wird das Gefäß wandlos 
und der vaskuläre Knorpelabbau geht vor sich. So wie dieser träge ist, so träge ist auch die folgende Ossifikation. Nur 
manchmal bekommt die Markbucht einen Osteoblastensaum und darum sehen wir oft ein durch vaskulären Abbau bloß- 
gelegtes, 8 Zellen hohes Stück Knorpel, ohne daß sich auf ihm ein Knochenanwurf eingestellt hätte. An solchen Stellen 
sind diese Stücke verkalkten Knorpels das einzige Bindeglied zwischen knöcherner und knorpeliger Rippe. Ein ander- 
mal ist mit Ausnahme nur der zwei obersten aufgebrochenen Kapseln der Knochenanwurf vorhanden, während er 


weiter unten nie fehlt. Damit ist das primäre Spongiosabälkchen fertig. 


Denkschriften der mathm.-naturw. Kl. XC. Bd. 59 


420 


n 


gD 


h) 


i) 


k) 


Dr. J. Erdheim, 


Die primäre Spongiosa (pp) bildet eine wohl ausgeprägte Schicht von 660 1. durchschnittlicher, 800 y. 
maximaler, 500 u minimaler Höhe. Bei dieser Messung wurden die Bälkchen nur so weit als zur primären Spongiosa 
gehörend gerechnet, als sie den zentralen Knorpeleinschluß enthalten. Die Bälkchen sind schlank, schmäler als die 
Markräume. Das Knochengewebe hat reifen Charakter und trägt in der Regel einen, wenn auch nur mäßig pathologisch 
breiten Osteoidsaum. Jedes Bälkchen ist von einer fibrößen Hülle umgeben und zwischen Binde- und Knochengewebe 
liegen oft schöne basophile Osteoblasten mit hellem Protoplasmafleck. Die engen Markräume enthalten nur fibröses 


und die nach unten immer größer werdenden überdies auch zentral zelliges Mark. 


Sekundäre Spongiosa(sSp). Der Übergang von der primären zur sekundären Spongiosa ist ganz allmählich und 
beide zusammen formieren eine sehr hohe Spongiosamasse, die das Knocheninnere ganz ausfüllt und in deren Bereich 
der Knochen in ganz mäßigem Grade aufgetrieben ist, um nach unten fast unmerklich in den knöchernen Rippenschaft 
überzugehen. Die sekundäre Spongiosa ist durchschnittlich 3366 ı. hoch, 4300 ı. maximal, 2100 u. minimal. Je mehr wir 
in der Schicht abwärtssteigen, desto lockerer stehen die Bälkchen, desto dicker werden sie und desto größer die Mark- 
räume. Endlich beginnt die Spongiosa zn dehiszieren und sich der Corticalis anzunähern und anzulegen und die sehr 
groß gewordenen Markräume vereinigen sich mit der großen Markhöhle. Die fibröse Hülle um die Bälkchen (db) und das 
zentrale zellige Mark (c) sind hier wie im Falle 20 zu sehen, aber die Osteoblasten fehlen meist. Die Osteoidsäume (0) 
werden spärlich und hören ganz auf. Das Knochengewebe ist von reifem Bau und enthält viele Kittlinien; Osteoklasten 


sieht man aber nicht. 


Die Corticalis (C) ist im Schaftbereich normal dick, mit pathologisch vielen, lakunär begrenzten, fibröses Mark ent- 
haltenden Resorptionsräumen. Im Spongiosabereich behält sie ihre volle Selbständigkeit bei (C), wird nur dünner und 
von Strecke zu Strecke inseriert ein "Spongiosabälkchen. Auf der pleuralen Seite gibt es zuweilen, wie in normalen 
Fällen, Diskontinuitäten mit Bloßlegung primärer Spongiosabälkchen. Das obere Corticalisende reicht einmal bis ins 
Niveau der präparatorischen Knorpelverkalkung, ein andermal bis in das der Knorpelwucherungszone und die Spitze 
selbst ist oft osteoid (e). Im übrigen spielt das Osteoid in der Corticalis eine geringe Rolle. Am häufigsten und dicksten 
ist es auf der pektoralen (f), am seltensten auf der pleuralen Periostfläche; am Endost ist es stets geringfügig (d). Die 
Kalkgrenze ist nur manchmal grobkörnig. Der kalkhaltige Knochen hat reifen Gewebscharakter, enthält viele Kittlinien 


und im pektoralen Teil auch viele kalklose, also rote Sharpey’sche Fasern. 
Periost ohne pathoiogischen Befund. 


Knochenmark rein zellig (<M), die Riesenzellen mäßig viel und wohlerhalten, die Zellen mit den großen, hellen, 
gelappten oder gelochten Kernen prävalieren und sind zum Teil eosinophil granuliert, die mit kleinen dunklen Kernen 


sind in der Minorität. 


Osteoid. Die für diesen Fall charakteristische Eigenschaft des Osteoids ist, daß seine Dicke nur wenig pathologisch 
vermehrt, zweimal größer als das normale Maximum ist, dafür aber ist es sehr häufig anzutreffen. Wiewohl es in den 
primären und den oberen Teilen der sekundären Spongiosa am meisten, in der Corticalis schon weniger vorkommt, 
sind die Unterschiede zu gering und die Maße wurden zusammengerechnet. 27 Messungen, 12 u Durchschnitt, 27°5 u. 
Maximum, 4°3 1 Minimum. Das Osteoid des oberen Schaftendes, das sechsmal gemessen wurde, ergab einen Durch- 


schnitt von 15 p, ein Maximum von 17°5 u und ein Minimum von 10 y. 


Fall 13. Weiße, männliche Ratte, 139 g schwer, mit gelben, opaken Nagezähnen, im Laboratoriumsstall aufgewachsen. 15 Tage vor 


der Tötung wird die rechte Fibula frakturiert und am gleichen Tage brechen dem Tiere die Spitzen beider unteren 
Nagezähne ab, als es in die es anfassende Zange hineinbeißt. Der Wundverlauf war ungestört. Bei der Obduktion wog das 
Tier 143 g, hat also etwas zugenommen. Es war sehr muskulös und gut genährt, die Nagezähne nach wie vor gelb, opak, 
und die unteren Nagezähne schon wieder normallang und zugespitzt. Es bestand ein geringer Rosenkranz und es fanden 
sich 13 größere und kleinere Rippenkallus. Die Epithelkörperchen waren mittelgroß, aber sie leuchteten weiß aus der roten 


Schilddrüse heraus. 


Histologischer Befund. Das Material wurde 5 Tage in Müller entkalkt, einzelne kallusführende Stücke der rückwärtigen 


Rippenabschnitte aber 7 Tage. 


er 


a) 


b) 


a) 


I 


2) 


h) 
i) 


R) 


Rachitis und Epithelkörperchen. 421 


Der verkalkte Rippenknorpel zeigt wie gewöhnlich viele quere Risse, eine dunkelblaue Farbe, die unscharf 


begrenzt ist und oft bis ans Perichondrium heranreicht. 


Der ruhende Knorpel ist 288 u im Durchschnitt, 400 y. maximal, 176 y. minimal hoch und hat nur geringe seitliche 
Ausbuchtungen. In der homogenen, rotvioletten Grundsubstanz liegen axial große, helle Zellen mit großen, runden 
hellen Kernen, marginal kleine, dunkle Zellen, deren Protoplasma zuweilen ganz dunkelblau ist und außerdem ver- 
schieden zahlreiche basophile Züge, die sogar zu einer so dichten Masse zusammentreten können, daß die Grund- 


substanz davon violett wird. 


Die Knorpelwucherungsschicht ist durchschnittlich 105 u hoch, maximal 112 u, minimal 96 j.. Sie hat im ganzen 
eine flach kappenförmige Gestalt und bietet nichts besonderes. In ihrer blauvioletten homogenen Grundsubstanz liegen 


die kleinen, dunklen, querspindeligen Zellen, die zu schön nach oben zusammenstrebenden Säulen gruppiert sind. 


Die präparatorische Verkalkungszone ist durchschnittlich 105 » hoch, maximal 176 p, minimal 48 u. Diese 
große Differenz von Maximum und Minimum kommt davon, daß die Schichthöhe nicht nur in verschiedenen, sondern 
in ein und derselben Rippe wechselt, denn die obere Schichtgrenze ist zwar ebenmäßig, die untere aber durch ver- 
schieden tief einschneidende Markbuchten bald 3, bald 8 Zellen hoch. Die großen, hellen, polygonalen Zellen mit den 
großen, ganz lichten Kernen bilden parallel zur Rippenachse dicht zusammenstehende Säulen. Die Grundsubstanz ist 
etwa in der oberen Schichthälfte kalklos, in der unteren dunkelblau verkalkt und selbst da findet man manchmal 
zwischen zwei Zellsäulen den Grundsubstanzpfeiler in der Mitte seiner Dicke in Form eines schmalen Streifchens 
kalklos. 


Enchondrale Ossifikation und primäre Spongiosa. Die in den Knorpel von unten einschneidenden Mark- 
buchten sind bald seicht, bald tief, meist so breit wie einige, selten so schmal wie eine Zellsäule und das zwischen den 
Buchten herausgearbeitete Knorpelgewebe besteht meist bloß aus einem schmalen Streifchen Grundsubstanz; seltener 
stellt es ein breites Stück unverbrauchten Knorpels mit Zellen dar. Der Inhalt der Buchten besteht aus einem jungen 
Bindegewebe mit großen, hellen, ovalen Zellen, manchmal sogar schon mit einer Ansammlung zelligen Markes und 
einem oder einigen wenigen Blutgefäßen, die in der Regel gegen den Knorpel hin keine Endothelauskleidung besitzen, 
Kapseln aufbrechen und sie mit Blut ausfüllen. Selten hat das Gefäß nicht nur rings herum sein Endothel, sondern ist 
auch ringsherum von Bindegewebe umgeben, so daß nur an diesen wenigen Stellen der vaskuläre Knorpelabbau ruht. 
Die mit dem Bindegewebe nachrückenden Osteoblasten apponieren in die von oben gerechnet zweite spätestens vierte 
aufgebrochene Knorpelkapsel Knochengewebe, das, obwohl oft recht dick, auf eine lange Strecke kalklos bleibt, um 
erst tiefer unten gegen die sekundäre Spongiosa zu langsam Kalk aufzunehmen. 

Die so entstandenen Bälkchen der primären Spongiosa liegen in jedem Schnitt in mehreren Exemplaren vor, 
stehen ungefähr parallel zur Rippenachse, enthalten im Zentrum den typischen, homogenen, dunkelblauen Knorpel- 
einschluß und setzen eine wohl charakterisierte, hauptsächlich osteoide Schicht zusammen, deren Höhe im Durch- 


schnitt 126 u. beträgt, maximal 195 , minimal 60 u. 


Die sekundäre Spongiosa hat eine pathologische, wenn auch nicht maximale Höhe von durchschnittlich 1200 ı, 
maximal 1800 u. und minimal 700 y. Sie geht oben kontinuierlich aus der primären Spongiosa hervor, besteht aus 
schmächtigen Bälkchen, die stets schmäler sind als die zwischen ihnen liegenden, zelliges Mark führenden Räume, nach 
unten gegen die große Markhöhle dehiszieren und seitlich an die Corticalis inserieren, deren Selbständigkeit dabei 
nicht leidet. Die Bälkchen sind nur ausnahmsweise von einer dünnen Bindegewebshülle umgeben, manchmal noch von 
Osteoblasten umsäumt und aus Knochengewebe von reicher Struktur aufgebaut. Das Osteoid ist recht breit, fehlt fast 


an keinem Bälkchen und macht etwa ein Drittel der ganzen Balkendicke aus. 


Die Coricalis besteht aus reifem Knochengewebe und trägt auf den endostalen Flächen reichlich, auf den periostalen 
fast gar kein Osteoid. An Stellen, wo ein Gefäß durch die Corticalis zieht, kann diese ihrer ganzen Dicke nach kalklos 


sein. Das obere Corticalisende ist oft auf eine längere Strecke ganz kalklos, 
Das Periost ohne Besonderheiten. 


In dem ausschließlich zelligen Knochenmark überwiegen die Zellen mit den großen, runden, gelappten oder 
gelochten Kernen bei weitem, die mit kleinen, dunklen Kernen sind viel spärlicher, die Riesenzellen mäßig zahlreich, 
die Gefäße oft gut gefüllt, 


Das Osteoid wurde für sich an der 1. primären, 2. sekundären Spongiosa, 3. dem Schaft und 4, dem oberen Corti- 


calisende gemessen. 


Dr. J. Erdheim, 


1. 39 Messungen, 16°0 u Durchschnitt, 37°5 » Maximum, 5°0 x Minimum. 


280 » 1734 » 2751 » 5Om » 
3.23 » 268 1 » 62:51 » 2:54 » 
4.10 > 263 u » 62:51 » Toy » 
R x x 
x 


Fall 14. Weiße, weibliche Ratte, 164g schwer, die Nagezähne gelb, intakt, aber ganz opak. Die Provenienz des Tieres konnte nicht 


ermittelt werden, es wurde unter den Zuchttieren des Laboratoriumsstalles vorgefunden. 15 Tage vor der Tötung wurden 


dem Tiere beide Fibulae frakturiert und dabei die Fragmente rechts gut, links absichtlich schlecht adaptiert. Bei der 


Obduktion wog das Tier 171g, hat also etwas zugenommen. Die Nagezähne nach wie vor gelb, opak, intakt, die 


unteren in gleicher Höhe mit weißen Querstreifen versehen. Die Rippen waren frei von Spontanfrakturen, das rechte 


Ek. schien mäßig, das linke stärker vergrößert, die Frakturstelle beider Fibulae noch ganz beweglich. 


Histologische:r Befund. Das Material wurde 2 Tage in Müller entkalkt. 


a) 


b) 


c) 


a) 


» 


Der verkalkte Rippenknorpel hat viele Querrisse, ist intensiv blau und diese blaue Farbe ist bald scharf, bald 


unscharf nach außen begrenzt. 


Der ruhende Knorpelist durchschnittlich 308 y. hoch, 326 u meximal, 256 ı minimal. In der homogenen, reichlichen, 
rotvioletten Grundsubstanz liegen große, helle Zellen mit rundem, hellem, großem Kern. Nur nahe den lateralen Aus- 


bauchungen sind die Zellen kleiner, dunkler und manchmal ganz blau. 


Die Knorpelwucherungszone ist im Durchschnitt 96 u hoch, 112 u maximal, SO u minimal. Die Gesamtform der 
Schicht ist flach kalottenförmig, die Grundsubstanz reichlich, homogen, blauviolett und die kleinen, dunklen, quer- 


spindeligen Zellen formieren nach oben zusammenstrebende Säulen. 


Die präparatorische Verkalkungszone ist im Durchschnitt 108 u hoch, maximal 144 u, minimal 64 u. Die 
Schicht beginnt oben in einer geraden Linie fast ohne jeden Übergang und da die untere Grenze nicht besonders tief- 
buchtig ist, ist auch die Schichthöhe nicht stark wechselnd.. Die Zellen sind hell und groß, aber doch kleiner als in 
anderen Fällen und die von ihnen zusammengesetzten Säulen stehen sehr dicht zusammen und parallel zur Rippen- 
achse. Die Zellen haben einen runden, nicht sehr hellen Kern und sind in allen Teilen blau, am stärksten blau die 
Kapseln. Die Grundsubstanz in ein und derselben Rippe stellenweise in der ganzen Schicht bis hinauf dunkelblau ver- 
kalkt und stellenweise läßt sie die obersten 1 bis 3 Zellschichten unverkalkt. Die obere Grenze der Verkalkung ist 


unscharf. Die Verkalkung beginnt stets in der Knorpelkapsel und läßt die Septa in der Mitte der Dicke kalkfrei. 


Enchondrale Ossifikation und primäre Spongiosa. Die in den Knorpel von unten eingefressenen primären 
Markbuchten sind weder sehr tief noch sehr breit und enthalten junges Bindegewebe und oft nur ein Gefäß. Dieses 
bricht unter Verlust der Gefäßwand die Knorpelkapseln auf oder hat ringsherum nicht nur ein intaktes Endothel, sondern 
auch Bindegewebe. Beide Vorkommnisse sind gleich häufig, so daß man die enchondrale Ossifikation nicht als rege 
bezeichnen kann. 

In der von oben gerechnet zweiten bis vierten aufgebrochenen Knorpelkapsel stellt sich der Knochenanwurf ein, 
der trotz bedeutender Dicke ganz kalklos bleiben kann. Es resultiert daraus eine primäre Spongiosa, die durchschnitt- 
lich 104 u, maximal 144 u, minimal 80 ı hoch ist, die kalkarm oder kalklos ist und als dicht bezeichnet werden muß, 
weil die Markräume, die neben Bindegewebe hohe und niedere Osteoblasten enthalten, stets schmäler sind als die 


Balken. 


Die sekundäre Spongiosa ist durchschnittlich 824 hoch, maximal 352 x, minimal 304 p. Sie geht kontinuierlich 
aus der primären Spongiosa hervor und besteht aus einer grobbalkigen oder lockeren Spongiosa, die im Rundbogen 
die Markhöhle überwölbt. Das Knochengewebe ist recht gut verkalkt, doch gibt es auch allenthalben pathologisch 
breite Osteoidsäume mit schmaler, feinkörniger Übergangszone. Die Markräume sind breiter als die Balken, enthalten 
hauptsächlich Bindegewebe, darin mäßig viele basophil granulierte Zellen im engsten Anschluß an die Blutgefäße. Im 


Zentrum des fibrösen Markes liegt manchmal eine kleine Anhäufung von zelligem Mark. 


Die Corticalis ist im allgemeinen dünn und recht gut verkalkt. Das meiste Osteoid liegt auf der pektoralen Periost- 


Nääche, ferner auch am Endost, endlich in den Gefäßkanälen. Die Selbständigkeit der Corticalis ist bis zu ihrem oberen 


Rachitis und Epithelkörperchen. 423 


Ende gewahrt; dieses reicht bis zur oberen Grenze der Knorpelwucherungsschicht hinauf und ist auf eine längere Strecke 


ganz kalklos. In der Höhe der primären Spongiosa ist die Corticalis relativ kalkarm. 


h) Das Periost ist ohne Besonderheiten. 


) 


19) 


Im ausschließlich zelligen Knochenmark überwiegen die groß- und hellkernigen Zellen über die klein- und dunkel- 


kernigen; die Riesenzellen sind gut entwickelt und mäßig zahlreich; die Gefäße stark gefüllt. 


Das Osteoid wurde an 4 Stellen gemessen: 1. in der primären, 2. in der sekundären Spongiosa, 3. in der Corticalis, 


4. am oberen Corticalisende. 


1. 43 Messungen, 27°O u Durchschnitt, 64 u Maximum, 8 x Minimum. 


2a 21 » 178 1 » 32 u » Cy » 
3. 34 » 21'814 » 40 u » 8u > 
4. 8 » 400 u » 64 u » 16 u » 
* * 
* 


Fall 15. Weiße, weibliche Ratte, 159 gschwer, mit gelben, intakten, aber opaken Nagezähnen, im Laboratoriumsstall aufgewachsen. 


15 Tage vor der Tötung wurde dem Tiere die rechte Fibula frakturiert. Der Wundverlauf war ungestört. Bei der Obduktion 


wos das Tier 155 5, war muskulös und recht gut senährt, die Nagezähne waren nach wie vor gelb, opak, intakt, aber mit 
fo} b) fo) ’ fo} fo) $) $) ) 


rauhen weißen Querstreifen versehen. Es bestand kein Rosenkranz, aber es fanden sich in den hinteren Rippenabschnitten 


fünf kleine Rippenkallus und die Rippen waren mit der Schere auffallend leicht schneidbar. Beide Ek. leuchteten weiß aus 


der roten Schilddrüse heraus, das linke war sehr erheblich vergrößert, während das rechte bloß übermittelgroß zu sein 


schien. Die Fibula an der Bruchstelle in auffallender Weise noch vollständig beweglich. 


Histologischer Befund (Fig. 11): Das Material wurde 4 Tage in Müller entkalkt. 


a) 
b) 


d) 


Der verkalkte Rippenknorpel (vK) ohne Besonderheiten, mit deutlichen Querspalten. 


Der ruhende Knorpel (rX) im Durchschnitt 360 p. hoch, im Maximum 412 u, im Minimum 272 p. Die seitliche Aus- 
bauchung (a) ist gering. Die Grundsubstanz homogen, rotviolett, die Zellen im axialen Teile (bei vÄX) groß und hell, 


seitlich (bei a) klein und dunkel. 


Die Knorpelwucherungsschicht (KW) hat in toto eine flach kalottenförmige Gestalt, ist aber gelegentlich etwas 
verbogen. Die Schicht ist durchschnittlich 120 hoch, 144 ı im Maximum, 80 » im Minimum. Die Grundsubstanz 
homogen, blauviolett, die Zellen sind klein, dunkel, querspindelig und formieren schöne, nach oben zusammen- 


strebende Säulen. 


Die präparatorische Verkalkungszone (pV) ist durchschnittlich 128 » hoch, maximal 208 u, minimal 16 1. Die 
Schicht ist also gegen die Norm nur unwesentlich höher und die große Differenz zwischen Maximum und Minimum 
kommt davon, daß die obere Grenze der Schicht wohl ebenmäßig, die untere aber von den tief einschneidenden Mark- 
buchten (D) bald auf eine Höhe von 2 bis 4 Zellen reduziert wird, bald zwischen zwei Buchten ein breites, 15 Zellen 
hohes Massiv unverbrauchten Knorpels stehen geblieben ist. Der Übergang von der Knorpelwucherungszone ist 
kein ganz plötzlicher, die Zellen sind nicht maximal groß, der Kern stets rund und blau, das Protoplasma bald mehr 
weißlich, bald deutlich hellblau. Die Säulenanordnung ist noch gut gewahrt, denn die Grundsubstanzpfeiler zwischen 
den Zellsäulen sind nicht stark verschmälert. Die Grundsubstanz ist mit Ausnahme von ein bis zwei schmalsten Zell- 
lagen verkalkt und ihre schwarzblaue Farbe nach oben nicht scharf begrenzt, sondern sich langsam verlierend. In einer 
Rippe war aber im axialen Teile die ganze Knorpelschicht kalklos, daselbst höher und darum gegen die Spongiosa sich 
vorwölbend, die Zellen klein und dunkel und im untersten Teile der Schicht an einigen Zellexemplaren die Erscheinung 


maximalsten, bis zum Kernschwund gediehenen Zellkollapses, also Sinterknorpel. 


Enchondrale Ossifikation und primäre Spongiosa (pSp). Die in den Knorpel einschneidenden Markbuchten 
sind bald so breit wie einige Zellsäulen und tief oder ganz flach oder sie sind nur so schmal wie eine einzige Zell- 
säule. In letzterem Falle ist zwischen zwei Buchten bloß ein schmales, globulär begrenztes Grundsubstanzstück frei 
herausgearbeitet, im ersteren Falle aber ein breiteres Stück Knorpelgewebe mit Zellen, das aber zwischen ganz flachen 


Buchten fehlen kann. 


424 Dr. J. Erdheim, 


Der Inhalt der Buchten kann aus jungem, an großen Zellen reichem Bindegewebe bestehen, das am oberen 
Ende der Bucht meist mehrere Blutgefäße enthält. Zumeist besitzen diese ringsherum Endothel und sind auch rings- 
herum von Bindegewebe umgeben, manchmal fehlt aber gegen den Knorpel hin das Endothel und freie Blut- 
körperchen liegen in einer aufgebrochenen Knorpelkapsel. Dieser vaskuläre Knorpelabbau ist aber nur an manchen 
Stellen zu sehen und darum im allgemeinen als träge zu bezeichnen. 

Ähnlich ist es auch mit der Ossifikation. Es gibt 4 bis 5 Zellen hohe Buchten ohne eine Spur von Knochen- 
anwurf, also verspätete Ossifikation. Häufiger aber findet man Osteoblasten, die einen Knochenanwurf erzeugen, der 
trotz oft beträchtlicher Dicke ganz oder fast ganz kalklos bleibt (0). Es kommt auch vor, daß der kalklose Knochen- 
anwurf nicht nur an den Seiten, sondern auch am Gipfel der Bucht sich ablagert, diese somit von Knochen ganz aus- 
gemauert und wegen der bedeutenden Dicke des Belages zu einem engen gefäßführenden Kanal verengt wird. 

Aus diesem eigentümlichen Prozeß der enchondralen Ossifikation resultiert in manchen Rippen eine ganz 
abnorme primäre Spongiosa (» Sp). Sie ist im Durchschnitt 121 p. hoch, maximal 240 u, minimal 60 u. Sie ist sehr dicht 
gebaut, die Markräume (db) sehr eng, die Knochenbälkchen sehr dick, im Zentrum den Knorpeleinschluß und an der 
Oberfläche eine mächtige osteoide Auflagerung (p Sp). Dann ist eben zwischen Knorpel und gut verkalkter sekundärer 
Spongiosa (s Sp) eine durch den fast absoluten Kalkmangel und dichte Struktur sehr auffallende primäre Spongiosa- 
schicht eingeschoben (Fig. 11). Aber nicht in allen Rippen kann in dieser klaren Weise von einer primären Spongiosa 
gesprochen werden, denn in manchen Rippen sind knorpelhaltige Bälkchen sehr spärlich, schräg zur Rippenachse 


gestellt, fast ebenso gut verkalkt wie die sekundäre Spongiosa und in manchen Schnitten fast fehlend. 


J Die sekundäre Spongiosa (s,Sp) ist eine kontinuierliche Fortsetzung der primären und von mittlerer Dichtigkeit, 
d. h. die Bälkchen (c) durchschnittlich so breit als die Markräume (e). Die Bälkchen sind offensichtlich nach statischen 
Prinzipien angeordnet, indem aufrechte Stützbalken (c) über einem Rund- oder Flachbogen (s Sp) angeordnet sind, der 
die große Markhöhle kuppelförmig nach oben anschließend überwölbt. Die Bälkchen sind ferner der Hauptsache nach 
verkalkt, also zum Stützen geeignet, wenn auch Osteoidsäume (d) in ansehnlicher Dicke an den meisten Stellen noch 
vorhanden sind. Lakunäre Begrenzung der Bälkchen mit Bloßliegen des kalkhaltigen Knochens, aber meist ohne Osto- 
klasten und Kittlinien im Knochengewebe sind reichlich vorhanden und deuten auf einen regen Umbau, der der 
Spongiosa ihre Stützstruktur verlieh. In den Markräumen gefäßführendes Bindegewebe und im engsten Anschluß an die 
Gefäße finden sich im Bindegewebe viele basophil granulierte Zellen, die auch in anderen Knochen dieses Falles häufig 
anzutreffen sind. Hie und da enthalten die Markräume zelliges Mark und selbst in diesem Falle fehlt eine fibröse 


Umhüllung der Bälkchen nicht. Die Schicht ist im Durchschnitt 356 u hoch, maximal 435 u, minimal 315. 


8) Die Corticalis (C) ist der ganzen Länge nach in ihrer Selbständigkeit gewahrt. Auf der pektoralen Seite (C) in toto 
auffallend dicker als auf der pleuralen (f) und überall kompakt. Das dickste Osteoid findet sich subperiostal auf der 
pektoralen Seite (g), weniger am Endost der pleuralen (7) und pektoralen Seite und fehlt am Periost der pleuralen Seite. 


Das obere Schaftende reicht meist bis zur Knorpelwucherungszone hinauf und ist auf eine lange Strecke kalklos (v). 
h) Am Periost nichts Besonderes. 


i) Das Knochenmark zellig, mit wenigen Fettzellen (#) untermischt. Unter den Markzellen prävalieren die mit den 
großen, hellen, runden, gelappten oder gelochten Kernen; die mit kleinen, dunklen Kernen sind spärlich, die Riesen- 


zellen (RZ) mäßig an Zahl, zum Teil normal, zum Teil klein, dunkel, mit pyknotischen Kernen. 


k) Das Osteoid ist am dicksten 1. im oberen Corticalisende; an 2. Stelle kommt die primäre Spongiosa; ganz ansehnlich 
ist es noch 3. in der Corticalis, in der besonders oft breite grobkörnige Übergangszonen vorkommen; 4. in der 


sekundären Spongiosa ist das Osteoid am geringsten, wenn auch noch immer pathologisch dick. 


1. 8 Messungen, 73°0 1 Durchschnitt, 112 u Maximum, 480 » Minimum. 


Pi 22 » 46°9 u. » 100 u. » 125 u >» 
3. 32 > 253 1 » 48 » 4:0 u > 
4, 29 > 13:01 » 30 u >» 25 >» 
x % 
%* 


Fall 16. Weiße, weibliche Ratte, 204g schwer, mit gelben, ganz opaken, aber intakten Nagezähnen. Die Provenienz des Tieres 


konnte nicht ermittelt werden, es fand sich unter den Zuchttieren des Laboratoriumsstalles. 15 Tage vor der Tötung wurden 


Rachitis und Epithelkörperchen. 425 


beide Fibulae frakturiert. Der Wundverlauf blieb ungestört. Bei der Obduktion wog das Tier 207 g, die Nagezähne waren 


nach wie vor gelb, opak, intakt, das Tier sehr kräftig und gut genährt, etwas Pneumonie. Keine Rippenkallus. Beide Fibulae 


an der Frakturstelle noch ganz beweglich. Die Ek. stark vergrößert, das linke an gewöhnlicher Stelle, das rechte an der 


hinteren Pharynxwand. 


Histologischer Befund (Fig. 12). Das Material wurde 3 Tage in Müller entkalkt. 


a) 


b) 


e) 


d) 


e) 


Der verkalkte Rippenknorpel (vX) enthält große, helle Zellen. Die mit vielen Rissen versehene Grundsubstanz 
hat eine stark blaue Farbe, die sich am Rande unscharf verliert und unter dem Perichondrium nur eine dünne Knorpel- 


schicht von roter Farbe freiläßt. 


Der ruhende Knorpel (rX) enthält in der rotvioletten, homogenen Grundsubstanz axial große, helle Zellen mit 
großem, rundem, hellem Kern (beirK), gegen die meist mäßig entwickelten seitlichen Ausbuchtungen (a) hin aber 
sind die Zellen zahlreicher, klein, dunkel und blau. Die Schicht ist durchschnittlich 275 u hoch, 304 u. maximal, 214 ıu 


minimal. 


Die Knorpelwucherungszone (KW) hat eine ganz flach linsenförmige Gesamtform, ist an 4 Rippen gemessen 
konstant 112 u hoch, hat eine reichliche, homogen blauviolette Grundsubstanz, in der die kleinen, dunklen, quer- 


spindeligen Zellen schöne, nach oben zusammenstrebende Säulen bilden. 


Die präparatorische Verkalkungszone (»V) ist im Durchschnitt 244 u. hoch, 268 ı maximal, 224 u. minimal 
sie ist also bedeutend höher als normal, was auch schon darin zum Ausdruck kommt, daß man 17 bis 20 Zellen der 
Höhe nach zählen kann. An der oberen, ebenmäßigen Grenze geht die Schicht allmählich aus der oberen hervor, die 
untere Grenze ist, von kleinen Buchten abgesehen, nach unten konvex, so daß die Schicht in der Mitte dicker ist als an 
den Rändern. Die Zellen sind groß, rundlich, polygonal, haben einen großen, runden, lichten Kern und ein ganz helles 
Protoplasma, setzen Säulen zusammen, welche sehr dicht zusammenstehen und von denen die meisten parallel zur 
Rippenachse sind, nur die randständigen nach oben divergieren. Die Grundsubstanz ist ganz unverkalkt, nur mit einem 
Stich ins Violette, wie es beim Knorpel gewöhnlich der Fall ist. Am untersten Knorpelrande jedoch werden an gewissen 
Stellen (db) die Knorpelzellen wieder kleiner, abgeplattet, queroval, die Kerne werden kleiner, dunkel, sogar auch quer- 
oval und die Grundsubstanz zwischen den Zellen hat ihre Basophilie ganz verloren und färbt sich rot. Es handelt sich 
um Sinterknorpel, der aber weder bis zum Kernschwund gediehen, noch sehr reichlich ist. (In der Fig. 12 an dem 
dunkleren Ton und den dunklen Kernen [b] zu erkennen.) Nirgends gibt es im Knorpel eine zusammenhängende ver- 
kalkte Lage. Der verkalkte Knorpel beschränkt sich allein auf die für die Verkalkung prädestinierte Randpartie (d) und 
die allerdings zahlreichen, senkrecht absteigenden, in den primären Spongiosabälkchen (c) liegenden Knorpeleinschlüsse, 
welche schwarzblau verkalkt sind und mit dem kalklosen Knorpelmassiv oberhalb (» V) noch in Verbindung stehen. 
Aber zwischen je zwei solchen gibt es keinen verbindenden kalkhaltigen Knorpel. Es ist nun sehr bemerkenswert, daß 
der Sinterknorpel in 'ausgesprochener Weise gerade oberhalb der verkalkten Knorpeleinschlüsse besonders häufig sich 
findet (d oberhalb c), während zwischen zwei solchen Stellen, also über einer primären Markbucht, der Sinterknorpel 
meist fehlt. 


Dieses Verhalten ist in folgender Weise zu deuten. Als der vor der Rachitis und zu Anfang derselben noch zur 
Verkalkung gelangte Knorpel vom vaskulären Abbau aufgezehrt war, kam dieser zum Stillstand und da die Knorpel- 
wucherung ungehindert fortschritt, entstand durch diesen Knorpelzuwachs bei Ausbleiben der Verkalkung und des 
Abbaues eine pathologische Erhöhung der kalklos bleibenden Knorpelschicht. Diese ruht der primären Spongiosa mit 
ihren senkrecht aufragenden Bälkchen direkt auf, die durch den Einschluß verkalkten Knorpels fest sind und an diesen 
Bälkchen drückt sich sozusagen der weiche, kalklose Knorpel auf und nimmt deshalb, elektiv über den Bälkchen, den 
Charakter von Sinterknorpel an. Dieser hat somit eine rein mechanische Genese, er ist eine Folge des Belastungs- 


druckes. 


Enchondrale Ossifikation und primäre Spongiosa. Wir müssen hier von zweierlei enchondraler Ossifikation 
reden, und zwar von der normalen, welche derzeit nicht mehr im Gang ist, sich aber so lange abspielte, als ihr kalk- 
haltiger Knorpel zur Verfügung stand und derzeit nur noch in den Endprodukten des Prozesses vorliegt, und zweitens 
von der pathologischen, welche aber erst in den Anfängen steckt, 

Als die Residuen der ehemaligen normalen enchondralen Ossifikation haben wir die in den recht langen und 
nicht seltenen, primären Spongiosabälkchen liegenden verkalkten, schwarzblauen Knorpeleinschlüsse anzusehen, die in 


globulärer Grenzlinie von Osteoid umlagert sind und nur selten unverbrauchte Knorpelzellen enthalten. Diese sind 


& 


426 Dr. J. Erdheim, 


stets groß und rund und nie platt wie in dem knapp oberhalb liegenden Sinterknorpel, denn diese Zellen wurden 
bereits zu einer Zeit in Kalk eingeschlossen, als das Tier noch normal war, also der Knorpel noch nicht pathologisch 
hoch und zur Bildung von Sinterknorpel noch keine Gelegenheit war. Der osteoide Anwurf der primären Spongiosa 
reicht oft bis zur höchstgelegenen eröffneten Knorpelkapsel hinauf und läßt höchstens die zwei obersten Knorpel- 
kapseln unausgefüllt. 

Die Buchten zwischen den primären Spongiosabalken sind an ihrem blinden Ende von kalklosem Knorpel 
abgeschlossen und enthalten etwas Bindegewebe, nicht gerade schön ausgebildete Osteoblasten und endlich Gefäße, 
welche zumeist gar nicht in den kalklosen Knorpel eindringen, sondern ringsherum Endothel besitzen und von Binde- 
gewebe umgeben sind. Nur ausnahmsweise dringt einmal ein Gefäß einige Zellen hoch in den kalklosen Knorpel, 
aber nich entlang den Zellsäulen, sondern beliebig und dann sieht man, wie in einigem Umkreis um das Gefäß der 
Knorpel seine Basophilie verliert und aufgelöst wird. Dies ist der pathologische vaskuläre Knorpelabbau, der erste 
Anfang pathologischer Knorpelvaskularisation, welche nur ganz träge vor sich geht. 

Über die primäre Spongiosa (pp) ist schon oben das Nötigste gesagt. Hier nur noch soviel, daß sie eine 
gut charakterisierte Schicht ist, die Bälkchen nicht spärlich sind, zentral verkaikten Knorpel einschließen, einen stets 
rein osteoiden Knochenanwurf tragen (pSp) und zwischen sich fibröses Mark aufweisen. Die Schicht der primären 


Spongiosa ist durchschnittlich 164 ı hoch, 208 u maximal, 144 u minimal. 


J) Die sekundäre Spongiosa (sSp) ist durchschnittlich 584 u hoch, maximal 300 , minimal 448 u. Sie besteht aus 
einer dichten Spongiosa, welche oben kontinuierlich aus der primären hervorgeht, unten aber die Markhöhle durch ein 
Rundgewölbe (e) abschließt. Seitlich inseriert sie an die Corticalis, deren Selbständigkeit gewahrt bleibt. Die Mark- 
räume (/f) sind so breit als die Bälkchen, meist sogar enger, enthalten ein fibröses Mark, darin manchmal mäßig viele, 
perivaskulär liegende, basophil granulierte Zellen, seltener eine Anhäufung zelligen Marks (k). Osteoblasten zum Teile 
sehr schön ausgebildet, zum Teile klein. Die breiten Bälkchen (s Sp) bestehen aus reifem Knochengewebe, enthalten oft 
Kittlinien und weisen Stützstrukturen auf. Das Knochengewebe ist der Hauptsache nach verkalkt (s,Sp), doch fehlen, 
recht breite Osteoidsäume auch nicht. Die Kalkgrenze ist bald scharf und durch eine Kittlinie gegeben, bald durch 


eine feinkörnige, aber breite Übergangszone. 


$) Die Corticalis ist im allgemeinen dünn (g), aus reifem Knochengewebe aufgebaut und weist gelegentlich auf beiden 
peri- und endostalen Flächen, namentlich aber auf der pektoralen Periostfläche (») eine dicke Osteoidmasse auf. Die 
Kalkgrenze ist meist eine breite, grobkrümelige Übergangszone. Die in ihrer Selbständigkeit überall gewahrte Corticalis 
ist im Bereiche der gut verkalkten sekundären Spongiosa auch gut verkalkt (C), im Bereiche der kalklosen primären 
Spongiosa kalkarm oder kalklos (m) und am oberen Schaftende, welches meist bis zur oberen Grenze der Knorpel- 


wucherungsschicht reicht, ebenfalls auf eine lange Strecke ganz kalklos (n). 
h) Das Periost ist ohne Besonderheiten. 


i) Das Knochenmark (O) ist ein mit Fettzellen untermischtes zelliges Mark, in dem Zellen mit großem, hellem, rundem, 
gelapptem oder gelochtem Kern überwiegen, solche mit kleinem, dunklem Kern spärlicher, die Riesenzellen mäßig an 


Zahl und gut entwickelt sind. 


k) Das Osteoid wurde an 4 Stellen gemessen: 1. primäre, 2. sekundäre Spongiosa, 3. Corticalis, 4. oberes Corti- 
calisende. 


1. 20 Messungen, 23°7 » Duchschnitt, 80 u Maximum, 8 1 Minimum. 


2. 81 » 2451 » 48 1. » eg » 
B32 > 33 Ay > 72 u » Sn » 
4, 8 » 80-0 u >» 153 u » 48 1 » 
* * 
* 


Fall 17. Weiße, weibliche Ratte, 205 g schwer, mit kräftigen, intakten, gelben, aber ganz opaken Nagezähnen; am rechten unteren 
gelbe, opake Querstreifen. Das Tier istim Laboratoriumsstall aufgewachsen. Es wurde dem Tier die rechte Fibula frakturiert 
und nach Primaheilung 15 Tage später das Tier getötet. Es wog jetzt 202 g, die Nagezähne nach wie vor gelb, opak, der 
rechte untere etwas kürzer, der rechte obere dafür etwas länger. Das Tier ist kräftig, muskulös, gut genährt. Die rechte 


Lunge gänzlich, dıe linke zum Teil pneumonisch. Enormer Rosenkranz und 17 Rippenkallus. Das rechte Ek. übermittelgroß, 


Rachitis und Epithelkörperchen. 427 


das linke schr stark vergrößert. Beide hell aus der dunklen Schilddrüse herausleuchtend. Die Frakturstelle an der rechten 
Fibula noch ganz bedeutend beweglich. 


Histologischer Befund (Fig. 13). Das Material wurde 7 Tage in Müller entkalkt, 
a) Der verkalkte Rippenknorpel (vK) zeigt keine Abweichungen von der Norm. 


b) Der ruhende Knorpel (rK) ist nach 11 Messungen durchschnittlich 510 x hoch, 560 im Maximum, 488 y. im 
Minimum. Die Schicht verbreitert sich nach unten nicht so plötzlich, die seitlichen Ausbauchungen sind zum Teil stark 
entwickelt, zum Teil fehlen sie ganz und das obere Corticalisende stützt sich niemals auf diese Ausbauchungen, da cs 
nie hoch genug hinaufragt. Die Grundsubstanz homogen, rotviolctt, die Zellen axial (bei X), groß und hell, in den 


Ausbauchungen (a) klein und dunkel. 


e) Die Knorpelwucherungszone (KW) nach 11 Messungen im Durchschnitt 224. hoch, 28S y. maximal, 160 u. 
minimal. Während normaliter diese Schicht bikonvex oder plankonvex ist mit der Konvexität nach oben, ist sie hier 
entweder konvexplan, also meist mit der Konvexität nach unten, oder häufig sogar durch cine Ausbiegung der Schicht 
nach unten konvex-konkav (KW), so daß sie axial wesentlich dicker ist als an den Seiten. Die Grundsubstanz blau- 
violett, homogen, die Zellen klein, dunkel, querspindelig, zu schönen Säulen aufgeschichtet, die deutlich nach oben 


zusammenstreben. 


d) Präparatorische Verkalkungszone (pV). Diese bietet eine Fülle schwerer, zum Teil schwer verständlicher 
pathologischer Veränderungen dar. Darum soll die Besprechung etwas eingehender criolgen. 

Die Schicht (»V‘) hat stets eine untere stark konvexe Begrenzung, während die obere selten geradlinig, meist 
konkav ist. Es resultiert daraus eine meist konvex-konkave Gesamtform der Schicht. 

Die Gesamthöhe derselben beträgt durchschnittlich 1192 u, maximal 1568 , minimal 848 u, ist also beträchtlich 
pathologisch vermehrt. Sie zerfällt aber ihrer Beschaffenheit nach in zwei ungleiche Teile, in einen oberen, kalklosen 
und einen unteren, kalkhaltigen. Der erstere (» V), der bei weitem größere, enthält der Höhe nach durchschnittlich 
77 Zellen, ist nach 5 Messungen im Durchschnitt 1075 p hoch, 1312 u. maximal, 800 u. minimal; der letztere (e, f) bildet 
niemals ein zusammenhängendes Lager, sondern liegt in 1 bis 5 Bruchstücken vor, deren Höhe nach 15 Messungen 
durchschnittlich 117 u. beträgt, mit dem Maximum von 256 y. und dem Minimum von 48 u, während die Zahl der Zellen 
der Höhe nach durchschnittlich nur 8 beträgt. 

Die Schicht ist als ganzes in eine passende, napfförmige Vertiefung der Spongiosa (Sp) eingelassen, da aber das 
obere Schaftende (g) viel zu kurz ist, um bis zur Ossifikationsgrube zu reichen, so ist der Knorpel in scinen oberen 
Abschnitten vom Pcrichondrium (7) gedeckt. 

Die Schicht hat im ganzen einen säulenförmigen Aufbau. Die randständigen Säulen streben nach oben aus- 
einander (c) und finden keine Fortsetzung in den Säulen der Knorpelwucherungszone. Der innere Bau der kalk- 
losen Schicht ist in den axialen Teilen ein anderer als am Rande. Axial (p V) vollzieht sich der Übergang der 
kleinen, dunklen Zellen der Knorpelwucherungsschicht zu den stoßen, gequollenen, hellen der präparatorischen Ver- 
kalkungsschicht äußerst langsam und da mittendurch ohne Gesetzmäßigkeit bald kleine, dunkelrote, bald besonders 
große, blaue Zellen eingestreut sind, so gibt das ein unruhiges Bild. Axial ist ferner die Grundsubstanz besonders 
reichlich, hell bläulichviolett, kalklos und vielfach in schleimiger Degeneration begriffen, was man an der mehr blauen 
Farbe und dem längsfaserigen Zerfall erkennt. 

Am Rippenrande jedoch (b) vollziest sich der Zellübersang rasch, alle Zellen sind gleichmäßig vergrößert, 
rundlich, mit hellem Protoplasma und Kern, die Grundsubstanz von gleicher Farbe, aber spärlich und frei von 
Degeneration. Das Bild ist so ruhig wie in normalen Fällen. 

Der kalkhaltige Knorpelliegt nur in Form diskontinuierlicher Fragmente vor (c, e, f), die die untersten Aus- 
läufer des Knorpels darstellen, eine bald sehr dunkel-, bald etwas heller blaue Grundsubstanz, bald kleinere, bald 
größere Zellen besitzen. Aber nicht nur am untersten, sondern auch am lateralen Rande des Knorpels finden sich 
solche Verkalkungsstellen regelmäßig (c,c). Ausnahmsweise folgt näch unten auf den kalkhaltigen noch eine ganz 
dünne Lage kalklosen Knorpels, dessen Zellen dann ein bald fein-, bald grob- prächtig eosinrot granuliertes Protoplasma 
besitzen. Im Sinne Schmorl’s ist somit der kalkhaltige Knorpel in diesem Falle nicht als Residuum aus der vor- 
rachitischen Zeit, sondern als kurzdauernde Remission im Verlaufe dieser alten Rachitis aufzufassen. 

Die Art, wie die untersten Knorpelausläufer in den Knochen eingepflanzt sind, ist verschieden. Am klarsten ist 
dieses Verhalten dann, wenn der letzte Knorpelausläufer verkalkt, also stark blau ist, denn dann sieht man deutlich, 


wie er in das stets rein osteoide, also rote Knochenbälkchen hineinzieht, die linear scharfe Grenze zwischen Knochen 
Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC. Bd. 60 


428 


e) 


07) 


Dr. J. Erdheim, 


und Knorpel vollkommen klar vorliegt und globulär ist, wie dies im Wesen der enchondralen Ossifikation liegt. Ist aber 
dieser unterste Knorpelausläufer unverkalkt, so entfällt die eben erwähnte Farbencifferenz zwischen Knorpel und 
Knochen, beide sind kalklos und mehr weniger rot und darum wird es schwer, die Grenze zwischen Knochen und 
Knorpelgrundsubstanz genau festzustellen und in Hämalaun-Eosinschnitten zwischen einer Knorpelzelle und einem 


osteoiden Globulus zu unterscheiden, der nur eine Knochenzelle enthält. 


Das bisher geschilderte Knorpelmassiv wird vom Knochenmark her in pathologischer Weise vaskulari- 
siert. Vom Knochenmark oder eigentlich von der Spongiosa her dringen die meist weiten Blutgefäße (4) mehr oder 
weniger senkrecht in den Knorpel hinauf und liegen meist büschelweise in ein gemeinsames Bindegewebe eingebettet. 
Am oberen Ende hört das Bindegewebe langsam auf, das Endothel des Gefäßes verliert sich und es erfolgt ein Blut- 
austritt ins perivaskuläre Bindegewebe, in die benachbarte Knorpelgrundsubstanz und gelegentlich in eine Knorpel- 
kapsel hinein. Aber ein regulärer, etwa die normale Ossifikation einleitender vaskulärer Knorpelabbau ist das nicht, 
denn die weiten Gefäße benutzen nicht die Zellsäulen als Leitbahnen, und an isoliert liegenden kleinen Gefäßchen ist es 
am besten zu sehen, daß sie nicht in den Zellsäulen, sondern in der Grundsubstanz zwischen denselben aufsteigen. 

Im weiten Umkreis um die eingewachsenen Gefäßbüschel verliert der Knorpel bald seine Basophilie und färbt 
sich rein rot. An diesen roten Höfen sind die Stellen, wo Blutgefäße im Knorpel liegen, schon bei Lupenvergrößerung 
zu erkennen. Auf den Verlust der Basophilie erfolgt eine Auflösung des Knorpelgewebes; die bis dahin homogene 
Grundsubstanz fasert sich auf, färbt sich immer heller und wird so defekt; die Knorpelkapsein verschwinden durch 
Auflösung; Kern und Protoplasma der Zellen färben sich nicht mehr und so schmilzt der Knorpel in allen seinen Teilen 


gleichmäßig zusammen. 


Nachdem so das Gefäßbüschel einen weiten Kanal im Knorpelmassiv ausgehoben hat,'wird dieser von unten 
her mit Osteoid ausgekleidet, ohne daß ein Osteoblastensaum sichtbar wäre. So resultiert zum Schluß ein Bild, das die 
normale enchondrale Ossifikation nachahmt, denn nun liegen, im Schnittbild wenigstens, breite Streifen von allerdings 
kalklosem Knorpel, zu beiden Seiten mit osteoidem Belag, nur daß die Grenze zwischen dem Knochen- und Knorpel- 
gewebe recht vielgestaltig ist, und zwar aus folgendem Grunde: Bei der normalen Ossifikation ist diese Grenze 
globulär und wird durch vaskuläres Aufbrechen der Knorpelkapseln bedingt, in die hinein die Knochenablagerung 
erfolgt. Anders hier. Denn die Grenzlinie, bis zu der der Knorpel abgebaut wird, ist Zufallssache. So macht die im 
Umkreis des Gefäßbüschels sich abspielende Knorpelverflüssigung einmal in der Grundsubstanz zwischen zwei Zell- 
säulen Halt, dann ist die Knochenknorpelgrenze mehr minder geradlinig. Ein andermal tritt dieser Verflüssigungsprozeß 
bis an die Außenfläche der Knorpelkapseln einer Zellsäule heran, dann bekommt das apponierte Osteoid eine konkav- 
buchtige Grenzfläche, in die die Knorpelkapseln hineinpassen. Ein drittesmal endlich dringt der Verflüssigungsprozeß 
unter Vernichtung der Knorpelzellen bis in eine Knorpelzellsäule vor, dann nimmt das apponierte Osteoid eine konvex- 


buchtige Begrenzung an, bildet also Globuli wie bei der normalen enchondralen Ossifikation. 


Enchondrale Ossifikation und primäre Spongiosa. Die eben geschilderte pathologische Vaskularisation des 
Knorpels mit folgender Osteoidbildung könnte nur im weiteren Sinne eine enchondrale Ossifikation genannt werden. In 
regulärer Weise geht aber dieser Prozeß hier nirgends vor sich. 

Auch eine primäre Spongiosa tritt hier nirgends im normalen Sinne als eigene Schicht hervor. Durch Knorpel- 
einschlüsse charakterisierte, fast durchwegs rein osteoide Bälkchen treten nur in vereinzelten Exemplaren auf, sind sehr 


kurz und dick, nur annähernd längsgestellt und gehen in breitester Weise in die sekundäre Spongiosa über. 


Die sekundäre Spongiosa (Sp) hat nach 12 Messungen eine durchschnittliche Höhe von 1400 u, die maximal bis 
zu 1600 y. ansteigt und minimal bis auf 1000 u absinkt. Sie ist also im ganzen sehr hoch. In den Bereich der sekundären 
Spongiosa fällt jene mächtige, dick spindelige Knochenauftreibung, die makroskopisch als Rosenkranz imponierte und 
im oberen Abschnitt auch noch die mächtige präparatorische Verkalkungsschicht beherbergt (Fig. 13). Da, wo sich 
diese Auftreibung nach unten verjüngt, geht die sekundäre Spongiosa ohne sichtbare Grenze in die hier zu einer 
Spongiosa aufgelöste Corticalis (C) über. Die sekundäre Spongiosa (Sp) ist in ihrem oberen größten Teile sehr dicht 
gebaut, die Gefäßkanäle eng und spärlich, außer Gefäßen auch Bindgewebe und Osteoblasten enthaltend; die Knochen- 
bälkchen breit, der Hauptsache nach kalklos. Wo aber kleine Verkalkungsherde im Zentrum der Bälkchen auftreten, 
sind erstere von einer breiten körnigen Übergangszone umgeben, in deren Bereiche die meist oblongen Kalkkörner in 
der Richtung der Grundsubstanzfaserung liegen. Der untere kleinere Teil der Spongiosa (5) ist mehr locker gebaut, die 


Markräume groß, mit zelligem Mark erfüllt, die Knochenbälkchen recht güt verkalkt, mit nur schmalen Osteoidsäumen 
versehen. 


Rachitis und Epithelkörperchen. 429 


&) Corticalis (C). Im Bereiche des Rippenschaftes ist die Corticalis in den tieferen, gegen die Markhöhle zu gelegenen 
Schichten kompakt und vollständig gut verkalkt (k), vom Periost her aber mit einer oft mächtigen Osteoidmasse über- 
zogen (2), die viele Gefäßkanäle führt und fleckweise auch schon verkalkt. Indem so die periostale Auflagerung eine 
blaue Farbe annimmt, werden in ihr kalklos und rot gebliebene Sharpey’sche Fasern sichtbar, die auch in den kalklosen 
Teil hineinziehen, aber hier wegen der mangelnden Farbendifferenz wenig sichtbar sind. 

Nach oben hin löst sich die kompakte Corticalis zu einem Balkenwerk auf, geht so unmerklich in die sekundäre 
Spongiosa über, in deren Bereiche die Corticalis bloß als vorwiegend kalklose Schlußplatte (»2) der Spongiosa imponiert, 
also viel an Selbständigkeit verliert. 

Das obere Corticalisende (g) ist mäßig verdickt, reicht nie bis zur OÖssifikationsgrube, ist, von den Osteoid- 
säumen abgesehen, zum großen Teil, aber unvollständig verkalkt, »anverkalkt«, was man an der viel heller blauen 


Farbe erkennt (vgl. g mit k in Fig. 13). 
h) Periost ohne Besonderheiten. 


i) Das Knochenmark ist rein zellig. Es prävalieren große, hellkernige Markzellen; dunkle Zellen sind spärlich und 
stehen in Häufchen; unter den gelapptkernigen Leukocyten leuchten die grob eosinophil granulierten besonders hervor. 


Die Knochenmarksriesenzellen sind an Zahl und Aussehen normal. 


k) Über die Verteilung des Osteoids wurde schon in den einzelnen Abschnitten gesprochen. Die Menge desselben ist am 
größten im oberen Teile der sekundären und in der so wenig hervortretenden primären Spongiosa, Auf gleicher Stufe 
steht die Corticalis im Bereiche der Spongiosa; dann folgt der Schaft und endlich der untere Teil der sekundären 
Spongiosa. Das Osteoid ist überall von reifer Struktur. Die unten stehenden Maße sind auf folgende Stellen zu 
beziehen: 1. Unterer Anteil der sekundären Spongiosa; 2. oberer Anteil derselben, am Osteoidsaum gemessen; 


3. ebenda an gänzlich kalklosen Balken gemessen und halbiert; 4. Schaftcorticalis; 5. oberes Corticalisende. 


1. 31 Messungen, 16°6 x Durchschnitt, 50 u Maximum, 2°5 u Minimum. 
2. 31 » 510 » 144 y. » 160 u. » 
3. 27 > 70:Oy > 104 u > 24-0 u > 
4. 27 > 405 u > 160 u > 801 > 
5.22 > 73.0 > 160 u. > 320 u > 
%* % 
+ 


Fall 18. Graue, aber zahme, im Laboratoriumsstall, also in der Gefangenschaft geborene und aufgezogene Ratte mit gelben, opaken 
Nagezähnen, von denen der linke untere etwas zu kurz, der linke obere etwas zu lang war. Gewicht 185 g. 15 Tage vor der 
Tötung wurden dem Tier beide Fibulae frakturiert. Beim Adaptieren der Fragmente auf der rechten Seite zerbrach das untere 
Fragment beim Anfassen noch einmal. Ungestörter Wundverlauf. Bei der Obduktion wog das Tier 179 8, ist besonders 
muskulös und gut genährt, die Nagezähne gelb, opak, intakt, sehr kräftig, die Längendifferenzen wieder ausgeglichen. 
Mächtiger Rosenkranz und 30 sehr große Rippenkallus mit vielfach winkeliger Stellung der Fragmente. Beide Ek. monströs 
groß, weiß aus der roten Schilddrüse herausleuchtend. Die Fibulabruchstellen durch kräftig entwickelte, aber noch ganz 


bewegliche Kallusmassen vereinigt. 
Histologischer Befund (Fig. 14). Das Material wurde 7 Tage in Müller entkalkt. 


a) Der verkalkte Rippenknorpel (vK) zeigt nur mäßig viele Querrisse, seine stark blaue Farbe begrenzt sich überall 
unscharf und läßt unter dem Perichondrium einen kalklosen Streifen frei. 


b) Der ruhende Knorpel (rK) ist durchschnittlich 323 1 hoch, maximal 400 u, minimal 224. In der rotvioletten 
homogenen Grundsubstanz liegen axial (rK) große, helle Zellen mit großem, hellem rundem Kern, während marginal, 
gegen die mäßig vortretenden Seitenausbuchtungen (a) hin die Zellen klein und dunkel sind. Im axialen Teile enthält 


die Grundsubstanz meist noch mäßig viele blaue Züge. 


e) Die Knorpelwucherungsschicht (XW) ist durchschnittlich 243 u hoch, maximal 400 u, minimal 160 u und 
exquisit pathologisch verändert. Sie ist nur ausnahmsweise von linsenförmiger Gestalt, in der Regel in toto nach unten 
ausgebogen, so daß ihre obere Grenze flach konkav, die untere aber stark konvex ist, so daß die Schicht peripher (b) 


um ein Viertel oder die Hälfte niederer ist als axial (XW). Die in der reichlichen, homogenen, blauvioletten Grund- 


430 


) 


€) 


I 


Dr. J. Erdheim, 


substanz liegenden, kleinen, querspindeligen, dunklen Zellen setzen abnorm hohe, nach oben stark konvergierende 
Säulen zusammen (Fig. 14, KW). Die untere Schichtgrenze tritt darum nicht ganz scharf hervor, weil der Zellübergang 


zur nächstunteren Schicht sich ganz langsam vollzieht. 


Die präparatorische Verkalkungsschicht (k—pV) hat stets eine erheblich pathologische Höhe, hängt mit 
konvexem Rand schürzenförmig in den knöchernen Rippenteil hinunter und ist darum in der Mitte viel dicker als auf 
der Seite. Die Schicht ist durchschnittlich 676 p. hoch, 1360 ı maximal, 240 j. minimal. Berücksichtigt man aber bloß 
den axialen höchsten Teil, so ergibt sich ein Durchschnitt von 1200 , ein Maximum von 1360 » und ein Minimum 
von 1120 u. Die Schicht ist also stets etwas mehr als 1 2m hoch. 

Der Farbenton der Schicht ist hellblauviolett und die Schicht enthält ungemein hohe, etwa parallel zur Rippen- 
achse stehende Säulen, in denen 70 bis 100 Zellen der Höhe nach gezählt werden konnten. | 

Der inneren Beschaffenheit nach muß der große axiale von dem viel kleineren peripheren Teile der Schicht 
unterschieden werden. Der erstere (k—pV) zeichnet sich dadurch aus, daß die Grundsubstanz zwischen den Säulen 
reichlich (k—p V), aber oft degeneriert und längszerlasert ist. Die Zellen sind bald klein, bald groß, sogar monströs (d), 
bald licht-, bald dunkelblau, der Kern meist klein, dunkel, seltener groß, hell, das Protoplasma meist dunkel und 
geschrumpft, selten hell, die Kapsel bald dünn, bald dick, bald blau, bald rot und durch all das entsteht jenes unruhige 
Bild, das auch die Fig. 14 wiedergibt. Die Grundsubstanz ist kalkfrei. Im peripheren Teile der Schicht jedoch (c) 
bestehen mehr normale Verhältnisse, die Zellen sind alle gleich beschaffen, groß und hell, mit großem, rundem, ganz 
hellem Kern und fast ungefärbtem Protoplasma, während die Grundsubstanz so spärlich ist, daß die Säulen dicht 
zusammenstehen. Die Grundsubstanz ist auch hier zum größten Teile kalklos (c), aber zum Teil doch auch verkalkt 
(k+pV), schwarzblau, mit der für Rachitis typischen scharfen Kalkgrenze. Unter diesem unverkalkten Knorpel liegen 
zwar rein osteoide, aber doch auch enchondrale Bälkchen der primären Spongiosa mit zentralem Einschluß schwarz- 
blauen verkalkten Knnrpels (e), ein Zeichen, daß zumindest an diesen wenigen Stellen eine reguläre enchondrale 
Ossifikation vor sich geht. 

Ganz anders im viel größeren, kalklosen, axialen Teile (k—pV). Auch hier dringen zwar einzelne Gefäße (f) 
häufiger aber aus in Bindegewebe eingebetteten Gefäßbüscheln bestehenden Marksprossen hoch in den Knorpel hinauf, 
aber nicht elektiv in den Zellsäulen, sondern vor allem in der Grundsubstanz. Dabei verliert in einigem Umkreis um die 
Marksprossen herum der Knorpel seine Basophilie vollständig, wird langsam nekrotisch und ohne Wahl, ob Grund- 
substanz oder Zelle, aufgelöst, wie das im Falle 17 eingehender geschildert ist. Dem folgt dann, von der Marksprosse 
aus, eine Apposition von Osteoid auf den nicht mehr aufgelösten Knorpel, und zwar nicht in einer globulären, sondern 
willkürlich gestalteten, oft ganz geraden Grenzlinie. Und so resultieren aus dieser pathologischen Vaskularisation und 
Ossifikation, im Schnittbild wenigstens, auch pathologische, enchondrale, primäre Spongiosabalken, deren kalkloser, 
nicht globulär begrenzter, zentraler Knorpeleinschluß eine prächtige eosinophile Granulierung des Protoplasmas der 
unverbrauchten Knorpelzellen aufweist. 

Hie und da gibt es aber auch osteoide Bälkchen, deren zentraler Knorpeleinschluß, wiewohl kalklose Grund- 
substanz aufweisend, doch globulär begrenzt ist. Endlich muß auch noch erwähnt werden, daß an manchen Stellen 
Bilder zu sehen waren, die an den relativ dicken, in Hämalaun-Eosin gefärbten Serienschnitten nicht ganz klar verständ- 


lich waren, da es schwer fiel, osteoide Globuli von hyalin degerierten Knorpelzellen zu unterscheiden. 


Enchondrale Ossifikation und primäre Spongiosa. Über die enchondrale Ossifikation, soweit man von einer 
solchen unter diesen pathologischen Umständen reden kann, ist oben schon das Nötige gesagt worden. Es bleibt nur 
übrig, von dem Endprodukt derselben, der primären Spongiosa, zu sprechen. Diese bildet keine deutlich hervor- 
tretende eigene Schicht, denn die sie zusammensetzenden Bälkchen sind zwar dick, aber liegen stets nur in wenigen 
Exemplaren im Schnitte vor, und zwar entlang der ganzen konvexen Fläche der präparatorischen Verkalkungszone, 
dieser eng an. Darum kann man auch ihre Höhe nicht bestimmen. Das einzelne Bälkchen aber ist in der Regel kalklos, 
osteoid, selten in den Globuli die ersten Anfänge der Verkalkung bei kalklos bleibendem Knorpeleinschluß. Zwischen 


den Bälkchen liegen die breiten, gefäßreiches Bindegewebe führenden breiten Markräume. 


Die sekundäre Spongiosa ist von ganz ungewöhnlich bedeutender Höhe, die im Durchschnitt 2240 u, maximal 
2600 u, minimal 1400 u beträgt; oben schließt sie sich unvermittelt an die primären Spongiosabälkchen an, unten löst 
sie sich gegen die Markhöhle zu auf, in die Corticalis übergehend. Nach der Dicke und dem Kalkgehalt der Bälkchen, 
der Weite und dem Inhalt der Markräume und dem Verhalten der Corticalis lassen sich in der sekundären Spongiosa 
drei wohlausgeprägte Schichten unterscheiden (Fig. 14, Z, IZ, IIT). 


Rachitis und Epithelkörperchen. 431 


Die Knochenbälkchen (g) der obersten Schicht (7) sind so breit oder schmäler als die Markräume (i), absolut 
genommen aber recht dick, von bald mehr, bald weniger schönen Osteoblasten und zum Teil von dünnen Binde- 
gewebshüllen umgeben, aus reifem Knochengewebe aufgebaut, das fast in jedem Balkenzentrum verkalkt ist (A); doch 
überwiegt der Osteoidsaum (g) ganz deutlich. Die Markräume (7) enthalten nur zelliges Mark und die Selbständigkeit 
der Corticalis (n) ist meist gut gewahrt, das Osteoid in ihr überwiegend. 

Die mittlere Schicht (7) ist eine kontinuierliche Fortsetzung der oberen und ihre Bälkchen (k) so breit, die 
Markräume (m) so eng und spärlich, daß man von einer Compacta reden sollte. Das Knochengewebe ist in weitaus 
überwiegender Menge kalklos (k), aber kleine spärliche Verkalkungsherde (2) fehlen auch hier nicht. In den Mark- 
räumen (m) sind außer den Gefäßen nur noch etwas Bindegewebe, meist kümmerliche Osteoblasten nachweisbar und 
die Corticalis (0) ist vielfach ganz osteoid und hat ihre Selbständigkeit ganz verloren. 

Die unterste Schicht (/Z/) ist die niedrigste, geht aus der mittleren kontinuierlich hervor, besteht aus wenigen, 
aber besonders dicken, in Stützstruktur angeordneten Knochenbalken (£) aus reifem Knochengewebe, das der Haupt- 
masse nach gut verkalkt ist (2), während Osteoidsäume (s) von erheblicher Dicke auch nicht fehlen. Schöne Osteoblasten 
sind eine Ausnahme. Die Markräume (r) stets breiter als die Balken und ausschließlich zelliges Mark führend, die Corti- 
calis (p) in ihrer Selbständigkeit gewahrt, auf der pektoralen Seite (v) fast ausschließlich eine periostale, auf der 
pleuralen eine ansehnliche enostale Osteoidschicht (z) tragend. 

Die Deutung dieser Schichten ist die folgende, Die obere Schicht (7) bietet das bei Rachitis typische Bild des 
oberen und die unterste Schicht (IT) das typische Bild des untersten Anteiles der sekundären Spongiosa dar. Die 
mittlere Schicht (ZT) jedoch ist als fremde Einlagerung aufzufassen und als eine Kallusbrücke zu deuten, entstanden 
nach einer Fraktur im Bereiche der sekundären Spongiosa, was mit der Verdickung der Rippe speziell an dieser Stelle 
(bei 0) gut übereinstimmt. Es ist nun bemerkenswert, daß dieser Kallus immer wieder an derselben Stelle fast in allen 


untersuchten Rippen zu beobachten war. 


&) Coricalis. Über ihr Verhalten im Bereiche der einzelnen Abschnitte der sekundären Spongiosa wurde gelegentlich 
dieser bereits berichtet. Es bleibt nur noch übrig zu sagen, daß sie aus reifem Knochengewebe besteht, kompakt auf- 
gebaut und von mäßig reichlichen Gefäßkanälen durchzogen ist, die alle osteo!d umrandet sind. Das Osteoid ist im 
allgemeinen in erheblicher Menge vorhanden, die Übergangszone an der Kalkgrenze breit, manchmal besonders grob- 
körnig. Das obere Corticalisende (1) erreicht nie die Ossifikationsgrube, endet meist schon in der Höhe der präpara- 


torischen Verkalkungszone, so daß man sagen kann, das Längenwachstum der Corticalis ist im Rückstand. 


h) Das Periost bietet keine Besonderheiten. 


i) Im ausschließlich zelligen Knochenmark überwiegen die Zellen mit den großen, hellen, runden, gelappten und 
gelochten Kernen; die mit kleinen, dunklen Kernen stehen gruppenweise; die Riesenzellen sind zahlreich und gut ent- 


wickelt; die Blutgefäße auffallend gefüllt. 
k) Das Osteoid wurde 1. an der sekundären Spongiosa, 2. der Corticalis und 3. dem oberen Corticalisende gemessen 


1. 36 Messungen, 53°5 u Durchschnitt, 192 u Maximum, 4 Minimum, 


2. 37 > 5754 > 160 u. » Sy > 
3. 8 > 58.9 > 96 u. > 24 > 
* %* 
% 


Fall 19. Weiße, weibliche Ratte, 123g schwer, mit gelben, intakten, aber total opaken Nagezähnen, im Laboratoriumsstall auf- 
gewachsen. Es wurde dem Tier in Narkose eine Rippe nahe der Knochen-Knorpelgrenze mit der Schere zerschnitten. 
15 Tage später wurde das Tier getötet. Es wog jetzt 122 g, war sehr kräftig und muskulös, die Nagezähne waren gelb, opak, 

die Spitze des linken unteren war abgebrochen, der linke obere dafür verlängert. Wunde per primam geheilt. Die Ek. über 
mittelgroß, weiß aus der roten Schilddrüse herausleuchtend. Rachitischer Rosenkranz, an jeder Rippe 1 bis 5 mäßige Kallus 


nach Spontanfrakturen, ein solcher auch an der Stelle der operativ erzeugten Fraktur. 
Histologischer Befund (Fig. 15). Das Material wurde 3 Tage in Müller entkalkt. 


a) Der verkalkte Rippenknorpel(vK) zeigt eine ebenso gute Verkalkung wie in normalen Fällen, ferner die typischen 


Querrisse der Grundsubstanz und große, helle Zellen, Die Verkalkungsgrenze ist meist unscharf, 


432 


b) 


Dr. J. Erdheim, 


Der ruhende Knorpel (rK) ist durchschnittlich 428 u hoch, maximal 480 , minimal 400 u. Die Schicht verbreitert 
sich nach unten sehr rasch und stark und die seitlichen Ausbauchungen (a) treten oft so stark hervor, daß das obere 
Corticalisende, wenn es hoch genug hinaufragt, sich auf sie förmlich aufzustützen scheint. Die seitliche Ausbuchtung 
tritt um so stärker hervor, als die Ranvier’sche Ossifikationsgrube (b) besonders tief einschnürt. Die Knorpelgrund- 
substanz ist rotviolett, die Zellen axial (beirK) groß, hell, in den seitlichen Ausbauchungen (a) klein, dunkel. An 
letzterer Stelle finden sich in pathologisch gesteigertem Maße in nach unten konvergierender Richtung verlaufende, 


violette Züge der Grundsubstanz, die sogar etwas in die Knorpelwucherungsschicht hineinragen können, 


Die Knorpelwucherungszone (KW) ist im Durchschnitt 160 u, maximal 208 u, minimal 117 px hoch. Die Grund- 
substanz homogen, hell, blauviolett, reichlich, die kleinen, dunklen, spindeligen Zellen liegen quer und dicht zusammen 


und formieren schöne Säulen, von denen die randständigen deutlich nach oben zusammenstreben. 


Die präparatorische Verkalkungsschicht (pV) zeigt schwere pathologische Veränderungen. Sie ist durch- 
schnittlich 544 u hoch, maximal 640 u, minimal 400 p, also pathologisch verbreitert, und da das obere Corticalisende 
über die Schicht hinübergreift, wird das ganze Knorpelmassiv in eine bald flache, bald halbkugelige napfförmige Ver- 
tiefung der knöchernen Rippe aufgenommen (Fig. 15). Ihrem histologischen Aufbau nach zerfällt die Zone in zwei 


unscharf voneinander abgegrenzte Schichten, die höhere obere, die 16 bis 20 Zellen hoch ist, das heißt 356 u. im Durch- 


| schnitt, 400 u im Maximum und 288 ı im Minimum, und die niedere untere, die durchschnittlich 188 p. hoch ist, mit 


einem Maximum von 240 u. und einem Minimum von 112 u. Jede der beiden Schichten muß für sich getrennt besprochen 


werden. 


Die obere Schicht (»V)) hat in toto einen sehr lichten Ton. Die Säulenanordnung ist noch gut gewahrt, die 
Grundsubstanz überall rot, homogen, absolut frei von Kalk und eigentlich gefäßlos. Im axialen Teile ist die Grund- 
substanz reichlicher und die Zellsäulen stehen weiter auseinander (bei » V), am Rippenrande (c) ist die Grundsubstanz 
spärlicher und die Säulen stehen dichter zusammen. Die Zellen in den Säulen sind groß und platten sich zu poly- 
gonalen Formen ab, sind gegen den Rippenrand zu (bei c) ganz hell, mit sehr großem, hellem, rundem Kern und reich- 
lichem hellen Protoplasma, axial aber sind sie zwar von gleicher Größe, aber, nach dem kleinen, dunkien, zackigen 
Kern (bei 4V)) und dem strahlig zusammengeschrumpften Protoplasma zu urteilen, wohl stark regressiv verändert. Als 
Ursache dafür kann man an zwei Dinge denken: an Quetschung der Zellen infolge abnormer Beweglichkeit dieser so 
hohen und ganz kalklosen Schicht und an die Gefäßlosigkeit des Gewebes. Diese ist übrigens insofern eingeschränkt, 
als von der unteren Schicht her hie und da, allerdings auf eine ganz kurze Strecke, ein größeres Gefäß aufsteigt (d), das 
in der Grundsubstanz liegt, keine Kapseln aufbricht und infolge der abnormen Beweglichkeit der ganz kalklosen Schicht 


durch Zerreißung stellenweise zu kleinen Hämorrhagien Veranlassung gibt. 


Die untere Schicht (e, e) zeigt höchst auffallende Verhältnisse. Bei schwacher Vergrößerung ist die Farbe viel 
dunkler und mehr rot, scheinbar quergestreift und von vielen Gefäßen (f) durchzogen. Bei starker Vergrößerung sieht 
man, daß die untere Schicht kontinuierlich aus der oberen hervorgeht, und zwar so, daß die großen polygonalen Zellen 
zu ganz schmalen, spindeligen, querstehenden, hellen, gewöhnlich leeren Spältchen kollabieren, in denen nur manchmal 
ein ganz plattgedrückter dunkler Kern nachweisbar ist. Zwischen zwei solchen kollabierten Knorpelzellen liest mehr 
sattrote Grundsubstanz als in der oberen Schicht und das dürfte vielleicht zum Teil darauf beruhen, daß manche 
Knorpelzellhöhlen bis zum völligen Verschwinden der Zellichtung kollabiert sind und ihre aneinandergelegte Kapsel- 
wand so einfach als Grundsubstanzseptum zwischen noch nicht völlig kollabierten Zellen imponiert. Auch in der 
unteren Schicht, die somit aus kollabiertem oder zusammengesintertem Knorpelgewebe besteht, ist die Grundsubstanz 
nirgends verkalkt, dafür aber in mehr oder weniger aufsteigender Richtung von zahlreichen, weiten Blutgefäßen durch- 
zogen (f), dıe eine Fortsetzung der Knochenmarkgefäße darstellen, von etwas Bindegewebe begleitet werden, nirgends 
Zellkapseln aufbrechen, überhaupt nicht den Zellsäulen folgen und nur ausnahmsweise und auf eine ganz kurze Strecke 


in die obere Schicht eindringen. 


Es liegt nahe anzunehmen, daß dieser Sinterknorpel, wie wir ihn nennen wollen, durch Kollaps aus der oberen 
Schicht hervorgegangen ist, wobei der Druck, der auf diese hohe, kalklose, also weiche Schicht ausgeübt wird, als die 
Ursache des Zusammensinterns angesehen werden kann. Es ist aber schwer zu sagen, ob die Vaskularisation des 
Sinterknorpels schon vor oder erst nach dem Zusammensintern erfolgt ist. Das Vorkommen des Sinterknorpels ist aus 
folgendem Grunde von Interesse. Im normalen Knochen spielt sich das Längenwachstum des Knochens im Knorpel ab. 
Denn um wieviel der Knorpel wächst, um soviel wird der Knochen länger, da ja der gewucherte Knorpel durch den 


Prozeß der enchondralen Ossifikation in Knochen überführt wird. Das bei Rachitis beobachtete Zurückbleiben im 


J) 


g) 


h) 


k) 


Rachitis und Epithelkörperchen. . 433 


Längenwachstum des Knochens könnte, zum Teile wenigstens, auf das Zusammensinken des Knorpels zurück- 


getührt werden. 


Die Art, wie der Sinterknorpel in die Spongiosa übergeht, ist verschieden. An wenigen Stellen folgt nach unten 
auf den Sinterknorpel noch eine 2 bis 3 Zellen hohe intakte Knorpellage mit ebenfalls kalkloser Grundsubstanz. Nach 
unten verschwinden nun die Knorpelzellen und an ihrer Stelle treten Globuli ossei auf. Die zentralen, rein und dunkel- 
blauen, also wohl verkalkten Knorpeleinschlüsse in den primären Spongiosabälkchen stellen eine kontinuierliche Fort- 
setzung des kalklosen Knorpels dar und rühren noch aus einer Zeit her, wo die Kalkstörung entweder geringer war 
oder noch ganz fehlte. Zumeist fehlt aber die Interposition intakten kalklosen Knorpels zwischen Sinterknorpel und 
Spongiosa und auch in diesem Falle gestaltete sich der Übergang in der geschilderten normalen Weise. Von der 


Existenz einer Metaplasie von Knorpel zu Knochen konnte man sich nirgends überzeugen. 


Enchondrale OÖssifikation und primäre Spongiosa. Die normale enchondrale Ossifikation ruht ganz. Zwar 
dringen Markgefäße in den Knorpel ein, aber diese Knorpelvaskularisation erfolgt in ganz pathologischer Weise, denn 
die Gefäße folgen nicht den Zellsäulen, brechen keine Kapseln auf, sind nur von etwas Bindegewebe, aber von keinen 
Osteoblasten begleitet, darum fehltin Begleitung der eingedrungenen Gefäße die Knochenneubildung ganz. Nur vereinzelte 
der obersten Spongiosabälkchen enthalten einen blauen, verkalkten Knorpeleinschluß, an den sich das Knochen- 
gewebe globulär anlegt. Darum gibt es keine zusammenhängende, ihrer Höhe nach meßbare Schicht primärer 


Spongiosa. 


Die sekundäre Spongiosa (sSp) stellt eine 1400 u, also sehr hohe Schicht von maximaler Dichtigkeit dar, die 
eigentlich nicht mehr den Namen Spongiosa verdient. Es handelt sich in der Tat um eine kompakte Knochenmasse, 
welche auf eine lange Strecke eine beträchtliche zylindrische Verdickung der Rippe, den schon erwähnten Rosenkranz, 
erzeugt, die sich unten konisch verjüngt und in den normalen Rippenschaft langsam ohne scharfe Grenze übergeht. 
Dieses Knochenmassiv erfüllt das ganze Innere der Rippe, ist in regelloser Weise von nicht sehr vielen Gefäßkanälen 
durchzogen, die außer dem Blutgefäß auch etwas Bindegewebe, manchmal auch eine Lage niederer, spindeliger Osteo- 
blasten, selten eine Lymphocytengruppe enthalten. Das Knochengewebe hat reifen Typus, die Knochenzellen sind 
spärlich und klein und nebenbei auch häufig gruppenweise nekrotisch, was ein Effekt der Quetschung dieser abnorm 
beweglichen Schicht sein dürfte. Die Knochengrundsubstanz ist regellos faserig und entweder gänzlich kalklos oder es 


finden sich im Zentrum mancher Balken kleine Verkalkungsherde (bei s Sp). 


Corticalis (C). Im Bereiche des Rippenschaftes ist die Corticalis aus reifem Knochengewebe und spärlichen, kleinen, 
stets gut gefärbten Zellen aufgebaut und von spärlichen Blutgefäßen durchzogen. Der Kalkgehalt der Corticalis ist 
gering, denn schon um jeden Gefäßkanal liegt eine breite Osteoidschicht, eine noch breitere aber auf der Periostfläche 
der pektoralen und der Endostfläche der pleuralen Corticalisseite. Manchmai enthält die Corticalis in der Mitte ihrer 
Dicke einen schmalen Kalkstreifen (C), ist aber im übrigen ganz kalklos. Im Bereiche der Spongiosa ist die Corticalis 
ganz kalklos und tritt als eigener Bestandteil eigentlich kaum hervor. Am oberen Ende gewinnt aber die Corticalis ihre 


Selbständigkeit wieder und ist ganz kalklos (A). 


Periost. Daß das Periost an der Ossifikationsgrube die Rippe tief einschnürt und dabei der Ossifikationswulst besonders 
dick sein kann, sieht man an der Fig. 15. Ferner ist die zellige Periostschicht auf der pektoralen Seite manchmal ver- 
dickt. Sonst nichts Auffallendes. 


Das Knochenmark in der großen Markhöhle ist rein zellig, ohne Fettzellen, die Gefäße mäßig reichlich. Bei der 
erheblichen Schnittdicke lassen sich bloß Lymphocyten, hellkernige Markzellen und mäßig viele, wohlausgebildete 


Riesenzellen unterscheiden. 


Osteoid. Schon aus dem bisher Gesagten geht hervor, daß kalkhaltiges Knochengewebe in nennenswerter Menge im 
Schaft und nur ganz wenig in der Spongiosa zu finden ist, hingegen ist das obere Corticalisende, die Corticalis im 
Spongiosabereiche, die primäre Spongiosa gänzlich, die sekundäre fast gänzlich und die Schaftcorticalis zum großen 
Teile kalklos. Die Kalkgrenze ist fast stets körnig, und zwar bald schmal und feinkörnig, bald breit und grobkörnig. 
Die größte Dicke hat das Osteoid am oberen Corticalisende, auch noch sehr ansehnlich ist es in der Spongiosa und die 
geringste, aber doch noch ganz bedeutende Osteoidmenge findet sich in der Corticalis. Die Kalkmenge wurde an nach 
Kossa versilberten Gefrierschnitten gänzlich unentkalkten, alkoholfixierten Materials nachgeprüft. Diese Kalkfärbung 


ist von allen die verläßlichste. 


434 


Dr. J. Erdheim, 


Oberes Corticalisende.. 8 Messungen, 1440 ı. Durchschnitt, 240 x Maximum, 80°0 u. Minimum. 
Spongiosa..... .......22 > 1170 u. > 176 u » 56-01 » 
SCHalt Reel, > 465 1 » 100 u. » 175 u » 


Fall 20. Weiße, weibliche Ratte, 192g schwer, mit gelben, durchscheinenden Nagezähnen, im Laboratoriumsstall aufgewachsen. 


Das Tier ging spontan an Perforation eines alten Magenulkus ein. Doch muß die Perforation erst kurz vor dem Tode erfolgt 


sein, 


denn das Peritoneum war noch frei von Entzündung, während die Bauchhöhle mächtig von Gas aufgetrieben war. Es 


bestand ferner ein rachitischer Rosenkranz und auch sieben Spontanfrakturen an den Rippen konnten nachgewiesen werden. 


.Die Ek. waren sehr groß. 


Histologischer Befund. Das Material wurde 10 Tage in Müller entkalkt (Fig. 16). 


a) 


b) 


a) 


e) 


Der verkalkte Rippenknorpel (K) bildet mit der knöchernen Rippe einen auffallenden, wenn auch stumpfen, 
gegen das Thoraxinnere sich Öffnenden Winkel. Die Knorpelzellen sehr groß, rund, mit kleinem, dunklem Kern und 
hellem Protoplasma. Die Verkalkung ist so gut wie in normalen Rippen. In der violetten Grundsubstanz mit den zahl- 
reichen queren Rissen liegen mehr rotviolette, mehrere Zellen zusammenfassende Zonen, in die nur größere Risse 
hineinreichen. Die Kalkgrenze ist linear scharf und dunkelblau. Unter dem Perichondrium liegt, namentlich auf der 


pleuralen Seite, eine breitere, kalklose Knorpelschicht. 


Ruhender Knorpel (rK). Diese Schicht ist durchschnittlich 350 x, maximal 420 x und minimal 300 u. hoch; sie 
beginnt oben mit schmalem Durchmesser, um sich gegen die Wucherungszone hin rasch zu verbreitern; dabei sind die 
seitlichen Ausbauchungen (a) nicht immer vorhanden. Die Grundsubstanz ist sehr reichlich, homogen, rotviolett. Die 
Zellen gleichmäßig verteilt, in kleinen Gruppen stehend, klein, mit dunklem Protoplasma und Kern, nur oben, am Über- 


gang zum verkalkten Rippenknorpel, sind die Zellen groß, hell und haben einen helleren Kern. 


Die Knorpelwucherungszone (KW) zeigt nur wenig Abweichung von der Norm. Die Schicht ist durchschnittlich 
107 p hoch, maximal 140 u, minimal 98 y. Das sind normale Zahlen. Die homogene, hellblauviolette Grundsubstanz ist 
oben reichlich, unten spärlich; die kleinen, spindeligen Zellen mit dem spärlichen, sattroten Protoplasma und dem 
kleinen, dunklen Kern stehen quer und dicht beisammen und formieren gut ausgebildete Säulen, deren Gesamtzahl 
größer ist als normal, denn die Rippe ist sehr verdickt. Auch streben die Säulen nicht, wie normal, mit ihren oberen 
Enden nach oben zusammen, sondern stehen etwa parallel zur Rippenachse. Auch die linsen- oder kappenförmige 
Gestalt der Schicht ist nicht zu sehen. Die Vorbereitung zur Zellvergrößerung der nächsten Schicht bereitet sich 


langsam vor. 


Die präparatorische Verkalkungszone (k—pV, k+hV) zeigt auffallende Abweichungen von der Norm. Sie ist 
durchschnittlich 161 x hoch, 210 im Maximum, 70 u. im Minimum, also deutlich, wenn auch nicht erheblich höher 
als normal. Der feineren Beschaffenheit nach zerfällt sie in zwei scharf abgegrenzte Schichten, von denen die obere 
höher, kalklos, 6 bis 8 Zellen hoch ist, das heißt 120 x im Durchschnitt, 210 u» maximal und 56 » minimal (k—p V), die 
untere, kalkhaltige, niedere 1 bis 8 Zellen hoch ist, das heißt 50 p. im Durchschnitt, 84 u im Maximum und 14 y. im 
Minimum und stellenweise axial ganz fehlt (k+p V). Die Besprechung beider Schichten muß getrennt erfolgen. 

In der oberen Schicht (k—pV) stehen noch die Zellen in deutlichen Säulen, die durch ganz kalklose, breitere, 
rein rot und gut mit Eosin gefärbte Grundsubstanzpfeiler getrennt sind. Die Zellen sind im Gegensatz zur Norm nicht 
alle groß, rundlich und hell, mit hellem Kern und Protoplasma, sondern wechseln mit kleinen, dunklen, sogar quer- 
spindeligen ab. So weist die ganze Schicht statt des normalen, hellbläulichweißen ein dunkler rotes Colorit auf. 

In der unteren verkalkten Schicht (£+-p V) stehen die stets großen und hellen Zellen auch noch in Säulen, aber 
die verkalkte Grundsubstanz zwischen ihnen ist stets rein und intensiv blau. Dabei ist die obere Kalkgrenze, wenn 
auch unregelmäßig, so doch linear scharf. Daher kommt es, daß der kalkhaltige Knorpel schärfer hervortritt als in 
normalen Fällen. Niemals aber zieht der Kalkstreifen ohne Unterbrechung von einer Seite zur anderen, ist stets zackig 


und fragmentiert und begibt sich in Form schmaler Züge in die Spongiosa hinein. 


Enchondrale Ossifikation und primäre Spongiosa (p,Sp). Die enchondrale Ossifikation spielt sich sehr träge 
ab. Die obersten Markräume stellen große, nach oben abgerundete Höhlen dar, die nach oben bald an kalkhaltigen 


bald an kalklosen Knorpel stoßen, neben häufigen Riesenzellen ein zellreiches, junges Bindegewebe mit einem zentralen 


Rachitis und Epithelkörperchen. 435 


Blutgefäß enthalten, welches eng ist und stets einen intakten Endothelsaum aufweist. Nur gelegentlich sieht man ein 
Gefäß in eine Knorpelkapsel eindringen, aber Stellen, wo diese mit freiliegenden roten Blutkörperchen erfüllt sind, sieht 
man gar nicht. Osteoblasten fehlen. Nicht jeder Zellsäule entspricht ein Markraum, sondern die Markräume haben die 
Breite von mehreren Zellsäulen; dafür fehlen sie wieder auf eine längere Strecke ganz, so daß zwischen zwei Buchten 
ein einige Säulen enthaltendes verkalktes Knorpelstück in ein primäres Spongiosabälkchen taucht. 

Die Bälkchen der an den zentralen Knorpeleinschlüssen erkennbaren primären Spongiosa (pSp) sind nieder, 
besonders dick, nicht parallel gestellt, bald miteinander in Verbindung tretend und in ausgiebigster Weise kontinuier- 
lich in das Gewirr der sekundären Spongiosa übergehend. Die Schicht ist im Durchschnitt 142 u hoch, maximal 255 y., 
minimal 45 u. Das Knochengewebe lagert sich an den Knorpel oft schön globulär an, die Knochenzellen sind spärlich, 
srößer, heller, plumper als reife; die Grundsubstanz kalklos, nur ausnahmsweise sieht man nahe am Knorpeleinschluß 


den ersten Beginn der Verkalkung. Osteoblasten fehlen; die Markräume enthalten fibröses, gefäßarmes Mark. 


JP Sekundäre Spongiosa (sp). Im Bereiche dieser durchschnittlich 2475 u, maximal 3000 y, minimal 1200 u hohen 
Schicht liegt jene der Dicke und Länge nach sehr beträchtliche Knochenauftreibung, die makroskopisch als Rosenkranz 
beschrieben wurde und fast dreimal so dick ist als die übrige knöcherne Rippe. Auch im inneren Aufbau zeigt die 
sekundäre Spongiosa beträchtliche Abweichungen. Die Knochenbälkchen sind sehr dick und bilden eine bald sehr 
dichte, bald mehr lockere Spongiosa, die seitlich und nach unten kontinuierlich in die Corticalis übergeht und im 
Gegensatz zur Norm keine sinnfällige Stützarchitektur verrät. Die Knochenbälkchen, die an Masse die Markräume 
stellenweise bei weitem übertreffen, besitzen alle einen enorm breiten Osteoidsaum und sind stets zentral verkalkt und 
dieser zentrale Kalkkern ist um so größer, je mehr wir uns von der Össifikationsgrenze gegen die große Markhöhle hin 


bewegen. 


Jedes Bälkchen ist von einer dicken Hülle fibrösen Bindegewebes (c) umsäumt, welches in kleinen Markräumen 
(d) den alleinigen Inhalt ausmacht, während große Markräume (m) außer diesem peripheren Bindegewebssaum zentra] 
auch noch rein zelliges Mark aufweisen. Zwischen Bindegewebe und Knochen finden sich keine Osteoblasten, wohl 
aber sehr zahlreiche Osteoklasten. Diese besitzen ein homogenes, eosinrotes, scharf begrenztes Protoplasma, helle 
Kerne mit fein- und grobkörnigem Chromatin und haben durch lakunäre Resorption vielfach das kalkhaltige Zentrum 
der Knochenbälkchen bloßgelegt. Das zellige Mark ist bunt zusammengesetzt. Bei der zu Zellstudien wenig geeigneten 
Technik konnte man bereits große, helle, mäßig protoplasmahaltige Markzellen, Lymphoeyten, polynukleäre Leuko- 
cyten und freiliegende rote Blutkörperchen unterscheiden, während die normaliter so kräftig entwickelten Knochen- 
marksriesenzellen weniger häufig, klein, zusammengeschrumpft waren, mit kaum sichtbarem Protoplasma und dunklem 


kleinem Kern. 


g) Corticalis (Sch). Die nicht übermäßig dicke Corticalis ist meist nur auf der pleuralen Schaftseite kompakt mit spär- 
lichen Gefäßkanälen; auf der pektoralen Seite aber, namentlich beim allmählichen Übergang, in die Spongiosa, hat sich 
die Corticalis zu einem Balkenwerk aufgelockert. Trotz dieses allmählichen Überganges, der in auffallendem Gegensatz 
zu der scharfen Trennung von Corticalis und Spongiosa unter normalen Umständen entsteht, bildet auch hier die 
Corticalis einen eigenen Abschluß der Spongiosa nach außen und endet hoch oben mittels der Anschwellung 5b etwa im 
Niveau der Knorpelwucherungszone. 

Die Corticalis enthält reichlich Osteoid, das im Schaftbereich bis zu einem Drittel der Knochendicke ausmacht, 
in der Höhe der Spongiosa streckenweise allein die Corticalis formiert, ehreioeı das obere Corticalisende (Db) fast 
regelmäßig ganz kalklos ist. Das meiste Osteoid findet sich an der Periostfläche der pektoralen und der Endostfläche 
der pleuralen Seite, während die Periostfläche der pleuralen und die Endostfläche der pektoralen Seite entweder weniger 
Osteoid oder oft osteoklastischen Abbau zeigen. Wo am Endost ein angebauter Osteoidsaum liegt (pleural), berührt 
das zellige Mark den Knochen direkt, wo daselbst Abbau erfolgt (pektoral), liegt zwischen Knochen und Mark ein dicker 
Bindegewebsstreifen. Das Knochengewebe der Corticalis hat überall den reifen Charakter, nur Sharpey’sche Fasern 
durchziehen namentlich die pektorale Corticalis und sind, weil selbst kalklos, rot und im kalkhaltigen blauen Knochen 


viel besser zu sehen als im roten Osteoid. 


h) Das Periost zeigt außer einer geringen Verdickung seiner zelligen Schicht auf der pektoralen Seite nichts Auf- 


fallendes. 


i) Das Knochenmark ist in der großen Markhöhle ausschließlich zellig, wie das bei der Spongiosa geschildert worden 


ist, nur daß hier grob eosinophil granulierte Zellen sehr zahlreich, dort spärlich sind. 
Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC. Bd. - 61 


436 


Dr. J.Erdheim, 3 


k) Das Osteoid ist überall in der Rippe an allen Oberflächen zu sehen, mit Ausnahme jener, an denen durch lakunären 
Abbau kalkhaltiger Knochen bloßgelegt wurde, Es ist für die Häufigkeit des Osteoids bezeichnend, daß an einem Rippen- 
schnitt 50 und mehr Osteoidmessungen ausgeführt werden konnten. Das Osteoid ist in bedeutendem Grade patho- 
logisch verdickt und von reifem Bau. Osteoblasten fehlen, Osteoklasten, die das Osteoid abbauen, sind aber häufig. 
Die Grenze zwischen Osteoid und kalkhaltigem Knochen ist bald eine scharfe, lakunäre Kittlinie, bald eine körnig- 
krümelige Übergangszone, die bald schmal und feinkörnig, bald breit und grobkörnig ist. Am dicksten ist das Osteoid 
im oberen Corticalisende, schon weniger in der Spongiosa, in der auch ganz kalklose Bälkchen vorkommen, und am 


schmälsten in der Corticalis. 


SPONIIOSa I ee: 33 Messungen, 33 j. Durchschnitt, 85°0 x Maximum, 5°0 u Minimum. 
Gorticaliser RT: 7 > 22 u > 475% » 25 » 
Oberes Corticalisende ......... 9 » 85 u > 1190 u > 5'614 > 
% * 
* 


Fall 21. Der Ablauf dieses Versuches ist etwas komplizierter als in den anderen Fällen. Es wurde nämlich diese weibliche Ratte mit 


einem Gewicht von 165 g und intakten, gelben und durchscheinenden, also anscheinend ganz normalen Nagezähnen in 
den Versuch eingestelit, aber ursprünglich nicht in den vorliegenden, sondern zu anderen Zwecken in einer anderen Ver- 
suchsreihe. Der Versuch begann damit, daß dem Tier eine Rippe reseziert und die rechte Fibula frakturiert wurde. Im Gegen- 
satz zu dem konstant durchgeführten ldtägigen Kallus unserer vorliegenden Versuchsreihe wurde. bei diesem Tiere die 
Fibulafraktur durch 45 Tage der Heilung überlassen und dann erst reseziert, wobei sich die Frakturstelle als schon ganz 
fest vereinigt erwies. Gelegentlich dieser zweiten Operation wurde ferner das Körpergewicht 163g groß gefunden und auch 
konstatiert, daß die Nagezähne wohl noch gelb und intakt waren, aber nicht mehr so völlig durchscheinend wie zu Anfang 
des Versuches. So wurde der Verdacht rege, daß sich hier eine Rachitis zu etablieren beginne und darum das Tier noch 
weiter im Auge behalten. 30 Tage nach der zweiten Operation wurde dem Tier die linke Fibula frakturiert und bei dieser 
Gelegenheit festgestellt, daß die Nagezähne nunmehr ausgesprochen opak waren, und zum Zeichen ihrer herabgesetzten 
Konsistenz brach beim Beißen in die Zange die Spitze des linken oberen Nagezahnes ab. Während nun die zweite Fibula- 
fraktur der Heilung überlassen wurde, brachen der rechte untere und der linke obere Nagezahn spontan zur Hälfte ab, wie 
10 Tage nach der letzten Operation konstatiert wurde. Um dem linken Fibulakallus den Vergleichswert nicht zu nehmen, 
wurde auch er 45 Tage der Heilung überlassen und dann das Tier getötet. Bei der Obduktion war zunächst ein erheblicher 
Gewichtssturz zu verzeichnen, das Tier wog nunmehr 137 g, hat also gegen das Anfangsgewicht 23 g verloren und die 
Ursache dafür war eine ausgedehnte Pneumonie und eine geringe Scabies. Die Nagezähne waren noch immer gelb, opak, 
aber in ihrer Länge wieder normal, die Ek. schienen ganz klein, es bestand ein ausgesprochener Rosenkranz und zwei 
große neben einem kleinen Rippenkallus und die linke Fibula war an der Bruchstelle noch sehr deutlich, aber wenig 


beweglich. 


Nach dem bisher Gesagten schien der Fall darum von großem Interesse zu sein, weil wir ein Tier vor uns haben, bei 
dem sich vor unseren Augen etwa im Verlaufe von 3 Monaten eine Rachitis entwickelte und wir aus der anscheinend 
normalen Zeit eine Rippe und einen 4ötägigen Fibulakallus in der Hand hatten und dieses Material mit einem gleich alten 
Kalius und dem Skelett aus der Zeit der Rachitis zu vergleichen in der Lage waren. Es schien sehr gut zu passen, daß der 
erste Fibulacallus schon ganz fest, der zweite aber noch etwas beweglich war und daß die Ek. nicht vergrößert erschienen, 
denn die Ek.-Vergrößerung ist erst die Folge, nicht die Ursache der Rachitis. Der einzige Umstand, daß das Tier zum Schluß 
infolge Pneumonie und Scabies kachektisch wurde, trübte einigermaßen den Vergleichswert beider Materialgruppen. Die 
folgende histologische Untersuchung der Halsorgane, Zähne, der Fibulae und Rippen aus beiden Versuchsperioden wird 


zeigen, was an der bisher gewonnenen Anschauung richtig ist und was zu korrigieren blieb. 


Histologischer Befund. 


A. Die beim Versuchsbeginn resezierte Rippe. Das Material wurde 2 Tage in Müller entkalkt (Fig. 17). 


a) Der verkalkte Rippenknorpel (wK) besitzt große, helle Zellen mit kleinem, dunklem Kern und dunkelblauer, 
dicker Kapsel. Die dunkelblaue Farbe der Grundsubstanz verliert sich am Rande unscharf und diese ist reich an queren 


Rissen. 


Rachitis und Epithelkörperchen. 437 


b) Der ruhende Knorpel (rK). In der rotvioletten, homogenen Grundsubstanz liegen große, helle Zellen mit großem, 
hellem Kern, die gegen die Seitenbuchten (a2) kleiner werden, aber hell bleiben. Die Schicht ist im Durchschnitt 324 y. 


hoch, maximal 405 u, minimal 270 y. 


ce) Die Knorpelwucherungszone (KW) ist durchschnittlich 144 u hoch, maximal 150 p., minimal 75 j.. Die Schicht 
ist in toto etwas nach unten ausgebogen. Die blauviolette Grundsubstanz ist zwischen den Zellsäulen heller als 
zwischen den Zellen in den Säulen. Die kleinen, dunklen, querspindeligen Zellen, deren Kerne manchmal etwas lichter 


sind, formieren nach oben zusammenstrebende Säulen. 


d) Die präparatorische Verkalkungszone (pV) ist durchschnittlich 106 u, maximal 135 u, minimal 90 u und eben- 
falls in toto nach unten etwas ausgebogen. Die großen, sich polygonal abplattenden Zellen haben alle einen großen, 
runden, hellen Kern und ein helles, manchmal sternförmig geschrumpftes Protoplasma und setzen Säulen zusammen, 
die parallel zur Rippenachse und dicht zusammenstehen. Die Grundsubstanz ist verkalkt, dunkelblau, doch klingt die 
dunkle Farbe, nach oben ganz langsam lichter werdend, ab und nach unten wird sie immer dunkler, am dunkelsten ist 
sie in den Knorpeleinschlüssen der primären Spongiosa. In der Schicht der obersten 2 bis 3 schon großen, hellen 
Zellen fehlt die Verkalkung der Grundsubstanz manchmal ganz, weiter unten beginnt sie mit Verkalkung der Kapseln 
und erst in der unteren Hälfte der Schicht oder gar erst in der primären Spongiosa ist alle Grundsubstanz homogen 
verkalkt. 


e) Enchondrale Ossifikation und primäre Spongiosa. Das Bild der enchondralen Ossifikation gleicht dem 
normalen. Fast in jeder Zellsäule dringt eine Kapillare vor, die so breit ist als die Säule selbst, am oberen Ende keine 
Endothelwand besitzt, so daß sich das Blut frei in die eröffneten Kapseln ergießt. Die Gefäße dringen in einer Reihe 
vor und die Grundsubstanzsepta zwischen den aufgebrochenen Zellsäulen bleiben in der Regel erhalten. Schon unter- 
halb der höchsten eröffneten Kapsel sieht man prächtige Osteoblasten auftauchen, welche auch sofort auf den Knorpel 
einen Knochensaum apponieren, der eben bis tief hinunter darum schr dünn bleibt, weil zwischen je zwei primären 
Spongiosabälkchen die ohnehin schmale primäre Markbucht oft so voll gepfropft ist von Osteoblasten, daß für die 
Kapillare selbst oft nur ein enger Raum übrig bleibt. Die primären Spongiosabälkchen sind zahlreich, stehen parallel 
zueinander (?Sp) und bilden eine sehr gut ausgeprägte Schicht, die durchschnittlich 224 . hoch ist, maximal 330 u, 


minimal 75 u, Der Knochenanwurf ist total verkalkt, zeigt nirgends Osteoidsäume. 


PD Die sekundäre Spongiosa (sSp) ist durchschnittlich 640 hoch, maximal 1275 u, minimal525 u, gehtobenaus der pri- 
mären Spongiosa hervor und besteht aus dickeren, in weiten Abständen voneinander stehenden, durchaus nicht parallelen 
Knochenbalken, die nach unten zu und seitlich sich als Stützbalken (b) der Corticalis anschmiegen. Die Zahl der 
Bälkchen ist gering, so daß sie in manchen Schnitten nur in einigen wenigen Exemplaren vorliegen. Obwohl die Balken 
von prächtigen Osteoblasten umlagert sind, sind sie sehr gut verkalkt und Osteoidsäume sind zwar vorhanden, aber 
nicht sehr viele. Immerhin ist das Osteoid deutlich etwas dicker als normal und auch häufiger, denn die 13 Messungen 
(siehe unten) konnten alle an einem Schnitt erhoben werden, während man bei einer ganz normalen Rippe an der 


Spongiosa oft nichts zu messen findet. 


&) Die Corticalis (C) ist in ihrer Selbständigkeit durchaus bis zum oberen Ende gewahrt, welches die obere Grenze der 
Knorpelwucherungszone erreicht. Sie ist dünn, kompakt, besteht aus reifem Knochengewebe und enthält das meiste 
Osteoid. Dieses ist am dicksten auf der pleuralen Endostseite (c). Die Kalkgrenze ist manchmal verbreitert und grob- 


körnig. Das obere Corticalisende ist besonders kernreich und bis nahe an die Spitze kalkhaltig. 
h) Das Periost ohne Besonderheiten. 


£) Im zelligen Knochenmark liegen spärliche Fettzellen (d); die groß- und hellkernigen Zellen überwiegen über die 


klein- und dunkelkernigen. Die Riesenzellen sind mäßig an Zahl und gut entwickelt. 


k) Das Osteoid wurde an drei Stellen gemessen. 1. an der sekundären Spongiosa, 2. an der Corticalis, 3. am oberen 
Corticalisende. 


1. 13 Messungen, 6°4 1. Durchschnitt, 12°5 u Maximum, 2°5 u Minimum. 


Bi paleeha) 13-8 p. > 70.04 > 504 > 
3. 4 > Late > 250u > 10-Oy > 
* %* 


438 


Dr. I Erdheim, 


B.Rippen vom Sektionsmaterial (Fig. 18). Das Material wurde 4 Tage in Müller entkalkt. 


a) 
b) 


c) 


d) 


Der verkalkte Rippenknorpel (vwK) zeigt gegen früher gar keine Abweichungen. 


Der ruhende Knorpel (rK) ist durchschnittlich 353 » hoch, 400 p. maximal, 272 p. minimal. Die Zellen sind axial 
groß, hell und haben einen großen, runden, hellen Kern (rK). Gegen die Seitenausbauchung zu sind die Zellen klein, 
zahlreicher, oft in allen Teilen blau. In der homogenen, rotvioletten Grundsubstanz laufen violette Züge, die bald axial 
liegen, sehr zahlreich sind und senkrecht absteigen, bald seitlich liegen, spärlich sind und nach unten von beiden Seiten 


konvergieren, bald überhaupt fehlen. 


Die Knorpelwucherungszone (KW) ist durchschnittlich 172 x hoch, 320 u maximal, 80 p. minimal. Ihre obere 
Grenze ist meist geradlinig oder nach unten leicht ausgebogen, während die untere Grenze stark konvex ist, so daß die 
Schicht axial sehr viel dicker ist als an den Seiten. In der homogenen, blauvioletten Grundsubstanz liegen die 
kleinen, dunklen, querspindeligen Zellen, die nach oben zusammenstrebende Säulen zusammensetzen, in denen die 


Grundsubstanz dunkler ist als zwischen den Säulen. 


Die präparatorische Verkalkungszone (k—pV) ist durchschnittlich 1344 ı hoch, maximal 1680 y, minimal 
1140 u. Es liegt somit ein ungemein hohes Massiv aus Knorpelgewebe vor, welches in der Zeit, seitdem die Verkalkung; 
mangelhaft und der vaskuläre Abbau ausgeblieben ist, von der Knorpelwucherungsschicht aufgetürmt worden war und 
wie eine lange, breite Schürze derart in den knöchernen Rippenteil hinunterhängt, daß die Corticalisenden die Masse 
seitlich umfassen und ihr unteres Ende durch ein innen vorspringendes Ringgesims (f, f) stützen. Eine Spongiosa (9) 
hilft nur sehr wenig beim Stützen der Knorpelmasse mit, ja fehlt sogar oft in diesem Falle, so daß das untere Knorpel- 
ende in direktem Kontakt mit dem Mark der großen Markhöhle steht. 

Der Hauptmasse nach ist das Knorpelgewebe kalklos und erscheint ganz hell (k—p V)) mit einem violetten Stich. 
Die Zellen variieren außerordentlich und verleihen dem Knorpel ein unruhiges Bild. Sıe sind dufchschnittlich kleiner 
als wir sie normaliter in dieser Schicht zu finden pflegen. Ihre Form ist bald rundlich, polygonal, bald ganz platt; der 
Kern bald rund, groß und hell, bald klein, dunkel und sternförmig geschrumpft; das Protoplasma bald ganz licht und 
locker, bald dunkel und sternförmig geschrumpft; die Farbe wechselt von ganz licht- bis dunkelblau. Im allgemeinen 
liegen die Zellen mit regressiven Veränderungen in den axialen Partien, wo sie sehr hohe, parallel zur Rippenachse 
stehende Säulen zusammensetzen, die gar nicht dicht zusammenstehen, weil die bald homogene, bald ebenfalls 
regressiv veränderte, längs aufgefaserte und dann blau, selten intensiv rot gefärbte Grundsubstanz sehr reichlich ent- 
wickelt ist. Die gleichmäßig beschaffenen, hellen, wohlerhaltenen Zellen jedoch liegen hauptsächlich oben in den 
seitlichen Partien (7), wo sie nach oben auseinanderstehende und dicht beisammenliegende Säulen zusammensetzen. 

Ist wohl der größte Teil des Knorpels kalklos, so fehlt die Verkalkung durchaus nicht ganz. Sie findet sich in 
jeder Rippe und bevorzugt in auffallender Weise die der Corticalis am nächsten liegenden periphersten Knorpelteile, 
bald näher oben (b), bald tiefer unten (c), bald entlang der ganzen Höhe. Die Menge dieser Verkalkung ist nicht gar so 
gering und erfährt in den mittleren (nicht in den obersten) Rippen an zwei typisehen Stellen sogar noch eine Steigerung, 
nämlich etwa an der Grenze zwischen oberem und mittlerem Höhendtittel der Schicht (e) und dann an ihrem unteren 
Ende (d). An diesen beiden Stellen schiebt sich die Verkalkung weiter gegen die Rippenachse vor, ohne sie zu 
erreichen. Aber an Tangentialschnitten zu Anfang und Ende der Serie überbiückt diese Verkalkung in der Tat die 
ganze Rippenbreite. Nach Schmorl dürfte es sich hier zumindest beie um eine Remissin handeln, die vor einiger 
Zeit da war. 

Das Bild der Knorpelverkalkung ist das für Rachitis gewöhnliche. Die Grundsubstanz schw zo ea, die 
Be der Verkalkung aufs klarste vorliegend in Form einer lockeren und grobkörnigen Übergangszone, wie man das 
sonst nur am Knochengewebe zu sehen gewohnt ist. Stellenweise betrifft die Verkalkung die Grundsubstanz mit Aus- 
schluß der Knorpelkapseln. An der Kalkgrenze endlich zeigen die Knorpelzellen sehr oft eine bald feiner, bald gröber 


granuläre Beschaffenheit des Protoplasmas mit sattroter Färbung der Granula. 


Enchondrale Ossifikation und primäre Spongiosa. Von einer regulären enchondralen Ossifikation ist hier 
nur in sehr geringem Ausmaße die Rede. Aber die pathologische Knorpelvaskularisation ist gar nicht gering. Zum Teile 
dringen die Markgefäße geradeaus von unten hinauf in den Knorpel hinein (£), zum Teil aber in folgender Weise von 
der Seite. Zwischen der Knorpelmasse und der sie einhüllenden Corticalis liegt ein Spalt, in den vom Mark her sehr 
weite Blutgefäße mit kapillarer Wandbeschaffenheit bis hoch hinauf vordringen (k) und entlang der ganzen Strecke 


kleinere Nebenäste in den Knorpel hinein entsenden. Enge Gefäßstämmchen, welche in oft stark schräger Richtung die 


I 


8) 


Rachitis und Epithelkörperchen. 439 


Corticalis vom Periost her durchziehen (2) und in die weiten, aufsteigenden Randgefäße k einmünden, stellen eine 
Kommunikation her zwischen dem Gefäßgebiet des Periosts und Knochenmarks. 

Die den Knorpel durchziehenden Gefäße schwanken von Kapillaren bis zu mittleren Dimensionen, liegen 
einzeln oder durch Bindegewebe zu Büscheln vereinigt und nehmen ihren Weg durch die Grundsubstanz, während 
Kapseleinbrüche nur ganz vereinzelt vorliegen. In einigem Umkreis um die eingedrungenen Gefäße hat der Knorpel 
seine Basophilie ganz eingebüßt, aber Auflösung des Knorpels sieht man derzeit wenigstens nicht. Am unteren und 
seitlichen Rande der Knorpelmasse sind die die Gefäße enthaltenden Kanäle im Knorpel auf eine ganz kurze Strecke mit 
Knochen ausgekleidet, der sich im Gegensatz zu den Bildern normaler Ossifikation nicht konvex, sondern konkav 
buchtig gegen den Knorpel begrenzt, am lateralen Knorpelrande manchmal eine ganz kurze Brücke zur Corticalis ent- 
sendet und so hier den Knorpel auf den Schaft stützt. 

An seinem unteren Rande stützt sich die Knorpelmasse auf Knochenbälkchen (g), die keinen Knorpeleinschluß 
aufweisen, also zur sekundären Spongiosa zu rechnen sind, mehr gegen den Rand liegen und dort an der Corticalis- 
innenfläche ihrerseits eine Stütze finden. Gerade oberhalb solcher Stützbalken sicht man in diesem Falle typischen 
Sinterknorpel liegen, dessen Zellkerne pyknotisch sind oder fehlen, während die Zellen selbst plattgedrückt oder bis 
zum vollständigen Kollaps der Kapseln verschwunden sind. Doch findet sich Sinterknorpel im allgemeinen wenig, denn 
die Unterstützung des Knorpels durch Knochenbälkchen ist nur selten vorhanden, so daß der Knorpel zumeist in 
direktem Kontakt steht mit dem zelligen Mark der großen Markhöhle und an solchen Stellen sind die Zellen des kalk- 
losen Knorpels rund. Nebenbei kommen am unteren Knorpelrande jene auch in anderen Fällen erwähnten Bilder vor, 
bei denen es nach der Hämalaun-Eosinfärbung allein schwer ist zu entscheiden zwischen im Knorpel steckenden, 
knöchernen Globuli und veränderten Knorpelzellen. 

Im Gegensatz zu der bisher geschilderten pathologischen Vaskularisation des Knorpels findet man in seinen 
verkalkten Randpartien (d,c,e) mehr das normale Bild enchondraler Ossifikation. Denn Blutgefäße eröffnen die 
Knorpelkapseln und schaffen so große Räume, die gefäßreiches Bindegewebe und auch Globuli ossei enthalten, welche 
sogar verkalken können. Ganz normal ist übrigens auch dieser Ossifikationsprozeß nicht, denn er liegt im Verhältnis 
zur Menge des verkalkten Knorpels doch nur in geringer Menge vor und die die Kapseln aufbrechenden Gefäße haben 
keineswegs die Neigung, den Zellsäulen in der Richtung nach aufwärts nachzugehen. 

Eine primäre Spongiosa im Sinne einer eigenen Schicht von Balken, die vom unteren Knorpelrand abgehen 
und zentral Knorpel einschließen, fehlt hier ganz und die in der vorrachitischen Zeit bestandene primäre Spongiosa ist 
spurlos resorbiert. Was wir aber gelegentlich der pathologischen und der einigermaßen normalen enchondralen Ossifi- 
kation an Knochenproduktion gesehen haben, ist quantitativ sehr gering und überdies nicht als Schicht hervortretend, 


sondern ins Knorpelmassiv eingebaut. 


Die sekundäre Spongiosa besteht aus im ganzen spärlichen Bälkchen, dic in weiten Abständen voneinander 
liegen (g), selten ein zusammenhängendes Balkenwerk formieren, in manchen Schnitten vereinzelt vorliegen, in 
anderen ganz fehlen. Bei diesem zum Schlusse kachektisch gewordenen Tiere ist also die Spongiosa- sehr gering ent- 
wickelt, wie wir das bei schwerem Marasmus im Falle 22 noch besser sehen werden. Das Gebiet, in dem sich diese 
äußerst dürftige Spongiosa findet, ist eigentlich sehr hoch, 1648 u im Durchschnitt, 2240 ı. maximal und 1120 u minimal 
hoch. Diese Spongiosa hält mehr die Corticalis zusammen und stützt den Knorpel nur ausnahmsweise. Die besondere 
Höhe der Spongiosa dürfte so entstanden sein, daß ihr Abbau von der Markhöhle her unterblieb und das Gebiet, 
welches früher die primäre Spongiosa einnahm, nach deren Abbau von der sekundären Spongiosa okkupiert wurde, ein 
Vorgang, der an den nach abgeschlossenem physiologischen Längenwachstum eintretenden erinnert. 

Die Bälkchen selbst sind breit, der Hauptsache nach verkalkt, stellenweise aber auch mit pathologisch breiten 
Osteoidsäumen umgeben. Die Osteoblasten sind bald gut entwickelt, bald nieder, bald fehlen sie ganz. In den sehr 
großen Markräumen liegt dasselbe zellige Mark wie in der großen Markhöhle, mit der es breit zusammenhängt und bis 


zur Unterfläche der Knorpelmasse reicht. 


Die Corticalis ist kompakt, in ziemlichem Ausmaß verkalkt (m), führt aber auch bedeutende Mengen von Osteoid, so 
vor allem auf der pektoralen Periost- (»), weniger auf der Endostfläche (o) und endlich in den Gefäßkanälen. Der den 
Knorpel umgreifende obere Corticalisabschnitt (r) ist auffallend kalkärmer und das oberste Corticalisende, das bald fast 
bis zur Knorpelwucherungszone reicht (s), bald kaum bis zur halben Höhe der präparatorischen Verkalkungszone (!), 
ist auf eine sehr lange Strecke kalklos. | 

Die interessanteste Stelle der Corticalis ist die, wo sie genau in der Höhe des untersten Knorpelrandes in 


Form eines inneren, besonders kalkarmen Ringgesimses verdickt ist, das den Knorpel stützt (ff). Nur manchmal 


440 


h) 


k) 


Dr. J. Erdheim, 


entspricht dieser Stelle auch am Periost eine Vorwölbung. Es ist leicht nachzuweisen, daß diese kalkarme, gesims- 
förmige Corticalisverdickung, die sich konstant an derselben Stelle in den meisten Rippen findet, der Effekt einer 
Spontanfraktur ist. Durch die Mitte der Corticalisdicke zieht gerade an dieser Stelle oft ein kalkhaltiger Streifen (p), 
der sehr oft an einer oder zwei Stellen, auf einer oder beiden Seiten der Rippe zerbrochen ist. Der Frakturspalt, der 
mit Detritus gefüllt ist, ist oft sogar etwas in das umgebende Osteoid hineingerissen und die Knochenzellen des um- 
liegenden, verkalkten und kalklosen Knochengewebes sind nekrotisch: Ein Effekt der Gewebsquetschung beim Ent- 
stehen der Fraktur und bei Bewegung der Frakturstelle. Auch kleine Inseln von Knorpel finden sich, namentlich im 
Osteoid des Frakturbereiches, und manchmal liegt der Knorpel nur noch in Resten vor, in die kalkhaltiges oder kalk- 
loses Knochengewebe globulär eingebaut ist. Man kann somit von knorpeligen und enchondralen Kalluspartien 


sprechen, die auf ein verschiedenes Alter der Fraktur hindeuten. 


Daß aber diese Spontanfraktur immer wieder an der gleichen typischen Stelle erfolgt, hat den folgenden 
Grund. Die große Masse kalklosen Knorpels (k—pV) haben wir uns eigentlich nicht als weiches Gebilde vorzustellen, 
weil es ja zirkulär am Rande (2b, c, e) eine Versteifung in Form von Verkalkung der Grundsubstanz erhalten hat. Neben- 
bei bemerkt ist die Bevorzugung des Knorpelrandes bei der Verkalkung ein Beispiel für die mechanische Bedingtheit 
solcher lokaler Bevorzugung der Verkalkung. Die Auftürmung des ungemein hohen Knorpelmassivs fällt in die Zeit der 
Rachitis und ebenso auch die Ausbildung des von f bis s reichenden Corticalisstückes, dessen Längenwachstum ja mit 
dem Knorpelwachstum zum Teil (s), aber nicht immer (?) gleichen Schritt hält. Weil aber das Corticalisstück f—s, 
welches gerade die ganze Knorpelmasse in sich schließt, in die Rachitiszeit fällt, ist es im wesentlichen kalklos 
geblieben und es resultiert daraus das folgende Verhalten: In der durch die fast ganz weiche Corticalis umgrenzten 
Lichtung steckt ein durch randständige Kalkversteifung festgemachter Knorpelzylinder wie ein Holzpfropfen in einem 
weichen, dünnwandigen Gummischlauch und es ist klar, daß bei Biegungsversuchen, wie sie bei der mechanischen 
Inanspruchnahme des Knochens vorkommen müssen, die Corticalis gerade im Niveau des unteren Knorpelendes ein- 


knicken wird. Darum die Fraktur immer an der gleichen Stelle. 


Indem der Kallus an der Endostfläche ein innen vorspringendes Ringgesimse hervorbringt, dieses auf der das 
Mark berührenden Fläche (/ rechts) in sehr passender Weise durch Kalkeinlagerung eine Versteifung bekommt und der 
Sims selbst sich auf den hier ebenfalls verkalkten Knorpel (c) aufstützt, gewinnt die dem Biegungsbruch so sehr aus- 
gesetzte Corticalisstelle an Festigkeit, wenn dies auch nur als Provisorium angesehen werden kann. So stützt sich also 
mittels des Gesimses eher die Corticalis auf den Knorpel als umgekehrt und wir verstehen erst jetzt, warum der Kallus 
sich eigentlich fast gar nicht auf der Periostfläche der Rippe vorwölbt, sondern nur nach innen. Hier findet er nämlich 
am Knorpel einen passenden Stützpunkt zur Versteifung der Corticalis und ebenso sind jene Spongiosabälkchen zu 
deuten, die etwas tiefer von der Corticalis abgehen und zur Unterfläche des Knorpels hinziehen. 

Spontanfrakturen im obersten Rippenabschnitt an einer sich typisch wiederholenden Stelle kamen im Falle 18 


vor, wo aber der Grund für eine solche typische Lokalisation nicht so klar vorlag wie in diesem Falle. 
Periost ohne Besonderheiten. 


Im ausschließlich zelligen Knochenmark überwiegen die groß- und hellkernigen Zellen über die klein- und dunke] 


kernigen und die mäßig vielen Riesenzellen sind zum Teil gut entwickelt, zum Teil aber klein und dunkel. 


Das Osteoid wurde an 4 Stellen gemessen: 1. an der sekundären Spongiosa, 2. an der Corticalis. 3. am oberen Ende 


derselben, 4. an der Corticalisbruchstelle. 


1. 18 Messungen, 15°0 px Durchschnitt, 32 „ Maximum, 8. Minimum. 


2. 37 > 47-5 > 1284 > gu >» 
3. 14 > 62°2 B > 160 u. > 16 P > 
4. 33 > 94-9 u > DAN > 16p > 
* * 
%* 


Fall 22. Weiße, weibliche Ratte, im Laboratoriumsstall geboren und aufgewachsen, etwa 1 Jahr alt, trotzdem zwerghaft klein und 


nur 78 g schwer, hochgradig kachektisch, mit schwerster Scabies an Ohren, Schwanz und Beinen behaftet. Die Nagezähne 


intakt, gelb, durchscheinend, tadellos. 


Rachitis und Epithelkörperchen. 441 


Die Geschichte dieses Tieres ist die folgende. In der ersten Zeit wurde es, wie alle Tiere, in einem mäßig geräumigen 
Drahtkäfig gehalten, dann lange Zeit sehr unhygienisch in einem Glasgefäß und hier blieb es im Wachstum stark zurück. Im 
Alter von 7 Monaten kam es aus und lief durch 3 Monate frei im Stall umher, ohne eingefangen werden zu können. Als dies 
schließlich gelang, kam es in einen besonders geräumigen Drahtkäflg zu anderen Tieren. wo es 2 Monate verblieb, und hier 
erst akquirierte es Scabies und wurde kachektisch, so wie es oben beschrieben ist. Es wurde dem Tiere nun die rechte 
Fibula frakturiert, um zu sehen, wie der Kallus bei einem Tier aussehen werde, das hochgradig kachektisch ist, aber, nach 
dem Aussehen der Nagezähne zu urteilen, frei ist von Rachitis. Doch konnte der Versuch nicht zu Ende geführt werden, da 
das Tier 10 Tage post operationem starb. 

Die Obduktion ergab einen überraschenden Befund. Das Gewicht war noch ein wenig gesunken, es betrug 73g, die 
Nagezähne waren tadellos, der Fibulakallus sehr dürftig und die Bruchstelle natürlich noch ganz beweglich. Nach den Ek. 
wurde, aus Schonung für das Präparat, das durch den nicht mehr frischen Zustand des Kadavers gelitten haben mußte, gar 
nicht gesucht, und nun kommt etwas, was nach dem Aussehen der Nagezähne gar nicht zu erwarten war, nämlich deutliche 
Zeichen von Rachitis. Die vorderen Enden der knöchernen Rippen auf eine lange Strecke breit und an sehr vielen Rippen 
zahlreiche, harte, kleine, aber auch einige große und weiße Kallus. Die histologische Untersuchung wird diesen Widerspruch 


zwischen dem makroskopischen Befund der Nagezähne und Rippen aufzuklären haben. 
Histologischer Befund (Fig. 19). Das Material wurde 6 Tage in Müller entkalkt. 


a) Der verkalkte Rippenschaft (vK) enthält große Zellen, eine dunkelblau gefärbte Grundsubstanz mit wenigen oder 


ganz fehlenden Querspalten. Die blaue Farbe verliert sich am Rande meist unscharf. 


b) Der ruhende Knorpel (rK) ist im Durchschnitt 275 x hoch, maximal 400 u, minimal 160 „u. In der homogenen, 
reichlichen. hellrotvioletten Grundsubstanz liegen axial große, meist helle, selten dunkelblaue Zellen, die gegen den 
Rand stets kleiner und dunkler werden. Die seitliche Ausbauchung ist sehr wenig ausgebildet (a) oder über die nächst 


untere Schicht hinuntergestülpt (b). 


e) Die Knorpelwucherungsschicht (KW) ist im Durchschnitt 93°8 u hoch, maximal 128, minimal 48 u. Die 
Schicht ist also recht nieder. Sie ist nach oben nicht scharf begrenzt, ihre Grundsubstanz ist sehr reichlich, homogen, 
bald wie gewöhnlich hellblauviolett. bald aber in ganz ungewöhnlicher Weise so rotviolett wie die nächstobere 
Schicht. Die kleinen, querspindeligen Zellen haben oft bis hoch hinauf helle Kerne und ein helles Protoplasma und 


bilden spärliche, niedere Säulen. 


a4) Die präparatorische Verkalkungszone (pV) ist durchschnittlich 73'8 x hoch, maximal 144 x, minimal 32 y. 
Die Schicht hat einen geraden Verlauf, ist nirgends unterbrochen und tritt scharf hervor. Die rundlich polygonalen 
Zellen sind kleiner als sonst in dieser Schicht, bald ganz hell, bald mehr als sonst blau gefärbt. Sie liegen in Säulen. 
Die homogene, vollständig verkalkte, intensiv schwarzblau gefärbte Grundsubstanz ist wegen der Kleinheit der Zellen 


reichlicher als normal und die Verkalkung endet nach oben mit auffallend scharfer Linie. 


e) Von enchondraler ÖOssifikation ist nirgends etwas zu sehen. Nirgends sieht man Kapillaren in den Knorpel vor- 
_ dringen, sondern dieser steht mit dem weitaus größten Teile seiner Unterfläche direkt in Kontakt mit dem zelligen Mark 
der großen Markhöhle (Fig. 19) und wird nur in ganz träger Weise von einigen flach anliegenden Riesenzellen 
abgebaut, die ein dunkles Protoplasma und dunkle Kerne besitzen, deren Chromatinstruktur der der menschlichen 
Plasmazellen gleicht. Bei diesem Abbau bleiben oft die Knorpelzellen noch intakt, nachdem ihre Kapsel schon zum 
Teil abgetragen ist. Von einem zusammenhängenden Lager der primären Spongiosa kann man auch nicht reden, denn 
nur hie und da stößt man auf ein Bälkchen mit zentralem Knorpeleinschluß, einen ganz dünnen, stets vollständig ver- 
kalkten Knochenanwurf, der nirgends einen osteoiden Saum aufweist, nirgends von Osteoblasten umgeben ist, im 
Gegenteil, manchmal einen in einer Lakune liegenden Osteoklasten zeigt. Es handelt sich somit um eine durch lakunäre 
Resorption fortschreitende Atrophie der präparatorischen Verkalkungszone und der primären Spongiosa, welch letztere 


bis auf spärliche Reste verschwunden ist. 


J) Die sekundäre Spongiosa (Fig. 19, sSp) liegt als Schicht ebensowenig vor wie die primäre, denn nur hie und da 
findet man ein dünnes, aus reifem Knochengewebe bestehendes Bälkchen, das kaum irgendwo einen unscheinbaren 
Osteoidsaum besitzt, nirgends von Osteoblasten umgeben ist, nicht selten jedoch von Osteoblasten lakunär abgebaut 

wird. Unten stützt sich das Bälkchen auf die Corticalis, oben geht es in ein primäres Spongiosabälkchen über oder 
stützt den Knorpel direkt, das heißt das Knochenbälkchen enthält bis zu seiner Berührung mit dem Knorpel keinen 


Knorpeleinschluß. Wenn auch die sekundären Spongiosabälkchen vielleicht etwas häufiger zu sehen sind als die 


h) 


i) 


Dr. J. Erdheim, 


primären, so gibt es doch Schnitte genug, in denen jegliches Bälkchen fehlt und dann sieht die Rippe eigentlich aus 
wie ein Zylinder aus zelligem Mark, der seitlich von der Corticalis begrenzt, oben von verkalktem Knorpel überdacht 
ist. Also auch die sekundäre Spongiosa zeigt hochgradige fortschreitende, schon bis nahe zum völligen Schwunde 


gediehene Atrophie. 


Die Corticalis (C) ist äußerst dünn, besteht aus reifem Knochengewebe, ist im wesentlichen verkalkt und diejenige 
Stelle in der Rippe, wo Knochengewebe allenfalls noch in greifbarer Menge vorkommt. Die periostale Fläche ist zumeist 
lakunär begrenzt, also im Abbau, die endostale weist häufiger einen Osteoidsaum auf; die am oberen Ende für gewöhn- 
lich vorhandene Ausbauchung der Rippe fehlt ganz: Es handelt sich um eine konzentrische Atrophie der Corticalis. 
Von einigem Interesse ist hier das obere Corticalisende. Wenn wir von den minimalen Spongiosaresten absehen, so 
sind die Corticalis und die präparatorische Knorpelverkalkungsschicht die zwei einzigen festen Bestandteile der 
Rippe, in der sie auch in der Tat eine mechanisch-statische Einheit bilden. Am oberen Corticalisende liegt die Ver- 
bindungsstelle beider Gewebe und diese gestaltet sich in folgender Weise. 

In der Skizze I wird der Rand der präparatorischen Verkalkungszone (pV) vom oberen Corticalisende (C) leicht 


gabelig umgriffen. In der Skizze II ist infolge der konzentrischen Atrophie die Corticalis schon mehr gegen das 


Skizze 2. 


Drei verschiedene Randpartien von Rippen des Falles 22. rK= ruhender Knorpel, KW — Knorpelwucherungszone, 


p V = präparatorische Verkalkungsschicht, © = Corticalis, O — oberes Corticalisende, P— Periost. 


Rippeninnere vorgerückt und ist einfach unter dem Knorpelrand wie eine Stütze angeordnet. Dies Verhalten sieht man 
in Fig. 19 bei C. Und in der Skizze III ist die Corticaliswand noch mehr nach einwärts gerückt, steht ebenfalls als 
Stütze in Verwendung, aber der verkalkte Knorpel ragt jetzt hinaus, er ist für die konzentrisch atrophierende Rippe zu 
breit. Dieses Hineinwärtsrücken der Corticalis geschieht entweder so, daß sie von außen lakunär abgebaut, von innen 
angebaut wird, oder so, daß an Stelle der von außen her im Verschwinden begriffenen Corticalis ein randständiger 
Spongiosabalken die Stützfunktion der Corticalis übernimmt, und das sehen wir in der Fig. 19 gerade in Entstehung. 
Denn die Corticalis endet schon bei C5, höher oben fehlt sie, der Knorpel (c) hat am Rande keine Stütze mehr, dafür 
übernimmt das randständige Bälkchen C, die Stützfunktion. 

Noch etwas läßt sich aus den Skizzen entnehmen. Oist in allen dreien das obere kalkfreie Corticalisende und 
man sieht, wie im Schaft die Kalkgrenze zwischen O und C so liegt, daß die Corticalis auch nicht um Haaresbreite 
weiter verkalkt ist, als dies zur Unterstützung des verkalkten Knorpels nötig ist. Was von der Gorticalis zur Stützung 
des Knorpels nicht verwendet wird, ist auch nicht verkalkt, man hat den Eindruck, daß bei diesem Tier die Verkalkung 
auf das allernotwendigste eingeschränkt wird. In der Skizze III sieht man übrigens, daß der kalkhaltige Corticalisteil 


infolge des Hineingeschobenseins außer Kontakt mit seiner osteoiden Spitze geraten ist. 
Das Periost bietet nichts Besonderes. 


Das Knochenmark (M) ist ausschließlich zellig, oft enorm vaskularisiert. Die Riesenzellen klein, ihr Protoplasma 
und die Kerne dunkel. Die Zahl der Markzellen ist verringert, sie stehen lockerer als gewöhnlich, die dunkelkernigen 
prävalieren, aber die Zellmannigfaltigkeit ist größer als normal. Hie ‘und da findet man im Mark eine kugelige 


Anhäufung großer, heller Zellen, deren Deutung in den dicken Schnitten nicht möglich ist. 


Rachitis und Epithelkörperchen. 443 


k) Das Osteoid wurde an 3 Stellen gemessen. 1. an der sekundären Spongiosa. 2. der Corticalis, 3. dem oberen 


Corticalisende. 


1. 7 Messungen, 5'2 p. Durchschnitt, 75 Maximum, 3°8 » Minimum. 
2. 35 > 95H > 3754 > 2’5u > 
3. 8 > 16°3 u > 300 y > 10°0 u. » 


Außer den Rippen wurden in diesem Falle auch noch untersucht: Humerus, Radius, Ulna, Femur, Tibia, Fibula. 
Dieses Material wurde in Salpetersäure entkalkt und zeigte vor allem, daß in allen diesen Knochen die Epiphysen- 
knorpel noch vollständig erhalten waren, das Tier also noch nicht ausgewachsen war. Das sei nur darum besonders 
erwähnt, um bei dem jeglichen Mangel enchondraler Ossifikation in den Rippen nicht den Gedanken aufkommen zu 


lassen, daß der physiologische Abschluß des Körperwachstums daran die Schuld habe. 


Fall 23. Weiße, weibliche Ratte, 82g schwer, mit intakten, gelben, aber ganz opaken Nagezähnen. Das Tier ist etwa 1 Jahr alt, 
wurde im Laboratoriumsstall geboren, anfangs in einem Drahtkäfig, seit vielen Monaten aber in einem Glasgefäß gehalten. 
Es hat keine Scabies, ist aber hochgradig kachektisch, klein und macht den Eindruck eines ganz jungen Tieres. Es besteht 
schwere Dyspnoe. Dem Tiere wurden beide Fibulae frakturiert, aber 6 Tage darauf ging es ein. Bei der Obduktion wog es 
81 g. Die Nagezähne waren wie oben, es bestand ausgedehnte Pneumonie. Das vordere Ende der knöchernen Rippen war 
verdickt und links fanden sich zwei kleine Rippenkallus und ein alter Kallus in der linken Fibula, der schon bei der 
Operation zu sehen war. Das Tier war im höchsten Grade marantisch. Die Ek. schienen’ nicht besonders groß zu sein und 


die Fibulafragmente waren nicht einmal bindegewebig vereinigt. 
Histologischer Befund. Das Material wurde 4 Tage in Müller entkalkt. 


a) Der verkalkte Rippenknorpel ist intensiv blau gefärbt, die Grenze des Blau ist nach allen Seiten unscharf, Risse 


in der Grundsubstanz sind vorhanden, aber wenig, die Zellen sind groß, hell. 


b) Der ruhende Knorpel ist im Durchschnitt 316 x hoch, maximal 400 u, minimal 214 u. In der homogenen, hellrot- 
violetten Grundsubstanz liegen axial große Zellen, die nach oben hell-, nach unten oft dunkelblau gefärbt sind. Gegen 


die gut ausgebildeten Seitenausbuchtungen hin werden aber die Zellen klein und dunkel. 


e) Die Knorpelwucherungszone ist im Durchschnitt 117 x hoch, maximal 128 , minimal 96 y. In der reichlichen, 
homogenen, hellblauvioletten Grundsubstanz liegen kleine, dunkle, querspindelige Zellen zu schönen, nach oben kon- 
vergierenden Säulen gruppiert. Die Gesamtform der Schicht ist die einer Kalotte. Es ist sehr auffallend, daß die Rippen- 
dicke, also auch die Breite (nicht Höhe) des wuchernden Knorpels viel geringer ist als die des ruhenden, was sich in 
der Weise geltend macht, daß die seitliche Ausbauchung des ruhenden Knorpels auf der pektoralen Seite sehr stark 
prominiert und auf dieser Seite durch eine knöcherne, periostale Auflagerung der Corticalis der knöcherne Rippenschaft 
dem ruhenden Knorpel etwa gleich breit gemacht ist, aber zwischen dem oberen Corticalisende und dem ruhenden 


Knorpel liegt nur Bindegewebe. 


4) Die präparatorische Verkalkungszone ist durchschnittlich 191°5 » hoch, maximal 720 x, minimal 48 j.. Diese 
großen Differenzen in der Schichthöhe haben darin ihren Grund, daß die Schicht oben zwar in einer geraden Linie 
beginnt, unten aber durch sehr verschieden tief einschneidende Markbuchten eine sehr vielgestaltige Begrenzung 
erhält. Trotz der Längsschnitte durch die Rippe sind diese Buchten oft quer getroffen, so daß der Knorpel stellenweise 
wie ein Netz mit ausgefressenen Maschen aussieht. Die Zellen sind nur mäßig groß, hell, rundlich-polygonal, mit 
großem, hellem Kern und stehen in parallelen, seitlich nach oben divergierenden Säulen, die stellenweise nicht allzu 
dicht stehen, so daß die Grundsubstanz zwischen den Zellsäulen noch immer reichlicher ist als zwischen den Zellen in 
den Säulen. Die Grundsubstanz ist verkalkt, homogen und intensiv schwarzblau, nur zu oberst liegen I bis 2, selten 
3 Lagen von Zellen, die fast schon die gehörige Größe haben und trotzdem in noch nicht verkalkter Grundsubstanz 
liegen. Die obere Kälkerene ist stets sehr deutlich, manchmal linear scharf, manchmal etwas verwischt. In einer Rippe 
waren die Verhältnisse etwas anders als in den anderen. Die präparatorische Knorpelverkalkungsschicht war viel dicker 
als sonst, dabei axial viel dicker als marginal und hing schürzenförmig in die knöcherne Rippe hinunter. Während aber 
der marginale Teil ebenso stark verkalkt ist wie in den anderen Rippen, ist der axiale Teil kalklos und hier dringen 


Markgefäße in den Knorpel nach rachitischem Typus, nicht entlang den Zellsäulen, sondern in der Grundsubstanz. 
Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC. Bd. 62 


AA Dr. J. Erdheim, 


e) Enchondrale Ossifikation und primäre Spongiosa. Die in den Knorpel von unten her eingegrabenen Mark- 
buchten sind bald schmal, so daß ihrer mehrere im Schnitte nebeneinander Platz haben, ein andermal so breit, daß nur 
einige wenige in der ganzen Rippe liegen. Im Bereiche der Bucht sind nicht nur die Knorpelzellen, sondern auch die 
zwischen ihnen liegenden Grundsubstanzsepta abgebaut. Der Inhalt der Bucht besteht aus jungem Bindegewebe mit 
einem größeren zentralen oder mehreren kleinen Gefäßen, selten auch mit etwas zelligem Mark. Nur ganz ausnahms- 
weise sieht man ein Gefäß eine Kapsel aufbrechen, denn fast immer liegt zwischen Gefäß und Knorpel eine Lage 
Bindegewebe. Man kann demnach die enchondrale Ossifikation als ruhend ansehen. Die Zahl der primären Spongiosa- 
bälkchen ist gering, ihre Länge bald ganz gering, bald etwas größer, die Schicht ist im Durchschnitt 162 u hoch, 
maximal 208 u, minimal 112. Der zentrale, verkalkte Knorpeleinschluß kann unverbrauchte Knorpelzellen oder 
Globuli ossei enthalten, der Knochenanwurf ist nicht selten mit einem Osteoidsaum versehen, kann aber. auch ganz 


osteoid sein. Osteoblasten fehlen. 


f) Die sekundäre Spongiosa ist durchschnittlich 786 u, maximal 1120», minimal 560 u. hoch. Die Bälkchen sind 
schlank, liegen ganz locker, bestehen aus reifem Knochengewebe, tragen oft einen Osteoidsaum; Osteoblasten fehlen, 
Osteoklasten sind manchmal vorhanden. In den weiten Markräumen liegt zelliges Mark, eine direkte Fortsetzung aus 


der großen Markhöhle. 


g) Die Corticalis ist dünn, kompakt, enthält wenig Gefäßkanäle, besteht aus reifem Knochengewebe, ist im wesentlichen 
gut verkalkt. Osteoidsäume fehlen nicht, sind am dicksten auf der pektoralen Periostfläche, weniger am Endost, die 
Kalkgrenze mäßig verbreitert, aber nicht sehr grobkörnig. Stellenweise ist die Compacta von kalkhaltigen und kalk- 
losen Streifen abwechselnd durchzogen. Am oberen Corticalisende beginnt das Osteoid manchmal, ähnlich wie im 


Falle 22, genau oberhalb der oberen Grenze des verkalkten Knorpels. 
h) Das Periost zeigt nichts Besonderes. 


i) Im zelligen Knochenmark sind bei diesem so hochgradig marantischen Tiere stellenweise noch Fettzellen zu finden. 
Die Gefäße sind zahlreich, manchmal begegnet man Blutungen. Die meisten Markzellen haben einen dunklen Kern, die 


Riesenzellen sind spärlich, klein, mit kleinem, dunklem Kern und geringem Protoplasma. 


k) Das Osteoid wurde an 4 Stellen gemessen. 1. an der primären, 2. an der sekundären Spongiosa, 3. an der Corticalis, 


4, an deren oberem Ende. 


1. 20 Messungen, 75 p. Durchschnitt, 15 » Maximum, 25 u Minimum. 


DL » 881 » 15 1 » 381 » 
3.82 » 150 u. > 50 u » Zu >» 
4. 4 > 15:0 1. » 25 u » 75% » 
x * 
% 


B. Das histologische Bild der rachitischen Rippe. 


So wie im Abschnitt über die normale Rippe so wollen wir auch hier, bevor wir auf die histologischen 
Veränderungen eingehen, zunchäst unser Tiermaterial betrachten. Bei den folgenden Ausführungen 
bleiben die Fälle 22 und 23, welche eine Kombination von Rachitis und Cachexie darstellen und für sich 
besprochen werden müssen, vorläufig unberücksichtigt, so daß bloß die 13 Tiere 9 bis 21 verbleiben. 

Sämtliche Tiere waren zahme, in der Gefangenschaft geborene Ratten von weißer, nur Tier 18 von 
grauer Farbe. Unter den Tieren waren 10 Weibchen und 2 Männchen, bei einem ist das Geschlecht nicht 
notiert. Man könnte aus diesem Verhältnis darauf schließen, daß die Rachitis bei der weiblichen Ratte 
häufiger sei als bei der männlichen, doch ist bei dieser Schlußfolgerung darum besondere Vorsicht geboten, 
weil, wie in unserem, so auch in jedem auf Zucht berechneten Tierbestande nur wenige männliche. ! 
Exemplare gehalten werden. 

Das Gewicht der Tiere bewegte sich zwischen 84 und 2448. Es war nur ein Tier schwerer und 
zwei leichter als in der Reihe der normalen Tiere und im allgemeinen kann, wie bei diesen, auch bei den 
rachitischen Tieren gesagt werden, daß sie weder ganz jung noch ausgewachsen waren und daß sie sich 


Rachitis und Epithelkörperchen. 445 


eigentlich in einem Alter befanden, in dem das Körperwachstum in mäßig lebhafter Weise vor sich gehen 
sollte. Insofern haben das normale und rachitische Material Vergleichswert. 

Bei der Besprechung der in den 15 Versuchstagen eingetretenen Gewichtsänderung müssen wir 
Tier 20 darum eliminieren, weil es erst bei der Obduktion gewogen wurde und zum Teil auch Tier 21, 
weil es ausnahmsweise nicht 15 Tage, sondern 3 Monate im Versuche stand. Während unter den acht 
normalen Tieren eines in den 15 Versuchstagen das gleiche Körpergewicht beibehielt und sieben eine 
Gewichtszunahme von 8 bis 22 g aufwiesen, haben wir im Rachitismaterial nur bei 4 Tieren (9, 16, 13, 14) 
eine Gewichtszunahme von nur 3, 3, 4 und 7 8 zu verzeichnen, während die 7.übrigen Tiere einen Verlust 
an Körpergewicht von 1 bis 11 g aufweisen. 

Die Ursache für diese Gewichtsverluste, beziehungsweise nurgeringe Gewichtszunahme konnte 
bei der Obduktion nur ausnahmsweise auf komplizierende Krankheiten zurückgeführt werden. So 
hatte Tier 9, welches bloß 3g an Körpergewicht zunahm, bei der Obduktion eine Pneumonie geringen 
Grades; Tier 17 mit einem Gewichtsverlust von 3g zeigte die rechte Lunge gänzlich, die linke partiell 
pneumonisch verändert; Tier 10 mit einem Gewichtsverlust von 11 g hatte bei der Obduktion ausgedehnte 
Pneumonie, die sich schon in vivo durch Dyspnoe verriet; Tier 21 mit im Verlaufe von 3 Monaten erfolgtem 
größten Gewichtsverlust hatte außer einer ausgedehnten Pneumonie auch noch eine Scabies geringen 
Grades; wenn wir noch erwähnen, daß Tier 20 an einer frischen Perforation eines Magenulcus starb, so 
haben wir alle bei unseren Rachitistieren vorgekommenen pathologischen Nebenbefunde erwähnt. 

Unter diesen ist die als Pneumonie bezeichnete Krankheit die häufigste. In geringen Graden hat sie 
auf den Allgemeinzustand keinen großen Einfluß, bei höheren Graden dieser chronischen, zu mächtigen 
Bronchiectasien führenden Erkrankung aber erkennt man schon in vivo an der Dyspnoe und dem Gewichts- 
verlust diese schließlich zum Tode führende Affektion. Es wäre nicht ausgeschlossen, daß die Thorax- 
rachitis, ähnlich wie beim Kind, eine erhöhte Disposition zur Pneumonie schafft. 

Bei den Sübrigen Tieren, unter denen 5 mit Gewichtsverlusten sich befinden, konnte aber keiner- 
lei komplizierende Erkrankung festgestellt werden, die zur Erklärung der ungünstigen Gewichts- 
verhältnisse hätte herangezogen werden können. Soviel steht aber fest, daß wir bei den rachitischen Tieren viel 
ungünstigere Gewichtsverhältnisse und häufiger komplizierende Erkrankungen vorgefunden haben als bei 
unserem normalen, zur Kontrolle untersuchten Tiermaterial. Doch haben wir uns nicht vorzustellen, daß 
die rachitischen Tiere deswegen in ihrem allgemeinen Ernährungszustand irgendwie auffallend reduziert 
oder gar kachektisch gewesen wären. Im Gegenteil. Die Tiere waren alle gut genährt, muskelkräftig, 
einige, darunter auch solche mit schwerster Rachitis, waren sogar besonders muskelkräftig (Tier 18, 19). 
Wir haben es also bei der Rachitis mit kräftigen und w.ohlgenährten, verhältnismäßig häufig kom- 
plizierende Krankheiten aufweisenden Tieren zu tun, deren Körpergewicht relativ wenig zunimmt oder 
noch häufiger sogar abnimmt. 

Was nun das das Körpergewicht neben dem allgemeinen Ernährungszustand mit beeinflussende 
Längenwachstum betrifft, so ruht dasselbe, wie wir bei der Besprechung der histologischen Befunde 
sehen werden, bei der Rachitis meist entweder ganz oder ist hochgradig gehemmt. Nur bei den leichtesten 
oder beginnenden Fällen ist es so rege oder fast so rege wie normal. Inwiefern dieses Verhalten des 
Längenwachstums auf die schlechten Gewichtsverhältnisse bei der Rachitis einen Einfluß hat, wird durch 
die Tatsache illustriert, daß unter den Tieren mit Gewichtszunahme (9, 13, 14, 16) sich keines mit 
höchstgradigen rachitischen Veränderungen findet, hingegen die zwei einzigen Fälle mit histo- 
logisch ungestörtem Längenwachstum (9, 13), deren Rachitis sehr geringfügig oder mäßig war. Hingegen 
befinden sich unter den Tieren mit’Verlust des Körpergewichtes nur solche, deren Längenwachstum 
partiell gehemmt ist oder ganz still steht. 

Wir gehen über zur Besprechung der an unserem Tiermaterial schon mit freiem Auge erkenn- 
baren rachitischen Veränderungen. An erster Stelle seien hier die Nagezahnveränderungen darum 
erwähnt, weil sie konstant und bereits in vivo erkennbar sind, so daß gerade dieses Erkennungszeichen 
schon bei der Auswahl der Versuchstiere von ausschlaggebender Bedeutung wurde. Wegen der genaueren 


446 Dr. J. Erdheim, 


Angaben sei auf den Abschnitt über die rachitischen Zahnveränderungen verwiesen. Hier nur soviel, daß 
der rachitische Nagezahn wohl noch gelb ist wie der normale, aber an Stelle der durchscheinenden ist 
eine opake Beschaffenheit getreten, an der die Rachitis ganz leicht erkannt werden kann. Nur das 
Tier 20 und 22 machen hier eine Ausnahme, die im histologischen Befund ihre Klarlegung fand. Bei 
Tier 21, das unter unseren Augen rachitisch wurde, konnte der Übergang vom transparenten zum opaken 
Zustande Schritt für Schritt verfolgt werden. Ferner waren Frakturen der Nagezähne bei den rachitischen 
Tieren auf der Tagesordnung. In unserem Material wiesen im ganzen 7 Fälle Zahnfrakturen auf. Im 
Abschnitt über die Zahnveränderungen werden wir hören, daß sowohl die opake Beschaffenheit als auch 
die Frakturen der Nagezähne auf einer Kalkverarmung des Dentin beruht. In 3 Fällen waren endlich 
weiße oder gelbe quere Streifen an den Nagezähnen zu sehen, die in Veränderungen des Schmelzüber- 
zuges ihren Grund haben. 

Der Rosenkranz findet sich im Obduktionsprotokoll sechsmal erwähnt. Gering war er im Falle 13, 
der eine Rachitis mäßigen Grades aufwies; er fehlte in keinem der höchstgradigen Fälle 17 bis 21 und 
hier war er zum Teil ganz besonders stark entwickelt. Bei der Konstatierung des Rosenkranzes dürfte 
aber im Obduktionsprotokoll vielleicht etwas zu streng vorgegangen worden sein, da so mancher jener 
Fälle (12, 16), in denen das Obduktionsprotokoll des Rosenkranzes keine Erwähnung tut, im histologischen 
Bilde der Rippe eine deutliche (Fig. 10) oder selbst recht ansehnliche (Fig. 12) Auftreibung der Rippe 
aufweist. 

Endlich seien noch als Zeichen von Rachitis die Spontanfrakturen an den Rippen erwähnt. Sie 
fehlten in keinem der Fälle höchstgradiger Rachitis (17 bis 21) und erreichten hier die größten Zahlen. Im 
Falle 17 wurden ihrer 17, im Falle 18 sogar 30 Kallus gezählt und im Falle 19 waren an jeder Rippe ein 
bis fünf Kallus zu sehen. Unter den Fällen, die gerade nicht die höchstgradige Rachitis aufwiesen, fehlten 
die Rippenkallus dreimal (Fall 12, 14, 16), sie waren aber selbst in den leichtesten 3Fällen (9 bis 11), wenn 
auch in geringer Zahl vorhanden. Das Nähere über die Spontanfrakturen der Rippen ist im Abschnitt über 
den rachitischen Kallus einzusehen. 

Zum Schluß sei noch über die Herkunft unserer Rachitistiere einiges gesagt, worüber sich mit 
Ausnahme des Tieres 21 in den Notizen folgende Angaben fanden. Die Tiere 10, 14 und 16 sind 
unbekannter Herkunft und fanden sich unter den Zuchtweibchen unseres Laboratoriumsstalles, wo 
sie schon seit langem gehalten wurden. Die 9 übrigen Tiere (9, 11 bis 13, 15, 17 bis 20) aber sind in 
unserem Laboratoriumsstall überhaupt geboren und aufgewachsen. Halten wir dem entgegen, daß unsere 
sämtlichen normalen Kontrolltiere am Lande in der Umgebung von Wien geboren und aufgezogen wurden, 
so können wir nicht umhin, in dieser Verschiedenheit der Abstammung den Grund für die großen Unter- 
schiede im Verhalten des Skelettes zu erblicken. Es ist sicher, daß die am Lande aufgewachsenen Tiere 
ein normales Skelett hatten und die in unserem Laboratoriumsstall aufgewachsenen oder lange Zeit 
gehaltenen Tiere rachitisch waren. Doch waren unsere Laboratoriumtiere nicht durchwegs rachitisch. 
Freilich sind wir nicht in der Lage, auf jenes schädliche Agens hinweisen zu können, welches in unserem 
Stalle die Tiere rachitisch machte. Unsere vorliegende Arbeit hatte eben die Beantwortung anderer Fragen 
im Auge. Doch sei darauf hingewiesen, daß die Kinderärzte seit jeher, namentlich Elsässer, v. Ritter, 
Kassowitz, ein besonderes Gewicht auf die ungesunden Wohnräume mit ihrer schlechten, veratmeten 
Luft bei der Genese der Rachitis legen und speziell Kassowitz hat den bei den Kinderärzten beliebten 
Namen »respiratorische Noxen« geschaffen. An solchen dürfte es in den überfüllten Räumen unseres 
Laboratoriumsstalles auch nicht gefehlt haben. 

Wir gehen nun dazu über, ein allgemeines Bild von den histologischen Veränderungen rachitischer 
Rippen zu entwerfen. 


Rachitis und Epithelkörperchen. 447 


Der verkalkte Rippenknorpel zeigt im allgemeinen dasselbe Verhalten wie bei den normalen 
Tieren. Es wäre eine Wiederholung, würden wir hier noch einmal dasselbe Bild entwerfen wollen. Wir 
verweisen darum auf das darüber schon bei der normalen Rippe Gesagte und heben bloß die wenigen 

abweichenden Punkte hervor. Die Farbe des verkalkten Rippenknorpels ist nicht immer durchwegs blau, 
_ sondern manchmal zentral dunkelrotviolett, am Rande aber stets dunkelblau. Die queren Risse im ver- 
kalkten Knorpel (Fig. 11, 12), in deren Bereiche die Grundsubstanz zerfasert erscheint, sind meist zahl- 
reich, zuweilen aber auch spärlich anzutreffen. Während normaliter die Grenze der dunklen Blaufärbung 
so gut wie immer unscharf erschien, war sie bei den Rachitistieren in mehr als der Hälfte der Fälle 
streckenweise linear scharf. 


Der ruhende Knorpel (Fig. 9 bis 18, vK) hat, wie das Diagramm I (Tafel IX) zeigt, die Eigen- 
schaft, in bezug auf seine Höhe wie bei den normalen Tieren in den verschiedenen Fällen nur in mäßigem 
Grade zu variieren; während aber die Höhe normaliter sich zwischen 210 und 300 u bewegte, bewegt 
sie sich hier zwischen 275 und 510g. Die Schicht ist also bei Rachitis meist in ansehnlichem Grade 
höher als bei den normalen Tieren und nur die drei ersten rachitischen Tiere des Diagrammes 
bewegen sich in normalen Grenzen. 


Wenn wir, mit dem Zirkel in der Hand, die Breite der Schicht, also von Perichondrium zu Peri- 
chondrium, an den normale Rippen darstellenden Fig. 2, 4 bis 7 und den rachitischen Rippen bei gleicher 
Vergrößerung Fig. 9 bis 18 nachmessen, so sehen wir, daß es sich mit der Breite ähnlich verhalte wie 
mit der Höhe, da nur wenige rachitische Rippen sich in normalen Grenzen bewegen, die meisten aber 
einen ansehnlich breiteren ruhenden Knorpel aufweisen als die normalen. Es ist durchaus nicht der 
Fall, daß die Höhe und Breite des ruhenden Knorpels regelmäßig mit dem Grade der Rachitis zunehmen, 
aber so viel ist klar zu sehen, daß sie beiden schwersten Rachitisfällen stets die normalen Grenzen 
übersteigen. 


Diese ansehnliche, wenn auch nicht sehr bedeutende allseitige Massenzunahme des ruhenden 
Knorpels ist nicht vielleicht etwas spezifisch rachitisches, sondern bloß der Ausdruck der Anpassung 
dieser Schicht an die viel größeren Dimensionen rachitischer Rippen überhaupt. Der ruhende Knorpel ist 
eben das Bindeglied zwischen dem verkalkten, knorpeligen Rippenschaft und dem zum Rosenkranz auf- 
getriebenen Rippenteil. In diesem Sinne kann man diese Anpassung oft sogar als recht unvollkommen 
bezeichnen, so zum Beispiel, wenn man vergleicht, welche Rolle, rein quantitativ genommen, der ruhende 
Knorpel (rK) in der normalen Rippe Fig. 7 und welche er in der rachitischen Rippe Fig. 13 spielt. Es ist 
also trotz absoluter Massenzunahme der ruhende Knorpel bei der Rachitis oft relativ geringer ent- 
wickelt als beim normalen Tier. 


Die Verbreiterung des ruhenden Knorpels gegen die knöcherne Rippe zu erfolgt in den schweren 
Fällen von Rachitis meist viel plötzlicher (Fig. 12, 13, 15) als normal und dabei ist die Ranvier’sche 
Ossifikationsgrube tiefer eingeschnürt und die seitliche Ausbauchung des Knorpels (a) stärker 
betont. Ein andermal sind Grube und Ausbauchung sogar weniger entwickelt als normal (Fig. 16), in den 
leichteren Rachitisfällen ist hier das Verhalten gleich dem normalen (Fig. 9 bis 11). 


Die histologische Struktur ist im wesentlichen die gleiche wie bei den normalen Fällen. Dieselbe 
homogene, gefäßlose, hellrotviolette Grundsubstanz und axial dieselben großen, hellen, marginal die 
kleinen dunklen Zellen, deren Protoplasma sich oft besonders dunkelblau färbt. In der Grundsubstanz 
fanden sich basophile Züge in 5 Fällen und waren von gleichem Aussehen, wie sie in der Knorpel- 
wucherungsschicht einiger normaler Fälle erwähnt wurden. Sie lagen teils, so wie in den normalen Fällen, 
marginal und in derselben Richtung, teils aber auch axial und dann ungefähr parallel zur Rippenachse. 
Mit dem Umstande, daß diese basophilen Züge namentlich bei jungen Tieren vorhanden zu sein pflegen 


448 Dr. J. Erdheim, 


stimmt es überein, daß unter den 5 Tieren, bei denen sie vorkamen, sich die 3 mit dem geringsten Körper- 
gewicht, also die 3 jüngsten Tiere des Rachitismaterials finden (Fall 9, 13, 19). 


* * 


Die Knorpelwucherungsschicht (XW, Fig. 9 bis 18) hat bei der Rachitis in bezug auf die Höhe 
folgende Eigenschaften. Während bei den normalen Tieren der ruhende Knorpel fast zweimal so hoch 
war wie die Knorpelwucherungszone, ist er hier mehr als zweimal so hoch, es ist also die Knorpel- 
wucherungszone im Verhältnis zum ruhenden Knorpel bei der Rachitis niedriger als bei den normalen 
Tieren. 
| Noch mehr überrascht es auf den ersten Blick, daß die Knorpelwucherungszone bei der Rachitis 
sehr oft auch absolut genommen niedriger ist als normal. Die durchschnittliche Höhenzahl bewegte 
sich bei den 8 normalen Tieren zwischen 130 und 177 w; bei den Rachitistieren (siehe Diagramm II, 
Tafel IX) war sie neunmal niedriger als normal, nämlich 92 bis 120 x hoch (Fälle 10, 22, 14, 11, 13, 20, 
16, 23, 15), fünfmal ebenso hoch wie normal, nämlich 140 bis 172. hoch (Fälle 12, 214, 9, 19, 21) 
und nur zweimal etwas höher als normal, nämlich 224 und 243 u hoch, in den schwersten Rachitisfällen 17 
und 18. Doch ist zu bedenken, daß gerade bei solchen hochgradigen Fällen die Knorpelwucherungsschicht 
an ihrer unteren Grenze so allmählich in die präparatorische Verkalkungsschicht übergeht (Fig. 13, 14), 
daß man im Gegensatz zur Norm (Fig. 3,4) und zu leichteren Rachitisfällen (Fig. 17, 10) oft willkürlich 
bei der Grenzbestimmung vorgehen muß. Immerhin variiert die Durchschnittshöhe der Schicht (siehe 
Diagramm II) bei Rachitis in verschiedenen Fällen in viel weiteren Grenzen als normal, hingegen variiert 
die Höhe im Einzelfall, mit Ausnahme der 4 im Diagramm zuletzt stehenden Fälle, ebenso nur ganz 
wenig wie bei den normalen Fällen. 

Wenn wir einen Vergleich zwischen dem Grade der Rachitis und der Höhe der Knorpel- 
wucherungszone anstellen, so finden wir, daß die Schichthöhe bei den leichten und mittelschweren 
Rachitisfällen keinerlei Gesetzmäßigkeit verrät, daß aber die im Diagramm II zuletzt stehenden. also die 
größte Durchschnittshöhe aufweisenden 4Fälle gerade unsere 4 höchstgradigen Rachitisfälle sind. Es 
ist in diesem Verhalten vielleicht der Ausdruck dafür zu suchen, daß, wie wir später hören werden, der 
Grad der Rachitis zum Teil vom Wachstumstempo des Skelettes abhängt, derart, daß Tiere mit lebhaftem 
Längenwachstum, also hoher Knorpelwucherungsschicht, eine schwere Rachitis aufweisen. 

Die Tatsache, daß bei einem großen Teile der Rachitisfälle die Knorpelwucherungszone niedriger 
ist als normal, bedarf einer Erklärung. Es sei hier zunächst daran erinnert, daß wir bei normalen Rippen 
eine Reduktion der Schichthöhe gefunden haben, wenn das Längenwachstum abgeschlossen war 
(siehe oben). Ferner hat Dieterle bei der thyreoaplastischen Wachstumsh emmung die Höhe der Knorpel- 
wucherungszone auf die Hälfte, die der Säulenzone auf ein Drittel der normalen Maße reduziert gesehen. 
Bei der nach der Ek.-Extirpation sich einstellenden Hemmung des Längenwachstums habe ich die 
Höhe der Knorpelwucherungszone bei der Ratte von 110 auf 70 u sinken gesehen. Es geht daraus hervor, 
daß wir eine Höhenabnahme der Knorpelwucherungschicht dann finden, wenn das Längenwachs- 
tum aus physiologischen oder pathologischen Gründen verlangsamt ist oder stillsteht. Die gleiche 
Ursache wird wohl auch bei Rachitis vorliegen. In der Tat gelangen wir auch noch auf anderem Wege 
(siehe unten) dazu, anzunehmen, daß bei Rachitis das Längenwachstum gehemmt ist. Der morpho- 
logische Ausdruck dafür ist das Niedrigerwerden der Knorpelwucherungsschicht, die ja die Bildungs- 
stätte, der Entstehungsort der präparatorischen Verkalkungsschicht ist, mit deren appositionellem Wachs- 
tum von oben her die Gesamtlänge des Knochens wächst. 

Die Gesamtform der Knorpelwucherungsschicht (KW) ist in allen mittelschweren und leichten 
Rachitisfällen die normale, bald flach linsenförmig (Fig. 10, 12), bald flach kappenförmig (Fig. 11) und 
zuweilen sogar leicht verbogen (Fig. 9, 11, 17). In unseren 4 höchstgradigen Rachitisfällen jedoch ist die 
Form anders; bald verkehrt kappenförmig, das heißt mit der planen Fläche nach oben, mit der konvexen 


Rachitis und Epithelkörperchen. 449 


nach unten (Fig. 15, 18), bald aber, wie in toto nach unten ausgebogen, mit einer oberen konkaven und 
unteren stark konvexen Begrenzungslinie (Fig. 13, 14). 
Die histologische Struktur der Knorpelwucherungszone ist im wesentlichen die gleiche wie bei 
den normalen Rippen. Um Wiederholungen zu vermeiden, sei auf das darüber im Abschnitt über die 
normale Rippe Gesagte verwiesen. Die am meisten auffallende Abweichung von der Norm ist quanti- 
tativer Natur. Es ist nämlich klar, daß in den seltenen Fällen, in denen die Totalhöhe der Schicht größer 
ist als normal, auch die Höhe der Zellsäulen pathologisch gesteigert ist (Fig. 15) und daß in den Fällen, 
in denen die als Rosenkranz bezeichnete, oft sehr bedeutende Rippenverdickung besteht, auch die Zahl 
der nebeneinander stehenden Zellsäulen vermehrt sein muß (Fig. 16). Die Vermehrung der nebeneinander 
stehenden Zellsäulen findet schon beim normalen Dickenwachstum der Rippen statt, was nach Kassowitz 
so zustande kommt, daß vom ruhenden Knorpel immer mehr zur Knorpelwucherungszone heran- 
gezogen wird. 


* * 


Die präparatorische Verkalkungsschicht zeigt bei der Rachitis die interessantesten und 
erheblichsten Abweichungen von der Norm. Wäbrend in den normalen Rippen diese Schicht von allen die 
geringste, bloß 56bis 105 u betragendeHöhe aufweist, ja bloßetwa halb so hoch ist als die Knorpelwucherungs- 
zone (Fig. 4, pV), weist sie bei der Rachitis zum Teil eine sehr bedeutende Höhe auf (Fig. 13, 14, pV), 
schwankt zwischen 73 und 1344 u (Diagramm V, Tafel IX), tritt in diesem Punkte nur gegen eine Schicht, 
die sekundäre Spongiosa zurück und ist durchschnittlich beträchtlich höher als dieKnorpelwucherungszone. 

Während normaliter die Schichthöhe im Einzelfalle nur in sehr engen Grenzen variiert, schwankt 
sie bei der Rachitis viel mehr, meist sogar in sehr erheblichem Grade. Der Unterschied in der durchschnitt- 
lichen Höhe verschiedener Fälle (Diagramm III) bewegt sich bei den normalen Tieren zwischen 56 und 
105 u, bei der Rachitis zwischen 73 und 1344 u. Das ergibt bei den normalen eine Schwankung um das 
Doppelte, bei den rachitischen um das Achtzehnfache. Dieser sehr bedeutende Unterschied (vel.p V in 
Fig. 11 und 13) hat darin seinen Grund, daß die Höhe der präparatorischen Verkalkungsschicht bei der 
Rachitis vor allem vom Grade der Erkrankung und ihrer Dauer abhängt. Wie das zu verstehen ist, wird 
uns erst im Verlaufe der Besprechung der histologischen Veränderungen klar werden. 

Fragen wir uns zuerst nach den Faktoren, von denen in der normalen Rippe die Höhe der 
präparatorischen Verkalkungsschicht abhängt, so wird es uns von vornherein klar sein müssen, daß diese 
Faktoren sowohl an der oberen als auch an der unteren Schichtgrenze zu wirken vermögen. An der 
oberen Schichtgrenze gehen zwei Prozesse vor sich. 1. Das Knorpelgewebe der präparatorischen Ver- 
kalkungsschicht geht allmählich aus der Knorpelwucherungsschicht hervor, wobei sich die Zellen wesent- 
lich vergrößern und die Grundsubstanz zwischen den Zellsäulen sich an Menge verringert. 2. Die Grund- 
substanz dieses so veränderten Knorpelgewebes nimmt Kalksalze auf und dieser zweite Prozeß erfolgt, 
wenn auch stets nach demersten, so doch so kurze Zeit darauf, daß unter normalen Umständen zu oberst 
nur 1 bis 2 Schichten schon größer und heller gewordener Zellen noch in kalkloser Grundsubstanz liegen. 
Der 3. Prozeß, der die Höhe der präparatorischen Verkalkungsschicht bedingt, spielt sich an der unteren 
Grenze der Schicht ab und besteht im vaskulären Abbau der letzteren, der die enchondrale Össifikation 
einleitet. 

Wenn unter normalen Umständen die Schicht eine gewisse konstante Höhe beibehält und stets 
der ganzen Höhe nach kalkhaltig bleibt, so deutet das darauf hin, daß zwischen dem die Schichthöhe 
bedingenden ersten und dritten Faktor, aber auch zwischen dem den Kalkgehalt bedingenden ersten und 
zweiten Faktor eine Harmonie bestehen muß. Die die Schichthöhe bedingenden Einflüsse spielen sich 
an der unteren und oberen Schichtgrenze ab, die den Kalkgehalt der Schicht bedingenden Faktoren sind 
allein in den oberen Schichtteilen tätig. 

Das Tempo dieser Prozesse läßt sich unter dem Mikroskop in direkter Weise natürlich nicht zur 
Anschauung bringen. Aber die Erfahrung bezüglich des Skelettwachstums im großen, wonach dieses sich 


450 Dr. J. Erdheim, 


mit zunehmendem Alter verlangsamt, läßt darauf schließen, daß das Tempo des An- und Abbaues der 
präparatorischen Verkalkungsschicht bei etwas älteren Tieren langsamer ist als bei ganz jungen. 
Hängt doch das Längenwachstum des Körpers vor allem vom Knorpelanbau in der Ossifikationszone ab. 


Ein Beispiel dafür, wie wir aber sogar allein aus dem histologischen Verhalten Schlüsse auf das 
Tempo des An- und Abbaues des Knorpels ziehen können, haben wir in jenem Abschnitt kennen gelernt, 
in dem von den Rippen mit -abgeschlossenem Längenwachstum die Rede war. Dort sahen wir, daß 
der vaskuläre Knorpelabbau, also die enchondrale Ossifikation fehlte und trotzdem die präparatorische 
Verkalkungsschicht wesentlich niedriger geworden war als in noch wachsenden Rippen. Das kann nicht 
anders als nur so zustande gekommen sein, daß mit der Verlangsamung und dem Stillstand des 
Knorpelabbaues auch der Knorpelanbau sich verlangsamte und endlich stillstand, und zwar muß der 
Anbau diesen Zustand zeitlich früher erreichen als der Abbau, sonst könnte die Schicht nicht niedriger 
geworden sein. 


Mit Rücksicht auf die bei der Rachitis vorkommenden Veränderungen wollen wir über einen Punkt, 
die Kalkaufnahme des Knorpels bei der normalen Rippe, einige genauere Überlegungen anstellen. 
Die Kalkaufnahme dürfte im wesentlichen von zwei Faktoren abhängen, von der durch die Zirkulation 
besorgten Kalkzufuhr und einer passenden Beschaffenheit des zur Kalkaufnahme bestimmten 
Gewebes. Der erste, den allgemeinen Kalkstoffwechsel betreffende Faktor leuchtet ohneweiters ein, aber 
auch der letztere, rein lokale Faktor spielt eine wichtige Rolle, sonst wäre es zum Beispiel nicht zu ver- 
stehen, warum die Kalkablagerung nicht schon in der Knorpelwucherungszone stattfindet. Wir wollen hier 
nicht die Frage aufwerfen, wie diese zwei Faktoren gegeneinander abzuwägen sind, und wenn wir im 
folgenden vom »Kalkstoffwechsel« oder von den »Kalkverhältnissen« oder der »Kalkstörung« sprechen, 
so sei damit mehr die Gesamtheit der die Kalkaufnahme der Gewebe bedingenden Faktoren gemeint, als 
bloß einer oder der andere Faktor allein. 


Unter normalen Umständen folgt im Knorpel der Gewebsproduktion die Verkalkung sehr bald und 
da das Tempo beider miteinander harmoniert, so bleibt die Schicht stets in toto kalkhaltig, mit Ausnahme 
von 1 bis 2 obersten Zellschichten. Nehmen wir für einen Moment, rein theoretisch,.an, daß sich in der 
normalen Rippe das Tempo der Knorpelproduktion stark beschleunigen würde, so fragt es sich, ob auch 
in einem solchen Falle die Kalkverhältnisse suffizient genug wären, um mit der Gewebsproduktion Schritt 
halten zu können oder ob sie sich als insuffizient erweisen würden, worauf die Verkalkung hinter der 
Gewebsbildung zurückbleiben und zu oberst die jüngste Knorpelschicht kalklos bleiben würde. Träfe die 
letzte Eventualität zu, so wäre das ein Zeichen dafür, daß die Kalkverhältnisse genau auf das Tempo der 
Gewebsproduktion eingestellt sind, träfe aber die erstere Möglichkeit ein, so wäre das ein Zeichen dafür, 
daß die Kalkverhältnisse »prospektiv« besser sind als unbedingt erforderlich. 


Diese Überlegungen sind darum nicht müßig, weil die Annahme einer solchen »prospektiven Ver- 
kalkung«, wie wir später sehen werden, bei der Rachitis greifbare Formen annimmt, was aber nicht 
gelegentlich einer pathologisch gesteigerten Knorpelproduktion zum Vorschein kommt. Aber auch schon 
im normalen Skelett muß es so etwas geben. Das Höhenwachstum des Wirbelkörpers zum Beispiel geht in 
sehr viel trägerem Tempo vor sich als das Längenwachstum der Rippe, das heißt im Wirbel vollzieht sich 
die enchondrale Ossifikation, also auch die Knorpelwucherung viel langsamer als in der Rippe. Das neu 
entstehende Knorpelgewebe im Wirbel verkalkt vollkommen und würde sich das Tempo der Knorpel- 
wucherung steigern, so würde selbst dann noch sicher die Verkalkung rechtzeitig folgen können, denn im 
selben Organismus, also unter den gleichen Kalkverhältnissen, wuchert der Knorpel in der Rippe ja 
rascher und verkalkt trotzdem vollkommen. In diesem Sinne kann man im Wirbel vom Vorhandensein 
einer prospektiven Verkalkung auch schon unter normalen Umständen sprechen. Ist dies aber 


Fa wur 


Rachitis und Epithelkörperchen. 451 


in der schon normaliter viel rascher wachsenden Rippe auch noch der Fall? Diese Frage werden wir erst 
aus dem Verhalten bei Rachitis bejahen können. 


%* * 


Gehen wir zur Besprechung des Kalkgehaltes der präparatorischen Verkalkungsschicht 
bei Rachitis über. 

Es wird hierbei oft von leichteren und schwereren Rachitisfällen die Rede sein und es muß 
daher vorausgeschickt werden, wie das zu verstehen sei. Es ist in der Regel leicht, aus dem histologischen 
Knochenbilde zu sagen, ob die rachitischen Veränderungen bedeutend oder geringfügig sind. Aber beim 
Vorhandensein geringfügiger Veränderungen zu sagen, daß die Veränderungen darum geringfügig sind, 
weil die Rachitis erst im Beginne stehe oder weil sie in Heilung übergehe oder weil sie zwar auf dem 
Höhepunkt stehe, aber im gegebenen Falle der Grad der Erkrankung gering ist, das zu sagen ist, bei 
unseren Tieren wenigstens, schwer und nicht immer möglich. Wenn wir also im folgenden von leichteren 
und schwereren Rachitisfällen sprechen, so sei damit weder der Grad der Kalkstörung noch das Stadium 
der Rachitis gemeint, sondern rein objektiv die Valenz der vorgefundenen histologischen Verände- 
rungen. Pommer hat sich hier so beholfen, daß er als mittelschwer jene Fälle bezeichnete, bei denen 
sich das kalkhaltige und kalklose Knochengewebe ungefähr die Wage hielten, als schwere solche, in denen 
letzteres, als leichte solche, in denen ersteres überragt. 

Die zwei Fälle von mit Marasmus komplizierter Rachitis (Fall 22, 23) außer acht lassend — sie 
werden später für sich besprochen — verfügen wir über 14 Fälle, von denen aber Nummer 21 A und B 
demselben Tier angehören, aber 21 A aus dem Anfangs-, 21 B aus einem viel vorgeschritteneren Stadium 
der Rachitis. Die vorgefundenen rachitischen Veränderungen waren im 


Fall 21 A die geringsten und standen im ersten Beginn; in den 
Fällen 9 und 10 waren sie noch sehr geringfügig; im 

Falle 11 konnten sie als geringfügig taxiert werden; in den 
Fällen 12, 13, 14, 15 als mäßig; im 

Falle 16 als schwer; im 

Falle 20 als sehr schwer; in den 

Fällen 17, 18, 19, 21 B als höchstgradig. 


%* * 


Unter allen Rachitistieren war im Falle 21 A, 10, 14 und 15 die Verkalkung der präparatorischen 
Verkalkungsschicht am besten, das heißt eigentlich ebensogut wie in normalen Rippen, da die Schicht 
bis auf die oberste Lage von 1 bis 3 Zellen gänzlich verkalkt war (Fig. 11, 17, pV). Würden wir aus dem 
Knorpel allein uns ein Urteil über die Kalkverhältnisse bilden, dann würden wir in den Fehler verfallen, 
diese Fälle für normal zu erklären. Das Verhalten der knöchernen Rippenteile aber deutet darauf hin, daß 
hier die Kalkverhältnisse sehr deutlich gestört sind, so zum Beispiel sieht man bei o und z in Fig. 11 im 
knöchernen Rippenteil sehr viel Osteoid bei normaler Verkalkung der präparatorischen Verkalkungszone 
Ken): Es ist also Rachitis bei normal verkalkter präparatorischer Verkalkungszone 
möglich. 

Zur Erklärung dieses Verhaltens läßt sich die prospektive Verkalkung in der Weise heran- 
ziehen, daß eine nur mäßige rachitische Verschlimmerung der Kalkverhältnisse (etwa im Anfang der Rachitis) 
sich nur darauf beschränkt, jenes Plus an Verkalkungsmöglichkeit aufzuheben, welches wir prospektive 
Verkalkung nannten, und nicht mehr. Da es aber im Wesen der prospektiven Verkalkung liegt, daß sie 


nicht manifest hervortritt, so wird auch ihre Abwesenheit nicht auffallen und der Knorpel das 
Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC. Bd. 63 


452 Dr. J. Erdheim, 


normale Kalkbild darbieten. Einfacher ausgedrückt: Nehmen wir an, daß unter normalen Umständen die 
Verkalkungsmöglichkeit über den Bedarf groß ist, so vertragen die Kalkverhältnisse bis zu einem gewissen 
Grad eine Verschlechterung, ohne daß dies an der Knorpelverkalkung zum Vorschein kommen würde. 

Um diese Erklärung für das Vorkommen einer normal verkalkten präparatorischen Verkalkungs- 
zone neben pathologisch verbreitertem Osteoid in manchen Rachitisfällen als zulässig bezeichnen zu 
können, müssen folgende Bedingungen erfüllt sein: 1. Die Störung der Kalkverhältnisse darf nicht zu 
schwer sein, denn die hochgradige Störung müßte über die Aufhebung der prospektiven Verkalkung 
hinausgehen. In der Tat wurden unsere 4 einschlägigen Fälle als beginnende (21 A), sehr geringfügige (10) 
und mäßige (14 und 15) Rachitis bezeichnet. 2. Das Tempo der Knorpelproduktion darf zu der Zeit, 
um die es sich hier handelt, das heißt zu Anfang der Rachitis, noch nicht verringert sein, denn bei ver- 
langsamter Knorpelwucherung wäre es auch ohne die Annahme einer prospektiven Verkalkung verständ- 
lich, daß trotz reduzierter Kalkverhältnisse die präparatorische Verkalkungsschicht normal verkalkt wäre. 
Eine solche verlangsamte Knorpelproduktion könnte a) erst mit dem Beginn der Rachitis einsetzen oder 
b) sie könnte schon vor der Rachitis infolge etwas vorgeschrittenen Wachstums, also aus physiologischen 
Gründen da sein. a) Wir haben aber bisher keinen Grund zur Annahme, daß die Rachitis mit einer Ver- 
langsamung der Knorpelwucherung, also auch des Körperwachstums beginne. Daraus, daß die präpara- 
torische Verkalkungsschicht normal! verkalkt sei, zu schließen, daß seit Beginn der Rachitis gar kein 
Knorpel gebildet wurde, wäre sicher verfehlt, denn Rachitis muß nicht absoluten Stillstand der 
Kalkapposition bedeuten. 5b) Wenn die Knorpelproduktion, also das Längenwachstum, in einem bestimmten 
Knochen sehr langsam ist, sei es, weil das Individuum nahe dem Abschluß des Körperwachstums 
steht, sei es, weil ein bestimmter Knochen von Haus aus sehr langsam wächst, so müßte dieser Umstand 
zur Erklärung einer guten Knorpelverkalkung genügen und die prospektive Verkalkung überflüssig 
machen. Aber auch diese störenden Faktoren treffen für unser Material nicht zu, denn in unseren 4 Fällen 
handelt es sich um Tiere, die noch weit vom Abschluß des Körperwachstums entfernt sind, da sie erst die 
Hälfte des reifen Gewichtes aufweisen, und die untersuchten Knochen waren Rippen, die zu den raschest 
wachsenden Skeletteilen gehören. 

Die Tatsache, daß es Rachitisfälle gibt, in denen trotz bestehenden, noch regen Körperwachstums der 
Knorpel normale Kalkverhältnisse aufweist, während im Knochen die Kalkstörung schon aufs deutlichste 
hervortritt, unterstützt die Annahme einer prospektiven Verkalkung des Knorpels sehr. Wenn, wie in 
unseren 4 Fällen, das Manifestwerden der Kalkstörung am Knochengewebe früher eintritt als am Knorpel, 
so läßt das darauf schließen, daß im Knochengewebe die prospektive Verkalkung geringer ist als im 
Knorpelgewebe oder ganz fehlt, und das ist darum nicht ausgeschlossen, weil ja die Knochenverkalkung 
nicht allein von der Kalkzufuhr abhängt, die für Knorpel und Knochen die gleiche ist, sondern auch von 
lokalen, im Gewebe liegenden Bedingungen. 

Die prospektive Verkalkung, die wir für den Knorpel annehmen, bringt es mit sich, daß die Rachitis 
an der präparatorischen Verkalkungsschicht später manifest wird als am Knochengewebe. Wir dürfen 
darum Rachitis noch nicht ausschließen, wenn die präparatorische Verkalkungsschicht ein normales Ver- 
kalkungsbild zeigt. Es gibt eben Rachitisfälle so geringen Grades, daß die Kalkstörung der präparatorischen 
Verkalkungsschicht bloß latent ist und das wollen wir als die erste Phase der latenten Kalkstörung 


im Knorpel bezeichnen. 
* * 


Wir gehen jetzt zur zweiten Phase des manifesten Kalkdefizits über. Der Verkalkungszustand 
des Knorpels hängt, wie wir schon gehört haben, vom Tempo der an der oberen Schichtgrenze vor sich 
gehenden Gewebsproduktion einerseits und von der eben da erfolgenden Kalkaufnahme andrerseits 
ab. Verschlechtern sich die Kalkverhältnisse noch mehr als in der ersten Phase, also über das Ver- ' 
schwinden der prospektiven Verkalkung hinaus, dann wird die Folge’ die sein, daß die Verkalkung hinter 
der Gewebsbildung zurückbleibt und an der oberen Grenze der präparatorischen Verkalkungsschicht wird 


Rachitis und Epithelkörperchen. 453 


eine Schicht kalklosen Knorpels auftreten, während unten der Knorpel noch kalkhaltig ist (Fig. 10, k—pV 
k+-pV). Das Kalkdefizit wird manifest. Schon Virchow sagt, bei Rachitis gehe die Knorpelverkalkung 
langsamer vor sich oder stehe still, da aber die Knorpelwucherung fortgehe, so verbreitere sich der 
wuchernde Knorpel. 

Diese kalklose Knorpelschicht trotz ihres Kalkmangels (k—p’V, Fig. 10, 16) noch zur präparatori- 
schen Verkalkungsschicht zu rechnen, wie wir es tun, Könnte als Widerspruch erscheinen. Abgesehen 
davon, daß in diesem Widerspruch: Kalklosigkeit der präparatorischen Verkalkungsschicht etwas für die 
Rachitis sehr Bezeichnendes liegt, wäre es ganz ungerechtfertigt, die kalklose Schicht bloß wegen ihrer 
Kalklosigkeit noch zur Knorpelwucherungsschicht zu rechnen. Die kalklose Schicht ist nämlich bezüglich 
ihrer Gewebsstruktur von der Knorpelwucherungsschicht ganz verschieden, mit der präparatorischen Ver- 
kalkungsschicht aber identisch; sie ist eben präparatorische Verkalkungsschicht, an der bloß die Ver- 
kalkung ausgeblieben ist. Schon oben, gelegentlich der normalen Histologie der Rattenrippe, wurde aus- 
geführt, daß hier ein sehr wesentlicher Unterschied zwischen Mensch und Ratte besteht; selbst beim ganz 
normalen Kind liegt zwischen der Knorpelwucherungszone und Kalkschicht die recht hohe Säulenschicht 
aus schon sehr großen Zellen mit kalkloser Grundsubstanz. In dieser Form ist eine solche Schicht, die wir 
die kalklose präparatorische Verkalkungsschicht nennen, bei der Ratte absolut pathologisch und für Rachitis 
typisch, denn normaliter sieht man an der unteren Grenze der Knorpelwucherungsschicht bloß eine ein 
bis zwei Zellen hohe Lage, in der die Grundsubstanz noch kalklos ist und die Zellen schon deutlich im 
Begriffe sind, sich zu vergrößern. Es ist dies die unerläßliche Übergangszone, da die Zellvergrößerung 
noch vor der Grundsubstanzverkalkung erfolgen muß, aber keine prägnante Schicht im eigentlichen Sinne, 
und dies um so weniger, als beim normalen Tier die obere Kalkgrenze sich ganz allmählich verliert. 

In der Phase des manifesten Kalkdefizits stehen 5 unserer Fälle 11, 12, 9, 13, 20 [Fig. 9, 10, 16]. 
Das Mengenverhältnis zwischen dem stets zu oberst liegenden kalklosen und dem stets zu unterst 
liegenden kalkhaltigen Teile des Knorpels schwankt aber in den verschiedenen Fällen. So sehen wir in 
Fig. 10 den kalklosen Teil (£&—pV) marginal so breit als den kalkhaltigen (k+pV), axial aber den ersteren 
breiter; in Fig. 16 überwiegt der kalklose Teil schon marginal und axial ist er allein vertreten; in Fig. 9 ist 
der Knorpel axial (db) in seiner ganzen Höhe kalklos, während im übrigen zu oberst, so wie in einer 
normalen Rippe, die kalklose Schicht bloß eine Zelle hoch ist. Wir ersehen schon daraus, daß die kalk- 
lose Schicht nicht nur in verschiedenen Fällen verschieden hoch ist, sondern in derselben 
Rippe schwankt, wobei in typischer Weise die axialen Knorpelteile besonders zur Kalklosigkeit 
neigen. Die Erklärung dafür, daß die Verkalkung die marginalen Rippenteile bevorzugt, wird später bei 
den schwersten Rachitisfällen noch zur Sprache kommen. 

Die Höhe der kalklosen Schicht hängt im allgemeinen von folgenden Faktoren ab: 1. Vom Grade 
der Kalkstörung. Je schlechter die Kalkverhältnisse, desto höher wird bei der Gleichheit aller übrigen 
Faktoren die kalklose Schicht ausfallen müssen, denn desto stärker bleibt die Kalkablagerung gegen die 
Gewebsproduktion im Rückstand. Auch das Tempo der Entstehung der kalklosen Schicht wird vom Grade 
der Rachitis abhängen, da diese Schicht um so rascher anwachsen wird, je schwerer die Kalkstörung ist. 
Allein ausschlaggebend ist aber dieser Faktor nicht, denn 2. auch die Dauer der Kalkstörung ist hier von 
großer Bedeutung. Es ist klar, daß die kalklose Schicht zu um so größerer Mächtigkeit heranwachsen 
wird, je längere Zeit seit dem Bestehen des Kalkdefizits verstrichen ist, die Gleichheit der übrigen 
Faktoren natürlich vorausgesetzt. Und endlich ist auch 3. das Wachstumstempo des Knorpelgewebes 
für die Höhe der kalklosen Schicht von großer Bedeutung, denn ist das Tier älter, so wächst der Knorpel 
sehr langsam und dann kann selbst eine rachitisch verlangsamte Kalkapposition dem verlangsamten 
Knorpelwachstum besser folgen als einem regen des jungen Tieres und wir werden, wenn die anderen 
Bedingungen im übrigen gleich sind, beim älteren Tier eine niedrigere kalklose Schicht erhalten als beim 
jungen, die überdies auch noch in langsamerem Tempo anwachsen wird. Liegt aber bei einem jungen und 
einem älteren Tier eine gleich hohe kalklose Schicht vor, so werden wir demzufolge schließen, daß beim 
ersteren Tier die Rachitis entweder geringergradig ist oder kürzer dauert als beim letzteren. 


454 Dr. J. Erdheim, 


Wenn wir also die Frage zu beantworten haben werden, wovon in einem gegebenen Falle die Höhe 
der kalklosen Schicht abhängt, so werden wir stets alle drei Faktoren berücksichtigen müssen, den Grad 
der Kalkstörung, ihre Dauer und das Alter des Tieres. Wir wollen dies kurz an zwei Beispielen aus 
dem eigenen Material demonstrieren. 

Im Falle 12 (Fig. 10) ist etwa die Hälfte der 831 hohen, im Falle 20 (Fig. 16) ebenfalls etwa die 
Hälfte der 161 x hohen präparatorischen Verkalkungszone kalklos. Es ist also die kalklose Schicht im 
Falle 12 etwa nur halb so hoch als im Falle 20. Warum? 1. Weil der Grad der Rachitis im Falle 20 sehr 
schwer, im Falle 12 aber nur mäßig ist. Davon überzeugen wir uns, wenn wir sehen, daß in Fig. 16 die 
Menge des Osteoids am ganzen Knochen so viel bedeutender ist als in Fig. 12. 2. Weil das Tier 12 
älter ist als das Tier 20. Ersteres wiegt nämlich 244 8, letzteres 192g. Das erstere befindet sich somit 
nicht mehr allzu weit vom Abschluß des Körperwachstums. 3. Die Dauer der Rachitis ist in beiden Fällen 
recht groß, wenn wir auch natürlich weit davon entfernt sind, die Zeit genauer bestimmen zu können. Die 
lange Dauer erkennen wir aber an der bedeutenden Höhe und Massenentwicklung der Spongiosa (Fig. 12, 
16). Wir werden also sagen, die kalklose Schicht istim Falle 12 darum niedriger als im Falle 20, 
weil das Tier älter und die Kalkstörung leichter ist. 

Als zweites Beispiel wollen wir einen Vergleich zwischen Tier 20 und 9 durchführen. Beim ersteren 
beträgt die Höhe der kalklosen Schicht etwa die Hälfte der 161 » hohen, beim letzteren ebenfalls etwa 
die Hälfte der 173 hohen präparatorischen Verkalkungsschicht. Die kalklose Schicht ist also in beiden 
Fällen gleich, trotzdem die Faktoren in beiden Fällen verschieden sind. 1. Der Grad der Kalkstörung ist 
im Falle 20 als sehr schwer taxiert, im Falle 9 als sehr gering. Wir können dies daraus ersehen, daß bei 
Tier 20 die durchschnittliche Breite des Osteoids in der Spongiosa, beziehungsweise am oberen Schaft- 
ende 33 und 85 u beträgt, bei Tier 9 aber bloß 8:5 und 255 u. Das Osteoid ist also bei Tier 20 drei- bis 
viermal breiter als bei Tier 9. 2. Die Dauer der Rachitis ist bei Tier 20 sicher bedeutend größer, denn die 
sekundäre Spongiosa ist 2475 u hoch, bei Tier 9 bloß 462 u. Tier 20 hat also eine mehr als fünfmal höhere 
Spongiosa, Tier 9 eine normal hohe. 3. Das Alter beider Tiere ist sehr verschieden, denn Tier 20 wiegt 
192 g und gehört zu den ältesten der Reihe, Tier 9 wiegt bloß 84g und ist das jüngste der Reihe. Wenn 
wir also den Vergleich beider Fälle kurz zusammenfassen, so werden wir sagen, trotzdem bei Tier 20 
die Rachitis soviel schwerer ist und länger dauert als bei Tier 9, ist die kalklose Schicht 
der präparatorischen Verkalkungszone in beiden Fällen gleich hoch, denn Tier 20 ist bedeutend 
älter als Tier 9. 

Wir haben bisher nur von der oberen, kalklosen Schicht der präparatorischen Verkalkungszone in 
der Phase des manifesten Kalkdefizits gesprochen und gehen jetzt zur unteren kalkhaltigen Schicht 
über (£+pV, Fig. 9, 10, 16). Die Höhe dieser Schicht hängt 1. von der Kalkapposition ab, die an der 
oberen Schichtgrenze vor sich geht, ferner 2. von dem an ihrer unteren Grenze vor sich gehenden 
vaskulären Knorpelabbau, der die enchondrale Ossifikation einleitet. Im allgemeinen, wenn auch nicht 
ausnahmslos, wie wir bald hören werden, wird sich mit dem Beginn des manifesten Kalkdefizits die 
Tendenz zum Höherwerden der kalklosen und Niedererwerden derkalkhaltigen Schicht bemerkbar 
machen und das Ende kann ein gänzliches Verschwinden der kalkhaltigen Schicht sein, wonach dann die 
präparatorische Verkalkungsschicht ihrer ganzen Höhe nach kalklos ist. | 

Beginnen wir mit der Besprechung des ersten Faktors, der Kalkapposition. Diese ist nach 
Pommer im Knorpel ebenso gehemmt wie im Knochen, denn die der Kalkablagerung hinderlichen Ver- 
hältnisse wirken auf den Knorpel ebenso wie auf den Knochen und so wird die Schicht des kalkhaltigen 
Knorpels niederer, denn er wird unten abgebaut, oben aber nicht wieder ersetzt. Nehmen wir ferner vorerst 
an, daß der zweite Faktor, der vaskuläre Abbau, in normaler Weise vor sich ginge, so ist es klar, daß die 
kalkhaltige Schicht infolge verlangsamter Kalkapposition immer niedriger werden müßte, und zwar um 
so schneller, je mehr die Kalkapposition infolge der Rachitis verlangsamt wäre, am schnellsten, wenn die . 
Kalkablagerung völlig stillstände. Ein völliger Stillstand der Kalkapposition ist bei unserem Material 
nur im Falle 19 zu verzeichnen, der weiter unten zur Sprache kommt. Nur in einem solchen Falle steht 


Rachitis und Epithelkörperchen. 455 


die obere Kalkgrenze seit Beginn der Kalkstörung still und alles Knorpelgewebe, das im Verlaufe der 
Rachitis neu gebildet wird, bleibt kalklos, während das noch vorliegende kalkhaltige aus vorrachitischer 
Zeit stammt. In allen anderen Fällen unseres Materiales stand die Kalkablagerung nicht still, sondern war 
bloß verlangsamt, so daß nicht alles im Verlaufe der Rachitis neugebildete Knorpelgewebe kalklos blieb 
“ und andrerseits nicht alles kalkhaltige Knorpelgewebe aus vorrachitischer Zeit stammt. Ist die Rachitis 
nicht allzu schwer und dauert sie lange genug, so ist der Fall möglich, daß aller aus vorrachitischer Zeit 
stammende verkalkte Knorpel bereits vaskulär abgebaut, aller vorliegende in der Zeit der Rachitis durch 
langsame Apposition entstanden ist. 

Nicht nur der Grad der Kalkstörung, das heißt die Schwere der Rachitis, ist für die Höhe der kalk- 
haltigen Schicht maßgebend, sondern auch die Dauer der Kalkstörung, so daß selbst ein geringfügiger 
Rückstand der Verkalkung nach entsprechend langer Zeit die kalkhaltige Schicht stark reduzieren oder 
sogar zum Verschwinden bringen kann. 

Der Einfluß des zweiten Faktors, nämlich des vaskulären Abbaues auf die Höhe der kalkhaltigen 
Knorpelschicht ist sehr bedeutend. Wir haben bei der Besprechung des ersten Faktors vorläufig voraus- 
gesetzt, daß der vaskuläre Abbau in normaler Weise und in normalem Tempo vor sich gehe. Diese Voraus- 
setzung trifft aber bei der Rachitis vielfach gar nicht zu, denn wir finden die enchondrale Össifikation und 
damit auch den vaskulären Knorpelabbau zumeist in verschiedenem Grade gehemmt. 

Schon v. Ritter findet bei der enchondralen Össifikation rachitischer Knochen die Knorpelzerstörung 
unvollständig, eingeschränkt oder aufgehoben. Die Ursache für die seit langem bekannte Tatsache, daß die 
rachitische Knorpelstörung, das heißt die Reduktion der Kalkschicht nicht an allen Knochen desselben 
rachitischen Skelettes nachweisbar ist, erkannte Pommer im verschieden raschen enchondralen Wachs- 
tum der Knochen, das heißt dem verschiedenen Tempo des vaskulären Knorpelabbaues. So fand Pommer 
in den rasch wachsenden Rippen die Kalkschicht des Knorpels schon fehlend und in den langsam 
wachsenden Wirbelkörpern desselben Falles bald voll erhalten, bald nur reduziert, letzteres bei ent- 
sprechend langer Dauer der Rachitis. 

Um diese Hemmung des vaskulären Knorpelabbaues zu verstehen, müssen wir dem Abschnitt über 
die enchondrale Össifikation etwas vorgreifen. Bei den normalen Rippen dringt fast in jede Zellsäule ein 
eigenes Markgefäß vor, das die Kapseln aufbricht und am obersten Ende keine Endothelwand besitzt, so 
daß sich das Blut ın die eröffnete Knorpelkapsel frei ergießt. Dieser vaskuläre Abbau vollzieht sich an den 
rasch wachsenden Rippen in gleicher Weise wie am langsam wachsenden Knochen, so daß wir histo- 
logisch bloß den normalen Typus dieses Vorganges, aber nicht sein Tempo erkennen können. Bei der 
Rachitis aber ist die Verlangsamung des vaskulären Abbaues auch schon histologisch daran zu 
erkennen, daß an einer wechselnden Zahl der Markgefäße, die den vaskulären Abbau durchzuführen 
haben, die Endothelwand nirgends defekt, die Kapillare ringsherum sogar von Bindegewebe umgeben ist 
und so von einem Aufbrechen von Kapseln und dem Eintritt freien Blutes in diese hinein nicht die Rede 
ist. Noch sinnfälliger ist der Stillstand des vaskulären Abbaues dann, wenn in der primitiven Markbucht 
nicht nur die Seitenflächen, sondern auch das oberste Ende, wo der Knorpelabbau vor sich gehen sollte, 
durch osteoiden Knochenanwurf vermauert ist. An solchen Stellen ruht der vaskuläre Abbau völlig. 

Schon Kassowitz sah bei Rachitis Knochengewebe nicht nur an den Seitenflächen der Mark- 
buchten, sondern auch im Fundus derselben, erklärt dieses Bild als einen Stillstand der Gefäßbildung, den 
er aber nur hie und da konstatierte, während er im übrigen noch zu jenen Autoren gehört, die bei Rachitis 
die Markraumbildung gesteigert sein lassen. Bei der Ratte müssen wir aber solche Bilder in manchen 
Fällen als sehr häufig bezeichnen. 

Wir kehren jetzt zu unserer Frage zurück, welchen Einfluß die Hemmung des vaskulären 
Abbaues aufdie Höhe der kalkhaltigen Knorpelschicht ausübt und weil sie sowohl in der Phase der 
latenten Kalkstörung als auch in der des manifesten Kalkdefizits vorhanden ist, wollen wir gleich beide 
zusammen besprechen. Den beiden Phasen gehören zusammen neun Fälle ‘an. Unter diesen ruhte zweimal 
(Fall 10, 20) der vaskuläre Abbau, in dem oben angeführten Sinne fast an allen Markgefäßen der Schnitte 


256 Dr. J. Erdheim, 


und nur ausnahmsweise war dies nicht der Fall. In 3 Fällen (15, 11, 12) waren die Stellen mit ruhendem 
vaskulären Abbau noch immer in der wenn auch nicht so stark überwiegenden Mehrzahl. In einem Falle 
(14) hielten sich die Stellen mit ruhendem und normal aussehendem vaskulären Abbau ungefähr die 
Wage. Im Falle 13 ferner sah man Stellen mit ruhendem vaskulären Abbau nur ausnahmsweise und in 
den Fälle 21 A und 9 nirgends. Damit ist aber, nach unseren früheren Ausführungen, noch nicht gesagt, 
daß in diesen zwei letzten Fällen der vaskuläre Abbau in normalem Tempo vor sich ging. 
So sahen wir bei unserem jüngsten normalen Tier 3, das 128g schwer war, das gleiche histo- 
logische Bild des vaskulären Abbaues wie beim ältesten normalen Tier 5, das 225 g wog, wiewohl das 
Tempo des Prozesses beim ersteren lebhafter gewesen sein muß als beim letzteren. Die Annahme, daß 
auch bei unseren beiden zuletzt genannten rachitischen Tieren der vaskuläre Knorpelabbau trotz seines 
histologisch normalen Bildes verlangsamt war, ist, wie wir sofort hören werden, durch das Ver- 
halten der Höhe der präparatorischen Verkalkungsschicht begründet. 

Wir haben also gesehen, daß bei der Rachitis der vaskuläre Abbau in verschieden hohem Grade 
gehemmt, verlangsamt ist, und zwar, was besonders zu betonen ist, schon zu einer Zeit, als noch 
kalkhaltiges Knorpelgewebe vorhanden ist. Dies muß zur Folge haben, daß das Niedriger- 
werden der kalkhaltigen Schicht, das in der Verlangsamung der Kalkapposition an der oberen Schicht- 
grenze bedingt ist, in verschieden hohem Grade verlangsamt wird und trotzdem kommt es in einer 
Reihe von Fällen, wenn auch gewiß langsam, schließlich doch bis zum völligen Verschwinden der kalk- 
haltigen Knorpelschicht. Unsere 5 Fälle des manifesten Kalkdefizits bewegen sich eben auf dieser Linie 
und in dieser Richtung und die kalkhaltige Knorpelschicht ist bald noch ansehnlich hoch und durchwegs 
vorhanden, bald schon niedriger und nur auf die marginalen Rippenteile beschränkt, axial aber fehlend. 

Wenn aber bei verlangsamtem vaskulärem Abbau die Kalkstörung nur sehr geringfügig ist, so wird 
das Resultat ein anderes sein. Einschlägige Beispiele für eine solche Kombination finden wir in der Phase 
der latenten Kalkstörung. Im Falle 15 ruht der vaskuläre Abbau meist, im Falle 10 fast ganz, im Falle 14 
etwa an der Hälfte der Markgefäße. In allen 3 Fällen lag jener geringste Grad der Kalkstörung vor, bei 
dem eine pathologische kalklose Knorpelschicht nicht zum Vorschein kommt und die ganze Schicht kalk- 
haltig bleibt. In allen 3 Fällen war diese ganz kalkhaltige Schicht höher als das normale Maximum, das 
105 u beträgt (Fall 3), denn bei Fall 14 war sie 108 u, bei Fall 15 und 10 aber je 128 u hoch. Wir sehen 
also, daß unter Umständen die kalkhaltige Schicht der präparatorischen Verkalkungszone bei 
Rachitis höher sein kann als beim normalen Tier. Dies kann bei der Ratte nur so zustande 
kommen, daß zwar eine rachitische Verlangsamung der Kalkablagerung im Knorpel besteht, aber 
der vaskuläre Knorpelabbau manchmal noch mehr verlangsamt sein kann. Eine gesteigerte oder 
beschleunigte Kalkapposition im Knorpel zur Erklärung heranzuziehen, ist jedoch unzulässig, denn dieses 
würde dem Grundbegriff der Rachitis widersprechen. 

Nun erst können wir den Fall 21 A richtig deuten. Auch hier ist infolge nur latenter Kalkstörung die 
ganze präparatorische Verkalkungsschicht kalkhaltig und, trotzdem das histologische Bild des 
vaskulären Abbaues normal aussieht, ist die Schicht 150 u hoch, also höher als das normale Maximum 
105 u. Da dies nicht Effekt einer Vermehrung von Anbau und Verkalkung sein kann, so ist es Folge eines 
Minus an vaskulärem Abbau. Es ist also erlaubt, anzunehmen, daß der vaskuläre Abbau ver- 
langsamt ist, trotzdem er histologisch das normale Bild darbietet. Diese Deutung des Falles 21 A 
wäre nur dann umzustoßen, wenn bewiesen würde, daß bei der Rachitis die präparatorische Verkalkungs- 
schicht eine beschleunigte Gewebsapposition aufweist, denn dann würde die Höhenzunahme der kalk- 
haltigen Schicht so zu erklären sein, daß das pathologische Plus an Knorpelgewebe kraft der prospektiven 
Verkalkung noch gut verkalken könnte, obwohl dies bei vorhandener Kalkstörung schon etwas schwer 
vorstellbar wäre, und die Annahme eines verlangsamten vaskulären Abbaues trotz des normalen histo- 
logischen Bildes wäre überflüssig. Dieser Erklärungsmodus erscheint aber nicht annehmbar, da, wie wir ' 
noch zu hören bekommen werden, eine beschleunigte Gewebsapposition der präparatorischen Verkalkungs- 
schicht bei der Rachitis eine unzulässige Annahme ist. 


Rachitis und Epithelkörperchen. 457 


Auch bei der Kinderrachitis wurde schon von mehreren Seiten die mit dem sonstigen Begriff der 
Rachitis auf den ersten Blick nicht übereinstimmende Tatsache verzeichnet, daß die verkalkte Knorpel- 
schicht höher sei als normal, und dafür sind verschiedene Erklärungen angeführt worden. Hier ist vor 
allem Virchow zu nennen, der die Verbreiterung der Kalkzone als ein Zeichen beginnender Rachitis 
angesehen hatte, eine Auffassung, die Schmorl für unrichtig hält. Auch unser Rattenmaterial gestattet 
nicht, die in Rede stehende Erscheinung als ein Symptom beginnender Rachitis anzusehen, sondern zeigt 
bloß, daß sie in Fällen geringgradiger Kalkstörung vorkommen kann. 

Weiterhin sah Kassowitz eine bedeutende Verbreiterung der Kalkschicht im Knorpel bei 
beginnender oder mäßiger Rachitis, lehnt aber ausdrücklich eine Verzögerung der Markraumbildung als 
Ursache ab und nimmt vielmehr als Grund eine Steigerung der Knorpelproduktion mit sofortiger Ver- 
kalkung an. Diese Deutung ist aber der unsrigen direkt entgegengesetzt, denn wir behaupten eine Ver- 
langsamung der Knorpelproduktion und -verkalkung und eine noch stärkere Verlangsamung des vasku- 
lären Abbaues. Wir können aber nicht so weit gehen wie Wieland und Kassowitz’ Angaben über die 
Verbreiterung der Kalkschicht ausschließlich darauf zurückführen, daß dieser Autor Osteochondtritis 
luetica, für die ja eine Verbreiterung der Kalkschicht pathognomonisch ist, für beginnende Rachitis hielt. 
Wie anderen Autoren, denen ein großes Rachitismaterial vorgelegen ist, werden auch Kassowitz unter 
seinen Fällen mit verbreiterter Kalkschicht, zum Teil wenigstens, echte Rachitisfalle untergekommen sein; 
für einen anderen Teil wird aber wohl Wieland'’s Auffassung richtig sein. 

Bei einem Falle von Spätrachitis spricht Looser von einer Verbreiterung der Kalkzone im 
Metatarsale. 

Am ausführlichsten ist auf diesen Punkt Schmorl eingegangen. Seine Erklärung für die Ver- 
breiterung der Kalkschicht ist die folgende: Im gegebenen Falle dauerte die Rachitis so kurze Zeit, daß 
die Kalkschicht des Knorpels noch zum Teil erhalten und über ihr der kalklos gebliebene Knorpel sich 
erst in so geringer Höhe angesammelt hat, daß er noch keine ganze Etage hoch ist. In diesem Zeitpunkt 
setzte nun die Heilung oder eine Remission ein, bei der, wie immer, die neu einsetzende Knorpelverkalkung 
sich nicht an die alte Kalkzone kontinuierlich anschließt, sondern höher oben auftritt, und zwarim gegebenen 
Falle in sehr geringer Entfernung von dieser. Indem die neue Kalkzone sich auch nach unten ausdehnt, 
verbindet sie sich sekundär mit der alten zur pathologisch hohen Kalkschicht. Diese durch Übergangs- 
bilder und passendes Verhalten des Kalkgehaltes im Knochengewebe wohl fundierte Auffassung ist für 
die Ratte nicht anwendbar, weil Übergangsbilder fehlten, in den in Betracht kommenden Fällen die Kalk- 
ablagerung im Knorpel ebenso kontinuierlich erfolgte wie beim normalen Tier und die Diskontinuität 
der Knorpelverkalkung aus Remission im Knorpel fehlte. Wir sind daher gezwungen, bei der Ratte die 
pathologisch hohe Kalkzone so aufzufassen, daß der vaskuläre Abbau mehr gehemmt ist als die Kalk- 
apposition. Diese Deutung mag übrigens auch für manchen Kindesfall seine Gültigkeit haben. 

In bemerkenswerter Weise stimmen alle einschlägigen Beobachtungen beim Menschen und auch bei 
unseren Ratten insofern überein, als zur Zeit, in der die Kalkschicht verbreitert vorgefunden wurde, die 
Kalkstörung gering war, wenn auch die Auffassungen insofern völlig divergent sind, als einmal die Fälle 
für beginnende, dann wieder für heilende und endlich einfach nur für geringgradige Rachitis angesehen 
wurden. 

Nur noch einige Worte über die statische Bedeutung, die der Hemmung des vaskulären 
Knorpelabbaues zukommt. Diese hat zur Folge, daß der kalkhaltige Knorpel, also einer der festen 
Bestandteile der Rippe, gar nicht oder nur sehr langsam reduziert wird und darum ist es für die Festigkeit 
der Rippe sehr »zweckmäßig«, daß die Einschränkung des vaskulären Knorpelabbaues nicht erst dann 
einsetzt, wenn aller kalkhaltige Knorpel aufgebraucht ist, sondern schon viel früher, zu einer Zeit, wo er 
noch in namhafter Menge vorliegt. Wir sind natürlich nicht in der Lage, die Ursache für dieses recht- 
zeitige Eingreifen der Abbauhemmung im mikroskopischen Bilde direkt wahrzunehmen, doch sind wir 
gewohnt, so zweckmäßige Erscheinungen, speziell am Skelett, als statisch oder funktionell bedingt 
anzusehen, etwa durch den Wegfall des Reizes zum vaskulären Abbau. Schon v. Ritter sagt, daß der 


a8 Dr. I. Erdheim,. 


Mangel der Knorpelverkalkung den Knorpelabbau »einzuschränken oder aufzuhalten« scheine. Wenn aber 
in einzelnen Rachitisfällen die Abbauhemmung so weit geht, daß die Kalkschicht des Knorpels höher 
wird als normal, so genügt uns der funktionelle Reiz zur Erklärung nicht mehr, denn dieser kann nur von 
einer die Festigkeit der Kalkschicht herabsetzenden Höhenreduktion derselben ausgehen, die aber gerade 
hier fehlt. Man wird also nicht umhin können, die Hemmung des vaskulären Knorpelabbaues bei der 
Rachitis zum Teil als vom funktionellen Verhältnis unabhängig zu bezeichnen und sie als eine spezifische 
Eigenschaft der Rachitis hinzustellen. Fallen doch in den Rahmen der Rachitis Hemmungserscheinungen 
verschiedener Art, so die Hemmung des Knorpelanbaues, das heißt des Längenwachstums, ferner die 
Hemmung der Kalkapposition im Knochen- und Knorpelgewebe und verschiedene Hemmungser scheinungen 
bei der Frakturheilung, wie wir später hören werden. 


Nur für den Fall, daß es sich um ein älteres, nahe dem Abschluß des Körperwachstums stehendes 
Individuum handeln sollte, wäre die Hemmung des vaskulären Abbaues schon aus diesem rein physio- 
logischen Grunde mit in Betracht zu ziehen. In einem solchen Falle könnte es sich ereignen, daß die 
Erkrankung, die man dann zur Rachitis tarda stellen müßte, niemals zu einem völligen Verluste 
der kalkhaltigen Knorpelschicht führen, das heißt niemals über das Stadium des manifesten Kalk- 
defizits hinauskommen würde. Als einen Fall von Rachitis tarda können wir das Tier 12 (Fig. 10) ansehen, 
auf das wir etwas weiter unten noch einmal zu sprechen kommen werden. 


Das Ende der zweiten Phase des manifesten Kalkdefizits ist dann gegeben, wenn der letzte Rest 
kalkhaltigen Knorpels vaskulär abgebaut ist, und damit beginnt zugleich die dritte, calciprive Phase, 
die vor allen dadurch ausgezeichnet ist, daß die präparatorische Verkalkungsschicht ihrer ganzen Höhe 
nach kalklos ist (Fig. 12, 13, 15pV, und Fig. 14, 18 k—-pV). Wenn der Schwund der kalkhaltigen 
Knorpelschicht trotz der Verlangsamung ihres vaskulären Abbaues schließlich doch eintritt, so deutet das 
darauf hin, daß in einem solchen Falle die Kalkaufnahme an der oberen Schichtgrenze noch mehr ver- 
langsamt war, daß es sich also um einen hohen Grad der Kalkstörung handle. In der Tat gehören die 
schwersten Fälle unseres Materials (16, 17, 18, 19, 21 B) der calcipriven Phase an, während der Fall 20 
insofern an der Grenze der zweiten und dritten Phase steht, als hier der axiale Teil der präparatorischen 
Verkalkungszone seinem Verhalten nach in die dritte, der marginale Teil in die zweite Phase gehört 
(Fig. 16). 

Wenn wir die dritte Phase calcipriv nannten, so ist damit nicht gemeint, daß niemals eine Spur von 
Kalk nachweisbar ist, sondern daß eine zu unterst liegende, zusammenhängende Kalkschicht 
fehlt. Damit jegliche Spur von Kalk im Knorpel fehle, ist es erforderlich, daß nach Abbau der letzten 


kalkhaltigen Knorpelteile die Kalkstörung eine absolute sei, das heißt jegliche Kalkablagerung überhaupt 


ausbleibe. Dieser höchste Grad derKalkstörung scheint aber selten zu sein, denn in unserem Material 
ist er nur im Falle 19 zu sehen, wo die präparatorische Verkalkungszone in der Tat nirgends auch nur 
eine Spur von Kalk aufweist (Fig. 15 pV). Bei jungen Ratten, die nach Impfung mit dem als Rachitis- 
erreger bezeichneten Diplococcus rachitisch wurden, findet Morpurgo die Kalkzone vielfach unterbrochen, 
unregelmäßig oder ganz fehlend. 


In allen unseren anderen Fällen aber war die Kalkablagerung hochgradig gehemmt, nicht aber 
ganz sistiert. Der Ort, wos ich in solchen Fällen der Kalk ausnahmslos ablagert, ist sehr typisch, nämlich 
die marginalen, der Rippenoberfläche zunächst liegenden Knorpelpartien (Fig. 12 d, Fig. 13 c,c, Fig. 14 
k+pV, Fig. 18 b, b, c). Die zweite, jedoch inkonstante Fundstätte ist der untere Knorpelrand (Fig. 13 f, 
Fig. 18 c, d), wobei aber im Gegensatz zur zweiten Phase niemals eine zusammenhängende Schicht ent- 
steht, sondern diskontinuierliche Kalkflecken. Pommer konnte bei menschlicher Rachitis auf der aller- 
dings viel längeren Strecke eines Wirbelkörpers bis 39 solcher diskontinuierlicher Kalkflecken zählen. 


u ne ET en I U WERTET u u 


Rachitis und Epithelkörperchen. 459 


Fassen wir erst diese zweite Fundstätte ins Auge. Wir werden weiter unten hören, daß der reguläre, 
vaskuläre Knorpelabbau in der in Rede stehenden dritten Phase des Kalkmangels fast ganz sistiert. 
Unter solchen Umständen ist es klar, daß selbst ohne Remission und Heilungstendenz bei einer vor- 
‚handenen, wenn auch noch so verlangsamten Kalkablagerung nach einiger Zeit am unteren, unverrückbar 
_ stehenden Knorpelrande eine greifbare Kalkmenge auftreten wird. 

Was aber die erste Fundstätte des Kalkes in den marginalen Knorpelteilen betrifft, so scheint diese 
Lokalisation statisch begründet zu sein. Wie wir weiter unten hören werden, bildet nämlich die präpara- 
torische Verkalkungsschicht in der dritten Phase oft ein Knorpelmassiv von beträchtlicher Höhe, das aber 
infolge seiner Kalklosigkeit statischen Aufgaben nicht gewachsen ist. Bei der nun einmal vorliegenden 
Verschlechterung der Kalkverhältnisse wird aber mit dem wenigen Kalkmaterial der bestmögliche 
statische Effekt in der Weise erzielt, daß die Kalkablagerung in den marginalen Teilen des Knorpelmassivs 
erfolgt, dieses auf die Weise durch einen peripheren, wenn vielleicht auch nicht vollständigen Hohlzylinder 
aus Kalk versteifend. 

Es ist die Strebe- und Biegungsfestigkeit eines Hohlzylinders im Verhältnis zu seinem geringen 
Materialverbrauch sehr groß. In der marginalen Knorpelverkalkung finden wir das Prinzip des einen Hohl- 
zylinder darstellenden Röhrenknochens wieder. In diesem findet, inform der Corticalis, die größte Anhäufung 
des festen Materials, nämlich des verkalkten Knochengewebes, in der am meisten beanspruchten Knochen- 
peripherie statt. Im rachitischen Knorpelmassiv ist der Sitz des festen Materials, nämlich des Kalkes, 
gleichfalls die äußerste Peripherie, die am meisten in Anspruch genommen wird. Es erscheint in hohem 
Grade zweckmäßig, daß der wenige Kalk, der bei Rachitis überhaupt zur Ablagerung gelangt, an die am 
meisten beanspruchte Stelle dirigiert wird. Ein calcioprotektives Gesetz, wonach ein mechanischer 
Reiz die Gewebsverkalkung fördert, ist an solchen Beispielen unverkennbar. Es gibt eben eine mechanisch 
bedingte, lokale Bevorzugung der Kalkablagerung, dank welcher mit dem in pathologisch geringer Menge 
zur Ablagerung gelangenden Kalk der bestmögliche mechanische Nutzeffekt erzielt wird. Im übrigen sei 
auf den das caleioprotektive Gesetz und die marginale Knorpelverkalkung näher behandelnden IV. Abschnitt 
verwiesen, wo auch von der mechanischen Beanspruchungsart der Rippe die Rede ist. 

Die Randverkalkung des Knorpels ist eine bei der menschlichen Rachitis schon lange 
bekannte Tatsache. So spricht schon Virchow davon, daß die im Anfang noch erhaltene Verkalkung an 
der Knorpelperipherie viel höher hinaufreicht als im Zentrum. Auch Kassowitz sah im seitlichen, 
zunächst dem Perichondrium gelegenen Knorpelanteil die Verkalkung plötzlich steil in die Höhe steigen, 
fast bis zur oberen Grenze der Säulenzone, was am Querschnitt eine schmale, längs des Perichondriums 
herumlaufende Kalkzone gibt. Daß aber periphere Knorpelverkalkung auch ohne einen Rest einer zusammen- 
hängenden Kalkschicht am unteren Knorpelrande vorkommen kann, wie in unseren Fig, 13, 16, 18, findet 
sich bei den Autoren nicht erwähnt, ebensowenig eine mechanische Erklärung dieser Erscheinung. 

Interessanterweise berichtet neuestens Wieland, daß er die marginale Knorpelverkalkung auch in 
Rippen rachitisfreier Kinder gelegentlich gesehen hat, so daß er die Deutung dieser Erscheinung als 
Frühsymptom der Rachitis, wie uns scheint mit Recht, ablehnen muß und von einem nicht pathologischen, 
aber inkonstanten individuellen Vorkommnis spricht. Diese Beobachtung Wieland’s erscheint uns darum 
interessant, weil, wie bereits oben einmal ausgeführt, beim Menschen schon normalerweise oberhalb der 
Kalkschicht eine hohe Zone großzelligen, kalklosen Knorpels, die sogenannte Säulenzone, sich findet, die 
bei der Ratte normaliter fehlt, erst bei der Rachitis auftritt und als mechanisch widerstandsunfähig beim 
Kinde schon normaliter eine Randverkalkung zur Folge haben kann. Also die Bedingung, die wir zum 
Zustandekommen der Randverkalkung bei Rachitis erwähnt haben, findet sich auch schon beim normalen 
Kind erfüllt. 

Hier muß noch kurz einer anderen Lokalisation des Kalkes gedacht werden. Im Falle 17 war 
das sehr hohe Knorpelmassiv der Hauptsache nach kalklos und nur.am unteren Knorpelrande sah man 
stellenweise diskontinuierlich den Knorpel verkalkt. Ausnahmsweise folgte den kalkhaltigen Knorpel nach 


unten, allerdings in ganz dünner Lage, wieder kalkloser Knorpel. An solchen Stellen liegt also kalkloser 
Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC. Bd. 64 


460 Dr. J. Erdheim, 


Knorpel oberhalb und unterhalb des kalkhaltigen. Im Falle 18 ferner sah man die Randverkalkung des 
Knorpels in allen Rippen an einer konstanten Stelle sich gegen die Rippenachse zu in den kalklosen 
Knorpel hinein nach Art eines irisförmigen Diaphragmas hineinerstrecken (Fig. 18 e), ohne daß dies Dia- 
phragma komplett wäre. An solchen Stellen haben wir wieder ober- und unterhalb des kalkhaltigen 
Knorpelgewebes kalkloses liegen. Dieses Verhalten konnte nur in den zwei erwähnten Fällen beobachtet 
werden. ; 

Bilder dieser Art kommen bei menschlicher Rachitis häufiger und in besserer Ausbildung vor und 
wurden schon von Müller, dann von Pommer gesehen und als Erscheinungen von Heilung oder 
Remission angesehen. Die genauesten Angaben über diesen Punkt finden wir jedoch bei Schmorl, auf 
dessen interessante Ausführungen wir hier infolge des fast völligen Fehlens einschlägiger Verhältnisse bei 
der Rattenrachitis einzugehen uns versagen müssen. Der Mangel von Knorpelkanälen, mit denen, wie 
Schmorl und M.B. Schmidt gezeigt haben, die diskontinuierliche Knorpelverkalkung bei menschlicher 
Rachitis zusammenhängt, scheint der Grund dafür zu sein, warum bei der Ratte die in Rede stehende 
Erscheinung so selten ist. Im übrigen ist Morpurgo im Auffinden von Remissionsbildern im Knorpel bei 
der Ratte glücklicher gewesen, denn er spricht von einer im Niveau der höchsten Gefäßschlingen 
liegenden regelrechten Verkalkungszone. 


Bevor wir dazu übergehen, die Gesamthöhe der präparatorischen Verkalkungsschicht in der calci- 
priven Phase zu besprechen, müssen wir noch einige Bemerkungen über den vaskulären Abbau an der 
unteren Schichtgrenze vorausschicken, der ja für die Schichthöhe von ausschlaggebender Bedeutung 
ist. Das, was wir im Abschnitt über die normale Rippe als regulären Knorpelabbau geschildert haben, 
findet sich in der calcipriven Phase am unteren Knorpelrand, der entweder überall kalklos ist oder 
einzelne Verkalkungsherde aufweist, nirgends vor. Der vaskuläre Abbau an der unteren Schichtgrenze 
steht absolut still. Es hat auf die Schichthöhe natürlich keinen Einfluß, wenn, wie zum Beispiel im 
Falle 18 und 21 5, an den marginalen Verkalkungsstellen in bescheidenem Maße ein vaskulärer Abbau 
sich findet, der einigermaßen an den normalen Typus erinnert. 

Neben der Kalklosigkeit der gesamten Schichthöhe ist der Stillstand des vaskulären Abbaues ein 
Hauptcharakteristikon der caleipriven Phase und in nicht zu vorgeschrittenen Fällen bekommt man, 
wie zum Beispiel beim Tier 16 (Fig. 12), jenes sehr instruktive Verhalten zu sehen, wobei vom unteren 
Rande der pathologisch hohen und ganz kalklosen präparatorischen Verkalkungsschicht (p V) kontinuier- 
lich verkalkte Knorpelstreifchen (c) senkrecht nach abwärts abgehen und in die Bälkchen der primären 
Spongiosa aufgenommen werden. Solche Bilder sprechen eine deutliche Sprache und zeigen, wie die 
enchondrale Ossifikation, solange ihr kalkhaltiger Knorpel zur Verfügung stand, wenn auch wahrscheinlich 
in verlangsamtem Tempo, doch noch vor sich ging und von dem Momentan stillstand, wo der kalk- 
haltige Knorpel aufgebraucht war. 

Dieser Stillstand des vaskulären Abbaues läßt sich aus statischen Momenten herans verstehen. 
Wir haben in dem Abschnitt über die normale Ossifikation gehört, daß die Aufgabe der Knorpelverkalkung 
die ist, den Knorpel für jenen kurzdauernden Zeitabschnitt festzumachen, in dem er durch den vaskulären 
Abbau bereits stark zernagt, aber noch nicht durch den Knochenanwurf wieder verstärkt worden ist. Es 
wäre daher mit einer Gefährdung der Rippenkontinuität gleichbedeutend, wenn der reguläre, rege, 
vaskuläre Abbau des Knorpels vor sich gehen würde, trotzdem die Knorpelverkalkung ausgeblieben war. 
Es entfällt der Reiz für das Eindringen der Gefäße oder dieser erfährt eine Hemmung und darum steht der 
vaskuläre Abbau still. Finden sich doch, wie wir später hören werden, Anzeichen dafür, daß der kalklose, 
widerstandsunfähige Knorpel, wenn er zu einem hohen Massiv angewachsen ist, selbst ohne den 
vaskulären Abbau durch die mechanische Belastung leidet. 

Der Vollständigkeit halber sei hier nur noch kurz erwähnt, daß, wenn auch in der calcipriven Phase 
der reguläre vaskuläre Abbau, der den Knorpel an seiner unteren Grenze Schritt für Schritt 


Rachitis und Epithelkörperchen. 461 


abzutragen hat, fehlt, doch eine pathologische Form der Knorpelvaskularisation vorgefunden wird, 
bei der aber nicht ein regelrechter Abbau des Knorpels von unten her zustande kommt, sondern das 
Knorpelmassiv von Gefäßen durchwachsen wird. Darum interessiert diese pathologische Knorpelvaskulari- 
sationin der uns hier beschäftigenden Frage nicht und sie soll im Abschnitt über die enchondrale Össifi- 
_ kation besprochen werden. 

Was wir bisher im Abschnitt über die präparatorische Verkalkung beiRachitis gesagt haben, bezieht 
sich fast nur auf das Vorhandensein oder Fehlen der Verkalkung und die Höhe der kalkhaltigen, 
beziehungsweise kalklosen Schicht für sich. Wir wollen nun zur Besprechung der Gesamthöhe der 
präparatorischen Verkalkungszone in allen drei Phasen übergehen, und zwar ohne Rücksicht auf den 
Kalkgehalt. Es sei nur noch daran erinnert, daß die Knorpelschicht in der ersten Phase ganz kalkhaltig, 
in der zweiten oben kalklos, unten kalkhaltig, in der dritten der ganzen Höhe nach kalklos ist. 

Bei den folgenden Ausführungen sehen wir vorläufig von den eine eigene Besprechung erfordernden, 
mit Marasmus kombinierten Rachitisfällen 22 und 23 ab. Die nähere Betrachtung des Diagramms III 
(Tafel IX) ergibt, daß nur im Falle 12 die präparatorische Verkalkungsschicht normal hoch ist, in allen 
übrigen Fällen aber höher ist als normal und in den vier zuletzt stehenden Fällen 19, 18, 17 und 21 B 
sogar sehr beträchtlich viel höher. Auch Morpurgo gibt bei seinen durch Infektion mit seinem Diplococcus 
rachitisch gemachten Ratten an, der Knorpel sei verbreitert und unregelmäßig gewesen. Wir wollen die 
Gründe für dieses Verhalten untersuchen. Die Gesamthöhe der präparatorischen Verkalkungsschicht 
hängt, wie schon oben einmal betont, nur von zwei Faktoren ab, vom Knorpelgewebsanbau an der 
oberen und dem -abbau an der unteren Schichtgrenze. 

Wir wollen erst den’Abbau besprechen. Dieser konnte in keinem unserer Fälle als normal bezeichnet 
werden. In den 5 Fällen der dritten Phase hat der Knorpelabbau ganz gefehlt, was ja ein wichtiges 
Charakteristikon dieser Phase ist. In der zweiten und ersten Phase konnte in den meisten Fällen schon 
nach dem histologischen Bilde gesagt werden, daß der Abbau bald mehr, bald weniger stark verlang- 
samt war und in jenen 2 Fällen (21 A, 9), in denen das histologische Bild der enchondralen Ossifikation 
normal aussah, führte die nähere Überlegung zu der Annahme, daß auch hier das Tempo des Knorpel- 
abbaues verlangsamt sein müsse. Daß dieser in so verschiedenem Grade gehemmte Abbau an der unteren 
Schichtgrenze — wenn wir die Gewebsapposition an der oberen Schichtgrenze als bestehend annehmen — 
zu einem pathologischen Anwachsen der Schichthöhe führen muß, ist völlig klar und dies ist auch 
deralleinige Grund dafür. Damit stimmt es gut überein, daß alle 5 Fälle der dritten Phase, bei der ja 
der Knorpelabbau ganz sistiert, die höchste präparatorische Verkalkungszone aufweisen und demzufolge 
im Diagramm Ill an letzter Stelle stehen. 

Der zweite Faktor ist der Knorpelanbau an der oberen Schichtgrenze. Daß ein solcher Anbau auch 
bei Rachitis überhaupt stattfindet, geht allein schon daraus hervor, daß die Schicht zu pathologischer Höhe 
anwächst. Das kann nur durch Anbau erfolgen. Doch wird dieser Anbau je nach dem Alter des Tieres 
sich verschieden geltend machen, denn in der gleichen Zeit bei sonst gleichen Bedingungen wird das 
junge Tier eine viel höhere Knorpelschicht hervorbringen als ein älteres. Ein Beispiel dafür haben wir am 
Tier 12, bei dem die präparatorische Verkalkungsschicht im Gegensatz zu allen anderen Fällen das 
normale Höhenmaß nicht überstieg, was um so bemerkenswerter ist, als gerade hier der vaskuläre Abbau 
in hohem Grade verlangsamt ist. Der Grund dafür ist der schon sehr verlangsamte Knorpelanbau bei dem 
vorgeschrittenen Alter dieses Tieres, welches mit dem Gewichte von 244 g das älteste Tier nicht nur unter 
den Rachitisfällen, sondern auch in der ganzen Versuchstreihe ist. Das Knorpelwachstum war hier schon 
physiologischerweise soweit verlangsamt, daß trotz der nicht unerheblichen Verlangsamung des Abbaues 
die Schichthöhe die normale Grenze nicht überstieg. In einem solchen Falle, den man zur Rachitis tarda 
zählen kann, ist es also möglich, daß trotz der Rachitis die präparatorische Verkalkungsschicht normal 
hoch ist. Man darf also bei normal hoher präparatorischer Verkalkungsschicht Rachitis nicht aus- 
schließen. Ein anderes Beispiel gewinnen wir aus dem Vergleich der Fälle 16 und 19. In beiden steht 
der Knorpelabbau still. Aber im letzteren ist die Knorpelschicht mehr als zweimal so hoch (544 p) als im 


462 Dr. J. Erdheim, 


ersteren (244 p), Der Hauptgrund dafür dürfte der sein, daß Tier 19 viel jünger ist (122g schwer) als 
Tieril6h(207 g): j 

Gelegentlich seiner Untersuchungen über Rachitis tarda betont Schmorl besonders, daß bei Spät- 
rachitis, wenn das Individuum nahe dem Abschluß des Körperwachstums steht, die physiologische Wachs- 
tumsenergie der Wucherungszone schon so gering ist, daß sie selbst in der Rippe nicht mehr sehr hoch 
werden kann, was zu der falschen Annahme verleiten könnte, daß es sich um beginnende Rachitis handle. 
Bei anderer Gelegenheit betont Schmorl wieder, von welchem Einfluß die Wachstumsenergie auf das 
Rachitisbild ist, indem er darauf hinweist, daß die am schnellsten wachsende Rippe der Ort ist, wo bei 
beginnender Rachitis zu allererst die Knorpelhöhe anwächst, während wieder Pommer fand, daß man im 
langsam wachsenden Wirbelkörper selbst bei sehr vorgeschrittener Rachitis den‘ Beginn der Rachitis 
studieren könne. 

Endlich wird die Höhe der präparatorischen Verkalkungszone davon abhängen, seit wie langer Zeit 
die zwei Faktoren tätig sind, die zur Steigerung der Schichthöhe führen, nämlich der gehemmte Abbau 
bei fortschreitendem Anbau. Wenn zum Beispiel in den gleichalterigen, 207 und 202g schweren Tieren 16 
und 17, bei denen der Knorpelabbau in gleicher Weise ruht, die Knorpelschicht einmal 244 u hoch ist 
(Fall 16), das anderemal aber 1192 u (Fall 17), so werden wir das vor allem darauf zurückführen, daß die 
Rachitis beim Tier 17 länger dauert als beim Tier 16. 


* * 


Bevor wir die Diskussion der die Höhe der präparatorischen Verkalkungszone beeinflussenden 
Faktoren abschließen, wollen wir noch die eine Frage erledigen, ob das für die Rachitis typische Über- 
schreiten der normalen Schichthöhe nicht der Effekt eines pathologisch beschleunigten, also 
gesteigerten Knorpelanbaues ist, eine Anschauung, die früher allgemeine Geltung hatte, jetzt aber 
langsam verlassen wird. ; 

In der nachstehenden Skizze 3 ist der schraffierte Teil der Knochenumtisse nicht etwa die ganze 
Knorpelfuge, sondern bloß die diaphysäre präparatorische Verkalkungsschicht, deren Höhe der 
Deutlichkeit halber übertrieben und am oberen und unteren Knochenende der Einfachheit halber gleichhoch 
gemacht wurde. I stellt den normalen, V den rachitischen Knochen dar. Dieser unterscheidet sich vom 
normalen vor allem dadurch, daß er 1. in toto kürzer ist, 2. seine knöcherne Diaphyse viel kürzer, 
3. seine präparatorische Knorpelverkalkungsschicht aber höher ist. Daß die Knorpelschicht höher ist als 
normal, das sehen wir bei den Obduktionen von Rachitisfällen, daß der Knochen in toto kürzer ist als 
normal, das geht aus den vielfältigen Beobachtungen der Literatur hervor, auf die wir bald zu sprechen 
kommen. Daß die knöcherne Diaphyse besonders kurz sein muß, geht schon aus dem ersten und dritten 
Punkte hervor. Daß diese Hemmung des Längenwachstums sich schon mit dem ersten Beginn der 
Rachitis einstelle, ist aber damit noch nicht bewiesen. 

Die ältere Theorie besagt nun, die Knorpelschicht sei bei Rachitis darum pathologisch hoch, weil ein 
pathologisch gesteigertes Knorpelwachstum besteht bei normalem, nicht gehemmtem Abbau. 
Diese Annahme ist in Skizze II widergegeben. In dieser ist die knöcherne Diaphyse normal lang, ent- 
sprechend der Annahme, daß der vaskuläre Knorpelabbau, das heißt die enchondrale Ossifikation, nicht 
gehemmt ist. Und die enchondrale Ossifikation ist es ja, die dasLängenwachstum der knöchernen Diaphyse 
bedingt. Ferner ist hier die Knorpelschicht pathologisch hoch, entsprechend der Annahme, daß ihr Wachs- 
tum pathologisch gesteigert ist. Aus diesem Verhalten der Diaphyse und des Knorpels geht von selbst 
hervor, daß die Gesamtlänge des Knochens pathologisch groß ist (Skizze Il). Diese letzte Tatsache, 
steht aber in einem offenkundigen Widerspruch mit der Erfahrung, die besagt, der Knochen und damit das 
ganze Skelett sei bei Rachitis kürzer als normal. | 

Dieser Widerspruch wurde denn auch frühzeitig empfunden und darum griff man zu der Annahme, 
die Körperlast und die Muskelaktion komprimieren den weichbleibenden Knorpel, dieser werde darum 


Rachitis und Epithelkörperchen. 463 


wieder niedriger und so die Gesamtlänge des Knochens unternormal. Diese Annahme ist in Skizze III 
widergegeben. Wenn der normale Knochen mit seiner normal hohen Knorpelschicht normal lang ist (I), so 
müßte bei der Rachitis das Zusammenpressen des zu einer pathologischen Höhe emporgewucherten 
Knorpels (II) zur Verhinderung einer übernormalen und zur Erzielung einer unternormalen Knochenlänge 
soweit getrieben werden, daß die Knorpelschicht niedriger wäre als normal, wie das in Skizze III dar- 
gestellt ist. Aber auch dieses Bild widerspricht ‘der Erfahrung, da ja die Knorpelschicht bei Rachitis in 
Wirklichkeit pathologisch hoch ist. Abgesehen davon kann die pathologische Verkürzung rachitischer 
Knochen so erheblich sein, daß im Vergleich damit die Reduktion der Knorpelschicht auf einen Bruchteil 
ihrer normalen Höhe viel zu gering wäre, denn schon die normale Knorpelschicht ist sehr nieder. So sehen 
wir, wie das Bestehen eines zu kurzen Knochens mit einer zu hohen Knorpelschicht es bei der Rachitis 
unmöglich macht, die pathologisch hohe Knorpelschicht durch eine gesteigerte Knorpelwucherung 
bei nicht gehemmtem, vaskulären Abbau zu erklären. Diese alte Anschauung ist eine durch nichts 
bewiesene Annahme, die mit den realen Verhältnissen nicht in Übereinstimmung zu bringen ist. 


Skizze 3, 


VI 


" Schema zur Erläuterung der verschiedenen Erklärungsversuche rachitischer Wachstumsstörung. 


Anders ist es, wenn wir die Ursache des pathologischen Plus an Höhe der Knorpelschicht nicht in 
einem pathologisch gesteigerten Knorpelanbau, sondern in einem gehemmten Knorpelabbau erblicken. 
Nehmen wir vorerst an, daß hierbei der Knorpelanbau in normalem Tempo vor sich gehe, so bekämen 
wir die Skizze IV. In dieser ist die knöcherne Diaphyse viel kürzer als normal (Skizze I) und das ist ganz 
natürlich, denn der gehemmte Knorpelabbau, den wir nunmehr annehmen, bedeutet eine Hemmung der 
enchondralen Ossifikation und damit eine Hemmung des Längenwachstums der knöchernen Diaphyse. 
Ferner ist in Skizze IV der Knorpel pathologisch hoch, was er sein muß, wenn wir annehmen, daß er oben 
in normaler Menge angebaut, unten aber pathologisch langsam oder gar nicht abgebaut wird. Endlich ist 
in der Skizze IV die Gesamtlänge des Knochens normal, das heißt gleich der in Skizze I, und das ist 
darum der Fall, weil der Knorpelanbau, der allein die Gesamtlänge des Knochens bedingt, als 
normal angenommen wurde. Es ist hier besonders zu betonen, daß nicht die enchondrale Össifikation die 
Gesamtlänge des Knochens beeinflußt, sondern nur der Knorpelanbau. Die enchondrale Ossifikation ist 
nur für die Länge der knöchernen Diaphyse maßgebend, was aber nicht mit der Länge des ganzen 
Knochen verwechselt werden darf. Ein normal langer Knochen mit pathologisch kurzer knöcherner 
Diaphyse ist durchaus vorstellbar. 


464 DI Erd heim,.:” 


In einem Punkte stimmt aber Skizze IV mit den realen Verhältnissen, wie sie in Skizze V wider- 
gegeben sind, noch nicht, denn die Gesamtlänge des Knochens ist in IV nicht geringer als normal, sondern 
gleich der der normalen in Skizze I. Die normale Gesamtlänge haben wir soeben auf die Annahme eines 
normalen Knorpelanbaues zurückgeführt. Diese Annahme muß nun dahin korrigiert werden, daß der 
Knorpelanbau bis zu einem gewissen Grade pathologisch verringert ist. Die Knorpelschicht wird also 
nicht so hoch ausfallen wie in IV, sondern etwas niedriger, und damit sehen wir auch den letzten Punkt, 
die pathologisch geringe Gesamtlänge des Knochens, erfüllt, wie das in Skizze V widergegeben ist. 

Wir sind also, schon allein aus der makroskopisch feststellbaren Tatsache heraus, daß der rachitische 
Knochen trotz des pathologisch hohen Knorpels kürzer ist als normal, geradezu unausweichlich 
gezwungen, zur Erklärung des Plus an Knorpel einen pathologisch gesteigerten Knorpelanbau absolut 
zu leugnen und dafür einen gehemmten Knorpelabbau anzunehmen, der ja überdies histologisch 
nachweisbar ist; ebenso müssen wir zur Erklärung des Minus an Knochenlänge einen wenn auch 
weniger gehemmten Knorpelanbau postulieren, den wir auf diese Weise nur erschließen, aber mikro- 
skopisch nicht wahrnehmen können. 

Das Resultat der bisherigen Ausführungen gipfelt also in folgender Behauptung: Bei Rachitis ist 
sowohl der Knorpelanbau als auch der vaskuläre Knorpelabbau gehemmt, letzterer in 
höherem Grade als ersterer, und so kommt es dazu, daß mit der Zeit die Knorpelschicht 
zu pathologischer Höhe anwächst, während die Gesamtlänge des Knochens gegen die 
Norm zurücksteht. 2 

Es fragt sich jetzt nur noch, ob wir Skizze V aus IV nicht auch so erhalten können, daß wir statt 
gehemmtem Anbau uns die Knorpelmasse durch mechanische Einwirkung zusammengedrückt vorstellen. 
Diese Kompressionstheorie haben wir im Rahmen der alten Annahme, wonach der Knorpelabbau nicht 
gehemmt, der Knorpelanbau aber pathologisch gesteigert sein sollte, unbedingt verwerfen müssen 
(Skizze II, III). Die Frage geht nun dahin, ob wir nicht wenigstens die Kompressionstheorie von der alten, 
verlassenen Anschauung in die neue mit hinübernehmen können. In diesem neuen Rahmen müßte die 
Knorpelkompression mit der Annahme des gehemmten Knorpelanbaues in Konkurrenz treten, wenn es 
gilt, die pathologisch geringe Gesamtlänge des Knochens zu erklären. Es fragt sich nun, ob wir uns für 
die ausschließliche Kompression oder für die ausschließliche Hemmung des Knorpelanbaues entscheiden 
oder aber ob wir beide nebeneinander gelten lassen und wie groß in letzterem Falle der Anteil der einen 
und wie groß der der anderen Annahme sein wird. | 

Die Kompressionstheorie ist schon darum diskutabel, weil wir, wie wir später hören werden, histo- 
logisch tatsächlich am Knorpel die Folgen stattgehabter Kompression vorfinden können, und zwar in Form 
des Sinterknorpels, der Zellnekrose und des Rosenkranzes. Doch finden sich solche Veränderungen meist 
nur in schweren Rachitisfällen und zum Teil überhaupt nur selten. So ist die Kompressionstheorie schon 
aus diesem Grunde nicht für alle Rachitisfälle anwendbar. Es wird ferner aus den unten folgenden Literatur- 
angaben zur Genüge hervorgehen, daß das Ausmaß der Hemmung im Längenwachstum rachitischer 
Knochen so überraschend groß ist, daß es völlig unmöglich ist, es allein auf die Knorpelkompression 
zurückzuführen. Es besteht kein Zweifel, daß die Hemmung des Knorpelwachstums von unvergleichlich 
größerer Bedeutung ist. Aber völlig leugnen können wir die Rolle der Knorpelkompression für das 
Zustandekommen des Minus an Knochenlänge doch nicht. Wenn wir uns fragen, wie wir in unserer Skizze 
das Schema V aus IV erhalten können, so werden wir sagen, hauptsächlich durch die Annahme eines 
verlangsamten Knorpelanbaues und nur zum geringen Teile durch Kompression des Knorpels. Das 
heißt in V wäre der Knorpel auch ohne Kompression niederer als in IV, aber infolge der Kompression wird 
er noch um etwas niederer. Hingegen ist es unvorstellbar, daß der Knochen eines rachitischen Zwerges 
ausschließlich oder hauptsächlich infolge der Knorpelkompression so enorm klein blieb. 

Nebenbei erscheint diese Verlangsamung des Knorpelanbaues unter den beiRachitis obwaltenden 
Umständen für die statischen Aufgaben des gesamten Knochens nür dienlich, denn das Anwachsen 
des kalklos bleibenden Knorpels kann die Brauchbarkeit des Knochens nur herabsetzen. Die beste Art, 


Rachitis und Epithelkörperchen. 465 


den rachitischen Skelettstörungen zu begegnen, wäre ja überhaupt entweder die Beseitigung der Kalk- 
störung oder zumindest die, allen Umbau, d.i.den An- und Abbau am Knochen- und Knorpeigewebe zum 
Stillstand zu bringen, denn der Abbau beraubt das Skelett aller festen, in vorrachitischer Zeit verkalkten 
Bestandteile und was ihm dafür der Anbau zu bieten hat, ist statisch wegen der gestörten Verkalkung 
unbrauchbar. Ein Stillstand des Wachstums hätte den Nachteil, daß das Skelett zu klein bliebe. Dieser 
Nachteil ist aber kleiner als die vielen Konsequenzen rachitischer Knochenweichheit. In diesem Sinne 
kann die spontan bei der Rachitis sich einstellende Hemmung des Knorpelanbaues als funktionell bedingt 
und so für die Statik günstig bezeichnet werden. Wenn das mit kongenitaler Thyreoaplasie behaftete 
kretinistische Kind niemals rachitisch wird, so beruht ja diese alte Erfahrung eben darauf, daß das 
Kretinenskelett im Wachstum fast stillsteht. Die Rachitis aber beruht auf dem Kalklosbleiben des frisch 
apponierten Knochen- und Knorpelgewebes. Wo aber nichts oder fast nichts apponiert wird, kann 
Rachitis eben nicht auftreten. 


* * 


Wir haben im Vorangehenden es absichtlich vermieden, Literaturangaben in unsere Darstellung 
aufzunehmen, die die Übersichtlichkeit des Dargestellten beeinträchtigt und dem weniger Eingeweihten 
den Stoff noch verwickelter hätten erscheinen lassen als er es schon ohnehin ist. Es ist hier die Literatur 
des Gegenstandes weit komplizierter als der Gegenstand selbst. Nachdem wir aber von den in Rede 
stehenden Fragen eine klare Vorstellung gewonnen und in uns befestigt haben, können wir von diesem 
gesicherten Standpunkt aus nunmehr auch die Literatur etwas näher beleuchten, deren Studium uns 
zeigen wird, wie außerordentlich mühsam und langsam sich die richtige Erkenntnis herauskrystallisiert 
hat, wie immerfoıt das alte Schlechte verworfen und durch ein neues Besseres ersetzt wurde, das aber 
noch immer nicht das Beste war, sondern manches Irrige in sich barg. Die Unklarheit der Vorstellungen 
geht hier zeitweise so weit, daß nicht selten derselbe Autor nicht nur etwa zu verschiedenen Zeiten 
differente Ansichten äußerte, was man als Fortschritt und vertiefte Erkenntnis, somit als ganz natürlich 
ansehen darf, sondern es finden sich krasse Widersprüche oft in ein und derselben Publikation. Es mag 
darum nicht wundernehmen, daß wir in der folgenden Literaturzusammenstellung nicht selten denselben 
Autor unter den Vertretern zweier unvereinbarer Anschauungen finden. 

Wir werden uns selber vor vielen Irrtümern schützen und irrige Anschauungen stets sofort heraus- 
spüren, wenn wir uns, worauf schon oben einmal kurz hingewiesen wurde, stets klar vor Augen halten, 
daß das Längenwachstum des gesamten Knochens und das der knöchernen Diaphyse zwei 
verschiedene und zum Teil selbst voneinander unabhängige Dinge sind. Davon, ob der vaskuläre 
Knorpelabbau und die enchondrale Ossifikation vor sich geht oder nicht, hängt nicht das Längenwachstum 
des gesamten Knochens und Skelettes ab, sondern nur das Längenwachstum der knöchernen Diaphyse. Das 
Längenwachstum des gesamten Knochens hängt einzig und allein von der Knorpelapposition ab und es ist 
für die Gesamtlänge des Knochens, nicht aber für seinen inneren Aufbau, zunächst gleichgültig, ob der 
gebildete Knorpel tiefer unten vaskulär abgebaut und enchondral ossifiziert wird oder nicht. Von diesem 
letzteren Umstande ist nur eine Frage sekundärer Art abhängig, nämlich die, inwieweit das Längengebiet der 
knöchernen Diaphyse sich auf Kosten des Knorpels ausdehnt, also sich die Knochen-Knorpelgrenze epi- 
physenwärts verschiebt. Schon Virchow sagte, daß das Längenwachstum des Knochens und damit des 
ganzen Körpers vor allem vom Wachstum des Epiphysenknorpels abhänge. Doch findet sich bei Virchow 
wieder vieles, was dieser richtigen Auffassung direkt widerspricht. 


* * 


Wir beginnen mit der in der Literatur schon seit langem und vielfach noch bis auf den heutigen 
Tag vertretenen Ansicht, daß die exzessive Höhe der Knorpelschicht bei Rachitis in einer pathologisch 
gesteigerten Knorpelproduktion ihren Grund habe. Von einer pathologisch und exzessiv gesteigerten 


466 Dr. J. Erdheim, 


Knorpelwucherung spricht Virchow und führt sie auf im Blute zirkulierende »Reizsubstanzen« zurück. 
Ein andermal führt er wieder das pathologische Anwachsen des Knorpels auf die Langsamkeit seiner 
Verkalkung zurück. Auch Kassowitz nimmt eine pathologisch gesteigerte Knorpelwucherung an, führt 
sie aber auf Überernährung durch jene entzündliche Hyperämie zurück, die er als das Primäre bei der 
Rachitis ansieht. Auch Pommer spricht von einer »über die normalen Maße« gesteigerten Knorpel- 
wucherung, als deren Grund er einen auf die Knorpelzellen und Gefäße ausgeübten mechanischen Reiz 
ansieht, wie er beim Druck auf den kalklos bleibenden, also weichen Knorpel besonders leicht zustande 
kommt. Wir haben oben ausgeführt, warum eine pathologisch gesteigerte Knorpelapposition bei der Rachitis 


nicht angenommen werden kann. 
* * 


Nun zur Kompressionstheorie. Schon Virchow selbst sagt, daß, wenn bei florider Rachitis trotz 
gesteigerter Knorpelapposition der Knochen nicht pathologisch lang werde, sondern von normaler Länge 
sei, dies nur darin seinen Grund habe, daß der vermehrte Knorpel durch die Körperlast und die Muskel- 
aktion zusammengepreßt werde und so bald in die Breite gehe. 

Breus und Kolisko, welche die Rachitis am Becken in eingehendster Weise studierten, führen die 
Bedeutung der Knorpelkompression auf jenes geringe, aber richtige Maß zurück, wie wir es oben selber 
in unseren Ausführungen vertreten haben. Diese Autoren sagen wörtlich: »Derartige Kompressions- 
erscheinungen kommen an den Beckenknochen stellenweise vor, spielen aber, wie wir sehen werden, nur 
eine sehr untergeordnete Rolle und finden sich niemals in einem Umfange, der dem bedeutenden rachiti- 
schen Längendefizit auch nur annähernd entsprechen könnte.« 

Schmorl meint, die Kompression führe in geringfügigem Grade zur Kürze der rachitischen Knochen, 
aber sie genüge nicht zur Erklärung des dauernd beeinträchtigten Längenwachstums derselben. Aber nach 
Schmorl wird das Bindegewebe und kalklose Knochengewebe und nicht das elastische, widerstands- 
fähige und darum bei Belastung ausweichende Knorpelgewebe komprimiert und das führt zum Rosen- 
kranz. Der Knorpel werde aber nur sekundär in Mitleidenschaft gezogen. Von der Richtigkeit dieser 
letzteren Anschauung belehrt uns ein Blick auf unsere Fig. 12 und 13, bei denen im Gipfelpunkt jener 
Ausbauchung, die wir Rosenkranz nennen, nicht der Knorpel liegt, sondern das Osteoid der sekundären 
Spongiosa. Daß der Knorpel, bei noch nicht zu alten Fällen wenigstens, tatsächlich erst sekundär in Mit- 
leidenschaft gezogen wird, sehen wir an unseren Figg. 13 und 14, wo die Zellsäulen des im Vergleich mit 
dem Bauche des Rosenkranzes noch sehr schmalen Knorpels nach unten strahlig auseinanderweichen. 
Nach langer Zeit aber paßt sich der Knorpel der neuen Rippendimension durch Breitenwachstum an 
und so sehen wir in Fig. 16 die Zahl der nebeneinanderstehenden Zellsäulen in der Knorpelwucherungs- 
zone (KW) pathologisch vermehrt und sogar den ruhenden Knorpel (rK) im Vergleich mit dem einer 
normalen Rippe (Fig. 4 bis 7) bedeutend verbreitert. 


* e * 

Der erste Autor, der die Verbreiterung der Knorpelschicht bei Rachitis auf gehemmten 
vaskulären Abbau zurückführte, war ein Kliniker. In der ersten Auflage seines Lehrbuches spricht 
Heubner in klarer Weise diese Meinung aus, führt die Verbreiterung der Knorpelschicht ausschließlich 
auf die Verlangsamung des Tempos im Knorpelabbau zurück und lehnt es ab, eine pathologisch gesteigerte 
Knorpelwucherung als Ursache der pathologischen Schichthöhe anzuerkennen. Da also die Knorpelschicht 
deshalb zu pathologischer Höhe anwächst, weil sie oben immerfort neu produziert wird, unten aber nicht 
verbraucht wird, sich somit anstaut, schlägt Heubner, jedoch erst in der zweiten Auflage, vor, diese 
Knorpelschicht nicht mehr »Wucherungszone«, sondern »Stauungszone« zu nennen. 

Unabhängig von Heubner kommen Breus und Kolisko ein Jahr später zu gleichen Resultaten. 
Die Lektüre dieser Autoren gestaltet sich darum besonders interessant, weil man gerade hier den 
Umschwung, den allmählichen Übergang von der alten zur neuen Anschauung sehr gut verfolgen kann. 


Rachitis und Epithelkörperchen 467 


So findet sich an einer Stelle die Angabe, daß im Anfang der Rachitis der Knorpel eine mächtige Proli- 
ferationsschicht produziert; dann heißt es wieder, die Knorpelwucherung »ist großenteils auch nur 
relativ gesteigert«; und wieder an einer anderen Stelle: »Wäre die Knorpelproduktion eine wirklich 
gesteigerte gewesen..., so Könnte der Vergleich (der Knochenlänge) nicht so ungünstig für den rachiti- 
schen Knochen ausfallen.« Der nun einmal aufgekommene Zweifel an dem gesteigerten Knorpelanbau 
kommt dann in folgendem Satze zum Ausdruck: »Es handelt sich nicht so sehr um ein Plus an Knorpel- 
produktion, als vielmehr um ein Minus an Knorpelverbrauch zur Überführung in Knochen.« Und endlich 
in eindeutiger Weise und ohne Einschränkung findet sieh der Gedanke vom gehemmten Knorpelabbau 
als Ursache der pathologischen Höhe der Knorpelschicht in dem Satze: »Es stauen sich gleichsam die 
zur Knochenbildung vorbereiteten, aber unverbrauchten Knorpelmassen.« Wir sehen, Heubner’s Vor- 
stellung von der Stauung des Knorpels kehrt hier wieder. Diese Zitate mögen zeigen, wie sich die Autoren 
zur neuen Anschauung durchringen, Schritt für Schritt, wie es eben in dieser Übergangszeit ganz natürlich 
erscheint. 

Dieser modernen Anschauung von Heubner, Breus und Kolisko, wonach bei Rachitis der 
vaskuläre Knorpelabbau verlangsamt ist oder stillsteht und dies der Grund für die pathologische Höhe der 
Knorpelschicht sei, schließen sich die neuen Publikationen von Schmorl, M. B. Schmidt und v. Reck- 
linghausen vollinhaltlich an und auch wir konnten ihr auf Grund unseres Materials um so eher das 
Wort reden, als sich die Hemmung des vaskulären Knorpelabbaues histologisch nachweisen ließ. Wenn 
Schmorl als die Ursache für die Hemmung des vaskulären Abbaues das Ausbleiben der Knorpel 
verkalkung bezeichnet, so konnten auch wir uns dieser Anschauung anschließen, da auch bei der Ratte der 
reguläre vaskuläre Abbau stillsteht, wenn ihm nur kalkloser Knorpel zur Verfügung steht. Doch waren 
wir p. 94 [456] gezwungen, außerdem auch noch anzunehmen, daß diese Hemmungserscheinung, neben 
mehreren anderen Hemmungserscheinungen, auch noch als eine der Rachitis spezifische Eigenschaft 
angesehen werden muß, denn sie erscheint bereits zu einer Zeit, wo kalkhaltiger Knorpel noch in 
genügender, ja selbst normaler Menge vorliegt. So wie die Rachitis überhaupt, so muß auch diese generell 
im Skelett verbreitete Hemmungserscheinung eine allgemeine Ursache haben; wie ja zum Beispiel 
Dieterle die gleiche Hemmungserscheinung bei kongenitaler Schilddrüsenaplosie und Schilddrüsen- 
exstirpation und ich nach Ek.-Exstirpation fand. Damit allein ist aber noch nicht bewiesen, daß auch die 
Rachitis auf dem Funktionsausfall irgend einer Blutdrüse beruhen müsse. 


* * 


Eine Unvollkommenheit haftete der neuen Anschauung aber doch noch an und das ist die 
Annahme, daß der Knorpel, der an seiner Unterfläche zu langsam oder gar nicht abgebaut wird, an 
seiner oberen Grenze in normaler Menge angebaut wird. Diese Meinung hatte schon Heubner selbst 
ausgesprochen und wir finden bei Stoeltzner, M.B.Schmidt und Schmorl immer wieder ausgesprochen, 
daß der Knorpel in normaler Weise, in normalem Tempo oder in normaler Menge produziert werde. Wir 
haben gelegentlich unserer Ausführungen auseinandergesetzt, daß die Produktion einer normalen Knorpel- 
menge darum nicht zugegeben werden kann, weil sie bei der geringen Bedeutung, die wir der Knorpel- 
kompression zugestehen können, zur Folge haben müßte, daß die Knochen und damit das Skelett bei 
Rachitis ungefähr die normale Länge aufweisen müßte, was aber nicht der Fall ist. 


Wir wollen daher im folgenden kurz auf die Literatur der rachitischen Hemmung des 
Knochen- und Körperwachstums eingehen. Die Verkürzung rachitischer Knochen ist eine sehr auf 
fallende Erscheinung; sie ist schon dem ersten Beschreiber der Rachitis Glisson (1660) aufgefallen. 


Freilich hängt der Grad der Verkürzung auch von der Dauer der Rachitis ab und dies ist wohl der Grund, 
Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC. Bd. 65 


468 Dr. J. Erdheim, 


warum Virchow die Knochen bei junger Rachitis »häufig von entsprechender Länge« fand. Eine Ver- 
kürzung hat Virchow nur in verkrümmten Knochen gesehen, und zwar selbst wenn er die Verkrümmung 
in Rechnung brachte, und führt in solchen Fällen die Verkürzung auf Ernährungsstörungen durch 
Dislokationen zurück. Nach v. Ritter ist die Wachstumshemmung die konstanteste Erscheinung der 
Rachitis. Er sah die Kinder, so lange die Rachitis im Fortschreiten war, im Wachstum zurückbleiben oder 
völlig stillstehen, so daß sie nie die normale Durchschnittslänge erreichten und erst bei der Heilung 
wieder an Körpergröße zunahmen. 

Natürlich stellen auch sämtliche modernen Publikationen, so zum Beispiel die von M. B. Schmidt, 
Schmorl, Stoeltzner, v. Rechlinghausen und anderen, die rachitische Wachstumshemmung fest 
aber Keine von ihnen geht auf das uns besonders interessierende Thema so eingehend ein und bringt so 
wertvolles Material bei, wie die von Breus und Kolisko. Das Becken, auf das sich die Untersuchungen 
dieser Autoren beziehen, scheint fürs Studium der rachitischen Wachstumshemmung ein besonders 
günstiges Objekt zu sein, vielleicht darum, weil es ein langsames enchondrales Längenwachstum besitzt. 
Die rachitische Wachstumshemmung wird an den von Haus aus viel rascher wachsenden Rippen oder 
langen Röhrenknochen sich vielleicht nicht so stark geltend machen können wie an dem schon von Haus 
aus langsamer wachsenden Becken. Es sei dem wie immer, wir hören:in keiner anderen Publikation von 
einer so enormen Wachstumshemmung. wie gerade in dieser. 

Breus und Kolisko finden den Längenzuwachs bei Rachitis kümmerlich und die Wachstums- 
hemmung in allen Knochen des Skelettes. Daher sind alle Knochen eines rachitischen Kindes zu klein, 
selbst solche, in denen die Appositionsstellen noch nicht rachitisch affiziert sind. Speziell das Becken ist 
viel zu klein, so daß man einen groben Fehler machen würde, wollte man in einem solchen Falle aus der 
Beckengröße auf das Alter des Kindes schließen. Das Becken rachitischer Kinder ist niemals normal groß, 
auch wenn im Knorpel keine rachitischen Veränderungen nachweisbar sind. Das Becken eines zwei- bis 
vierjährigen rachitischen Kindes ist oft halb so groß wie ein normales. Die Frage, wann die Hemmung 
des Längenwachstums bei Rachitis erfolge, ist, wie Breus und Kolisko betonen, bisher sehr ver- 
schieden beantwortet worden. v. Ritter, Baginsky und Henoch meinten, dies sei während des Ver- 
laufes der Rachitis der Fall, Guerin, Jenner und Feldmann sowohl während als auch nach der 
Rachitis, Virchow nur nach Ablauf der Rachitis. Breus und Kolisko erledigen diese Frage mit 
folgendem Satze: »Die Wachstumshemmung zur Zeit der Rachitis ist eine ebenso. konstante als 
enorme. Eine Fortdauer derselben nach Ablauf der Rachitis kommt aber nur in seltenen Ausnahme- 
fällen vor und bleibt auch in diesen dem Grade nach weit hinter jener der Krankheitsepoche zurück.«< 


Es geht aus diesen Ausführungen aufs klarste hervor, daß wir in der Hemmung des Längenwachs- 
tums geradezu eine der spezifischesten Eigenschaften der Rachitis zu erblicken haben, mit der das Fort- 
bestehen eines normalen Knorpelanbaues unvereinbar erscheint. Bei der geringen Bedeutung, die wir der 
Kompressionstheorie zuerkennen konnten, wird die Kompression beiweitem nicht genügen, um das Fort- 
bestehen normaler Knorpelapposition annehmbar zu machen. Es bleibt daher nichts anderes übrig, als 
anzunehmen, daß die Knorpelproduktion zufolge einer spezifischen Eigenschaft der Rachitis 
gehemmt sei. Wir selbst haben in unseren Ausführungen diese Anschauung vertreten und wir finden 
sie sporadisch, oft nur nebenher, auch schon von anderer Seite geäußert. 

Entsprechend seiner Anschauung, daß während der Rachitis der Knorpel eine pathologisch gesteigerte 
Wucherung aufweist und das Skelett normal lang sei, während nach Ablauf der Rachitis das Skelett- 
wachstum sich verlangsame, nimmt Virchow auch an, daß während der Rachitis Knorpelwachstum fort- 
bestehe, »erst nachher pflegt sich oft eine Verlangsamung, ja zuweilen ein frühzeitiger Stillstand einzu- 
stellen«. 


Rachitis und Epithelkörperchen. 469 


In sehr treffender Weise bemerken Breus und Kolisko, daß die Anwesenheit einer pathologisch 
hohen Knorpelschicht ein Hemmnis für die Erkenntnis der Tatsache war, daß bei Rachitis das Längen- 
wachstum gehemmt sei. Diese Bemerkung, glaube ich, können wir auch auf das gehemmte Knorpelwachs- 
tum anwenden. Denn um wieviel paradoxer muß es klingen, wenn man bei einer pathologisch hohen 
Knorpelschicht annimmt, die Knorpelproduktion sei verlangsamt! Breus und Kolisko sprechen in der 
Tat noch gar nicht von einer solchen Verlangsamung der Knorpelproduktion. 

Da, wo Loser von den bei Rachitis bestehenden regressiven Erscheinungen, nämlich von den 
Hemmungen aller aktiven Vorgänge im Knochen spricht, nennt er als Beispiele: 1. Die Hemmung der 
Kalkablagerung; 2. die zu Porose führende Hemmung des Knochenanbaues; 3. die zur Verbreiterung der 
Knorpelschicht führende Hemmung der Markraumbildung und 4, was uns hier eben am meisten inter- 
essiert, die zur Verzögerung des Längenwachstums führende Wachstumshemmung des Epiphysen- 
knorpels. 

Schmorl sagt, die Ursache der dauernden Beeinträchtigung des Längenwachstums bei Rachitis sei 
noch nicht bekannt. Vielleicht kommen degenerative Prozesse oder partielle Zerstörungen der dicht unter 
dem ruhenden Knorpel gelegenen Teile der Proliferationszone in Betracht. 

v. Rechlinghausen sagt, daß trotz der abnormen Höhe der Wucherungszone bei Rachitis eine 
Abnahme der Knorpelproliferation besteht. Da aber, wo er von der Hemmung des Längenwachstums 
spricht, bezeichnet er diese als eine Folge gehemmter enchondraler Ossifikation. 


* 2 * 
* 


Wir sehen also, daß die Annahme einer Appositionshemmung des Knorpels bei Rachitis erst in aller- 
jüngster Zeit ällmählich als das letzte Glied in der Kette auftaucht, wenn auch noch vorläufig diese Vor- 
stellung weder ganz klar noch gefestigt erscheint. Insbesondere störend ist die immer wieder auftauchende 
Meinung, die gehemmte enchondrale Ossifikation trage die Schuld am Kürzerbleiben des Knochens. Es ist 
wohl richtig, daß der Knochen eines Erwachsenen seiner ganzen Länge nach auf dem Wege eben dieser 
enchondralen Ossifikation aufgebaut wird, aber dem Prozeß der enchondralen Össifikation muß eben 
Knorpelproduktion vorausgehen. Diese ist das Primäre. Die enchondrale Ossifikation kann nichts anderes 
bewerkstelligen, als diejenige Längenstrecke des Knochens, die provisorisch aus Knorpelmaterial auf- 
gebaut wurde, sekundär in Knochensubstanz überzuführen. Ist das Längenwachstum des Knorpels 
gehemmt, so kann die enchondrale Ossifikation in punkto Längenwachstum gar nichts ausrichten; ist aber 
das Längenwachstum des Knorpels normal, so nimmt auch die Gesamtlänge des Knochens in normalem 
Maße zu, selbst wenn die enchondrale Ossifikation ganz ruht. Letzterer Umstand hat nur zur Folge, daß 
in der Gesamtlänge des Knochens ein pathologisch großer Teil knorpelig bleibt. Wenn also ein Knochen 
zu kurz ist, so ist er das deshalb, weil zur Zeit seines Wachstums die Knorpelproduktion 
gehemmt war. Daß dann auch die folgende enchondrale Ossifikation ihre knochenaufdauende 
Tätigkeit in beschränktem Ausmaße entfalten wird, ist sekundärer Art und eigentlich selbstverständlich. 

Daß man immer wieder unrichtigerweise die Hemmung der enchondralen Össifikation als Ursache 
des gehemmten Längenwachstums hinstellte, ist der Grund dafür, daß die Erkenntnis, die Ursache der 
Wachstumshemmung liege eigentlich im Knorpel, so lange auf sich hat warten lassen. Damit sei natürlich 
nicht bezweifelt, daß die enchondrale Ossifikation bei Rachitis gehemmt ist. Sie ist es in hohem Maße. Sie 
hat aber auf die gesamte Länge des Knochens keinen Einfluß, sondern nur darauf, wieviel von dieser 
Gesamtlänge knöchern ist, das heißt, die enchondrale Ossifikation bedingt bloß die Länge der knöchernen 
Dia- und Epiphyse, die beide, wie eshochgradig rachitische Knochen vielleicht am augenfälligsten zeigen, 
nicht der alleinige Faktor der Gesamtlänge des Knochens sind. In der Literatur .allen jenen Angaben im 
Detail zu folgen, die zeigen, wie oft schon. der Fehler begangen. wurde, das gehemmte Längenwachstum 
des Skelettes der enchondralen Ossifikation in die Schuhe zu schieben, erscheint als unfruchtbar und 
, soll darum unterbleiben. 


470 Dr. J. Erdheim, 


‘ Was wir bisher über die präparatorische Verkalkungszone gesagt haben, betrifft nur ihren Kalk- 
gehalt und ihre Höhe. Wir wollen jetzt die histologische Beschaffenheit der Schicht ins Auge fassen. 
Die Knorpelzellen zeigen ein viel abwechslungsreicheres Verhalten als in der normalen Rippe. In jenen 
leichteren Fällen allerdings, in denen die Schicht ganz oder fast ganz verkalkt ist (21 A, 9 bis 14) haben 
wir auch bei Rachitis dieselben großen, hellen, rundlich-polygonalen, sich abplattenden Zellen mit dem 
großen, hellen, runden Kern. und dem ganz hellblauen Protoplasma, wie unter normalen Umständen, die 
Zellen alle vom gleichen Typus, was ein ruhiges Bild gibt. Aber auch schon in diesen leichten Fällen 
schwankt die Zellgröße von Fall zu Fallmehr als normal und ausnahmsweise findet man gegen die untere 
Schichtgrenze zu das Zellprotoplasma statt hellblau und wabig, sattrot und granuliert, wie wir das bei 
den schweren Fällen öfter sehen werden, aber in normalen Fällen niemals beobachten. Am Menschen- 
material sah v. Recklinghausen eine grobkörnige Beschaffenheit der Knorpelzellen. 

Schon in jenen Fällen, in denen axial eine erst geringe Menge kalklosen Knorpels aufgetreten ist, 
findet man die Zellen in diesem kalklosen Gebiete zum Teil von der Norm abweichend, klein, dunkel 
(15, 20), statt groß und hell, querspindelig (20), statt rund, die Kerne pyknotisch (11) statt groß rund 
und hell, während die Zellen im verkalkten Knorpel desselben Schnittes von der Norm nicht abweichen. 

In jenen schweren Rachitisfällen aber, in denen kalkloser Knorpel sich in beträchtlicher Menge 
angesammelt hat (17, 18, 19, 21 B), ist die Zellmannigfaltigkeit oft sehr groß, wodurch ein unruhiges 
Bild entsteht (pV Fig. 13, 15, k—p Fig. 14, 18). Die Zellen sind bald von normaler Beschaffenheit, also 
groß und hell, bald klein und dunkel, bald ganz ungewöhnlich groß, blau oder rot, die Form rund, 
polygonal oder platt, die Kapsel dünn oder dick, rot oder blau; die Kerne bald groß und hell, bald klein 
und dunkel, sogar zackig und sternförmig geschrumpft, pyknotisch, ein Zeichen für die regressive Natur 
der Zellveränderung; das Protoplasma bald hellblau, bald ganz dunkelrot oder -blau, bald grob wabig 
oder strahlig geschrumpft, und alles das oft bunt durcheinandergewürfelt im selben Schnitt. Ganz besonders 
auffallend war es, daß in fünf Fällen (17, 18, 21 5, 10 und 11) manche nahe der unteren Schichtgrenze 
gelegenen Zellen, niemals an anderen Stellen, ein sattrot gefärbtes, bald fein, bald grob granuliertes, einmal 
homogenes (11) Protoplasma aufwiesen, für welche Erscheinung eine Erklärung schwer zu finden ist. Das 
häufige Vorkommen besonders großer Zellen mithydropischem Protoplasmaleib und dunkler Kapsel neben 
pathologisch kleinen Zellen hat beim Menschen Kassowitz beschrieben. 

Die große Mannigfaltigkeit der Zellen ist wohl in dem weitaus größten Teil des kalklosen Knorpels 
anzutreffen, ausgenommen aber sind in typischer Weise die marginalen, obersten Abschnitte der 
Schicht, ohne Unterschied, ob der Knorpel kalkhaltig oder kalklos ist (Fig. 135, c, Fig. 14c,k+pV, 
Fig. 15c, Fig. 185, h). An diesen Stellen, welche aber nur einen geringen Teil der Knorpelmasse aus- 
machen, sind die Zellen von gleichmäßiger, normaler Beschaffenheit. 

Wenn wir uns nach den Ursachen der oben geschilderten regressiven Veränderungen der Knorpel- 
zellen fragen, so werden wir von vornherein an zwei Momente zu denken haben. Vor allem an die mit 
dem Größerwerden des Knorpelmassivs immer ungünstiger sich gestaltende Ernährung des von Haus 
aus gefäßlosen Gewebes vom Perichondrium her, welchem Übelstande aber durch das sekundäre Ein- 
dringen einzelner Gefäße ins Knorpelmassiv (siehe unten) gesteuert wird. Mit dieser Annahme steht es in 
guter Übereinstimmung, daß die periphersten dem ernährenden Perichondrium zunächst gelegenen Knorpel- 
teile keine regressiven Veränderungen darbieten. Ferner könnten mechanische Läsionen die Knorpel- 
veränderung bewirken, wofür die unten zu erwähnenden Blutungen im Knorpelinnern sprechen könnten. 
Es ist ja von vornherein klar, daß, je höher das widerstandsunfähige, weil Kalklose, Knorpelmassiv ist, 
es desto leichter und ausgiebiger bei der Beanspruchung auf Druck und namentlich auf Biegungs- und 
Strebfestigkeit deformiert werden wird. Mit diesem Erklärungsversuch stimmt nur die Tatsache 
nicht überein, daß bei der Beanspruchung auf Biegungs- und Strebfestigkeit es sich vor allem um 
Zug- und Druckkräfte handelt, die namentlich gegen die äußerste Peripherie des Knorpels wirksam ‘ 
sind, woselbst aber in unserem Falle die Knorpelzellen am besten erhalten sind. Gegen das Zentrum 
des Knorpels, wo wir die Veränderung finden, nehmen nur die abscherenden Kräfte zu, die aber weniger 


Rachitis und Epithelkörperchen. 471 


in Betracht kommen, abgesehen davon, daß nach Roux gerade das Knorpelgewebe es ist, welches der 

Scherkraft am besten widersteht. — Neuestens findet Ribbert die Knorpelzellnekrose ausnahmslos in 

jedem Rachitisfalle und sieht sie als primäre Veränderung an, vermutlich durch dasselbe Toxin erzeugt, 
wie die Behinderung der Kalkaufnahme. 


Ein besonderes Beispiel mechanischer Widerstandsunfähigkeit des kalklosen Knorpelmassivs ist 
das Vorkommen von Sinterknorpel. (Fall 15, 16, 19, 21 3.) Dieser geht durch Kollaps, infolge mechani- 
schen Drucks aus dem kalklosen Knorpel hervor und dementsprechend sind seine Zellen kollabiert, 
plattgedrückt, enthalten entweder durchwegs (16) oder nur zum Teil (19, 21 B), einen plattgedrückten, 
dunkeln, pyknotischen Kern oder dieser fehlt ganz (15), die Knorpelkapsel erscheint leer und zum Schluß 
kann sie sogar soweit kollabieren, daß der ehemalige Zellraum verschwindet und die Kapselwände sich 
berühren, also gänzlich kollabieren. Auf diesen totalen Kollaps der Kapseln ist es vielleicht zurückzu- 
führen, daß zwischen den noch nicht total kollabierten Zellen die Grundsubstanz, die im Gegensatz zu der 
des kalklosen und nicht kollabierten Knorpels sattrot statt hellviolett sich färbt, reichlicher vorzuliegen 
scheint als sonst: Es sind das eben die Kapseln total kollabierter Zellen. Wo der Sinterknorpel in großer 
Menge (Fall 19) vorkommt, da kann er von zahlreichen Gefäßen durchzogen sein. 

In den vier Fällen, in denen Sinterknorpel sich fand, war er in sehr verschiedener Menge vor- 
handen. Im Falle 19 war er am reichlichsten (Fig. 15e), und bildete einen namhaften Teil der präparatori- 
schen Verkalkungsschicht, in den Fällen 16 und 21 5 war er lange nicht so reichlich (Fig. 125), und im 
Falle 15 nur in sehr geringer Menge vorhanden. In allen Fällen fand er sich aber nur an einer typischen 
Stelle, an der unteren Peripherie des kalklosen Knorpels, dort, wo dieser unmittelbar der Knochen- 
spongiosa aufruht. 


Schon diese Lokalisation im Zusammenhang mit der immer platter werdenden Gestalt der kolla- 
bierenden Zellen sprechen für die mechanische Genese des Sinterknorpels; er entsteht dadurch, daß 
sich der Knorpel an seiner Unterlage aufdrückt. Diese Anschauung wird durch die Fälle 16 und 21 B 
in klarer Weise noch durch folgendes Verhalten besonders gestützt. Im Falle 16 ruht der kalklose Knorpel 
auf den Spongiosabälkchen c, Fig. 12, die dank ihrem Einschluß kalkhaltigen Knorpels als fest anzusehen 
sind und im Falle 21 B auf den im wesentlichen gut verkalkten Spongiosabalken g; Fig. 18. In beiden 
Fällen fand sich Sinterknorpel fast ausschließlich nur gerade über diesen Spongiosabälkchen (b, Fig. 12), 
während zwischen zwei Knochenbälkchen, wo der Knorpel einer harten Unterlage entbehrte, auch der 
Sinterknorpel fehlt. Einen klareren Beweis für die mechanische Genese dieser Knorpelveränderung kann 
man nicht verlangen. Von einem schichtweisen Vorkommen kleiner Zellen spricht Kassowitz, der sie 
als unreife Formen ansieht. Ob aber diese kleinen Zellen mit unserem Sinterknorpel identisch sind, läßt 
sich nach der Beschreibung nicht sagen. 


Die bei Rachitis in der präparatorischen Verkalkungszone aus den Zellen zusammengesetzten 
Säulen stehen in den leichteren Fällen ebenso dicht beisammen wie normal, in den schwersten Rachitis- 
fällen aber infolge reichlicherer Zwischenlagerung von Grundsubstanz viel weiter auseinander und zwar 
ist dies nur in den axialen Partien der Fall, wo die Zellen regressive Veränderungen zeigen, während 
marginal, wo die Zellen normal sind, die Säulen auch dicht zusammen stehen. In leichteren Rachitisfällen 
stehen die Zellsäulen parallel zur Rippenachse (Fig. 10), in schweren Fällen ist dies nur axial der Fall, 
während marginal die Säulen nach oben konvergieren (Fig. 135, c), und zwar stärker als dies normal 
vorkommt. Es ist selbstverständlich, daß mit der Zunahme der Schichthöhe die Zellsäulen ebenfalls höher 
werden. Während man normaliter 2 bis 4, ganz ausnahmsweise bis 7 Zellen übereinander in der Säule 
zählt, sind 6 bis 8 Zellen nur bei den ganz leichten Rachitisfällen zu zählen, bei denen aber auch schon 
15 bis 18 in einer Säule übereinander liegen können, während in den schwersten Fällen ihrer 80 und 100 
übereinandergetürmt sind. Während normaliter der Übergang der Knorpelwucherungsschicht zur präpa- 
ratorischen Verkalkungszone in der Regel etwas langsam, selten plötzlich erfolgt, ist er in leichten 
Rachitisfällen stets recht plötzlich, während er in den schwersten Rachitisfällen viel langsamer erfolgt, als 


473 Dr. I. Erdheim, 


dıes je unter normalen Umständen vorkommt, ja selbst so unmerklich, daß es schwer ist, in einer Zellsäule 
die Stelle zu bestimmen, an der beide Schichten ineinander übergehen. 

Die homogene Grundsubstanz hat, wenn sie kalklos ist, eine hellbläulich-violette Farbe und ist in 
den leichteren Fällen und ebenso auch in den marginalen Partien der schweren Fälle zwischen den Zell- 
säulen ebenso spärlich wie zwischen den Zellen in den Säulen. Aber bei den schwersten Fällen, in den 
axialen Partien, dort wo auch die Zellen regressive Erscheinungen darbieten, ist die Grundsubstanz 
zwischen den Zellsäulen reichlich und degeneriert, das heißt nicht mehr homogen, sondern in der 
Längsrichtung aufgefasert und entweder rein rot oder dunkelblau statt hell blauviolett. So beteiligen sich 
an den regressiven Veränderungen der axialen Knorpelpartien nicht nur die Zellen, sondern auch die 
Grundsubstanz. Bei menschlicher Rachitis beschreiben Kasso witz, Schmorl und v. Rechlinghausen 
analoge Veränderungen der Grundsubstanz, nämlich eine faserige Beschaffenheit mit Längsstellung der 
Streifen in den Grundsubstanzpfeilern. Kassowitz hält den Prozeß bald für eine schleimige Degeneration 
mit Verarmung der Grundsubstanz an Fibrillen und Zellschwund, bald für eine überstürzte und darum 
unvollkommen ausfallende Knorpelbildung, die sich durch nachträgliche Fibrillenbildung konsolidieren 
kann. v. Rechlinghausen hingegen hält den Prozeß für eine regressive Veränderung, eine »Chondro- 
malacie« mit Schwund der Kittsubstanz bei erhaltenen Fibrillen. 

An jenen Stellen, an denen die Grundsubstanz verkalkt ist, färbt sie sich rein und intensiv blau, 
bei stärkerer Einwirkung des Farbstoffes fast schwarzblau, was gegen den hellblau-violetten kalklosen 
Knorpel einen scharfen Kontrast abgibt (Fig. 9 bis 14, 16 bis 18). Die obere Grenze des verkalkten 
Gebietes, also die Stelle, wo die Kalkapposition erfolgt, ist normaliter stets unscharf, ebenso auch bei 
manchen leichten Rachitisfällen (21 A, 10, 15), in anderen hingegen stellenweise scharf, stellenweise 
unscharf (9, 11),.in sehr schweren Fällen aber linear scharf (18, 20) und im Falle 21 B locker- und 
grobkörnig, wie dies sonst nur die Kalkgrenze im Knochengewebe bei Rachitis zu sein pflegt. Die linear 
scharfe Kalkgrenze des Knorpels, die sich nie bei normalen Fällen fand, ist, wenn vorhanden, für Rachitis 
sehr typisch. RR hi rn 

In einem Falle (9) sah man, daß sich die Verkalkung in Form drehrunder, fadendünner Fortsätze 
in den kalklosen Knorpel tortsetzte. Die zwischen den Zellsäulen liegenden Grundsubstanzpfeiler waren 
in drei leichteren Fällen (10, 13, 15) in der Mitte ihrer Dicke kalklos, sonst aber verkalkt, was auf eine 
Bevorzugung der Knorpelkapseln bei der Verkalkung hindeutet. Auch unter den normalen Tieren 
fand sich ein solcher Fall. Beim Tier 21 5 war jedoch das Gegenteil davon zu sehen, die Verkalkung 
ließ gerade dieKapseln oft aus. Kassowitz sah in dernormalen menschlichen Rippe die Knorpelverkalkung 
zuerst am Rande der Grundsubstanzpfeiler auftreten. Bei Rachitis sah er die Verkalkung des Knorpels in 
ganzer Höhe krümelig-streifig. Vielleicht liegt es nur an unserer Entkalkungsmethode, daß wir solche 
Bilder nicht sahen. 

Die Gesamtform der präparatorischen Verkalkungsschicht schwankt bei der Rachitis in hohem 
Grade und ist namentlich vom Grade der Erkrankung und ihrer Dauer abhängig. In leichten Rachitis- 
fällen ist die Schicht, wie bei den normalen Tieren, ungefähr eine plan-parallele Scheibe (Fig. IKoralEhR 
doch mit der Abweichung, daß die untere Schichtgrenze oft sehr unregelmäßig gestaltet ist, da, im Gegensatz 
zu den kleinen, gleich großen, in einer Linie vorrückenden Markbuchten der normalen Fälle, bei Rachitis 
die Markbuchten selbst im gleichen Schnitt große Verschiedenheiten aufweisen. Bei schweren Rachitis- 
fällen aber ist die Gesamtform der Schicht eine andere. Erst bleibt die obere Schichtgrenze noch plan, 
die untere aber wird konvex (Fig. 12, 15). Später wird die obere Schichtgrenze konkav, die untere 
noch mehr konvex und die zu einem mächtigen Knorpelmassiv angewachsene Schicht hängt wie ein 
breiter Schurz in die Rippe hinunter (Fig. 13, 14, 18) und ruht dabei in einer napfförmigen Vertiefung der 
Spongiosa. Virchow hat das so ausgedrückt: Der gewucherte Knorpel bildet eine zwiebelförmige 
Auftreibung, einen Bulbus, der vom flach- becherförmigen knöchernen Rippenende umfaßt wird, »wie eine 
Eichel von der Cupula«. i f 


* * 
%* 


Rachitis und Epithelkörperchen. 473 


Die enchondrale OÖssifikation und die primäre Spongiosa. Von der enchondralen OÖssifikation 
war schon im Abschnitt über die präparatorische Verkalkungszone zum Teil die Rede, insoferne der die 
Ossifikation einleitende vaskuläre Abbau auf die Höhe der Knorpelschicht einen ausschlaggebenden Ein- 
fluß ausübt. Wir haben dort gehört, daß der vasculäre Abbau in der calcipriven Phase vollständig 
fehlt, in den zwei ersten Phasen aber, in denen noch kalkhaltiger Knorpel vorhanden ist, vor sich 
geht, wobei das histologische Bild in den zwei leichteren Rachitisfällen (21 A, 9) wohl dem normalen 
gleicht, aber trotzdem als verlangsamt anzusehen ist, während in den übrigen Fällen auch schon histolo- 
gisch diese Verlangsamung, die in den verschiedensten Graden vorliegt, deutlich zu erkennen ist. Es 
ist also die enchondraie Össifikation selbst in den Fällen, in denen sie vorliegt, bei Rachitis nicht ganz 
normal. 

Die Veränderungen bestehen in Folgendem. In den normalen Rippen ist es immer so, daß das die 
Knorpelkapseln aufbrechende Gefäß an seinem obersten Ende keine Endothelwand besitzt und die Blut- 
körperchen sich frei in die eröffnete Kapsel ergießen. Bei den eben erwähnten Rachitisfällen aber ist nicht 
nur der Endothelüberzug am Gefäßende erhalten, sondern dieses kann überdies in Bindegewebe 
eingehüllt sein, das die Kapillare vom Knorpel fernhält: Der morphologische Ausdruck des Stillstandes 
des vaskulären Abbaues an dieser Stelle. Und solche Stellen finden sich in dem einen Falle neben normalen 
Bildern nur spärlich, in dem anderen überwiegen sie bei weitem. 

In den in der calcipriven Phase stehenden schwersten Fällen, bei denen der Knorpel in seiner ganzen 
Höhe kalklos ist und unten nicht vasculär abgebaut wird, kann man gelegentlich (Fall 18, 21 B) an den 
verkalkten Randpartien des Knorpels in ganz bescheidenem Umfange doch noch vaskulären 
Abbau antreffen, ein treffliches Beispiel dafür, daß die vorangehende Knorpelverkalkung eine mechanisch 
begründete Vorbedingung der enchondralen Ossifikation ist. 

Ferner sind bei der normalen Rippe die vom Gefäß in den Knorpel hineingefressenen Markbuchten 
so breit wie eine Zellsäule, also recht schmal, aber dichtstehene, in einer Linie vorrückend, bloß durch 
die dünnen, verkalkten Grundsubstanzpfeiler voneinander getrennt. Es kommt das davon her, daß jede 
Zellsäule von einem Gefäß aufgebrochen wird. Anders bei Rachitis. Von den schon erwähnten Fällen 21 A 
und 9 abgesehen, sind die Markbuchten bald so schmal wie normal, bald so breit wie mehrere Zell- 
säulen, also sehr breit, bald seicht, bald tief, zwischen zwei Buchten bald der gleiche dünne Grund- 
substanzpfeiler wie normal, bald eine sehr breite und hohe Knorpelmasse mit einigen Säulen unver- 
brauchter Knorpelzellen oder Globuli ossei. Die Buchten können, wenn gerade an dieser Stelle der kalk- 
haltige Knorpel aufgebraucht ist, seitlich wohl noch vom kalkhaltigen, am blinden Ende aber von kalk- 
losem Knorpel begrenzt sein (Fall 16, 20). 

Bei den normalen Rippen sahen wir, daß die Apposition des Knochenanwurfes auf den stehen- 
bleibenden Pfeiler verkalkter Grundsubstanz frühestens in der zweiten, spätestens in der vierten eröffneten 
Kapsel sich einstellt, von der obersten eröffneten gerechnet. Dies ist auch bei mehreren Rachitisfällen so, 
bei anderen aber finden sich Abweichungen nach beiden Richtungen und zwar zuweilen sogar im selben 
Fall. Das heißt, manchmal stellt sich der Knochenanwurf erst in der sechsten bis neunten eröffneten 
Kapsel ein (10, 11, 12), ein andermal ist er sogar schon in der ersten, also obersten vorhanden, wobei es 
klar ist, daß an solchen Stellen mit bis ans oberste Ende knöchern vermauerten Buchten das Längen- 
wachstum der Diaphyse vorläufig als völlig stillstehend anzusehen ist (Fall 10, 15, 16). Eine solche 
Wiedervermauerung der eben erst aus dem Knorpel ausgehobenen Buchten mit Knochengewebe ist der 
Widerstandsfähigkeit des Knochens offenkundig sehr dienlich, und aus diesem Grunde als funktionell 
entstanden anzusehen. Wenn aber dieses Knochengewebe kalklos bleibt und so seine Aufgabe nicht 
ganz erfüllt, so widerspricht das seiner funktionellen Entstehung nicht, denn der funktionelle Reiz greift 
aıı den Osteoblasten an, bringt diese zur Bildung von Knochengewebe, das aber infolge der allgemeinen 
Kalkstörung osteoid bleibt. Schon Kassowitz sah, daß das Osteoid sogar »den obersten Fundus« der 
Markräume bekleiden kann. 3 


474 "Dr. J. Erdheim, 


Normaliter ist ferner der Knochenanwurf wegen der dichten Stellung der Balken sehr dünn, nur 
wenn sie lockerer stehen, etwas dicker und dabei stets so gut verkalkt, daß sich Osteoid fast gar nicht 
findet. Anders bei Rachitis. Hier ist der Knochenanwurf oft auffallend, selbst sehr beträchtlich dick, und 
dabei je nach dem Grade der Erkrankung entweder ganz kalklos oder partiell, namentlich nahe dem 
Knorpeleinschluß und nach unten gegen die große Markhöhle zu kalkhaltig, wobei der dunkelblaue 
verkalkte Knorpeleinschluß gegen das eosinrote Osteoid sehr scharf absticht (Fig. 11 O, p Sp, Fig. 12 c, p Sp). 
Nur in den zwei leichtesten Rachitisfällen 21 A und 9 verhält sich der Knochenanwurf normal. 


Die aus der enchondralen Ossifikation resultierende primäre Spongiosa weist große Abweichungen 
von der Norm auf. In leichteren Rachitisfällen können die Bälkchen so zahlreich, schmal, dicht und parallel 
gestellt sein und dabei eine deutliche Schicht bilden, wie in den normalen Rippen, in anderen Fällen 
können sie nur spärlich sein, dabei aber ganz ungewöhnlich dick (Fig. 110); in den schwersten Fällen 
aber finden sie sich nur in vereinzelten, oft nicht parallelen, sondern schräg liegenden, gewöhnlich 
recht niedrigen Exemplaren, so daß von einer eigenen Schicht nicht die Rede sein kann (Fall l, 
17 bis 21 B). 

Dieser Schwund der primären Spongiosa ist uns schon unter normalen Umständen bei abge- 
schlossenem Längenwachstum begegnet und hier, wo es sich um Rippen handelt, die infolge schwerer 
Rachitis ihr Längenwachstum vorzeitig ganz oder fast ganz, wenn auch nicht für immer, verloren 
haben, finden wir ihn wieder. Ist aber die primäre Spongiosa vorhanden, so geht sie allmählich in die 
sekundäre über, und zwischen beiden Schichten tritt die Grenze viel weniger scharf hervor (Fig. 10 
bis 12), als unter normalen Umständen (Fig. 4). 

Die Messung der Schichthöhe ergab, daß die primäre Spongiosa bei Rachitis (Diagramm IV, Tafel IX) 
mit Ausnahme des im Diagramm zuletzt stehenden Falles 12 nicht höher ist als normal, durchschnittlich 
sogar niedriger. Wir kommen zu dem Resultate, daß bei der Rachitis in fünf unserer Fälle eine meßbare 
primäre Spongiosaschicht überhaupt nicht vorlag, in sieben Fällen war sie vorhanden, aber durchschnittlich 
niedriger als normal, und nur im Falle 12, der eine Spätrachitis ist, war sie zweimal höher als das normale 
Maximum; es ist dies ein Fall, wo auch die sekundäre Spongiosa, wie wir später hören werden, die 
bedeutendste Höhe im ganzen Material erreicht hat. Die primäre Spongiosa spielt also quantitativ bei 
der Rachitis eine untergeordneterRolle. 

Sehr bezeichnend für Rachitis ist auch das Verhalten des Markes im Bereiche der primären 
Spongiosa. Unter normalen Umständen sind die zwischen den primären Spongiosabälkchen liegenden 
Markräume so eng, daß außer dem Blutgefäß und den zahlreichen, voll entwickelten Osteoblasten für 
nichts anderes Platz ist; nur an Stellen, wo die Balken etwas weiter auseinanderstehen, ist auch für einige 
Markzellen Platz. Anders bei Rachitis. Wohl gibt es in den Markräumen stets Blutgefäße, eines, wenn 
der Markraum eng ist, mehrere, wenn er groß ist, sie liegen mit Vorliebe im oberen Teile des Markraumes 
oder zentral in ihm. Osteoblasten sind in leichteren Fällen immer vorhanden, aber oft kleiner als normal, 
Osteoklasten können sich ebenfalls finden (Fall 20). Zuweilen gibt es auch zelliges Mark. 

Mit Ausnahme unserer leichtesten Rachitis (21 A) findet sich in jedem Falle Bindegewebe in den 
Markräumen, was ein durchaus pathologischer Markbestandteil ist. Dieses ist in leichten Fällen spärlich, 
in etwas vorgeschritteneren aber bildet es den hauptsächlichsten Bestandteil des Markes. Das 
Bindegewebe ist von jugendlichem Charakter, reich an großen, hellen, ovalen oder spindeligen Zellen, 
hüllt vielfach die Blutgefäße ringsherum ein und ist manchmal deutlicn horizontal geschichtet. Das 
Prävalieren des Bindegewebes im Mark der primären Spongiosa ist ein Fingerzeig für das stillstehende 


oder verlangsamte Längenwachstum. Bei normaler enchondraler Ossifikation ist weder Gelegenheit noch 


Zeit und Raum für das Auftreten von Bindegewebe im Maık der’ primären Spongiosa gegeben. Die 
Bedeutung des fibrösen Markes bei Rachitis ist zweifellos eine mechanische. Es wird die Deformier- 


{ 
f 


Rachitis und Epithelkörperchen. 475 


barkeit der kalklosen, widerstandsunfähigen Spongiosa durch Ausstattung mit fibrösem Mark verringert. 
Dafür spricht, daß in den tieferen Schichten der (sekundären) Spongiosa, wo die Balken stets besser ver- 
kalkt sind, das fibröse Mark viel geringer ist. Da, wo das fibröse Mark horizontal geschichtet ist, wird es 
vor allem das Auseinanderweichen der Bälkchen der Quere nach verhindern, also der Verdickung oder 
Verbreiterung der ganzen Rippe entgegenwirken. Nach Schmorl gehört die rosenkranzförmige Verdickung 
der Rippe vor allem der Spongiosa an. 


* 


Bevor wir die Besprechung der enchondralen Ossifikation abschließen, müssen wir noch einen 
Punkt erledigen, die pathologische Vaskularisation des kalklosen Knorpels. Diese findet sich in 
greifbarem Entwicklungsgrade ausschließlich bei unseren schwersten Rachitisfällen, also nur bei 
solchen, welche in der calcipriven Phase standen (Fall 16 bis 19, 21 B), und selbst unter diesen Fällen ist 
noch insoferne eine Abstufung bemerkbar, als der Vorgang in stärkster Entwicklung bei den drei Fällen 
mit exzessiver Knorpelanhäufung vorliegt (Fall 17, 18, 21 B), schon viel weniger bei dem Falle 19 mit 
minder hohem, und am wenigsten im Falle 16 mit dem in dieser Gruppe niedrigsten Knorpelmassiv. 

Bei voller Entwicklung des Prozesses hat man folgendes Bild. In das mächtig aufgetürmte, im 
wesentlichen kalklose Knorpelmassiv der präparatorischen Verkalkungszone dringen hoch hinauf Mark- 
gefäße ein (Fig. 13d). Diese betreten den Knorpel stets an der unteren Schichtgrenze (Fig. 14 f), im 
Falle 21 B überdies auch noch am lateralen Rande, wo sie Nebenäste großer Gefäße (Fig. 18%) dar- 
stellen, die, vom Knochenmark herkommend, zwischen Corticalis und Knorpel liegen und hier mit den 
periostalen Gefäßen vermittels Anastomosen in Verbindung stehen, die die Corticalis in stark schiefer 
Richtung durchziehen (Fig. 187). Die eingedrungenen Gefäße liegen ungefähr parallel zur Rippenachse 
(Fig. 135), sind bald kapillar dünn, bald haben sie ein weites Lumen und liegen selten einzeln, meist 
durch Bindegewebe zu Bündeln zusammengefaßt. 

Im Gegensatz zu den Bildern normaler enchondraler Össifikation dringen die Gefäße nicht elektiv in 
Zellsäulen vor und brechen nicht elektiv Knorpelkapseln auf, sondern dringen ganz wahllos vor, und 
handelt es sich um einzelne Kapillaren, so kann man sogar ganz deutlich sehen, daß das Vordringen in 
der Grundsubstanz zwischen den Zellen erfolgt. Handelt es sich aber um weite Gefäße, die noch über- 
dies in Bündeln zusammen in einem im Knorpel ausgehöhlten Kanal liegen, so ist es bei der immerhin 
dichten Lagerung der Knorpelzellen klar, daß bei der Entstehung eines so weiten Kanals im Knorpel 
natürlich außer der Grundsubstanz auch sehr viele Knorpelzellen beseitigt worden sein müssen, aber 
elektiv in den Zellsäulen dringen die Gefäße eben nicht vor. 

Bei der bedeutenden Höhe des Knorpelmassivs und seinem Kalkmangel haben wir es uns als 
mechanisch widerstandsunfähig, leicht deformierbar vorzustellen, und als Folge dieser abnormen Beweglich- 
keit findet man manchmal als Ausdruck der Gefäßläsion Blutungen in das die Gefäße umgebende 
Bindegewebe, in die Knorpelgrundsubstanz und die Kapseln hinein. Auch bei menschlicher Rachitis 
kommen Extravasate und Blutpigment vor, die Schmorl auf Zerreissung von Knorpelkanälen durch 
Zerrung zurückführt. 

Im weiten Umkreise um die Gefäße verliert der Knorpel seine Basophilie, färbt sich rein rot, seine 
Grundsubstanz wird faserig und löst sich dann ganz auf, während gleichzeitig die Knorpelzellen die Färb- 
barkeit des Kerns und Protoplasmas verlieren. Auf diese Weise schmilzt der Knorpel in allen seinen 
Teilen ein, wodurch der Knorpelkanal an Breite wächst. Es folgt darauf die Auskleidung des Knorpel- 
kanales mit Osteoid, ohne daß man einen Osteoblastensaum wahrnehmen würde. Während unter 
normalen Umständen die Grenze zwischen Knochen und Knorpel globulär ist, das heißt konvexe 
Globuli ossei in die konkaven Reste der Kapseln eingepaßt sind, ist hier diese Grenze bald geradlinig, 
wenn die Auflösung des Knorpels gerade in der Grundsubstanz Halt gemacht hat, konkavbuchtig, wenn 


sie gerade an der Außenfläche der Kapseln zum Stillstande gekommen ist, und konvexbuchtig, wenn das 
Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC. Bd. 66 


476 „Dr. J Erdheim, 


letzte, was der Auflösung verfallen ist, gerade Knorpelzellen waren, deren Kapseln partiell stehen gebileben 
sind. Da aber sowohl der Knorpel, als auch das aufgelagerte Knochengewebe kalklos ist, tritt die Grenze 
zwischen beiden manchmal nicht sehr scharf hervor und es kann selbst schwer fallen, zwischen einem 
osteoiden Globulus und einer Knorpelzelle zu unterscheiden. 

Nichtimmer ist das eben geschilderte volle Bild vorhanden. Im Falle 19 zum Beispiel ist die 
untere zu Sinterknorpel gewordene Schicht (Fig. 15 e) von vielen weiten Gefäßen durchzogen (f), welche 
in die obere, nicht kollabierte Knorpelschicht nur vereinzelt und auf kurze Strecken vorgedrungen sind 
(d), während es zur Auskleidung der Kanäle mit Osteoid noch nirgends gekommen ist. Im Falle 21 B ist 
derzeit von der Knorpelauflösung in der Umgebung der Kanäle nichts zu sehen und die osteoide Aus- 
kleidung ist nur im Anfangteile der Kanäle vorhanden. Im Falle 16 ist, obwohl die Gefäße erst vereinzelt 
und auf kurze Strecken in den kalklosen Knorpel eingedrungen sind, der Verlust der Basophilie und die 
Auflösung des Knorpels bereits zu sehen, aber die osteoide Auskleidung fehlt noch ganz. 

Wenn wir die normale enchondrale Össifikation mit der eben geschilderten pathologischen 
Knorpelvaskularisation vergleichen, so ergeben sich folgende Unterschiede: Normaliter dringen 
die Markgefäße auf eine kurze Strecke, dicht nebeneinander, entlang der ihnen durch-die Zellsäulen vor- 
gezeichneten Bahn, alle ungefähr gleich hoch in den Knorpel vor, zwischen sich bloß jene sehr schmalen 
verkalkten Grundsubstanzsepta stehen lassend, die die Grundlage für die primären Spongiosabälkchen 
abgeben. Daß der Abbau elektiv entlang der Zellsäulen und nicht in der Grundsubstanz erfolgt, hat darin 
seinen statischen Grund, daß die Grundsubstanz als der tragfähige Gewebsbestandteil möglichst geschont 
werden muß. Trotz dieser schmalen, stehenbleibenden Septa kann man die Knorpelschicht, in die die 
Gefäße eingedrungen sind, als eigentlich abgebaut bezeichnen, so dicht ist sie von den vaskulären Bohr- 
kanälen durchsetzt. | 

Anders bei der pathologischen Vaskularisation. Hier dringen die Gefäße nicht in einer geschlos- 
senen Schicht vor, halten sich nicht an die von den Zellsäulen vorgeschriebenen Bahnen, sondern dringen 
wie erwähnt, mit Vorliebe in der Grundsubstanz vor, wiewohl auf ihrem Wege auch viele Knorpelzellen 
zugrunde gehen. Da die Grundsubstanz kalklos, also zum Tragen wenig befähigt ist, so merkt man auch 
nichts davon, daß sie beim Knorpelabbau möglichst unberührt bleibt. Die oft mehrere Gefäße enthaltenden 
sehr weiten Kanäle sind viel spärlicher, liegen weiter auseinander als normal, so daß zwischen ihnen nicht 
schmale Grundsubstanzsepta, sondern breite Massen von Knorpelgewebe liegen. 

Der Endeffekt ist der, daß der Knorpel nicht Schicht für Schicht abgebaut, sondern von weit aus- 
einanderliegenden Bohrkanälen durchzogen wird, die selbst eine osteoide Auskleidung erhalten, 
während die Schicht das bleibt, was sie war, ein hohes Massiv aus Knorpelgewebe. Nur im Schnitt- 
bild, wenn zwei nebeneinander liegende Bohrkanäle im Längsschnitt getroffen sind, hat es bloß den 
Anschein, als ob es sich um einen primären Spongiosabalken handeln würde mit beiderseitigem osteoidem 
Anwurf und zentralem Einschluß eines breiten, zellenführenden, kalklosen Knorpelstückes. Bei der nor- 
malen enchondralen Össifikation ist aufs klarste der Plan erkennbar, ohne Gefährdung der Knochen- 
kontinuität den Knorpel wegzuschaffen und ihn in Knochen überzuführen; bei der pathologischen Knorpel- 
vaskularisation ist davon eigentlich nicht die Rede. 

In sehr treffender Weise charakterisiert schon v. Ritter die pathologische Knorpelvaskularisatıon 
bei Rachitis indem er sagt, daß es statt massenhafter Knorpelabtragung bloß zur Kanalisierung komme mit 
dazwischen erhaltenem Knorpel. 

Bei seinen rachitischen Ratten schildert Morpurgo die pathologische Knorpelvaskularisation wie 
folgt: Der Knorpel wird vom gefäßreichen zellig-faserigen Gewebe durchwuchert, das mit dem Periost und 
dem Mark zusammenhängt. Osteoidstreifen zerteilen den Knorpel, Inseln desselben einschließend. Dabei 


zerstören einzelne Gefäße nicht einzelne Zellsäulen, sondern ganze Gefäßbüschel graben in den Knorpel 


tiefe Buchten. 


Rachitis und Epithelkörperchen. 477 


Die völlige Umwandlung der normalen enchondralen Ossifikation zum rachitischen Typus der 
pathologischen Knorpelvaskularisation kann in ihrer Bedeutung nur von mechanisch-statischen Gesichts- 
punkten aus richtig verstanden werden. Unter normalen Umständen tolgt bei der Ratte auf die Knorpel- 
wucherungszone die präparatorische Verkalkungszone mit Dazwischenschaltung einer quantitativ ganz 
bedeutungslosen Knorpelschicht, in der die Zellen auf dem Wege der Vergrößerung und die Grundsub- 
stanzsepta auf dem der Reduktion sind. Überall da aber, wo die Zellen schon die maximale Größe und die 
Grundsubstanz die stärkste Reduktion erreicht haben, ist der dadurch erzeugten Festigkeitsabnahme 
durch die Verkalkung der Grundsubstanz begegnet. Das ist eben die präparatorische Verkalkungszone. 
Unter solchen Umständen kann ohne Gefährdung der Knochenkontinuität die normale enchondrale OÖssifi- 
kation vor sich gehen, die in der Weise eingeleitet wird, daß der kalkhaltige Knorpel Schicht für Schicht 
vaskulär abgebaut wird, wobei ein sehr namhafter Teil des Knorpels verloren geht. 


Beim Menschen, bei dem schon normaliter zwischen der präparatorischen Verkalkungsschicht und 
dem als Proliferationsschicht bezeichneten Teil der Knorpelwucherungszone, noch die ansehnliche kalklose 
Säulenzone mit großen Zellen und reduzierter Grundsubstanz eingeschoben ist, genügt noch das Umgriffen- 
sein der kalklosen Knorpelschicht durch das obere Corticalisende und das gelegentlich vorkommende 
Aufsteigen der Verkalkung in den marginalen Knorpelpartien, um die normale Festigkeit zu sichern. 


Bei der Rachitis jedoch steht die Ossifikationszone unter völlig veränderten statischen Verhältnissen 
und es ist klar, daß die Mittel und Wege, die zur Sicherung der Festigkeit eingeschlagen werden, auch an- 
dere seın müssen als normal. Einen Teil dieser Vorgänge haben wir bereits kennen gelernt. 


Hier ist vor allem die für Rachitis typische, anfänglich partielle, später völlige Hemmung des 
normalen vaskulären Abbaues zu nennen. Dadurch wird der völlige Aufbrauch der statisch wichtigen 
noch kalkhaltigen präparatorischen Verkalkungszone möglichst hinausgeschoben und die beim Fortgang 
einer normalen enchondralen Ossifikation im völlig kalklosen Knorpel mit Sicherheit zu erwartende 
Epiphysenlösung verhindert. 


Weiterhin ist hier die rachitische Hemmung des Knorpelanbaues zu erwähnen. Da diese Hemmung 
nicht absolut ist, wie es am zweckmäßigsten wäre, so steht die Knorpelproduktion nicht ganz still, sondern 
ist bloß verlangsamt, wodurch die vom statischen Gesichtspunkt höchst unzweckmäßige Anhäufung 
kalklos bleibenden Knorpels wenigstens eingeschränkt, wenn auch nicht ganz verhindert wird. 

So kommt es, daß mit der Zeit der kalklose, großzellige und noch dazu an Grundsubstanz verarmte 
Knorpel sich zu einer mächtigen Masse anhäuft, die den an den Knochen herantretenden statischen Auf- 
gaben in keiner Weise gewachsen ist. Dieses Knorpelmassiv zu einem statisch brauchbaren Bestandteil 
des gesamten Knochens zu machen ist jene neue Aufgabe, vor die das rachitische Skelett gestellt ist. Die 
Lösung dieser Aufgabe wird von verschiedenen Seiten in Angriff genommen und es ist höchst interessant 
zu verfolgen, wie alle die im folgenden zu schildernden mannigfaltigen »Bemühungen« an dem für das 
Grundleiden so charakteristischem Mangel des Kalkes, also des wichtigsten Baumaterials, immer wieder 
scheitern müssen. Es ist dem Organismus eben kein anderes Mittel gegeben, mechanische Festigkeit zu 
erzielen, als eben die Verwendung von Kalksalzen. 

Zunächst wird das Knorpelmassiv vom oberen Corticalisende umgriffen, welches normaliter nur sehr 
wenig über das Niveau der primitiven Markräume hinausragt, bei Rachitis aber so hoch hinaufreicht, daß 
es zur Aufnahme des Knorpelmassivs eine napfförmige Vertiefung schafft (Fig. 12 bis 15, 18). Die Zweck- 
mäßigkeit dieses Mittels leuchtet ein, wenn man bedenkt, daß dadurch schon beim einfachen Druck das 
seitliche Ausgebauchtwerden des Knorpels verhindert und damit seine Druckfestigkeit erhöht wird. Von 
welcher Bedeutung aber die Randzone eines Körpers bei der Beanspruchung auf Biegungs- und Streb- 
festigkeit ist, wurde schon oben einmal ausführlich geschildert. Die Wirkung dieses an und für sich also 
sehr zweckmäßigen Mittels wird jedoch dadurch zum Teil vereitelt, daß das obere Corticalisende nicht 
verkalkt (Fig. 14, 15, 18) und infolge der auch hier, wie wir später hören werden, wirksamen rachitischen 
Wachstumshemmung das Knorpelmassiv nur unvollkommen umpgreift (Fig. 13, 18). 


478 Dr. J. Erdheim, 


Offenkundig bedeutet es ein Betreten des gleichen Weges, nur mit anderen Mitteln, wenn die 
marginalen Knorpelpartien selbst im Vergleich mit dem übrigen Knorpelmassiv in bevorzugter \Veise mit 
Kalk imprägniert werden (Fig. 12 bis 14, 16, 18), worüber aber ebenfalls schon ausführlich berichtet ist. 
Daß aber auch dieses Mittel infolge der bestehenden Kalkstörung nicht zur vollen Wirksamkeit gelangen 


kann, ersehen wir zum Beispiel aus den Fig. 13, 14, 18, wo diese Verkalkung nur fragmentweise auftaucht 
und aus Fig. 15, wo sie sogar völlig fehlt. 

Die pathologische Vaskularisation des Knorpels bedeutet ein weiteres Mittel, um das kalklose 
Knorpelmassiv mechanisch verwendbar zu machen, aber dieses Mittel kommt nicht am Rande, sondern im 


| 


Innern des Knorpels zur Anwendung. Es besteht im Folgenden: Ins Knorpelmassiv bohren von unten her 
hoch hinauf Blutgefäße Kanäle ein, die dann innen sekundär mit Knochengewebe ausgekleidet werden. 
Dabei bleibt aber das Knorpelmassiv als solches erhalten. Es ist offenkundig von Vorteil, dabei von der 
subchondralen Spongiosa, also vom Ende der knöchernen Diaphyse kontinuierliche knöcherne Fortsätze 
als Auskleidung von Kanälen von Stelle zu Stelle in den Knorpel eintreten und dadurch die Knochen- 
knorpelgrenze besonders stark zackig zu machen. Es greifen dann nach Virchow das Knochen- und. 
Knorpelgewebe zackenförmig ineinander, wie wenn man die Finger beider Hände ineinander schiebt 
Dadurch wird erzielt, daß der. Knorpel umso inniger an den Knochen verankert wird. 

Ähnliches sehen wir schon unter normalen Verhältnissen bei der Epi- und Diaphyse, die sich nach 
Roux im groben nur gemeinsam bewegen, weshalb zur Verhinderung von Epiphysenlösungen »ein 
zackenförmiges Ineinandergreifen beider Teile geradezu gezüchtet werden« mußte. Bei Gebhardt finden 
sich einige interessante Bemerkungen über die den jeweiligen mechanischen Verhältnissen besonders 
angepaßte, bald radiär geriffte, bald unregelmäßig hügelige Skulptur der Epiphysenflächen und er gibt am 
Pferdefemur, bei dem eine einseitige Beanspruchung auf Querabscherung besteht, ein schönes Beispiel 
für die Anpassung dieser Epiphysenflächenskulptur, die hier einen schroff abfallenden Sägezahnkontur 
darstellt. 

Es wird also offenbar auch bei Rachitis von Vorteil für die Festigkeit sein, wenn durch diese zackige 
Gestaltung der Knochenknorpelgrenze ermöglicht wird, daß sich das widerstandsunfähige Knorpelmassiv 
»nur gemeinsam« mit der knöchernen Diaphyse bewege. Eine Einrichtung von ähnlicher Bedeutung ist 
das von Kassowitz bei Rachitis beschriebene Emporsteigen der präparatorischen Knorpelverkalkung 
hoch hinauf entlang den absteigenden Knorpelkanälen. Leider muß nach Wieland. vermutet werden, daß 
manches von Kassowitz als Rachitis beschriebene eigentlich Osteochondritis luetica war, für die ja in 
der Tat die zackige Beschaffenheit der Kalklinie so typisch ist. Bei Osteochondritis luetica besteht übrigens 
ebenfalls, wenn auch aus ganz anderen Gründen, die Gefahr der Epiphysenlösung, und umso interessanter 
ist es, daß es auch hier wieder, offenbar aus denselben statischen Gründen, zur zackigen Gestaltung der 
Ossifikationsgrenze kommt. 

Ist schon so durch den pathologischen, spezifisch rachitischen Typus der Knorpelvaskularisation 
eine innigere Vereinigung zwischen Knochen und Knorpel erzielt, so wird weiterhin auch das ganze 
Gefüge des Knorpelmassivs eine innere Festigung erfahren, eine erhöhte Widerstandsfähigkeit gegen 
Druck, Schub und Biegung, wenn es an mehreren Stellen ungefähr parallel zur Knochenaxe bis hoch 
hinauf von knochenausgekleideten Kanälen durchzogen wird. So sehen wir also, wie die Vaskularisation 
ähnlich wie die Knorpelverkalkung aus dem Grunde bei Rachitis nach ganz anderen Regeln vor sich geht 
als normal, weil sie auch vor eine ganz veränderte mechanische Aufgabe gestellt ist. 

So erscheint uns denn der rachitische Typus der Knorpelvaskularisation vom mechanischen Stand- 
punkte als eine sehr zweckmäßige Einrichtung, die die abnorme Beweglichkeit des Knorpels verhindern 
soll. Wenn aber diese ihren Zweck trotzdem nicht erreicht, so trägt allein der Umstand die Schuld daran, 
daß jenes die Gefäßkanäle innen auskleidende Knochengewebe infolge der Kalkstörung kalklos bleibt. Da 
aber, wie Schmorl richtig betont, das Osteoid gegen mechanische Einwirkungen weniger widerstands- ‘ 
fähig ist, als Knorpel, so kehrt sich die ganze, von offenbar richtigen mechanischen Prinzipien geleitete 
Einrichtung sogar in einen Nachteil um, 


Rachitis und Epithelkörperhen. 479 


Es ist ein schönes Beispiel dafür, wie die von uns als »zweckmäßig« bezeichneten Vorgänge im 
Organismus völlig automatisch ausgelöst werden. Sonst müßte gerade bei Rachitis eine solche reparatori- 
“sche Aktion (und das ist die pathologische Vaskularisation) unterbleiben. Ist doch der Zweck dieser Aktion 

einen durch mangelhafte Verkalkung angerichteten Schaden gutzumachen. Und trotzdem die Rachitis 
| fortdauert, kommt eine reparatorische Aktion zur Anwendung, deren Wirksamkeit eine rasche Verkalkung 
des dabei erzeugten Knochengewebes zur Voraussetzung hat. Es ist wie die Betätigung eines irregeleiteten 
Instinktes. Das tief in den Knorpel sich einbohrende Gefäß weißes, wenn man so sagen darf, eben nicht, 
daß das im nächsten Akt neugebildete Knochengewebe nicht wird verkalken können und daß darum seine 
ganze Arbeit zwecklos sei. Ein vernunftbegabtes Wesen würde nicht bei Rachitis ein reparatorisches 
Mittel in Anwendung bringen, das mit rascher Knochenverkalkung rechnet. 


Wir gehen über zur Besprechung der Literatur über die bei menschlicherRachitis bekannt gewordene 
pathologische Vaskularisation. Diese gestaltet sich beim Menschen komplizierter als bei der Ratte, u. zw. 
weil beim Menschen die Knorpelvaskularisation sowohl vom Knochenmark aus als auch vom Perichon- 
drium aus vor sich geht, bei der Ratte aber nur ersteres in Betracht kommt. Wie bereits an entsprechender 
Stelle betont, besitzt die Rattenrippe schon normaliter keine Knorpelkanäle und zwar wohl deshalb, weil 
bei einem so kleinen Objekte, wie es die Rattenrippe ist, nach Kassowitz’s ganz richtiger Bemerkung 
die Masse des Knorpels, absolut genommen, so gering ist, daß er auch ohne eindringende Gefäße direkt 
vom Perichondrium aus ernährt werden kann. Wenn wir zuweilen bei der rachitischen Ratte die die 
pathologisch große Knorpelmasse durchziehenden und ausschließlich vom Knochenmark stammenden 
Gefäße durch die Corticalis durch mit periostalen Gefäßen kommunizieren sahen, so kann man, wie aus 
der folgenden Schilderung hervorgehen wird, doch nicht von Knorpelkanälen, wie sie beim Menschen 
vorkommen, sprechen, auch fehlte der für die Knorpelkanäle typische etagenförmige Aufbau bei der Ratte 
vollständig. Höchstens könnte bei dem gesteigerten Bedürfnisse des pathologisch groß gewordenen 
Knorpelmassivs nach besserer Gefäßversorgung daran gedacht werden, daß die genannten Kommuni- 
kationen durch Eröffnung neuer Gefäßbahnen diesem Bedürfnisse entsprechen. 

Nach M. B. Schmidt wurden die Knorpelkanäle des normalen Skeletts zuerst von Langer (1872) 
beschrieben. Dann hat sich mit ihnen unter normalen Verhältnissen und bei Rachitis vor allem Kassowitz 
befaßt und als erster gefunden, daß die pathologische Knorpelvaskularisation bei Rachitis eigentlich nicht, 
wie man bis dahin glaubte, von den Knochenmarksgefäßen, sondern von den Knorpelmarkkanälen aus- 
gehe, denn die das Knorpelmassiv durchziehenden Gefäße kommen zum Teil von oben, also vom ruhenden 
Knorpel her, zum Teil von den Seiten, also aus dem Perichondrium, von wo aus sie in verschiedener 
Höhe und querer Richtung in den Knorpel vordringen, sich daselbst verzweigen und ein engmaschiges 
Netz bilden, das mit den Knochenmarksgefäßen kommuniziert. 

Noch tiefer erfaßt wurde die Bedeutung der Knochenmarkkanäle bei Rachitis in neuester Zeit, und 
zwar gleichzeitig von M. B. Schmidt und Schmorl. Darnach sind die im rachitischen Knorpelmassiv 
etagenförmig übereinander liegenden vom Perichondrium her kommenden Knorpelgefäße dieselben, die in 
den Knorpel auch dann eingedrungen wären, wenn keine Rachitis zur Ausbildung gekommen wäre. Weil 
aber der Knorpel angebaut, aber nicht abgebaut wird, so bleiben in ihm auch die vielen übereinander 
geschichteten Gefäßetagen erhalten. Normalerweise gibt es aber stets nur eine Etage, denn mit dem 
Knorpelabbau von unten gehen die älteren Etagen verloren. Die Schilderung des objektiven Befundes 
der Knorpelmarkkanäle bei Rachitis, wie sie bei M.B. Schmidt und Schmorl sich findet, stimmt im 
allgemeinen mit dem von Kassowitz entworfenen Bilde überein. 

Außer der Vaskularisation durch die Knorpelmarkkanäle gibt es bei der menschlichen Rachitis auch 
noch eine solche vom Knochenmark aus, wie sie eben in den Rahmen der enchondralen Ossifikation fällt. 
Darüber findet man Angaben bei Virchow, Kassowitz und Pommer. Danach treten an Stellen, wo die 


480 Dr. J: Erdheim, 


Kalkschicht unterbrochen ist, zahlreiche Knochenmarksgefäße in den kalklosen Knorpel ein, und zwar den 
anderen voraneilend und aus der Reihe tretend und zwar in verschiedenster Richtung ohne Rücksicht auf - 
Zellsäulen, gleichzeitig oft mehrere Zellsäulen zerstörend. Das Bild macht den Eindruck einer starken, 
pathologisch gesteigerten Vaskularisation und dieser Umstand hat eigentlich hauptsächlich die Schuld, 
daß die richtige Erkenntnis, bei der Rachitis sei der vaskuläre Knorpelabbau pathologisch gehemmt, erst 
der neuesten Zeit angehört. on 

Schmorl faßt das Eindringen der in ganz pathologischer Weise büschelig sich verzweigenden 
Gefäße in den kalklosen Knorpel so auf, daß der Abbau des Knorpels da, wo er kalkhaltig ist, deshalb 
verzögert ist, weil das Blut in die weiten Gefäße des kalklosen Knorpels abgelenkt wird. Dabei wird die 
Knochenknorpelgrenze zackig und Knorpelzungen schieben sich ins Mark vor. Später berichtet Schmorl, 
daß nur in beginnenden Fällen die in den Knorpel vorgedrungenen Gefäße vom Knochenmark stammen 
und da sie nur etwas verlängert sind, so überschreiten sie selbst in vorgeschrittenen Fällen die unterste 
Gefäßetage nicht, während der Hauptanteil der pathologischen Knorpelvaskularisation den Knorpelmark- 
kanälen zufällt. Auch M. B. Schmidt ist der Meinung, daß die vom Knochenmark stammenden Gefäße bei 
der pathologischen Knorpelvaskularisation nur eine geringe Rolle spielen und widerspricht damit Pommer, 
nach dem die Knorpelmarkkanäle wieder in zweiter Linie stehen. Zweifellos haben diese Meinungs- 
verschiedenheiten darin ihren Grund, daß Pommer mehr beginnende, M. B. Schmidt mehr vorgeschrittene 
Fälle vorschwebten. ’ 

Was nun die Unterscheidung beider Arten von Knorpelvaskularisation betrifft, wenn sie beide neben- 
einander vorkommen, so bestehen, wie das schon Kassowitz selbst erwähnt, gewisse Schwierigkeiten, 
die auch die späteren Autoren erwähnen. M. B. Schmidt und Schmorl betonen, daß die Knorpelmark- 
kanäle und ihre Äste nicht in den Zellsäulen, sondern in der Grundsubstanz wachsen. Wie bei der Ratten- 
rachitis aber zu sehen ist, können auch vom Knochenmark herstammende Gefäße in der Grundsubstanz 
statt in den Zellsäulen vordringen. 

Von den in der Umgebung der eingedrungenen Gefäße bei der Rattenrachitis so gut verfolgbaren 
regressiven Veränderungen des Knorpels spricht schon Virchow, der vor dem Einwachsen des Gefäßes 
eine schleimige Umwandlung der Knorpelzellen sah. Auch Schmorl beobachtete, daß zwischen den 
Gefäßen nicht selten die Knorpelzellen hydropisch degenerieren. Genau beschrieb den Vorgang v. Reck- 
linghausen, er spricht von Chondromalasie, bei der die Grundsubstanz zuerst durch Verlust der Kitt- 
substanz fibrillär wird, worauf die Knorpelkapseln und zuletzt die Knorpelzellen ihre Färbbarkeit verlieren. 

Divergent sind die Meinungen über die Art der Herkunft des Osteoids in den Gefäßkanälen des 
Knorpels. Kölliker, Virchow, Kassowitz, v. Recklinghausen und M. B. Schmidt sprechen sich 
mit Bestimmtheit dahin aus, daß bei Rachitis der kalklose Knochen sich metaplastisch in Osteoid um- 
wandle. Der letztere Autor ist sogar der Meinung, daß sich auf diesem Wege das ganze Knorpelmassiv in 
Osteoid umwandle, woraus dann die kompakte, bloß von Gefäßen durchzogene, spongioide Schicht 
resultiert, die somit nicht unter, sondern im Knorpel entsteht. v. Recklinghausen, der das durch 
Metaplasie aus Knorpel hervorgegangene OÖsteoid »Chondrosteoid« nennt, meint, daß dieses nur eine 
geringe Rolle spiele. Schmorl, der in schweren Fällen wie M. B. Schmidt allen Knorpel durch geflecht- 
artiges Osteoid ersetzt findet, hält die Metaplasie von Knorpel zu Knochen für noch nicht bewiesen und 
läßt das Osteoid von dem die Knorpelgefäße begleitenden Bindegewebe abstammen. Auf Grund unserer 
Rattenrachitis schließen wir uns Schmorl insofern an, als auch wir die in Rede stehende Metaplasie für 
nicht bewiesen halten. Was aber jenes äußerst dichte Osteoid betrifft, das als Spongoid bezeichnet wird 
so haben wir es bei der Rattenrachitis auch sehr oft gesehen (Fig. 13 Sp, 14II, 15s Sp), aber niemals uns 
davon überzeugen können, daß es im Knorpelmassiv entstanden ist, sondern vielmehr unter demselben, so 
daß wir es als pathologisch verdichtete Spongiosa ansehen und erst unten bei dieser beschreiben. ° 


* * 


Rachitis und Epithelkörperchen. 481 


Sekundäre Spongiosa. Diese Schicht ist, wie bei den normalen Rippen, so auch hier bei den 
rachitischen, durchschnittlich diehöchste von allen (Diagramm V, Taf.IX). Im DiagrammV bewegt sich die 
Höhe bei den voranstehenden Fällen 14 bis IO in normalen Grenzen, bei den restlichen überschreitet sie 
das normale Maximum zum Teil sehr bedeutend. Das Anwachsen der sekundären Spongiosa zu pathologi- 
scher Höhe kann so zustande kommen, daß der Anbau gesteigert, oder der Abbau verringert, oder daß 
beides zugleich der Fall ist. Das nähere des Vorganges kann sich auf zwei verschiedene Weisen abspielen. 
Entweder wird die Spongiosa, wie gewöhnlich, von oben angebaut, aber im Gegensatz zur Norm von 
unten nicht abgebaut. Das wäre ein Anwachsen der Schichthöhe durch Anstauung. Neben dieser Möglich- 
keit muß aber zweifellos auch noch eine andere bestehen, und zwar die, daß die Spongiosa dadurch an 
Höhe zunimmt, daß sie in vollkommen pathologischer Weise an ihrer unteren Grenze Knochen ausätzt 
und so gegen die große Markhöhle vorrückt. Das Inbetrachtziehen dieser Möglichkeit hat den Vorzug, daß 
auf diesem Wege die Höhe der Spongiosa selbst dann zunehmen kann, wenn im Knochen die enchondrale 
Össifikation ganz oder fast ganz stille steht, also auch für das Anwachsen der Spongiosahöhe an ihrer 
oberen Grenze keine Möglichkeit besteht. Diese Möglichkeit wird namentlich für schwere und langdauernde 
Rachitisfälle zutreffen, bei denen trotz des Stillstandes der enchondralen Ossifikation die Spongiosahöhe 
sehr bedeutend werden kann. Ein solches Anwachsen der Spongiosa von unten her ist überdies durch 
v. Recklinghausen bei der menschlichen Rachitis direkt nachgewiesen, bei der das, auch in seiner 
Struktur typische »Spongioid« sogar an der Endostfläche der Corticalis, also an einer Stelle, wo normaliter 
Abbau stattzufinden pflegt, nachgewiesen werden konnte. Daß aber bei der infolge Kalkarmut herab- 
gesetzten Festigkeit überhaupt die Tendenz zur Vermehrung der Spongiosa besteht, erscheint ganz 
natürlich. 

Die so verschiedene Schichthöhe ist zum Teil vom Grade der Rachitis abhängig, denn alle unsere 
höchstgradigen Rachitisfälle (17 bis 21 5) stehen im Diagramm in der zweiten Hälfte. Daß nicht allein der 
Grad der Rachitis für die Höhe der Spongiosa maßgebend ist, kann man daraus ersehen, daß die Fälle 
11 bis 13, die noch zu den leichteren Erkrankungen zählen, auch eine pathologisch hohe sekundäre 
Spongiosa aufweisen, während Fall 16 mit viel schwereren Veränderungen die normale Schichthöhe nicht 
überschreitet. Außer dem Grade der Erkrankung wird also noch ein zweiter Faktor auf die Höhe der 
sekundären Spongiosa einen Einfluß haben müssen und zwar die Dauer der Erkrankung. In der Tat 
gehören die im Diagramm zuletzt stehenden zwei Fälle mit der größten Schichthöhe nicht zu den höchst- 
gradigen Rachitisfällen und es erscheint begreiflich, daß zum Aufbau einer so exzessiv hohen Schicht 
auch viel Zeit gehört. 

Bei den normalen Rippen schwankt die durchschnittliche Schichthöhe zwischen 318 und 990 u, sie 
war also im Falle 5 dreimal so hoch wie im Falle 6. Bei der Rachitis ist diese Variabilitätsbreite viel 
bedeutender, denn die Schicht ist im Falle 14 blos 324 u, im Falle 12 aber 3366 x hoch, also mehr als 
zehnmal höher. Diese viel bedeutendere Variationsbreite kann weiter nicht wundernehmen, wenn 
zwei so inkonstante Faktoren, wie der Grad und die Dauer der Rachitis auf sie von Einfluß sind. Bei 
seiner Impfrachitis der Ratte sah schon Morpurgo subchondral eine hohe Schicht dicker Osteoidbalken, 
mit jungem, gefäßreichen Bindegewebe zwischen ihnen. 

Die die Höhe der sekundären Spongiosa charakterisierenden Zahlen und Diagramme geben uns 
aber noch lange kein volles Bild von dem großen Unterschied zwischen den normalen und Rachitis- 
fällen. Ein Vergleich der sekundären Spongiosa in Fig. 7 und 12 kann uns darüber belehren. Im normalen 
Falle 7 (Fig. 7) wird die Schichthöhe mit 572, im Rachitisfalle 16 (Fig. 12) mit 584 u angegeben, also sind 
beide ungefähr gleich hoch. Wie groß ist trotzdem der Unterschied. In der normalen Rippe sind die 
Bälkchen so spärlich (Fig. 7 s Sp), daß man einen Schnitt mit einem solchen oft suchen muß, und wenn 
wir sagen, die sekundäre Spongiosa ist 572 x hoch, so heißt das nur, in einem so hohen Gebiete finden 
sich gelegentlich Bälkchen, die aber keine wirkliche Schicht bilden. Bei Rachitis aber ist die ganze 

angegebene Höhe von 584 u aufs dichteste von Bälkchen erfüllt (Fig. 12s Sp), die eine sehr aus- 
geprägte Schicht formieren und so ist es wenigstens in den meisten Fällen. 


482 Dr. J. Erdheim, 


Wir finden also bei Rachitis gegen die Norm stets eine Vermehrung der sekundären Spon- 
giosabälkchen, mit der einen Ausnahme des Falles 21 B, von dem wir aber wissen, daß er eine junge 
nicht viel über 3 Monate alte Rachitis darstellt, und daß er in Marasmus zugrunde gegangen ist. Aber die 
Rachitisfälle untereinander zeigen die größten Verschiedenheiten. Unter den ganz leichten Fällen, 
gibt es solche (Fig. 9, 17), bei denen die Bälkchen erst mäßig vermehrt sind, was nicht soviel im Einzel- 
schnitt hervortritt, sondern mehr darin zum Ausdruck kommt, daß im Gegensatz zur Norm in jedem 
Schnitt einige Bälkchen vorzufinden sind. Und von diesen Fällen gibt es alle Übergänge zu solchen mit 
stärkerer (Fig. 11), schon recht erheblicher (Fig. 12, 15) bis zu maximaler Vermehrung der Balken (Fig. 13, 
14, 16). 
Mit der Zunahme der Zahl der Knochenbalken geht meist auch eine Dickenzunahme derselben 
einher. So sehen wir zum Teil in den leichten Fällen noch ganz schmale’ Balken (Fig. 17), wenn auch 
schon oft dicker als normal (Fig. 9, 11); bei den schweren Fällen sind sie schon dicker (Fig. 10, 12) und 
bei den schwersten (Fig. 13 bis 16) ganz besonders dick. Oft ist aufs deutlichste wahrzunehmen, daß die 
Balkendicke gegen die große Markhöhle zu wächst (Fig. 10, 12, 13, 14). 

Während normaliter die Knochenbalken infolge ihrer geringen Zahl und Dicke in weiten Abständen 
voneinander liegen, sieht man das bei Rachitis nur in den leichten Fällen (Fig. 9, 17); in etwas schwereren 
und gar in den schwersten Fällen liegen aber die Balken sehr dicht (Fig. 10 bis 16), ja sogar so dicht, 
daß man zuweilen kaum mehr von einer Spongiosa, eher von einer Compacta reden kann (Fig. 15s Sp), 
Fig. 14%, 7). Hiebei ist wieder öfters zu bemerken, daß die Lagerung der Balken gegen die große Mark- 
höhle zu lockerer wird (Fig. 10, 13, 14). 

Bei menschlicher Rachitis hat schon Gu&rin (1847) die subchondral liegende, sehr dicht gebaute, 
aber infolge des Kalkmangels schwammig weiche Knochenschicht beschrieben und sie »Spongoid« 
benannt. Bei der ähnlich dichten und kalklosen »Strontiumschicht« spricht Oehme von Osteosklerose und 
v. Recklinghausen von »Sklerosteoid«, dessen Charakteristik am ehesten für die in unserer Fig. 14 
mit II bezeichnete Stelle passen würde. - 

Damit geht auch das Verhalten der Größe der Markräume Hand in Hand; sie sind in den leichten 
Fällen breiter als die Knochenbalken (Fig. 9, 17), in den schweren Fällen viel enger (Fig. 11 bis 16), aber 
nach der großen Markhöhle zu oft wieder weiter werdend (Fig. 10, 13, 14), und an den Stellen maximaler 
Balkendichtigkeit sind sie sogar auf ganz enge Gefäßkanäle reduziert (Fig. 15s Sp, 14%, )). 

Das Mark ist in den leichten Fällen (21 a, 9 bis 13), zellig (Fig. 9d, 17), dabei aber die Markräume 
oder besser die Knochenbalken oft von Bindegewebshüllen eingesäumt (Fall 9, 12, 13), wie sie sich 
auch in schweren Fällen (18, 20) finden, und am kräftligsten entwickelt im Falle 20 (Fig. 16c) vorliegen. 
In schweren Fällen aber sind die Markräume, namentlich wenn sie eng Sind, entweder ganz mit gefäß- 
führendem Bindegewebe erfüllt, oder sie enthalten außerdem noch zentral ein kleines Häufchen 
zelligen Markes (Fall 14, 15, 16, 20). Im fibrösen Mark finden sich zuweilen recht viele basophil granu- 
lierte Zellen, die eine vorwiegend perivaskuläre Lage verraten (Fall 14 bis 16). Ist aber bei maximaler 
Balkendichte der Markraum auf einen Gefäßkanal reduziert, so finden in ihm außer dem Gefäß nur noch 
etwas Bindegewebe, wenige kümmerliche Osteoblasten und nur selten etliche Lymphocyten Platz. Das 
Mark der sekundären Spongiosa bietet somit bei der Rachitis manche Verschiedenheiten dar, während es 
normal immer einfach zellig war. 

Die fibröse Umwandlung des zelligen Markes in der Spongiosa, die schon Pommer genau beschrieb, 
faßte Ziegler als die Ursache der Rachitis auf, denn sie sei schon bei beginnenden Fällen inform fibröser 
Endostwucherung nachweisbar. Dieser Auffassung widersprechen neuestens M. B. Schmidt, Schmorl 
und Oehne, die das Gerüstmark bei beginnenden Fällen vermissen und es als die Folge mechanisch- 
irritativer Einwirkungen, etwa Verbiegungen und Infraktionen der kalkarmen Bälkchen ansehen. Daß das 
Gerüstmark bei Osteomalacie gerade an den Stellen stärkster Belastung vorkommt, hat v. Reckling- * 
hausen betont. Doch bezweifelt es M. B. Schmidt, daß die fibröse Endostwucherung eine mechanische 


Verstärkung des Knochens bedeute. 


Rachitis und Epithelkörperhen. 483 


Das die Bälkchen aufbauende Knochengewebe ist auch bei der Rachitis von reifem Typus, oft 
mit Kittlinien versehen. Sehr bemerkenswert war es, daß im Falle 19 die Knochenzellen häufig gruppen- 
weise nekrotisch waren. Diese Nekrose kann nurin Quetschung der Zellen ihren Grund haben, was 
gerade in diesem Falle bei der Widerstandsunfähigkeit dieser fast ganz kalklosen und sehr hohen Schicht 
(Fig. 15) leicht verständlich ist. Hier sei daran erinnert, daß v. Recklinghausen aus den regressiven 
Veränderungen der Knochenzellen im Osteoid seinerzeit darauf schloß, daß das Osteoid nicht kalklos 
apponiertes, sondern in Auflösung begriffenes, halisteretisches Knochengewebe sei. Dieser Auffassung ist 
dann Schmorl entgegengetreten, indem er die Auffassung vertrat, daß es sich um kalklos apponiertes und 
erst sekundär regressiv verändertes Knochengewebe handle. Als Ursache der regressiven Veränderung 
nennt jedoch Schmorl nicht mechanische Läsionen, sondern vermutet, der Grund sei der, daß ein 
dauerndes Kalklosbleiben unphysiologisch sei. 

Bei dieser Gelegenheit sei auch noch erwähnt, daß man an der sekundären Spongiosa des Falles 18 
ganz deutlich drei Schichten unterscheiden kann (Fig. 141, II, II). Die oberste mit ihren dünneren, dichter 
liegenden und kalkärmeren Balken und die unterste mit den dickeren, lockerer liegenden und besser ver- 
kalkten Balken verhalten sich genau so, wie die obere beziehungsweise untere Schicht der sekundären 
Spongiosa es gewöhnlich tun, während die zwischen beiden liegende Schicht mit den sehr breiten, 
maximal dicht stehenden und fast kalklosen Balken an dieser Stelle ganz fremdartig anmutet und dem 
ganzen Verhalten nach ein spontaner Frakturkallus im Bereiche der sekundären Spongiosa ist. 

Osteoblasten waren in jedem Falle nachweisbar, aber sie waren nicht, wie bei normalen Rippen 
nur gegen die primäre Spongiosa zu vorhanden und stets niedrig, sondern ohne jede Regelmäßigkeit ver- 
teilt und bald niedrig und unscheinbar, bald sehr kräftig entwickelt. Diese Variabilität hat darin ihren 
Grund, daß der Knochenanbau im Gegensatz zur Norm in jedem Falle an derselben Stelle nicht in gleicher 
Weise vor sich geht, sondern bei der Rachitis infolge der so verschiedenen statischen Verhältnisse an 
ganz verschiedenen Stellen und in wechselnder Intensität sich abspielt. 

Der Kalkgehalt der Knochenbälkchen, der vor allem vom Grad der Erkrankung abhängt, ist in 
unserem Materiale natürlich sehr verschieden. In den leichteren Fällen kann man die Balken als der 
Hauptsache nach gut verkalkt bezeichnen, aber die Osteoidsäume sind schon häufiger als normal anzu- 
treffen, können sogar an jedem Bälkchen vorhanden seın, haben eine, wenn auch noch mäßige pathologische 
Dicke, können aber sogar schon ein Drittel der ganzen Balkendicke ausmachen (Fig. 9 bis 12, 17). Der 
Fall 20 ist ein Beispiel dafür, daß der Kalkgehalt der Balken noch als recht erheblich, die Breite des 
Osteoids aber auch zugleich als schon sehr bedeutend bezeichnet werden muß (Fig. 16). In den Fällen 17 
und 13 treten aber die verkalkten Partien quantitativ gegen das Osteoid zurück (Fig. 13, 14), und im 
Falle 19 endlich, der den höchsten Grad der Kalkstörung zeigt, können wir die ganze sekundäre Spongiosa 
im wesentlichen als kalklos hinstellen (Fig. 15). Schon Pommer betont, daß die subchondrale Spongiosa 
fast völlig kalklos sein kann. 

So wie in der primären, so kann man auch in der sekundären Spongiosa Konstatieren, daß der 
Kalkgehalt im allgemeinen, so wie die Breite der Balken, gegen die große Markhöhle hin zunimmt 
(Fig. 12, 13, 14, 16), was insoferne ganz klar ist, als diese tieferen Teile statisch am meisten in Anspruch 
genommen werden und wir schon wissen, daß bei der Verkalkung die statisch wichtigsten Gebiete vor- 
gezogen werden. Es gibt eben statisch motivierte, calcioprotektive Gebiete im Knochen. Mit diesem Ver- 
halten des Kalkes stimmt es überein, daß die Dicke sowohl der Spongiosabalken, als auch der Corticalis 
nach unten ebenfalls zunimmt. Von einer Besserung des Kalkgehaltes der Spongiosabalken mit der Ent- 
fernung vom Knorpel spricht Schmorl bei der Rachitis tarda. 

Am Übergang des kalkhaltigen Knochens ins Osteoid ist die Kalkgrenze bald schmal und fein- 
körnig, also normal, bald zwar feinkörnig, aber verbreitert, bald überdies auch noch grobkörnig, wobei 
die ovalen Kalkkörner deutlich parallel zur Faserrichtung der Knochengrundsubstanz liegen. 

Derjenige Abschnitt der Rippe, der die sekundäre Spongiosa enthält und von ihr, mit Ausnahme der 
leichtesten Fälle, ganz ausgefüllt ist, pflegt meist auch mehr oder weniger aufgetrieben, verdickt zu 

Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC. Bd. 67 


484 Dr. J. Erdheim, 


sein, das ist der Rosenkranz. Ein solcher fehlt zum Beispiel in Fig. 11. In Fig. 9, 10, 17 fällt die Form 
noch gar nicht auf, aber die Nachmessung ergibt auch hier schon eine Verdickung der Rippe. In Fig. 12 
ist die bauchige, aber noch kurze Auftreibung der Rippe ganz deutlich, und in den schwersten Fällen ist 
die Zunahme der Dickendimension stets sehr auffallend, wenn auch die äußere Form wechselt. In Fig. 15 
ist die Auftreibung zylindrisch; ebenso in Fig. 14, jedoch viel länger; in Fig. 16 läuft die Auftreibung ganz 
allmählich konisch nach unten aus und in Fig. 13 ist sie dick spindelig. In Fig. 13 bis 15 sehen wir ferner 
das Massiv der präparatorischen Knorpelverkalkungszone auch noch im Rosenkranz enthalten. Es geht 
aus diesen Bildern klar hervor, daß die sekundäre Spongiosa mit der Verschlechterung der Kalkverhält- 
nisse nach allen Dimensionen an Mächtigkeit zunimmt. 

Über den Rosenkranz und sein Zustandekommen herrscht keine Einigkeit. Virchow und Kassowitz 
sind der Meinung, die Ausbauchung entstehe dadurch, daß der weiche, kalklose Knorpel zusammen- 
gedrückt wird und seitlich ausweicht. Kassowitz betont sogar ausdrücklich, daß die Ausbauchung in 
schweren Fällen nicht der unteren Knorpelgrenze entspreche (wie das etwa in unseren Figuren 12 und 13 
der Fall ist), sondern der Mitte der Höhe des gewucherten Knorpels. Schmorl hingegen ist der Meinung, 
daß die Ausbauchung so lange fehlt, solange das Knorpelmassiv noch erhalten ist; sowie aber dieses in 
seinem Innern durch Osteoid ersetzt wird, stellt sich die Ausbauchung ein, denn dieses .Osteoid ist gegen 
Druck weniger widerstandsfähig, als der Knorpel. Wenn wir unsere eigenen Figg. 12 bis 16 auf das hin 
untersuchen, so werden wir in der Tat die Überzeugung gewinnen, daß der Gipfelpunkt der Ausbauchung 
mit einem Querschnitt zusammenfällt, der aus Osteoid, nicht aus Knorpel besteht. Aber zum großen Unter- 
schied von der menschlichen Rachitis ist dies Osteoid nicht im Knorpelmassiv entstanden, sondern aus- 
nahmslos unter demselben, es ist also echte, wenn auch pathologisch veränderte sekundäre Spongiosa. 

Fragen wir uns ferner, ob die Kompression des Osteoids die alleinige Erklärungsmöglichkeit des 
Rosenkranzes ist. Für den in Fig. 13 widergegebenen Fall spricht schon die bauch- oder tonnenförmige 
Gestalt der Auftreibung dafür, daß in der Tat die Möglichkeit einer stattgehabten Kompression besteht. 
Aber bei den Figg. 14 bis 16 handelt es sich nicht so sehr um eine tonnenförmige, als vielmehr um eine 
zylindrische Verdickung des knöchernen Rippenendes. Dieser Zustand erklärt sich am einfachsten so: Schon 
unter normalen Umständen wird die Rippe in der Ossifikationslinie zu dick angelegt und durch die auf osteo- 
klastischem Wege vor sich gehende modellierende Resorption an der Außenfläche der Rippe sekundär 
verschmächtigt (s. p. 50, 51). Diese modellierende Resorption tritt bei floriderRachitis, so wie die Abbauerschei- 
nungen überhaupt, in den Hintergrund. Indem so die Verschmächtigung ausbleibt, baut sich die Rippe mit 
zu großem Querschnitt auf. Es kommt noch dazu, daß die auch an anderen Stellen gesteigerte periostale 
Knochenapposition die Dickendimension auch hier steigert. Wenn also Lehnerdt bei seinen Strontium- 
tieren die »patronenförmige«, das heißt zylindrische Verdickung der Rippenenden, die ebenfalls durch 
Wegfall der »modellierenden Resorption« zustandekommt, als vom rachitischen Rosenkranz völlig ver- 
schieden auffaßt, so hat er damit nicht ganz Recht, Denn auch der rachitische Rosenkranz kommt durch 
Ausbleiben der modellierenden Resorption, gesteigerte periostalen Opposition und zum Teil allerdings 
auch noch durch Kompression des Osteoids zustande. 

Während es normaliter leicht fällt, die sekundäre Spongiosa von der primären einerseits und von 
der Corticalis andererseits abzugrenzen, gelingt dies bei Rachitis nur, wenn die Veränderungen leicht sind 
(Fig. 17). In solchen Fällen ist es klar, daß die Balken in schiefem Verlaufe nach unten außen an der 
Corticalis inserieren, wie in normalen Rippen als Stützbalken funktionierend (Fig. 90, 17 b). Aber bei 
höheren Graden der Rachitis geht die sekundäre Spongiosa so vielfache und innige Verbindungen 
mit der primären Spongiosa und namentlich mit der Corticalis ein, daß es nicht gelingt, eine Grenze 
festzustellen (Fig. 12 bis 16). Selbst da, wo sich nach unten zu die Spongiosa verliert, geht sie allmählich 
in die oft porotische Corticalis über, so daß die Bestimmung der unteren Spongiosagrenze mehr oder 
weniger willkürlich ist (Fig. 13, 16). 

In einem Teil der Fälle verliert sich die Spongiosa gegen die große Markhöhle zu in der Weise, daß 
sie einfach dehisciert und sich verliert (Fig. 10), in anderen Fällen bleibt die Spongiosa bis nach unten 


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Rachitis und Epithelkörperchen. 485 


recht kompakt, fällt nach den Seiten schief dachförmig ab, so daß die Markhöhle nach oben spitz zuläuft 
(Fig. 13, 15, 16). Es kommt so die Kraftübertragung auf die unten stets am besten kalkhaltige Corticalis 
zum Ausdruck. Am interessantesten aber sind jene Fälle (10, 14, 15, 16), in denen die Spongiosa an ihrem 
unteren Rande einen bald mehr bald weniger lachen Rundbogen hervorgebracht hat, der kuppel- 
-förmig die Markhöhle überwölbt und abschließt (Fig. 11, 12), und von oben zuweilen aufrechte Stütz- 
balken (Fig. 11) und stets die Masse der ganzen übrigen Spongiosa trägt. Bei Wiederkäuern kommt nach 
Gebhardt eine glattwandige, kuppelförmige Abrundung der Spongiosa gegen die Markhöhle normaliter 
vor. Zur Hervorbringung dieser statisch sehr günstigen Konstruktion ist natürlich ein Umbau der 
Spongiosa erforderlich, denn in der normalen Rippe der Ratte gibt es keine solchen Konstruktionen. Damit 
diese Kuppel ihre Aufgabe erfüllt, muß sie auch möglichst gut verkalkt sein und das ist auch der Fall. 
Fig. 11 und 12 zeigt uns, daß das Gebiet der am tiefsten gelegenen Kuppel das bestverkalkte in der ganzen 
Spongiosa ist, es ist eben ein statisch motiviertes, calcioprotektives Gebiet. Bei allen auf Biegungs- und 
Strebfestigkeit beanspruchten Knochen finden wir immer wieder mit zunehmender Entfernung von der 
Epiphysengrenze eine immer stärkere Materialanhäufung. Ein Blick auf die Fig. 11 und 12 belehrt uns, 
daß die Gebiete stärkster Belastung sich schon durch die dicksten Balken und die stärkste Kalkanhäufung 
verraten. 

Daß es calcioprotektive Gebiete in Knochen gibt, kann im rachitischen Knochen viel öfter und 
leichter erkannt werden, als im normalen, denn beim normalen Knochen ist eben alles verkalkt, beim 
rachitischen aber, wo mit dem Kalk hausgehalten werden muß, wird der Kalk eben an die statisch meist 
beanspruchten Gebiete dirigiert und dadurch verrät sich das Gesetz. 

Daß ein solcher Kuppelbau bis zu einem gewissen Grade, für die Zeit der Rachitis eine fixe Ein- 
richtung bedeutet, die im Gegensatz zur normalen sekundären Spongiosa wenig dazu geeignet erscheint, 
mit dem Längenwachstum des Knochens durch Umbau mit hinauf verlegt zu werden, paßt zu der Tat- 
sache, daß bei Rachitis alle das Längenwachstum zusammensetzenden Vorgänge bald mehr bald weniger 
ruhen. Damit ist aber nicht gesagt, daß nach Ausheilung der Rachitis die ganze Kuppelkonstruktion nicht 
abgebaut und nach Aufnahme des Längenwachstums der für dieses besser passenden normalen Spongiosa- 
konstruktion Platz machen würde. Dies ist vielmehr gerade zu erwarten. 


 Corticalis. Das die Corticalis aufbauende Knochengewebe ist, ebenso wie in normalen Rippen, 
reif und weist zuweilen auch Kittlinien auf, während von jener schön lamellären Struktur, die zum Beispiel 
der Compacta des Menschen eignet, nicht viel wahrzunehmen ist. Die Corticalisdicke ist in leichten 
Rachitisfällen gegen die Norm nicht vermehrt (Fig. 9 bis 12, 17), sie ist aber manchmal auf der pektoralen 
Seite größer als auf der pleuralen (Fig. 11h, g, Fig. 128, p). In schweren Rachitisfällen ist jedoch die 
Corticalis wesentlich dicker als normal (Fig. 13 C, 16 Sch), was hauptsächlich durch Einschränkung des 
Abbaues erzielt wird. Die pathologische Dickenzunahme erfolgt durch Apposition von der Periostflläche 
aus und dies kommt gegen das obere allmählich dünner ‘werdende Corticalisende auf. die Weise zum 
Ausdruck, daß die apponierte Knochenschicht, je jünger sie ist, das heißt je näher sie dem Periost ist, desto 
weniger hoch gegen den Knorpel hinaufreicht, wodurch die Schichten hier schuppenförmig übereinander- 
liegen (Fig. 18s, I, n, Fig. 14 von w nach abwärts). Der Grund für diese Massenzunahme der Corticalis ist 
der gleiche wie bei der sekundären Spongiosa: Die infolge Kalkarmut verringerte Tragfähigkeit des 
Knochens. Gesteigerte Abbauerscheinungen der Corticalis (Fall 12, 20) finden sich nur in Fällen, bei denen 
durch eine Besserung der Kalkverhältnisse ein Teil des Gewebsbestandes überflüssig geworden war. 
Infolge der besonderen Kalkverhältnisse des Knochens sind in ihm die Sharpey’schen Fasern 
besonders gut zu sehen. Wenn nämlich in den oft mächtigen, kalklosen, eosinroten, periostalen Auf- 
lagerungen der pektoralen Seite blaue Verkalkungsherde auftreten, so sieht man in ihnen die noch immer 
rot, also kalklos bleibenden Sharpey’schen Fasern ganz besondeıs klar, während sie da, wo sie durch 


486 Dr. J. Erdheim, 


kalkloses, also ebenfalls rot gefärbtes Knochengewebe ziehen, infolge des mangelnden Farbenkontrastes 
viel schwerer zu sehen sind. 

In der normalen Rippe tritt die Corticalis stets als gut ausgeprägter PRRIRRREREN Gewebsabschnitt 
hervor und an den wenigen Stellen, an denen Spongiosabälkchen inserieren (Fig. 4) macht es keine 
Schwierigkeit, die Spongiosa von der Corticalis abzugrenzen. Das gleiche Verhältnis besteht auch noch 
bei den leichten Rachitisfällen, in denen die Zahl der Spongiosabälkchen erst wenig vermehrt ist (Fig. 9, 17). 
In dem Maße aber, als die Bälkchenzahl stark zunimmt, beginnt infolge der viel zahlreicheren Verbindungs- 
stellen die Grenze zwischen Corticalis und Spongiosa weniger scharf zu werden. Das ist in Fig. 10 
noch wenig, in Fig. 12 schon mehr der Fall; und nimmt gar die Dichtigkeit der Balken zu, so hört die 
Corticalis fast ganz auf, ein wohl ausgeprägter Gewebsabschnitt zu sein (Fig. 13, 15), und macht den 
Eindruck der Zugehörigkeit zur Spongiosa, deren Randabschluß sie besorgt. Ebenso unklar ist die untere 
Spongiosagrenze, denn hier hat die Corticalis oft selbst einen spongiösen und nicht kompakten Bau, so 
daß Corticalis und Spongiosa eine kontinuierliche Masseneinheit darstellen, in der es unmöglich ist, eine 
Grenze zwischen beiden zu ziehen (Fig. 13, 16). Dergleichen kommt normaliter nie vor. z 

Unter normalen Umständen reicht das obere Ende der Corticalis bis zur Knorpelwucherungs- 
zone, und sogar bis zu ihrer oberen Grenze, das ist bis zur Ossifikationsgrube. Bei Rachitis ist dies bei 
den nicht ganz schweren Graden meist ebenfalls der Fall (Tier 10, 14, 15, 16, 21.A, vgl. Fig. 12e). Bei den 
schwersten Graden jedoch (Fall 17 bis 19, 21 B), aber auch schon bei manchem minder schweren (Fall 12) 


reicht das obere Corticalisende nicht so hoch hinauf, erreicht nicht die Ossifikationsgrube, endet zuweilen 


schon in der Mitte der Höhe der abnorm hohen präparatorischen Verkalkungsschicht, was einen schoen 
recht erheblichen Rückstand im Längenwachstum der Corticalis bedeutet; und das pflegt auf der einen, 
meist der pektoralen Seite stärker der Fall zu sein als auf der anderen (Fig. 138, 14w, 15:, 182. Wenn 
wir hier von einer Rückständigkeit im Längenwachstum der Corticalis an ihrem oberen Ende sprechen, so 
ist dies nur scheinbar ein Widerspruch gegen die Behauptung von Kassowitz, daß bei Rachitis das obere 
Corticalisende viel mehr über den Knorpel geschoben ist, als. normal. Wenn wir die normale Rippe Fig. 4 
betrachten, so sehen wir in der Tat, daß sich da das obere Corticalisende, absolut genommen, nur ein 
ganz kurzes Stück über den Knorpel schiebt (b), das bedeutend geringer ist als in den, rachitische Rippen 
darstellenden Figuren 12 bis 16, 18, bei denen das obere Corticalisende die obere Spongiosagrenze um 
ein langes Stück überragt und das mächtige Knorpelmassiv, wenn auch nicht immer vollständig, umgreift. 
Also rein deskriptiv ist die Auffassung von Kassowitz vollkommen richtig. Wenn wir aber bedenken, 
daß das obere Corticalisende normaliter bis zur Knorpelwucherungsschicht reicht, in schweren Rachitis- 
fällen aber zuweilen nur bis zur halben Höhe der präparatorischen Verkalkungsschicht, so müssen wir 
sagen, daß das obere Corticalisende relativ im Längenwachstum rückständig ist. Wenn wir aber in 
Betracht ziehen, daß schon das Höhenwachstum des Knorpels bei Rachitis gehemmt ist, und daß das 
Längenwachstum der Corticalis trotzdem gegen den Knorpel im Rückstand bleibt, so werden wir zugeben, 
daß das obere Corticalisende nicht nur relativ, sondern auch absolut zu kurz ist bei Rachitis. Wenn das 
obere Corticalisende bei Rachitis mehr als normal über den Knorpel geschoben. ist, so ist das eben der 
Ausdruck dafür, daß infolge des Stillstandes der enchondralen Ossifikation und (der pathologischen 
Anhäufung von Knorpel das obere Corticalisende, die »Endlamelle« Köllicker’s, nicht in die eigentliche 
Schaftcorticalis überführt wird. Das Verhalten des oberen Corticalisendes ist. eines der Beispiele für die 
bei Rachitis vorkommenden Hemmungsvorgänge auf dem Gebiete des Knochenwachstums. 

Wächst auch das obere Corticalisende langsamer als normal, so ist dies immerhin eine Stelle, 
wo wir auch bei Rachitis die jüngste Knochenapposition zu erwarten haben, und aus diesem Grunde 
interessiert uns der Kalkgehalt dieser Stelle besonders. Schon bei den normalen Rippen wurde darauf 
geachtet und gefunden, daß das sehr dünne, nadelspitz zulaufende Corticalisende (Fig. 4b) stets auf eine 


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kurze Strecke kalklos ist, denn auch beim normalen Tier erfolgt die Knochenapposition kalklos. Die Menge ° 


des Osteoids ist hier aber normaliter so gering, daß sie bei der schwachen Vergrößerung in unseren 
Figuren nicht zur Geltung kommt. Anders bei Rachitis. Hier ist schon bei leichten Fällen das obere 


Rachitis und Epithelkörperhen. 487 


Corticalisende auf eine viel längere Strecke kalktos, und das Osteoid ist viel dicker, so daß es in 
unseren Figuren trotz gleicher Vergrößerung schon deutlich sichtbar ist (Fig. 9%, 10e). In ganz schweren 
Fällen aber ist nicht allein das oberste Corticalisende kalklos, sondern die Corticalis ist von der Spitze bis 
tief hinunter kalklos und das Osteoid erlangt eine ganz bedeutende Mächtigkeit (Fig. 14 w, 15i, 165, 18). 
Die Kalklosigkeit des oberen Corticalisendes hatte schon Virchow betont. Diese Tatsache ist eines der 
Beispiele für das dem Grade nach pathologische Kalklosbleiben jüngster Knochenapposition bei Rachitis, 
wofür wir aber noch andere Beispiele besitzen. Die Verkalkung des oberen Corticalisendes, welches das 
kalklose Knorpelmassiv, wenn auch unvollständig umfaßt, würde die statische Brauchbarkeit des Knorpel- 
massivs beträchtlich erhöhen. In Wirklichkeit aber ist hier die Verkalkung bei floriden Fällen gerade selten 
zu sehen (Fig. 13). Zumeist findet man aber die Verkalkung statt in der den Knorpel umfassenden Corticalis 
in den Randpartien des Knorpels selbst, was von gleichem statischen Effekt ist (Fig. 12, 14, 16, 18). Es 
zeigt dies wieder, wie wir das schon gelegentlich der prospektiven Verkalkung gesehen haben, daß bei 
Einwirkung des mechanischen Reizes die Affinität des Knorpels zum Kalk größer ist als die des Knochens. 
Ganz ohne statischen Wert scheint übrigens auch die Einhüllung des Knorpels in kalkloses Knochen- 
gewebe nicht zu sein, wodurch das seitliche Vorquellen bei Druck ebenfalls bis zu einem gewissen Grade 
hintangehalten werden kann. 

Wir haben bei der Besprechung der normalen Rippenhistologie genau ausgeführt, daß das bei der 
Vergrößerung des Thoraxraumes erfolgende Hinausverlegen der Rippen durch einen Umbau zuwege 
gebracht wird, bei dem gegen das Rippende an der pektoralen Periostfläche und der pleuralen Endostfläche 
Knochenanbau erfolgt. An diesen zwei Flächen der Corticalis haben wir daher auch bei Rachitis besonders 
viel Osteoid zu erwarten. In der Tat findet sich fast ausnahmslos in jedem Rachitisfalle notiert, daß die 
Hauptmasse des Osteoids sich an der pektoralen Periostfläche findet (Fig. 11g, 12p, 18 n). Eine 
geringere, wenn auch immerhin noch sehr bedeutende Rolle spielt in der Corticalis das Osteoid an der 
pleuralen Endostfläche (Fig. 10d, 11h, 17c, 18 0). 

Wie nach den normalen Fällen zu erwarten stand, findet man auch bei Rachitis an den zwei anderen 
Corticalisflächen, nämlich der pleuralen Periostfläche (Fig. 16 f, 17 e) und der pektoralen Endostfläche meist 
kein Osteoid, sondern eher Abbauvorgänge. Doch ist dies durchaus nicht immer der Fall und wir sehen zum 
Beispiel in Fig. 127 auf der pektoralen Endost- und in Fig. 18 u auf der pleuralen Periostfläche sogar sehr 
bedeutende Osteoidmengen. Und das läßt sich aus dem Bestreben heraus verstehen, die Corticalis zu ver- 
dicken, wenn auch die Apposition an Stellen stattfinden sollte, die sonst zum Abbaugebiete gehören. Eine 
weitere, wenn auch weniger ausgiebige Fundstätte für das Osteoid in der Corticalis sind die Gefäßkanäle 
(Fig. 13, 16), wo die Corticalis zuweilen ihrer ganzen Dicke nach kalklos sein kann. 

Findet man an den Stellen physiologischen periostalen Dickenwachstums auch bei der Ratte 
namentlich in Fällen schwerer Rachitis subperiostal recht erhebliche Osteoidmengen an der Corticalis, so 
ist doch eigentlich von einem periostalen Osteophyt kaum je die Rede und Bilder wie Fig. 13/ gehören zu 
den seltenen Ausnahmen. Das gleiche hat bei seinen impfrachitischen Ratten auch Morpurgo konstatiert. 
Nun ist es seit jeher bekannt, daß sich die Osteomalacie von der Rachitis unter anderem dadurch unter- 
scheidet, daß ihr das periostale Osteophyt fehlt (Virchow, Pommer). Ist also die periostale Auflagerung 
eine wesentliche Erscheinung der Rachitis, so ist sie andererseits kein notwendiges diagnostisches Merkmai 
derselben (Pommer). Auch Schmorl betont, daß bei Rachitis tarda ein stärkeres periostales Osteophyt 
fehlt, was: aber nicht gegen Rachitis spreche, da es auch bei infantiler Rachitis oft vermißt werde; und 
Looser sagt, es sei bei infantiler Rachitis am kräftigsten, bei Spätrachitis mäßig, bei Osteomalacie- 
noch weniger und bei seniler Osteomalacie fehle es. Die Kalklosigkeit der äußeren Corticalis- 
schichten auch an Stellen, die frei sind von Auflagerungen, betont auch Pommer, bei dem wir 
ferner eine Erklärung dafür finden, daß die Ausbildung der periostalen Auflagerungen vom Alter 
des Individuums abhängt. Pommer betont nämlich, daß das Vorhandensein noch lebhafter äußerer 
Apposition eine Vorbedingung für das Zustandekommen einer Periostauflagerung sei, weshalb sie beim 
Kind wohl, nicht aber beim Erwachsenen zustande kommt. In der Tat waren unsere rachitischen Ratten 


488 Dr. J. Erdheim, 


schon halbwüchsige Tiere und vom Standpunkte der menschlichen infantilen Rachitis wäre unsere Ratten- 
rachitis eine Spätrachitis zu nennen. Dies wird also der Hauptgrund sein für das Fehlen des periostalen 
Östeophyts bei unserem Materiale. Endlich schreibt Pommer den Zerrungen an den Ansatzstellen der 
Muskeln, Sehnen und Fascien eine große Bedeutung beim Zustandekommen des periostalen Osteophyts 
zu, weshalb dieses, wie zum Beispiel an der Innenfläche der Rippen, dort fehlt, wo Muskelansätze fehlen. 
Hingegen erklärt v. Recklinghausen die Osteoidauflagerungen auf der Außenfläche der Rippen in 
gleicher Weise wie auf der Außenfläche des Schädeldaches so, daß eben nur an diesen Stellen Knochen- 
wachstum besteht. Auch bei der Ratte genügte uns diese Erklärungsweise für das hauptsächliche Vor- 
kommen des Östeoids an der pektoralen Periotfläche; allerdings war auch von einem richtigen Osteophyt 
nicht die Rede. 

Wie sehr gerade bei Rachitis die Corticalis und Spongiosa durch ihre innige Verbindung eine 
statische Einheit darstellen, sieht man auch daran, daß der Kalkgehalt in beiden gewöhnlich har- 
moniert. In Fig. 9 und 10 ist die Spongiosa und Corticalis von gleichem, mäßigen Kalkgehalt. In Fig. 11, 
12 und 13 ist die Corticalis im Niveau der obersten kalklosen oder -armen Spongiosa ebenfalls kalklos 
(i, m, m), im Niveau der tieferen, viel kalkreicheren Spongiosa wieder von gleich gutem Kalkgehalt (C). Im 
Falle 19 endlich ist die Corticalis im Niveau der ganzen fast kalklosen Spongiosa ebenfalls fast ganz 
kalklos. Am besten ist der Kalkgehalt der Corticalis stets im Rippenschaft ganz außerhalb, unter- 
halb der Spongiosa. Der Grund für diese Kalkverteilung, dafür, daß mit der Entfernung vom Knorpel 
die Corticalis immer mehr calcioprotektives Gebiet wird, ist zum Teil der schon bei der Spongiosa 
erwähnte, nämlich die Zunahme der Belastungsgröße der Rippe mit der Entfernung vom Knorpel, zum 
Teil aber der, daß, je mehr wir uns vom oberen Corticalisende gegen den knöchernen Rippenschaft zu 
bewegen, umsomehr in jene Corticalisgebiete gelangen, die schon in vorrachitischer Zeit entstanden und 
verkalkt sind und beim Hinausverlegen der Rippe gelegentlich des Thoraxwachstums am wenigsten dem 
Umbau unterliegen. 

Von der Verschiedenheit der Kalkverteilung in der Corticalis abgesehen, läßt sich aber sagen, daß 
der Kalkgehalt der Corticalis im allgemeinen vom Grade der Rachitis abhängt. Ein Blick auf unsere 
Figuren belehrt uns, daß auch die Corticalis umso kalkärmer wird, je schwerer die Rachitis. In unserem 
leichtesten Rachitisfalle (21 A) war überdies zu konstatieren, daß, so wie bei normalen Tieren, die Corti- 
calis in der ganzen Rippe die größte Osteoidmenge aufwies. 

An der Grenze zwischen Osteoid und dem kalkhaltigen Knochen, also da, wo die Kalkapposition 
vor sich geht, sieht man normaliter in den meisten Fällen kaum eine Übergangszone; nur ausnahmsweise 
ist sie vorhanden, dann ist sie aber ganz schmal und feinkörnig. Bei Rachitis ist aber eine solche Über- 
gangszone recht oft zu sehen und zuweilen ist sie pathologisch breit und besonders grobkörnig. 
Dies ist nach Pommer ein für Rachitis charakteristisches Verhalten. Wir haben uns vorzustellen, daß die 
Verkalkung des Osteoids, die ja durch Einlagerung von Kalkkörnchen erfolgt, nicht in der Weise vor sich 
geht, wie man beim Aufführen einer Mauer die Ziegelsteine schon von vornherein in definitiver und 
maximaler Dichtigkeit aneinanderlegt, sondern so, daß die einzelnen Bauelemente in größeren Abständen 
von einander gelegt werden und dies Mosaik erst sekundär durch Interposition weiterer Bauelemente 
komplettiert wird. Dieses inkomplette Mosaik nun ist bei Rachitis viel lockerer, liegt in viel breiterer Zone 
vor, persistiert länger und komplettiert sich langsamer als normal. f 

Endlich sei erwähnt, daß die Kalkverarmung der Corticalis auch zu Frakturen führt, die in einem 
eigenen Abschnitt abgehandelt werden sollen. Hier sei nur soviel erwähnt, daß in zweien unserer Fälle 
diese Fraktur im Spongiosabereiche selbst saß (Fall 18, Fig. 141I, Fall 21 B, Fig. 18/, f). Diese beiden 
Frakturen kommen später nicht mehr zur Sprache, darum sei auf sie hier hingewiesen. Es wäre eine 
Wiederholung, wollten wir die Fälle hier durchbesprechen. Es sei darum insbesondere bezüglich der sehr 
interessanten Verhältnisse des Falles 21 3 auf den histologischen Befund verwiesen. 


* * 


Rachitis und Epithelkörperhen. 489 


Das Periost bietet bei Rachitis nicht viel Abweichungen von der Norm dar. Es ist manchmal, ins- 
besondere auf der pektoralen Seite verdickt, was schon Kassowitz angibt, ferner ist der Ossifikations- 
wulst zuweilen deutlich dicker als normal und endet in einer OÖssifikationsgrube, die tiefer einschnürt, als 
normal (Fig. 15). Doch ist dies nicht immer der Fall. 


Das Knochenmark weist, nicht wie bei den normalen Fällen in der Hälfte, sondern weniger als in 
einem Drittel der Fälle spärliche Fettzellen auf. Diese sind also bei Rachitis seltener, wie das Kassowitz 
auch bei menschlicher Rachitis fand. Die Gefäßfüllung schwankt sehr bedeutend und es ist nicht zu 
konstatieren, daß sie in schweren Fällen auffallender wäre, als in leichten. Während Kassowitz die 
Hyperämie als das Primäre bei der Rachitis ansieht, bestreitet Pommer ihre Anwesenheit überhaupt, 
während sie Looser als einen reparatorischen Vorgang, Schmorl als eine Begleiterscheinung regen 
Anbaues bezeichnet. Die Riesenzellen schwanken an Zahl wie normal, sind in der Regel gut entwickelt 
nur im Falle 20 und zum Teil in den Fällen 15 und 21 B sind sie klein, zusammengeschrumpft, mit 
dunklen, pyknotischen Kernen. Unter den Markzellen überwiegen die mit den großen, hellen, runden, 
gelappten oder gelochten Kernen, über die mit kleinen dunklen Kernen stets. Erstere sind zum Teil schön, 
sogar grob eosinophil granuliert, letztere zum Teil recht spärlich und dann gerne in Gruppen stehend. 
Kassowitz, Pommer und Morpurgo finden bei Rachitis vorwiegend Iymphoides Mark. 


* * 


Das Östeoid. Über das Osteoid wurde schon in den Abschnitten über die primäre und sekundäre 
Spongiosa sowie in dem über die Corticalis manches gesagt, so daß es nur noch erübrigt, einige allge- 
meine Bemerkungen zu machen. Daß das Osteoid bei Rachitis viel häufiger anzutreffen ist und eine 
größere Dicke besitzt als in den normalen Rippen, das ist eigentlich schon darum selbstverständlich, 
weil ja das vermehrte Osteoid das ausschlaggebende Kriterium bei der Beurteilung dessen war, ob ein 
Fall zu den normalen oder rachitischen gehört, ein Kriterium, das selbst wichtiger war als die Kalkverhält- 
nisse des Knorpels, die uns in manchen Fällen im Stiche gelassen haben. Wir stehen somit auf dem Stand- 
punkte der Pommer’schen Lehre, die ja der Standpunkt der gesamten modernen Rachitisforschung ist. 
Dieser verdienstvolle Forscher, der im Gegensatz zu Virchow nicht die Periost- und Knorpelveränderungen 
sondern die Kalkverhältnisse des Knochengewebes bei der Beurteilung des Wesens der Rachitis in den 
Vordergrund stellte, schaffte durch seine mühevollen Untersuchungen jene Grundlage, auf der in den 
letzten Jahren die Modernisierung unserer ganzen Anschauungen über die Rachitis durchgeführt wurde. 
Nach Pommer haben die uns noch unbekannten, der Kalkablagerung hinderlichen Momente, die aber 
außerhalb des Skelettes liegen, zur Folge, daß neuapponiertes Knochengewebe nicht verkalkt, und daher 
das Osteoid an Flächenausdehnung und Dicke zunimmt. Osteoidmessungen sind daher ein unerläßliches 
Desiderat bei der Entscheidung der Frage ob Rachitis vorliegt oder nicht. 

Unser Diagramm X Taf. IX, zeigt uns, daß die im Rachitisfalle 21 A gefundene geringste durchschnitt- 
liche Dicke des Osteoids von 10°1 y noch größer ist als die im normalen Falle 5 gefundene größte durch- 
schnittliche Osteoiddicke von 6'3 1. (Die Fälle 22 und 23 bleiben auch bei diesen Betrachtungen unberück- 
sichtigt, da sie in einem eigenen Abschnitte besprochen werden.) 

Ferner zeigte es sich, daß die Schwankung der Östeoidbreite im einzelnen Rachitisfalle 
sehr bedeutend, das heißt, der Unterschied zwischen Durchschnitt, Maximum und Minimum sehr groß 
sein kann, was darin seinen Grund hat, daß die Dicke des Osteoids in einen gegebenen Saum vor 
allem von der Dauer des Appositionsvorganges abhängt. Der osteoide Saum ist an einer Stelle noch 
schmal, weil er jung ist, an einer anderen sehr breit, weil er alt ist. Wenn also die Osteoidbreite im 
gegebenen Falle von einem so außerordentlich variablen Faktor abhängt, so ist es ja selbstverständlich, 


490 Dr. J. Erdheim, 


daß sie so erheblich variiert, was uns namentlich dann besonders stark auffällt, wenn wir das Maximum 
und Minimum des Einzelfalles bei den normalen Tieren einerseits, den rachitischen andererseits ver- 
gleichen. 


Ebenso variiert die durchnittliche Osteoidbreite bei Rachitis von Fall zu Fall in viel weiteren 
Grenzen, als bei den normalen Tieren (Diagramm X). Bei diesen haben wir eine Schwankung zwischen 2°7 
und 6'3 1, also mehr als ums’ zweifache, bei Rachitis eine solche zwischen 10'1 und 81.9 u, also mehr als ums 
achtfache. Auch diese viel größere Variabilität ist uns ganz klar, denn die durchschnittliche Osteoidbreite 
bei den Rachitisfällen hängt von einem so variablen Faktor ab, wie es der Grad der Rachitisist. Die 
Menge des Osteoids war einer der ausschlaggebenden Faktorer dafür, ob wir einen Fall zu den leichteren 
oder schweren Rachitisfällen zu rechnen hatten. Daher kommt es, daß im Diagramm zwischen dem Fall 11 
und 16 eine Grenze liegt, von der nach links sämtliche Fälle zu den leichten, nach rechts, mit Ausnahme 
des Falles 15, zu den schweren Rachitisfällen gerechnet wurden. Der zuletzt stehende, den höchsten 
Durchschnittswert aufweisende Fall 19 wurde schon bei Besprechung der histologischen Verhältnisse als 
derjenige bezeichnet, bei dem die Kalkstörung den höchsten Grad erreicht hat. 


Wir gehen zurBesprechung des DiagrammsXI, Taf. IX, über, in dem dieOste oidbreite desoberen 
Corticalisendes dargestellt ist. Zunächst haben wir zu konstatieren, daß auch hier, der geringste Durch- 
schnittswert des Rachitisfalles 12 von 15 u größer ist, als der größte Durchschnittswert des normalen 
Falles 3 von 9. Eine Übereinstimmung ist aber insoferne zu konstatieren, als die Schwankung der 
durchschnittlichen maximalen und minimalen Osteoidbreite im Einzelnfalle bei Rachitis ebenso wie in 
der Norm am oberen Corticalisende viel geringer ist als sonst in der Rippe. 


Die Variabilität der durchschnittlichen Osteoiddicke am oberen Corticalisende bewegt sich in den 
verschiedenen Fällen am normalen Material zwischen 2:5 und 9, was eine Schwankung fast um 
das vierfache bedeutet, am rachitischen Material zwischen 15 und 144 u, was eine Schwankung fast um 
das zehnfache ausmacht. Also auch am oberen Corticalisende ist bei verschiedenen Rachitisfällen eine viel 
größere Variabilität der Osteoiddicke zu konstatieren als normal, wie das auch sonst in der Rippe der Fall 
ist (Diagramm X). Auch im Diagramm XI läßt sich genau wie im Diagramm X zwischen Fall 14 und 18 
eine Grenze ziehen, von der aus alle nach links stehenden Fälle zu den leichteren, die nach rechts stehen- 
den mit Ausnahme des Falles 15 zu den schwereren Rachitisfällen gehören, und ee um steht mit dem 
höchsten Durchschnittswerte der Fall 19 am rechten Ende. 


Auch darin besteht zwischen dem normalen Materiale einerseits und dem rachitischen andererseits 
eine Übereinstimmung, als die Osteoiddicke am oberen Corticalisende durchschnittlich größer ist, 
als sonstin der Rippe (vgl. Diagramm X und XI), wiewohl diese Differenz bei Rachitis etwas größer ist 
als normal. 


Endlich ist auch sonst die Art der Osteoidverteilung auf die einzelnen Abschnitte der Rippe bei 
Rachitis die gleiche wie in normalen Fällen, nämlich die: Das dickste Osteoid findet sich am oberen 
Corticalisende, an zweiter Stelle steht der übrige Teil der Corticalis, an dritter die sekundäre 
Spongiosa. 

Wenn wir die Ergebnisse unserer an der Hand des Diagrammes X und XI gewonnenen Betrachtungen 
kurz zusammenfassen, so müssen wir sagen: Das Osteoid ist bei Rachitis ausnahmslos reichlicher 
vorhanden als normal, darum ist das Minimum bei Rachitis noch immer größer als das Maximum beim 
normalen Tier und dies gilt für die Rippe im allgemeinen und das obere Corticalisende im besonderen. Im 
allgemeinen schwankt die Osteoidbreite der Rippe im Einzelnfall bei Rachitis weit mehr als normal, was 
von der sehr verschiedenen Appositionsdauer des Osteoids abhängt und diese Schwankung ist am oberen 
Corticalisende viel geringer, worin die normalen und rachitischen Fälle übereinstimmen. Die Variabilität 
der durchschnittlichen Osteoiddicke in verschiedenen Fällen ist bei Rachitis infolge der verschiedenen 
Grade der Erkrankung viel größer als normal, und das gilt sowohl für die Rippe im allgemeinen, als auch 


Rachitis und Epithelkörperchen. 491 


für das obere Corticalisende im besonderen. Die Osteoiddicke ist am oberen Corticalisende größer als 
sonst in der Rippe und das gilt ebenso für das normale als für das Rachitismaterial. Die Reihenfolge der 
Osteoidmenge ist für die normalen und Rachitisfälle die folgende: Oberes Corticalisende, die übrige 
Corticalis, die sekundäre Spongiosa, die primäre Spongiosa. 


* * 
* 


C. Über die Kombination von Rachitis mit Marasmus. 


Zu den folgenden Ausführungen geben uns zwei Tiere unseres Materiales Anlaß, bei denen nach 
dem Obduktionsbefunde Rachitis bestand, zugleich aber auch ein hochgradiger Marasmus, der einmal 
durch sehr ausgedehnte Scabies (Fall 22), das andere Mal (Fall 23) durch sehr ausgedehnte Pneumonie 
bedingt war, über deren chronischen Charakter schon anderwärts die Rede war. Das Körpergewicht 
betrug 73, beziehungsweise 81 g, war also geringer, als in irgend einem anderen Falle unseres gesamten 
Materiales. Trotzdem die Tiere etwa I Jahr alt waren, waren sie zwerghaft klein, was auf eine sehr 
bedeutende Wachstumshemmung hindeutet, denn normale Tiere pflegen in diesem Alter schon sehr 
groß und kräftig zu sein. Beide Tiere sind im Laboratoriumstall geboren und aufgewachsen und 
verbrachten hier einen großen Teil ihres Lebens unter besonders schlechten hygienischen Verhält- 
nissen. Die Zeichen der Rachitis bestanden bei dem einen Tier (22) vor allem in sehr zahlreichen Rippen- 
kallus nach Spontanfrakturen, beim anderen (23) in opaker Beschaffenheit der Nagezähne, zwei 
Rippen- und einem Fibulakallus nach Spontanfrakturen. In bezug auf das im folgenden zu schildernde 
histologische Bild ist der Fall 22 der bemerkenswertere, weil besser ausgeprägte, und darum soll gerade 
auf diesen Fall mehr Gewicht gelegt werden. 

Über den verkalkten Rippenknorpel (Fig. 19vK,) ist nichts besonderes zu berichten. 

Der ruhende Knorpel (Fig. 19 vK) ist im Falle 22 nicht höher, im Falle 23 bloß eine Spur höher 
als normal, denn er mißt 316 x gegen 300 u in den normalen Fällen 3 und 5. Es besteht also dasselbe 
Verhalten, wie in einem Teil der übrigen Rachitisfälle. Der histologische Bau der Schicht weicht nicht von 
dem gewöhnlichen bei Rachitis ab. 

Die Knorpelwucherungsschicht (Fig. 19KX W) ist bei unseren zwei Tieren, wie in der Mehrzahl 
der Rachitisfälle und den normalen Rippen mit abgeschlossenem Wachstum niedriger als in den mittleren, 
noch rege wachsenden Rippen der normalen Tiere. Der Grund ist der, daß unter allen den drei genannten 
Umständen, bei abgeschlossenem physiologischen Wachstum, bei Rachitis und bei Marasmus das 
Knorpelwachstum stillsteht oder gehemmt ist. Die’ geringe Höhe der Knorpelwucherungsschicht 
ist der Ausdruck dafür; auch im histologischen Befunde besteht eine große Ähnlichkeit zwischen der 
Knorpelwucherungsschicht der marantischen Tiere und der gleichen Schicht jener Rippen normaler Tiere, 
welche ein abgeschlossenes Wachstum darboten, denn bei beiden sind die Zellsäulen spärlicher, 
niederer, weiter auseinander stehend (Fig. 19 KW), die sie zusammensetzenden Zellen heller, die 
Grundsubstanz reichlicher als in normalen mittleren Rippen. 

Die präparatorische Verkalkungsschicht (pV, Fig. 19) ist im Falle 22 normal hoch, wie 
auch in einem anderen Rachitisfalle; im Falle 23 mäßig höher als normal, wie bei den leichteren 
Rachitisfällen. Jene exzessive Reduktion der Schichthöhe, wie sie sich bei normalen Rippen mit abge- 
schlossenem Wachstum fand, fehlt also bei den marantischen Tieren. Hingegen ist die histologische 
Struktur die gleiche, denn die Zellen sind kleiner, zum Teil dunkler als normal, mehr rundlich als 
polygonal, und die Grundsubstanz zwischen den Säulen reichlicher, bis an ihre obere Grenze gut 
verkalkt, und die obere Grenze scharf hervortretend, während die untere Grenze nur leicht uneben 
(Fall 22) oder sehr unregelmäßig tiefbuchtig ist (Fall 23). Die vollkommene, bis an ihre obere Grenze 
reichende Verkalkung der Schicht ist auch einigen unserer übrigen Rachitistiere eigen. Nur im Falle 23 
fand sich eine Rippe, deren axialer Teil der präparatorischen Verkalkungsschicht ganz kalklos war, 


bei guter Verkalkung der marginalen Anteile, was ein Merkzeichen der Rachitis ist. 


Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC. Bd 68 


492 Dr. J. Erdheim, 


Die enchondrale Össifikation und primäre Spongiosa. Im Falle 23 verhält sich die enchon- 
drale Össifikation nicht viel anders, als in manchem anderen Rachitisfalle, denn es bricht nur hie und da 
ein Markgefäß im kalkhaltigen Knorpel eine Kapsel auf; im übrigen aber sind fast alle Gefäße rings von 
Bindegewebe umgeben, das die ganze Markbucht erfüllt und nur selten etwas zelliges Mark enthält. Die 
Bälkchen der primären Spongiosa sind sehr spärlich, ihr Knochenanwurf zeigt nicht selten Osteoidsäume 
oder ist ganz kalklos, bei fehlenden Osteoblasten. Anders im Falle 22. Hier ist ein primäres Spongiosa- 
bälkchen (Fig. 19p,Sp) nur ausnahmsweise anzutreffen und vollständig verkalkt, von einer wirklichen 
Schicht ist keine Rede. Nirgends dringen Markgefäße in den Knorpel, höchstens liegt diesem, sowie dem 
Knochenbälkchen eine Riesenzelle an und die Unterfläche des Knorpels steht überall in direktem Kontakt 
mit dem Mark der großen Markhöhle. Wir haben also hier beim Marasmus, sowie beim abgeschlossenen 
physiologischen Wachstum ein völliges Fehlen des vaskulären Abbaues und einen durch osteo- 
klastischen Abbau bewerkstelligten Schwund der primären Spongiosa. 

Die sekundären Spongiosabälkchen liegen im Falle 23 ganz locker, formieren eine normal 
hohe Schicht und weisen oft Osteoid auf, im Falle 22 sind sie nur in vereinzelten Exemplaren vor- 
handen, enthalten selten Osteoid und von einer Schicht ist keine Rede. So groß auch auf den ersten 
Blick die Ähnlichkeit zwischen dem Bilde stillstehenden Wachstums bei Marasmus einerseits und nach 
Abschluß des physiologischen Wachstums andererseits ist (vgl. Fig. 1 und 19), so muß es doch auffallen, 
daß jene typische knöcherne Schlußplatte (Fig. 1b) bei Marasmus ganz fehlt. 

Die Corticalis (Fig. 19C) ist stellenweise äußerst dünn und trotzdem jene einzige Stelle in der 
Rippe, wo Knochengewebe in nennenswerter Menge vorkommt. Dieses ist in der Hauptsache gut verkalkt. 
Im Falle 23 ist das Osteoid an der pektoralen Periostfläche am dicksten, im Falle 22 an der Endostfläche, 
bei lakunärem Abbau an der Periostfläche. Somit besteht eine konzentrische Atrophie. Sowie beim abge- 
schlossenen physiologischen Wachstum die Corticalis mit der knöchernen Schlußplatte eine statische 
Einheit bildet, so hier die Corticalis mit der präparatorischen Verkalkungsschicht, die wie 
eine Kalkplatte auf das obere Corticalisende gelegt (Fig. 19pV) und noch überdies durch ‚ganz vereinzelte 
Spongiosabälkchen gestützt ist (Fig. 19p Sp), wodurch ein ähnliches, wenn auch kein identisches Bild 
resultiert. Bei den infolge des schweren Marasmus reduzierten Anforderungen an die Festig- 
keit des Skelettes erweist sich aber diese Konstruktion sowie das überall hochgradig reduzierte 
Knochengewebe als suffizient. Genauer ausgedrückt: Bei dem arg reduzierten Körpergewicht und der 
hochgradigen Atrophie der Muskeln werden die Knochen bedeutend weniger in Anspruch genommen, 
d. h., der auf sie ausgeübte mechanische Reiz ist viel geringer und das hat zur Folge, daß der Knochen- 
anbau überall, also in Corticalis und Spongiosa, darniederliegt, was bei dem Fortbestehen des normalen 
oder gesteigerten Anbaues zu hochgradiger Atrophie führen muß. Es ist im mikroskopischen Befunde 
genauer ausgeführt, wie bei dieser Sachlage die konzentrische Atrophie zur Folge hat, daß ein marginales 
Spongiosabälkchen die Rolle der Corticalis übernehmen kann, wie die Einschnürung des oberen 
Corticalisendes gegen die Ossifikationsgrube verloren geht, und wie das obere Corticalisende sich immer 
mehr und mehr unter die Kalkplatte schiebt (siehe Skizze 2, p. 80 [442]). Aus den gleichen Skizzen ist 
auch zu ersehen, daß hier ein schönes Beispiel für das Vorkommen von calcioprotektiven Gebieten 
im Knochen vorliegt, da nur der Teil des oberen Corticalisendes verkalkt ist, der belastet ist, während der 
nicht belastete kalkfrei bleibt. 

Am Periost fand sich nichts besonderes. 

Im zelligen Knochenmark fanden sich die Gefäße stark gefüllt, die Riesenzellen spärlich 
und atrophisch, und in einem der Fälle noch stellenweise Fettzellen. 

Das bisher geschilderte Bild des Marasmus am wachsenden Knochen scheint auch Morpurgo 
vorgelegen zu sein. Er fand nämlich manchmal die Knorpelwucherungsschicht verschmälert, die sub- 
chondralen Balken spärlich und schwach ausgebildet und das Iymphoide Mark bis an die Knorpelgrenze 
heranreichend. Früher schon gab er ferner an, daß die durch Impfung rachitisch gewordenen jungen 
Ratten mager, struppig wurden, Skabies bekamen und im Marasmus starben. Nach dem histologischen 


Rachitis und Epithelkörperchen. 493 


Bilde, von dem soeben die Rede war, denkt aber Morpurgo anein »Frühstadium« der Rachitis. Namentlich 
die Spärlichkeit der subchondralen Spongiosa läßt aber an das von uns geschilderte Marasmusbild denken. 
Selbst in einem so schweren Rachitisfalle, wie es unser Tier 21 B war, fand sich die sonst bei Rachitis 
verdichtete Spongiosa stark reduziert (Fig. 18), zum Teil wohl deshalb, weil das Tier zum Schluß durch 
_ Pneumonie marantisch wurde. 

Das Osteoid ist auch bei mit Marasmus kombinierter Rachitis am ehesten noch in der Corticalis 
und ihrem oberen Ende anzutreffen, weniger in der sekundären, am wenigsten in der primären Spon- 
giosa. Im allgemeinen aber ist es nur selten anzutreffen und in ganz geringer Dicke, die aber (siehe 
Diagramm X und XI) in der Rippe im allgemeinen und am oberen Corticalisende im besonderen noch 
immer weniges größer ist, als in normalen Fällen, aber unter den Rachitisfällen zu den geringsten gehört: 
Demnach spielt das Östeoid eine so geringe Rolle, daß es nachder Untersuchung der Rippenenden 
allein schwer gefallen wäre, die Rachitis zu erkennen: Ist doch nach Pommer die Rachitisdiagnose erst 
dann gegeben, wenn das Osteoid über die überwiegende Mehrzahl der Oberflächen verbreitet und auf- 
fallend dicker ist. Aber die Untersuchung der Zähne und der Spontanfrakturen (siehe unten) hat eine 
recht bedeutende pathologische Rückständigkeit der Verkalkung aufgedeckt. 

Die Ursache aber, warum wir in der Rippe selbst trotz Rachitis so wenig Osteoid vorfinden, ist 
der Marasmus. Schon v. Ritter konnte klinisch konstatieren, daß in dem Maße, als sich beim Kind 
Tuberkulose zu entwickeln beginnt, die rachitischen Erscheinungen zu schwinden beginnen. Die Breite 
eines Osteoidsaumes hängt nämlich von zwei Faktoren ab: 1. Vom Tempo der Knochenapposition 
und 2. vom Tempo der Kalkablagerung in das kalklos apponierte Knochengewebe. Unter normalen 
Umständen besteht zwischen beiden Vorgängen eine gewisse Harmonie, so daß die Osteoidbreite bei 
der normalen Ratte in dem hier in Betracht kommenden Alter erfahrungsgemäß etwa zwischen 3 und 6 u. 
schwankt. 

Bei Rachitis kommt es aber zu einer Disharmonie zwischen beiden Prozessen, was in einer Ver- 
langsamung, zuweilen fast völligem Sistieren der Kalkablagerung, seinen Grund hat, so daß mit der 
Zeit das Osteoid zu pathologischer Dicke anwachsen muß, selbst wenn die Knochenapposition verlang- 
samt sein sollte. 

Beim Marasmus aber, der sich zu einer Rachitis gesellt, erleidet de Knochenapposition 
einen so hohen Grad pathologischer Verlangsamung, daß die Osteoidbreite selbst bei völlig fehlender 
Kalkablagerung erst nach langer Zeit und nur in sehr bescheidenen Grenzen eine pathologische Breite 
erreichen könnte, und wäre bei Marasmus die Verlangsamung der Knochenapposition gleich der rachiti- 
schen Verlangsamung der Kalkablagerung, dann müßte die Osteoidbreite trotz der bestehenden Kalk- 
störung normal bleiben, die Kalkstörung hätte sozusagen keine Gelegenheit, manifest zu werden. Wenn 
aber in einem solchen Falle an der Stelle einer Fraktur zum Zwecke der Cailusbildung die Knochen- 
apposition gesteigert wird, so wird aus diesem Grunde die Kalkstörung manifest, die Osteoid- 
säume werden pathologisch breit. 

Kommt es zum Marasmus in einem Falle ohne Rachitis, so müßte man annehmen, daß die 
Östeoidbreite unter die Norm sinkt. 

In der Osteoidarmut bei mit Marasmus kombinierten Rachitisfällen haben wir ein weiteres Beispiel 
für die Abhängigkeit der Osteoidentwicklung vom Tempo der Knochenapposition kennen 
gelernt, eine Abhängigkeit, die wir bei der Besprechung der normalen Fälle bei anderer Gelegenheit 
bereits anzunehmen gezwungen waren. Es wird am Platze sein, hier einige Literaturangaben vorzubringen, 
die sich auf ‘die Abhängigkeit der Osteoidmenge vom Tempo der Knochenapposition und zwar unter 
normalen und pathologischen Verhältnissen beziehen. 

Im normalen Skelett findet Pommer das physiologische Osteoid im postfötalen Leben mit 
zunehmendem Alter sowohl an Flächenausdehnung als auch an Dicke abnehmend und führt das darauf 
zurück, daß das Tempo des Körperwachstums, das heißt der Knochenapposition mit dem Alter abnimmt. 
Dasselbe gesetzmäßige Verhalten für die fötale Periode konnte Wieland bezüglich der Flächenaus- 


494 Dr. J. Evrdheim, 


dehnung des Osteoids nachweisen. Im Abschnitt über die normale Rippe sahen auch wir dieses Gesetz 
bei der Ratte bestätigt, wiewohl die Altersdifferenzen unserer halbwüchsigen Kontrolltiere relativ gering 
waren; aber das Messen stets der gleichen Knochenstelle, nämlich des oberen Corticalisendes, führte selbst 
unter diesen Umständen zum Ziele. So weit die Abhängigkeit vom Alter. 

Aber selbst im gleichen Skelett ist das physiologische Osteoid nach Wieland am Nahtrand der 
Schädelknochen reichlicher-als in der Rippe, denn ersterer hat ein rascheres Wachstum. Dies ist ein Bei- 
spiel für eine rein lokale Osteoidvermehrung durch lokal rascheres Tempo der Knochenapposition. 

Nach Pommer ist ferner bei Tierspezies mit rascherem Knochenwachstum auch die Flächen- 
ausdehnung und Dicke des Östeoids ‚größer und dementsprechend findet, wie schon erwähnt, auch 
Lehnerdt bei jungen Hunden großer Rassen das physiologische Östeoid so breit, daß man beim Menschen 
schon von Rachitis sprechen würde. 

Nun einige Beispiele auf pathologischem Gebiete: Nach Pommer ist bei der im Tempo 
gesteigerten Knochenneubildung etwa durch entzündliche Prozesse die Osteoidmenge pathologisch 
vermehrt, und das gilt sowohl für das sonst normale Skelett, als auch für das rachitische oder luetische. 
Ähnliches betont auch Schmor!. Als Ursache bezeichnet Pommer aber nicht das pathologische Plus an 
Knochenproduktion, sondern eine Erschwerung der Kalkablagerung durch die gestörte Zirkulation oder 
zu lebhaften Flüssigkeitsverkehr. 

Daß die Rachitis vor allem 1. an solchen Stellen des Skelettes, welche physiologischerweise schneller 
wachsen, 2. in jenen Lebensepochen, in.denen der ganze Körper schneller wächst, 3. bei wohlgenährten 
Kindern, die schneller wachsen als schlecht genährte, zur Entwicklung kommt, haben Kassowitz, 
Pommer und Schmorl] betont. So ist die Rachitis am rascher wachsenden vorderen Ende der Rippe und 
des Radius früher zu konstatieren, als am langsamer wachsenden hinteren; am schneller wachsenden 
Sagittalrand des Scheitelbeins früher als am langsam wachsenden Temporalrand; an denschnell wachsen- 
den mittleren Rippen früher als an den langsam wachsenden übrigen; an den schnell wachsenden Rippen 
früher als an den langsam wachsenden Wirbeln; beim wohlgenährten Kind eher als beim marantischen; 
beim Säugling eher, als beim älteren Kind. 

Nach Lehnerdt hat das Strontium die Eigenschaft, die Knochenapposition zu pathologischen 
Graden zu steigern, so daß die verfügbare Kalkmenge des sonst gesunden Organismus nicht reicht, um 
alles neugebildete Knochengewebe zu verkalken und das hat zur Folge, daß das. Osteoid an Menge 
beträchtlich zunimmt. 

Wenn wir (siehe unten) bei der ja zweifellos gesteigerten Knochenproduktion im Kallus unserer 
normalen Tiere das Osteoid im wesentlichen von gleicher Dicke vorfanden, wie in der Rippe, so dürfte 
der Grund dafür der sein, daß unsere Untersuchung zu spät (15 Tage nach der Fraktur) ausgeführt wurden, 
um noch die Rückständigkeit der Verkalkung des überstürzt produzierten Callus zu erweisen. 

Ist aber der Knochenanbau pathologisch verlangsamt, so nimmt das Osteoid, beim Fort- 
bestehen normaler Kalkverhältnisse, an Menge so ab, daß es spärlicher wird als normal. So findet 
Dieterle bei Schilddrüsenaplasie die Knochenverkalkung auffallend vollkommen, was er auf die für die 
Schilddrüsenaplasie typische Verlangsamung des Knochenanbaues zurückführt. Darum kommt bei 
Kretinismus nach Kassowitz und Siegert Rachitis überhaupt nicht vor. Die Verringerung oder das 
Fehlen des physiologischen Osteoids bei Osteochondritis luetica führt Wieland auf gehemmten Knochen- 
anbau bei normalen Kalkverhältnissen zurück. Nach Looser ist bei Rachitis tarda das Osteoid trotz 
schwerer Affektion darum wenig pathologisch vermehrt, weil die Knochenapposition überhaupt ge- 
hemmt ist. 

Die bei unseren marantischen Rachitisratten erhobenen Knochenveränderungen haben eine gewisse 
Ähnlichkeit mit denen beim Morbus Barlow, wie sie Schmorl geschildert hat. Beiden gemeinsam ist die 
durch mangelhafte Osteoblastentätigkeit bedingte hochgradige Knochenatrophie, die dazu führen kann, 
daß die präparatorische Knorpelverkalkungsschicht ohne Dazwischenlagerung einer Spongiosa in direktem 
Kontakt steht mit dem Mark; ferner zuweilen eine Verbreiterung der präparatorischen Verkalkungsschicht 


nn —— 


Be" 


Rachitis und Epithelkörperchen. 495 


bedingt durch die Hemmung des vasculären Knorpelabbaues. Letztere ist aber freilich bei unseren Tieren, 
im Gegensatz zum Morbus Barlow, nicht dadurch bedingt, daß das zellige Mark durch fibröses ersetzt 
wird, das zu gefäßarm ist, um den vasculären Knorpelabbau aufrecht erhalten zu können, worin nach 
Schmorl sogar der Kernpunkt der Barlow’schen Knochenveränderung liegt. Auch fehlen bei unseren 
Ratten die für den M. Barlow so typischen Blutungen im Mark und Periost. 

Weiterhin wäre in unseren Fällen an eine Knochenporose zu denken, wie sie durch kalkarme 
Ernährung entsteht, die sogenannte »pseudorachitische Osteoporose« von Stoeltzner. Nach Schmorl 
führt ferner phosphorarme aber kalkreiche Fütterung zu einer noch stärkeren Osteoporose infolge 
Hemmung der Osteoblastentätigkeit, wobei ein dem Barlow ähnliches Bild entsteht, aber ohne Blutungen. 
Zweifellos hat die Zusammensetzung der Nahrung einen großen Einfluß auf das Skelett. Die chemische 
Zusammensetzung des Futters unserer Versuchstiere wurde nicht bestimmt. Das Futter bestand dauernd 
in Weißbrot und Leitungswasser. 


496 Dr. J. Erdheim, 


II. Rachitische Veränderungen der Zähne. 


Tafel III und IV und Diagramm XII bis XXIII auf Tafel IX und X. 


Bei der Besprechung der rachitischen Veränderungen der Zähne und der zum Vergleich herbei- 
gezogenen normalen Befunde der Kontrolltiere müssen wir die Backenzähne und Nagezähne getrennt 
für sich abhandeln. Beide Zahnformen sind nämlich voneinander grundverschieden. Die Backenzähne der 
Ratte verhalten sich nämlich so wie die des Menschen, haben eine Krone mit einem Schmelzüberzug und 
Wurzeln mit einem Cementüberzug, ändern sich, wenn sie einmal ihr Wachstum abgeschlossen haben, 
nicht mehr und verharren dauernd im gleichen Zustande. Die Nagezähne besitzen eine bloß auf der kon- 
vexen Seite mit Schmelz versehene Krone, während Wurzeln und Cement fehlen und zeigen das ganze 
Leben hindurch, etwa wie unsere Nägel, ein kontinuierliches Längenwachstum, indem sie sich an der 
Nagefläche abnutzen, um ein gleiches Stück aber wieder nachwachsen und so in konstanter Länge er- 
halten bleiben. 

Unser Hauptinteresse wendet sich ’naturgemäß dem Kalkgehalte des Dentins und Cementes 
zu. Wir werden sehen, daß diese Hartgebilde, genau so wie die Knochen bei Rachitis, eine mangelhafte 
Verkalkung zeigen, vorausgesetzt, daß ihre Apposition zur Zeit der Rachitis erfolgt ist. Diese Appositions- 
zeit nun ist beim Backenzahn zeitlich beschränkt, schließt zu einem gewissen Zeitpunkte ab, während sie 
beim Nagezahn die Dentinapposition zeitlebens kontinuierlich vor sich geht. Schon daraus ergibt sich die 
Notwendigkeit, beide getrennt zu besprechen. x 

Im großen und ganzen steht es zu erwarten, daß die Kalkverhältnisse des Zahnes sich unendlich 
viel einfacher gestalten und viel leichter zu überblicken sein werden, als wie die der Knochen, 
denn der Umbau fehlt dem Dentin vollständig und spielt im Cement auch nur eine unter- 
geordnete Rolle, während er am Knochen mit seinem nie ruhenden An- und Abbau die klare Einsicht 
bedeutend erschwert. Wir stehen also beim Zahn vor einem relativ einfachen Problem. So sehen wir zum 
Beispiel am Dentin nur eine Appositionsfläche, die der Pulpa zugewendet ist, und nirgends Abbau. Die 
Untersuchung dieser einen Appositionsfläche allein gibt uns Aufschluß über die Kalkverhältnisse des 
Dentins. E 

Über das Verhalten des Schmelzes gibt unser Material fast gar keine Auskunft, weil bei der Ent- 
kalkung reifer Schmelz bekanntlich verloren geht. Wo wir es am Nagezahn aber mit pathologischem 
Schmelz zu tun haben und dieser im Schnitt erhalten blieb, wurde der Befund notiert. 

Ich habe schon früher einmal, allerdings nur kurz, über das Verhalten der Zähne spontan rachitischer 
Ratten berichtet und damals schon darauf hingewiesen, daß das histologische Bild identisch ist mit jenem, 
das wir nach der Ek.-Exstirpation bei der Ratte zu sehen pflegen. Sogar Details, wie die Gefäßeinwachsung 
ins Dentin und die Spontanfrakturen infolge Kalkverarmung des Dentins, konnten bei den spontan 
rachitischen Tieren wiedergefunden werden und die Kalkarmut des Dentins wurde damals schon durch 
die Röntgenuntersuchung erhäfrtet. 


serie 


Rachitis und Epithelkörperchen. 497 


ı. Normale Backenzähne. 
A. Kasuistik. 


Fall 1. Die Pulpahöhle ist im allgemeinen eng, die Pulpa gegen das Dentin zu mit einem schönen Odontoblastensaum begrenzt, 
der gegen die Wurzelspitze defekt wird. Das Dentin ist homogen verkalkt und weist gegen die Odontoblastenreihe eine 
ganz schmale, unverkalkte Schicht auf, die gegen die Wurzelspitze, da wo die Odontoblastenreihe fehlt, ebenfalls 
abwesend ist. Die Kalkgrenze zwischen verkalktem und kalklosem Dentin ist linear scharf, ganz glatt, ausnahmsweise 
angedeutet globulär. Das Cement ist reichlich entwickelt. Im Anfangteil der Wurzeln bildet es, wie gewöhnlich, einen 
dünnen, zellenlosen, dunkelblau gefärbten Belag, der gegen die Wurzelspitze langsam dicker wird, so daß die Gesamt- 
dieke der Wurzeln gegen die Spitze zu, trotzdem das Wurzeldentin sich verschmächtigt, nicht abnimmt, ja an der 
Wurzelspitze sogar eine deutliche, aber nicht starke Anschwellung entsteht, die fast nur vom Zement aufgebaut ist. Hier 
ist das Zement fast vollständig verkalkt, enthält mäßig viele und gleichmäßig verteilte Zellen, ausnahmsweise einmal 
eine Kittlinie, spärliche Gefäßkanäle und viele dicke Sharpey'sche Fasern, die gegen das violette, verkalkte Cement 
eine mehr rote Farbe aufweisen, aber selbst auch blaue Pünktchen und Fleckchen, namentlich gerade im Zentrum 
enthalten. Die Sharpey’schen Fasern stellen die direkte Fortsetzung des Alveolarperiostes dar und ziehen in der 
Richtung von außen nach innen, und zwar so, daß sie im Schnittbild von beiden Seiten her gegen die Wurzelspitze 
konvergieren. Die freie Oberfläche des Cementes tritt scharf hervor, ist glatt, oder beim schiefen Eintritt der Sharpey- 
schen Fasern stufig und nur selten findet man im anstoßenden Bindegewebe etliche Kalkkörnchen. An der freien Ober- 
fläche sieht man, wie die Zellen allmählich in das Cement einbezogen werden, und zwar kann man den Vorgang in 
allen Stadien verfolgen. Ein Cementoblastensaum ist an der freien Oberfläche nirgends zu sehen und ein kalkloser 
Cementsaum nur an einer einzigen Stelle der apikalen Wurzeloberfläche. Am Kieferknochen nichts Pathologisches. 

An der Stelle, wo die Wurzeln zusammenhängen, findet man zuweilen im Alveolarperiost paradentäre Epithel- 
keime, welche nahe der Wurzeln liegen oder sogar das Cement berühren. 

In einem Backenzahn ist die gesamte Pulpa samt Odontoblasten nekrotisch und auch der Dentinoidsaum fehlt 
ganz. Die Ursache dieser Nekrose konnte nicht aufgedeckt werden, und zwar wohl nur darum, weil die Wurzelspitzen, 
in denen der Pulpakanal vielleicht obturiert war, in der Serie nicht enthalten waren. Die Dicke 1. des Kronen- und 


2. Wurzeldentinoids, sowie 3. des Zementoids: 1 


1. 14 Messungen, 6°4 1 Durchschnitt, 12:5 p Maximum, 2°5 Minimum. 


212 » 6A » 12:54 > 251 » 
3. 1 Messung 50 » 5° » DELETE » 
* “ 
x : 


Fall 2 (Fig. 1). Die Pulpahöhle (7) ist, namentlich im Knochenteil, schon recht eng, so daß die von der Krone und Wurzel her vor- 
springenden Wülste (Z) stark einander genähert sind. Die Pulpa enthält viele Gefäße (k) und besitzt gegen das Dentin zu 
einen regelmäßigen Odontoblastenbelag (c), der gegen die Wurzelspitze zu Unterbrechungen aufweist (g). Die Haupt- 
masse des Zahnes wird durch das Dentin gebildet, welches homogen verkalkt ist (a, a). Gegen den Odontoblastensaum 
zu liegt ein sehr dünner Streifen kalklosen Dentins (b, b). Die Menge dieses Dentinoids ist gegen das kalkhaltige Dentin 
verschwindend gering, die Kalkgrenze zwischen beiden ist stets vollkommen glatt. Das Cement bildet an der Wurzel- 
spitze eine stärkere Anschwellung (d), welche es bewirkt, daß trotz der Verschmächtigung des Dentins die Wurzel in 
ihrer Gesamtdicke fast bis zur Spitze unverändert bleibt oder sogar eine Endanschwellung aufweist. Hier enthält das 
Cement mäßig reichliche Knochenzellen in gleichmäßiger Verteilung und sparliche Gefäßkanäle. Die Sharpey’schen Fasern 
sind rot gefärbt und enthalten zentral blaue Fleckchen. Das Cement ist stets bis an die glatte oder leicht höckerige seit- 
liche Oberfläche vollständig verkalkt. Nur vereinzelt, und zwar ausschließlich an der apikalen Oberfläche, begegnet man 
einem dünnen kalklosen Cementsaume. Die Grenze zwischen diesem Cementoid und dem kalkhaltigen Cement ist eine 
schmale, feinkörnige Übergangszone. Ein Cementoblastensaum fehlt. Kronenwärts wird das Cement immer dünner und 


überzieht in gleichmäßig dünner, zelloser, dunkelblauer, vollständig verkalkter Lage (f) mit angedeuteter Schichtung die 


1 Die gleiche Reihenfolge in den Angaben der Messungsresultate wird in allen folgenden Fällen eingehalten und darum bei 


den einzelnen Fällen nicht immer wieder angegeben. 


498 


Dr. I. Erdheim, 


Oberfläche des Wurzeldentins bis zu der Stelle, wo das Zahnfleischepithel (z) den Zahn berührt. Die Schmelzkappe ist 


infolge der Entkalkung abgefallen. Am Kieferknochen ist nichts Pathologisches wahrnehmbar. 


1. 9 Messungen, 6°8 u. Durchschnitt, 8 ya Maximum, 2°5 u Minimum. 


2.6 » DuRSgT! » 10 u » 25 » 
3.6 » 70, » 10 u » 5-On » 
% * 


Fall 3. Die Pulpahöhle ist schon recht eng. Das Dentin zeigt eine homogene Verkalkung und gegen die Pulpahöhle zu einen 


Fall 


schmalen Dentinoidsaum, gegen den die Kalkgrenze glatt ist. Das Cement ist an der Wurzelspitze reichlich entwickelt, 
bildet daselbst eine deutliche Endanschwellung, ist mäßig kernreich, arm an Gefäßkanälen und frei von Kittlinien. An 
der lateralen Seite reicht die Verkalkung des Cementes bis an die freie Oberfläche, die hier vielfach nicht glatt, sondern 
srob- und unregelmäßig wellig ist. Diese Unregelmäßigkeiten haben ihren Grund nicht etwa in lakunärem Abbau, sondern 
darin, daß das Cement an der Wurzelspitze durch Apposition von Schichten bald größeren bald kleineren Flächen- 
inhaltes wächst. Hie und da sieht man an der Cementoberfläche einen schmalen Cementoidsaum, der nie an der 
lateralen, stets an der apikalen Oberfläche angetroffen wird und gegen das kalkhaltige Cement eine ganz schmale, fein- 


körnige Übergangszone aufweist. Am Kieferknochen nichts Pathologisches. 


Messungen, 8"O u Durchschnitt, 12:5 .Maximum, 3°8 u Minimum. 


29 Er 7Ou > 88 u » 384 >» 
3. 6 » SA » Tau » 2 u » 
* * 
* 


4. Die Pulpahöhle ist schon so eng, daß im Kronenbereiche die in das Innere vorspringenden Dentinprominenzen der 


Krone und Wurzeln sich stellenweise berühren. Das Dentin ist homogen verkalkt; der dünne Dentinoidsaum ist sowohl 
gegen die Odontoblastenreihe als auch gegen das kalkhaltige Dentin glatt begrenzt und fehlt mitsamt dem Odontoblasten- 
lager sowohl an der Krone als auch an den Wurzeln auf kurze Strecken ganz. Das Cement ist an der Wurzelspitze 
reichlich entwickelt und bildet meist sogar eine deutliche Endanschwellung. Es ist hier mäßig kernreich, arm an Gefäß- 
kanälen und frei von Kittlinien. An der lateralen Fläche ist die Begrenzung des Cementes glatt oder mit dem schiefen 
Eintritt der Sharpey’schen Fasern stufig. Das Cement ist verkalkt und wie in allen normalen Fällen gegen die freie 
Oberfläche hin mehr blau gefärbt als in der Tiefe. Nur an drei Stellen, und zwar ausschließlich an der apikalen Ober- 
fläche, konnte ein dünner Cementoidsaum gesehen werden, der gegen das verkalkte Zement entweder durch eine sehr 
schmale und sehr feinkörnige Übergangszone oder durch eine ganz scharfe Linie abgegrenzt ist. 

An einer Wurzelspitze lag ein paradentärer Epithelkeim, wie er in zwei anderen Fällen an dieser Stelle gesehen, 
aber im Befunde nicht notiert wurde. Bei der Lokalisation an der Wurzelspitze ist der Keim nicht kugelig wie in jenen 
Fällen, wo er dem Anfangteil der Wurzel anliest, sondern länglich, und im vorliegenden Falle nimmt der Keim an der 
äußersten Wurzelspitze gerade den Raum zwischen Dentin und Cement ein, während er in den anderen Fällen einfach 


im Alveolarperiost hart neben der Wurzelspitze lag. Am Kieferknochen nichts Pathologisches. 


1. 11 Messungen, 5'5y. Durchschnitt, 15°Oy Maximum, 1'31 Minimum. 


22.10 » 6°I u » 13:6 u » 25 u 
3. 83 » 6°7 2 » 10-0 u » 5OM 
%* * 
x 


Fall5. Die Verkalkung des Dentins ist vollständig homogen. Das ganz dünne Dentinoid ist glatt gegen das kalkhaltige Dentin 


begrenzt und fehlt stellenweise sowohl in der Krone als auch in der Wurzel. Das an der Wurzelspitze reichlich ent- 


wickelte Cement bildet eine mäßige Endanschwellung, ist mäßig kernreich, arm an Gefäßkanälen und frei von Kittlinine. 


Falle. 


Fall. 7. 


Rachitis und Epithelkörperchen. 499 


Lateral ist das Cement bis an die freie Oberfläche verkalkt, die scharf hervortritt und bald glatt ist, bald mit dem schiefen 
Eintritt der Sharpey’schen Fasern mehr stufig wird. Das verkalkte Cement färbt sich gegen den freien Rand zu mehr 
blau. Die Sharpey’schen Fasern verhalten sich in Bezug auf Zahl und Verlaufsrichtung wie gewöhnlich, am Quer- 
schnitt sind sie mehr rot und enthalten blaue Pünktchen und Fleckchen oder sie sind in toto blaßblau und lassen bloß 
am Rande zirkulär einen ganz schmalen roten Saum erkennen. Ein ganz schmaler Cementsaum ist fast an jeder Wurzel 
vorhanden, aber ausschließlich an ihrer apikalen, nie an der lateralen Fläche zu finden und gegen das kalkhaltige 
Cement durch eine sehr schmale und sehr feinkörnige Übergangszone abgegrenzt. Der Kieferknochen zeigt ein normales 
Verhalten. 


1. 22 Messungen, 6'1 u Durchschnitt, 12:51 Maximum, 2°5p. Minimum. 


2022 > 5-5 u » Deo 2-5 >» 
3. 10 > 6-5 > 10.04 > 50% > 
* * 
* 


Die Pulpahöhle ist ganz eng, so daß stellenweise das sich konvex in die Pulpahöhle vorbauchende Dentin der Krone 
von oben und der Wurzel von unten stellenweise zur Vereinigung gekommen ist. Das Dentinoid tritt gegen das homogen 
verkalkte Dentin stark in den Hintergrund und fehlt streckenweise im Kronen- und Wurzelbereiche. An der Wurzelspitze 
ist das Cement reichlich entwickelt, bildet daselbst eine mäßige Endanschwellung, ist mäßig kernreich, arm an Gefäß- 
kanälen und frei von Kittlinien. Die laterale Außenbegrenzunsg ist glatt oder stufig und die oberflächlichste Schicht des 
kalkhaltigen Cementes mehr blau gefärbt. Ein Cementoidsaum ist nur ausnahmsweise anzutreffen, er ist stets schmal 
und sitzt nie an der lateralen, sondern nur an der apicalen Oberfiäche und ist gegen das kalkhaltige Cement durch eine 
ganz schmale, feinkörnige Übergangszone abgegrenzt. Die Sharpey’schen Fasern zeigen am Querschnitt eine rote 
Farbe mit blauen, oft zentralen Pünktchen und Fleckchen. An einer Stelle sah man am lateralen stufigen Cementrande in 
geringer, gleichmäßiger Entfernung von demselben eine ausgesprochene Palissade von Cementoblasten, die schräg über 


die Faserrichtung des Alveolarperiostes lief. Der Kieferknochen bietet nichts besonderes. 


1. 18 Messungen, 4'9 1 Durchschnitt, 7'5y. Maximum, 2°5 1. Minimum. 


PrelS » 4-4 » Tu » 251 » 
8. 3 » a) 15 » 10:0 PB » 5) B » 
* * 
* 


Die Pulpahöhle ist schon eng. Das Dentin ist homogen verkalkt. Das Dentinoid bildet nur einen ganz schmalen Saum, 
fehlt an mehreren Stellen, namentlich der Wurzeln, samt dem Odontoblastensaume und zeigt gegen das kalkhaltige 
Dentin eine ganz glatte Grenze. Das reichlich entwickelte Cement bildet an der Wurzelspitze eine deutliche End- 
anschwellung, ist mäßig kernreich, enthält nur spärliche und, wie immer bei normalen Fällen, enge Gefäßkanäle und 
vereinzelt auch Kittlinien, die keine lakunären Formen besitzen und bloß zeitweilige Unterbrechungen des Anbaues 
anzeigen. Die Oberfläche des Cementes ist glatt, oder, wie am lateralen Rande, stufig und die Randpaıtie stärker blau 
gefärbt. Die Sharpey’schen Fasern sind rot und enthalten viele blaue Fleckchen, die an Schrägschnitten beim Drehen 
der Mikrometerschraube ihren Platz wechsein und damit zeigen, daß es sich nicht um punktförmige, sondern um strich- 
förmige, zur Faserrichtung parallele Gebilde handelt. An manchen, aber nicht allen Wurzeln sah man, und zwar nur an 
der apikalen Oberfläche, einen schmalen Cementoidsaum, der mittels einer schmalen, feinkörnigen Übergangszone mit 
dem kalkhaltigen Cement in Verbindung stand. An einer Wurzel sah man ferner auch die Innenwand einiger Gefäß- 
kanälchen mit Cementoid ausgekleidet, das gegen das übrige Cement durch eine feinkörnige Übergangszone, einmal 


durch eine Kittlinie abgegrenzt war. Am Kieferknochen nichts Bemerkenswertes. 


1. 21 Messungen, 6°8y Durchschnitt, 100 Maximum, 


2:5 Minimum. 
220 » Ken » 125 u » Zu » 
3. 34 > DEGET » 10°O u » 254 » 
* 
“ % 


Denkschriften der mathem.-naturw. K1. XC. Bd. 69 


500 Dr. I. Erdheim, 


Fall 8. Die Pulpahöhle ist schon, namentlich im Kronenbereiche, sehr eng. Das homogen verkalkte, weit überwiegende Dentin 
zeigt gegen das ganz dünne Dentinoid eine glatte oder leicht globuläre Begrenzung. Das Cement bildet an der Wurzel- 
spitze eine mäßige Endanschwellung, enthält nur mäßig viele Zellen, wenige und enge Gefäßkanäle, hie und da auch 
eine Kittlinie. Die Randzone ist dunkler blau gefärbt, die laterale Oberfläche glatt oder etwas stufig. Am Querschnitt sieht 
man in den Sharpey’schen Fasern viele blaue Fleckchen. Ein Cementoidsaum findet sich nur an manchen Wurzeln, 
sitzt ausschließlich an der apikalen Oberfläche, ist schmal und mittels einer ganz schmalen, feinkörnigen Übergangs- 


zone mit dem kalkhaltigen Cement verbunden. Der Kieferknochen ohne pathologischen Befund. 


1. 17 Messungen, 6°9 1 Durchschnitt, 12'Op Maximum, 25. Minimum. 
ZT Bu. 4:9 u > 10:0 u » 2:54 » 
8 » 45 » TOM » ZOW » 


B. Das histologische Bild der normalen Backenzähne. 


Ein Blick auf die einen normalen Backenzahn darstellende Fig. 1 zeigt uns, daß das Dentin (a, a) 
die Hauptmasse des Zahnes bildet, während das Cement (d, f) an Menge stark zurücktritt. Der Schmelz- 
überzug der Krone ist durch Entkalkung verloren gegangen, so daß das Dentin scheinbar an der ganzen 
Oberfläche nackt zutage liegt. Doch zeigt uns der Abstand des Kronendentins vom Epithelüberzug des 
Zahnfleisches (z) ungefähr, wie dick der Schmelz gewesen sein dürfte. & 

In allen unseren Fällen war die mit einer engen Öffnung (k) an der Wurzelspitze mündende Pulpa- 
höhle (h) recht eng, namentlich im Kronenbereiche, wo sich die in die Pulpahöhle vorspringenden Vor- 
wölbungen des Kronen- und Wurzeldentins (2) stark einander nähern und schon fast berühren. Bei 
jüngeren Tieren, als wie wir sie in die Gruppe unserer normalen Kontrolltiere aufgenommen haben, findet 
man noch geraume Zeit nach Durchbruch der Krone die Pulpahöhle sehr geräumig und mit sehr weiter 
Öffnung an der Wurzelspitze münden. Das lockere Zellgewebe der Pulpa enthält meist gut-gefüllte Gefäße 
und ist gegen das Dentin zu mit einer gut ausgeprägten Odontoblastenreihe ausgestattet (c, c), die nur 
sehr selten und auf kurze Strecken in der Wurzel und Krone, noch eher in der ersteren, unterbrochen 
sein kann (8). 

Das Dentin ist in seiner weit überwiegenden Menge vollständig homogen verkalkt (a, a). Irgend- 
welche Unregelmäßigkeiten der Verkalkung sind nicht nachweisbar. Gegen die Odontoblastenreihe hin ist 
im Bereiche sowohl der Krone als auch der Wurzel ein schmaler Saum unverkalkten Dentins nachweisbar. 
Dieser Dentinoidsaum (b, b) ist an Menge gegen das verkalkte Dentin verschwindend gering, kann 
sogar auf kurze Strecken der Krone und Wurzel ganz fehlen, was dort der Fall ist, wo auch die Odonto- 
blastenreihe unterbrochen ist (g). Über die Dickenmasse des Dentinoids soll später im Zusammenhang 
mit dem Cementoid die Rede sein. Die Kalkgrenze zwischen dem verkalkten Dentin und dem Dentinoid 
ist linear scharf, ganz glatt und nur ausnahmsweise angedeutet globulär, das heißt die Kalkgrenze springt 
gegen das Dentinoid mit ganz flach konvexen Höckern vor. 

Das Cement beginnt am Schmelzrande und überzieht die ganze Wurzeloberfläche. Ähnlich wie 
beim menschlichen Zahn bildet das Cement am Anfangteil der Wurzel eine dünne, zellenlose Schicht (f), 
welche auf eine lange Strecke gleich dünn bleibt, oft deutlich geschichtet ist, und bei der gewöhnlichen 
Färbung so dunkel wird, daß Strukturdetails nicht gut wahrnehmbar sind. Gegen die Wurzelspitze hin 
nimmt aber das Cement rasch an Dicke zu, wird mit Knochenzellen ausgestattet und spielt hier quantitativ 
eine größere Rolle als beim Menschenzahn, so daß trotz der raschen Dickenabnahme des Dentins gegen 
das Wurzelende dieses, nicht wie beim Menschen spitz zuläuft, sondern in gleicher Dicke bis fast ans 
Ende fortzieht oder sogar eine mäßige Endanschwellung aufweist (d). Diese Endanschwellung ist also 
der Hauptsache nach aus Cement aufgebaut. In Fig. 1 sieht man, wie, in Anpassung an diese Wurzel- 
form, auch die die Wurzel aufnehmende Alveole des Kieferknochens gegen ihr blindes Ende eine Aus- 
weitung aufweist. In der Endanschwellung sind die Knochenzellen des Cementes mäßig zahlreich und 


rg re 


Rachitis und Epithelkörperchen. 501 


ungefähr gleichmäßig verteilt. Gefäßkanäle sind stets vorhanden, aber sie sind spärlich und eng. Kitt- 
linien finden sich nur ganz ausnahmsweise. 

Sharpey’sche Fasern sind im Cement in sehr großer Anzahl vorhanden, sind dick und verlaufen 
derart in schräger Richtung, daß sie, in dem Maße, als sie von der Tiefe gegen die freie Oberfläche hin- 
streben, sich auch von der Wurzelspitze kronenwärts entfernen. Im Schnittbilde konvergieren die Fasern 
der gegenüberliegenden Seiten gegen die Wurzelspitze hin. Nachdem die Sharpey’schen Fasern das 
Cement an der Wurzeloberfläche verlassen haben, ziehen sie, ohne ihre Richtung zu ändern, in der 
Wurzelhaut als Fibrillenbündel des Alveolarperiostes weiter (k), an denen die Zahnwurzel in die Alveole 
hineingehängt ist. An Querschnitten durch Sharpey’sche Fasern sieht man, daß diese im Gegensatz zur 
verkalkten, mehr violetten Grundsubstanz eine rote Farbe annehmen, also wohl kalklos sein dürften, so 
weit man das an in Salpetersäure entkalktem Material sagen kann. An Querschnitten sieht man ferner in 
der Sharpey’schen Faser zentral blaßblaue Pünktchen und Fleckchen, welche an Schrägschnitten beim 
Drehen an der Mikrometerschraube scheinbar ihren Platz wechseln, ein Zeichen, daß diese blauen 
Pünktchen bloß Quer- und Schrägschnitte von in der Faser verlaufenden Streifen sind. Ob dies strich- 
förmige Verkalkungen der Fasern sind, läßt sich bei der angewandten Entkalkungsmethode wieder nicht 
mit Sicherheit behaupten. Nur im Falle 6 sah man die Sharpey’schen Fasern am Querschnitt bis auf 
einen schmalen roten Randsaum in toto blaßblau gefärbt. Dies war auch der einzige Fall, in dem an der 
lateralen Wurzelfläche an einer Stelle eine Palissade von Cementoblasten beobachtet werden konnte. 

Das Wachstum des Cementes haben wir uns in folgender Weise vorzustellen. Unter normalen 
Umständen erfolgt die Apposition des Cementes nur an der apikalen Wurzelfläche, nicht an den Seiten- 
flächen der Wurzel. Die Apposition geschieht Schicht für Schicht, doch sind innerhalb des Cementes in 
der Regel keinerlei Schichtgrenzen wahrnehmbar. Bloß im Falle 7 war eine Andeutung davon zu sehen. 
Wenn eine Endanschwellung zustande kommen soll, so kann das nur durch Apposition von Schichten 
mit immer größerem Flächeninhalt erfolgen. 

-An der lateralen Oberfläche des Cementes im Bereiche der Endanschwellung kann man 
folgende Beobachtungen machen. Hier liegt das kalkhaltige Cement stets frei und ist niemals von kalk- 
losem Cement bedeckt, welches ein Zeichen vor sich gehender Apposition wäre. Die freie Cement- 
oberfläche tritt stets scharf hervor und ist bald glatt, bald unregelmäßig. Sind die Unregelmäßigkeiten mehr 
grob, so haben sie darin ihren Grund, daß die übereinandergelegten Cementschichten von bald größerem 
bald kleinerem Flächeninhalt sind. In den meisten Fällen sieht man aber stellenweise eine stufige Gestal- 
tung der Cementoberfläche, die so zustande kommt, daß die Schichtränder dachziegelförmig übereinander- 
liegen. Gerade an diesem stufigen Rande treten die Sharpey’schen Fasern schief in das Cement ein. 

Das Cement ist fast ganz verkalkt, von violetter Farbe, mit mehr blauer Färbung der Randpartien. 
Kalkloses Cement, Cementoid, findet sich nur da, wo Apposition erfolgt, und zwar in ganz dünner 
Schicht ausschließlich an der apikalen Oberfläche und nur in einer Wurzel des Falles 7, außerdem 
noch an der Innenfläche einiger Gefäßkanäle. Das Nähere über die Dicke der Cementoidschicht folgt weiter 
unten. Die Häufigkeit des Cementoides ist sehr wechselnd, im ganzen gering. Im Falle 5 war es fast 
an jeder Wurzel zu finden. In den Fällen 7 und 8 nur an manchen Wurzeln, im Falle 3 nur hie und da, im 
Falle 2 vereinzelt, im Falle 6 ausnahmsweise, im Falle 4 an drei, im Falle 1 gar nur an einer Stelle. Ver- 
mißt wurde es in keinem Falle. An der Grenze zwischen dem kalkhaltigen und kalkfreien Cement liest, 
ähnlich wie im normalen Knochen, konstant eine ganz schmale und sehr feinkörnige Übergangszone. 

Zur richtigen Beurteilung der Kalkverhältnisse im rachitischen Zahn ist es unerläßlich, die des 
normalen Zahnes genau kennen zu lernen. Im Diagramm XIII, Tafel IX sind die Dickenmaße des Kronen- 
dentinoids, im Diagramm XIV die des Wurzeldentinoids und im Diagramm XV die des Cementoids unserer 
normalen Kontrolltiere zusammengestellt. Es ist daraus zu ersehen, daß die durchschnittliche Dicke des 
Kronendentinoids sich zwischen 4:9 und Sp. bewegt, die des Wurzeldentinoids zwischen 4°4 und 71 y, 
die des Cementoids zwischen 4°5 und 75 g. Diese Maßreihen können als einander ganz ähnlich, ja als 
fast identisch bezeichnet werden. In allen drei Reihen ist das höchste Durchschnittsmaß nicht ganz zwei- 


502 Dr. J. Erdheim, 


mal so groß als das kleinste. Die Schwankungen im Einzelfalle, das heißt der Unterschied zwischen 
Durchschnitt, Maximum und Minimum des Einzelfallesist am Cementoid deutlich geringer als am Dentinoid. 


Ein Vergleich zwischen der Dentinoiddicke in der Krone und Wurzel im Einzellfall ergibt, 
daß sie in der Krone in fünf Fällen dicker war als in der Wurzel, zweimal umgekehrt in der Wurzel dicker 
als in der Krone, einmal in beiden gleich. Wenn wir die Dicke des kalklosen Saumes in Krone, Wurzel 
und Cement in jedem Falle nebeneinander stellen und nach ihrer Größe mit 1, 2, 3 bezeichnen, so 
können wir uns überzeugen, daß Krone, Wurzel und Cement in bezug auf die Dicke des kalklosen Saumes 
gleich häufig an erster Stelle stehen. Es gelingt also in normalen Fällen nicht, irgend welche auffallenden 
Unterschiede des kalklosen Saumes der drei Lokalisationen nachzuweisen. Bei Rachitis, wie wir später 
hören werden, ist das anders. Vergleichen wir die Kalkverhältnisse des normalen Backenzahnes (Dia- 
gramm XII, XIV, XV) mit den der normalen Rippen (Diagramm X und XI), so sehen wir, daß in letzteren 
der kalklose Saum durchschnittlich etwas, aber nicht erheblich, schmäler gefunden wurde als in den 
Zähnen. 

Bevor wir die Besprechung der normalen Verhältnisse abschließen, sei noch bemerkt, daß am 
Kieferknochen niemals irgendwelche pathologische Veränderungen beobachtet werden konnten. 
Hingegen wurde die Pulpa eines Backenzahnes (Fall 1) nekrotisch gefunden; die Ursache dieser 
Nekrose konnte vielleicht deshalb nicht festgestellt werden, weil der Zahn nicht vollständig in der Serie 
enthalten war. 

Endlich ist zu erwähnen, daß in der Umgebung der Wurzeln bei der Ratte gar nicht so selten, die 
von Malassez beschriebenen paradentären Epithelkeime nachweisbar sind, welche liegengebliebene 
Reste der epithelialen Schmelzanlage darstellen. Sie liegen im Alvolearperiost, aber im engsten Anschluß 
an die Wurzeln, meist da, wo die Wurzeln mit einander zusammenhängen, oder an der Wurzelspitze. An 
ersterer Stelle sind sie von mehr kugeliger Gestalt und können sogar in eine dellenförmige Vertiefung des 
dünnen Cementes eingelagert sein, welches an dieser Stelle infolge der Anwesenheit des Keimes in seiner 
Bildung behindert war (Fig. 8 8, 6i). An der Wurzelspitze pflegen die Keime langgestreckt zu sein, ungefähr 
parallel zur Wurzel zu liegen, ihrer Oberfläche angeschmiegt; in einem Falle (4) lag der Keim sogar in 
einer zwischen Dentin und Cement ausgesparten Höhle. 


2. Rachitische Backenzähne. 
A. Kasuistik. 


Fall 9 (Fig. 2, 3). Die Pulpahöhle (?) ist noch sehr weit, was für das geringe Alter des Tieres sehr charakteristisch ist, und 
enthält eine, an weiten Gefäßen (/f) reiche Pulpa, die mit einem Odontoblastensaum (e) gegen das Dentin zu abschließt. 
Das Dentin ist zum größeren Teil homogen verkalkt (a), doch ist der der Odontoblastenreihe anliegende Dentinoidsaum 
in hohem Grade pathologisch verbreitert (b, c, d). Im Kronenbereiche wachsen manchmal Odontoblasten in ihn ein und 
in einer Wurzel sah man ein ins Dentin eingewachsenes Gefäß mit einem breiten kalklosen Dentinhof. Diese Verbreite- 
rung des Dentinoids ist in der Krone (b) geringer als in der Wurzel (2), und hier wieder da am bedeutendsten, wo die 
Wurzeln miteinander zusammenhängen (ec). Hier kann das Dentinoid beinahe (Fig. 3) oder sogar mehr als die Hälfte der 
ganzen Dentindicke ausmachen (Fig. 2), das heißt der kalkhaltige Teil ist dünner als der kalklose. Die Kalkgrenze 
zwischen beiden ist bald ebenso linear scharf, wie unter normalen Umständen (Fig. 2 c), bald liegen an der Kalkgrenze 
im kalklosen Gebiete isolierte und konfluierende, kalkhaltige Dentinkugeln (d). Indem diese mit dem übrigen kalkhaltigen 
Dentin verschmelzen, entsteht, namentlich in der Wurzel, eine ganz unregelmäßig globuläre Kalkgrenze (Fig. 2, 3). Das 
Cement ist in gewöhnlicher Richtung von zahlreichen Sharpey’schen Fasern durchzogen, bildet an der Wurzelspitze 
(Fig. 3 k+-C) eine mäßige Endanschwellung, die bald stark bald gering ausgesprochen ist, bald zum größeren bald zum 
kleineren Teile kalklos ist (Fig. 3 k—C), und ausnahmsweise noch fehlt. Das Cementoid fehlt nur selten, liegt nicht nur 
an der apikalen, sondern oft in gleicher Dicke auch an der lateralen Wurzelfläche, ist an ersterer Stelle mittels einer 


breiten, grobkörnigen Übergangszone mit dem kalkhaltigen Cement verbunden, an letzterer Stelle aber meist durch eine 


N 1 weit 


Bar 10. 


Ban: 


Rachitis und Epithelkörperchen. 908 


noch kurze Kittlinie scharf von ihm getrennt. Im kalkhaltigen Teil selbst sind Kittlinien aber selten. Die Grenze des 
Cementoids gegen das Alveolarperiost ist zackig, denn ganze, oft breite Züge von Zellen ziehen in das Cementoid 
hinein. Im Gegensatz zu den allermeisten anderen Fällen ist die Dicke des Cementoids geringer als die des Dentinoids, 
hat auch absolut noch eine geringe Mächtigkeit und tritt gegen das kalkhaltige Cement an Menge weit zurück. Im 
Kieferknochen finden sich zahlreiche, aber schmale Osteoidsäume. 

Die Verschiedenheit in der Verteilung kalkloser Apposition zwischen Krone und Wurzel, zwischen verschiedenen 


Teilen der letzteren und zwischen Dentin und Cement wird im Allgemeinen Teil zur Sprache kommen. 


1. 28 Messungen, 26. Durchschnitt, 48 Maximum, 8p. Minimum. 


LAU » öl » I6 1 » 16 u » 
8.2.18 » 30 1. » 48 ı. > 16 » 
x x 
x 


Sowie im normalen Zahn, so tritt auch hier das Dentinoid an Menge bei weitem gegen das kalkhaltige Dentin zurück. 
Es überschreitet in der Krone durchschnittlich die normalen Maße gar nicht, in der Wurzel nur ein klein wenig und fehlt 
an vielen Stellen der Krone und Wurzel überhaupt ganz. Das Cement ist in seiner Menge nicht bedeutend, so daß es an 
der Wurzelspitze keine Endanschwellung erzeugt, sondern bloß dazu ausreicht, die Wurzeldicke trotz der Verjüngung 
des Dentins bis nahe an die Spitze in gleicher Dicke zu erhalten. Im Cement sind Kittlinien nur selten anzutreffen. 
Die Sharpey’schen Fasern erscheinen auf dem Querschnitt rot und kalklos und treten darum im kalkhaltigen Cement 
besonders deutlich hervor. Das Cementoid ist erheblich, aber nicht maximal verdickt, fast nur an der apicalen, sehr 
wenig noch an der lateralen Oberfläche anzutreffen, kernarm, nach außen meist glatt, selten zackig begrenzt, mittels 
einer breiten, grobkörnigen Übergangszone mit dem kalkhaltigen Cement verbunden und oft von einer Palisade kubischer 


Cementoblasten umsäumt. Im Kieferknochen sind die Osteoidsäume schmal und nicht überall nachweisbar. 


1. 21 Messungen, 7:61. Durchschnitt, 15°0 1 Maximum, 2:5 Minimum. 


22.116 » TOM » 12-5 u » 3:81 » 
322 » Rasa k 16:0 » 16°O u. » 
x x 
x 


Ähnlich wie im normalen Zahn tritt das Dentinoid gegen das homogen verkalkte Dentin an Menge weit zurück, denn es 
ist gegen die Norm nur unerheblich verbreitert. An der Kalkgrenze sind im Wurzelbereiche große, aber spärliche, isolierte 
Dentinkugeln zu sehen. Im Kronenbereiche findet man tief ins Dentinoid eingewachsene Odontoblasten. Die Grenze des 
Dentinoids gegen die Pulpahöhle ist manchmal höckerig und über dem Gipfel der Höcker fehlen manchmal die Odonto- 
blasten ganz. Das Cement bildet an der Wurzelspitze meist eine ganz deutliche Endanschwellung, welche zum größten 
Teil verkalkt ist, wenn auch der Cementoidsaum von sehr bedeutender Dicke ist. Im kalkhaltigen Cement findet sich 
manchmal eine Kittlinie, öfter Gefäßkanäle, aber auch verzweigte Resorptionsräume, welche sogar noch Odontoklasten 
enthalten und sich in das Cementoid einerseits, ins kalkhaltige Dentin andrerseits hineinerstrecken können. Zuweilen 
sind aber diese Räume wieder mit Cementoid ausgekleidet, das durch eine Kittlinie gegen das kalkhaltige Cement 
abgegrenzt ist. Das Cementoid ist auffallend zellarm, oft sogar fast zellos, der Hauptmasse nach an der apikalen Ober- 
fläche gelegen und hier vermittels einer breiten, grobkörnigen Übergangszone mit dem kalkhaltigen Cement verbunden. 
An der lateralen Wurzeloberfläche liegt weniger Cementoid, das hier durch eine Kittlinie vom kalkhaltigen Cement 
abgegrenzt ist. Wie in allen Rachitisfällen, so weist auch hier das kronenwärts gelegene dünne Cement normale Ver- 


hältnisse auf, insbesondere ist es stets vollständig verkalkt. Im Kieferknochen sind Osteoidsäume überall zu sehen. 


1. 16 Messungen, 12'211. Durchschnitt, 25. Maximum, 5]. Minimum. 


2 13 » 10°0 P >» lo u » DT » 
3. 20 » s1’6M » 160 p. » 32 » 
35 * 


504 Dr. J. Erdheim, 


Fall 12 (Fig. 4). Der kalkhaltige Teil des Dentins (k + D) ist von normalem Aussehen und überragt das Dentinoid bedeutend an 
Menge, das nur unerheblich verdickt ist (k—_D) und in der Figur einen normalen Eindruck macht. Die Entwicklung des 
Cementes ist sehr wechselnd; bald ist es so spärlich, daß die Wurzel spitz endet, wobei es auch noch fast ganz verkalkt 
sein kann, bald ist es viel reichlicher und erzeugt an der Wurzelspitze eine verschieden dicke, sogar bedeutende End- 
anschwellung, die zur Hälfte (k—C) oder fast ganz kalklos sein kann. Das Cementoid liegt stets auf dem kalkhaltigen 
Cement, niemals direkt auf dem Dentin und oft der Hauptsache nach an der apikalen, viel weniger auf der lateralen 
Wurzellläche (Fig. 4). An letzterer Stelle sind das kalkhaltige Cement alter Bauperiode und das kalklose neuer Bau- 
periode durch eine scharfe Kittlinie voneinander getrennt, an ersterer Stelle vermittels einer breiten, körnigen Über- 
gangszone miteinander verbunden. Dabei sind die groben, ovalen Kalkkörner mit ihrer Längsachse parallel zur Richtung; 
der Sharpey’schen Fasern orientiert, die in typischer Richtung und reichlicher Menge vorliegen. Im kalklosen Cement 
vind die Knochenzellen etwas spärlicher als im kalkhaltigen und zum Teil nekrotisch, was wohl Quetschungseffekt 
dieses massigen, weichen Gewebes sein dürfte, entstanden durch Bewegungen des Zahnes. Im Kieferknochen sind 


Osteoidsäume an auffallend vielen Balken, doch nur in geringer Dicke vorhanden. 


1. 14 Messungen, 11'61. Durchschnitt, 25°O u Maximum, 5'O u Minimum. 


2, 18 > 112 u » 225 u >» To > 
3. 21 » 810 >» 2720 u » 16:0 u » 
x x 
x 


> 


Fall 13. Das Dentinoid tritt dem homogen verkalkten Dentin gegenüber nicht mehr so stark in den Hintergrund, wiewohl es nur 
einen kleinen Teil des gesamten Dentins ausmacht. Es ist erheblich gegen die Norm verdickt, und, wie zumeist, in der 
Wurzel mehr als in der Krone. In letzterer kommt es gelegentlich vor, daß Odontoblasten ins Dentinoid einwachsen. An 
der Kalkgrenze kommen im Wurzelbereiche isoliert im Dentinoid liegende Dentinkugeln vor. Das Cement ist reichlich 
entwickelt und bildet an der Wurzelspitze stets eine Endanschwellung, die, bald gering, bald stark ausgesprochen und 


von zahlreichen Sharpey’schen Fasern in der gewöhnlichen Richtung durchzogen ist. Kittlinien sind nur selten anzu- 


abgegrenzt ist. Das Cement ist bald zum kleinen, bald zum größeren Teil kalklos. Das Cementoid ist gegen die Norm 


[; 


beträchtlich vermehrt, besonders kernarm, stellenweise fast kernlos, und liegt der Seitenfläche der Wurzel oft in gleicher | 


| 


| 


B 

Dicke auf wie an der apikalen Fläche. An ersterer Stelle ist das Cementoid vom kalkhaltigen Cement durch eine Kittlinie | 
= : . 

scharf abgegrenzt, an letzterer mittels einer breiten, grobkörnigen Übergangszone mit ihm verbunden. Im Kieferknochen 


gibt es nur wenig Osteoidsäume. 


1. 20 Messungen, 30:0 p. Durchschnitt, 50°0 u Maximum, 17'5}. Minimum. 


2. 19 » 328 1. DE 5751 > 12-5 u » 
SAL: » 81-81 » 192-0 1. > 48-0. > 
x * | 
* 


Fall 14 (Fig. 5). Das Dentinoid (a) ist gegen die Norm nur unerheblich verdickt, so daß es in der Figur das Normalmaß noch nieht 
zu übersteigen scheint. Es kann auch auf lange Strecken der Krone und Wurzeln ganz fehlen (c). Das Cement (2) ist in 
typischer Richtung von zahlreichen Sharpey’schen Fasern durchzogen (in der Figur an der Streifung bei eund » zu 
erkennen) und bildet an der Wurzelspitze eine mächtige Endanschwellung, für die, wie die lakunäre Resorptionsfläche 


der knöchernen Alveolarwand bei g zeigt, erst Platz geschaffen werden mußte. Daß der Aufbau des Cementes nicht 


durchwegs kontinuierlich erfolgte, erkennt man an der Kittlinie f, welche die dem Dentin (b) angelagerte, zylindrische 


Cementmasse alter Bauperiode (i), die im Bilde einen helleren Farbenton aufweist aber gut verkalkt ist, vom Cement 


neuer Bauperiode abgrenzt, welches in den tieferen Schichten (d) schon verkalkt, in den obersten aber (e) kalklos ist. 
Diese Cementoidschicht (e) ist deutlich, aber nicht sehr hochgradig gegen die Norm verdickt, kernärmer als das 
kalkhaltige Cement (d), mit dem es vermittels einer breiten, krümeligen Übergangszone verbunden ist. Wir haben also 
hier den ungewöhnlichen Fall, in dem nicht nur an der apikalen, sondern auch an der lateralen Wurzelfläche das 


Cementoid eine körnige Übergangszone aufweist. Die Ursache ist einfach die, daß das Cement neuer Bauperiode, das 


Rachitis und Epithelkörperchen. 505 


vom alten Cement seitlich wohl durch eine Kittlinie abgegrenzt ist, zum Teil schon Kalk aufgenommen hat (d) und in 


der Verkalkung fortschreitet. Im Kieferknochen gibt es viel Osteoid, am meisten am Gipfel der Alveolarsepten und an 


der Innenwand der Alveolen. 


1. 19 Messungen, 130 u Durchmesser, 175». Maximum, 75 y. Minimum. 
2226) BF, 8Iu » 175% » 50 » 
829 » 57314 » 112-0 y » 16°O u 
* * 
* 


Fall 15. Das Dentinoid ist deutlich aber mäßig gegen die Norm verdickt und, wie zumeist, in der Wurzel etwas dicker als in der 
Krone. Gegen die Wurzelspitze fehlt es oft, in der Krone ist es manchmal von Odontoblasten durchwachsen. Das 
Cement ist bald gering entwickelt und bildet gar keine, bald ist es reichlicher und bildet eine deutliche aber mäßige 
Endanschwellung. Es ist stets zum größeren, oft zum weitaus größten Teile verkalkt, trotzdem ist das Cementoid in 
erheblichem Grade pathologisch verdickt, dabei enorm zellarm, fast zellos, hie und da von einem Gefäß durchwachsen. 
An der breiten, grobkörnigen Kalkgrenze liegen die isolierten, großen, ovalen Kalkkörner mit ihrer Längsachse parallel 
zu den Sharpey’schen Fasern, welche massenhaft vorliegen und in der gewöhnlichen Richtung verlaufen. Das kalk- 
haltige Cement weist viele Gefäßkanäle auf, aber auch nicht selten tiefe, mit Bindegewebe erfüllte Resorptionsbuchten 
und endlich 2 bis 3 Kittlinien von schubweisen Wachstumsperioden. Im Kieferknochen finden sich allenthalben Osteoid- 


säume, die dicksten am Gipfel der Alveolarsepta. 


1. 13 Messungen, 11°5j. Durchschnitt, 30p. Maximum, 5°0 1 Minimum. 


PRIO > 12:8 u » 20 u » 754 » 
3. 18 » 76°O u » 208 y. » 16:0 u » 
* * 
x 


Fall 16 (Fig. 6). Die durchschnittliche Dicke des Dentinoids überschreitet in der Krone die normale Grenze gar nicht, in der 
Wurzel (b) nur spurenweise, so daß in der Figur der Kalkgehalt des Dentins normal erscheint. Auf eine lange Strecke 
(c) kann das Dentinoid so wie in normalen Fällen ganz fehlen. Trotzdem das Cement (d) reichlich entwickelt ist, bildet 
es an der Wurzelspitze entweder gar keine oder nur eine geringe Endanschwellung. Das Cement ist zum größten Teile 
gut verkalkt (d), enthält oft Kittlinien, liegt zum größten Teil von Cementoid unbedeckt, zum Teil mit lakunären Resorp- 
tionslinien bloß (%). Die massenhaften Sharpey’schen Fasern sind am Querschnitt rot, mit vielen blauen Fleckchen. 
Auch im Cementoid sieht man die Sharney’schen Fasern, denn sie sind dunkler rot als dieses. Das Cementoid ist 
ansehnlich, aber nicht maximal verdickt (e) und kann noch viel dicker sein als in der Fig. 6. Es sitzt fast ausschließlich 
an der Wurzelspitze (e), sehr wenig an der seitlichen Wurzeloberfläche, hat nach außen meist eine glatte, selten eine 
zackige Begrenzung, ist sehr kernarm und gegen das kalkhaltige Cement meist durch eine scharfe Linie abgegrenzt, wie 
das im Dentin zu sein pflegt. Selten ist die Kalkgrenze eine schmale, feinkörnige Übergangszone. Im Kieferknochen 


gibt es viele breite Osteoidsäume (f), welche am dicksten sind am Gipfel der Alveolarsepta (g) und am Alveolarrand. 


1. 33 Messungen. 7'6y. Durchschnitt, 15j. Maximum, 2°5 1 Minimum. 


2. 24 » 77 U > 15 u >» 254 » 
3. 31 » 65.5 4 » 128 u » 80n » 
* x 
* 


Fall 17. Das Dentinoid ist in sehr ausgesprochenem Grade aber nicht maximal pathologisch verdickt, wie gewöhnlich in der 
Wurzel dicker als in der Krone und in der Wurzel wieder da am dicksten, wo sie mit einer anderen Wurzel zusammen- 
hängt. An der Grenze zwischen dem Dentinoid und dem homogen verkalkten Dentin findet man nur selten isolierte 
Dentinkugeln. Das Cement ist nicht besonders reichlich entwickelt, bildet an der Wurzelspitze höchstens eine ganz 
geringfügige Endanschwellung, welche stets zum größeren Teil verkalkt ist. Die sehr zahlreichen dicken und dicht 


zusammenliegenden Sharpey’schen Fasern sind am Querschnitt rot gefärbt und fallen darum im kalkhaltigen Cement 


506 Dr. J. Erdheim, 


‚viel mehr auf als im gleich gefärbten kalklosen. Kittlinien sind nur selten anzutreffen. An der lateralen Oberfläche liegt 
das kalkhaltige Cement sehr oft mit lakunär angenagter Oberfläche frei und auch im Bereiche des dünnen Cementes, 
also im Anfangteil der Wurzeln, findet man auffallend häufig tiefe Lakunen, die bis in das Dentin hineinreichen und nur 
selten noch einen Odontoklasten aufweisen, zumeist schon mit Bindegewebe ausgefüllt sind. Das Cementoid ist auf- 
fallend zellarm, erheblich, aber nicht maximal verdickt, liest mit seiner Hauptmasse an der apicalen Wurzelfläche und 
ist hier mittels einer breiten, aber nicht sehr grobkörnigen Übergangszone mit dem kalkhaltigen Cement verbunden, 
während es an der lateralen Oberfläche nur in dünner Schicht liegt und hier meist durch eine Kittlinie vom kalkhaltigen 
Cement abgegrenzt ist. Im Kieferknochen sind Osteoidsäume zahlreich aber mäßig breit. Besonders breit sind sie an der 


Innenfläche der Zahnalveolen und dem Gipfel der Alveolarsepta. 


1. 23 Messungen, 17'4y Durchschnitt, 32:51 Maximum, 7°5n Minimum. 


223 > 218 1 » 78:04 > 751 » 
3. 26 > 710% > 1600 u » 32:0 u » 
* % 
%* 


Fall 18. Das Dentinoid ist sehr erheblich, fast maximal verbreitert, an der Wurzel wie gewöhnlich dicker als an der Krone und 
an ersterer Stelle am stärksten da entwickelt, wo die Wurzeln miteinander zusammenhängen. Isolierte Dentinkugeln sind 
an der Kalkgrenze nicht selten, ebenso auch Einwachsungen von Odontoblasten ins Dentinoid. Das Cement ist gut ent- 
wickelt und erzeugt an der Wurzelspitze stets eine Endanschwellung, die bald stärker bald schwächer ausgebildet und 
zur Hälfte oder zum größeren Teil kalklos ist. Im kalkhaltigen Teil finden sich Resorptionshöhlen, die zum Teil schon j 
wieder durch kalkloses Cement ausgekleidet sind, wobei eine Kittlinie das alte kalkhaltige vom neuen kalklosen scheidet. i 
Das Cementoid ist so mächtig entwickelt, daß es nur gegen den Fall 19 zurücksteht. Es hat gegen das Bindegewebe hin 
eine bald glatte, bald stark zackige Oberfläche, sitzt vorwiegend an der apikalen, weniger an der lateralen Oberfläche | 
und ist an ersterer Stelle mittels einer sehr breiten, aber nicht sehr grobkörnigen Übergangszone mit dem kalkhaltigen 
Cement verbunden, an letzterer Stelle aber durch eine Kittlinie von ihm getrennt. > | 

An mehreren Wurzeln, dort wo sie zusammenhängen, oder nicht weit von dieser Stelle, findet man Spontan- | 


frakturen. Stets ist die hier dünne Cementlage und der kalkhaltige Teil des Dentins zerbrochen und.das Dentinoid 


samt der Pulpa halten die Kontinuität des Zahnes aufrecht. Das Dentinoid ist dann meist stark verdickt und entweder 
von Odontoblasten durchwachsen oder von so vielen Gefäßen durchzogen, daß es förmlich wie eine Spongiosa aus- 
- sieht. Die Bruchfläche des Cementes und des kalkhaltigen Dentins ist lakunär angenagt und der Defekt mit Bindegewebe 
gefüllt, oder aber sogar schon mit verkalktem Cement. Im Kieferknochen sind die Osteoidsäume in ansehnlicher Zahl 


und Dicke anzutreffen. 


1. 30 Messungen, "34-9 p Durchschnit, 64 Maximum, 16 Minimum. | 
ZERO » 61:0 1 » 144 » 16 u » 
322: » 1020 1. > 192 u » 16 u > 


Fall 19 (Fig. 7). Das Dentinoid (k—D) ist in ansehnlichem Grade, aber nicht maximal verdickt. Das Durchschnittsmaß ist in der 
Krone etwas größer als in der Wurzel, aber auf die größte normale Durchschnittsdicke bezogen, ist das Dentinoid 
sowohl in der Krone als auch in der Wurzel aufs 3°2fache verdickt. Die Kalkgrenze pflegt meist scharf zu sein, nur 
manchmal liegen an der Grenze im Dentinoid isolierte Dentinkugeln. Hie und da begegnet man einer Blutkapillare, die 
aus der Pulpa ins Dentinoid eingewachsen ist. Das Cement ist reichlich entwickelt, bildet an der Wurzelspitze eine 
beträchtliche Endanschwellung und ist oft zum größten Teil kalklos (k—C). Das Cementoid erreicht in diesem Falle, 
genau so wie das Östeoid in den Rippen die größte Dicke im ganzen Materiale, ist etwas zellärmer als das kalkhaltige 
Cement (k + C), ist nicht nur an der apikalen, sondern auch an der lateralen Oberfläche der Wurzel mächtig entwickelt” 
und an ersterer Stelle vermittels einer schmalen und feinkörnigen Übergangszone mit dem kalkhaltigen Cement ver- 
bunden, an letzterer Stelle durch eine Kittlinie von ihm abgegrenzt. Im Kieferknochen eibt es sehr breite Osteoidsäume, 


die breitesten am Gipfel der Alveolarsepta (O) und an der Innenflächerder Alveolen. 


Rachitis und Epithelkörperchen. 507 


1. 12 Messungen, 258 u Durchschnitt, 40, Maximum, 12°5j. Minimum. 


2lo » 2254 » 35 4 » 10:0 1. » 
Bm25 » 117Oyu » 192 u. » 640 1. > 
x x 
x 


Fall 20. Der Kalkgehalt des Dentins scheint bei der einfachen Betrachtung des Schnittes normal zu sein, doch ergibt die 
Messung, daß das Dentinoid in der Krone das normale Maximum wohl gar nicht, in der Wurzel aber ein klein wenig 
übersteigt. Das Cement beginnt in Form eines dünnen, parallelrandigen, dunkel gefärbten, wenig Struktur verratenden 
Belages gerade dort, wo das Epithel des Zahnfleisches dem Zahn anliegt; gegen die Wurzelspitze zu schwillt es aber zu 
einer auffallenden Verdickung an, an der wir zwei Schichten zu unterscheiden haben: eine innere alte, dem Dentin 
direkt aufliegende, mit vielen unregelmäßigen Knochenkörperchen, die nach außen etwas dichter liegen als nach innen 
und spärlichen Gefäßkanälen, die innen mit einer Knochenschicht ausgekleidet sind. Diese grenzt sich durch eine Kitt- 
linie nach außen ab. Das alte Cement ist vollständig verkalkt, in den tiefen Schichten rotviolett, in den oberflächlichen 
blauviolett. Der alten Cementschicht ist von außen. und zwar sowohl an der apikalen als auch an der lateralen Ober- 
Näche eine mächtige, fast maximal dicke, jüngere, sehr zellarme Cementoidschicht aufgelagert, die lateral durch eine 
Kittlinie, apikal durch eine breite, grobkörnige Übergangszone mit dem kalkhaltigen Cement verbunden ist. In dieser 
Übergangszone sind die Kalkkörner groß, oval und stehen mit ihrer Längsachse parallel zu den Sharpey’schen Fasern, 
die sehr diek und zahlreich sind und in der gewöhnlichen Richtung verlaufen. Wir haben es also mit zwei Bauperioden 
im Cement zu tun, von denen die zweite zu einer Zeit einsetzte, als an der apikalen Fläche das Wachstum noch vor sich 
ging, an der lateralen Oberfläche aber das Wachstum geruht hatte. Der Kieferknochen ist aus dicht stehenden 
Spongiosabälkchen aufgebaut, deren Osteoidsaum oft breiter ist als das verkalkte Bälkchenzentrum. Die großen 
Markhöhlen enthalten zelliges, die kleinen fibröses Mark. Im Unterkieferknochen fanden sich mehrere feinste 
Frakturspalten und in zweien von ihnen konnten sogar Knorpelzellen nachgewiesen werden, denen die Bedeutung eines 


Knorpelkallus beizulegen ist. 


1. 12 Messungen, 7'5jp. Durchschnitt, 20:0 u Maximum, 2'511. Minimum. 


le >» 10:2 u > 175» » 25 » 
2 115 » 90:0 u » 140°0 u. » 24:0 u » 
%* * 
x 


Fall 21 (Fig. 8). Das Dentinoid ist in sehr erheblichem Grade, aber noch nicht maximal pathologisch verdickt, und zwar wie 
gewöhnlich, in der Krone weniger als in der Wurzel, und in dieser wieder am stärksten da, wo die Wurzeln zusammen- 
hängen (b). An dieser Stelle sieht man auch, daß die Odontoblasten, welche sonst in Reih und Glied liegen, oft tief ins 
Dentinoid hineingeraten sind (e). An der Kalkgrenze liegen teils isolierte Dentinkugeln (d), teils sind diese schon kon- 
fluiert und erzeugen eine exquisit globuläre Beschaffenheit der Kalkgrenze (c). Das Cement ist reichlich entwickelt, die 
Endanschwellung der Wurzelspitze ist aber meist noch gering. Das Cementoid ist sehr bedeutend verdickt, sitzt fast 
ausschließlich an der apikalen Wurzeloberfläche, ist nach außen glatt, selten zackig begrenzt und kernarm. Die Kalk- 
grenze ist selten eine schmale, feinkörnige Übergangszone, öfter ganz scharf. Es finden sich im vorliegenden Falle 
einige paradentäre Epithelkeime (g), welche in engster Nachbarschaft der Wurzeln, gerade da, wo diese zusammen- 
stoßen, im Alveolarperiost liegen und zum Teil, wie in der Fig. 8, in ein passendes Grübchen des dünnen Cementüber- 
zudes eingelassen sind. 

An einem der Backenzähne fand sich eine alte Caries. Die Pulpa war bereits eröffnet, an der bloßliegenden 
Fläche mit Bakterien bewachsen, tiefer hinein ganz nekrotisch und noch tiefer eitrig infiltriert; erst an der Wurzelspitze 
war die Pulpa frei von entzündlichen Veränderungen. Die Bakterien sind auch ins Dentin, und zwar in die Dentin- 
kanälchen hineingewachsen, die dann ganz blau erscheinen. Im Kieferknochen findet sich viel Osteoid (), das meiste 


am Gipfel der Alveolarsepta und an der Innenfläche der Alveolarwand (1). 


1. 27 Messungen, 27°2 1. Durchschnitt, 32. Maximum, 8}. Minimum. 


PDS » 40:0 u » I6 u > 16 u. » 
Bu 22 » 654 » 112 u. > 32 u » 
% % 
* 


Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC. Bd. 70 


008 


Fall 22. 


Fall 23 (Fig. 


Dr. I. Erdheim, 


Wiewohl das Tier etwa ein Jahr alt war, war die Pulpahöhle noch sehr weit, wie sie das bei ganz jungen Tieren zu 
sein pflegt. Das Dentinoid ist in der Wurzel maximal, in der Krone fast maximal verbreitert. Am breitesten ist es da, wo 
die Wurzeln miteinander zusammenhängen, woselbst es an der Kalkgrenze massenhaft isolierte und miteinander ver- 
backene Dentinkugeln gibt. Das Cement ist, wie wir ass ebenfalls bei jungen Tieren zu finden pflegen, noch gering 
entwickelt, so daß an der Wurzelspitze meist kaum noch eine Endanschwellung entsteht. Das Cement ist zum weitaus 
größten Teil verkalkt, gegen die Peripherie zu dunkler blau gefärbt, arm an Knochenzellen und Gefäßkanälen, und reich 
an Sharpey,schen Fasern, die am Querschnitt rot gefärbt und mit blauen Fleckchen besetzt sind. Das Cementoid ist 
sehr spärlich vertreten, ja sogar am dünnsten in der ganzen Reihe, trotzdem aber noch immer etwas dicker als normal. 
Es steht das im schroffen Gegensatz zum Dentinoid, welches in der Wurzel zum Beispiel dicker war als bei irgend 
einem anderen Falle. 

An einer Wurzel findet sich eine Spontanfraktur, in deren Bereiche das Cement und das kalkhaltige Dentin zer- 
brach, das Dentinoid aber nur etwas eingerissen ist. Das untere Fragment war ins obere etwas eingekeilt. Die Splitter 
lagen zum Teil im Frakturspalt, zum Teil sind sie ins Alveolarperiost hineingetrieben worden. Im Kieferknochen konnte 


fast gar kein Osteoid nachgewiesen werden. 


1. 25 Messungen, 33:0. Durchschnitt, 48jp Maximum, 16} Minimum. 


225 » 66'2 u 1 160 1. » 32 1 [i 
eh ©) » 10:0 L 16 1 » EyT 1 
x 
x x 


9). Auch bei diesem Tier war die Pulpahöhle, ähnlich wie beim vorhergehenden, besonders geräumig (P). Das Dentinoid 
(b, d, e) verdickt, wie gewöhnlich in der Wurzel dicker als in der Krone, wiewohl das Kronendentin hier dicker ist als 
in irgend einem anderen Rachitisfalle. Am dicksten ist das Dentinoid da, wo die Wurzeln zusammenhängen (e) und 
ebenda findet man an der Kalkgrenze besonders große, isolierte Dentinkugeln. Das Cement (z) ist bald wenig entwickelt 
und erzeugt keine Anschwellung an der Wurzelspitze, bald ist es mäßig entwickelt und dann gibt es eine mäßige 
Anschwellung. Das Cement ist entweder in toto verkalkt oder es weist einen dünnen, kalklosen Saum auf (f), oder es 
ist, wenn auch schon seltener, ein großer Teil des Cementes kalklos (g, h). An zwei Wurzeln sah man in ganz unge- 
wöhnlicher Weise die superfiziellsten Teile des Cementes verkalkt, darunter aber kalklose Partien. 

In einem Backenzahn war ferner folgender ungewöhnliche Befund zu erheben. In einer der Wurzeln und an einer 
Stelle der Krone lag ein schwarzblaues, die Pulpahöhle vollständig obturierendes Gebilde, welches bei starker Ver- 
srößerung sich aus dunkelblauen, zackigen Gebilden wie geschrumpften Kernen zusammensetzte, also nekrotisch war. 
Der zwischen beiden Gebilden gelegene Pulpateil war auf diese Weise aus der Zirkulation ausgeschaltet und nekrotisch, 
während jenseits der fraglichen Gebilde die Pulpa zum Teil hyperämisch, zum Teil sklerotisch, aber nirgends nekrotisch 
war. Im Bereiche der nekrotischen Pulpastrecke hafteten der Innenfläche der Krone zwei kleine, ebenfails nekrotische 
Gebilde an, welche zackige Zellhöhlen enthielten und verkalkt gewesen sein mußten, denn sie verlieren sich gegen das 
nekrotische Pulpagewebe in Form isolierter Kalkkörner. Dieser Befund, der mit den uns vor allem interessierenden 
Kalkverhältnissen in keiner Weise zusammenhängt, sei nur nebenbei erwähnt. Der Kieferknochen ist im allgemeinen 


gut verkalkt. Ansehnliche Osteoidmengen findet man als Auskleidung Volkmann’scher Kanäle. 


1. 30 Messungen, 36°8 1 Durchschnit, 48y Maximum, .24 1 Minimum. 


2. 30 > 63-7 u > 160 yı > 16 u. 
3. 16 > 57-0 > 128 p. > 32 1 
* * 


Rachitis und Epithelkörperchen. 509 


B. Das histologische Bild der rachitischen Backenzähne. 


Bei den folgenden Ausführungen soll vor allem auf jene Punkte Rücksicht genommen werden, in 
denen sich der rachitische Backenzahn vom normalen unterscheidet. 

Die Pulpahöhle der Backenzähne unserer Rachitistiere ist sehr verschieden weit. Zum Teil 
(Fig. 4 bis 6 P) nicht weiter als bei den normalen Kontrollfällen, zum Teil aber bedeutend geräumiger 
(Fig. 2, 3, 7 P) mit sehr weiter Mündung der Pulpahöhle an der Wurzelspitze (Fig. 3 h). Diese Unterschiede 
liegen vor allem im verschiedenen Alter der Tiere. Es ist bereits oben erwähnt, daß schon unter normalen 
Umständen beim jungen Tier auch nach dem Durchbruch der Krone die Pulpahöhle noch längere Zeit 
sehr weit, die Dentindicke gering bleibt. Dieses Verhalten ist somit ein Zeichen des noch geringen, eine 
enge Pulpahöhle und dickes Dentin ein Zeichen des reifen Entwicklungsstadiums des Zahnes. An einer 
anderen Stelle ist gleichfalls schon ausgeführt, daß bei sonst gleichen Bedingungen aus dem Gewicht des 
Tieres auf sein Alter geschlossen werden kann. Es stimmt damit gut überein, daß die Tiere 12, 14, 16, 
denen die eine enge Pulpahöhle aufweisenden Figg. 4 bis 6 entsprechen, zu den schwersten, also ältesten 
Tieren gehören, während die Tiere 9 und 19, denen die eine weite Pulpahöhle aufweisenden Fig. 2, 3,7 
entsprechen, die leichtesten, also jüngsten Tiere unserer Versuchsreihe sind (von den marantischen Tieren 
22 und 23 abgesehen). 

Die durch eine sehr geräumige Pulpahöhle aufiallende Fig. 9 (P) stammt von dem rachitischen und 
schon seit langem hochgradig marantischen Tier 23, das etwa ein Jahr alt war. Für dieses Alter ist die 
Pulpahöhle als pathologisch weit zu bezeichnen, was sofort auffällt, wenn wir sehen, daß die Fig. 9 in 
vieler Hinsicht eine große Ähnlichkeit mit der Fig. 3 aufweist, die dem noch sehr jungen, rachitischen, 
aber wohlgenährten Tier 9 angehört. Wir sehen also bei mit Rachitis kombiniertem, lang dauernden 
Marasmus den Backenzahn zufolge einer Wachstumshemmung abnorm lange Zeit einen juvenilen 
Charakter beibehalten. 

Das Dentin ist, trotz der Rachitis, bei allen Tieren zum weitaus größeren Teil verkalkt gewesen 
(Fig. 2 bis 9) und am verkalkten Dentin war nichts pathologisches wahrnehmbar. An der charakteristischen 
Stelle, nämlich an der der Pulpa zugewendeten Fläche, der Appositionsfläche des Dentins, findet sich 
natürlich auch bei Rachitis im Bereiche der Krone und Wurzeln eine Dentinoidschicht, welche in der 
Wurzel ausnahmslos, in der Krone fast immer die normalen Dickenmaße, selbst bis um das neunfache 
übersteigt (Fig. 2, Se, Fig. 7k—D, Fig. 8d, Fig. 9b, d). Das Dentin, welches ein dem Knochen homo- 
loges Gewebe ist, verhält sich in puncto Kalkgehalt bei Rachitis auch ganz so wie Knochengewebe. Das 
Nähere über die pathologischen Dickenmaße des Dentinoids folgt weiter unten im Zusammenhang mit 
dem Cementoid. In jenen Fällen, in denen die pathologische Verdickung des Dentinoids gering ist oder 
gar fehlt, kann es, wie in normalen Fällen, auf eine Strecke ganz fehlen (Fall 10, 14, 15, 16). Am dicksten 
pflegt das Dentinoid an jener Stelle zu sein, wo die Wurzeln miteinander zusammenhängen (Fig. 2, 3c) 
und es findet sich dieses Verhalten gerade in jenen Fällen notiert (9, 17, 18, 21 bis 23), in denen das 
Dentinoid der Wurzeln die größte Dicke aufweist. 

Über das Vorkommen einer Kalkverarmung des Dentins war bis vor kurzem überhaupt 
nichts bekannt. Den ersten hierhergehörigen Befund habe ich bei der Ratte erhoben, deren Nagezahndentin 
an Kalk verarmt, wenn man die Ek. exstirpiert. Bei diesen Tieren waren aber die Backenzähne bereits 
ausgewachsen, so daß die Ek.-Exstirpation auf sie keinen Einfluß mehr hatte. Nimmt man aber, wie das 
Fleischmann später tat, junge Ratten zur Ek.-Exstirpation, bei denen die Backenzähne noch nicht aus- 
gewachsen sind, so erzielt man an ihren Backenzähnen ebenfalls die gleiche Kalkverarmung. Fleisch- 
mann hat aber ferner noch als Erster nachgewiesen, daß bei florider Rachitis des Kindes sich in den 
Zähnen die gleiche Kalkarmut des Dentins nachweisen läßt, wie bei der Ratte nach Ek.-Exstirpation. Es 
geht daraus hervor, daß die durch die Ek.-Exstirpation im Zahn erzeugte Veränderung ohneweiters als 


510 Dr. J. Erdheim, 


Rachitis angesprochen werden darf. Endlich sehen wir auch bei der spontan rachitischen Ratte im 
‚Backenzahn und Fleischmann dann noch beim spontan rachitischen Schwein die gleiche Veränderung 
im Kalkgehalt des Dentins, wie bei der Kinderrachitis und der Ek.-Exstirpation der Ratte, woraus hervor- 
geht, daß das Verhalten des Kalkgehaltes im Dentin bei der spontanen Rachitis des Menschen, der Ratte 
und nach Ek.-Exstirpation bei der letzteren identisch ist. 

Eine Besonderheit des Dentinoids bei Rachitis ist die Aufnahme von Odontoblasten (Fig. Se, h) 
und Blutkapillaren, welche dem normalen Dentinoid stets fehlen. Wir haben uns vorzustellen, daß das 
Dentinoid die Odontoblasten und Gefäße in dem Maße in sich aufnimmt, als es an Dicke wächst, nicht 
aber so, daß diese Elemente aktiv ins Dentin eindringen. Odontoblasten im Dentinoid wurden in den 
Fällen 9, 11, 15, 18, 21 gefunden, wofür die Krone die Hauptfundstätte ist; Gefäße im Dentinoid wiesen 
die Fälle 9 und 19 auf. Es handelt sich somit zumeist um Fälle mit besonders breitem Dentinoid. Im 
Nagezahn werden wir diesen Bildern noch einmal und zwar in größerem Ausmaße begegnen. 

Während zumeist die Grenze des Dentinoids gegen die Odontoblastenreihe bei der Rachitis 
ebenso glatt ist, wie unter normalen Umständen (Fig. 2, 3), ist diese Grenze in solchen Fällen, in denen 
das Dentinoid Odontoblasten aufgenommen hat, ganz unregelmäßig, höckerig und dann fehlt über der 
Höhe solcher Höcker, wie das Fig. 8 zeigt, der Odontoblastenbelag vollständig. — Die Grenze des 
Dentinoids gegen das kalkhaltige Dentin ist zumeist ebenso linear scharf und glatt, wiein normalen 
Zähnen, doch begegnet man in der Mehrzahl der Fälle im Wurzelbereiche, namentlich da, wo die Wurzeln 
zusammenhängen, nahe der Kalkgrenze im Dentinoid liegend, größeren und kleineren, isolierten, zum 
Teil auch miteinander verschmelzenden Dentinkugeln, die nichts anderes als diskontinuierliche Kalk- 
ablagerungsstellen darstellen (Fig. 2d, 3, 8d, 9e). Die wenigen Fälle, in denen isolierte Dentinkugeln 
vermißt wurden, gehören zu denen, in denen die Dentinoiddicke sich nur wenig über das normale Maß 
erhebt. Indem die isolierten Dentinkugeln miteinander und mit dem übrigen kalkhaltigen Dentin ver- 
schmelzen, resultiert eine, oft höchst unregelmäßige, globuläre Kalkgrenze, wie sie normaliter nicht 
beobachtet wird (Fig. 2, 3, 8, 9). Diesen Bildern werden wir bei den Nagezähnen in erhöhtem Maße 
begegnen. Das Verhalten ist vollkommen analog dem, was wir im rachitischen Knochen als Verbreiterung 
und gröber körnige Beschaffenheit der Kalkgrenze kennen und somit für das Dentin bei Rachitis charakte- 
ristisch. Im Dentin rachitischer Kinderzähne fand Fleischmann die Dentinkugeln kleiner und lockerer 
gestellt als normal. 

Das Cement bildet über dem Anfangteil der Wurzel, wie in normalen Fällen, eine dünne, auf lange 
Strecken gleich dünne Schicht (C, Fig. 2, 3, 7, 9), welche in nichts von der Norm abweicht, stets vollständig 
verkalkt ist und infolge der intensiven Färbung für gewöhnlich nur wenige Details erkennen läßt (Fig. Sf). 
Gegen die Wurzelspitze nimmt das Cement jedoch rasch an Dicke zu, ist hier stets mit Knochenzellen 
ausgestattet und am stärksten entwickelt, so daß an der Wurzelspitze eine aus Cement aufgebaute End- 
anschwellung entstehen kann. Doch kann diese in einem Falle ganz, in einem anderen zum Teil fehlen, 
in einem dritten stets vorhanden sein und dabei entweder nur gering oder mäßig oder aber so exzessiv 
entwickelt sein, wie das normaliter nicht vorkommt (Fig. 5, 7). 

Die geringe Cementmenge kann entweder darin ihren Grund haben, daß das Tier noch jung ist 
(Fall 9, Fig. 3), das Cement noch nicht Zeit hatte, die volle Entwicklung zu erlangen oder darin, daß das 
Tier zwar älter, aber seit langem marantisch ist (Tier 22, 23, Fig. 9), so daß das Cement in der Ent- 
wicklung zurückgeblieben ist. Bei diesen Tieren ist das Knochengewebe auch im Skelett an Menge auf- 
fallend gering gefunden worden. — Eine exzessive Entwicklung der Endanschwellung hängt nicht 
immer mit schwerer Rachitis zusammen; so sehen wir eine besonders starke Endanschwellung im Falle 19 
(Fig. 7) mit schwerster Rachitis und ebenso im Falle 14 (Fig. 5) mit nur mäßiger Rachitis. Im letzteren 
Falle sah man auch, wie für die beträchtliche Endanschwellung der Wurzelspitze durch lakunäre Knochen- 
resorption (Fig. Sg) in der Alveole erst Platz geschaffen werden mußte. 

Die Knochenzellen des Cementes zeigen in den meisten Fällen; im Gegensatz zur Norm, insofern 
eine ungleichmäßige Verteilung, als der kalklose Anteil des Cementes, der bei Rachitis eine unvergleichlich 


Rachitis und Epithelkörperchen. 511 


größere Rolle als im normalen Zahn spielt, in auffallender Weise zellärmer ist als der kalkhaltige (Fig. 5 e 


b} 


d, Fig. 7”k—C,k+C). Nur zum geringen Teil dürfte die Zellarmut des Cementoids darauf zurückzu- 
führen sein, daß die Zellen, wie das zum Beispiel im Falle 12 notiert ist, zum Teil nekrotisch sind. Der 


Grund für diese Zellnekrose, der wir schon im Osteoid der Rippen und im kalklosen Knorpel begegnet 


sind, dürfte auch hier auf Quetschung zurückzuführen sein, wie sie bei starker Entwicklung des 
Cementoids gelegentlich der wenn auch geringen Bewegungen des Zahnes vorkommen mögen. 


Gefäßkanäle (Fig. 5G) sind, namentlich im kalkhaltigen Anteil, oft anzutreffen und nicht selten 
mit einer eigenen Schicht von Knochengewebe ausgekleidet, die gegen das übrige, kalkhaltige Cement 
durch eine Kittlinie abgegrenzt ist. Dementsprechend sind Kittlinien häufiger zu sehen als im normalen 
Cement, doch nicht in jedem Falle. Nicht selten sieht man kleinere und größere, sogar verzweigte laku- 
näre Resorptionsräume im Cement (Fig. 6A), in denen zum Teil noch Odontoklasten in vollster 
Tätigkeit sich befinden, während der Raum im übrigen mit jungem, gefäßhaltigem Bindegewebe erfüllt ist. 
Ein andermal sieht man, wie der Resorptionsraum wieder mit oft noch kalklosem Cement ausgekleidet ist, 
das durch eine Kittlinie vom alten, kalkhaltigen abgegrenzt ist und den ehemaligen Resorptionsraum zu 
einem Havers’schen Gefäßkanal einengt. Resorptionsräume sind im kalkhaltigen Cement häufiger anzu- 
treffen, als im kalklosen, und in der Endanschwellung häufiger als im dünnen Cement. Sie finden sich 
entweder in der Tiefe des Cements oder an seiner Oberfläche (Fig. 6 h); im letzteren Falle kann das kalk- 
haltige Cement, das im übrigen von kalklosem bedeckt ist, bloßgelegt werden. Betrifft die Resorptionsgrube 
das dünne Cement, so ist sie meist so tief, daß auch das darunterliegende Dentin lakunär mit angenagt 
ist. Resorptions- und Umbauerscheinungen überhaupt spielen im Cement bei Rachitis eine bedeutend 
größere Rolle als beim normalen Zahn. 


Der erste, der lakunäre Resorptionsgruben am Zahne sah, war Howship selbst (1816 bis 1819). Schön 
abgebildet haben sie Tomes und Morgan (1852 bis 1853) an den Wurzeln ausfallender Milchzähne. In 
diesen Lakunen der Milchzähne sah die Riesenzellen zuerst Tomes (1859), und Wedel fand sie sogar in 
den Lakunen des Schmelzes. Kölliker, der vorzügliche Abbildungen von in Lakunen liegenden Riesen- 
zellen bringt, nennt diese Riesenzellen auch am Zahn Ostoklasten. In Anbetracht dessen aber, daß am 
Zahn nicht nur das Knochengewebe des Cementes, sondern auch Dentin und Schmelz, welch letzteres 
nichts mit Knochen gemein hat, von den Riesenzellen abgebildet werden, also verschiedenartige Gewebe, 
empfiehlt es sich am Zahn speziell von »Odontoklasten« statt von Osteoklasten zu sprechen. 

Die Sharpey’'schen Fasern verhalten sich bei Rachitis bezüglich ihrer Zahl, Dicke und Verlaufs- 
richtung genau so wie in normalen Fällen. Auf Querschnitten sind sie mehr rein rot, manchmal enthalten 
sie aber auch die typischen blauen Pünktchen und Fleckchen. Im kalklosen Cement sind sie, wie gewöhnlich, 
infolge mangelnden Farbenunterschiedes weniger deutlich zu sehen, zuweilen aber infolge einer etwas 
dunkler roten Färbung doch wieder ganz deutlich. Cementoblasten fanden sich unter den Rachitisfällen 
nur einmal (Fall 10). 


Im Kalkgehalt des Cementes besteht der größte Unterschied zwischen rachitischen und normalen 
Tieren. Bei letzteren ist das Zement zum weitaus größeren Teil verkalkt, während das Cementoid unter 
allen Umständen an Menge stark in den Hintergrund tritt, sehr dünn ist und im allgemeinen bei unserem 
Materiale auch nicht häufig anzutreffen war. Bei den Rachitistieren ist es wohl auch noch in der Regel so, 
daß das kalkhaltige Cement an einem Teil der Wurzeln, selten an allen Wurzeln, an Menge überwiegt, 
wobei aber die Cementoiddicke das normale Maß um das Vielfache übertrifft (Fig: 3k—C, Fig. De, e, 
Fig. 6e, Fig. 9/, g, h). In den meisten Fällen finden sich aber auch viele Wurzeln, deren Cement zur Hälfte 
oder sogar zum größeren Teil kalklos ist (Fig. 4, 7k—(). Das kalkhaltige Cement färbt sich, wie normal, 
gegen die Peripherie zu mehr dunkel (Fig. 4, 6, 9), blauviolett. Das Cementoid liegt niemals dem Dentin 
direkt an, fehlt bei Rachitis nur ausnahmsweise an einzelnen Wurzeln vollständig (Fall 23, 9) und variiert 
in seiner Dicke sehr bedeutend. Über die Dicke des Cementoids ist unten im Zusammenhang mit dem 
Dentinoid die Rede. 


3 Dr. J. Erdheim, 


Bei der Besprechung des normal-histologischen Verhaltens wurde betont, daß sich Cementoid aus- 


schließlich an der apikalen Wurzeloberfläche findet. Der Grund dafür ist der, daß nur an dieser Fläche 


der schichtweise Anbau des Cementes vor sich geht, während an der Seitenfläche der Endanschwellung, 


wo keine Apposition erfolgt, das Cement bis an seine charakteristische stufige Oberfläche heran kalkhaltig 
ist. Bei Rachitis ist das anders. In den Fällen 12, 16, 21 greift das Cementoid von der apikalen Oberfläche 
schon deutlich, wenn auch noch wenig auf die laterale über (Fig. 4, 6), im Falle 14 (Fig. 5) ist das noch 
mehr der Fall und in den Fig. 3, 7,9 sehen wir das Cementoid ein langes Stück hinauf die Seiten- 
fläche der Endanschwellung bedecken. Doch ist es zumeist so, daß die Cementoiddicke an der 
Spitze bedeutender ist als an der Seitenfläche, selten so, daß es an beiden Stellen fast gleich dick ist 
(Fig. 7). Halten wir uns die Wachstumsart des Cementes vor Augen, so läßt sich die Anwesenheit von 
Cementoid an der Seitenfläche der Endanschwellung nur so erklären, daß entweder die in gewöhnlicher 
Weise apponierten Cementschichten am Rande kalklos bleiben, oder so, daß die ursprüngliche, stufige 
Seitenfläche des kalkhaltigen Cementes alter Bauperiode von kalklosem Cemente jüngerer Bauperiode 
überlagert wird, daß also in ganz pathologischer Weise auch auf die Seitenfläche der End- 
anschwellung Apposition erfolgt. Das Verhalten der Kalkgrenze zeigt, daß von.den beiden Möglich- 
keiten die zweite tatsächlich zutrifft. 

Die Kalkgrenze zwischen verkalktem und kalklosem Cement ist nämlich gegen die* Spitze der 
Wurzel eine körnige Übergangszone, gegen die Seitenfläche eine scharfe Kittlinie. Das heißt 
mit anderen Worten, daß die Knochenapposition an der apikalen Wurzeloberfläche noch. von den normalen, 
vorrachitischen Zeiten her auch jetzt noch ununterbrochen fortbesteht, wenn auch die Verkalkung des 
neu Apponierten sehr im Rückstand bleibt. Seitlich hingegen wurde die Oberfläche des kalkhaltigen 
Cementes, die in vorrachitischer Zeit nicht apponierte, erst während der Rachitis von einer kalklosen 
Cementschicht überlagert. Wir haben es also bei Rachitis mit einem pathologischen Plus an Cement- 
bildung zu tun, was schon an der oft auffallenden Verdickung der Endanschwellung zu erkennen ist 
und sehr an das in schweren Rachitisfällen typische Plus an Knochengewebe in der sekundären Spongiosa 
und Corticalis der Rippen erinnert. 

Wenn im Falle 14 (Fig. 5) die Kalkgrenze (h) an der Seitenfläche der Endanschwellung ebenso 
eine körnige Übergangszone ist, wie an der Wurzelspitze, so widerspricht das unserer Auffassung in 
keiner Weise. Es handelt sich einfach um eine mächtige Auflagerung von jungem Cement (d), welches 
durch eine Kittlinie (f) scharf vom alten Cement (7) getrennt ist, und, da die Kalkstörung in diesem Falle 
nicht sehr erheblich ist, ist das junge Cement in seinen tiefen Schichten auch schon zum großen Teil ver- 
kalkt (d), zum geringen Teil und zwar in den oberflächlichen Schichten kalklos (e) und die körnige Über- 
gangszone (h) zeigt, daß die Verkalkung noch weiter vor Sich geht. 

In der Regel findet sich jedoch bei den Rachitisfällen diese körnige Übergangszone zwischen 
kalkhaltigem und kalklosem Cement ausschließlich gegen die Wurzelspitze hin. Diese Übergangszone ist 
normaliter ganz schmal und feinkörnig, in den meisten Rachitisfällen hingegen in Übereinstimmung mit 
dem analogen Verhalten im Skelett, sehr breit und grobkörnig. Die Kalkkörner können sogar so 
grob sein, daß man aufs deutlichste wahrnehmen kann, daß sie ovale Formen aufweisen und mit ihrer 


Längsachse parallel zur Faserrichtung der Sharpey’schen Fasern orientiert sind (Fall 12, 15, 20). Es 


muß entschieden auffallen, weil vom Verhalten des Knochens abweichend, daß gerade in unseren 
schwersten Rachitisfällen (16 bis 19 und 21) die Kalkkörnchen nicht sehr grob, die Übergangszone (mit 
Ausnahme des Falles 18) schmal war und im Falle 16 stellenweise mit den Trockenlinsen eine körnige 
Übergangszone überhaupt nicht zu sehen war, so daß die Kalkgrenze, ohne eine Kittlinie zu sein, linear 
scharf erschien, etwa wie im normalen Dentin. 

Die dem Alveolarperiost zugewendete freie Oberfläche des Cementoides ist nicht immer glatt, 
sondern zuweilen stark zackig infolge Einbezogenwerdens breiter Zellzüge in das Cement. 

Außer an der freien Wurzeloberfläche findet sich Cementoid auch noch an der der Pulpahöhle 
zugewandten Oberfläche des Cementes (Fig. 3, 4, 5, 7, 9), ferner im Innern des Cementes als Aus- 


j 


Rachitis und Epithelkörperchen. Sale) 


kleidung von Gefäßkanälen, wovon schon oben die Rede war. Im Falle 23 war an zwei Wurzeln als 
ganz ungewöhnliches Verhalten zu konstatieren, daß das Cementoid in dünner Schicht nahe der Ober- 
fläche verkalkt war. 


* 


Wir gehen dazu über, an der Hand der Diagramme XII, XIV und XV (Tafel IX) die Dicekenmaße 
des Dentinoides in der Krone und Wurzelund die des Cementoides bei Rachitis zu besprechen. Es 
variiert bei Rachitis die durchschnittliche Dicke des Kronendentinoids (Diagramm XIII) zwischen 7°5 
und 36:8 u, also in viel weiteren Grenzen als normal, denn die Differenz zwischen den zwei Zahlen ist 
eine fast fünffache gegen eine nicht ganz zweifache unter normalen Umständen. Beim Wurzeldentinoid 
schwanken diese Zahlen noch mehr (Diagramm XIV), nämlich zwischen 75 und 66°2g, somit fast um 
das neunfache gegen nicht ganz das zweifache unter normalen Umständen. Beim Cementoid endlich 
schwanken die Zahlen am meisten (Diagramm XV), nämlich zwischen 10 und 117, also fast um das 
zwölffache gegen nicht ganz das zweifache in der Norm. Wir sehen also, daß die durchschnittliche 
Dicke des kalklosen Saumes im Dentin und Cement bei Rachitis viel mehr schwankt als normal und daß 
dies in der Krone noch am wenigsten, in der Wurzel mehr, im Cement am meisten der Fall ist. Die drei 
Maßreihen sind bei Rachitis im Gegensatz zur Norm untereinander sehr verschieden. Die Ursache für 
die größere Schwankung bei Rachitis im Vergleich mit der Norm ist die, daß der kalklose Saum von 
so variablen Momenten wie Grad und Dauer der Rachitis abhängt, während normaliter die Bedingungen 
für die Kalkablagerung in verschiedenen Fällen mehr gleichmäßig sind. Ferner kommt noch, wie wir 
später hören werden, der verschiedene Grad der Ausbildung des Dentins und Cementes in Betracht. 

Ein Vergleich zwischen der Dentinoiddicke in Krone einerseits und Wurzel andrerseits, und 
zwar im selben Falle ergibt, daß sie normaliter in der Krone öfter größer vorgefunden wird als in der 
Wurzel; bei Rachitis ist es umgekehrt. 

Wenn wir die Dicke des kalklosen Saumes in Krone, Wurzel und Cement in jedem Falle neben- 
einander stellen und nach ihrer Größe mit 1, 2 und 3 klassifizieren, so können wir uns überzeugen, daß 
das Cementoid bei Rachitis (mit Ausnahme des leichtesten Rachitisfalles 9 und der beiden Marasmus- 
fälle 22, 23) konstant in bezug auf seine Dicke an erster Stelle steht, während das Wurzeldentinoid 
am häufigsten die zweite, das Kronendentinoid am häufigsten die dritte Stelle einnimmt. In normalen 
Backenzähnen waren aber auffallende Unterschiede im kalklosen Saume der drei Lokalisationen nicht 
feststellbar. Die Ursache dafür, daß bei unseren Rachitisfällen zumeist der kalklose Saum im Cement die 
größte, in der Krone die geringste Dicke und Dickenschwankung aufweist, werden wir unten erst kennen 
lernen, wenn wir über das Wachstum der Zähne sprechen. 


Ein Vergleich zwischen der Dicke des kalklosen Saumes in Krone, Wurzel und Cement einer- 
seits und im Osteoid der Rippe andrerseits ergab bei den normalen Tieren, daß sie im Knochen etwas, 
aber nicht erheblich geringer war als im Zahn; bei der Rachitis verhält es sich folgendermaßen: Die 
größte Durchschnittsdicke des Osteoids bei der Rachitis (31’9 u im Falle 19) war dreizehnmal größer als 
die größte normale Durchschnittsdicke; beim Kronendentinoid war die größte Durchschnittsdicke (36°8 u 
beim Rachitisfall 23) nicht ganz fünfmal, beim Wurzeldentinoid (66°21 beim Rachitisfall 22) über neun- 
mal, beim Cementoid (1441 im Rachitisfalle 19) aber über fünfzehnmal größer als die größte normale 
Durchschnittsdicke. Es folgt daraus, daß bei Rachitis, im Gegensatz zu den normalen Fällen, die Dentinoid- 
dicke (und die Dickenzunahme) in der Wurzel und namentlich in der Krone erheblich geringer ist als die 
Osteoiddicke (und Dickenzunahme) in den Knochen, während am Zement, das ja nichts anderes ist als 
Knochengewebe, die Dickenzunahme des kalklosen Saumes mit der des Rippenosteoids recht gut überein- 
stimmt. Wie wir weiter unten nach der Besprechung des Zahnwachstums sehen werden, kommt in diesem 
Verhalten der Umstand zum Ausdruck, daß zur Zeit des Rachitisbestandes das Dentin seinem Wachs- 
tumsabschlusse näher stand als das Skelett, während das Cement von diesem Ziele noch weiter 
entfernt war als das Dentin, so daß im Dentin die Möglichkeit zur Ausbildung eines pathologisch 


514 Dr. J. Erdheim, 


breiten kalklosen Saumes geringer war als im Skelettknochen, während im Cement diese Möglichkeit 
größer war als im Dentin und damit mehr gleich der im Skelett. 


Wenn wir die Diagramme XII, XIV und XV betrachten, so sehen wir, daß die Maße des kalklosen 
Saumes in Krone, Wurzel und Cement bei Rachitis im Gegensatz zur Norm untereinander sehr ver- 
schieden, das heißt die Diagramme ganz unähnlich sind, und selbst innerhalb jeder der drei Kategorien, 
insbesondere im Cement (Diagramm XV) sind die Unterschiede sehr viel bedeutender als normal. Wir 
können in diese verwirrende Überfülle von Verschiedenheiten in der Menge kalkloser Substanz wenigstens 
etwas Klarheit hineinbringen, wenn wir den Wachstumsgang der Backenzähne etwas näher 
beleuchten. 

Der Entwicklungsgang der Backenzähne bei der Ratte, die dem menschlichen Gebisse analog 
sind, ist zeitlich durchaus nicht dem des Skelettes gleich, wenn auch beide zum Teil nebeneinander 
herlaufen. Von den Zähnen des Menschen weiß man genau, wann ihre Hartgebilde zu entstehen beginnen 
und daß dies stets viel später eintritt als der Beginn der Entwicklung des knöchernen Skelettes, und 
zwar bei den verschiedenen Zähnen sehr verschieden später, ja zum Teil sogar erst im postfötalen Leben. 
Hingegen schließen die Zähne ihr Wachstum stets früher ab als das Skelett, und zwar bei den ver- 
schiedenen Zähnen sehr verschieden früher (mit Ausnahme des Weisheitszabnes, der auch nach abge- 
schlossenem Skelettwachstum seine Entwicklung beenden kann). Schon weniger genau als der Zeitpunkt 
der ersten Anlage und des Wachstumsabschlusses ist es bekannt, in welchem Tempo und um wieviel der 
Zahn zu verschiedenen Zeiten wächst und wie sich dabei seine einzelnen Teile verhalten. 

Vom Entwicklungsgang der Backenzähne der Ratte wissen wir aber noch weniger als vom mensch- 
lichen Gebiß, und so lange diese Grundlage fehlt, wird ein restloses Verständnis aller bei Rachitis erhobenen 
Befunde nicht möglich sein. Das wenige, was wir wissen, reicht aber wenigstens zum-Verständnis ein- 
zelner, namentlich besonders auffallender Erscheinungen aus. Es unterstützt unseren Einblick in die 
rachitischen Zahnveränderungen, wenn wir wissen, daß der Backenzahn auch bei der Ratte sein Wachstum 
früher abschließt als das Skelett und daß das Kronendentin in der Entwicklung dem Wurzeldentin, 
und dieses dem Cement voraneilt. Das ist natürlich nicht so zu verstehen, wie wenn Krone, Wurzel 
und Cement streng nacheinander sich entwickeln; es geht im Gegenteil ihre Entwicklung zum Teil 
nebeneinander her. Wenn es auch richtig ist, daß das Kronendentin dem Wurzeldentin im Wachstum 
voraneilt, so kann zur Zeit, als die Wurzel rege wächst, die Krone gerade ihrem Wachstumsabschlusse 
entgegengehen. Ein ähnliches Verhältnis besteht auch zwischen Wurzeldentin und Cement. 

Abgesehen vom zeitlich verschiedenen Entwicklungsgang besteht aber zwischen Zahn und Skelett- 
knochen auch noch der folgende wichtige Unterschied. Das Skelett hat auch nach abgeschlossenem 
Wachstum einen Umbau (Pommer), wenn auch die An- und Abbauvorgänge lange nicht so rege sind 
wie in der Wachstumsperiode. Der Zahn hat eigentlich keinen Umbau. Das Dentin und der Schmelz 
nehmen an Dicke beim Wachstum zu, und ist dies abgeschlossen, so hört der Anbau im Wesentlichen 
einfach auf, aber es wird nichts abgebaut und durch gleiches Gewebe wieder ersetzt. Das Cement jedoch, 
das aus Knochengewebe besteht, ist eines Umbaues fähig, doch ist dies unter normalen Umständen nur 
insehr beschränktem Maße der Fall. Ganz verschieden vom Skelett und Backenzahn ist wieder der 
Nagezahn der Ratte, der zeitlebens sich an der Nagefläche abnutzt und um ebensoviel wieder nachwächst. 

Wir haben uns ferner vor Augen zu halten, daß, sowie im Knochen, so auch selbstverständlich im 
Cement, aber auch im Dentin (das dem Knochengewebe homolog ist) das während des Bestandes der 
Kalkstörung neu apponierte Gewebe kalklos bleibt. Die Breite des kalklosen Saumes wird, wieder 
genau wie im Skelettknochen, vor allem vom Grade der Rachitis und ihrer Dauer abhängen, aber auch 
vom Appositionstempo. Ist dieses besonders rege, so bedarf es weder einer sehr schweren, noch einer 
sehr lang dauernden Rachitis, um den kalklosen Saum zu ansehnlich-pathologischer Dicke anwachsen zu 


uereeeeeee 


Rachitis und Epithelköperchen. 018 


lassen; ist das Appositionstempo äußerst träge, so kann selbst eine schwere und langdauernde Rachitis 
keinen besonders dicken, kalklosen Saum hervorbringen; steht aber gar die Apposition ganz still, so wird 


“eine pathologische Verdickung des kalklosen Saumes trotz einer noch so schweren und noch so lang 


dauernden Rachitis nicht zustande kommen. 


Nach diesen Vorbemerkungen wollen wir daran gehen, wenigstens die auffallendsten, in den Dia- 
grammen XII, XIV und XV enthaltenen Verschiedenheiten im Kalkgehalt der Backenzähne zu beleuchten. 

In der folgenden Tabelle sind unsere sämtlichen Rachitisfälle zusammengestellt und zu jedem 
Falle dazugesetzt, wievielmal in Krone, Wurzel und Cement der kalklose Saum durchschnittlich dicker 
ist als das größte Durchschnittsmaß unter den normalen Tieren. Ein Beispiel: Die größte durchschnittliche 
Dicke des Wurzeldentinoids war unter unseren normalen Fällen bei Tier 7 zu konstatieren und betrug 
7:1. Im Rachitisfalle 20 war dasWurzeldentinoid durchschnittlich 10°2 u dick, also 1'4mal dicker als bei 
Tier 7 usf. Darum steht bei Tier 20 in der Rubrik Wurzel die Zahl 14, die uns das Maß der pathologi- 
schen Dickenzunahme anzeigt und so natürlich mehr besagt als das absolute Maß 10°2. 


Fall | Krone | Wurzel Cement 
| 

10 0:95 ei 10:3 
12 1° 1:6 10°8 
13 3-8 4:6 10°9 
15 14 1°8 10°1 
16 0:95 1635 8:7 
17 232 Sl 9-5 
18 44 8:6 13°6 
20 0:93 14 12 
21 3-4 5°6 8-7 
11 L°5 14 10 
14 6 3 7 
19 Bor 3 15 
9 Be 8:6 4 
22 4 9-3 128 
23 6 9 7'6 


Betrachten wir zuerst die neun ersten Fälle der Tabelle, so sehen wir, daß von den drei Lokali- 
sationen in jedem einzelnen Falle die Verbreiterung des Kronendentinoids konstant am geringsten, 
die des Wurzeldentinoids durchwegs schon größer und die des Cementoids in allen Fällen die weit- 
aus bedeutendste war. Fig. 2 und 3 zeigen, daß das Wurzeldentinoid dicker ist als das Kronendentinoid, 
Fig. 4 bis 7, daß das Cementoid dicker ist als das Wurzeldentinoid. Nach dem, was wir über den Wachs- 
tumsgang des Zahnes gehört haben, erklärt sich diese Tatsache auf. die Weise, daß die Rachitis in diesen 
Fällen zu einer Zeit eingesetzt haben mußte, als das Kronendentin nahe daran war, sein Wachstum abzu- 
schließen, das Wurzeldentin aber noch mehr apponierte, das Cement jedoch am meisten. Das exzessive 
Überwiegen des Cementoides könnte zum Teil noch darauf zurückgeführt werden, daß, wie wir schon 
gehört haben, das Cement bei Rachitis ein pathologisches Plus an Gewebsbildung aufweisen kann. 
Es drückt sich in diesem Verhalten der Einfluß der Apposition auf die Dicke des kalklosen Saumes 


aus, oder, was dasselbe ist, der Einfluß des A ters, in dem das Tier zur Zeit der Rachitis stand. 
Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC. Bd 71 


516 Dr. J. Erdheim, 


Daß aber dabei der Grad und die Dauer der Rachitis natürlich auch von Bedeutung sind, haben wir 
schon oben betont. Die Fälle 20, 10, 16 stehen im Diagramm XIII an erster Stelle, weil ihr Kronen- 
dentinoid das dünnste von allen Rachitisfällen ist, ja so dünn, daß es das normale Maximum nicht ganz 
erreicht. Das kommt daher, weil Tier 20 und 16 zu den schwersten, also ältesten unserer Versuchstiere 
gehören, bei denen zur Zeit, als die Rachitis eintrat, das Kronendentin sein Wachstum schon abge- 
schlossen hatte, während die Rachitis des Tieres 10 die geringste des Materials war. 

Das schwerste, also auch älteste Rachitistier 12 zeigt ferner, daß das Dentinoid sowohl in der 
Krone als auch in der Wurzel (Fig. 4k—D) gegen dieNorm ganz unerheblich verdickt Ist sehr 
bedeutend aber das Cementoid (£—.C). Dieses Verhalten der Backenzähne zeigt, daß die Rachitis zu 
einer Zeit eingesetzt haben muß, als das Kronen- und Wurzeldentin schon fast ausgewachsen war, nicht 
aber noch das Cement. Ein ähnliches Verhalten sehen wir auch bei den Fällen 16 (Fig. 65, e) und 20, die 
mit zu den schwersten, ältesten Tieren gehören. 

Die in der Tabelle an 10. bis 12. Stelle stehenden drei Fälle, 11, 14 und 19, sind den neun ersten 
insofern analog, als auch bei ihnen das Cementoid die stärkste Verdickung aufweist, hingegen ist 
das Kronendentinoid um ebensoviel oder sogar um etwas mehr verdickt als das Wurzeldentinoid, doch 
handelt es sich um Unterschiede, die nur Bruchteile eines Mikromillimeters betragen, also so gering sind, 
daß sie auf Fehler bei der Mikrometrie bezogen werden dürfen, und damit wären auch diese drei Fälle 
den neun übrigen als eigentlich gleichwertig zu betrachten. 


* * 


Es folgt nun in der Tabelle der Fall 9, bei dem das Verhalten schon wesentlich anders ist. Hier 
gehört die Dickenzunahme des Dentinoids in der Krone und namentlich in der Wurzel zu den bedeu- 
tendsten (Diagramm XIII und XIV), während umgekehrt die des Cementoids zu den geringsten 
gehört (Diagramm XV). Auch die Fig. 3 zeigt schon, daß das Wurzeldentinoid (c) erheblich dicker ist, nicht 
nur als das Kronendentinoid (b), sondern auch als das Cementoid (k—(C). In diesem Überwiegen des 
Wurzeldentinoids sogar dem Cementoid gegenüber liegt das Gegensätzliche dieses Falles gegenüber den 
bisherigen 12 Fällen, also gegenüber dem fast ganzen übrigen Materiale. Die Erklärung dieses Verhaltens 
ist einfach die, daß es sich (von den beiden Fällen mit Marasmus abgesehen) um das bei weitem leichteste, 
also das weitaus jüngste Tier im Versuche handle, bei dem zur Zeit als die Rachitis eintrat, das Dentin 
der Wurzel gerade im Stadium regen Wachstums sich befand, das der Krone dieses Stadium schon 
hinter sich, das des Cementes noch vor sich hatte. 

Dieser Fall 9 ist noch aus anderen Gründen von Interesse. Nach dem Verhalten des Skelettes über- 
haupt und auch des Östeoidsaumes in demselben, der nur zweimal dicker war als das normale Maximum 
(Fig. 38), mußten wir den Fall als eine sehr geringfügige Rachitis bezeichnen, die leichteste der Reihe. 
Würden wir aber den Grad der Rachitis nach dem Dentin, namentlich der Wurzeln (Fig. 3c), bestimmen, 
so müßten wir das Tier zu den schwersten Rachitisfällen stellen, Dieser Widerspruch, der schon aus 
der Fig. 3 erhellt, erklärt sich aber einfach so, daß die Rachitis gerade in eine Zeit fiel, da das Dentinoid 
eine lebhaftere Apposition hatte als das Knochengewebe. Es zeigt das Beispiel zugleich, wie wir 
sofort einen tiefern Einblick in den rachitischen Prozeß gewinnen, wenn wir die Untersuchung vom 
Skelett auf die Zähne ausdehnen. Man stelle sich die Fälle 9 und 16 (Fig. 3 und 6) nur gegenüber und 
man wird nach dem Gesagten ersehen, daß man aus dem Verhalten des Backenzahnes und dem Vergleich 
zwischen diesem und dem Skelett leicht aussagen kann, daß die Rachitis im ersteren Falle beim ganz 
jungen, in letzterem Falle beim viel älteren Tier einsetzte. 

Lehrreich ist ferner die Gegenüberstellung der Cementoiddicke in den Fällen 10 und 16. Sie war im 
Falle 10, der eine sehr geringfügige Rachitis aufwies, 10°8 mal größer als das normale Maximum, und im 
Falle 16, der eine schwere Rachitis darstellte, bloß 8:7 mal größer als das normale Maximum. Wir haben 
also bei schwerer Rachitis (Tier 16) eine geringere Cementoidverdickung als bei sehr gering- 


Rachitis und Epithelkörperchen. 5 


fügiger (Tier 10) und der Widerspruch erklärt sich auf die Weise, daß Tier 16 eben 54 8 schwerer, also 
viel älter als Tier 10, darum ein geringeres Wachstum des Cementes und eine geringere Möglichkeit 
zum Kalklosbleiben desselben aufwies. 3 

Im allgemeinen ist in bezug auf den Kalkgehalt das Verhalten des in Form von Cement auf- 
tretenden Knochengewebes ganz analog dem des Knochengewebes im Skelett. So zum Beispiel finden 
wir in dem die Kalkverhältnisse am Skelett darstellenden Diagramm X genau so wie in dem die Kalk- 
verhältnisse am Cement darstellenden Diagramm XV den Fall 22 an erster Stelle, den Fall 18 an vorletzter, 


den Fall 19 an letzter Stelle. Im Falle 19 hatte die Kalkstörung den höchsten Grad erreicht. 


Zuletzt in unserer Tabelle stehen die beiden mit Marasmus kombinierten Fälle von Rachitis 22 
und 23. In bezug auf die Dickenzunahme des kalklosen Saumes weisen diese Fälle eine weitgehende 
Ähnlichkeit mit unserem jüngsten rachitischen Tier9 auf, wovon man sich beim Vergleich der Fig. 3 und 9 
mit einem Blick überzeugen kann. Der springende Punkt ist hier wieder der, daß die Dickenzunahme 
des Wurzeldentinoids nicht nur größer ist als die des Kronendentinoids, sondern auch größer als die 
des Cementoids. Dieses Verhalten kann als nichts anderes, als eine Persistenz des juvenilen 
Charakters des Rachitisbildes im Backenzahn bezeichnet werden, dem wir schon bei der Besprechung 
der geräumigen Pulpahöhle begegnet sind. 

Besonders schroff ist in beiden Fällen der Gegensatz zwischen der Dickenzunahme des Dentinoids, 
die zu den allergrößten des Rachitismaterials gehört (Diagramm XIH, XIV) und der des Cementoids, 
die zu den allergeringsten gehört (Diagramm XV). In dieser Hinsicht stimmt das Cementoid mit dem 
Osteoid des Skeletts beider Fälle vollkommen überein, das auch die geringste Dickenzunahme des 
ganzen Rachitismaterials aufwies. 

Damit ist aber auch wieder ein schroffer Gegensatz zwischen dem Rachitisbilde am 
Skelett und Zahn gegeben, denn am Skelett stieß die Rachitisdiagnose auf große Schwierigkeiten, 
so wenig Charakteristisches fand sich vor (Fig. 9), am Backenzahn (Fig. 9e) sind die rachitischen 
Veränderungen augenfälliger als in irgend einem anderen Falle. Wir können sagen, die Zahnunter- 
suchung war erst für die Rachitisdiagnose maßgebend. Der Marasmus ist zufolge des mehr nach der 
Richtung des Abbaues gerichteten Umbaues und des gehemmten Anbaues der Knochen imstande, das 
Bild der Rachitis im Skelett zu verwischen, während dies im Dentin, das einen Umbau nicht 
besitzt, nicht zustande kommen konnte. 


Es wurde oben gezeigt, daß die Durchschnittsdicke des Cementoids bei den Rachitistieren in sehr 
weiten Grenzen schwankt (Diagramm XV), die des Dentinoids in der Wurzel weniger (Diagramm XIV), 
und in der Krone am wenigsten (Diagramm XII). Den Grund können wir jetzt verstehen. Zur Zeit, als die 
Rachitis einsetzt, fehlt in der Regel dem Kronendentin nur noch wenig zum vollständig ausgewachsenen 
Zustande, dem Wurzeldentin schon mehr, dem Cement am meisten. Darum ist auch die Variabilitäts- 
möglichkeit für den kalklosen Saum in der Krone am geringsten, im Cement am größten. 

Aus den bisherigen Ausführungen geht klar hervor, daß, wenn wir das Rachitisbild des 
Backenzahnes verstehen wollen, wir uns stets vor Augen halten müssen, daß die einzelnen Teile desselben 
nicht gleichzeitig zur Ausbildung gelangen und daß der gesamte Entwicklungsgang des Zahnes zeitlich ein 
ganz anderer ist als der des Skeletts. Daher die oft große Verschiedenheit im Kalkgehalt zwischen Dentin 


„und Cement, zwischen Kronen- und Wurzeldentin, zwischen Zahn und Skelett. Abgesehen von anderen 


Umständen, wie Schwere und Dauer der Kalkstörung, wird das Rachitisbild des Zahnes vor allem davon 
abhängen, zu welchem Zeitpunkte seines Wachstums die Rachitis eingesetzt hat. Beginnt die Kalkstörung 


818 Dr. J. Erdheim, 


zu einer Zeit, als die Krone fast schon ausgewachsen ist, so wird die Rachitis nur noch am Wurzeldentin 
und dem Cement eine nennenswerte pathologische Verbreiterung des kalklosen Saumes’erzeugen; ist aber 
um diese Zeit auch das Wurzeldentin seinem Wachstumsabschlusse nahe, so wird sich die Kalkstörung nur 
noch am Cement geltend machen und man könnte in einem solchen Falle von Rachitistarda des Zahnes 
sprechen, die natürlich in ein früheres Lebensalter fällt, als die Rachitistarda des Skeletts. Hat der 
Backenzahn der Ratte (oder-ein Menschenzahn) sein Wachstum abgeschlossen, so steht das Skelett erst 
noch vor dem Wachstumsabschluß. Kommt es in dieser Zeit zu einer Kalkstörung, so haben wir am Skelett 
eine Rachitis tarda, aber im Zahn ist am Dentin keine Kalkstörung mehr zu erwarten, im Cement höchstens 
in beschränktem Grade, denn das Cement hat in geringem Maße einen Umbau. Tritt aber eine Kalkstörung 
nach Abschluß des Skelettwachstums ein, so wird sie sich trotzdem am Skelett, und zwar als Osteomalacie 
manifestieren, wozu bei den das ganze Leben, also auch nach abgeschlossenem Körperwachstum, fortdauern- 
den Umbau ‘der Knochen Gelegenheit gegeben ist (Pommer). Am Dentin aber ist eine osteomalacische 
Veränderung nicht zu erwarten, denn dieses hat keinen Umbau. Am Cement jedoch, das einen beschränkten 
Umbau besitzt, ist auch bei Osteomalacie eine geringfügige Veränderung nicht ausgeschlossen. Der Nage- 
zahn der Ratte endlich, der zeitlebens kontinuierlich wächst, muß, so wie das Skelett, und eigentlich noch 
eher, bei Osteomalacie eine pathologische Verbreiterung des kalklosen Dentins erwarten lassen. 


* * 
* 


Es erübrigt nur noch, über das Verhalten des Kieferknochens und einige pathologische Nebenbefunde 
an den Backenzähnen zu berichten. An den Kieferknochen (Fig. 2 bis 9) waren, je nach dem Grade der 
Rachitis die Osteoidsäume bald spärlich, bald zahlreich, bald dick, bald dünn. Infolge der Salpetersäure- 
entkalkung war aber das Osteoid weniger prägnant vom kalkhaltigen Knochen zu unterscheiden, als an 
den in Müller entkalkten Knochen. Immerhin gelang dies, wie die Photogramme zeigen, zum Teil noch 
leidlich. In den schwereren Fällen findet sich sehr oft die Angabe, daß das meiste Osteoid sich am 
Alveolarrand und dem Gipfel der Alveolarsepta findet (Fig. 6 8, Fig. 7 O, Fig. 8h), wohl ein schönes 
Illustrationsfaktum dafür, daß die Vertiefung der Alveole, zum Teil wenigstens, durch einen Knochenanbau 
des Alveolareinganges zustande kommt. In einigen Fällen ist ferner notiert, daß auch die Innenfläche 
der Alveole eine Fundstelle für namhafte Osteoidmengen ist (Fig. 6f, Fig. Sh). Dieses Verhalten zeigt 
wieder, daß das Alveolarlumen durch Knochenanbau an der Innenwand sekundär eingeengt wird. 

In einem Falle (20) fanden sich im Kieferknochen mehrere feine Frakturspältchen, in zweien von 
ihnen lagen sogar Knorpelzellen. Es handelt sich um Spontanfrakturen des widerstandsunfähigen, kalk- 
armen Knochens. 

Interessanter noch waren die Spontanfrakturen, die in den Fällen 18 und 22 an den Backen- 
zähnen selbst vorgefunden wurden. Im Falle 22 war nur eine, im Falle 13 waren mehrere Frakturen 
vorhanden. Sie saßen stets in der Wurzel, und zwar in dem Teil, wo das Cement dünn ist. Bezeichnender- 
weise erreicht in beiden Fällen die kalklose Dentinschicht der Wurzel die höchsten Durchschnittsmaße 
(Diagramm XIV) und dies ist auch der Grund für die herabgesetzte Festigkeit der Wurzeln, die zur 
Spontanfraktur führte. Alle vorgefundenen Frakturen müssen als jung bezeichnet werden. Einmal war das 
untere Fragment in das obere eingekeilt. In charakteristischer Weise zerbricht nur das kalkhaltige 
Dentin und der dünne Cementüberzug, während das kalklose Dentin etwas eingerissen sein kann, dann 
von Odontoblasten und Gefäßen stark durchwachsen wird, während das Cement und kalkhaltige Dentin 
von der Bruchfläche aus lakunär abgebaut wird. Der Defekt wird schon zum Teil von kalkhaltigem Zement 
wieder ersetzt. Im Frakturspalt und Alveolarperiost können sich noch Fraktursplitter vorfinden. Ein älteres 
Ausheilungsstadium dieser rachitischen Spontanfrakturen der Backenzähne fand sich im Materiale nicht vor. 

Als zufälliger Befund muß eine im Falle 21 beobachtete, vorgeschrittene Caries eines Backenzahnes 
angesehen werden. Das Nähere ist im Befund einzusehen. Schließlich wurde im Falle 23, so ähnlich wie 
in einem der normalen Fälle, das Bild der Pulpanekrose vorgefunden: Auch wegen dieser Veränderung 


sei auf den Befund verwiesen. 


Rachitis und Epithelkörperchen. 519 


3. Normale Nagezähne. 


A. Kasuistik. 


Fall 1. In vivo waren die Nagezähne gelb, durchscheinend, intakt, tadellos. Oberer Nagezahn: Die Pulpa ist im vorderen 
Längendrittels des Zahnes nekrotisch, sonst intakt. Die Odontoblasten wohl erhalten. Das Dentinoid ist nur in den 
zwei hinteren Dritteln des Zahnes vorhanden. Seine Grenze gegen das verkalkte Dentin linear scharf und elatt. Die 
Dentinverkalkung ist homogen. 

Im unteren Nagezahn sind die Verhältnisse dieselben. 

Am Kieferknochen sieht man nirgends Abweichungen von der Norm, nur am Alveolareingang des oberen 
Nagezahnes liegt auf der konkaven Seite eine ansehnliche Menge von Osteoid. 

In diesen und allen anderen Fällen wurde die Dicke des Dentinoids am unteren und oberen Nagezahn 
und bei beiden auf der konvexen und konkaven Seite an folgenden drei Stellen gemessen. Das hinterste Ende des 
Dentins ist stets kalklos. Die Verkalkung beginnt an der Außenseite, eine ganz kurze Strecke weiter vorne und hier 
wurde stets das mit I bezeichnete Maß genommen (Fig. 117). Das MaßII entstammt einer Stelle im mittleren Längendrittel 
des Zahnes, wo das Dentinoid noch von ansehnlicher Dicke ist (Fig. 11/7), und das Maß III aus dem vordersten End- 
stück des Osteoids, knapp vor seinem Verschwinden. Ferner sind unter a) und b) die Maße des oberen Nagezahnes zu 
verstehen, und zwar a) die der konvexen, b) die der konkaven Seite. c) und d) gehören dem unteren Zahne an, c) der 
konvexen, d) der konkaven Seite. Ist statt einer Zahl ein Fragezeichen gesetzt, so konnte das Maß darum nicht bestimmt 


werden, weil diese Stelle des Zahnes nicht in der Schnittserie enthalten war. 


I II II 
a) 20:0 25:01 150 p. 
b) 12:51 7a 2öU 
c) 20:0 u 125% 27O U 
d) 20:0 1 12:5 1 2:5 1 
* * 
* 


‘ Fall 2. In vivo waren die Nagezähne gelb, durchscheinend und intakt. 
Histologisch war die Pulpa im vorderen Drittel nekrotisch, das Dentinoid wie gewöhnlich nur in den 2 hinteren 
Dritteln vorhanden, linear scharf und glatt vom kalkhaltigen Dentin abgegrenzt, dessen Verkalkung ganz homogen ist. 


Am Kieferknochen nicht bemerkenswertes. 


Die Dentinoidmaße: 


I u III 
oo co ao 20:0 u Sn 
DENN) 10°O 1. 10 1. 
oo 00 Sb 21:02. 10 p. 
DE ei 1251 Sy 
* * 
* 


Fall 3. Makroskopisch waren die Nagezähne intakt, gelb, durchscheinend und tadellos. 

Histologisch waren die Pulpa und Odontoblasten nur in den zwei hinteren Dritteln wohl erhalten und nur hier 
ist Dentinoid nachweisbar, das sich linear scharf und glatt gegen das kalkhaltige Dentin abgrenzt. Dieses ist wohl 
zum weitaus größten Teil homogen verkalkt, aber am vordersten Ende ist es durch Einlagerung äußerst feiner kalk- 
ärmerer Schichten von parallel- und dichtstreifiger Struktur. 


Am Kieferknochen keine pathologischen Veränderungen. 


an 


20 Dr. J. Erdheim, 


Die Dicke des Dentinoids betrug: 


I II II 
00 0280) 25.04 11'O u. 
DI Elli: 75M 11:01 
5.5 0 0 ZOÖV 18:8 u 10-0 u 
N) 5 0. a NSS 12-2 u 881 
* x 
* 


Fall 4. Am lebenden Tier waren die Zähne gelb, durchscheinend, intakt, tadellos. 

Histologisch ist die Dentinverkalkung vollkommen homogen und die Kalkgrenze gegen das Dentinoid hin 
stets scharf, aber bald glatt, bald deutlich höckerig globulär. Wie in allen normalen Fällen ist auch hier am Schmelz- 
epithel und dem bei der Entkalkung stehen gebliebenen Teil des Schmelzes nichts besonderes zu sehen. 

Im Kieferknochen sieht man am Eingang in die Alveole des oberen Nagezahnes auf der konkaven Seite eine 
kleine Ansammlung von Osteoid und an der Alveolarinnenfläche beider Zähne sieht man vorne auf der konkaven Seite 


Apposition, auf der konvexen Abbau von Knochengewebe, beides in physiologischen Grenzen. 


Die Dickenmaße des Dentinoids betrugen: 


I I III 
DE 200 175 u 752 
DE 50 5 SO SuHyT TS» 
CE 200 225 621 
DE aan: 15:0 1. TOM 
* * 
x 


Fall 5. Die Nagezähne waren in vivo gelb, durchscheinend, intakt und tadellos. 
Histologisch war die Dentinverkalkung homogen und die Kalkgrenze gegen das Dentinoid ganz. glatt. Dieses 
fehlt, ebenso wie die Odontoblasten, am vorderen Zahnende. 
Am Kieferknochen sieht man an der Alveole beider Zähne ganz vorne auf der konkaven Seite Knochen- 


anbau, der auf der konvexen Seite fehlt. 


Die Dicke des Dentinoids betrug: 


I u I 
)....250p 20-01. 7-51 
2... .10:0p 12-51 7-5 
ODE on! 22:04 5OM. 
DL. zen. 12-51. 5-OM. 
* * 
* 


Fall 6 (Fig. 11). Für die makroskopische Betrachtung waren die Nagezähne in vivo intakt, gelb, durchscheinend, tadellos. 

Histologisch ist das Dentin (a) vollkommen homogen verkalkt, nur an der Zahnspitze ist eine Andeutung von 
feinster streifiger Struktur wahrnehmbar. Das Dentinoid (b) ist an Menge, wie immer, weit geringer, gegen das kalk- 
haltige Dentin stets scharf, aber bald glatt bald globulär begrenzt (Fig. 11), doch fehlen isolierte Dentinkugeln voll- 
ständig und es nimmt das Dentinoid an Dicke von hinten nach vorne sehr langsam, aber deutlich ab. In der Fig. 11 ist 
auch noch die Odontoblastenreihe (c) zu sehen, die dem Pulpabindegewebe (4) aufruht, ferner der dem verkalkten Dentin 
aufliegende Schmelz (7), der nach vorne hin (i), bei der Entkalkung, wie immer, verloren gegangen ist, dann das dem 
Schmelz anliegende Schmelzepithel mit der inneren, einschichtigen, hochzylindrischen Zellage (e) und der äußeren 
Schicht (f), die im Alveolarperiost (2) wurzelt. Bei k befindet sich die Umschlagstelle, wo das innere Schmelzepithel in 


das äußere übergeht. 


u 


= 5 


Rachitis und Epithelkörperchen. 5921 


Am Kieferknochen ist nichts Pathologisches wahrnehmbar. An der Innenfläche des vordersten Alveolarteiles 
beider Nagezähne sieht man eine in physiologischen Grenzen vor sich gehende Knochenapposition, die auf der kon- 
vexen Seite fehlt. 


Die Diekenmaße des Dentinoids: 


I II II 
a) 25.04 25.04 75M 
b) 10:O u 12:5 u ByT 
c) 22:54 22:54 Ton“ 
d) 12-5 u 1754 10:0 u 
* > 
* 


Fall 7. In vivo waren die Nagezähne gelb, durchscheinend und intakt. 

Histologisch erweist sich das kalkhaltige Dentin als vollkommen homogen verkalkt, nur gegen die Zahnspitze 
zu ist es andeutungsweise von feinstreifiger Struktur. Das Dentinoid tritt an Menge stark zurück und seine Grenze 
gegen das kalkhaltige Dentin ist glatt. 

Am Kieferknochen nichts bemerkenswertes. 


Die Dentinoidmaße: 


I Il III 
Do 0 a 020m 20:0 634 
Don 7:84 5On 
Ö)o 0 0 0 Al AT TOM 
55 OO 10.01 3:8 1 
* * 
* 


Fall 8. In vivo waren die Nagezähne intakt, gelb, durchscheinend, tadellos. 
Histologisch ist das kalkhaltige Dentin bis an die Zahnspitze homogen verkalkt und die Kalkgrenze gegen 
das Dentinoid ist meist globulär und nur ausnahmsweise begegnet man hier einer isolierten Dentinkugel. 
Am Kieferknochen sieht man an der Innenfläche der Alveole nur des oberen Nagezahnes eine mäßige Appo- 
sition von Knochengewebe, die sich nur auf die konkave Seite beschränkt. 


Die Dickenmaße des Dentinoids: 


I > III 
Mo 0 0 0 NO 25.04 > TeBm 
N 0 NO 15:0 u 754 
D) 6 0.0 5 AO 225 10:0 u 
A 15-0 75n 
* * 
* 


B. Das histologische Bild der normalen Nagezähne. 


In früheren Arbeiten war vom normalen Nagezahn der Ratte schon mehrfach die Rede, so daß wir 
uns hier ganz kurz fassen können und darüber nur soviel sagen wollen, als zum Verständnisse der patho- 
logischen Veränderungen notwendig ist. 

Der Nagezahn der Ratte (Fig. 10) ist von erstaunlicher Länge, der untere länger als der obeıe, der 
frei in die Mundhöhle ragende Anteil wird an Länge von dem in der Alveole steckenden Teil weit über- 
troffen. Der ganze Zahn ist in Form eines Halbkreises (Fig. 10) gebogen (genauer gesagt in Form eines 
Abschnittes einer Schraubentour), der obere nach einem kleineren Radius als der untere. Am Querschnitt, 


522 Dr. J. Erdheim, 


deren eine ganze Anzahl in einer früheren Arbeit abgebildet wurde (Frankfurter Zeitschrift für Pathologie 
VII, p. 295, 1911), ist der Nagezahn nicht etwa kreisförmig, sondern in Anpassung an seine Funktion assy- 
metrisch eiförmig, und zwar mit dem schmäleren Teil gegen die konkave, dem breiteren gegen die konvexe 
Seite der Zahnkrümmung. Auch wenn sich ein langer Röhrenknochen krümmt, bekommt er einen abge- 
platteten Querschnitt, und die Abplattung ist auf der konkaven Seite stärker als auf der konvexen. Ein 
solcher Bau ist auf Steifheit berechnet, während bei den ebenfalls gebogenen, aber nicht auf Steifheit, 
sondern im Gegenteil auf Elastizität gebauten Rippen die Abplattungsfläche mehr minder senkrecht zur 
Krümmungsfläche des Knochens steht. 

Der Zahn ist in seiner ganzen Länge von der Pulpahöhle durchzogen (Fig. 10a), welche am 
hinteren Zahnende am weitesten ist, nach vorne sich verengt und an der Nagefläche freiliegt (Fig. 10 5), 
weshalb der Nagezahn zu den sogenannten »offenen Zähnen« gehört. Die die Höhle ausfüllende Pulpa 
(Fig. 10a) ist reich an großen Gefäßen und schließt nach außen mit einem Saum zylindrischer Odonto- 
blasten ab (Fig. I1c, 10c). Am vorderen Zahnende ist die Pulpa nekrotisch, oft durchblutet und diese 
Veränderung kann sogar das ganze vordere Drittel der Pulpalänge betreffen und auch mehr (Fig. 10 d). An 
der Nagefläche wird der Zahn verhältnismäßig rasch abgenutzt, trotzdem aber nicht kürzer, denn er 
wächst, ähnlich wie unsere Nägel, zeitlebens fort. 

Der harte Anteil des Zahnes ist der Hauptmasse nach von Dentin gebildet (Fig. 10e, f), welches 
am hinteren Zahnende spitz ausläuft (Fig. 109), nach dem vorderen Ende aber, mit dem der Zahn seine 
Arbeit verrichtet, an Dicke bedeutend zunimmt (Fig. 10e,f). Die Verkalkung des Dentins ist beim 
normalen Tier in der Regel homogen (Fig. 11a, Fig. 10e), und diesem Umstande ist es zuzuschreiben, 
daß bei der makroskopischen Betrachtung in vivo der Zahn von durchscheinender Beschaffenheit ist, 
die bei ganz jungen Tieren, bei denen die Dentinschicht überdies noch ganz dünn ist, so weit geht, daß 
die sehr gefäßreiche Pulpa durchschimmert und den Zahn rosig erscheinen läßt. Bei älteren Tieren verliert 
sich diese rosa Färbung, der Zahn bekommt einen gelblich bräunlichen Stich, bleibt aber stets durch- 
scheinend. Dies ist auch dann der Fall, wenn, wie das zuweilen vorkommt und bei unserem normalen 
Kontrollmaterial zweimal (Fall 3, 6) zu verzeichnen war, das Dentin im vordersten Zahndrittel, da wo es 
am dicksten ist, nicht absolut homogen ist, sondern eine äußerst fein- und dichtstreifige Struktur verrät. 
Diese hat darin ihren Grund, daß Schichten von vollkommenem und geringerem Kalkgehalt miteinander 
abwechseln. 

Bei dieser Gelegenheit sei auf folgendes aufmerksam gemacht. Das Dentin ist in querer Richtung 
zur gekrümmten Zahnachse von zahllosen Dentinkanälchen durchzogen. Diese werden an der Nage- 
fläche in dem Maße, als daselbst das Dentin abgenutzt wird, eröffnet, so daß Luft in sie eintritt, nach 
dem der Inhalt vertrocknet ist. Dieser Lufteintritt in die Dentinkanälchen bedingt den Verlust der 
transparenten Beschaffenheit des Zahnes an seiner Spitze, und man muß sich hüten, die opake 
Beschaffenheit an der Zahnspitze für pathologisch zu halten. Nun verläuft die Nagefläche, zum Zwecke 
der meißelförmigen Gestaltung der Zahnspitze, stark schräg, was zur Folge hat, daß ein recht ansehnliches 
Stück des vorderen Zahnendes opak wird. Dieses Stück betrifft am oberen Nagezahn fast den ganzen, weil 
ganz kurzen intraoralen Zahnanteil, am unteren Nagezahn, dessen intraoraler Teil viel länger ist, sieht man 
aber außer der opaken äußersten Spitze noch einen recht ansehnlichen Teil des Zahnes deutlich trans- 
parent. Die eben geschilderten Verhältnisse lassen es also verständlich erscheinen, warum wir, wenn wir 
die Transparenz der Nagezähne zu beurteilen haben, dazu vor allem die unteren Nagezähne heran- 
ziehen werden. 

Das Dentin ist in seiner weitaus überwiegenden Menge verkalkt (Fig. 10e, f), aber da, wo es der 
Odontoblastenschicht anliegt, weist es einen ganz schmalen, kalklosen Streifen auf (Fig. 10%), der am 
hintersten Zahnende beginnt (Fig. 10.9), aber beim normalen, älteren Tier niemals bis an die Zahnspitze 
reicht, sondern im vorderen Drittel oder sogar in der vorderen Hälfte fehlt. Von der Dicke dieser Dentinoid- 
schicht wird unten noch die Rede sein. Das Dentinoid (Fig. 11 d) begrenzt sich gegen die Odontoblasten 
stets vollkommen glatt; auch die Grenze gegen das verkalkte Dentin ist linear scharf und in der Regel 


Rachitis und Epithelkörperchen. 523 


[D Pa: 


glatt, zuweilen aber, wie in der Fig. 11, etwas unregelmäßig, was davon kommt, daß die Kalkablagerung 
in der Form von Dentinkugeln erfolgt, die dann konvex gegen das Dentinoid vorspringen, aber nur aus- 
nahmsweise darin isoliert angetroffen werden. 

Auf jener Strecke, an der sich Dentinoid findet, geht der Dentinanbau vor sich, der, wie der Anbau 
von Knochengewebe, stets kalklos erfolgt, doch dauert das kalklose Stadium nur kurze Zeit, die Kalk- 
ablagerung stellt sich sehr bald ein und die Dentinoiddicke überschreitet nicht ein gewisses bescheidenes 
Maß. 

Zum Verständnis der weiter unten zur Sprache kommenden pathologischen Veränderungen ist es 
unerläßlich, wenigstens ganz kurz die Wachstumsart des Nagezahndentins zu streifen. Genauer war 
davon in der Frankfurter Zeitschrift für Pathologie Band VII, p. 310 die Rede. Beim Wachstum des Dentins 
kommen vor allem zwei Momente in Betracht, die Dentinapposition von der Pulpahöhle aus und die Vor- 
wärtsbewegung des ganzen Zahnes nach außen in der Richtung der gebogenen Zahnachse. Plastisch 
gedacht stellt die von Odontoblasten besetzte Pulpaoberfläche, von der das Dentin erzeugt wird, die 
Mantelfläche eines gestutztes Kegels dar, dessen Achse halbkreisförmig gebogen ist, wobei aber noch in 
dieser Biegungsebene die Mantelfläche seitlich zusammengedrückt ist. Außer diesen gröbsten Abweichungen 
der Pulpaoberfläche von einem Kegelmantel gibt es noch andere geringfügigere Abweichungen, die bei 
Betrachtung von Querschnittsbildern in die Augen springen, hier aber unbeachtet bleiben sollen. Stellen 
wir uns nun vor, daß die Pulpa an ihrer so gestalteten Oberfläche eine Dentinschicht von einer gewissen 
Dicke, wenn man so sagen darf, ausschwitzt, so wird diese einen Abguß der Pulpaoberfläche darstellen 
und somit genau die gleiche Form besitzen. Diese eine Schicht führt dann mit dem ganzen übrigen Dentin 
die Vorwärtsbewegung in der Richtung der Zahnachse aus, verläßt also ihren früheren Ort, der dann von 
einer neuen, genau gleich gestalteten Schicht eingenommen wird usf. Anbau und Vorwärtsbewegung 
geschehen aber nicht sprunghaft, sondern kontinuierlich. 

Wir haben uns somit die Gesamtmasse des Dentins als einen Stoß von übereinandergestülpten, 
untereinander kongruenten, in ihrer Form vielfach modifizierten Kegelmänteln vorzustellen. Die Außen- 
form des so zusammengesetzten Dentins ist natürlich nicht kegelförmig, sondern ein Zylinder, dessen 
Achse kreisförmig abgebogen ist und der in dieser Biegungsebene seitlich zu einem eiförmigen Quer- 
schnitt zusammengedrückt ist, von anderen, minder einschneidenden Abweichungen von der Gestalt eines 
Zylinders abgesehen. Es sei nur noch betont, daß im normalen Nagezahn der schichtweise Aufbau 
des Dentins nicht direkt zu sehen ist, denn die Verkalkung ist homogen. Aber die Schichten sind 
parallel zur inneren, der Pulpa zugewendeten Dentinoberfläche zu denken und nicht etwa zu der 
der knöchernen Alveole zugewendeten äußeren Oberfläche des Dentins. 

Der Schmelz (Fig. 10z, 11%) findet sich nur an der konvexen Seite des Nagezahnes, die dadurch 
eine bedeutende Erhöhung der Festigkeit gewinnt. In unseren in Salpetersäure entkalkten Schnitten ist 
der Schmelz nur hinten, wo er noch unreif ist, erhalten (Fig. 10, Fig. 11 h), nach vorn verliert er sich aber 
sehr bald (Fig. 11) und geht zum größten Teil, soweit er reif ist, bei der Entkalkung verloren (Fig. 102). 
Es ist darum in unserer Fig. 1O nicht zu sehen, daß, wie man das nur von einem Schliff erwarten kann, 
der Schmelz bis ans vorderste Zahnende reicht, wo er, zufolge der spitzwinkeligen Abschrägung des 
Zahnendes durch die Nagefläche die äußerste Zahnspitze bildet. Es braucht nicht erst hervorgehoben 
zu werden, von welchem Vorteil für die Funktion des Nagezahnes es ist, daß er gerade an seiner Spitze 
aus spitzwinkelig zugeschliffenem Schmelz, der härtesten Substanz des Körpers, besteht und daß das Tier 
überdies noch die Möglichkeit besitzt, durch kontinuierliches Nachwachsen des Schmelzes und Ausschleifen 
erlittener kleinster Scharten sozusagen täglich von Neuem sein wichtigstes Instrument instandzusetzen. 
Darum finden wir beim normalen Tier die Nagezähne stets intakt vor und in der ihnen charakteristischen 
Weise zugeschliffen (Fig. 10). 

Der Schmelz wird von dem Schmelzepithel (Fig. 10%) produziert, welches vorne in das Mund- 
epithel übergeht und hinten bis zum Zahnende reicht, wo es auf eine kurze Strecke auch auf die konkave 


Seite übergreift, ohne jedoch hier Schmelz zu erzeugen. Das Schmelzepithel besteht aus einer inneren 


Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC. Bd 72 


524 Dr. J.Erdheim, 


einschichtigen Lage hochzylindrischer Zellen (Fig. 11e) und dem kleinzelligen äußeren Epithel (f), welches 
wurzelförmige Fortsätze ins Alveolarperiost (Fig. 11/7) entsendet. Am hinteren Zahnende gehen beide Zell- 
lagen ineinander über (Fig. 11%). 

Vom Kieferknochen (Fig. 10 m, n) wäre nur Folgendes zu berichten: Am Alveolareingang findet 
man bei unseren Kontrolltieren zuweilen etwas Osteoid, welches uns anzeigt, daß die mit dem Körper- 
wachstum einhergehende Vertiefung der Zahnalveole zum Teil wenigstens durch Knochenanbau am 
Alveolareingang zustande kommt. Ferner sind oft an der Innenfläche der Alveole, und zwar in ihrem 
vordersten Anteil an der konkaven Seite Erscheinungen des Anbaues zu beobachten, denen zuweilen, aber 
nicht immer, an der konvexen Seite Erscheinungen von Abbau entsprechen. Beides nur auf den vorderen 
Teil der Alveole beschränkt spricht dafür, daß die Tendenz besteht, die Krümmung der Alveole zu 
einer flacheren umzugestalten. Vergleichen wir den Nagezahn eines ganz jungen (Fig. 10) mit dem 
eines ausgewachsenen oder älteren Tieres (Fig. 16, 19), so sehen wir, daß ersterer nicht nur kürzer und 
dünner, sondern auch nach einem kleineren Radius gekrümmt ist. Es dürfte sich bei den eben erwähnten 
Erscheinungen an der knöchernen Zahnalveole um eine Anpassungserscheinung an die mit dem Körper- 
wachstum erfolgende Krümmungsänderung des Nagezahnes selbst handeln. Während oben von der 
Wachstumsart des Nagezahnes beim ausgewachsenen Tier die Rede war, soll mit dieser Beobachtung das 
noch viel kompliziertere, weil mit einer Gestaltveränderung einhergehende Wachstum des Nagezahnes 
vom jugendlichen bis zum erwachsenen Alter nur gestreift werden. 


Es erübrigt uns noch, über die Dickenmaße des Dentinoids bei unseren normalen Kontroll- 
tieren zu berichten. Die Nagezähne wurden stets der Länge nach geschnitten und das Dentinoid sowohl 
auf der konvexen als auch auf der konkaven Seite an je drei Stellen gemessen, was bei jedem Zahn sechs 
Messungen ergab und da in jedem Falle sowohl ein oberer als auch ein unterer Nagezahn gemessen 
wurde, mußten in jedem Falle 12 Messungen ausgeführt werden. Welche drei Stellen der Zahnlänge 
stets gemessen wurden, ist in der Kasuistik beim Falle 1 ausgeführt. 

Betrachten wir noch einmal die asymmetrisch eiförmigen Querschnitte des Nagezahnes, wie sie im 
VII. Bande der Frankfurter Zeitschrift für Pathologie, Taf. 9 bis 11, mehrfach abgebildet wurden, so werden 
wir leicht verstehen, wie leicht es vorkommen kann, daß wir bei einem Längsschnitt durch den Nagezahn 
das Dentinoid schief treffen, so daß es uns im Schnittbilde dicker erscheint als es in der Tat ist, und wir 
so in den Fehler verfallen, zu dicke Maße zu erhalten. Es kommt dazu, daß der Nagezahn, genau 
betrachtet, nicht nach einem Kreis-, sondern nach einem Schraubensegmente gekrümmt ist, so daß es bei 
den schon sehr langen Zähnen älterer Tiere und ganz besonders bei dem so viel längeren unteren Nage- 
zahn ganz unmöglich ist, in die Schnittebene des Mikrotoms den ganzen Zahn so hinein zu bekommen, 
daß er sowohl am vorderen als auch am hinteren Ende im reinen, medianen Längsschnitt enthalten wäre. 
Dies ist aber nicht nur in einem Schnitte unmöglich, sondern genau betrachtet auch nicht in einer parallelen 
Schnittserie, wie sie in jedem Falle angefertigt wurde. War aber die Schnittserie an ihrem Anfang oder 
Ende inkomplett, so ereignete es sich, daß das hinterste Dentinende in der Serie fehlte, so daß es nicht 
möglich war, das Maß I zu bestimmen. Das ist, namentlich bei den Rachitistieren, etliche Male der Fall 
gewesen. Es geht aus diesen Ausführungen hervor, daß die bei den Messungen gewonnenen Zahlen nicht 
gleichwertig und daß ihr absoluter Wert durch die genannten Zufälligkeiten zum Teil beeinträchtigt sein 
dürfte. Das Gesamtbild der Messungen weist daher eine gewisse Ungleichmäßigkeit auf, die uns dazu 
mahnt, aus ihnen nur die augenfälligsten Momente herauszuheben und auf Feinheiten nicht einzugehen. 

Die bei den Nagezähnen gewonnenen Maße der normalen und Rachitisfälle sind in den Diagrammen 
XVI bis XXII (Tafel X) zusammengestellt, in den vier ersten die der oberen, in den vier letzteren die der 
unteren Nagezähne. Stets wurden die Zahlen des Maßes I und II für sich, und zwar das der konvexen 


ne u 


Rachitis und Epithelkörperchen. 525 


und konkaven Seite wieder für sich allein in ein Diagramm zusammengefaßt. Von dem Maße III wurden 
die Diagramme als überflüssig weggelassen. 


Vergleichen wir in jedem Falle das Maß I mit dem Maß II, und zwar an der konvexen und kon- 
kaven Seite für sich, so kommen wir zu dem Resultat, daß das Maß I zumeist, aber nicht immer größer ist 
als das Maß II. Das Maß III ist unter allen Umständen das kleinste. Im normalen Nagezahn nimmt also in 
derRegel dieDentinoiddickevonhintennach vorne kontinuierlich ab; (bei denRachitistieren ist das, 
- wie wir hören werden, anders). 


Vergleichen wir jetzt die Dentinoiddicke der konvexen und konkaven Seite in der Weise, daß 
wir in beiden die Maße I untereinander und die Maße II untereinander vergleichen, so kommen wir zu dem 
Resultate, daß beim normalen Tier ausnahmslos die Dentinoiddicke der konvexen Seite größer ist 
als die der konkaven. Zum gleichen Resultate gelangen wir, wenn wir in jedem Falle für sich die 
Maße vergleichen. Unter 32 solchen Vergleichen fiel das Resultat 28mal in dem eben genannten Sinne 
aus, zweimal waren beide Werte gleich, einmal der der konvexen Seite kleiner als der der konkaven, 
einmal konnte der Vergleich wegen Fehlens eines der Maße nicht ausgeführt werden. Es ist somit 
typischerweise das Dentin auf der konvexen Seite etwas weniger vollständig verkalkt als 
auf der konkaven, was man auch an einem der seinerzeit veröffentlichten Querschnittbilder direkt 
wahrnehmen kann (VII. Bd. der Frankfurter Zeitschrift für Pathologie, Taf. 10, Fig. III). An dieser Figur 
sieht man auch den mutmaßlichen Grund für dieses Verhalten. Die konvexe Seite ist durch die aufge- 
lagerte Schmelzkappe verstärkt, welche der konkaven fehlt. Diese letztere erfordert daher eine bessere 
Dentinverkalkung. 


Ein Vergleich der Dentinoiddicke des oberen und unteren Nagezahnes ergibt für die normalen 
Tiere keinerlei gesetzmäßiges Verhalten. Ebensowenig ist eine Abhängigkeit der Dentinoidbreite vom 
Alter des Tieres nachweisbar. 


4. Rachitische Nagezähne. 
A. Kasuistik. 


Fall 9. Die Nagezähne waren in vivo gelb und opak. Als das Tier in die eiserne Zange biß, brach der extra-alveoläre Teil des 
linken unteren Nagezahnes zur Hälfte und der des rechten unteren ganz ab. Als das Tier 15 Tage später getötet wurde, 


waren die abgebrochenen Teile wieder vollständig ersetzt. 


Im oberen Nagezahn ist die Pulpa in ihrer vorderen Hälfte nekrotisch, weshalb das Dentinoid nicht weit nach 
vorne reicht. An der Kalkgrenze sind isolierte Dentinkugeln selten. Hingegen gibt es auf der konvexen Seite im mittleren 
Drittel der Zahnlänge mäßig viele, im vorderen Drittel noch mehr Gefäßeinwachsungen. Diese liegen im mittleren Drittel 
noch im Dentinoid und bedingen hier eine buchtige Form der Kalkgrenze, im vorderen Drittel liegen sie bereits im kalk- 
haltigen Dentin und es besteht schon Nekrose der Kapillarwand. In der vorderen Zahnhälfte ist auch der kalkhaltige 


Dentinteil ganz unvollständig verkalkt, da er von kalklosen Streifen durchzogen ist, die nur kleine, isolierte Dentin- 


kugeln enthalten. 


Im unteren Nagezahn sind die Verhältnisse dieselben, nur sind die Gefäßeinwachsungen spärlich und auf den 
kalkhaltigen Teil des Dentins im vorderen Zahndrittel beschränkt. Das Dentinoid ist auf der konkaven Seite bis zur 
Zahnspitze, auf der konvexen fast ebenso weit zu verfolgen und der Kalkgehalt des verkalkten Dentins im vorderen 
Zahndrittel ist noch geringer als im oberen Zahn, denn es ist nahe der Peripherie bloß ganz blaßblau, also unverkalkt 


und sonst sind die kalklosen parallelen Streifen zahlreicher und breiter als im oberen Zahn. 


Der Kieferknochen ist um die Nagezähne besonders kompakt gebaut, was für das junge Tier typisch ist und 
eben darum arm an Osteoid, das sich bloß auf den Rand der Gefäßkanäle beschränkt und nur am Alveolareingang eine 


dickere Masse bildet, in welcher auch nekrotische Knochenzellen vorkommen. 


(or! 
D&D 
[op 


Dry. J. Erdheim, 


Die Dicke des Dentinoids: Wenn in diesem und den folgenden Fällen zu dem Maße III die Bemerkung »an 


der Spitze« hinzugefügt ist, so bedeutet das, daß das Dentinoid bis zur Nagelläche reicht, was unter normalen 


Umständen niemals vorkommt und für Rachitis sehr bezeichnend ist. Die Dentinoidmaße des vorliegenden Falles sind 


zum größten Teil pathologisch groß. 


I II II 
DR ao 4751 5Ou 
Do a 0 27% DRLNTN 
en a ER 40:0 p. 2°5 u fast an der Spitze 
ARE 22:51 38 p, an der Spitze 
x * 
x 


Fall 10. Als das Tier in den Versuch eingestellt wurde, waren die Nagezähne wohl gelb und opak, aber doch intakt. Am 9. Ver- 
suchstag wurde bemerkt, daß beide unteren Nagezähne zu kurz, die oberen zu lang waren und dieses Verhalten war 
auch noch zu konstatieren, als das Tier am 15. Versuchstage getötet wurde. 


Im oberen Nagezahn liegen hinten an der Kalkgrenze isolierte Dentinkugeln. Ferner gibt es hinten auf der 


a ne ni prch na = 5 s u . u 


konvexen Seite mäßig viele Gefäßeinwachsungen, die der Kalkgrenze eine tief buchtige Gestalt verleihen. Der kalkhaltige 
Dentinteil ist hinten auf der konvexen Seite diffus globulär und vorne von kalklosen Streifen mit spärlichen, kleinen, 
isolierten Dentinkugeln durchzogen, welche auf der konkaven Seite noch ausgeprägter sind als auf der konvexen. Die 
Pulpa liest auf der Nagefläche weit offen und ist auf eine lange Strecke nekrotisch. 

Im unteren Nagezahn sind die Verhältnisse im ganzen dieselben, nur daß der Kalkgehalt des kalkhaltigen 
Dentins vorne noch geringer ist, da die kalklosen Streifen breiter und zahlreicher sind und spärlichere und kleine 


Dentinkugeln enthalten. 


ee Ze 


Im Kieferknochen sind die Osteoidsäume mäßig an Zahl und Menge und auf der konkaven Seite des 


Alveolareinganges des oberen Nagezahnes am dicksten. Es fällt auf, daß die Alveolarwand auf der Konvexen Seite des 


—— 


unteren Nagezahnes auf eine lange Strecke ganz kalklos ist und Knorpelzellen einschließt. Es ist. das offenkundig das 
Residuum einer Fraktur. j 


Die Dentinoiddicke ist meist, wenn auch nur mäßig, vermehrt. j 


Fall 11. In vivo waren die Nagezähne gelb, opak, aber intakt. 
Im oberen Nagezahn sieht man im hinteren Drittel an der Kalkgrenze der konvexen Seite viele isolierte | 

Dentinkugeln. Ferner gibt es recht viele Gefäßeinwachsungen, die auf der konvexen Seite in der ganzen Zahnlänge sich | 

finden, jedoch im vorderen Drittel am meisten, während sie auf der konkaven Seite ausschließlich hier vorkommen. Wo 

das Gefäß, wie hinten, vom kalklosen ins kalkhaltige Dentin hineinzieht, zieht eine breite Bucht kalklosen Dentins ins r 


“kalkhaltige mit hinein, so daß die Kalkgrenze nicht nur globulär, sondern auch vielbuchtig wird. Wo das Gefäß, wie 


vorne, schon ganz in kalkhaltigem Dentin liegt, da ist es auch noch manchmal von einem Dentinoidhof umgeben. An 
Tangentialschnitten durch den Zahn, in denen die Dentinkanälchen quer getroffen sind, sieht man um diese nicht selten 
sonderbarerweise ebenfalls einen kalklosen Dentinhof, während wir doch sonst im Gegenteil gewohnt sind, um das : 
Dentinkanälchen herum die erste Kalkablagerung eintreten zu sehen. Im vorderen Zahndrittel endlich ist das kalkhaltige 


Dentin recht kalkarm, denn es ist von breiten parallelen Streifen durchzogen, die im wesentlichen kalklos sind und 


nur kleine Globuli enthalten. 


Fall]j2. 


Fall 13, 


Rachitis und Epithelkörperchen. 027, 


u 


Am unteren Nagezahn ist der Befund im Wesen gleich, nur ist auf der konkaven Seite die globuläre Kalk- 
grenze besonders breit und aus besonders kleinen Globuli zusammengesetzt, die Gefäßeinwachsungen sind spärlicher 
und nur auf die vordere Zahnhälfte beschränkt und die Kalkarmut des kalkhaltigen Dentins in der vorderen Zahnhälfte 
ist noch größer, denn die roten Streifen im kalkhaltigen Dentin sind zahlreicher, breiter und enthalten nur ganz locker 
kleine Globuli. 

Im Kieferknochen gibt es überall Osteoidsäume, die breitesten am Eingang in die Zahnalveolen. 


Die folgenden Dentinoidmaße sind fast alle pathologisch vergrößert. 


I I III 
a) 300 p 475 Y DT) 
b) 220 4 40° p Sp 
c) 30:0 1 42:5Y 10 p 
d) 175 u 62:5 1 10» 
* * 
* 


Am lebenden Tier waren die Nagezähne kräftig, intakt, gelb, aber opak. 

Im oberen Nagezahn ist die Kalkgrenze zackig-wellig, aber isolierte Dentinkugeln sind da nur wenige anzu- 
treffen. Das kalkhaltige Dentin ist im hinteren Drittel von normalem Aussehen und frei von Gefäßeinwachsungen, im 
mittleren Drittel schon globulär und im vorderen Drittel durch Einlagerung paralleler Schichten aus kleinen, locker 
stehenden Globuli schon recht schlecht verkalkt und überdies je näher zur Zahnspitze desto mehr von Gefäßkanälen 
durchzogen, von denen einzelne sogar noch kalklose Höfe aufweisen. 

Am unteren Nagezahn ist diese Kalkarmut des verkalkten Dentins noch mehr ausgesprochen, aber die 
Gefäßeinwachsungen viel spärlicher. Sonst derselbe Befund wie im oberen. 

Der Kieferknochen zeigt Osteoidsäume an auffallend vielen Balken, doch von geringer Entwicklung. Am 


Alveolareingang der Nagezähne fehlt das Osteoid ganz. 


Die folgenden Dickenmaße des Dentinoids überschreiten zum großen Teil die normale Grenze nicht, zum Teil 


tun sie dies nur in sehr beschränktem Grade. 


I II Il 
ED) RT 3751 4:3 1 
D) 0.0.0 »lA8Mm 175» 4:3 1 
Do 0.0 0 AU af 325 p 504 
@) 000 TS 15:0 1 501. 
* x 
% 


Die Nagezähne waren in vivo gelb und opak und die Spitzen der beiden unteren brachen ab, als das Tier in die Zange 


hineinbiß. Am Versuchsende, 15 Tage später, waren die Nagezähne wieder von normaler Länge. 


Im oberen Nagezahn ist, etwa der Mitte entsprechend, auf der konvexen Seite die Kalkgrenze durch eine 
breite Übergangszone aus isoliert stehenden kleinen Dentinkugeln gegeben. Gefäßeinwachsungen sind im mittleren und 
namentlich im vorderen Drittel der konvexen Seite sehr zahlreich und bedingen an ersterer Stelle eine tief buchtige 
Gestaltung der Kalkgrenze, während sie vorne noch von kalklosen Höfen umgeben sind. Das kalkhaltige Dentin ist 
schlecht verkalkt, schon hinten globulär und vorne von breiten kalklosen Streifen durchzogen, in denen viele, aber 


kleine und isolierte Dentinkugeln liegen. 


Am unteren Nagezahn sind die Verhältnisse ungefähr die gleichen, nur fehlen die Gefäßeinwachsungen ganz 
und das kalkhaltige Dentin ist vorne noch kalkärmer, weil die dasselbe durchziehenden kalklosen Streifen zahlreicher 


sind und dichter zusammenstehen. 


Dr. J.Erdheim, 


Im Kieferknochen gibt es nur wenig Osteoidsäume; am meisten noch auf der konkaven Seite des Alveolar- 
einganges der Nagezähne. Es sind das jene Stellen, wo die im Verlaufe des Körperwachstums erfolgende Vertiefung 


der Zahnalveolen durch Knochenappesition zustande kommt und darum bei Rachitis so oft kalklos gefunden werden. 


Die folgenden Dickenmaße des Dentinoids sind erheblich pathologisch verdickt. 


I Il II 
AB) RE 80:0 Mu 50 
DD). 2 0... 823010 32:0 u. 12:51 
DS RER 52:9 1 200 u. 
A 2. BP Jon 960 u 200 y. 
* * 
* 


Fall 14. Die gelben, opaken und intakten Zähne wiesen zwei weiße, quere, dem Schmelzüberzug angehörende Flecken auf, 


welche an der Vorderfläche beider unteren Zähne in gleicher Höhe saßen. 

Im oberen Nagezahn liegen auf der konvexen Seite im mittleren Drittel mäßig viele, isolierte Dentinkugeln 
an der Kalkgrenze. Ebenfalls auf der konvexen Seite an der Grenze des mittleren und hinteren Drittels finden sich zahl- 
reiche, auf der konkaven Seite spärliche Gefäßeinwachsungen, welche eine unregelmäßig buchtige Form der Kalkgrenze 
zur Folge haben. Der kalkhaltige Dentinteil ist schon hinten grob-globulär und vorne grobstreifig durch Einlagerung 
paralleler kalkloser Streifen mit kleinen, isolierten Dentinkugeln. Trotzdem ist der Kalkgehalt nicht hochgradig ver- 
ringert. Die Pulpahöhle ist an der Nagefläche weit offen, die Nagefläche des Dentins auf der en Seite glatt, auf 
der konkaven wellig-zackig, mit den kalklosen Streifen entsprechenden Vertiefungen. 

Im unteren Nagezahn sind die Verhältnisse ähnlich, nur die Gefäßeinwachsungen sind spärlicher und vorne 
das kalkhaltige Dentin viel kalkärmer, denn die roten Streifen sind zahlreicher, breiter, mit spärlicheren und kleineren 
Dentinkugeln. Die wellig-zackige Beschaffenheit der Nagefläche auf der konkaven Seite ist hier ebenso zu sehen wie am 
oberen Zahn. 

Im Kieferknochen gibt es viele und breite Osteoidsäume, die hauptsächlich am Alveolareingang der konkaven 
Seite ausgebildet sind. 

Das Dentinoid ist zumeist erheblich pathologisch verdickt, nur ausnahmsweise überschreitet es die normale 


Grenze nicht. 


I II II 
BE Aa I0°0 y. On 
DE 5 RO 3754 30 
Oo 0 5 ao 62:5 12'5 u an der Spitze 
De 505 AO 709°O0 u aa nr 
* * 
- 


Fall 15 (Fig. 12). Ähnlich wie im vorhergehenden Falle wiesen auch hier in vivo die gelben, intakten aber opaken Nagezähne, 


rauhe, weiße, quer verlaufende Schmelzflecken auf. 

Im oberen Nagezahn findet sich im mittleren Drittel der konkaven Seite eine breite Übergangszone mit vielen 
freien Dentinkugeln. Gefäßeinwachsungen sind fast nur auf der konvexen Seite vorhanden, im ganzen mäßig zahlreich, 
die meisten im hinteren und vorderen Drittel. Hinten verursachen sie eine buchtige Form der Kalkgrenze, vorne sieht 
man um die schon nekrotischen Kapillaren zum Teil noch kalklose Dentinhöfe. Der kalkhaltige Dentinteil ist hinten 
von normalem Aussehen, in der Mitte schon globulär und vorne darum sehr unvollständig verkalkt, weil er von 
mehreren Streifen durchzogen ist, in denen die sehr geringe Kalkmenge allein durch isoliert liegende, kleine Dentin- 
kugeln repräsentiert ist. An der Nagefläche ist die Mächtigkeit des Dentins gering, der Pulpakanal weit. Die Nagefläche 
ist im Bereiche des kalkhaltigen Teiles glatt (vgl. Fig. 12), im Bereiche des kalkarmen zackig-zerfranst (vgl. Fig. 12 a). 
Die bloßliegende Pulpa ist von Bakterienmassen bedeckt, von der Nagefläche geht ein Spalt aus, der zwischen zwei 
kalkarmen Dentinschichten liest und außer roten Blutkörperchen auch Bakterienmassen enthält, die senkrecht vom Spalt 


weg auch in die Dentinkanälchen eingewachsen sind. 


Rachitis und Epithelkörperchen. 529 


Am unteren Nagezahn sind die Verhältnisse im allgemeinen dieselben, nur sind die Gefäßeinwachsungen 
viel spärlicher und nur auf das mittlere Drittel der konvexen Seite beschränkt, an der Nagefläche ist der Pulpakanal eng 
und die Pulpa von Bakterienmassen belegt und eitrig entzündet. Die Kalkarmut des Dentins ist noch stärker entwickelt 
als am oberen Zahn; schon das Dentinoid ist breiter und bis an die Zahnspitze verfolgbar, der gut verkalkte Teil (D) 
nimmt nur 1/, bis 1/, der Dentindicke ein und ist auch von feinen kalklosen Streifen durchzogen. Der übrige Teil des 
Dentins (d) ist nur ganz blaßblau gefärbt, »anverkalkt«, und führt Streifen kalklosen Dentins, in dem kleine, blasse, oft 
weit auseinander liegende Dentinkugeln liegen (e). 

Im Kieferknochen allenthalben Osteoidsäume, die am Alveolareingang der Nagezähne nicht dicker sind als 
anderwärts. 

Die folgenden Dickenmaße des Dentinoids sind gegen die Norm durchwegs, aber nur zum Teil erheblich 


pathologisch vergrößert. 


I II IT 
AD) 00 RD 62-5 u 125 u 
DEE 230 5754 12:5 u 
ODE 9ON 80:0 u 7:5 1 an der Spitze 
EI 205,0N 112-0 u. BOLIOM Er 
* * 
* 


Fall 16 (Fig. 13 bis 16). Die kräftig entwickelten gelben Nagezähne waren beim lebenden Tier opak. 
Im oberen Nagezahn ist die Kalkgrenze hinten auf der konvexen Seite stellenweise sehr breit, mit großen 

isolierten Dentinkugeln (Fig. 14a). Dies ist viel stärker entwickelt als es nach dem in Fig. 14 abgebildeten Schnitte 
scheinen könnte. Der äußere, kalkhaltige Teil (Fig. 14 c) ist zum großen Teil schmäler als das Dentinoid (Fig. 14). 
Gefäßeinwachsungen (Fig. 144) sind zahlreich, auf der konvexen Seite mit Ausnahme des hintersten und vordersten 
Zahnendes überall, auf der konkaven nur vorne und spärlich zu finden. Diese Gefäßeinwachsungen erzeugen stellen- 
weise (Fig. 13 %k) eine tiefbuchtige Kalkgrenze und haben vorne oft einen kalklosen Dentinhof. Der kalkhaltige Teil ist 
im allgemeinen (Fig. 14c) und auf der konkaven Seite selbst am vordersten Zahnende noch sehr dünn (Fig. 134). 
Hinten hat das kalkhaltige Dentin einen globulären Aufbau (Fig. 165), vorne ist es in der bekannten Weise von 
parallelen, breiten, kalklosen Streifen durchzogen, die isolierte und konfluierende Dentinkugeln enthalten (vgl. Fig. 15.4). 

| So ist also das kalkhaltige Dentin nicht nur dünn, sondern auch sehr unvollkommen verkalkt. An der Nagefläche liegt 

die Pulpa (Fig. 13 e) weit offen, ist von Bakterienmassen bewachsen und entzündet und die Nagefläche des Dentins ist 

stufig zersplittert und stellenweise ebenfalls mit Bakterien bewachsen, die manchmal in einen parallel zu den Schichten 

verlaufenden Spalt oder in die Dentinkanälchen hineinziehen. 

| “ Sehr bemerkenswert ist das Verhalten des Schmelzes. Dieser ist, wie gewöhnlich, hinten erhalten und normal 


dick (Fig. 14e) und hört vorne (bei f) auf, da er in der Entkalkungsflüssigkeit wie immer zerfiel und verloren ging. Mehr 


vorne aber ist er abnormerweise wieder erhalten, aber nach außen buchtig begrenzt und pathologisch verdünnt, und 
| auch das darüber liegende Schmelzepithel ist pathologisch, nämlich nur zweischichtig, mit zylindrischem Zellager am 

Schmelz und einem kubischen am Bindegewebe. Etwas weiter nach vorne ist das Schmelzepithel wieder normal, mehr- 
| schichtig, entsendet wurzelartige Fortsätze ins Bindegewebe, aber auch der Schmelz selbst verhält sich an dieser Stelle 
wie normal, er ist ausgefallen. — An einer anderen, mehr nach hinten gelegenen Stelle ist das Schmelzepithel auf ein 
einschichtiges Lager niedrig kubischer Zellen reduziert, das dem Dentin direkt anliegt, das heißt, es fehlt hier der Schmelz 
überhaupt. Daß dieser Schmelzdefekt kein Kunstprodukt ist, erkennt man daran, daß ja erstens das Epithel dieser 
Stelle so hochgradig verändert ist, ferner daran, daß der zu beiden Seiten erhaltene Schmelz gegen die Defektstelle zu 


immer niedrigere Säulen aufweist, die schließlich ganz aufhören. Endlich sieht man im Schmelzepithel stellenweise 


kleine, Schmelzkugeln enthaltende Höhlen und an solchen Stellen sind die ins Bindegewebe getauchten Epithelfortsätze 
auch voll von braunen Körnchen. 

Diese Schmelzveränderungen sind darum bemerkenswert, weil sie identisch sind mit denjenigen, welche, wie ich 
seinerzeit nachgewiesen habe, nach EK.-Exstirpation bei den Tetanietieren entstehen und welche später Fleischmann 
auch bei der spontanen Tetanie der Kinder fand. Es kommen also die gleichen Veränderungen, wenn auch vielleicht 


seltener, auch bei der spontanen Rachitis vor und vielleicht deuten sie darauf hin, daß dieses Tier an spontaner 
Tetanie litt. 


{0} 


60) 


Rasnleeze 


Fall 18. 


Dr. J. Erdheim, 


Am unteren Nagezahn sind die Dentin- und Schmelzveränderungen im ganzen die gleichen wie im oberen 
Nagezahn, nur sind hier weniger Gefäßeinwachsungen zu sehen, das kalkhaltige Dentin ist vorne noch kalkärmer, weil 
die kalkfreien Schichten (Fig. 15d) mit den isolierten Dentinkugeln zahlreicher und breiter sind und die Nagefläche ist 
geradezu feinpinselig aufgesplittert. 

Im Kieferknochen gibt es viele und breite Osteoidsäume, welche am dicksten sind am Alveolareingang des 
Nagezahnes auf der konkaven Seite (Fig. 13.9). 

Die Dicke des Dentinoids, welche an beiden Nagezähnen bis zur Nagefläche reicht (Fig. 13a), ist fast überall, 


zum Teil selbst maximal pathologisch vermehrt. 


I II III 
AAO 96 1 16:0 u an der Spitze 
DEAN 96 1 48:04 >» » » 
c) 3 37 DW so u 12-5 u » » » 
d) en 20:0 1. 128 1 10:O u >» >» » 

* x 
x 


In vivo waren die Nagezähne kräftig, gelb, opak und der rechte untere wies dem Schmelzüberzug angehörende opak- 
weiße Querstreifen auf. Am selben Zahn brach wenige Tage vor der Tötung des Tieres die Spitze ab, was eine geringe 
Verlängerung des rechten oberen Nagezahnes zur Folge hatte. 

An der Nagefläche des oberen Zahnes liegt die Pulpa sehr weit offen und ist hier nekrotisch, auf der kon- 
vexen Seite ist der kalkhaltige Dentinteil unvollkommen verkalkt, denn er ist hinten globulär und vorne grob-streifig 
durch Einlagerung vieler kalkloser Streifen. Dasselbe in höherem Maße ist auf der konkaven Seite zu sehen. Wo die 
kalklosen Zwischenschichten an der Nagefläche bloßliegen, ist diese nicht glatt, sondern zackig ausgebrochen, splitterig. 
An der Kalkgrenze sieht man nicht sehr viele freie Dentinkugeln. Gefäßeinwachsungen sind fast keine vorhanden. Das 
Dentinoid reicht bis an die Nagefläche. 

Die Pulpa des unteren Nagezahnes ist in der vorderen Zahnhälfte nekrotisch und liegt an der Nagefläche 
nur mit einer ganz kleinen Oberfläche frei. Der kalkhaltige Dentinteil ist im hinteren Drittel vollkommen gut verkalkt, im 
mittleren Drittel wird er schon globulär und im vordersten Drittel ist er durch Einlagerung zahlreicher, breiter, kalkloser 
Streifen sehr mangelhaft verkalkt. Das Dentinoid reicht fast bis an die Zahnspitze heran. 

Der Kieferknochen hat überall zahlreiche, mäßig breite Osteoidsäume, besonders breit aber sind sie am 
Alveolareingang der Nagezähne, wo eine gewaltige Osteoidmasse liegt, in deren Zentrum ein verkalkter blauer Anteil 


mit prächtigen, kalklosen, roten Sharpey’schen Fasern in Längs- und Querschnitten zu sehen ist. 


Das Dentinoid ist, wenn auch nicht maximal, so doch deutlich pathologisch verdickt. 


I Il I 
DEN So 7504 25 an der Spitze 
b) N 22°D u 3254 15:0 u » » » 
c) SUR ? 52-0 10:0 u fast » » » 
r d) ALP ? 30:0 u 50% » » » » 
* 
* * 


Die Nagezähne waren in vivo gelb, opak und zur Zeit als das Tier in den Versuch eingestellt wurde, war der linke 
untere Nagezahn etwas kürzer, der linke obere etwas länger. Als das Tier 15 Tage später getötet wurde, waren diese 
Differenzen wieder ausgeglichen, aber die sehr kräftigen Zähne doch noch opak und gelb. 

Im oberen Nagezahn ist der kalkhaltige Dentinteil hinten globulär, vorne ist er durch Einlagerung kalk- 
loser Streifen noch kalkärmer und enthält daselbst überdies auf der konvexen und konkaven Seite recht viele einge- 


wachsene Gefäße, die, zum Teil wenigstens, von kalklosen Höfen umgeben sind, wodurch die Kalkgrenze wellig ist. 


Im unteren Nagezahn ist, wie gewöhnlich bei Rachitis, der Kalkgehalt des verkalkten Dentins noch geringer 


als im oberen. Zwar sind hier im vorderen Teil Gefäßeinwachsungen äußerst spärlich, aber die parallel eingelagerten 
roten Streifen mit kleineren und größeren, isolierten und konfluierenden Dentinkugeln zahlreicher und breiter. Auch 


hinten finden sich an der Kalkgrenze manchmal isolierte Dentinkugeln. 


Rachitis umd Epithelkörperchen. 531 


Am Kieferknochen sind Osteoidsäume in ansehnlicher Dicke und Zahl anzutreffen, am dicksten am Alveolar- 
eingang auf der konvexen Seite des unteren und der konkaven Seite des oberen Nagezahnes. 
Die Dicke des Dentinoids ist weder durchwegs noch maximal vermehrt. Doch reicht das Dentinoid trotz der 


Pulpanekrose im vorderen Zahndtrittel bis oder fast bis zur Nagefläche. 


I I II 
@)5 & 5 ve 50:0 u 10 u an der Spitze 
D) 5 05 5 AROM 7b: - Sufast » >» » 
Oo. eo 2920, 425 U 5m » » » > 
50 5 6 AUS R 25:0 u (ONIE>EEsT> » 
* * 
* 


Fall 19 (Fig. 17). Im Leben waren die Nagezähne gelb, total opak. Wenige Tage vor dem Tode brach die Spitze des linken 


Bar 20: 


Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC. Bd 


unteren Zahnes ab, was eine Verlängerung des linken oberen zur Folge hatte. 

Die Pulpa des oberen Nagezahnes ist im allgemeinen stark hyperämisch und nur am vordersten Ende 
nekrotisch. An der Kalkgrenze der konvexen Seite liegen hinten isolierte Dentinkugeln im Dentinoid. Vorne ist selbst 
der kalkhaltige Dentinteil als kalkarm zu bezeichnen, denn er enthält auf der konvexen Seite viele, große, kalklose Inter- 
globulärräume, die auf der konkaven Seite zu vielen, parallelen, kalklosen Streifen zusammentreten. Wo an der Nage- 
fläche kalkhaltiges Dentin freiliegt, ist diese absolut glatt. Wo kalkloses Detin freiliegt, ist sie rauh und blaue Bakterien- 
massen wachsen in die Dentinkanälchen hinein. An der konvexen Seite sind ferner hinten die Kapillaren der Odonto- 
blastenschicht stark hyperämisch und viele Kapillarschlingen ins Dentin eingewachsen. Im hinteren Drittel hat diese 
Gefäßeinwachsung eine starkeVerbreiterung des Dentinoids zur Folge; im mittleren Zahndtrittel, wo die Kapillaren bereits 
ins kalkhaltige Dentin zu liegen kommen, sind sie noch immer von kalklosen Höfen umgeben; diese sind sogar noch im 
vordersten Drittel in den jüngeren Schichten zu finden, während in den älteren, schon ganz verkalkten Schichten an der 
Stelle der bereits nekrotischen Kapillaren leere Kanäle ausgespart sind. Auf der konkaven Seite spielen Gefäßein- 
wachsungen fast gar keine Rolle. | 

Amunteren Nagezahn ist der Befund im ganzen der gleiche, nur fehlen hier Gefäßeinwachsungen fast ganz 
und die Kalkarmut des vorderen Zahndtrittels ist noch viel ausgesprochener. 

Im Kieferknochen gibt es sehr breite Osteoidsäume. Eine von massenhaften Sharpey’schen Fasern durch- 
zogene, mächtige Osteoidmasse liegt am Alveolareingang des Kieferknochens (Fig. 170). 


Das Dentinoid ist nicht durchwegs, aber ansehnlich verbreitert und reicht an beiden Zähnen bis zur 


Nagefläche. 
I II - III 
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Im Gegensatz zu fast allen anderen Rachitisfällen waren hier die Nagezähne nicht nur intakt und gelb, sondern auch 
durchscheinend wie beim normalen Tier. 

Der kalkhaltige Dentinteil ist unvollkommen verkalkt, denn er ist hinten grob globulär, vorne streifig, das heißt 
von breiten Streifen sehr kalkarmen Dentins durchzogen. Die Übergangszone vom kalkhaltigen zum kalklosen Dentin ist 
pathologisch breit und besteht aus ganz frei liegenden Dentinkugeln. Diese pathologischen Verhältnisse sind am unteren 
Nagezahn bei weitem nicht so ausgesprochen wie am oberen. Die Ursache dafür ist eine im unteren Nagezahn vor- 
liegende, sehr weitgehende regressive Veränderung der Pulpa, die dazu führte, daß der Zahn fast bis ans hintere Ende 
hohl ist, eine Veränderung, die nach früheren Erfahrungen eine Verbesserung der Dentinverkalkung nach sich zieht. Da 
in vivo bei der Beurteilung des Gebisses so gut wie ausschließlich auf die unteren Nagezähne geachtet wurde, erklärt es 
sich, warum hier angegeben ist, die Zähne seien gelb und durchscheinend, also normal gewesen. 


73 


Dr. I. Erdheim, 


Die Dicke des Dentinoids ist wohl pathologisch aber nirgends maximal verdickt. 


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Fall 21 (Fig 18). Die Nagezähne waren, als das Tier in den Versuch eingestellt wurde, gelb, dutchscheinend und intakt, somit 


Fall 22. 


ganz normal. Nach 45 Tagen konnte konstatiert werden, daß die Nagezähne schon deutlich von ihrer durchscheinenden 
Beschaffenheit eingebüßt haben und am 75. Versuchstage waren sie bereits ausgesprochen opak und beim Beißen in 
die Zange brach die Spitze des linken oberen Nagezahnes ab. Am 85. Versuchstage brach der rechte untere und der 
linke obere Nagezahn zur Hälfte spontan ab, und als das Tier am 120. Tage getötet wurde, waren die Zähne schon 
wieder normal lang, aber gelb und opak. Kurz gesagt, stellte sich im Laufe der letzten 3 Monate langsam eine Trübung 
der Nagezähne ein, die dabei in ihrer Festigkeit so weit herabgesetzt wurden, daß sie sogar spontan abbrachen. 

Im oberen Nagezahn ist die Pulpa bis ins hintere Drittel hinein nekrotisch und die Pulpahöhle leer. Aus 
diesem Grunde hört das Dentinoid schon im hinteren Drittel auf und tritt weiter vorn nur fleckweise, sogar knapp vor 
der Spitze auf. Die Kalkgrenze ist hinten, auf der konvexen Seite, durch eine breite Zone isolierter Dentinkugeln 
gegeben. Der kalkhaltige Dentintel ist auf der konvexen Seite schon hinten globulär, vorne dürch Einlagerung kalk- 
armen Streifen mit isolierten kleinen Dentinkugeln noch kalkärmer. Auf der konkaven Seite jedoch ist das Dentin voll- 
kommen gut verkalkt. 

Im unteren Nagezahn ist der Kalkgehalt auffallend geringer als im oberen. Die Pulpanekrose reicht bis zur 
Mitte der Zahnlänge, trotzdem ist das Dentinoid auf der konkaven Seite bis zur Nagefläche, auf der konvexen fast so 
weit zu verfolgen. Auf der konvexen Seite ist die Kalkgrenze hinten nicht glatt, sondern globulär (Fig. 184) und noch 
weiter vorne liegen an der Kalkgrenze isolierte Dentinkugeln (g). Das kalkhaltige Dentin ist ganz hinten (c) tadellos 
homogen verkalkt, weiter vorne (%) angedeutet globulär. In der Mitte der Zahnlänge ist die Kalkgrenze glatt und das 
kalkhaltige Dentin von normalem Aussehen. Ganz vorne aber ist es als sehr kalkarm zu bezeichnen, es ist hauptsächlich 
rot und enthält locker eingestreute kleine Dentinkugeln. Viel besser ist der Kalkgehalt der konkaven Seite, wo das kalk- 
haltige Dentin auf der ganzen Strecke dicht globulär ist, dabei die Globuli oval mit der längeren Achse parallel zur 
Zahnachse gestellt. 

Im Kieferknochen findet sich mäßig viel Osteoid. Am Alveolareingang des oberen Nagezahnes ist das Binde- 
gewebe entzündet und der Knochen in osteoklastischem Abbau. 


Das Dentinoid ist nicht durchwegs, aber zum Teil maximal verdickt. 


I II III 
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In vivo waren die Nagezähne im Gegensatz zu fast allen anderen Rachitisfällen nicht nur intakt und gelb, sondern 
ebenso durchscheinend wie beim normalen Tier. 

Im oberen Nagezahn ist die Pulpa in den zwei vorderen Dritteln nekrotisch. Im mittleren Drittel ist die 
Grenze zwischen nekrotischer Pulpa und Dentinoid tief gezähnt, ohne daß man infolge der Pulpanekrose jetzt sagen 
könnte, ob dies eingewachsene Odontoblasten oder Gefäße waren. Im hinteren Drittel, wo die Pulpa nicht nekrotisch 
ist, stehen die Odontoblasten nicht senkrecht auf dem Dentin, sondern stark schief, und zwar so, daß die Odontoblasten 
der konvexen und konkaven Seite gegen die Zahnspitze konvergieren. Im entgegengesetzten Sinne, aber weniger stark 
schief, verlaufen die Dentinkanälchen. Das kalkhaltige Dentin ist auf den konvexen im hinteren und mittleren Drittel 


deutlich globulär, im vorderen Drittei in den äußeren Schichten nur leicht angedeutet globulär, in den inneren homogen 


Fall 23. 


Rachitis und Epithelkörperchen. 533 


verkalkt, wenn auch nur blaßblau gefärbt. Auf der konkaven Seite ist dieVerkalkung des kalkhaltigen Dentins durchwegs 
normal. 

Im unteren Nagezahn verhalten sich Pulpa, Odontoblasten und Dentinkanälchen genau wie im oberen. Das 
kalkhaltige Dentin zeigt außer einer leicht globulären Struktur der äußeren und einer lichter blauen Farbe der inneren 
Schichten eigentlich ganz normale Verhältnisse. Im Gegensatz zu allen anderen Rachitisfällen ist der Kalkgehalt des 
unteren Nagezahnes besser als der des oberen und namentlich das frei aus der Alveole herausragende vordere Drittel 
ist völlig normal kalkhaltig. Da aber gerade nach diesem Teil in vivo der Zustand der Nagezähne beurteilt wird, ist es 
leicht verständlich, warum diese völlig durchscheinenden Nagezähne in vivo als ganz normal angesehen werden 
konnten. Wie es aber kommt, daß dieses rachitische aber marantische Tier in seinen Nagezähnen so wenig patho- 
logische Kalkverhältnisse darbietet, das wird an anderer Stelle besprochen werden. 

Im Kieferknochen konnte fast gar kein Osteoid nachgewiesen werden. 

Das Dentinoid war zum Teil gar nicht, zur Teil nur in ganz geringem Maße verdickt. Trotz der Pulpanekrose 


im vorderen Zahnabschnitt reicht aber das Dentinoid bemerkenswerterweise im oberen Zahn bis zur Nagefläche. 


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In vivo waren die Nagezähne intakt, gelb, aber ganz opak. 

Im oberen Nagezahn ist die Pulpa fast in der ganzen vorderen Hälfte nekrotisch. Im hinteren, nicht nekro- 
tischen Teil stehen die Odontoblasten schief auf dem Dentin, und zwar so, daß die der konvexen und konkaven Seite 
gegen die Zahnspitze konvergieren. Der kalkhaltige Dentinteil ist auf der konvexen Seite im hinteren Drittel schon 
globulär gebaut und zeigt eine breite, globuläre Übergangszone, im mittleren Drittel ist das Dentin in toto, im vorderen 
nur in den äußeren Schichten globulär, in den inneren homogen verkalkt. Auf der konkaven Seite ist das kalkhaltige 
Dentin im hinteren und mittleren Drittel globulär, wiewohl nach vorne weniger, und die Globuli sind nicht rund, sondern 
oval und parallel zur Zahnachse gestellt; im vorderen Drittel jedoch liegt auf der konkaven Seite an der Pulpa eine 
gewaltige Masse von bis an die Nagefläche verfolgbarem Dentinoid, das von tief und zahlreich eingewachsenen 
Gefäßen tief gezähnt ist, während die äußeren Schichten diffus, aber ganz leicht verkalkt, ganz blaßblau sind. Dement- 
sprechend ist die Nagefläche auf der konkaven Seite bröckelig-zähnelig. 

Im unteren Nagezahn ist die Pulpa noch weiter nach hinten nekrotisch, die Odontoblasten stehen aber senk- 
recht auf dem Dentin. Die Kalkgrenze ist im hinteren Drittel globulär und weist isolierte Dentinkugeln auf. Der ver- 
kalkte Dentinteil ist auf der konvexen und konkaven Seite im hinteren Drittel gänzlich globulär, im mittleren und 
vorderen Drittel nur in den äußeren Schichten, während die inneren homogen und gut verkalkt sind. Im globulären Teil 
sind die Dentinkugeln groß, aber auch die kalklosen Interglobularräume. 

Der Kieferknochen ist im allgemeinen gut verkalkt, ansehnliche Osteoidmengen findet man in der Aus- 
kleidung Volkmann’scher Kanäle und am Alveolareingang beider Nagezähne. Auf der konvexen Seite des unteren 
Nagezahnes ist die Alveolarwand auf eine lange Strecke stark verdickt und von einer kompakten Osteoidmasse gebildet. 


Das Dentinoid ist nicht durchwegs und nur ganz mäßig verdickt. 


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804 Dr. J. Erdheim, 


B. Das histologische Bild der rachitischen Nagezähne. 


Bevor wir zu den histologischen Veränderungen übergehen, seien einige Punkte über das Ver- 
halten der Nagezähne in vivo beim rachitischen Tier vorausgeschickt. Im Gegensatz zu der konstant 
durchscheinenden Beschaffenheit der Nagezähne beim normalen Tier, sind diese in typischer Weise bei 
den Rachitistieren opak, woran die Rachitis in vivo erkannt werden kann. Wie ich seinerzeit nachgewiesen 
habe, findet sich das Opakwerden der Nagezähne in ganz gleicher Weise nach Ek.-Exstirpation ebenfalls. 
Die gelblich-bräunliche Farbe der Zähne bleibt jedoch bei der Rachitis unverändert. Die transparente 
Beschaffenheit des normalen Zahnes erklärt sich aus dem homogenen Kalkgehalt des Dentins (Fig. 11a), 
die opake aus grober Unhomogenität des Kalkgehaltes (Fig. 154). Dadurch, daß verkalktes und 
kalkloses Dentin von ungleichem Brechungsindex innigst untereinander gemischt sind, geht die trans- 
parente Beschaffenheit des Dentins verloren. Diese Inhomogenität ist histologisch in der Regel im vor- 
dersten Drittel des unteren Nagezahnes am ausgesprochensten, und gerade dieser freiliegende Teil des 
unteren Nagezahnes wurde, wie oben ausgeführt, zur makroskopischen Beurteilüng der Nagezähne heran- 
gezogen, wozu er sich besser eignet als der obere. Überschreitet die Inhomogenität ein gewisses geringes 
Maß nicht, so bleibt der Zahn transparent, wie wir das bei unseren normalen Fällen: 3 und 6 zu sehen 
Gelegenheit hatten, 

Von Interesse war der Fall 21, bei dem sich die Rachitis erst im Laufe der Beobachtung entwickelte 
und bei dem im Anfang die Nagezähne noch durchscheinend waren, um später immer mehr und mehr 
und zum Schluß völlig opak zu werden. Der Fall erinnert auf das lebhafteste an das ganz gleiche Ver- 
halten der Nagezähne nach Ek.-Exstirpation, wobei das Opakwerden der Zähne auch den gleichen 
Grund hat. 

Die Fälle 20 und 22 bilden insofern eine Ausnahme, als bei ihnen die Nagezähne nicht opak, son- 
dern durchscheinend waren. Die histologische Untersuchung brachte die Aufklärung. Im Falle 20 war 
die Pulpa des unteren Nagezahnes fast bis an das hintere Ende nekrotisch und die Pulpahöhle fast leer. 
Diese Veränderung hängt mit der Rachitis nicht zusammen, findet sich auch außerhalb dieser und hat nach 
den von Toyofuku mitgeteilten Erfahrungen einen besseren Kalkgehalt des Dentis zur Folge. So war es 
auch im Falle 20. Während sonst die Zone mit unhomogenem Kalkgehalt regelmäßig am unteren Nage- 
zahn ausgeprägter ist als am oberen, war es hier umgekehrt, ja im unteren Nagezahn war die Verkalkung 
des Dentins aus dem genannten Grunde sogar so wenig inhomogen, daß er transparent war wie ein nor- 
maler. — Im Falle 22 war die rachitische Vermehrung des Dentinoids im Nagezahn im allgemeinen, aus 
Gründen des Marasmus, wie wir später hören werden, sehr gering, zum großen Teil überhaupt nicht vor- 
handen und gerade das vorderste Drittel des unteren Nagezahnes, auf den es ja hier hauptsächlich 
ankommt, war in Bezug auf den Kalkgehalt ganz normal. Dies erklärt die durchscheinende Beschaffenheit. 

In den Fällen 14, 15 und 17 fanden sich an den unteren Zähnen genau wie bei den seinerzeit para- 
thyreoidektomierten Ratten, rauhe, weiß-opake, quere Streifen, die, wenn sie sich an beiden Zähnen 
fanden, in gleicher Höhe standen und ausschließlich an der vorderen Fläche, die den Schmelzüberzug trägt, 
zu finden waren. Sie gehören auch in der Tat dem Schmelze an und deuten auf eine pathologische 
Beschaffenheit desselben hin. Diese Veränderung gleicht vollkommen der, wie sie sich nach der Ek.- 
Exstirpation einzustellen pflegt, wovon noch eingehend die Rede sein soll. Es könnte scheinen, als ob 
diese Schmelzveränderung bei der Spontanrachitis seltener vorkomme als nach Ek.-Exstirpation. Doch ist 
zu bedenken, daß unsere seinerzeitigen Exstirpationsversuche sich auf viele Wochen und Monate 
erstreckten, in deren Verlaufe solche Schmelzflecken mehrfach erschienen und mit dem Wachstum des 
Zahnes wieder verschwanden, während unser jetziges Material bloß 15 Tage in Beobachtung stand. Wir 
sind somit durchaus nicht berechtigt, zu behaupten, daß Schmelzveränderungen bei der Spontanrachitis 


Rachitis und Epithelkörperchen. 0930 


seltener seien als nach Ek.-Exstirpation; nur soviel darf gesagt werden, daß in der kurzen Beobachtungs- 
zeit Schmelzflecken bloß bei 3 Tieren beobachtet wurden. 

Hohlbaum, der neuestens mit positiven Resultaten eine Nachprüfung der parathyreopriven Nage- 
zahnveränderungen vorgenommen hatte, berichtet, daß er auch an zwei nicht operierten Ratten Schmelz- 
flecken und Kalkverarmung des Dentins gesehen habe. Diese Veränderungen erklärt er als identisch mit 
den parathyreopriven doch mehr chronisch verlaufend, sagt aber nicht, daß dies Rachitis sei. 

Auch das Vorkommen von Frakturen der Nagezähne bei unseren spontanrachitischen Tieren 
erinnert an das gleiche Verhalten nach Ek.-Exstirpation. In drei Fällen brachen die Nagezähne ab, als das 
Tier angefaßt wurde und zur Abwehr in die Zange biß, in fünf Fällen aber erfolgten die Frakturen unbe- 
obachtet und gewiß bei geringfügigerer Veranlassung. Für die Ursache der Zahnfrakturen ist es bezeich- 
nend, daß unter den fünf genannten sich alle unsere vier Tiere mit höchstgradiger Rachitis fanden. Die 
Kalkverarmung des Dentins ist hier ebenso die Ursache der herabgesetzten Festigkeit wie nach 
Ek.-Exstirpation. Es brach der extraalveoläre Zahnanteil entweder ganz oder halb ab oder aber bloß 
die Zahnspitze. Es brach der untere Nagezahn viel häufiger als der obere, denn er ist dünner und sein 
extraalveolärer Teil länger; einige Zeit nach der Fraktur erschien der gegenüberstehende Zahn infolge 
Ausbleibens der Abnutzung verlängert. Ob die Zahnfrakturen bei Spontanrachitis konstant vorkommen 
oder nicht, hätte sich nur bei einer langen Beobachtungsdauer ermitteln lassen, denn während der fünf- 
zehntägigen Beobachtung kam es sowohl vor, daß Zahnfrakturen zu Anfang des Versuches fehlten, am 
Ende des Versuches aber da waren, als auch umgekehrt, daß die zu Anfang des Versuches vorhanden 
gewesenen Frakturen am Versuchsende durch Nachwachsen der gebrochenen Zähne wieder spurlos aus- 
geglichen waren. Es folgt daraus, daß man aus dem Fehlen von Zahnbrüchen nicht darauf schließen darf, 
daß sie sich bisher noch nicht ereignet hatten. 


Von pathologischen Veränderungen der Pulpa (Fig. 13, 17/f) ist bei Rachitis nicht viel zu berichten. 
Auch unter den Rachitisfällen fanden sich solche, bei denen die Pulpanekrose sich nicht allein auf die 
Spitze oder das vordere Drittel des Zahnes beschränkte, sondern über die Hälfte (Fig. 13:2), über 
zwei Drittel des Zahnes, ja fast bis zu seinem hinteren Ende sich erstreckte. Daß dieses Verhalten 
eine Verbesserung des Kalkgehaltes im Dentin zur Folge haben kann, haben wir schon gelegentlich 
des Falles 20 gesehen. Ist, aber der Grad der Rachitis sehr bedeutend, so kann trotz ausgedehnter Pulpa- 
nekrose der Kalkgehalt des Dentins gering sein (Fig. 13a), und wie zum Beispiel im unteren Zahn des 
Falles 21 das Dentinoid abnormerweise sogar bis an die Nagefläche reichen. In einem solchen Falle ist die 
der nekrotischen Pulpa zugewendete Oberfläche des Dentinoids nicht glatt, sondern oft gezähnt. 

Bei schweren Rachitisfällen sind die Pulpagefäße (Fig. 13) zuweilen stärker gefüllt (vgl. Fig. 11 
und 18) und diese Hyperämie betrifft dann in schönster Weise auch das die Odontoblastenschicht durch- 
ziehende Kapillarnetz (Fig. 18e). In beiden mit Marasmus kombinierten Fällen von Rachitis sah man ferner, 
daß die Odontoblasten nicht, wie gewöhnlich, senkrecht auf das Dentin gerichtet waren, sondern in der 
Weise schief standen, daß im Schnittbild die der konvexen mit denen der konkaven Seite gegen die Zahn- 
spitze konvergierten. Auch die Dentinkanälchen verliefen im Falle 22 schief, aber weniger stark und im 
entgegengesetzten Sinne als die Odontoblasten. Dort, wo das Pulpagewebe an der Nagefläche bloßlag, war 
es zuweilen mit Bakterien bewachsen und hie und da auch eitrig entzündet. 

Das wichtigste Charakteristikon der rachitischen Veränderung des Nagezahnes ist die patho- 
logische Kalkarmut des Dentins und diese Veränderung ist oft bis ins feinste Detail identisch mit 
jener, wie sie sich absolut konstant nach der Entfernung der Ek. einstellt. Diese Kalkarmut drückt sich 
darin aus, daß die Breite des Dentinoidsaumes die normalen Maße oft in exzessivem Grade überschreitet 
(Fig. 14, 15, 185, 16a, 13%, 17k—D) und zwischen das vollkommen gut verkalkte (Fig. 18, 15c) und das 
vollkommen kalklose Dentin eine bald ganz schmale (Fig. 188), bald das übrige Dentin an Dicke mehr oder 


536 Dr. J. Erdheim, 


weniger übertreffende Übergangszone eingeschoben ist (Fig. 15.4), in der das Dentin nur zum Teil, also 
unvollkommen verkalkt ist. Ganz zu äußerst findet sich aber stets noch eine bald dicke, bald nur 
ganz dünne Schicht (Fig. 125, 13d, 15, 14c, 17d, Fig. 18h), welche vollkommen oder fast vollkommen 
normal verkalkt ist. 

Diese drei verschiedenen Schichten gehen wir der Reihe nach durch und beginnen mit der inner- 
sten, völlig kalklosen (Fig. 14, 15, 185, 16a). Daß eine Dentinoidschicht an der Innenfläche des Dentins 
zeitlebens auch normaliter vorkommt (Fig. 11), ist schon gesagt worden, doch ist sie nur auf die zwei 
hinteren Drittel oder eine noch kürzere Strecke beschränkt und recht dünn, wenn auch durchschnittlich 
etwa dreimal so dick als das Dentinoid der Backenzähne und mehr als dreimal sodick als die Östeoid- 
säume im Skelett. Schon ein Blick auf die Diagramme XVI bis XXIU (Tafel X) genügt, um sich zu 
überzeugen, daß bei der Rachitis die Dentinoiddicke in der Regel größer ist als normal, aber nicht etwa 
dreimal dicker als im rachitischen Backenzahn, vielfach sogar geringer als in diesem. Wir haben am Nage- 
zahn, wie schon in einer früheren Arbeit einmal hervorgehoben wurde, ein sehr feinfühliges Reagens, das 
uns auf morphologischem Wege einen Einblick in die intimsten Vorgänge des Kalkstoffwechsels gestattet 
und das bewährt sich auch bei der Rachitis. Denn der Nagezahn hat einen ganz gleichmäßig vor sich 
gehenden Anbau, so daß die Dentinschichten täglich in gleicher Dicke angesetzt werden und an diesen 
hinterläßt der jeweilige Zustand des Kalkstoffwechsels automatisch seine Spuren, die leicht entzifferbar 
sind. Leider wird der Wert dieser besonderen Eigenschaften durch die schon beim normalen Nagezahn 
erwähnten, rein technischen Schwierigkeiten der Schnittführung einigermaßen beeinträchtigt. 

Wie beim normalen Nagezahn, so wollen wir auch beim rachitischen den Wert I und II vergleichen. 
Machen wir das so, daß wir in jedem Einzelnfall die Werte vergleichen, so kommen wir zu dem, Ergebnis, 
daß Wert lin der weit überwiegenden Mehrzahl der Fälle kleiner ist als II. Der Wert III ist aber, so wie 
beim normalen Tier, so auch bei der Rachitis der kleinste. Während also normaliter die Dentinoiddicke 
von hinten nach vorne kontinuierlich abnahm, nimmt sie bei Rachitis nach vorne zuerstzu, um 
erst ganz vorne abzunehmen. 3 

Vergleichen wir jetzt die Dentinoiddicke auf der konvexen und konkaven Seite, und zwar 
zuerst wie beim normalen Nagezahn durch Gegenüberstellung sowohl der Maxima, als auch der Minirna. 
Beim normalen Zahn war das Dentinoid der konvexen Seite ausnahmslos dicker als das der 
konkaven, beim rachitischen Nagezahn ist dies ebenfalls, wenn auch nicht ausnahmslos der Fall. Die 
Unterschiede sind bei Rachitis relativ nicht größer als normal und überhaupt nicht sehr groß; der eine 
Wert ist höchstens etwas mehr als ums doppelte größer. 

Eine Ausnahme bildet hier das Maximum des Diagramms XXI (87:5), welches geringer ist als 
das des Diagramms XXI (128 u), so daß hier am unteren Zahn die konvexe, und nicht wie sonst die 
konkave Seite des Dentins von der Verkalkung bevorzugt wird. Ein solches Verhalten sehen wir auf den 
Querschnitten VIlg_s, Tafel 11 des VI. Bandes der Frankfurter Zeitschrift für Pathologie wiedergegeben. 
Worauf dieses Verhalten beruht, läßt sich mit Sicherheit nicht sagen, höchstens vermuten, da wir über 
die Beschaffenheit des Schmelzes, der für die Festigkeit des Zahnes natürlich nicht gleichgültig ist, keinerlei. 
Auskunft zu erteilen vermögen. Sollte aber der Schmelz in einem solchen Rachitisfalle in seiner Festig- 
keit ebenfalls gelitten haben, so wäre es begreiflich, daß, kompensatorisch sozusagen, eine bessere 
Dentinverkalkung der konvexen Seite am Platze wäre. Von diesen Ausnahmen abgesehen, ist aber zum 
weitaus größten Teil auch bei Rachitis das Dentinoid auf der konvexen Seite dicker als auf der konkaven, 
zu welchem Resultate wir auch dann kommen, wenn wir die entsprechenden Zahlen in jedem einzelnen 
Falle miteinander vergleichen. Unter 60 solchen Vergleichen fiel das Resultat 47mal im gedachten, 9mal 
im umgekehrten Sinne aus, I mal waren beide Werte gleich, 3mal konnte der Vergleich wegen Fehlens 
eines der Maße nicht durchgeführt werden. 

Ein Vergleich der Dentinoidbreite im oberen und unteren Nagezahn führte beim normalen 
Tier zu keinem klaren Resultat, bei den Rachitistieren ist soviel zumindest ganz klar, daß in der Regel, 
wenn auch nicht ausnahmslos, im oberen Zahn des Dentinoid der konvexen Seite dicker ist als im unteren; 


Rachitis und Epithelkörperchen. 937 


wie wenn die konvexe Seite des unteren Nagezahnes im Vergleich mit der des oberen calcioprotek- 
tives Gebiet wäre. Wenn wir aber die Dentinoiddicke der konkaven Seite im oberen und unteren Zahn 
vergleichen, so kommen wir zu nicht ganz eindeutigen Resultaten. 

Nachdem wir uns nun überzeugt haben, daß die Dentinoidbreite im rachitischen Nagezahn patholo- 
gisch vermehrt ist, wollen wir dazu übergehen, nachzusehen, welche Umstände auf die Dentinoidbreite 
von Einfluß sind. Zunächst das Alter des Tieres. Es ist anzunehmen, daß das Wachstum des Nagezahnes 
eines ganz jungen Tieres in rascherem Tempo vor sich geht, als das eines älteren. Das hätte bei vor- 
handener Rachitis zur Folge (bei Gleichheit der übrigen Bedingungen), daß die Dentinoidbreite beim jungen 
Tier größer ausfallen müßte als beim alten, denn das Dentin rollt beim jungen Tier schneller ab und hat 
zur Kalkaufnahme weniger Gelegenheit. Ein Beispiel: Tier 9 ist das jüngste, Tier 12 das älteste der Reihe. 
Ein Vergleich beider ist darum als streng zu bezeichnen, weil bei Tier 12 die Rachitis viel schwerer war 
als bei Tier 9, wenn auch an und für sich noch mäßig. Trotzdem sind die Dentinoidmaße 1 und 2 bei 
Tier 9 größer als bei Tier 12, nur einmal sind beide gleich groß. Während der Fall 9 unter den acht in 
den Diagrammen enthaltenen Maßen 7mal die normale Grenze überschritt, ist dies im Falle 12 nur 4mal 
der Fall und überdies noch in geringerem Maße als bei Tier 9. Es geht daraus klar hervor, daß bei Rachitis 
die Dentinoiddicke im jugendlichen Alter größer ausfälltalsim vorgeschrittenen, während bei 
den normalen Tieren der Altersunterschied von keinem Einfluß auf die Dentinoiddicke war. 

Eigentlich selbstverständlich ist es ferner, daß die Dentinoidbreite vom Grade der Rachitis 
abhängen wird. Fall 11 mit geringfügiger und Fall 16 mit schwerer Rachitis geben darum wieder einen 
recht strengen Vergleich, weil Fall 11 nicht unwesentlich jünger war als Fall 16 und darum eigentlich ein 
breiteres Dentinoid aufweisen sollte. Doch ist im Falle 16 die Rachitis um soviel schwerer, daß in Wirklich- 
keit das Dentinoid durchwegs dicker, in manchen Maßen sogar sehr bedeutend viel dicker ist als bei Fall 11. 
So glatt fällt aber der Vergleich nicht in jedem Falle aus, wie in diesen zwei ausgesuchten Beispielen, 
wofür, zum Teil wenigstens, die schon erwähnten Mängel der Technik mit verantwortlich zu machen 
sind. Mit steigendem Grade derRachitis steigt im allgemeinen auch die Dentinoidbreite. 

Unter den Diagrammen XVI bis XXIll finden sich fünf, bei denen trotz Rachitis die Maße zum Teil 
die normale Grenze nicht überschreiten, wenn auch die Gesamtzahl der die Normalgrenze überschreitenden 
Maße bei weitem viel größer ist. Es zeigt dies, daß in einem Rachitisfalle nicht alle Dentinoidmaße des 
Nagezahnes pathologisch groß sein müssen. Unter diesen fünf Diagrammen finden sich alle vier, die 
das Maß I und nur eines, das das Maß II darstellt. Es folgt daraus, daß es vor allem die Vergrößerung 
des Maßes II ist, in der sich die Rachitis des Nagezahnes konstant auszudrücken pflegt. 

Außer der Verbreiterung des Dentinoids finden wir bei Rachitis auch noch eine Ausdehnung des- 
selben auf eine viellängere Strecke als normal. Bei den normalen Tieren fand sich das Dentinoid nur 
in den zwei hinteren Zahndritteln oder sogar auf eine noch kürzere Strecke, bei den Rachitisfällen 
erstreckte es sich auch oft in das vordere Drittel hinein, ja es reichte oft sogar bis zur Nagefläche 
(Fig. 13 0) oder fast bis an diese heran. Teilen wir unsere Rachitisfälle in zwei Gruppen, in leichte Fälle 
(9 bis 15) und schwere (16 bis 21), so sehen wir, daß das Dentinoid bis oder fast bis zur Nagefläche in 
der ersten Gruppe 2mal unter 7 Fällen reichte, in der zweiten Gruppe 5mal unter 6 Fällen. Es drückt sich 
darin die Tatsache aus, daß das Dentinoid hauptsächlich bei schweren Rachitisfällen bis an die 
Nagefläche reicht, wie das gleiche nach meinen früheren Untersuchungen auch erst längere Zeit nach 
derEk.-Exstirpation der Fall zu sein pflegt. In den 5 schwereren Fällen, in denen das der Fall war, sah man 
dieses Verhalten stets am oberen und unteren Nagezahn und stets an der konvexen und konkaven Seite 
beider, in den 2 leichteren Fällen nur an der konvexen und konkaven Seite der unteren Nagezähne. 

Daß das Maß Ill bei den normalen Fällen sich zwischen 2:5 und 15y, bei den rachitischen aber 
zwischen 2:5 und 481 bewegte und recht hohe Maße zuweilen direkt an der Nagefläche abgelesen 
wurden, paßt zu dem bisher Gesagten vollkommen. 

So wie die der Pulpa zugewendeten innersten Dentinschichten bei Rachitis der Sitz einer pathologisch 
großen Menge ganz kalklosen Dentins sind, so sind die äußersten, der Alveolarwand zugewendeten 


538 Dr. I. Erdheim, 


Dentinlagen am besten, ja trotz Rachitis oft sogar vollkommen normal, homogen verkalkt (Fig. 125, 
Fig. 13, 17 d, Fig. 14, 15, 18c, Fig. 16e). Diese gut verkalkte Schicht ist stellenweise dünner als die 
kalklose (Fig. 14c), reicht, wenn auch oft nur in geringer Mächtigkeit, bis zur Nagefläche (Fig. 125) 
und nimmt von hinten nach vorne an Dicke zu. Die Ursache für diese normale Verkalkung der äußersten 
Dentinschichten ist wahrscheinlich eine statische, denn diese Schichten sind die mechanisch meist 
beanspruchten. ; 

Zwischen dem ganz kalklosen und dem vollkommen normal verkalkten Dentin ist die Grenze sehr 
verschieden. So glatt und linear scharf wie in normalen Fällen ist sie nur selten und höchstens mehr 
gegen das hinterste Zahnende zu. Weiter nach vorne wird die Grenze ganz unregelmäßig, zackisg, 
wellig und ist durch frei im Dentinoid liegende Dentinkugeln ausgezeichnet (Fig. 14, 18), welche 
normaliter nur ausnahmsweise angetroffen werden. Bei Rachitis aber fehlen isolierte Dentinkugeln niemals, 
gehören hauptsächlich der konvexen Seite an, sind von wechselnder Größe und sehr verschieden zahlreich, 
bald spärlich (Fig. 14), bald zahlreicher (Fig. 18), und zuweilen so massenhaft, daß sie eine eigene, ganz 
unvollkommen verkalkte, in den schweren Rachitisfällen recht breite Intermediärschicht bilden. 

Auf der konvexen Seite sind die Dentinkugeln meist mehr kugelig und auf der konkaven mehr 
oval und parallel zur Zahnachse gestellt. Schließen sich die Dentinkugeln mit der Zeit aber doch 
einigermaßen. zusammen, so resultiert eine zwar nicht ganz normale, aber doch auch nicht ganz so 
schlechte Verkalkung von globulärer Struktur (Fig. 165), wie sie sich fast in jedem Rachitisfalle 
vorfindet. 

An anderen Stellen tun sich aber die Globuli zu parallelen, recht gut verkalkten Schichten 
zusammen, zwischen denen das Dentin in verschieden, meist recht breiten Lagen viel kalkärmer 
bleibt (Fig. 154), der Hauptmasse nach kalklos ist und isolierte und konfluierte, sehr verschieden große 
und zahlreiche, meist locker liegende Dentinkugeln enthält. Die Kalkstreifen liegen, so weit man 
mikroskopisch sehen kann, offenkundig parallel zur Odontoblastenschicht, niemals zur Zahnober- 
fläche, wie Preiswerk-Maggi angibt, scheinen also mit den appositionellen Dentinschichten überein- 
zustimmen. Der exakte Beweis dafür steht aber noch aus. Es wäre auch möglich, daß die Anordnung der 
Kalkstreifen von statischen Momenten abhängt. Findet sich das unvollkommen verkalkte Dentin 
globulärer Struktur mehr im hinteren und mittleren Zahndtrittel, so ist für das streifig verkalkte 
Dentin das vordere Drittel die eigentliche Fundstätte. Beide Formen liegen meist intermediär als Über- 
gangszone zwischen dem völlig verkalkten und völlig kalklosen Dentin. Die streifige Dentinverkalkung 
zeigt, daß aus uns unbekannten Gründen die Bedingungen für die Kalkablagerung im Dentin wechseln, 
man könnte von Remissionen und Rezidiven sprechen, die oft merkwürdig rhythmisch aufeinander folgen 
(Fig. 15). Doch entsprechen diesen Remissions- und Rezidivebildern durchaus keine analogen Erscheinungen 
im Rippenknorpel, wie das bei der menschlichen Rippe der Fall zu sein pflegt. 

Die eben geschilderte streifige, also unvollkommene Dentinverkalkung kommt in vollkommen 
identischer Weise auch nach Ek.-Exstirpation vor und erinnert lebhaft an die analogen von Kassowitz 
und Pommer geschilderten Bilder der unvollkommenen Verkalkung des Knochengewebes bei Rachitis 
und Osteomalacie. Namentlich Pommer spricht direkt von streifigen Inseln kalkhaltigen Knochens im 
kalklosen mit körnig-krümeliger Übergangszone und von einem Verschmelzen der kalkhaltigen Streifen, 
so daß daraus ein kalkhaltiger Knochen resultiert, der von kalklosen Streifen durchzogen wird. 

Hohlbaum, der neuestens die im kalklosen Dentin liegenden kalkhaltigen Schichten nach Ek.- 
Esxtirpation sah, faßt sie als das Dentingewölbe stützende Strebepfeiler auf, als Schutz- und Notvorrichtung 
des Zahnes. 

Endlich kommt bei Rachitis noch eine Art unvollkommener Dentinverkalkung vor, die in Fig. 12d 
zu sehen ist. Das Dentin ist mehr minder homogen, aber viel lichter blau als das vollkommen ver- 
kalkte Dentin, bloß anverkalkt, und dabei leicht von kalklosem zu unterscheiden. Es findet sich namentlich 
im vordersten Zahndrittel. Bilder von Anverkalkung des Dentins nach Ek.-Exstirpation hat Toyofuku 
gegeben. Schon Kassowitz betont, daß wir uns die Verkalkung eines Gewebes nicht als einen einmaligen, 


a — 


Rachitis und Epithelkörperchen. 939 


kurzdauernden Akt, sondern als einen allmählich zunehmenden, bis zur Sättigung des Gewebes mit Kalk- 
salzen fortschreitenden Prozeß vorzustellen haben. 

Es ist sehr bemerkenswert, daß mit Ausnahme des mit Marasmus kombinierten Falles 22 die streifige 
Form des unvollkommen verkalkten Dentins im vorderen Drittel des unteren Nagezahnes konstant 
reichlicher entwickelt war, somit dieser kalkärmer erschien als der obere, ohne daß es klar wäre, 
worin das seinen Grund hat. Der ganz kalklose Dentinsaum war am unteren Zahn dagegen schmäler als 
am oberen (siehe oben). Daß die innige Vermischung kalklosen und kalkhaltigen, im Brechungsindex 
differierenden Dentins gerade im vorderen Zahndrittel einen Verlust der durchscheinenden Be- 
schaffenheit des extra-alveolären Zahnanteiles zur Folge hat, wurde schon erwähnt. Liegt aber ein 
homogen verkalktes Dentin direkt über einer pathologisch dicken, kalklosen Schicht, so bleibt der Zahn 
noch durchscheinend, wie man sich bei beginnender Rachitis und kurze Zeit nach der Ek.-Exstirpation 
überzeugen kann. Die opake Beschaffenheit stellt sich erst durch ein inniges Vermischen der ver- 
schieden lichtbrechenden Substanzen ein. Anverkalktes Dentin bewirkt ebenfalls noch kein Opakwerden 
des Zahnes. 

Die rachitische Kalkverarmung des Nagezahnes hat Spontanfrakturen zur Folge, von denen 
schon oben die Rede war. Im ‚histologischen Bilde gewinnen wir bei der Betrachtung der Nagefläche 
ebenfalls einen klaren Einblick in die calcioprive Konsistenzherabsetzung des Dentins. Wo eine 
gut verkalkte Dentinschicht an der Nagefläche bloßliegt (Fig. 12 b), da ist sie vollkommen normal glatt 
abgeschliffen, wo aber bloß anverkalkte oder kalklose Dentinschichten an der Nagefläche bloßliegen 
(Fig. 12a), da ist die Nagefläche nicht glatt, sondern das Dentin bald bröckelig-zähnelig, bald zersplittert, 
zerfranst und wie feinpinselig aufgefasert. Wo aber ein Dentin an der Nagefläche bloßliegt, das aus 
dicht aufeinander folgenden kalkfreien und kalkhaltigen Schichten besteht, da ist die Nagefläche wellig, 
stufig und zackig, denn die kalkhaltigen Schichten widerstehen der Abnutzung besser als die kalklosen. 

Auf dem an der Nagefläche bloßliegenden kalklosen Dentin siedeln sich Bakterien an, die von 
da aus auch in die Dentinkanälchen einwachsen. Zwischen zwei verkalkte Schichten dringt ferner 
zuweilen ein Frakturspalt von der Nagefläche aus ins Dentin ein und ist mit roten Blutkörperchen und 
Bakterien erfüllt, die von da aus wieder in die Dentinkanälchen einwachsen. 


* * 
* 


Eine besondere Besprechung verdienen die mit Marasmus kombinierten Rachitisfälle, ins- 
besondere Fall 22. Bei diesem überschreitet, wie uns die Diagramme belehren, das Dentinoidmaß I an 
allen vier Stellen die normale Grenze nicht, während die Maße II nur wenig vergrößert sind. Im Gegensatz 
zu allen anderen Rachitisfällen fehlte im vorderen Drittel des oberen Nagezahnes auf der konvexen Seite 
das unvollkommen, streifig verkalkte Dentin ganz, bloß die äußeren Schichten waren leicht angedeutet 
globulär, die inneren homogen anverkalkt. Auf der konkaven Seite des oberen und im vorderen Drittel 
des unteren Nagezahnes war die Verkalkung normal, so daß in vivo die Zahnbeschaffenheit gleich durch- 
scheinend war als in normalen Fällen. Es geht daraus mit Klarheit hervor, daß die Verkalkung der 
Nagezähne im Falle 22 relativ sehr gut war und Ähnliches gilt auch für den weniger ausgesprochenen 


, Fall 23. Die Ursache für dieses Verhalten kann nichts anderes sein als eine durch den Marasmus 


bedingte hochgradige Verlangsamung oder Hemmung des appositionellen Dentinwachstums, so daß, 
trotz Fortbestehens einer Kalkstörung erheblichen Grades (siehe unten) das Dentin Zeit und Gelegenheit 
gefunden hat, recht gut zu verkalken. 

Ein Vergleich des Nagezahnes mit dem Skelett und Backenzahn dieses Falles erscheint von 
Interesse. Am Skelett hatte die marantische Hemmung des appositionellen Wachstums genau wie im 


. Nagezahn eine verhältnismäßig sehr gute Verkalkung des Knochengewebes zur Folge, so daß die Osteoid- 


dicke zwar das Normalmaß überschritt, aber unter den Rachitisfällen zu den geringsten gehörte. Darin 
verhalten sich Nagezahn und Knochen gleich; ein Unterschied ist nur darin gegeben, daß am 


‚ Skelett sich eine hochgradige Atrophie und Porose einstellte, die am Nagezahn fehlt, denn das, was 


Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC. Bd. 74 


540 Dr. J. Erdheim, 
am Knochen die Porose macht, das Fortbestehen des lacunären Abbaues bei gehemmtem Anbau, ist dem 
Nagezahn fremd. 

Im schroffen Gegensatz zum Nagezahn und Knochen steht in dem Falle der Backenzahn. Bei 
diesem sehen wir zunächst als Ausdruck der marantischen Appositionshemmung eine noch viel zu weite 
Pulpahöhle; aber die Dentinoiddicke gehört zu den allerbedeutendsten im ganzen Rachitismaterial. 
Dieser Gegensatz zwischen dem Dentin des Backenzahnes und dem Knochengewebe kam schon im 
Zement zum Ausdruck, welches, genau wie das Skelett, unter allen Rachitisfällen das bestverkalkte war. 

Dieses Verhalten des Backenzahnes kann nicht anders als nur so erklärt werden, daß zur Zeit, als 
die Rachitis schon hochgradig und das Tier noch nicht kachektisch war, das Dentin des Backenzahnes 
geraume Zeit angebaut wurde, aber in großer Ausdehnung kalklos blieb. Als sich dann der Marasmus ein- 
stellte, hörte auch der Dentinanbau ganz oder fast ganz auf und die übergroße Dentinoidmenge erhielt sich, 
wenn auch vielleicht nicht in vollem Umfange, förmlich als Relikt, das uns Zeugenschaft abgibt von den 
schweren rachitischen Veränderungen, die vor Eintritt des Marasmus offenbar im ganzen Skelett 
geherrscht haben müssen. Daß dann der Marasmus aufs Skelett in der geschilderten Weise derart 
modifizierend einwirkte, daß sich das Rachitisbild fast spurlos verwischte, während er auf das des Um- 
baues entbehrende Dentin des Backenzahnes den gleichen Einfluß nicht ausüben konnte, erscheint nach 
allem selbstverständlich. 

Warum aber am Nagezahn dıe Verlangsamung des appositionellen Wachstums, wie leicht 
verständlich, eine wesentliche Verbesserung der Verkalkung zur Folge hatte, am Backenzahn aber 
nicht oder nicht in gleichem Umfange, das erfordert eine Erklärung, die nicht leicht zu finden ist. Es wäre 
vielleicht daran zu denken, daß der funktionell viel mehr beanspruchte Nagezahn eine Stelle bevorzugter 
Kalkapposition darstellt. 

Eines ist aber sicher. Trotzdem der Kalkgehalt am Skelett und den Nagezähen relativ gut 
(wenn auch nicht normal) ist, müssen wir annehmen, daß die Kalkstörung in erheblichem Grad noch 
immer fortbesteht, denn sonst wäre es undenkbar, daß sich im Backenzahn so bedeutende Mengen 
unverkalkten Dentins bis zum Schluß hätten erhalten können. 


* 


Bevor wir die Besprechung der rachitischen Dentinveränderungen verlassen, wollen wir über das 
Auftreten von Blutkapillaren im Dentin sprechen, welches in normalen Fällen niemals vorkommt, hin- 
gegen in ganz gleicher Weise wie bei der Spontanrachitis auch nach Ek.-Exstirpation beobachtet wird. Wir 
haben uns hiebei nicht etwa vorzustellen, daß die Kapillaren aktiv ins Dentin eindringen, sondern daß eine 
Kapillare aus dem Odontoblastenlager an die eben in Apposition befindliche Dentinschicht sozusagen 
adhärent wird und es auch weiterhin: bleibt, während die immer von Neuem sich anlagernden Dentin- 
schichten für die beiden Schenkel der schlingenförmig emporgehobenen Kapillare je eine Öffnung aus- 
sparen. So gerät, rein passiv, die Kapillarschlinge im Dentin in eine immer größere Tiefe und rückt mit 
dem wachsenden Dentin gegen die Zahnspitze vor. Bei diesem Vorrücken nimmt aber der Kalkgehalt des 
Dentins zu und daher kommt es, daß die Kapillare im hinteren Zahndrittel noch ganz im Dentinoid liegt 
(Fig. 14d), im mittleren Drittel pflegen meist schon jene Dentinschichten, in denen das Schlingenende liegt, 
verkalkt zu sein, im vorderen Drittel endlich kann die Kapillare schon in ihrer Gänze im verkalkten Dentin 
liegen (Fig. 128). 

Bei alledem bleibt die Anwesenheit der Kapillaren im Dentin nicht ohne Einfluß auf die Kalkver- 
teilung, denn so wie im Knochen, so ist es auch im Dentin, daß bei Rachitis der Kalk die nächste Umgebung 
der Gefäße förmlich flieht (Kassowitz, Pommer). Das hat im rückwärtigen Zahnanteil zur Folge, daß die 
Kalkgrenze gerade über dem Gipfel der Kapillarschlinge eine in die Kalkschicht vorspringende Ein- 
buchtung erfährt (Fig. 14d, 13%), was die durch die isoliert liegenden Dentinkugeln erzeugte Unregel-, 
mäßigkeit der Kalkgrenze noch bedeutend erhöht und sie zuweilen zu einer tief- und breitbuchtigen 


Rachitis und Epithelkörperchen. 41 


gestaltet (Fig. 13%); um die Zahnmitte sind diese im verkalkten Dentin ausgesparten Buchten noch tiefer 
und mit Dentinoid ausgefüllt, in dessen Mitte die Kapillarschlinge liegt; im vordersten Zahnanteil kann man 
von Buchten meist nicht mehr sprechen, sondern man sieht, namentlich pulpawärts, im verkalkten Dentin 
die von schmalen Dentinoidhöfen umgebenen Kapillaren oder es fehlt, namentlich in den äußersten, 
ältesten Dentinschichten auch der kalklose Hof, das Dentin ist bis an die Kapillare heran verkalkt, diese 
ist nekrotisch und man erkennt sie lediglich an dem im verkalkten Gewebe ausgesparten Kanal (Fig. 128), 
Indem beim weiteren Längenwachstum diese Kanäle bis an die Nagefläche vorrücken, verschwinden sie 
mit der Abnutzung des Dentins endlich ganz. 

Bei dieser Gelegenheit sei erwähnt, daß im Falle 11 im vorderen Zahnende kalklose Höfe auch um 
Dentinkanälchen vorkommen. Dieser Fund ist darum ungewöhnlich, weil, wie ich seinerzeit nach- 
gewiesen habe, die Umgebung der Dentinkanälchen einen Ort bevorzugter Kalkablagerung darstellt. Für 
den Knochen hatte schon Pommer die Umgebung der Knochenkörperchen und Knochenkanälchen im 
normalen, rachitischen und osteomalaeischen Skelett als eine Stelle erkannt, wo die Kalkablagerung zu 
allererst erfolgt. Ausnahmsweise fand aber auch Pommer um manche Knochenkörperchen kalklose Zonen 
und Morpurgo hatte erst jüngst dieses Vorkommnis an Serienschnitten studiert. 

Bezüglich des Vorkommens der Kapillaren im Dentin sei erwähnt, daß sie sogar in allen leichten 
Rachitisfällen nachgewiesen, am häufigsten im vorderen Drittel angetroffen wurden, und an der kon- 
vexen Seite nicht nur viel häufiger, sondern konstant auch viel zahlreicher sind als auf der konkaven. 
Sie kommen auf der konkaven Seite meist nur dann vor, wenn sie auf der konvexen nicht nur sehr zahl- 
reich sind, sondern auch über die ganze Zahnlänge verteilt sind. Eine Übereinstimmung zwischen dem 
Grade der Rachitis und der Zahl der Kapillaren ist nicht immer zu konstatieren. 


Schon bei der Besprechung der makroskopischen Veränderungen der Nagezähne wurde des Vor- 
kommens von weißen Flecken auf der Oberfläche Erwähnung getan und als dem Schmelze gehörend 
bezeichnet. Im histologischen Befund des Falles 16 ist auch das mikroskopische Bild einer scnweren 
Veränderung des Schmelzes und des Schmelzepithels wiedergegeben. Am Epithel sind die Ver- 
änderungen folgende: Es findet sich stellenweise mitten im Epithel ein Schmelztropfen und an solchen 
Stellen sind die Zellen des äußeren, wurzelförmig im Bindegewebe steckenden Schmelzepithels voll 
von braunen Körnchen. Es kann ferner das innere, zylindrische Epithel wohl erhalten sein, das äußere 
jedoch auf ein einschichtiges kubisches Zellager reduziert sein, das keine wurzelförmigen Fortsätze 
entsendet. Der von diesem atrophischen Epithel erzeugte Schmelz ist viel niedriger als normal, hat keine 
glatte, sondern eine buchtige Außenbegrenzung und überdies die Eigenschaft unreifen Schmelzel, trotz der 
Salpetersäurebehandlung nicht abzufallen. An einer Stelle endlich war das ganze Schmelzepithes auf eine 
einzige Lage kubischer Epithelzellen reduziert, die einen Schmelzüberzug überhaupt gar nicht mehr her- 
vorgebracht haben, so daß sie direkt dem Dent aufliegen. 

Zweifellos sind unsere Angaben über die pathologischen Veränderungen des Schmelzes wegen der 
angewandten Technik sehr lückenhaft, aber soviel kann schon gesagt werden, daß die Veränderungen 
identisch sind mit denjenigen, welche, wie ich schon vor längerer Zeit nachgewiesen habe, nach Ek.- 
Exstirpation auftreten. Allerdings scheinen sie bei der Spontanrachitis seltener zu sein. Fleischmann 
hat beim Kinde die gleichen Veränderungen vorgefunden und sieht sie als typisch für Tetanie an. 
Darnach müßte man eigentlich annehmen, daß auch unsere spontanrachitischen Ratten tetaniekrank 
waren. Doch wurden die Tiere daraufhin nicht untersucht. 

Über das Verhalten des Kieferknochens in der Umgebung der Nagezähne kann fast dasselbe 
gesagt werden, wie bei Gelegenheit der Backenzähne. Es finden sich hier Osteoidsäume je nach dem 
Grade der Rachitis in verschiedener Ausbildung und sie sind trotz der Salpetersäureentkalkung recht gut 
wahrnehmbar. Schon an den normalen Fällen sahen wir das meiste Osteoid gerade am Alveolarein- 


542 Dr. J. Erdheim, 


gang, als Zeichen, daß hier durch Apposition die knöcherne Zahnalveole sich verlängere. Bei den 
Rachitisfällen kehrt die Erscheinung wieder, aber in viel höherem Grade. Fast immer war am Alveolarein- 
gang die Osteoidmasse am dicksten (Fig. 13e) und bei den schwersten Rachitisfällen oft schon, absolut 
genommen, sehr bedeutend (Fig. 17 O). Einmal waren die Knochenzellen in dem Osteoid nekrotisch, 
wohl ein Zeichen erlittener Quetschung. 

Diese Osteoidmasse findet sich sowohl an der konvexen als auch an der konkaven Seite, doch 
prävaliert letztere sehr bedeutend, so daß mit der Verlängerung der Zahnalveole die Streckung derselben 
zu einem flacheren Bogen einhergehen dürfte, wovon schon beim normalen Zahn die Rede war. Daß 
sich auf der konkaven Seite die Osteoidmasse nach hinten zuspitzt (Fig. 13e, 17 O), ist sogar ein direkter 
Fingerzeig für die Streckung der Alveole und in der Fig. 17 erkennt man auch jetzt noch an der Kalk- 
grenze (a), daß die Alveole früher stärker gekrümmt war. Für die ganze Auffassung paßt es sehr gut, daß 
das älteste Rachitistier (12), bei dem die Zahnalveole und der Nagezahn offenbar schon vor der 
Rachitis ihre definitive Länge und Form erreicht haben, am Alveolareingang überhaupt gar kein Osteoid 
aufweist. 

Auffallend sind ferner gerade am Alveolareingang die massenhaften und sehr dicken Shapey’'schen 
Fasern, die sowohl im ÖOsteoid als namentlich im verkalkten Knochen durch ihre reinrote Farbe auffallen. 

Im Falle 10 war die Innenwand der Alveole auf eine lange Strecke osteoid und enthielt auch 
Knorpelzellen, was auf eine geheilte Fraktur schließen läßt. — Im Falle 21 war am Alveolareingang das 
Alveolarperiost entzündet und der Kieferknochen in osteoklastischem Abbau. 


Rachitis und Epilhelkörperchen. 943 


II. Frakturheilung bei Rachitis. 


Tafel V und VI und Diagramm XXIV und XXV auf Tafel X. 


Wenn wir uns bei der Untersuchung des Tieres auf die Störung seines Kalkstoffwechsels hin nicht 
mit-der Kenntnis der histologischen Veränderungen der Rippen und Zähne begnügen, sondern überdies 
noch prüfen wollen, wie bei dem zu untersuchenden Tier eine absichtlich erzeugte Fraktur heilt, 
so lag dem folgender Gedanke zugrunde. Indem wir durch eine Fraktur das Skelett zur Neubildung von 
Knochengewebe zwingen, gewinnen wir eine sehr erwünschte Gelegenheit, in diesem neu gebildeten 
Knochengewebe zu erkennen, wie es gerade zu diesem Zeitpunkt mit den Kalkverhältnissen im 
Organismus steht. 

Diesen Einblick in den augenblicklichen Zustand des Kalkstoffwechsels durch die Betrachtung z. B. 
eines Rippenschnittes zu gewinnen, gelingt nicht so einfach; denn außer dem augenblicklichen 
Zustand der Kalkverhältnisse hängt das histologische Bild der Rippe auch von der Dauer und dem 
Stadium der Kalkstörung ab, welche Einflüsse in das mikroskopische Bild des rachitischen Knochens 
sehr komplizierend eingreifen. Von allen diesen Komplikationen ist das frische Callusbild frei. 

Hat ferner die Kalkstörung erst begonnen, so kommt das in der Rippe so zum Ausdruck, daß erst 
das von da an neu hinzukommende Gewebe von der Norm abweicht, während das alte, normale, erst 
ganz allmählich verschwindet und darüber kann viel Zeit vergehen. Hat die Kalkstörung schon aufgehört, 
so dauert es gewiß noch länger, bis das Knochenbild völlig zur Norm zurückkehrt und erst Schmorl 
hat uns gezeigt, wie man bei sonst noch voll entwickeltem Rachitisbilde aus einer frisch aufgetretenen 
Verkalkungslinie im Knorpel erkennen kann, daß der Kalkstoffwechsel sich augenblicklich gebessert hat. 
Es vergeht also immer einige, je nach den komplizierenden Umständen verschieden lange Zeit, bis am 
Anfang und Ende der Kalkstörung das völlig normale und das voll pathologische Knochenbild aus- 
gewechselt wird. Wir sehen also, daß der das Knochenbild modifizierende Einfluß des jeweiligen Zustandes 
des Kalkstoffwechsels sich in seinem vollen Maße mit Verspätung am Skelett manifestiert und daß wir 
am Knochenbild nicht immer den augenblicklichen Zustand des Kalkstoffwechsels im Organismus 
ablesen können. In diesem zeitlichen Sinne sind die Begriffe Kalkstoffwechselstörung und 
Rachitisbild nicht immer kongruent. Wenn wir aber, um uns über den augenblicklichen Zustand 
des Kalkstoffwechsels zu orientieren, durch Anlegung einer Fraktur das Skelett zur Knochenneubildung 
zwingen, so ist das darum eine zweckmäßige Handlung, weil der Callus, den wir als neugebildet sehr 
leicht erkennen, in seiner Gänze gerade zu jener Zeit gebildet wurde, die wir auf den Zustand des Kalk- 
stoffwechsels prüfen wollen und darum am Callus die Kalkverhältnisse gerade dieses Zeitabschnittes zum 
Ausdruck kommen müssen. Unter solchen Umständen müßte nicht immer völlige Harmonie zwischen 
dem Bilde des Callus und dem des übrigen Skelettes desselben Tieres bestehen. 

Als Ilustrationsfaktum zu dem eben Gesagten sei erwähnt, daß Pommer von der Möglichkeit eines 
bei Osteomolacie vorkommenden, ganz kalklosen Callus spricht, der einem noch sehr festen, kalkreichen 
Knochen angehört. Ferner fand ich bei einer alten Ratte 1 Monat nach Ek.-Exstirpation den Kalkgehalt der 
Rippe und Fibula noch normal und einen Callus der letzteren noch fast völlig kalklos. Endlich spricht 
Lehnerdt davon, daß kurze Zeit nach Einsetzen einer negativen Kalkbilanz das Skelett histologisch 
normal sein kann und bei bestehender Rachitis kurze Zeit nach Einsetzen einer positiven Kalkbilanz das 
Skelett noch schwer rachitisch befunden werden kann. 

Um verschiedene Rachitisfälle untereinander und diese mit den normalen vergleichen zu können, 
war es notwendig, eine einheitliche Heilungsdauer des Callus zu wählen, welche für alle Fälle mit 
15 Tagen fixiert wurde. Wie beim Studium der rachitischen Veränderungen der Rippen und Zähne war 


o44 


Dr. J. Erdheim, 


es notwendig, zuerst gründlich das Bild des Callus beim normalen Tier kennen zu lernen; dann erst war 
eine Beurteilung jener Abweichungen möglich, denen wir bei Rachitis begegnen. Die Fraktur wurde unter 
aseptischen Cautelen an der Fibula ausgeführt. 


1. Frakturheilung beim normalen Tier. 


A. Kasuistik. & 


Fall 1. 15 Tage vor der Tötung des Tieres wurde die rechte Fibula frakturiert. Der Wundverlauf war ungestört. Bei der Obduktion 


war die Frakturstelle bereits fest vereinigt. 


Histologischer Befund (Fig. 2). Der Knochen wurde 5 Tage in Müller entkalkt. 


a) 


b) 


a) 


e) 


Der alte Fibulaschaft enthält in beiden Fragmenten, welche tadellos adaptiert sind, eine offene Markhöhle und ist 
durchaus kompakt gebaut (a). Vom nekrotischen Knochengewebe an den Frakturenden ist darum nur wenig mehr zu 
sehen (b), weil es schon in weitgehendem Grade abgetragen ist, wobei die Fragmentenden durch Abschrägung von der 
Markhöhle her oft ganz spitz zulaufen (d). Infolge der so bewerkstelligten Verkürzung stehen die Fragmente mit ihren 
Enden weiter auseinander als unmittelbar post operationem. An der Periostfläche des im Callus steckenden Schaft- 


stückes finden sich ebenfalls Resorptionsgruben in geringer Menge. 
Die Markhöhle im Fibulaschaft enthält zelliges, mit wenigen Fettzellen untermischtes Mark. 


Die Markhöhle im Frakturbereich enthält ein junges, zell- und gefäßreiches Bindegewebe (c), welches sich von 
dem einen zum anderen Fragment hinüberschwingt (4) und auf diesem Wege seine seitliche Begrenzung vom periostalen 


Knorpelcallus (e) bekommt. 


Der enostale, knöcherne Callus liegt in dem eben erwähnten fibrösen Mark und wird durch einige wenige 
Knochenbälkchen gebildet (f), die zum Teil im Bindegewebe liegen, zum Teil sich an die enostäle Abbaufläche der 


Schaftcorticalis angebaut haben. 


Der periostale Knorpelcallus (e) stellt einen dicken Ring. dar, der die Äquatorialebene der Fraktur einnimmt und 
derart zwischen die Fragmentenden wie ein Polster eingeschoben ist, daß die zugespitzten Bruchenden sich an vielen 
Stellen in die Knorpelmasse einspießen. Das Knorpelgewebe ist im allgemeinen großzellig, zellreich und arm an Grund- 
substanz, doch enthält der Knorpel in der Äquatorialebene (e) kleine, platte Zellen und nal rotviolette, zum Teil 
infolge Degeneration aufgefaserte Grundsubstanz, während nach oben und unten zu (f) die Zellen größer, rund und 


hell werden, dichter zusammenliegen, die Grundsubstanz spärlich wird und in allmählichem Übergang ohne jede 


, scharfe Grenze infolge Aufnahme von Kalk eine immer intensiver blaue Farbe bekommt. Trotz dieser Vorbereitung zur 


» 


enchondralen Ossifikation stellen sich die Zellen nirgends in Säulen. Im allgemeinen wäre noch zu sagen, daß die 
Grundsubstanz ganz gefäßlos ist und das Protoplasma der Knorpelzellen hellblau, die Kerne dunkelblau, die Kapseln 


am dunkelsten blau sind. 


Enchondrale Ossifikation und enchondraler Callus. Der Prozeß der enchondralen Ossifikation geht an der 
ganzen oberen und unteren Fläche der ringförmigen Knorpelmasse vor sich, so daß nach beiden Seiten enchondraler 
Callus entsteht. Der Vorgang spielt sich in ganz typischer Weise ab, indem Gefäße die Knorpelkapseln aufbrechen, 
woraus in den Knorpel tief eingefressene Markräume (g) entstehen, in denen bald Osteoblasten auftauchen und den 
Markraum mit einer Knochengewebslage auskleiden (%) oder ihn gar mit einer Knochenmasse ausfüllen, die oft gerade 
zentral eine Knochenzelle enthält. Daraus resultieren Bälkchen (i), die zentral einen verkalkten, schwarzblauen, 
konkav-globulär begrenzten Einschluß aus Knorpelgrundsubstanz aufweisen und daran als enchondrale Bälkchen zu 
erkennen sind. Diese setzen einen enchondralen Callus zusammen, der in seiner Ausdehnung (£) größer sein kann als 
die noch nicht ossifizierte Knorpelmasse, stellenweise noch unverbrauchte Knorpelstücke mit erhaltenen Zellen enthält 
und sich mit dem periostalen knöchernen Callus (%), der direkt aus dem Periost entsteht, zusammentut, um jene 


spindelige Knochenanschwellung zu erzeugen, die wir den Frakturcallus nennen. 


Der periostale knöcherne Callus (k) schließt sich ohne scharfe Grenzlinie an den enchondralen, liegt der 


Oberfläche des alten Schaftes direkt an, ist an der Berührungsstelle mit dem enchondralen Callus am dicksten und 


Rachitis und Epithelkörperchen. 545 


wird, je weiter entfernt von der Äquatorialebene des Callus, desto dünner und hört langsam ganz auf. Seine Knochen- 
bälkchen (%) sind von verschiedener Dicke, bestehen aus einem noch unreifen, mehr blau sich färbenden Gewebe mit 
großen, plumpen, regellos stehenden Knochenzellen, das aber gegen den Balkenrand eine mehr reife Struktur annimmt, 
die an den kleineren, spärlicheren Zellen und der mehr rotvioletten Farbe der Grundsubstanz zu erkennen ist. Am 
äußersten Balkenrand findet man nicht gerade häufig einen schmalen Osteoidsaum (7), dem kräftig entwickelte, oft mehr 
als in einer Reihe stehende Osteoblasten (s) anliegen. Kittlinien und Osteoklasten deuten auf den bereits stattfindenden 
Umbau hin. Das erkennt man auch daran, daß die Markräume bald so eng sind, daß bloß ein enges Gefäß darin Platz 
hat (m), ein andermal sind aber die Markräume noch breiter als die Balken und enthalten sogar schon zelliges Mark 
(n). Solche große Markräume liegen typischerweise stets nahe am alten Schaft, der sich manchmal sogar mit einer 
eigenen, lacunären Resorptionsfläche an ihrer Begrenzung beteiligt. Durch diese mehr zentrale Lage der großen Mark- 


räume wird der Callus sozusagen ausgehöhlt, während sein subperiostaler Teil (k, /) meist kräftig bleibt. 


Das Osteoid (2) ist nach 23 Messungen im Durchschnitt 3°6 u dick, 7 u maximal, 1 u minimal. 
Das Periost (p) hüllt den knorpeligen, enchondralen und periostalen Callus direkt von außen ein und ist zellreicher. 


Splitter, die bei der Fraktur entstanden sind, finden sich sehr oft (0). Sie sind durchwegs nekrotisch und oft in der 
Richtung ihrer Faserung aufgespalten. Sie finden sich überall im Callus im fibrösen (0), im knorpeligen, enchondralen, 
periostalen Callus und auch außerhalb des Callus im Periost. Sie sind vielfach von ungewöhnlich großen und kern- 
reichen Riesenzellen umlagert (r), die viel größer, kernreicher sind als sonst Osteoklasten und die Splitter lacunär 


annagen. Nur die im Knorpel eingeschlossenen Splitter liegen noch völlig unversehrt ohne eine Spur von Abbau da. 


Fall 2. 15 Tage vor der Tötung des Tieres wurde die rechte Fibula frakturiert. Die Wundheilung blieb ungestört. Bei der Obduktion 


waren die Fragmente an der Bruchstelle schon ganz fest vereinigt. 


Histologischer Befund. Der Knochen wurde 3 Tage in Müller entkalkt. 


a) 


b) 


9] 


d) 


5) 


» 


Der alte Fibulaschaft enthält nur im oberen Fragment eine Markhöhle, das untere ist ganz solid. Die Fragmente 
sind stark seitlich gegeneinander verschoben, stehen aber parallel zueinander, jedoch fast völlig außer Kontakt. Die 


Fragmentenden sind nekrotisch, lacunär angenagt und zugespitzt. 
Das Mark im oberen Fragment des Fibulaschaftes ist rein zellig. 


Die Markhöhle im Frakturbereich ist zum Teil von einem jungen, zell- und gefäßreichen Bindegewebe ein- 


genommen, welches auch Detritus einschließt; zum Teil aber ist hier der periostale Knorpelcallus hineingewachsen. 


Der enostale knöcherne Markcallus ist hier nur am oberen Fragment möglich, sehr dürftig und eigentlich bloß 


eine dünne Knochenschicht, die sich an die lacunär angenagte enostale Schaftfläche angelagert hat. 


Der periostale Knorpelcallus stellt eine die ganze Äquatorialebene einnehmende dicke, ganz gefäßlose Masse 
dar, die wie ein elastischer Polster derart zwischen die Fragmentenden und die beiderseitigen Callusmassen ein- 
geschoben ist, daß die durch lacunäre Resorption zugespitzten Fragmentenden in die Knorpelmasse eingerammt sind. 
Infolge der seitlichen Verschiebung stehen die Fragmentenden fast außer Kontakt. Es stützt sich daher jedes der beiden 
Fragmentenden auf den Callus des anderen, der dann auf dieser Seite bedeutend stärker entwickelt ist als auf der 
anderen und der Knorpel ist eben zwischen Fragnentende der einen und Callus der anderen Seite eingeschoben. An 
der Berührungsfläche mit dem Fragmentende besteht der Knorpel aus kleinen, platten, dunklen Zellen, die gegen die 
Berührungsfläche mit dem periostalen knöchernen Callus zu immer größer und heller werden und hier der enchondralen 
Ossifikation verfallen. Im allgemeinen ist das Protoplasma hellblau, der Kern dunkler blau und die Kapseln wohl durch 
Kalkaufnahme ganz dunkelblau. Die Grundsubstanz aber ist meist rotviolett. An der äußersten Peripherie ist der 


Knorpelcallus zum Teil vom Periost bedeckt, zum Teil aber schon vom knöchernen Callus überlagert. 


Enchondrale Ossifikation und enchondraler Callus. Die enchondrale Ossifikation spielt sich am Knorpel- 
callus nicht wie z.B. im Falle 1 nach beiden Seiten hin ab, sondern nur nach einer, und zwar der zum periostalen 
knöchernen Callus hin sehenden, während die das Fragmentende berührende Knorpelfläche in völliger Ruhe verhartt. 


Die enchondrale Ossifikation schreitet in gerader Linie vor und spielt sich in regulärer Weise ab, indem Gefäße die 


46 


fon 
[67 


h) 


Dr. J. Erdheim, 


Knorpelkapseln aufbrechen und rasch nachrückende Osteoblasten die Höhlen mit globuli ossei ausfüllen oder stehen- 
bleibende Knorpelreste mit einem Knochenanwurf belegen, so daß daraus die knorpelführenden Bälkchen des 
enchondralen Callus resultieren. An diesen Knorpeleinschlüssen ist der enchondrale Callus vom periostalen zu unter- 
scheiden und man kann erkennen, daß er stellenweise mehr als halb so dick ist als der Knorpelcallus. Für die Knorpel- 
einschlüsse des enchondralen Callus ist es charakteristisch, daß die Grenze zwischen Knorpel- und Knochengewebe 
stets linear scharf ist und von den aufgebrochenen, mit globuli ossei erfüllten Kapseln eine buchtige Form besitzt. 
Außer dieser Art der Beziehung des Knorpels zum Knochen sieht man noch eine andere, nämlich einen 
kontinuierlichen, allmählichen Übergang beider Gewebe ineinander, wobei die Knorpelgrundsubstanz allmählich ihre 
Basophilie ganz verliert, eine rein rote Farbe annimmt und es so aussieht, als wenn die ganz typischen Knorpelzellen 
in Knochengrundsubstanz liegen würden. Allmählich werden aber dann auch die Zellen mehr Knochenkörperchen 
gleich und so nimmt das Gewebe ganz den Charakter von Knochengewebe an. Die Erklärung dieses Verhaltens folgt im 


allgemeinen Teil. 


Der periostale knöcherne Callus liegt dem alten Fibulaschaft direkt auf, wird nach außen vom Periost bedeckt, 
gegen die Äquatorialebene geht er ohne scharfe Grenze in den enchondralen Callus über und nach der entgegen- 
gesetzten Seite wird er immer dünner, verliert sich langsam ganz und erzeugt so die Spindelform des ganzen Fraktur- 
callus. Hüllt er so die Fragmentenden ein, so ist er doch infolge der seitlichen Verschiebung der Fragmente von sehr 
ungleicher Dicke, z. B. am unteren Fragment rechts ganz geringfügig, links sehr dick und hier das obere Fragment 
tragend; am obere Fragment links unscheinbar und rechts mächtig entwickelt und dem unteren Fragment zur Stütze 
dienend. Der knöcherne periostalle Callus besteht aus einer dichten Spongiosa, in deren engen Markräumen von 
massenhaften Osteoblasten umstellte Gefäße liegen. Die Bälkchen bestehen hauptsächlich aus reifem, verkalktem, 
rotviolettem Knochengewebe mit wenigen kleinen Knochenzellen. Nur an wenigen Stellen enthalten die Bälkchen im 
Zentrum unreifes Knochengewebe von geflechtartigem Bau, mit blauer, grob- und regellos gefaserter Grundsubstanz 
und großen, plumpen, dicht stehenden Zellen. Die Grenze zwischen beiden Knochenarten ist oft eine Kittlinie, die also 
auf stattgehabten Umbau im Callus hindeutet, oft aber gehen beide Knochenarten ganz allmählich ohne jede Grenze 
ineinander über. Diese letzteren Bilder erklären sich so, daß das Periost beim Aufbau des Bälkchens anfänglich 
unreifes, später reifes Knochengewebe hervorgebracht hat, ohne bei diesem Wechsel in der Gewebeproduktion eine 
Unterbrechung erfahren zu haben. 

Das Osteoid findet sich fast ausschließlich im periostalen Callus, aber auch da nicht viel. An den enchondral 
entstandenen Bälkchen fast gar nicht, so ähnlich wie in der Rippe. 50 Messungen, 6 p. Durchschnitt, 12:5 x Maximum, 
25 u Minimum. 
Das Periost ist im Frakturbereiche zellreicher, am meisten über dem Knorpelcallus. 

Splitter fanden sich in großer Zahl. Sie waren sehr verschieden groß und stets nekrotisch, d. h, ihre Knochenzellen 
unfärbbar und nebenbei die Grundsubstanz in der Faserrichtung aufgesplittert. Sie lagen im fibrösen Markecallus, im 
Knorpel- und periostalen knöchernen Callus und im Periost. Im letzteren waren sie von sehr großen Riesenzellen 
umlagert, die sie lacunär annagten, in der Spongiosa dienten sie den Knochenbälkchen zur Insertion und im voll- 
kommen gefäßlosen Knorpel lagen sie ohne jede Reaktion eingeheilt, frei von Abbauvorgängen und eine eventuell 
vorhandene Lacune deutet darauf hin, daß noch vor dem Einschluß in den Knorpel der Splitter eine kurze Zeit lacunär 


angenagt worden sein mußte. 


Fall 3. 15 Tage vor der Tötung des Tieres wurde die rechte Fibula frakturiert. Heilung per primam. Bei der Obduktion war die 


Fibula an der Bruchstelle noch eine Spur beweglich. 


Histologischer Befund (Fig. 1). Der Knochen wurde 4 Tage in Müller entkalkt. 


a) Der alte Fibulaschaft (a) ist durchaus kompakt gebaut, frei von Porose. Die Fragmente sind fast tadellos adaptiert, 


das obere nur eine Spur nach einer Seite verschoben. Weder im oberen, noch im unteren Fragment gibt es eine Mark- 
höhle. Der Knochen ist ein ganz solider Stab. An den Fragmentenden ist das Knochengewebe nicht nekrotisch (a). Der 
Grund dafür liegt nicht vielleicht im vorgeschrittenen Abbau des Nekrotischen; im Gegenteil, die Fragmentenden sind, 
da sie in den Knorpelcallus eingelassen sind, von der lacunären Resorption fast völlig verschont geblieben und 
stehen, wie beim Anlegen der Fraktur, noch in Kontakt. Mit dem Renlen einer Markhöhle in der Fibula entfällt die 


Besprechung des 


Rachitis und Epithelkörperchen. 947 


b) Marks im Fibulaschaft, 
c) der Markhöhle im Frakturbereich und 
d) des endostalen Callus ganz. 


e) Der periostale Knorpelcallus (b, b) stellt eine, die ganze Äquatorialebene einnehmende, ringsherum bis ans 
Periost (fi) reichende dicke Scheibe dar, welche derart polsterförmig zwischen beide Fragmente eingeschoben ist, daß sie 
zwischen dem beiderseitigen periostalen Callus (f) die Verbindung herstellt und die Fragmentenden (in der Figur nur 
das untere a) sind in die Knorpelmasse wie in Wachs eingerammt. Da wo die beweglichen Fragmentenden im Knorpel 
stecken, zeigt dieser regressive Erscheinungen in der Art, daß die Zellen ganz klein, gar nicht knorpelähnlich sind oder 
ganz fehlen und die sonst homogene Grundsubstanz zu einem dichten roten Faserwerk umgewandelt ist. Es ist ein 
Effekt der Quetschung durch die beweglichen Fragmente. Auf die gleiche Ursache dürfte es zurückzuführen sein, daß 
sich im Knorpel zwischen den Fragmentenden noch ein wenig klaffender Rest des ehemaligen Frakturspaltes erhalten 
hat (d), der mit Detritus angefüllt ist und noch nicht mit Knorpel angefüllt werden konnte. Das Knorpelgewebe ist 
absolut gefäßlos und zellreich. Die Zellen sind in der Mitte der Dicke der Knorpelscheibe, klein, dunkel, abgeplattet und 
die Grundsubstanz reichlich und rot (b rechts). Nach oben und unten aber werden die Zellen groß, polygonal, hell, mit 
hellblauem Kern, ganz blaßblauem Protoplasma und einer ganz dunkelblauen, verkalkten Kapsel (k). Es resultiert dabei, 
von der fehlenden Säulenstellung abgesehen, ein Bild, das auf den ersten Blick zum Vergleich mit der präparatorischen 


Verkalkungszone in den Rippen herausfordert. 


PD Die enchondrale Ossifikation und der enchondrale Callus. In ganz regulärer Weise brechen Blutgefäße die 
Knorpelkapseln auf und rasch rücken Osteoblasten nach und füllen die Kapseln mit globuli ossei aus oder apponieren 
einen Knochenanwurf auf die stehenbleibenden, besonders dunkelblauen, intensiv und gleichmäßig verkalkten Reste der 
Knorpelgrundsubstanz. Es sind dies die Bälkchen des enchondralen Callus (e, e) mit den zentralen Knorpeleinschlüssen, 
von Osteoblasten umlagert und zwischen sich nur enge Blutgefäße führend. An manchen Stellen ist der enchondrale 
Callus bereits so dick wie der Knorpelcallus, an anderen Stellen fehlt er ganz und gewöhnlich findet man dann als 
Ursache große Knochensplitter, die dem Knorpel anliegen. So liegen z. B. in der Fig. 1 dem rechtsseitigen Knorpel db 
unten ein, oben zwei große Knochensplitter an (c). Allmählicher Übergang von Knorpel zu Knochen findet sich im 


vorliegenden Falle ebenfalls, aber nicht oft. 


g) Der periostale knöcherne Callus (f, f, f, f) liegt gegen die Äquatorialebene hin bald dem enchondralen (links), 
bald direkt dem Knorpelcallus (rechts) an, medianwärts ist er der alten Schaftoberfläche angelagert und nach außen 
vom Periost bedeckt. Je weiter weg von der Äquatorialebene, desto geringer wird seine Dicke und dies bedingt die 
Spindelform des ganzen Frakturcallus. Er besteht aus einer grobbalkigen Spongiosa, deren Markräume bald so eng 
sind (g), daß sie außer dem Blutgefäß nur noch Osteoblasten enthalten, bald so groß (%), daß sie den Callus sozusagen 
aushöhlen und mit einem, spärliche Fettzellen führenden zelligen Mark erfüllt sind. Solche große, aushöhlende Mark- 
räume liegen, wie typisch, mit Vorliebe nahe am Schaft (A), der dann manchmal mit einer lacunären Abbaufläche den 
Markraum mitbegrenzen hilft. Die Bälkchen sind aus reifem Knochengewebe mit kleinen spärlichen Zellen aufgebaut. 
Nur an wenigen Stellen findet man im Zentrum der Bälkchen unreifes, geflechtartiges Knochengewebe, das in das 


reife entweder kontinuierlich übergeht oder von ihm scharf durch eine Kittlinie getrennt ist. 


h) Osteoid findet sich in meßbarer Dicke eigentlich nur im periostalen knöchernen Callus in Form von Säumen in den 


Gefäßkanälen (g). Nach 18 Messungen ist das Osteoid durchschnittlich 6°8 u dick, 12°5 u maximal, 25 p. minimal. 
i) Das Periost ist namentlich über dem Knorpelcallus dicker und zellreicher, 


k) Splitter sind sehr zahlreich anzutreffen. In der Fig. 1 sind nicht weniger als fünf große Splitter zu sehen. Sie sind 
durchwegs nekrotisch, bevorzugen die Knorpeloberfläche oder liegen ganz im Knorpel. Nur einer liegt im Periost und 


nur dieser ist von Riesenzellen benagt. 
* 


Fall 4. 15 Tage vor der Tötung des Tieres wurde die rechte Fibula frakturiert. Bei der Obduktion war die Frakturstelle noch ganz 
deutlich beweglich. 


Histologischer Befund (Fig. 3). Der Knochen wurde 4 Tage in Müller entkalkt. 


a) Der alte Fibulaschaft hat im oberen Fragment durchgehends eine offene Markhöhle, im unteren nur nahe der 


Frakturebene, weiter unten ist der Schaft solid. Die Fragmente stehen parallel, aber seitlich verschoben; sie stehen 
Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC. Bd. 75 


948 


b) 


c) 


a) 


D 


g 


h) 


Dr. J. Erdheim, 


jedoch partiell noch in Kontakt. Die Frakturenden sind nekrotisch und zum Teil lacunär angenagt. Die Compacta zeigt 


keine Spur von Porose. 


Das Mark im Fibulaschaft ist zellig, mitt vereinzelten Fettzellen, spärlichen Riesenzellen und wenig entwickelten 
Gefäßen. 


Die Markhöhle im Frakturbereich ist auf eine kurze Strecke mit einem jungen, zell- und gefäßreichen Binde- 
gewebe gefüllt, das sich in dünnem, ungleichmäßigem Zuge durch den Knorpelcallus durch von Fragment zu Fragment 


spannt. 


Der enostale knöcherne Callus ist sehr gering entwickelt und beschränkt sich bloß auf einen dünnen Knochen- 


belag, der auf die lacunär angenagte enostale Fläche des Schaftes apponiert wurde. 


Der periostale Knorpelcallus stellt eine in der Äquatorialebene gelegene, vom Periost zu Periost (a) reichende, 
dicke Scheibe dar (Fig. 3, b), welche zwischen dem knöchernen Callus (d) des dies- und jenseitigen Fragmentes wie ein 
Polster eingeschoben ist, beide vollständig voneinander trennt, ihnen aber die in enchondraler Ossifikation befindlichen 
Flächen (e) zuwendet und so ihre knöcherne Verbindung anbahnt. Die Fragmentenden sind nur seicht in die Knorpel- 
masse eingelassen, aber durch die Belastung und ihre Beweglichkeit lädieren sie gerade hier das Knorpelgewebe, das 
nekrotisch ist, keine Zellen besitzt, eine blaßblaue Färbung und Auffaserung der Grundsubstanz und stellenweise eine 
Zerfallshöhle mit blauem Inhalt aufweis‘. Das Knorpelgewebe ist absolut gefäßlos, reich an großen, rundlichen, dicht 
liegenden Zellen mit verkalkten Kapseln (d) und arm an Grundsubstanz. Daß die Zellen von der Mitte der Knorpel- 


dicke (c) gegen die Linie der enchondralen Ossifikation hin an Größe zunehmen (b), ist nur andeutungsweise zu sehen. 


Die enchondrale Ossıfikation- und der enchondrale Callus. Die enchondrale Ossifikation geht, wie schon 
erwähnt, nur an denjenigen Knorpelflächen vor sich, welche gegen den periostalen Callus sehen (e) und wie in den 
Epiphysen senkrecht zur Belastungsrichtung stehen; sie spielt sich in regster Weise nach normalem Typus ab und ihr 
Endprodukt, der enostale Callus (f) hat schon stellenweise wenigstens eine Mächtigkeit, die der des Knorpelcallus 
selbst gleichkommt, ein Zeichen für die schon längere Dauer der enchondralen Ossifikation. Die durch Knorpel- 
einschlüsse charakterisierten Balken des enchondralen Callus zeigen einen ganz unregelmäßigen Verlauf, denn der 
enchondrale Callus ist ja ein Abklatsch der Knorpelstruktur und diese ist, da die Säulenstellung der Zellen fehlt, 
unregelmäßig. Es ist ferner der enchondrale Callus stellenweise stark über die Fragmentenden geschoben und da 
enchondraler Callus nur da entstehen kann, wo früher Knorpel lag, so zeigt uns das, wie weit größer die Ausdehnung 
des Knorpelcallus erst vor kurzem gewesen sein muß und wie mit fortschreitender Heilung der Knorpelcallus immer 
mehr an Boden verliert und sich auf die Äquatorialebene sozusagen zurückzieht. Bei der enchondralen Ossifikation 
sieht man stellenweise Gefäße, die, obwohl sie schon 7 bis 8 Kapseln aufgebrochen haben, noch immer nicht von 
Knochenapposition gefolgt sind und solche Stellen machen den Eindruck wurmstichig gewordenen, von Gefäßen durch- 
zogenen Knorpels. An anderen Stellen entstehen im Knorpel auch große Höhlen, da nicht nur Kapseln aufgebrochen, 
sondern auch Grundsubstanz in weiterem Umfange als sonst abgetragen wird. Endlich sieht man noch stellenweise 


den charakteristischen allmählichen Übergang von Knorpel- in Knochengewebe. 


Der periostale knöcherne Callus (4) inseriert beiderseits zirkulär an den Fragmentenden, diese ganz einhüllend, 
je weiter weg vom Äquator desto schmächtiger werdend und damit die Spindelform des ganzen Frakturcallus bedingend. 
Er ist außen vom Periost begrenzt (l), gegen die Äquatorialebene hin stößt er an den enchondralen Callus und 
verschmilzt mit ihm. Er stellt bald eine dichte Spongiosa mit engen (m), bald eine lockere, mit weiten Maschenräumen 
dar (i), die bald nur Blutgefäße und etwas Bindegewebe (m), bald überdies auch etwas zelliges Mark (z) enthalten 
können. Osteoblasten sind bald prächtig entwickelt (g), bald klein, bald fehlen sie. Das Knochengewebe ist von reifem 
Typus, die Zellen spärlich, klein, spindelig (d), die reichliche Grundsubstanz rotviolett. Nur selten findet sich im 
Zentrum der Balken unreifes Knochengewebe mit zahlreichen, großen, plumpen, dichtstehenden Knochenzellen (k) und 
spärlicher, deutlich und regellos gestreifter Grundsubstanz von mehr blauer Farbe. Beide Gewebe gehen allmählich 
ineinander über. Kittlinien sind ebenfalls, und zwar hauptsächlich da zu finden, wo ein Kanal innen seine eigene 


Knochenauskleidung bekommen hat. 


Das Osteoid (k) kommt wesentlich nur im periostalen, knöchernen Callus vor, ist hier mäßig häufig und recht leicht 


zu sehen (h). 31 Messungen, 6°9 u. Durchschnitt, 17°5 u Maximum, 2°5 u Minimum. 


Das Periost (a, ) ist über dem ganzen Callus dicker und zellreicher als über dem alten Schaft, am dicksten über 


dem Knorpelcallus (a). 


Rachitis und Epithelkörperchen. 549 


k) Splitter sind in mäßiger Menge vorhanden, stets nekrotisch, sie liegen selten iin Periost und sind da von mächtigen 


Riesenzellen umlagert, häufiger im Knorpel, im enchondralen und periostalen Callus, wo sie derzeit keine Abbau- 


erscheinungen darbieten. 


Fall 5. 15 Tage vor der Tötung des Tieres wurde die rechte Fibula frakturiert. Die Heilung erfolgte per primam. Bei der Obduktion 


war die Fibula an der Bruchstelle schon wieder ganz fest. 


Histologischer Befund. 


a) 


b) 
e) 


a) 


» 


Der alte Fibulaschaft hat iin beiden Fragmenten eine vollständig erhaltene Markhöhle, welche aber, offenbar infolge 
des vorgeschrittenen Alters des Tieres, äußerst eng ist. Die Trennungsfläche der Fragmente zieht nicht rein quer, 
sondern deutlich schief. Die Fragmente stehen parallel zueinander und sind nur mäßig seitlich verschoben, ohne ganz 
außer Kontakt gekommen zu sein. Die Fragmentenden sind nekrotisch und werden im Bereich des ganzen im Callus 
steckenden Schaftanteiles in lebhaftester Weise von der periostalen Oberfläche, sehr wenig von der enostalen und gar 


nicht von der Bruchfläche aus lacunär resorbiert und in den Lacunen sind noch vielfach die Osteoklasten zu sehen. 


Es ist leicht zu verstehen, wieso die Bruchfläche vom Abbau verschont bleiben kann. Zum Abbau gehört der 
Kontakt mit Bindegewebe. Dieser ist an der Peri- und Endostfläche schon von vornherein gegeben, an der Bruchfläche 
muß er erst sekundär entstehen. Kommt aber die Bruchfläche, wie zum Teil in diesem Falle, mit dem vollständig gefäß- 
losen Knorpelcallus in Kontakt, dann bleibt sie für die ganze Zeit dieses Kontaktes vor lacunärer Benagung bewahrt 
und der Effekt ist dann der, daß, in diesem Falle hauptsächlich von der Periostfläche her, die Resorption bereits so tief 
greifen kann, daß das nekrotische Ende mit der erhaltenen Bruchfläche vom übrigen Schaft beinahe schon abgetrennt 
ist. Solchen Bildern begegnet man gelegenlich auch in anderen Fällen, Die tieferen, lacunären Gruben der periostalen 
Oberfläche helfen zum Teil große, im Callus gelegene Markräume mit begrenzen. Von diesen recenten, nur auf den 


Bruchbereich beschränkten Resorptionsvorgängen abgesehen, ist aber die alte Compacta durchaus frei von Porosse. 
Das Mark im Fibulaschaft ist zellig, mit spärlichen Riesenzellen, vereinzelten Fettzellen und spärlichen Gefäßen. 


Die Markhöhle im Frakturbereich enthält ein junges, zell- und gefäßreiches Bindegewebe, welches aus der 
Markhöhle heraustritt, sich zum Teil auch zwischen den Fragmenten findet und daselbst auch zerfallende rote Blut- 
körperchen und Riesenzellen enthält, die bald um Krochensplitter, bald um Detritus liegen, bald keinerlei solche 


Beziehungen aufweisen. 


Der enostale knöcherne Callus ist dürftig, nur stellenweise zu sehen, und beschränkt sich auf eine dünne, mit 
einem kräftigen Osteoblastensaum versehene, der seicht lacunär angenagten Encostfläche des Fragmentendes anliegende 


Knochenschicht. 


Der periostale Knorpelcallus stellt einen die Äquatorialebene einnehmenden, zwischen dem dies- und jenscitigen 
knöchernen Callus eingeschobenen, in seiner Dicke durch sehr vorgeschrittene enchondrale Össifikation schon stark 
reduzierten Ring dar, der überdies auf der einen Seite seiner ganzen Dicke nach durch einen, vom Periost herkommenden 
bindegewebigen Fortsatz entzweigespalten ist. Es ist dies jene Seite, welche bei der Operation vom Muskel entblößt 
wird und erfahrungsgemäß den Callus am schlechtesten hervorbringt. Nur auf dieser Seite reicht der Knorpelcallus bis 
zum Periost, sonst ist er bereits von ihm abgerückt, durch Überlagerung von knöchernem Callus, der also über den 
Knorpel hinweg bereits eine knöcherne Verbindung des dies- und jenseitigen Callus herbeigeführt hat. 

Das Knorpelgewebe selbst zeigt deutlich regressive Metamorphosen, die Zellen sind klein, stsrnörm’g 
geschrumpft, die Kerne pyknotisch. Die Erfahrung an anderen Fällen mit weniger weit vorgeschrittener enchondraler 
Ossifikation lehrt, daß das Knorpelgewebe in der Mitte seiner Dicke kümmerlich entwickelt, degeneriert ist, sogar eine 
Erweichungshöhle aufweisen kann und erst nach oben und unten gegen die Fläche der enchondralen Ossifikation zu 
sich kräftig entfaltet. In diesem Falle aber ist die enchondrale Össifikation schon so weit gediehen, daß aller kräftig 


entwickelter Knorpel aufgebraucht und nur der degenerierte, in der Mitte der Dicke liegende noch erhalten ist. 


Enchondrale Ossifikation und enchondraler Callus. Der enchondrale Callus, zu erkennen an den schwarz- 
blauen, verkalkten Knorpeleinschlüssen seiner Bälkchen, hat eine ungewöhnlich große Ausdehnung, denn er erstreckt 
sich beiderseits hoch hinauf über die Fragmentenden, diese einhüllend. Diese große Ausdehnung des enchondralen 
Callus zeigt uns erst, wie groß ursprünglich der Knorpelcallus gewesen sein muß, daß er sich nicht lediglich auf einen 


zwischen die Fragmentenden eingeschobenen Ring beschränkte, sondern beiderseits hoch hinauf die Fragmentenden 


550 


&) 


h) 


i) 


Dr. J. Erdheim, 


auch einhüllte. Die Knorpeleinschlüsse sind stets konkav lacunär begrenzt und enthalten manchmal kleine Komplexe 
unverbraucht liegen gebliebener Knorpelzellen. Der Knochenanwurf der Bälkchen ist, wenn das Bälkchen nahe dem 
Knorpel liegt, dünn, weiter weg vom Knorpel dick und stets von schönen Osteoblasten umsäumt, die neben einem Gefäß 
den Inhalt der engen Markräume ausmachen. 

Zwischen dem enchondralen Callus und dem noch erhaltenen Knorpelgewebe spielt sich nicht mehr die reguläre 
enchondrale Ossifikation ab, sondern man sieht eine recht breite Zone, in der Blutgefäße die Knorpelzellen alle auf- 
gebrochen haben, hier und da sieht man auch Osteoblasten, aber nirgends stellt sich der Knochenanwurf ein, und so 
haben wir denn ein Netz aus verkalkter Knorpelgrundsubstanz mit Blutgefäßen in den Maschen, einen von vasculärem 
Abbau wie wurmstichig gewordenen Knorpel. Es scheint somit die Aufgabe des vasculäten Abbaues derzeit nicht mehr 
die zu sein, den Knorpelcallus in.enchondralen überzuführen, sondern den noch vorhandenen Rest des Knorpelcallus 
wegzuschaffen. Sonst pflegt, um die Kontinuität des Callus nicht zu gefährden, dem vasculären Abbau eiligst die 
Knochenapposition zu folgen. Hier scheint dies darum überflüssig zu sein, weil die Vereinigung des dies- mit dem 
jenseitigen Callus durch eine periostale Knochenbrücke bereits erzielt ist, die über den Knorpelcallus hinwegzieht und 
zwischen ihm und dem Periost liegt. 

Gerade diese Knochenbrücke ist wie auch in anderen Fällen die Hauptfundstätte für den anderwärts näher 
beschriebenen allmählichen Übergang von Knorpel in Knochengewebe, denn gerade hier findet sich die Bedingung für 
das Zustandekommen dieses Bildes, die darin besteht, daß das Periost eine Zeitlang Knorpel erzeugt und dann langsam 
dazu übergeht, Knochengewebe zu erzeugen, ohne dabei in der Kontinuität der Gewebsneubildung gestört worden 


zu sein. 


Der periostale knöcherne Callus bedingt dadurch, daß er, je weiter weg von der Äquatorialebene, um so dünner 
wird, die Spindelform des ganzen Frakturcallus. Er hüllt die Fragmentenden ein, indem er sich der Oberfläche des 
alten Schaftes anlagert, grenzt gegen die Äquatorialebene an den enchondralen Callus, mit dem er verschmilzt und ist 
außen vom Petiost überdeckt. Daß über den Knorpelcallus hinweg bereits eine knöcherne Vereinigung beider Seiten 
hergestellt ist, ist oben schon gesagt. Die Knochenbälkchen bestehen aus reifem Knochen, mit spärlichen länglichen, 
mittelgroßen Zellen. Sehr oft findet man aber im Bälkchenzentrum geflechtartigen Knochen, meist durch eine Kittlinie 
vom reifen getrennt, selten ohne Grenze in ihn übergehend. Die Hauptfundstätte dieses primitiven, aus der ersten Zeit 
der Callusbildung stammenden Knochengewebes ist das Gebiet nahe der periostalen Oberfläche des Frakturendes, wo 
er dann von dem reiferen Knochengewebe des später entstehenden Callusgewebes überwuchert und überlagert wird. Da 
aber die periostale Oberfläche des Frakturendes, also die erste Unterlage des primitiven Callus, sehr oft tief lacunär 


angenagt ist, so hat letzterer oft sozusagen den Boden unter den Füßen verloren. 


Die Markräume des Callus sind meist eng und enthalten außer einem Gefäß manchmal einen prächtigen 
Osteoblastensaum. Es gibt aber auch schon einige große, durch Resorption der ursprünglich stets dichten Balkenmasse 
entstandene Markräume, die ein stark vascularisiertes, schon mäßig viele Fettzellen führendes zelliges Mark enthalten, 
in den tiefen Teilen des Callus zwischen diesem und dem alten Schaft liegen, den Callus aushöhlen. Sie kommen 
zustande, indem nach knöcherner Vereinigung der Fragmente die zentralen, statisch überflüssigen Callusmassen 


beseitigt werden. 


Das Osteoid ist am periostalen knöchernen Callus sehr häufig, am endostalen sehr wenig anzutreffen und ist nach 


50 Messungen 6 ı im Durchschnitt dick, 17°5 im Maximum, 1°3 u im Minimum. 


Das Periost ist wie immer über dem Callus dicker und zellreicher als über dem intakten Schaftteil. 


k) Splitter sind an Zahl mäßig, alle sind nekrotisch, sie fehlen im Knorpelcallus. Nur wenige liegen im Periost und sind 


von sehr großen Riesenzellen umlagert, die meisten liegen im enchondralen und periostalen Callus und zeigen da nur 
Spuren lacunärer Resorption. Es ist zu bedenken, daß die derzeit im enchondralen Callus liegenden Splitter seinerzeit 
im Knorpel gelegen sein müssen und mit dem vasculären Abbau desselben in den enchondralen Callus mitübernommen 
worden sind. Bei diesem Übergang. war kurze Zeit Gelegenheit gegeben zur lacunären Resorption, die vorher beim 


Einschluß im Knorpel völlig geruht hat und jetzt beim Einschluß in einem enchondralen Bälkchen auch stille steht. 


Auch vor dem Einschluß in Knorpel war kurze Zeit zum Abbau Gelegenheit gegeben. Das endgültige Schicksal ist 


dann doch völlige Resorption, wenn einmal im enchondralen Callus der Umbau einsetzt. So wechselvoll kann das 
Schicksal eines Splitters sein. Andere hingegen werden von Anfang an kontinuierlich und ohne Unterbrechung bis zu 


ihrem völligen Verschwinden abgebaut. 


Rachitis und Epithelkörperchen. Sol 


Fall 6. 15 Tage vor der Tötung des Tieres wurde die rechte Fibula frakturiert. Bei der Obduktion war die Hautwunde etwas offen, 


die umliegende Haut etwas infiltriert, das Infiltrat ging aber nicht auf die tiefen Weichteile über. Der Callus war noch etwas 


beweglich. 


Histologischer Befund. Der Knochen wurde 4 Tage in Müller entkalkt. 


a) 


b) 
D) 


a) 


» 


&) 


Der alte Fibulaschaft hat in beiden Fragmenten eine offene Markhöhle, die, entsprechend dem geringeren Alter 
des Tieres, relativ weit ist. Nur ausnahmsweise ist die Bruchfläche ganz erhalten und dann sieht man, daß sie schräg 
angelegt worden war und daselbst durch die mechanische Gewalteinwirkung die Lamellen im Knochen aufgesplittert 
und aufgebogen worden waren. Zumeist aber sind die Bruchflächen in so weit vorgeschrittenem lacunären Abbau, daß 
das nekrotische Fragmentende überhaupt nicht mehr nachweisbar ist. An der periostalen Fläche der im Callus 
steckenden Schaftteile gibt es auch lacunäre Resorption, aber in ganz geiingem Grade. Die Fragmente sind ein wenig 


seitlich verschoben, stehen aber zu einander parallel. 
Das Mark des Fibulaschaftes ist zellig, mit vereinzelten Fettzellen, arm an Gefäßen und Riesenzellen. 


Die Markhöhle im Frakturbereich enthält auf eine kurze Strecke ein junges Gewebe, welches reich ist an 
großen, hellen Bindegewebszellen und weiten dünnwandigen Gefäßen, nach Art eines fibrösen Callus von Markhöhle 
zu Markhöhle eine Verbindung herstellt und auf diesem Wege freie Blutkörperchen, hämatogenes Pigment und 


Knochensplitter enthält und seitlich vom Knorpelcallus abgegrenzt wird. 


Der enostale knöcherne Callus findet sich im Bereich des fibrösen Markes in ganz geringer Entwicklung in 


Form einiger Bälkchen aus geflechtartigem Knochen, von Osteoblasten eingesäumt. 


Der periostale Knorpelcallus ist bei der enchondralen Ossifikation bis auf ganz geringe Reste bereits 
aufgebraucht worden. Diese Reste stellen kleine Häufchen prächtig ausgebildeter, blauer Knorpelzellen dar, welche 
nicht in allen Schnitten nachweisbar sind und eine ganz charakteristische Lage aufweisen. Sie liegen in der Äquatorial- 
ebene, der Außenfläche des von Mark zu Mark sich hinziehenden fibrösen Markes innig angelagert, also schon ganz 
weit weg vom Periost abgerückt. Diese Lage kommt dadurch zustande, daß die den Knorpel konsumierende enchondrale 
Ossifikation nicht nur an seiner oberen und unteren Grenze vor sich geht, sondern im Endstadium auch noch an seiner 
nach außen dem Periost zugekehrten Seite, während die dem fibrösen Mark anliegende Fläche bis zum Schlusse davon 
verschont bleibt. Hier also muß der letzte Knorpelrest noch angetroffen werden und man sieht, wie auch dieser rasch 
der enchondralen Ossifikation zum Opfer fällt. Da, wo Knorpelgewebe in den fibrösen Callus übergeht, nimmt letzterer, 


förmlich in Fortsetzung der Knorpelverkalkung, gerne Kalkkörner auf. 


Enchondrale Ossifikation und enchondraler Callus. Erst wenn man die Ausdehnung des enchondralen 
Callus sieht, wird es klar, wie groß ursprünglich der Knorpelcallus gewesen sein mußte. Der enchondrale Callus 
beschränkt sich nicht vielleicht auf die Äquatorialgegend, sondern stülpt sich stellenweise weit über die Fraktur- 
enden; nach oben und unten steht er mit dem periostalen knöchernen Callus in Kontakt und verschmilzt mit ihm, 
nach innen stößt er an die kümmerlichen Knorpelreste und nach außen reicht er nur noch an wenigen Stellen bis zum 
Periost und wird hier lacunär abgebaut, meist ist er aber hier bereits von einer Schicht des knöchernen periostalen 
Callus überlagert. Die ältesten Teile des enchondralen Callus, die nach oben und unten an den periostalen knöchernen 
Callus angrenzen, bestehen aus einem dichten Spongiosanetz mit zentralen Knorpeleinschlüssen in den dicken Knochen- 


balken; in den engen Markräumen liegt stets ein Gefäß von ein und mehreren Osteoblastenlagen umringt. 


Die jüngeren, mehr gegen die Äquatorialebene zu gelegenen Teile aber zeigen einen wie vom Wurmfraß 
zernagten Knorpel, von dem nur noch das verkalkte Grundsubstanzgerüst erhalten ist, die Zellen aber durch die 
eingedrungenen Gefäße ersetzt sind, ohne daß diesem vasculären Abbau auch Knochenapposition gefolgt wäre. Wo in 
dem Knorpel eine größere Höhle ausgefressen wurde, da ist sie mit jungem Bindegewebe erfüllt. Man sieht also auch 
in diesem Falle, daß von dem Momente an, wo die beiderseitigen Callus knöchern vereinigt worden sind, die letzten 
Knorpelreste nicht mehr in Knochen überführt, sondern bloß durch die auf halbem Wege stehenbleibende enchondrale 


Ossifikation einfach vasculär abgetragen werden, da sie statisch überflüssig geworden sind. 


Der periostale knöcherne Callus sitzt nach innen dem alten Schaft an, nach außen wird er vom Periost gedeckt, 
gegen die Äquatorialebene hin stößt er an den enchondralen Callus, den er subperiostal auch noch überschichtet und in 
der Richtung vom Äquator weg wird er, der Spindelform entsprechend, immer dünner. Er besteht aus reifem Knochen- 


gewebe, das arm ist an Knochenzellen, die schon längliche Formen haben, aber noch immer groß sind und damit 


h) 


R) 


Dr. J.Erdheim, 


zeigen, daß dieses Knochengewebe von reifem Typus noch jung ist. Hart am Schaft, nahe dem Frakturende, also an 
ganz typischer Stelle, findet man zentral in den reifen Bälkchen geflechtartigen Knochen eingestreut mit zahlreichen, 
großen, plumpen, dichtstehenden Zellen und regellos gefaserter, dunkelblauer Grundsubstanz. Zwischen beiden 
Knochenarten besteht ein ganz allmählicher Übergang oder eine scharfe, durch eine Kittlinie gegebene Grenze. Wird 
ein solches Bälkchen lacunär abgebaut, so kann man regelmäßig sehen, wie die zentrale Partie aus geflechtartigem 
Knochen rascher und tiefer angenagt wird, wie wenn die Osteoklasten mit diesem lockerer gebauten Gewebe leichteres 
Spiel hätten. | 

Die Markräume der Spongiosa sind bald ganz eng, bald etwas weiter, bald sehr groß. Im ersteren Falle enthalten 
sie nur ein zentrales Gefäß und rings um dieses prächtige Osteoblasten in einer oder mehreren Schichten; im zweiten 
Falle außerdem auch noch etwas Bindegewebe, im dritten Falle aber ein zelliges Mark mit vielen weiten, dünnwandigen 
Blutgefäßen und eingestreuten Fettzellen. Diese großen Markräume liegen wie immer zwischen Callus und Schaft, sind 
eine sekundäre Erscheinung, dazu bestimmt, den Callus auszuhöhlen, statisch überflüssiges Knochenmaterial zu 


entfernen. 


Das Osteoid ist hauptsächlich am periostalen, knöchernen Callus, und zwar sehr häufig zu finden. 53 Messungen, 


6°2 y. Durchschnitt, 22-5 u Maximum, 2°5 u Minimum. 
Das Periost über dem Callus ist dicker, namentlich in der Äquatorialebene. 


Die Splitter sind im allgemeinen nicht zahlreich vorhanden; die meisten mit fehlendem oder geringem Abbau, 
liegen im enchondralen Callus, vereinzelt im Periost, von großen Riesenzellen umlagert. Im fibrösen Markcallus liegen 
viele, aber kleine Splitter fast reaktionslos. 


2 ° 


Fall 7. 15 Tage vor der Tötung des Tieres wurde die rechte Fibula frakturiert. Heilung per primam. Bei der Obduktion war der 


Callus schon ganz fest. 


Histologischer Befund. Der Knochen wurde 4 Tage in Müller entkalkt. 


a) 


) 


c) 


a) 


e) 


Der alte Fibulaschaft besitzt im oberen Fragment durchgehends eine offene Markhöhle, im unteren nur im 
Frakturbereich, während tiefer unten der Knochen ganz solid ist. Die Fragmente stehen parallel zueinander, sind aber 
gegeneinander erheblich seitlich verschoben, aber nicht völlig außer Kontakt geraten. An der Bruchstelle ist eine 
ungewöhnlich hochgradige Zersplitterung erfolgt, so daß z. B. das obere Fragment auf der rechten Seite sehr bedeutend 
kürzer ist als auf der linken und dabei rechts das fehlende Corticalisstück als langer Splitter in verschobener Stellung 
daneben liegt. An solchen großen Fragmenten kann man sich überzeugen, daß die an der Bruchstelle der Fibula fast 
konstant vorhandene Nekrose nicht die Folge einer durch die Gewebstrennung entstandenen Zirkulationsstörung ist, 
sondern die Folge der Zerquetschung der Knochenzellen durch die Schere. Ist nämlich ein solcher großer Splitter vom 
Frakturende abgebrochen, so ist er trotz der Trennung vom übrigen Schaft nicht in toto nekrotisch, sondern nur da, 
wo ihn bei der Operation die Schere gequetscht hat. An den Fragmentenden ist die lacunäre Resorption schon weit 
vorgeschritten, namentlich von der periostalen Fläche her, so daß von da aus das äußerste Ende des Fragmentes samt 


der noch erhaltenen Bruchfläche förmlich unterhöhlt und vom übrigen Schaft getrennt wird. 


Das Mark des Fibulaschaftes ist im unteren Fragment rein zellig, reich an großen, dünnwandigen Gefäßen, im 


oberen sehr gefäßarm, dafür reich an Riesenzellen. 


Die Markhöhle im Frakturbereich enthält ein junges Bindegewebe mit mäßig vielen Gefäßen, vielen lichten 
Bindegewebszellen, welches sich auch von Fragment zu Fragment hinüberspannt, hier viele kleine Splitter enthält, zell- 


und gefäßarm ist und stellenweise verkalkt. 


Der enostale knöcherne Markcallus ist wenig entwickelt und liegt nur in Form kleiner, aus geflechtartigem 
Knochen bestehender Bälkchen vor, welche im Bereich des fibrösen Markes auf der Endostfläche des Schaftes, aber 


auch seiner großen Splitter aufgeschossen sind und sogar diese mit dem Schaft wieder verbinden. 


Der periostale Knorpelcallus ist noch in Form eines kontinuierlichen Ringes erhalten, der den dies- und jenseitigen 
enchondralen Callus miteinander verbindet, in der Äquatorialebene liegt und in seiner Mitte jenen fibrösen Markcallus 
durchtreten läßt, der sich von Mark zu Mark spannt. Am äußersten Rande ist der Knorpelcallus noch überall vom 


zellreichen Periost unmittelbar bedeckt und noch nirgends von knöchernem periostalen Callus überlagert. Beide 


Rachitis und Epithelkörperchen. 993 


Fragmente sind demnach vorläufig nur knorpelig und bindegewebig miteinander verbunden. Nach innen zu grenzt der 
Knorpel an den fibrösen Markcallus, in den er langsam übergeht, nach oben und unten aber wird er in scharfer, fast 
gerader Linie enchondral ossifiziert. Wo große Splitter liegen, weist die Lage des Knorpelcallus gewisse Unregel- 
mäßigkeiten auf, indem er einmal zwischen zwei Splitter oder zwischen Splitter und Schaft zu liegen kommt. Das 
Knorpelgewebe selbst zeigt keine regressiven Veränderungen, es sind auch die Fragmentenden nicht in ihn eingekeilt, 
die Knorpelzellen sind groß, rund, blau und werden nach oben und unten gegen den enchondralen Callus zu größer 


und heller, mit verkalkten, dunkelblauen Kapseln. 


PD Enchondrale Össifikation und enchondraler Callus. Die enchondrale Ossifikation ist lebhaft und ganz 
regulär. Stellen, wo der Knorpel einfach durch Gefäße weggeräumt wird, ohne daß sich darauf Ossifikation einstellen 
würde, sind noch nirgends zu sehen, da eine knöcherne Vereinigung der Fragmente noch fehlt. Im Gegenteil, dem 
vasculären Abbau folgt stets die Knochenapposition und es resultiert daraus ein enchondraler Callus mit dicht stehenden 
Knochenbalken, die zentral den verkalkten Knorpelrest führen und durch wie gewöhnlich enge Markräume voneinander 
getrennt sind, die ein von einer Menge prächtiger Osteoblasten umsäumtes Blutgefäß enthalten. Der enchondrale Callus 
schiebt sich oft weit über die Fragmente und zeigt so, wie weit ehedem der Knorpelcallus gereicht haben muß; er 
grenzt gegen die Äquatorialebene zu an den noch stehenden Knorpel, nach der entgegengesetzten Seite an den periostalen 
knöchernen Callus, in den er übergeht, nach innen zu sitzt er dem alten Schaft oder einem seiner großen Splitter auf, 
und außen wird er vom Periost bedeckt, ohne noch vom knöchernen Callus überlagert worden zu sein. Es gibt ein 
Stück enchondralen Callus, das mit dem ganzen übrigen in keinem Zusammenhang steht und einen großen Splitter mit 


dem Schaft verbindet. 


£) Der periostale knöcherne Callus hüllt beide Fragmente zirkulär ein, indem er der Schaftoberfläche anliegt, ist 
außen vom Periost gedeckt und nimmt, wie in allen Fällen, an Dicke, je weiter von der Äquatorialebene, immer mehr ab 
und gegen die Äquatorialebene zu grenzt er an den enchondralen Callus, in den er übergeht. Seine Bälkchen sind der 
Hauptmasse nach aus reifem, d. h. zellarmem Knochengewebe aufgebaut, dessen Zellen aber noch groß sind und so 
zeigen, daß das Gewebe, wenn auch von reifem Typus, so doch noch jung ist. Auch geflechtartiger Knochen mit 
großen, plumpen, dichtstehenden Zellen und blauer, grob- und unregelmäßig geformter Grundsubstanz ist, wenn auch 
in geringerer Menge, vertreten, liegt meist im Zentrum der Bälkchen, geht in den reifen Knochen entweder allmählich 
über oder ist von ihm durch eine Kittlinie getrennt und findet sich an typischer Stelle, hart an der alten periostalen 
Schaftoberfläche, nicht weit vom Frakturende. Nur an einer Stelle liegt geflechtartiger Knochen fast rein vor, und zwar 
wo er einen großen Splitter mit dem Schaft verbindet. An anderen Stellen wird diese Verbindung durch reifen, periostalen 
Callus besorgt. In den engen Markräumen der Spongiosa finden sich schöne Osteoblasten um ein enges Gefäß. Doch gibt 
es auch sehr große, in typischer Weise tief zwischen altem Schaft und Callus durch Aushöhlung sekundär entstandene 


Markräume, die mit gefäßreichem, zelligem Mark angefüllt sind. 


h) Das Osteoid ist recht häufig, aber wie gewöhnlich fast nur am periostalen knöchernen Callus zu finden. Nach 


47 Messungen beträgt seine durchschnittliche Dicke 6°3 u, die maximale 17-5 {, die minimalste 2°5 p. 
i) Das Periost ist nur mäßig verdickt. 


k) Unter den Splittern gibt es hier einige besonders große, die entweder ganz oder partiell nekrotisch sein können, 
zum Teil lacunäre Ränder, zum Teil noch ihre alten Bruchflächen aufweisen, durch verschiedenes Material, so z. B. 
durch Knorpel und enchondralen Callus, primitiven und reifen periostalen Knochencallus und durch Bindegewebe 
untereinander und mit dem Schaft verbunden sind und so mit zur Callusbildung verwendet wurden. Doch gibt es auch 
viele kleine, ganz nekrotische Splitter, die nicht im Periost, sondern im Knorpel und fibrösen Callus liegen und an 


letzterer Stelle nur von wenigen Riesenzellen umlagert sind. 


Fall 8. 15 Tage vor der Tötung des Tieres wurde die rechte Fibula frakturiert. Heilung per primam. Bei der Obduktion war der 


Callus etwas, aber nur noch sehr wenig beweglich. 
Histologischer Befund. Der Knochen wurde 4 Tage in Müller entkalkt. 


a) Der alte Fibulaschaft ist durchwegs solid, hat nirgends eine Markhöhle. Beide Frakturenden sind nekrotisch, das 


obere sogar auf eine sehr lange Strecke. Die Fragmente stehen tadellos adaptiert übereinander. Im Gegensatz zu 


504 


b) 


a) 


1) 


£2] 


h) 


i) 
k) 


Dr. J. Erdheim, 


anderen Fällen ist hier am Frakturende die lacunäre Resorption von der Bruchfläche aus stärker als von der Periostfläche 


aus erfolgt; ins obere Fragment ist sogar eine tiefe Grube eingefressen. 
Weder ein zelliges Mark, noch 
fibröses Mark im Frakturbereich, noch 


einen endostalen Callus gibt es hier, weil ein Endost und eine Markhöhle überhaupt fehlen. Während meist das 
fibröse Mark im Frakturbereich sich von Fragment zu Fragment spannt und sie verbindet, kommt hier dieser an 
großen, hellen, protoplasmareichen Zellen und weiten, dünnwandigen Gefäßen reiche fibröse Callus, der allmählich 
auch in Knorpel übergeht, vom Periost her, und zwar von jener bei der Operation entblößten Seite desselben her, auf 
der die Callusbildung meist recht dürftig auszufallen pflegt. Der fibröse periostale Callus nun zieht auf der genannten 
Seite in die Tiefe zwischen dem auf dieser Seite recht dürftigen knöchernen Callus beider Fragmente durch und gelangt 


so in die Tiefe zwischen die Fragmentenden des alten Schaftes. 


Der periostale Knorpelcallus stellt einen noch dicken, die Äquatorialebene einnehmenden, den Callus beider 
Seiten verbindenden Ring dar, der nur auf der Seite, wo der oben erwähnte fibröse Callus seine Stelle einnimmt, fehlt. 
Der Knorpel grenzt nach oben und unten an den aus ihm hervorgehenden enchondralen Callus, nach innen an den 
fibrösen Callus, in den er langsam übergeht, nach außen ist er vom Periost bedeckt und noch nirgends von knöchernem 
Callus überlagert, so daß der dies- und jenseitige Callus bisher nur bindegewebig und knorpelig miteinander verbunden 
sind. Das Knorpelgewebe hat in der Mitte seiner Dicke prächtige, runde Knorpelzellen, die in reichlicher rotvioletter, 
kalkloser Grundsubstanz liegen, nach oben und unten aber, also gegen die Zone der enchondralen Ossifikation hin 
werden die Zellen größer und die Grundsubstanz verkalkt allmählich, wird ganz dunkel und rein blau; wir haben es 


mit einer ausgesprochenen präparatorischen Verkalkungszone zu tun, die vollkommen an die gleiche Schicht in der 


Rippe erinnert. 


Die enchondrale Ossifikation und der enchondrale Gallus. Die enchondrale Ossifikation rückt in gerader 
Linie von oben und unten in den Knorpel vor, welche mehr oder weniger senkrecht zur Längsachse der Fibula steht, 
geht regulär vor sich und führt zur Bildung eines dichtbalkigen, spongiösen enchondralen Callus, dessen Balken zentral 
den typischen Korpeleinschluß und zwischen sich enge Markräume mit Gefäßen und Osteoblasten aufweisen. Die 
Gesamtmenge des enchondralen Callus ist nicht groß, darum schiebt er sich nicht weit über die Fragmente. Der in 
anderen Fällen gesehene vasculäre Knorpelabbau ohne folgenden Knochenanbau findet sich hier nirgends. Hingegen 


ist hier wieder stellenweise der allmähliche Übergang von Knochen zu Knorpel nachweisbar. 


Der periostale knöcherne Callus ist, wie schon erwähnt, über beiden Fragmenten auf der Seite, wo es einen 
fibrösen Callus gibt, sehr dürftig entwickelt, im übrigen aber kräftig. Er hüllt beiderseits den alten Schaft ein, wird in 
der der Äquatorialebene entgegengesetzten Richtung immer dünner und verschwindet ganz. Gegen den Äquator geht er 
in den enchondralen Callus über und außen wird er vom Periost begrenzt. Er besteht der Hauptmasse nach aus reifem 
Knochengewebe, dessen Zellen aber noch etwas groß sind und weist auch schon Kittlinien auf. Geflechtartiger Knochen 
liegt an typischer Stelle nahe dem alten Schaft, unweit der Frakturstelle, bildet hier das Zentrum der Bälkchen und ist 
vom reifen Knochengewebe der Balkenperipherie meist durch eine Kittlinie abgegrenzt. In den gewöhnlich engen Mark- 
räumen liegt meist ein von Osteoblasten umringtes Blutgefäß, manchmal auch noch etwas Bindegewebe. Die in der 


Tiefe zwischen Callus und altem Schaft liegenden großen Markräume jedoch enthalten gefäßreiches, zelliges Mark. 


Das Osteoid ist im periostalen Callus recht häufig, sonst spärlich anzutreffen. 34 Messungen, 5°5 x Durchschnitt, 


12:5 u Maximum, 1°3 x. Minimum. £ 


Das Periost ist im Bereich des Callus dicker als über dem alten Schaft. 


Splitter sind nur in geringer Zahl vorhanden, einige im Knorpel und knöchernen Callus, sehr wenige im Periost selbst, 


ohne umgebende Riesenzellen, staubförmig feine im fibrösen Callus. 


* * 


B. Das histologische Bild des Frakturcallus beim normalen Tier. 


Im folgenden wird nicht etwa vom Ablauf der Frakturheilung, von ihrem ersten Beginn bis 


zum Abschluß die Rede sein; Untersuchungen dieser Art sind schon mehrfach ausgeführt und publiziert 


Rachitis und Epithelkörperchen. 899 


worden. Uns handelt es sich nur darum, ein normales Kontrollobjekt für unsere Rachitistiere zu schaffen. 
Wenn wir aber auf das Zustandsbild des 1ötägigen Callus näher eingehen, so geschieht das darum, 
weil trotz der gleichen Heilungsdauer, wie wir sehen werden, doch eine gewisse, wenn auch beschränkte 
Variationsbreite des Heilungszustandes zu verzeichnen ist. Auf die umfängliche Callusliteratur soll 
ebenfalls nicht eingegangen werden. Die folgenden Ausführungen machen daher keineswegs den Anspruch 
auf Vollständigkeit der Literaturangaben. Nur so viel sei erwähnt, daß speziell an der Ratte ebenfalls schon 
Callusuntersuchungen von Cornil und Ranvier sowie von Rigal und Vignal vorliegen. 


Es kommt dem Vergleichswert der Fälle zugute, daß sie per primam geheilt sind; nur im Falle 6 
ist die Hautnaht an einer Stelle aufgegangen und die Haut war etwas infiltriert, ohne daß das Infiltrat in 
die Tiefe gegriffen hätte; insbesondere war der Callus frei von Entzündung, so daß der Fall den anderen 
doch gleichwertig ist. 


Bei der Obduktion wurde die Fibula stets in toto herausgenommen und darnach der Callus auf seine 
Festigkeit geprüft. Es stellte sich dabei heraus, daß in vier Fällen die Fragmente bereits fest vereinigt 
waren, während in den vier restlichen Fällen der Callus noch eine Spur beweglich war. 


Im alten Fibulaschaft war die Corticalis stets von kompaktem Bau und frei von Porose. Gegen 
das Frakturende war histologisch die Corticalis, mit Ausnahme des Falles 3, stets nekrotisch, was 
daran zu erkennen war, daß sich die Knochenzellen nicht mehr färbten (Fig. 2b). Das Nekrosegebiet war 
in den Fällen 1 und 6 dadurch reduziert, daß am Frakturende lacunärer Abbau bereits in erheblichem 
Grade stattgefunden hatte. Die Ursache der Nekrose ist nicht etwa eine durch die Gewebstrennung 
verursachte Zirkulationsstörung, sondern die Quetschung der Knochenzellen durch die Schere, mit der 
die Fraktur erzeugt wurde. Der Beweis für diese Annahme kommt später gelegentlich der Knochensplitter 
zur Sprache. 

In drei Fällen waren beide Fragmente ihrer ganzen Länge nach von einer Markhöhle durchzogen; 
diese war im Falle 5 auffallend eng, was vielleicht damit zusammenhängt, daß das Tier das älteste der 
Reihe war. In drei weiteren Fällen hatte die Fibula nur in ihrem oberen Abschnitt eine Markhöhle, unten 
war sie solid und die Fraktur wurde einmal gerade an der Grenze, zweimal noch im oberen hohlen 
Schaftteil angelegt. In zwei Fällen endlich war der Fibulaschaft durchwegs solid (Fig. 1). Das im Callus 
steckende Fragmentende, nicht aber der übrige Schaft, war im vorliegenden Heilungsstadium der 
Fraktur stets lacunär angenagt, wenn auch in sehr verschiedenem Grade. Bald war dies so wenig 
der Fall, daß die Fragmentenden noch ebenso in Kontakt standen und ebenso geformt waren, wie unmitteibar 
nach Anlegung der Fraktur (Fig. 1); bald war der lacunäre Abbau so weit vorgeschritten, daß die Fragment- 
enden fein zugespitzt (Fig. 2) und so weit abgenagt waren, daß sie nicht mehr in Kontakt standen. Wir 
können uns daher der Meinung von Cornil und Coudray nicht anschließen, die behaupten, die 
nekrotischen Fragmentenden werden nicht abgebaut, sondern bleiben stehen und dienen den Callus- 
bälkchen zur Insertion. 


Der Abbau war in der Regel an der Peri- und Endostfläche’am meisten, an der Bruchfläche 
am wenigsten vorgeschritten. Dies hat darin seinen Grund, daß zum osteoklastischen Abbau der 
Kontakt des Knochens mit gefäßführendem Bindegewebe erforderlich ist, der an der Peri- und Endostfläche 
von Haus aus gegeben war, an der Bruchfläche aber erst sekundär hergestellt werden mußte. 


Dafür aber, daß die Bruchfläche trotz des lebhaft um sie herum vor sich gehenden lacunären 
Abbaues oft erstaunlich gut erhalten war, besteht noch der besondere Grund darin, daß nicht selten die 
Bruchfläche (Fig. 1 a) im Callusknorpel (Fig. 1 b) steckt, wo sie wegen der Gefäßlosigkeit des 
letzteren vor jedem lacunären Abbau gewahrt bleibt, wovon noch später die Rede sein soll. An einer 
derart konservierten Bruchfläche kann man manchmal noch sehen, wie die Schere den Knochen in seiner 


Denkschriften der mathm.-naturw. Kl. XC. Bd, 76 


806 Dr. J.Erdheim, 


Faserrichtung aufgesplittert und diese Splitter abgebogen hat. Auch völlige Abtrennung selbst 
großer Splitter von der Corticalis kommt vor. 


Im Falle 8 war der lacunäre Abbau ausnahmsweise gerade an der Bruchfläche am stärksten, 
was vielleicht damit zusammenhängt, daß es sich gerade hier um einen völlig soliden Fibulaschaft handelt. 
Bei dem seinerzeit auf Taf. 2, Fig. 6 in der Frankfurter Zeitschrift für Pathologie abgebildeten Callus war 
der dortan der Frakturstelle ebenfalls solide Schafttatsächlich auch nur an der Bruchfläche lacunär angenagt. 
Zumeist aber ist der lacunäre Abbau an der End- und namentlich der Periostfläche viel weiter vor- 
geschritten. 


Die lacunäre periostale Fläche partizipiert an der Begrenzung gewisser großer Markräume 
des Callus, von denen unten noch genauer berichtet wird. Zuweilen ist der Abbau von der Periostfläche 
soweit gediehen, daß es zur fast völligen Abtrennung des äußersten, zum Teil noch die Bruchfläche 
tragenden Frakturendes gekommen ist. 


Die Adaptierung der Fragmente war nur zweimal so tadellos, wie das in Fig: 1 zu sehen 
ist. In solchen Fällen war dann die Ausbildung des Callus meist zirkulär gleichmäßig (Fig. 1). Waren die 
Fragmente seitlich verschoben, so waren sie doch stets in paralleler Lage verblieben und die seitliche 
Verschiebung war bald sehr gering (Fall 3, 6), bald mäßig, so daß die Bruchenden partiell noch in Kontakt 
verblieben (Fall 4, 5, 7) und nur einmal (Fall 2) war die seitliche Verschiebung so stark, daß die Fragmente 
fast außer Kontakt kamen. In diesen Fällen war auch die Ausbildung des Callus nicht zirkulär gleichmäßig, 
sondern es war z.B. der Callus des oberen Fragmentes auf der Seite, wo sich aufihn das Ende des 
unteren Fragmentes aufstützte, sehr kräftig entwickelt, auf der Seite, wo er keine wesentliche statische 
Aufgabe zu erfüllen hatte, sehr dürftig geblieben. 


* * 


In der Markhöhle außerhalb des Callusbereiches war das Mark zellig, mit spärlichen Fett- 
zellen untermischt, die zweimal auch ganz fehlten. Die Gefäße waren meist nur wenig entwickelt und 
die Riesenzellen spärlich und nicht immer vorhanden. 


Im Callusbereich ist das Mark, sofern nur eine offene Markhöhle besteht, auf eine kurze Strecke 
konstant fibrös geworden (Fig. 2c), doch sind die Bindegewebszellen noch groß, hell und zahlreich, die 
vielen Gefäße dünnwandig und weit, das Gewebe hat noch jugendlichen Charakter. 

Mit Ausnahme des Falles 2, wo die Markhöhlen infolge der starken seitlichen Dislokation ganz aus- 
einander geraten sind, schwingt sich das fibröse Mark von Fragment zu Fragment als fibröser Callus 
hinüber (Fig. 2 d), durchbohrt dabei den die Äquatorialebene des Callus stets einnehmenden Knorpel, ist 
hier zell- und gefäßärmer als innerhalb der Markhöhle und kann neben unbestimmbarem Detritus auch 
zerfallende rote Blutkörperchen, hämatogenes Pigment und meist kleine, dafür manchmal sehr zahlreiche 
Knochensplitter enthalten (Fig. 2 0), die hier nur ausnahmsweise von Riesenzellen umlagert sind (Fig. 2 r). 
Dort, wo der fibröse Callus (Fig. 2d) seitlich vom Knorpel (Fig. 2 e) begrenzt wird, kann er auch Kalk- 
körnchen enthalten. 

Im Falle 2 ist der periostale Knorpelcallus ins fibröse Mark eingewachsen, was durch die 
starke seitliche Verschiebung der Fragmente ermöglicht war. Im Falle 8, bei dem keine Markhöhle besteht, 
sind die Fragmentenden doch durch einen fibrösen Callus verbunden, der aber, wie klar zu sehen 
ist, vom Periost stammt. 

In allen Fällen, in denen es eine Markhöhle gab, kam auch ein enostaler Callus zur Ausbildung, 
der aber stets sehr dürftig ausgebildet war. Zumeist bestand er nur aus einer dünnen, der lacunären 


enostalen Abbaufläche angelagerten Knochenschicht, seltener waren schon frei ins fibröse Mark hinein- | 


ragende Bälkchen (Fig. 2 f), die zum Teil von einem Osteoblastensaum umgeben waren. Solche Bälkchen 
können auch aus dem fibrösen Mark entstanden sein und verdienen dann strenge genommen nicht den 


wie a 


Rachitis und Epithelkörperchen. 597 


Namen enostaler Callus. Ausnahmsweise ereignete es sich, daß der enostale Callus einen losen Knochen- 
splitter mit der Endostfläche des alten Schaftes verband. 


* * 


Ausnahmslos in jedem Falle fand sich ein Knorpelcallus, der in typischer Weise als eine platte 
Scheibe oder ein platter Ring die Äquatorialebene des ganzen Frakturcallus einnimmt (Fig. 1b, b) 
und wie ein elastischer Polster zwischen den dies- und jenseitigen, die Fragmentenden einhüllenden 
knöchernen Callus (Fig. 1 f) eingeschoben ist. 

Es scheint dem Heilungsprozeß dienlich, daß zwischen die nun einmal beweglichen Fragmente 
als erstes verbindendes Gewebe Knorpel auftritt, der bei Bewegungen der Frakturstelle, ohne Schaden zu 
leiden, bis zu einem gewissen Grade deformiert werden kann und andrerseits doch wieder notdürftig eine 
gewisse Verbindung herstellt, die dann ganz allmählich dadurch zu einer festen wird, daß der Knorpel auf 
enchondralem Wege in Knochen überführt wird. Wäre das erste die Fragmente vereinigende Element 
etwa ein Knochenbälkchen, so würde dieses infolge der Bewegung der Fragmente bei der ersten 
Gelegenheit zerbrechen, denn Knochengewebe ist nicht so biegsam wie Knorpel und bricht bei brüsken 
Formveränderungen. 

Die meist die ganze Äquatorialebene einnehmende, oft recht dicke Knorpelscheibe hat zentral eine 
Öffnung, durch die sie den schon beschriebenen, von Mark zu Mark sich spannenden fibrösen Callus 
durchtreten läßt. So grenzt der Knorpelcallus gegen die Knochenachse hin an Bindegewebe, in das das 
Knorpelgewebe langsam übergeht. Einmal war die Knorpelmasse auf der einen Seite durch einen Binde- 
gewebsstreifen entzweigespalten, der vom Periost her axialwärts in den Callus hineinzog, einmal war 
von der gleichen Seite der Knorpel durch das gleiche Bindegewebe ganz ersetzt. 

Nach oben und unten grenzt der Knorpelcallus (Fig. 2e,3c) an den aus ihm hervorgehenden 
enchondralen Callus (Fig. 2, 3 f), der schon in allen Fällen vorhanden war. Doch war diese Überführung 
des Knorpels in Knochen in den verschiedenen Fällen verschieden weit gediehen; einmal war sie erst so 
wenig vorgeschritten, daß der Knorpelcallus noch als dicke Scheibe vorlag, die die Äquatorialebene von 
Periost zu Periost einnahm (Fig. 1), ein andermal so weit gediehen, daß vom Knorpelcallus nur noch eine 
dünne, äquatoriale Scheibe (Fall 5) übrig blieb oder gar nur geringe, diskontinuierliche, nicht in jedem 
Schnitt vorhandene Knorpelinseln (Fall 8). Auf keinen Fall darf man am 15. Heilungstag aus der 
vorliegenden Menge des Knorpelgewebes darauf schließen, daß von Haus aus nicht mehr vorhanden war. 

Liegt der Korpel noch in dicker Masse vor, so sind die Frakturenden des alten Schaftes meist in 
sie wie in Wachs eingespießt, was in verschiedenem ‘Grade der Fall sein, unter Umständen auch 
fehlen kann. 

Nach außen findet der Knorpel seinen Abschluß in den meisten Fällen an der ganzen Circumferenz 
oder an einem Teile derselben durch das deckende Periost. Im Falle 6 aber war der äußerste Rand der 
Knorpelscheibe durch eine periostale Knochenbrücke vom Periost abgedrängt, welche bereits eine 
knöcherne Verbindung zwischen dem dies- und jenseitigen knöchernen periostalen Callus über den 
knorpeligen hinweg, hergestellt hatte. Dies war im Falle 2 und 5 nur an einem Teil der Circumferenz der 
Fall. In dem Stadium, in dem diese erste knöcherne Brücke geschlagen wird, lauft diese nicht mehr 
Gefahr, durch die Bewegungen der Fragmente gebrochen zu werden, wie das unmittelbar nach der Fraktur 
der Fall gewesen wäre. Denn, wie die Fig. 1 zeigt, ist jedes Fragmentende derzeit in einen kegelförmigen 
knöchernen Callus eingehüllt, die Kegel liegen mit ihren Basen zueinander und zwischen beiden liegt die 
Knorpelscheibe. Die Beweglichkeit der Fragmente gegeneinander ist damit noch nicht aufgehoben, aber 
gegen den Zeitpunkt unmittelbar nach der Fraktur in hohem Grade eingeschränkt und damit scheint auch 
der Zeitpunkt gekommen, wo eine knöcherne Vereinigung der Fragmente angebahnt werden kann. 


Wie weit der Knorpel die Aufgabe erfüllt, sich zwischen zwei harte, gegeneinander bewegliche 
Knochen als provisorisches Bindeglied zu legen, erkennt man daran, daß dies nicht nur da geschieht 


808 Dyv. J. Erdheim, 


wo es ein Haupterfordernis ist, nämlich zwischen dem dies- und jenseitigen callusumringten Schaft- 
fragment, sondern selbst da, wo sich zwei lose Knochensplitter aneinander reiben oder ein solcher an dem 
Fibulaschaft. 

Das Knorpelgewebe selbst ist nur selten in allen Teilen von gleicher Beschaffenheit, zumeist zeigt 
es in der Mitte seiner Dicke, also genau in der Äquatorialebene des gesamten Callus, regressive 
Erscheinungen, wie kleine, platte oder sternförmige Zellen mit dunklen, pyknotischen Kernen und eine 
reichliche, mehr rote, zuweilen aufgefaserte Grundsubstanz (Fig. 3c). Im Falle 5 war bei der schon sehr 
vorgeschrittenen enchondralen Ossifikation der Knorpel so weit aufgebraucht, daß von ihm nur noch die 
zentralen, regressiv veränderten Partien übrig geblieben waren. Genau an jenen Stellen, wo die Fragment- 
enden des Fibulaschaftes in das Knorpelgewebe eingespießt sind, zeigt dieses als Folge der Quetschung 
durch die brüsken Bewegungen der Fragmente regressive Veränderungen. Die Grundsubstanz ist zu 
einem roten oder blaßblauen, dichten Faserwerk verwandelt, die Zellen sind klein, platt, dunkel oder fehlen 
ganz, so daß damit das Charakteristische des Knorpelgewebes verloren geht und zwischen den Fragment- 
enden kann sich im Knorpel sogar eine kleine Zerfallshöhle mit blauem Detritus ausbilden. 

Gegen den oberen und unteren Rand der Knorpelscheibe hin, wo, wie wir bald hören werden, die 
enchondrale Ossifikation vor sich geht, werden die Zellen zahlreicher, größer, liegen dichter zusammen, 
sind dunkelblau, rundlich oder platten sich zu polygonalen Formen ab und gegen den äußersten Rand 
werden sie heller, haben ein ganz helles Protoplasma, einen mehr dunklen Kern und eine ganz dunkelblaue 
Kapsel und damit Hand in Hand wird die stets ganz gefäßlose Grundsubstanz spärlicher und mehr 
violett (Fig. 2, 3b). Diese, die enchondrale Ossifikation ankündigende Knorpelveränderung, 
wobei nur die Säulenstellung der Zellen konstant fehlt, erinnert umso lebhafter an den analogen Vorgang, 
wie wir ihn in der Rippe gesehen haben, als gegen den Knorpelrand, offenbar infolge Kalkaufnahme, die 
Grundsubstanz allmählich ohne scharfe Grenze immer stärker und reiner blau wird. Namentlich die 
Knorpelkapseln werden davon ganz intensiv dunkelblau (Fig. 3 d), während der Kalkgehalt der Knorpel- 
grundsubstanz am klarsten erst da vorliegt, wo sie bereits als Einschluß in den Knochenbälkchen des 
enchondralen Callus liegt. Das Größerwerden der Knorpelzellen und das Auftreten der Verkalkung mit 
der Entfernung von der Bruchstelle hat schon Kassowitz gesehen. 

Kassowitz war der erste, der die Lage des Knorpelcallus an der Bruchstelle damit erklärte, daß 
der Knorpel eben nur dort entsteht, wo das Bildungsgewebe des Callus bei der Verschiebung der Bruch- 
stücke gerieben, gedrückt, gezerrt wird. Nach Roux ist das Knorpelgewebe von allen Geweben am 
geeignetsten, der Abscherung zu widerstehen und entsteht so, daß da, wo Abscherung, d. h. Verschiebung 
von Substanzschichten besteht, alle anderen Zellen zugrunde gehen, mit Ausnahme solcher, die Knorpel- 
gewebe hervorzubringen vermögen. Die Angaben von Kassowitz über die Lage des Knorpelcallus 
finden wir in den Versuchen von Kapsammer bestätigt; Rigal und Vignal finden beim 14tägigen Callus 
der Ratte die Fragmentenden vom Knorpelcallus wie von einem Muff umgeben; Cornil und Coudray 
finden beide Fragmente durch den Knorpelcallus wie durch eine Scheidewand getrennt. Daß der Knorpel- 
callus beim Erwachsenen im Gegensatz zum Kind und Tier nur inkonstant gefunden wird, führt 
M.B. Schmidt darauf zurück, daß beim ersteren die Beweglichkeit der Bruchenden gering ist; er betont 
auch, daß bei alten Luxationen das gedrückte Periost ebenfalls eine knorpelige Gelenksfläche erzeugt und 
daß nach Entfernung eines Corticalisstückes ohne Unterbrechung der Knochenkontinuität der Callus frei 
bleibt von Knorpel. Cornil und Coudray finden ferner die Angaben früherer Autoren bestätigt, daß 
täglich von neuem absichtlich mobilisierte Frakturen einen ungewöhnlich starken Knorpelcallus produzieren. 


* * 


Die enchondrale Ossifikation der Knorpelscheibe geht nur an ihrer oberen und unteren .« 


Fläche vor sich, welche manchmal fast eben ist und stets die Neigung verrät, senkrecht auf die 
Belastungsrichtung des Knochens zu stehen (Fig. 3e), genau so wie das oft bei der physiologischen 


in 


Rachitis und Epithelkörperchen. 009 


enchondralen Ossifikation an den langen Röhrenknochen der Extremitäten der Fall zu sein pflegt. Im 
Falle 6 ist die enchondrale Ossifikation schon so weit gediehen, daß die beiderseitigen OÖssifikations- 
linien in der Äquatorialebene zusammengekommen sind und die letzten Knorpelreste axialwärts am 
fibrösen Callus liegen, von dem aus niemals die enchondrale Össifikation ausgeht. Diese fehlt auch stets 
“ an den Stellen, wo das Frakturende des Schaftes in den Knorpel eingespießt ist. Die enchondrale Ossifikation 
des Knorpelcallus ist natürlich schon von vielen Seiten beim Tier und Menschen (Somands) gesehen 
worden. Speziell bei der Ratte finden Rigal und Vignal den Prozeß am 20. Tage abgeschlossen und 
und Cornil und Coudray sahen beim Kaninchen stellenweise sogar die Säulenstellung der Knorpel- 
zellen auftreten. 

Der Modus der enchondralen Ossifikation ist bier im allgemeinen derselbe wie unter physiologischen 
Umständen und wird dadurch eingeleitet, daß Blutkapillaren Knorpelkapseln aufbrechen und so aus dem 
Knorpel Buchten ausgehoben werden (Fig. 28, 3e), in denen allsogleich oft prächtig ausgebildete Osteo- 
blasten auftreten. Diese apponieren sehr rasch auf die stehengebliebenen Reste der Knorpelgrundsubstanz 
einen Knochenanwurf, welcher die Innenwand der Bucht auskleidet oder diese in Form eines Globulus 
ausfüllt. 

Es resultieren bei diesem Prozeß Knochenbälkchen, die, im Gegensatz zu dem bald zu be- 
sprechenden direkt periostalen Callus, ihre enchondrale Genese beim ersten Anblick dadurch verraten, 
daß sie zentral den dunkelblauen, gleichmäßig verkalkten Knorpelgrundsubstanzeinschluß aufweisen, 
der durch eine scharfe, konkav globuläre Linie vom Knochengewebe abgegrenzt ist (Fig. 2 1). Die Bälkchen 
sind nahe der Össifikationslinie noch dünn, weiter weg von ihr dicker, weil älter und obwohl sie ein 
vollkommenes Analogon dessen sind, was wir an der normalen Rippe als primäre Spongiosa kennen 
gelernt haben, stehen sie ganz unregelmäßig und nicht parallel zueinander, was darin seinen Grund 
hat, daß die enchondrale Spongiosa in ihrer Struktur ein Abklatsch der Knorpelstruktur ist und der 
Knorpelcallus die Säulenanordnung der Zellen vermissen läßt. 

In ihrer Gesamtmasse setzen die enchondralen Knochenbälkchen den enchondralen Callus 
zusammen (Fig. 2), der eine meist dichte Spongiosa darstellt, in deren engen Markräumen nur ein Gefäß 
Platz hat, das von einer oder mehreren Reihen oft prächtig entwickelter Osteoblasten umgeben ist. Die 
Gesamtmasse des enchondralen Callus, der niemals fehlt, ist in den einzelnen Fällen sehr verschieden. 
Bald ist die Masse gering (Fall 8), bald schon halb (Fall 2) oder ganz so groß (Fall 3) oder gar noch 
größer (Fall 1) als die Masse des Knorpelcallus, ja der enchondrale Callus kann so reichlich vorliegen, daß 
er. weit über die Fragmentenden des Schaftes geschoben ist und diese einhüllt (Fall 4 bis 7). Die Aus- 
dehnung des enchondralen Callus zeigt uns dann an, wie groß ehedem der Knorpelcallus selbst gewesen 
ist, daß er sich früher nicht nur wie jetzt auf die Äquatorialebene beschränkte, sondern auch weithin 
über die Fragmentenden gestülpt war, aber in dem Maße, als der enchondrale Callus auf seine Kosten 
wuchs, immer mehr an Boden verlor und sich auf die Äquatorialebene zurückzog. 

Nach alledem grenzt der enchondrale Callus (Fig. 2:, 3 f) gegen die Äquatorialebene hin an den 
Knorpelcallus (Fig. 2f, 3b), nach der entgegengesetzten Richtung an den direkt periostalen knöchernen 
Callus (Fig. 2, 3%), von dem unten die Rede ist, axialwärts, wenn seine Ausdehnung eine entsprechende 
ist, an die Corticalis des alten Schaftes, nach außen entweder an das Periost (Fig. 2 p), oder aber an 
periostales Knochengewebe (Fig. 3 n), welches hier in gleicher Weise über dem enchondralen Callus vom 
Periost aufgebaut wurde, wie das schon beim Knorpelcallus beschrieben ist. 

So wie (s. 0.) es vorkommt, daß ein loser Knochensplitter vermittels Knorpel mit dem alten 
Schaft verbunden ist, so kommt es gelegentlich auch vor (Fall 7), daß diese Verbindung bereits durch 
enchondralen Callus hergestellt ist. Es ist ferner zu betonen, daß im Falle 3 an einzelnen Stellen die 
enchondrale Ossifikation des Knorpels dadurch unterblieb, daß sie durch einen größeren, der Knorpel- 
oberfläche anliegenden Splitter verhindert wurde. Endlich sei erwähnt, daß ausnahmsweise mitten im 


enchondralen Callus ein kleiner Rest unverbrauchten Knorpels mit intakten Zellen angetroffen werden 
kann (Fall 1, 5). 


560 Dv. J. Erdheim, 


Wir haben eben gehört, daß der Knochenanwurf sehr bald nach Eröffnung der Kapsel sieh ein- 
zustellen pflegt und vorgreifend kann noch hinzugefügt werden, daß er ein Ort bevorzugter Kalkablagerung 
ist, so daß auch darin die Ähnlichkeit mit der normalen Rippe groß ist. Um so verwunderlicher war es, daß 
in einzelnen Fällen sich auch folgende Bilder fanden. In einem bald größeren, bald kleineren Gebiete waren 
alle Knorpelkapseln durch Capillaren aufgebrochen, aber ein Knochenanwurf stellte sich nicht ein, 
obwohl einzelne Capillaren schon mehrere (bis acht) Zellen hintereinander eröffnet hatten. Ein solcher von 
Capillaren zernagter Knorpel macht einen wurmstichigen Eindruck und stellt eigentlich ein Netz 
verkalkter Grundsubstanz dar, dessen Maschen von Gefäßen durchzogen sind. Indem auch mehr Grund- 
substanz mitabgetragen wird, können sich auch größere Höhlen im Knorpel ausbilden. Es ist das, wenn 
man so sagen darf, eine auf halbem Wege stehen gebliebene enchondrale Ossifikation, die sich nur auf 
den vasculären Knorpelabbau beschränkt, worauf es hier allein anzukommen scheint. 

Die Erklärung dieses Vorganges ist offenbar die, daß im vorliegenden Heilungsstadium an manchen 
Stellen Neubildung von enchondralem Knochen überflüssig geworden war und darum der Knorpel bloß 
einfach weggeschafft wird. Es ist in diesem Sinne bezeichnend, daß sich in solchen Fällen meist schon an 
der äußersten Callusoberfläche, also an seinem vom Standpunkte der Biegungs- und Strebefestigkeit 
statisch wichtigsten Orte, eine knöcherne Vereinigung des dies- und jenseitigen Callus eingestellt hat und 
daß der vasculäre Knorpelabbau ohne folgende Ossifikation sich in den mehr zentralen, statisch minder 
wichtigen Callusteilen vorfindet. Die periphere knöcherne Brücke entzieht, um mit Roux zu sprechen, 
dem Calluszentrum den Reiz und damit entfällt an letzterer Stelle das die Knochenbildung anregende 
Agens. Daß aber die Callusperipherie statisch wichtiger ist als das Zentrum, werden wir noch beim 
normalen und rachitischen Callus zu sehen Gelegenheit haben. 

Noch eines besonderen Vorkommnisses im Knorpel soll Erwähnung getan werden. In verschiedener 
Häufigkeit, mit Vorliebe da, wo nahe der Callusoberfläche der Knorpelcallus von der ersten knöchernen 
Brücke überlagert wird, begegnet man einem allmählichen, kontinuierlichen Übergang von 
Knorpel- zu Knochengewebe. Es verliert dabei die Knorpelgrundsubstanz allmählich ihre Basophilie, 
wird rein rot wie Knochengrundsubstanz und es sieht an solchen Stellen so aus, wie wenn die vollkommen 
typischen Knorpelzellen in Knochengrundsubstanz liegen würden. Je mehr wir aber gegen den Knochen 
vorrücken, desto mehr nehmen, in allmählichem Übergang, die Knorpelzellen den Charakter von Knochen- 
zellen an, so daß schließlich ganz typisches Knochengewebe vorliegt. 

Solche Bilder sind nicht so zu deuten, als ob hier das Knorpelgewebe allmählich eine Umwandlung 
zu Knochengewebe durchmachen würde, was dann eine direkte Metaplasie wäre. Die Bilder sind vielmehr 
ganz anders aufzufassen. Sowohl der periostale knöcherne Callus als auch der Knorpelcallus gehen aus 
einem jungen Keimgewebe hervor, welches aus periostaler Wucherung entsteht. Dasselbe Keimgewebe 
erzeugt aber an einer Stelle Knorpel-, an einer benachbarten Knochengewebe und beide Gebiete sind 
natürlicherweise nicht durch eine Linie scharf voneinander getrennt, sondern gehen, wo sie zusammen- 
stoßen, allmählich ineinander über. So also entstehen beide Gewebsarten nicht auseinander, sondern 
gleichzeitig und nebeneinander aus einem gemeinschaftlichen Keimgewebe. 

Es ist ferner der Fall möglich, daß sie nacheinander, wenn auch nicht auseinander entstehen, und 
zwar so, daß das Keimgewebe bis zu einem bestimmten Zeitpunkt Knorpelgewebe hervorbringt, und wenn 
nach solchem kein Bedürfnis mehr besteht, so hört die Gewebsproduktion nicht auf, sondern dauert fort, 
ändert aber langsam ihren Charakter, indem nunmehr das Endprodukt dieser Gewebsbildung Knochen- 
gewebe ist. Da also bei diesem Wandel der Produktionsrichtung die Kontinuität der Gewebs- 
produktion nicht unterbrochen wird, muß ein allmählicher Übergang einer Gewebsart in die andere 
zustande kommen. 

Der Ort, wo dieser Wandel der Produktionsrichtung sich oft findet, ist gerade die Stelle, wo der 
Knorpelcallus vom Periost bedeckt wird. Hier entsteht aus dem Periost nur bis zu einem gewissen 
Zeitpunkt Knorpel, von da an wird dieser von Knochen überlagert, der dann, wie schon oben erwähnt, 
eine knöcherne Vereinigung beider Fragmente stellenweise bereits zu einer Zeit anbahnt, wo im übrigen 


Rachitis und Epithelkörperchen. 561 


diese Vereinigung noch knorpelig ist, da der Knorpelcallus noch lange nicht ganz der enchondralen 
Ossifikation zum Opfer gefallen ist. 

Duhamel war der erste, der den Callus der Hauptsache nach als ein Produkt des Periostes erkannte 
und die späteren histologischen Untersuchungen zeigten in der Tat, daß sowohl der Knorpel- als auch 
_ der Knochencallus aus einem Keimgewebe hervorgehen, das aus dem Periost entsteht. Den allmählichen 
Übergang von Knochen- und Knorpelgewebe ineinander schildert bereits Kassowitz als eine knorpel- 
ähnliche Modifikation des osteoiden Gewebes mit Knorpelzellen in Knochengrundsubstanz und er nimmt, 
wie auch viele spätere Autoren, an, daßes sich um eine direkte Metaplasie von Knorpel zu Knochen 
handle, wobei sich die Knorpelzellen zu Knochenzellen und die Knorpelgrundsubstanz zu Knochen- 
grundsubstanz umwandle. Wie ich schon früher einmal betont habe, gelingt es, bei der Ratte zumindest, 
nirgends sich davon zu überzeugen, daß, es eine solche Metaplasie wirklich gibt. Doch muß betont werden, 
daß Kassowitz ausdrücklich noch eine zweite Erklärungsart erwähnt, wonach aus dem periostalen 
Bildungsgewebe »neben- und nacheinander« Knorpel- und Knochengewebe entsteht. 


* * 


Wir gehen nun zum periostalen knöchernen Callus über und verstehen darunter jenen Teil, 
der im Gegensatz zum enchondralen direkt aus dem Periost hervorgeht. Der Knorpelcallus, und damit auch 
der enchondrale Callus, sind wohl auch periostaler Herkunft, aber letzterer entsteht aus dem Periost eben 
indirekt, auf dem Umweg über den Knorpelcallus. 

Der periostale knöcherne Callus ist stets ein sehr wichtiger Bestandteil des Gesamtcallus (Fig. 1 f, 
21,3d) und hat folgende Begrenzung. Er liegt axialwärts der Oberfläche des alten Schaftes (Fig. 1, 2a) 
direkt an und hüllt ihn zirkulär ein. Er ist gegen die Äquatorialebene am dicksten, wird nach der entgegen- 
gesetzten Richtung allmählich dünner (Fig. 2/) und hört dann ganz auf. Damit ist die Spindelform des 
gesamten Frakturcallus gegeben (Fig. 1). Nach außen ist der periostale knöcherne Callus vom Periost 
bedeckt, aus dem er hervorgegangen ist (Fig. 2p, 31), gegen die Äquatorialebene hin stößt er an den 
enchondralen Callus (Fig. 27, 3 f), gegen den er sich nicht etwa linear scharf begrenzt, sondern beide 
gehen ineinander über. Es ist schon oben erwähnt, daß der periostale knöcherne Callus in einigen Fällen 
an der äußersten Callusperipherie über den enchondralen und Knorpelcallus hinweg von einer zur anderen 
Seite bereits eine Brücke geschlagen hat. 

Nicht in allen Fällen ist der periostale Callus gleichmäßig zirkulär ausgebildet. Es ist schon 
erwähnt, daß bei starker seitlicher Verschiebung der Fragmente der zu dem einen Fragmente gehörige 
Callus auf der medialen Seite z. B. ganz dürftig, auf der lateralen um so kräftiger entwickelt ist und dies 
ist, dem anderen Fragment entsprechend, wieder umgekehrt der Fall. Auf jener Seite ferner, an der die 
Fibula zum Zwecke der Operation bloßgelegt zu werden pflegte und wohl von Muskeln überlagert, aber 
frei ist von ihren Insertionen, kam es öfter vor, daß der Callus im allgemeinen, also auch der periostale 
knöcherne viel schlechter entwickelt war als an anderen Stellen. Dies war der Ort, wo auch der Knorpel- 
callus, wie schon erwähnt, ganz oder partiell durch fibrösen Callus ersetzt sein konnte. 

Der periostale knöcherne Callus besteht aus verschieden dicken, meist dichtstehenden Balken 
(Fig. 1%, 2%, 3 d), diese wieder aus Knochengewebe von reifem Typus mit rotvioletter Grundsubstanz 
und spärlichen, länglichen, meist kleinen Knochenzellen, die manchmal auch etwas größer sein können, 
als Zeichen ihres noch geringen Alters. 

Ausnahmslos in jedem Falle, wenn auch zuweilen in geringer Menge, fand sich auch Knochen- 
gewebe von unreifem Typus mit mehr blau gefärbter, spärlicher, grob und regellos gefaserter Grund- 
substanz und zahlreichen, dichtstehenden, großen, plumpen, unregelmäßig gestalteten Knochenkörperchen. 
Dies ist geflechtartiger Knochen, wie er in den ersten Anfängen des Callus auftritt. Da er ungemein rasch 
entsteht, ist seine Struktur unvollkommen. Er ist sozusagen ein Notverband aus wenig gediegenem, aber 
rasch herstellbarem Material, ein primitiver Callus. Wenn sich dann die Callusproduktion verlangsamt 


562 Dr. J. Erdheim, 


wird gediegeneres Knochengewebe von reiferer Struktur hervorgebracht, das den primitiven Callus teils 
überlagert, teils durch Apposition seine Balken verdickt. Daher kommt es, daß die Balken an der Callus- 
peripherie (Fig. 2%, 3d) ausschließlich aus reifem Knochengewebe aufgebaut sind, während in der Tiefe 
des Callus die Balken aus reifem Knochengewebe zentral geflechtartigen Knochen enthalten (Fig. 3 k), wie 
überhaupt die Hauptfundstätte des geflechtartigen Knochengewebes die Gegend nahe der ehemaligen 
Schaftoberfläche und zugleich nahe der Bruchstelle ist (Fig. 2 s), also der Ort, wo ja der primitive Callus 
gebildet wird. Schon Kassowitz betont, daß das unreife oder geflechtartige Knochengewebe nur bei 
raschem Knochenwachstum gebildet wird, daher normaliter nur beim Fötus vorkommt und postfötal bei 
mit beträchtlicher Steigerung der Apposition einhergehenden Knochenerkrankungen. Aus besonders regem 
Wachstum erklärt ferner Pommer das Vorkommen von geflechtartigem Knochen an den Stellen von 
Muskelansätzen. 

Die Art, wie sich im Balken beide Knochenarten gegeneinander abgrenzen, ist verschieden. 
Entweder sind sie, was man in keinem Falle vermißt, durch eine lacunäre Kittlinie scharf voneinander 
abgegrenzt, ein Zeichen, daß hier schon der primitive Callus partiell abgebaut und durch reiferen ersetzt 
worden war. Dieser Umbau fehlte in keinem Falle und zuweilen sah man ihn noch im Gange, wobei es 
auffiel, daß die Osteoklasten, wo sie einen gemischten Balken abzutragen im Begriffe waren, mit ihrer 
Arbeit im geflechtartigen Knochen rascher vorwärts kamen als: im reifen, wieder ein Zeichen für die 
minder gediegene Beschaffenheit des ersteren. 

An anderen Stellen jedoch gingen beide Knochenarten, wie das Kassowitz für den normalen Fötus 
und Neugebornen beschreibt, ohne scharfe Grenze ineinander über, was ebenfalls in jedem Falle, wenn 
auch in manchem selten, zu konstatieren war. Dieser Übergang kann nur so erklärt werden, daß an 
solchen Stellen die Kontinuität der Knochenproduktion seit dem Beginn der Callusbildung nicht unter- 
brochen wurde, während inzwischen insofern ein Wechsel eintrat, als anstatt des anfänglich gebildeten 
geflechtartigen, nunmehr ein Knochengewebe von reifem Typus produziert wird. In der gleichen Art wurde 
oben auch der Übergang von Knorpel- in Knochengewebe erklärt. 


Geflechtartiges Knochengewebe, nicht mit reiferem kombiniert, sondern allein für sich, fand sich 
nur an einer Stelle des Falles 7, wo es einen großen Splitter mit dem Schaft verband. 


Die Spongiosa des periostalen knöchernen Callus ist meist dicht, die Markräume eng (ig. I; 
2 m, 30), so daß außer einem Gefäß nur noch Osteoblasten Platz darin finden, die oft kräftig entwickelt 
sind und in einer oder mehreren Reihen dem Knochengewebe anliegen und das Gefäß umgeben. Ist der 
Markraum etwas größer (Fig. 3 m), so kann er überdies auch noch, wie das auch Cornil und Coudray 
finden, Bindegewebe enthalten. 


Außerdem fanden sich in jedem Falle auch sehr große Markräume (Fig. 1A, 2n, 3 p), welche 
folgende besondere Eigenschaften aufwiesen. Sie liegen typischer Weise nur in den tiefen Anteilen des 
Callus, nahe am alten Schaft, der sie auch direkt zum Teil mitbegrenzt. Sie enthalten stets ein an weiten, 
dünnwandigen Gefäßen reiches zelliges Mark, in das zuweilen sogar schon Fettzellen eingestreut 
sind. Das sie begrenzer.de Knochengewebe, die alte Corticalis mit inbegriffen, weist, wenn auch nicht an 
der ganzen Peripherie, lacunären Abbau auf, ein Zeichen, daß der große Markraum eine sekundäre 
Bildung ist, ein Effekt osteoklastischen Abbaues. 


Durch diese schon übrigens bekannte Aushöhlung des Callus in seinen zentralen Teilen, 
gewinnen wir ein weiteres Beispiel dafür, daß diese statisch minder wichtig sind und, weil statisch 
entlastet, inaktiv atrophieren. Das Periost, welches ursprünglich den alten Schaft überzieht und den Callus 
hervorbringt, tut letzteres durch kontinuierliche Apposition. Wenn diese bis zu den statisch vollwertigen, 
peripheren Callusschichten gediehen ist, werden die unwichtigen, tiefen, wieder beseitigt. Das Gesagte 
kann natürlich nur für das in unserem Material vorliegende Heilungsstadium Gültigkeit haben. Bei einem 
24 Tage alten Callus eines normalen Tieres wurde das gleiche Verhalten ebenfalls schon gesehen und 
abgebildet (Taf. 2, Fig. 4 im VII. Band der Frankfurter Zeitschrift für Pathologie). 


ur nn 


Rachitis und Epithelkörperchen. 563 


Das Periost (Fig. 2p. 3 )) ist im Bereich des ganzen Callus, insbesondere da, wo es den Knorpel- 
callus überzieht, dicker und zellreicher als außerhalb des Callus. Es bedeckt den periostalen knöchernen 
Callus, mehr äquatorialwärts den enchondralen und schließlich den Knorpelcallus, soweit die beiden 
letzten nicht schon von einer dünnen Schicht des periostalen knöchernen Callus überzogen sind. Bei der 
operativen Anlegung der Fraktur wurde mit dem Schaft auch das Periost völlig durchtrennt. Weil aber aus 
dem Periost der Callus hervorgeht, so wird dieser an jedem der beiden Fragmente für sich separat gebildet 
und es bedarf komplizierter und langwieriger Vorgänge, von denen Schon oben die Rede war, um sekundär 
eine knöcherne Vereinigung der Fragmente herbeizuführen. Bei den spontanen rachitischen Rippen- 
frakturen, die oft nur incomplett sind, bleibt, wie wir später hören werden, das Periost oft in seiner 
Kontinuität gewahrt, und das hat zur Folge, daß der sich bildende knöcherne Callus schon von Haus aus 
einheitlich ist und sich ohne Unterbrechung von einem Fragment zum anderen begibt. 


Knochensplitter fanden sich in allen Fällen, aber in wechselnder Zahl, bald spärlich, bald 
mäßig viele, bald sehr viele (Fig. 1c,c,c,c) und im Falle 7 gar lag eine ungewöhnlich hochgradige 
Zersplitterung vor. Die Splitter waren fast immer in toto nekrotisch (Fig. 2 r). 


Im Falle 7 fand sich aber ein langes, weggesprengtes Corticalisstück, welches nur da nekrotisch 
war, wo es von der Schere gequetscht war, sonst aber waren seine Knochenzellen gut färbbar. Es ist dies 
für uns ein Fingerzeig dafür, daß die gleiche Nekrose, die wir am Bruchende des Schaftes fast konstant 
vorzufinden pflegen, nicht etwa eine Folge der durch Kontinuitätstrennung entstandenen Zirkulations- 
störung ist, sondern eine Folge lokaler Quetschung durch das die Fraktur erzeugende Instrument. 
Außer an der Nekrose gibt sich die stattgehabte Gewalteinwirkung an den Splittern nur noch daran zu 
erkennen, daß sie in der Faserrichtung der Grundsubstanz aufgespalten sind. 


Es wäre gewiß falsch sich vorzustellen, daß die Knochenzellen, weil in einem Gewebe liegend, das 
sozusagen berufsmäßig mechanischer Inanspruchnahme dient, gegen mechanische Insulte weniger 
empfindlich sein werden als andere Zellen. Es dürfte wohl schwer sein zu prüfen, inwiefern eine solche 
mindere Empfindlichkeit besteht oder nicht, aber eines ist sicher: Durch die Lage in einer allseits 
geschlossenen Knochenhöhle ist die Knochenzelle weit mehr in Gefahr, durch mechanische Läsionen zu 
leiden, als irgend eine andere Gewebszelle. Eine Bindegewebszelle z. B. hat bei einer auf sie einwirkenden 
Gewalt bis zu einem gewissen Grade die Möglichkeit, durch Ortsverschiebung der Gewalt auszuweichen, 
während die Knochenzelle bei jedem Trauma, das eine Verengerung der Knochenhöhle zur Folge hat, 
unausweichlich der Nekrose durch Quetschung verfallen muß. Roux geht aber so weit, die Knochenzellen 
als sehr empfindlich gegen Bewegungsinsulte zu bezeichnen, gegen welche sie sich durch Bildung der 
starren Knochengrundsubstanz schützen. Die Osteoblasten, die ncrmaliter bloß durch molekulare 
Erschütterungen beim Gebrauch des Knochens getroffen werden, sind nach Roux gegen Bewegungs- 
insulte sogar höchst empfindlich, »da sie, fest an den Knochen geschmiegt, in fast absoluter Ruhe zu 
leben gewohnt sind«. Noch mehr scheint uns die Gewöhnung an Ruhe für die Knochenzelle zu gelten und 
damit auch ihre Empfindlichkeit gegen mechanische Insulte größer zu sein. 

Es finden sich Splitter gelegentlich in allen Teilen des Callus, im enchondralen und Knorpel- 
callus, im periostalen knöchernen und fibrösen Markcallus und endlich im Periost selbst. Die irn fibrösen 
Markcallus zeichnen sich dadurch aus, daß sie zuweilen sehr zahlreich, meist aber ganz klein sind und 
in der Regel reaktionslos im Bindegewebe eingeschlossen liegen. Nur ausnahmsweise ist ein Splitter an 
dieser Stelle größer (Fig. 2 0) und von Riesenzellen umgeben (Fig. 2 r). Die Hauptfundstätte für diese sind 
jene Splitter, welche im Periost liegen. An anderen Stellen sind sie selten. Diese Riesenzellen, welche 
auch Cornilund Coudray um die nekrotischen Splitter liegend sahen, unterscheiden sich durch ihre 


besondere Größe und den großen Kernreichtum von den sonst am Knochen anzutreffenden Osteoklasten. 
Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC. Bd. 77 


in 


564 Dr: J. Erdheim, 


Sie fehlen nur im Falle 8. Die Riesenzellen führen zur lacunären Annagung der Splitter, die in allen 
Fällen konstatiert wurde. 

Vielfach wiesen jedoch die Splitter noch ihre ursprünglichen Bruchflächen auf. Letzteres war 
insbesondere an jenen Splittern zu konstatieren, welche im Knorpelgewebe eingeschlossen lagen. 
Dieses ist nämlich gefäßlos und darum zur Hervorbringung von Riesenzellen nicht befähigt. Ein im 
Knorpel eingeschlossener Splitter bleibt daher, vor jedem Abbau bewahrt, unversehrt liegen. Findet sich 
aber an einem im Knorpel liegenden Splitter doch eine lacunäre Grube, so rührt sie aus jener Zeit her, als 
der Splitter noch nicht im Knorpel, sondern im Bindegewebe lag, wo zum lacunären Abbau Gelegenheit 
gegeben war. 

Wird dann der Knorpel gelegentlich der enchondralen Ossifikation abgebaut, so ist abermals kurze 
Zeit zum lacunären Abbau des aus seiner Umschließung befreiten Splitters gegeben, bis er dann 
wieder vom Knochengewebe umlagert wird und nun im Bereich des enchondralen Callus liegt, der 
den Splitter vom Knorpel mitübernommen hat. Hier dient er, wenn er groß genug ist, Knochenbälkchen 
zur Insertion, sonst ist er im Bälkchen eingeschlossen. Sein endgültiges Schicksal dürfte aber doch 
schließlich vollständige Resorption sein, der er bei Gelegenheit des Abbaues des enchondralen Callus zu 
einem späteren Zeitpunkt verfallen dürfte. In ähnlicher Weise wird ein im Periost liegender Splitter vom 
periostalen knöchernen Callus übernommen. 

Im Gegensatz zu den geschilderten wechselvollen Schicksalen wird es auch solche Splitter geben, 
welche zufolge ihres ständigen Verbleibens im Bindegewebe ohne Unterbrechung kontinuierlich dem 
Abbau verfallen. Vor ihrem Schwunde jedoch bilden die Splitter mit einen Bestandteil des Callus, in 
welchem sie untereinander und mit dem alten Schaft durch das verschiedenste Material 
verbunden sind, so durch Bindegewebe, Knorpel, enchondralen und periostalen Knochen. 


* * 
* 


Das Osteoid ist im Callus nicht gerade sehr häufig anzutreffen. Es findet sich (Fig. 21, 3 h) fast 
nur im periostalen knöchernen Callus; aber selbst da tritt es an Menge gegenüber dem kalkhaltigen 
Anteil (Fig. 2%, 3 d) sehr stark in den Hintergrund. 

Vergleicht man den periostalen knöchernen Callüs mit dem enchondralen (Fig. 2:, 3 f), so findet 
man, daß das OÖsteoid in ersterem noch relativ sehr häufig, in letzterem jedoch selten anzutreffen ist, ja 
fast ganz fehlt. Es besteht in diesem Punkte eine auffallende Analogie zwischen dem enchondralen 
Callus und der primären Rippenspongiosa, die ja ebenfalls enchondraler Natur ist. Die Erklärung für 
dieses Verhalten ist die gleiche, wie sie gelegentlich der primären Spongiosa gegeben wurde. 

Die im Diagramm XXIV (Tafel X) zusammengestellten Maße sind fast ausschließlich am periostalen 
knöchernen Callus gewonnen. Wir sehen, daß unter normalen Umständen die Dicke des Osteoids zwischen 
3:6 und 6°9 u schwankt; die größte Zahl ist hier nicht ganz zweimal so groß als die kleinste. Im Einzelfall 
ist aber der Unterschied zwischen Durchschnitt, Maximum und Minimum ganz ansehnlich. 

Ein Vergleich zwischen der durchschnittlichen Osteoiddicke im Callus (Diagramm XXIV) und der 
Rippe (Diagramm X, Tafel IX) der gleichen, normalen Tiere ergibt, daß beide Diagramme einander sehrähn- 
lich sehen, wenn auch die Werte im Callusim allgemeinen etwas größer sind als in der Rippe. Vergleichen 
wir in jedem einzelnen Falle den durchschnittlichen Rippen- und Calluswert des Osteoids, so sehen wir, 
daß unter den acht Fällen sechsmal der letztere größer war als der erstere, und zwar um 0-4 bis 16, 
zweimal war der letztere kleiner als der erstere, und zwar um 0:3 bis 0'4 u. Wenn also in diesem Verhalten 
sich eine deutliche Neigung zu etwas größeren Werten im Callus bemerkbar macht, so sind doch beide 
Diagramme, selbst in Einzelheiten, einander sehr ähnlich. So steht z.B. in beiden der Fall 1 an erster 
Stelle mit einer Zalıl, die durch ihre Kleinheit aus der Reihe der übrigen fällt. 

Zwei einander entgegenstehende Momente sind für die Osteoiddicke im Callus bestimmend. Das 
gesteigerte Tempo der Knochenapposition, welches zur Vergrößerung der Osteoidbreite führen 


Rachitis und Epithelkörperchen. 565 


könnte; ferner das im Vergleich mit dem übrigen Skelett gesteigerte Bedürfnis nach möglichst rascher 


und vollständiger Verkalkung, welches eine Verringerung der Östeoidbreite nach sich führen müßte. 


Es ist bei 


den keineswegs groben Differenzen zwischen dem Verhalten des Osteoids in der Rippe und 


dem Callus nicht leicht, die Valenz beider Faktoren gegeneinander abzuwägen; doch scheinen sich beide 
ungefähr die Wage zu halten. 


2. Frakturheilung beı rachıtischen Tieren. 


A. Kasuistik. 


Fall 9. Die 15 Tage vor der Tötung angelegte Fraktur der rechten Fibula heilte per primam, aber die Bruchstelle war bei der 


Sektion noch ganz deutlich beweglich. 


Histologischer Befund. Der Knochen wurde 4 Tage in Müller entkalkt. 


a) 


b) 


c) 


4) 


Der alte Fibulaschaft hat in beiden Fragmenten eine offene Markhöhle. Die Fragmente sind seitlich verschoben 
und auch winkelig gestellt, die Fragmentenden nekrotisch, die Corticalis kompakt, gut verkalkt und sowohl von der 


Bruchfläche als auch im Frakturbereich von der Endost- und Periostfläche aus nur mäßig lacunär angenagt. 


Das Mark im Fibulaschaft ist rein zellig, darin die groß- und hellkernigen Zellen über die klein- und dunkel- 


kernigen überwiegend; die gut entwickelten Riesenzellen mäßig zahlreich. 


Die Markhöhle im Frakturbereiche enthält nur am äußersten Fragmentende Bindegewebe und in diesem liegt der 


ganz kümmerlich entwickelte 


endostale Callus, 


e) Der periostale Knorpelcallus ist ungemein stark entwickelt, bildet einen zwischen die Frakturenden ein- ‘ 


B2, 


g) 


geschobenen Polster, der sich über die alte Periostfläche derselben legt, stellenweise bis zum Periostüberzug des 
dicken, spindeligen Callus reicht und zum größten Teil vom periostalen, knöchernen Callus eingeschlossen wird. 

Das Knorpelgewebe hat bei schwacher Vergrößerung einen gut blauen Farbenton, die Zellen groß, blau, mit 
meist zackigem, kleinem, seltener großem, rundem, hellem Kern und die Grundsubstanz rotviolett und ganz gefäßlos. 

Fast die ganze Peripherie des Knorpels, aber doch in sehr verschiedener Breite, ist in folgender Weise verändeıt. 
Bei schwacher Vergrößerung erscheint der Knorpel rot und ist von einem schwarzblauen Netz durchzogen. Die Zellen 
haben ein hellblaues, locker wabiges Protoplasma, eine sehr gut ausgebildete rein rote, manchmal recht dicke Knorpel- 
kapsel, während die schmalen Räume zwischen den Kapseln aus der schwarzblau verkalkten Grundsubstanz 
bestehen: Das oben erwähnte schwarzblaue Netz. Die zackige Begrenzung des Verkalkungsgebietes zeigt, daß die 
Verkalkung in Form von Krümeln erfolgte. Es handelt sich nach alledem um eine breite präparatorische Verkalkungs- 
zone mit vergrößerten, aber nicht in Säulen stehenden Zellen in einer Entwicklung und Deutlichkeit der Verkalkung, 
wie sie in keinem der normalen Fälle zu sehen war. Aber auch allmählicher Übergang von verkalkendem Knorpel in 
verkalkten Knochen ist sehr oft zu sehen und dabei kommen wie gewöhnlich die Knorpelzellen in die Knochen- 
grundsubstanz zu liegen und die Kalkkörner ändern in dem Maße, als wir vom Knorpel- ins Knochengewebe über- 


gehen, ihre schwarzblaue Farbe in eine violette um. 


Enchondrale Ossifikation und enchondraler Callus. In der Zone der präparatorischen Knorpelverkalkung 
findet man recht oft, aber in weiten Abständen vasculär ausgehöhlte Räume, die nur ein Blutgefäß enthalten oder ein 
gefäßführendes Bindegewebe und nicht selten mit Osteoblasten ausgekleidet sind. Hier und da sieht man auch schon, 
wie die Osteoblasten den ersten Knochenanwurf erzeugen oder man findet gar schon vereinzelt an der Knorpelperipherie 
ein kurzes Bälkchen von enchondralem Callus mit zentralem Knorpeleinschluß, der sogar unverbrauchte Knorpelzellen 


einschließen kann. 


Der periostale knöcherne Callus ist gut ausgebildet und bedingt die Spindelform des ganzen Callus. Die 
Spongiosa ist dicht, mit wenigen Ausnahmen die Markräume schmäler als die Bälkchen und außer Gefäßen und Binde- 
gewebe nur mäßig entwickelte Osteoblasten enthaltend, seltener zelliges Mark. Die Knochenbälkchen haben stets ein 


ansehnliches, verkalktes Zentrum aus fast reifem Knochengewebe, einen nie fehlenden, pathologisch breiten Osteoidsaum 


566 
h) 
i) 
k) 
Fall 10. Es 


absichtlich schlecht adaptiert wurden. Der Wundverlauf war ungestört. Bei der Obduktion war die Frakturstelle beiderseits 


noch ganz beweglich, links mehr als rechts. 
Histologischer Befund. Das Material wurde 3 Tage in Müller entkalkt. 


I. Linke Fibula. 


a) 


b) 


c) Die Markhöhle im Frakturbereiche ist im oberen Fragment auf eine kurze, im unteren auf eine lange Strecke | 


a) 
e) 


D 
&) 


h) 


Dr. J. Erdheim, 


mit weniger Zellen und die Kalkgrenze ist feinkörnig, wenn auch oft pathologisch breit. Auf der Außenfläche der 
Fragmentenden findet sich etwas vom primitiven Callus mit großen, dicht stehenden, plumpen, oft breit verbundenen 


Knochenkörperchen in kaikhaltiger Grundsubstanz. 


Das Osteoid ist nach 38 Messungen im Durchschnitt 18°4 y. dick, 50 u maximal, 5 x minimal, 
Das Periost bietet keine Besonderheiten. 
Splitter sind in spärlichen Exemplaren im Periost nachweisbar und nur selten von mittelmäßigen Riesenzellen 
umgeben. 
* * 
* 


wurden dem Tier 15 Tage vor der Tötung beide Fibulae frakturiert, wobei rechterseits die Fragmente gut, linkerseits 


Der alte Fibulaschaft. Die Fragmente sind seitlich gegeneinander verschoben, haben beide eine durchgängige 
Markhöhle, die nekrotischen Fragmentenden stellenweise fast schon ganz lacunär abgetragen, Die Corticalis ist 
insbesondere im oberen Fragment in sehr hohem Grade porotisch und die sehr großen und zahlreichen, mit jungem, 
zellreichem Bindegewebe erfüllten Resorptionslücken sind im Frakturbereich zum Teil in regstem osteoklastischem 
Abbau begriffen, also mit sehr zahlreichen Osteoklasten versehen, meist aber schon wieder mit einer zum Teil osteoiden 


Knochenschicht ausgekleidet oder gar schon mit einer osteoiden Spongiosa erfüllt. 


Das Mark im Fibulaschaft ist zellig, mit mäßig vielen Fettzellen untermischt, die Riesenzellen sind gut erhalten 


und mäßig an Zahl, unter den Markzellen überwiegen wie gewöhnlich die hellkernigen über die dunkelkernigen. 


mit Bindegewebe ausgefüllt. 
Ein endostaler Callus fehlt vollständig. z 


Der periostale Knorpelcallus ist gering entwickelt und liegt eigentlich in Form zweier Stücke vor, die in für die 
seitliche Verschiebung der Fragmente sehr charakteristischer Weise situiert sind. Ein jeder von ihnen liegt in der 
Äquatorialebene der Außenfläche seines Fragmentendes, aber auf verschiedenen Seiten an, so zwar, daß es wie ein 
elastischer Polster zwischen dem periostalen Callus des unteren und die Bruchfläche des oberen Fragmentes, 
beziehungsweise zwischen dem periostalen Callus des oberen und die Bruchfläche des unteren Fragmentes eingeschoben 
ist, etwa in der Art, wie das die Fig. 8 zeigt. Die Knorpelzellen sind groß, rund, blau, in einer eine Mitose, die 
Knorpelkapseln schmal, aber zum Teil schwarzbiau verkalkt. Am Knorpelrand besteht oft ein allmählicher Übergang zu 


Bindegewebe und Knochen. 
Enchondrale Ossifikation und enchondraler Callus fehlen ganz. 


Der periostale knöcherne Callus istim ganzen gering an Menge, aber doch ungleichmäßig verteilt, und zwar in 
der Art, wie das für die seitliche Verschiebung der Fragmente typisch ist. Auf der Seite, auf welcher das obere, 
beziehungsweise untere Fragment den Knorpelcallüs liegen hat, ist auch der periostale knöcherne Callus stärker, 
auf der anderen aber sehr gering. So stützt sich, ähnlich wie in Fig. 6, das untere Fragment auf den stärker entwickelten 
periostalen Callus des oberen und umgekehrt, nur daß noch zwischen den Schaft und den Callus ein knorpeliger 
Polster eingeschoben ist. Im übrigen ist die Spongiosa dicht gebaut, ganz ungegliedert, die Markräume stets viel 
schmäler als die Balken und mit Bindegewebe und gut ausgebildeten Osteoblasten erfüllt. Die Knochenbälkchen mit | 
wenigen Ausnahmen im Zentrum, wenn auch qualitativ schlecht, verkalkt, blaßblau, mit großen, zahlreichen, dicht- 


stehenden, kommunizierenden Knochenkörperchen, am Rande stets mit pathologisch breitem Osteoidsaum versehen, der 


weniger Zellen enthält ‚und stets von reifem Bau ist. Die Kalkgrenze, meist breit, mit mittelgroßen Kalkkörnern. Eine 
knöcherne Vereinigung der Fragmente ist nur selten zu sehen, meist wird die Verbindung durch den Knorpelcallus 


vermittelt oder einen zwischen die Fragmente interponierten, vom Periost stammenden fibrösen Callus. 


Osteoid: 35 Messungen, 248 u Durchschnitt, 48 u Maximum, 8 j. Minimum. 


Rachitis und Epithelkörperchen. 567 


i) Das Periost zeigt außer der Entwicklung des erwähnten fibrösen Callus keinerlei Besonderheiten. 


k) Splitter. Im Periost lagen einige größere, in junges, zellreiches Bindegewebe eingeschlossene und von mittelgroßen 


II. Rechte 


Riesenzellen umlagerte Splitter; selten war ein kleiner in ein periostales Knochenbälkchen eingeschlossen. 


Fibula. Es sollen hier nur jene Punkte erwähnt werden, in denen sich dieser Callus vom linksseitigen unterscheidet. 


Die Fragmente stehen in korrekter Stellung. Dem unteren fehlt nahe der Frakturstelle die Markhöhle. Die Porose der Corticalis ist 


in beiden Fragmenten gleich hochgradig. Die nekrotischen Frakturenden sind durch lacunären Abbau zum Teil vom übrigen 


Schaft abgetrennt und liegen in verschobener Stellung. Die Markhöhle im Frakturbereich ist beiderseits zu einem großen 


Resorptionsraum erweitert, der mit einem jungen, zellreichen Bindegewebe erfüllt ist. Darin viele Mitosen. In diesem Binde- 


gewebe einige osteoide, enostale Callusbälkchen, die sich aus verdichteten Bindegewebsherden herausdifferenzieren. Der 


Knorpelcallus ist sehr gering entwickelt, in Form je eines kleinen, im periostalen knöchernen Callus eingeschlossenen Gewebs- 


stückchen. Der periostale knöcherne Callus ist reichlich entwickelt und gleichmäßig verteilt. Die Verbindung der Fragmente ist 


fast ausschließlich fibrös, selten durch einige Callusbälkchen gegeben. Die Knochensplitter sind von massenhaften Riesenzellen 


umgeben. Das Osteoid beträgt nach 45 Messungen 23 u im Durchschnitt, 32 p. maximal, 8 u. minimal. 


Fall 11. Dem Tier wurde 15 Tage vor der Tötung die rechte Fibula gebrochen. Der Wundverlauf blieb ungestört, Bei der Sektion 


war die Bruchstelle noch ganz beweglich und kaum durch einen schwachen, weichen Callus zusammengehalten. 


Histologischer Befund. Der Knochen wurde 5 Tage in Müller entkalkt. 


a) 


b) 


c) 
A) 


Der alte Fibulaschaft hat in beiden Fragmenten eine Markhöhle. Die nekrotischen Fragmentenden sind schon so 
stark lacunär abgenagt, daß sie auf 1200 p. Entfernung voneinander stehen. Außer an der Frakturfläche finden sich auch 
an der Periostfläche im Frakturbereiche lacunäre Resorptionshöhlen, zum Teil noch mit Osteoklasten, zum Teil schon 
mit schönem Osteoblastensaum oder sogar schon neuem Knochenbelag. Das Knochengewebe des alten Schaftes ist 


von reifer Struktur, der Hauptsache nach verkalkt, aber auf der Endostfläche ist oft ein dicker Osteoidbelag zu sehen. 


Die Markhöhle des Fibulaschaftes enthält ausschließlich zelliges Mark, worin Zellen mit großen, hellen, 
gelappten, gelochten oder einfachen Kernen überwiegen, solche mit kleinem, dunklem Kern auch nicht fehlen, während 


die Riesenzellen ungleichmäßig verteilt, normal ausgebildet und mäßig zahlreich sind. 
Die Markhöhle im Frakturbereich enthält junges Bindegewebe. 


Ein endostaler knöcherner Callus ist vorhanden, aber geringfügig, seine spärlichen Bälkchen im Zentrum 


recht gut verkalkt und an der Peripherie von voll entwickelten Osteoblasten umlagert. 


e) Der periostale Knorpelcallus ist äußerst dürftig entwickelt, bildet überhaupt keinen kontinuierlichen Komplex, 


» 


D) 


sondern liegt bloß in einzelnen, ganz kleinen Inseln vor, die die ausgesprochene Neigung haben, an der Peripherie der 
Äquatorialebene und enge der Außenfläche der Fragmentenden anzuliegen. Die allermeisten Schnitte der Serie enthalten 
überhaupt gar keinen Knorpel. Die Knorpelzellen sind groß, rund, blau, nicht viele in einer Insel. Verkalkung der 
Grundsubstanz ist an vereinzelten Stellen zu sehen, und zwar in Form eines interzellulären, dunkelvioletten Netzes, 
das aus Kalkkrümeln aufgebaut ist und darum zackige Konturen besitzt. Kontinuierlicher Übergang von Knorpel zu 
kalkhaltigem Knochen oder Bindegewebe findet sich am Knorpelrande oft. Vasculären Abbau sah man nur an einer 


Stelle, wo nur 3 bis 4 Zellkapseln aufgebrochen waren. Da also die 


enchondrale Ossifikation nurin den ersten Anfängen vorliegt, gibt es einen enchondralen Callus überhaupt 
noch nicht. 


Der periostale knöcherne Callus bildet um jedes der beiden Fragmentenden eine schmale, gegen die Äquatorial- 


ebene der Fraktur an Dicke zunehmende Umhüllung, die mit der der anderen Seite weder direkt knöchern, noch indirekt 


"vermittels des Knorpelcallus vereinigt ist. Das einzige verbindende Gewebe ist "eine mächtige fibröse Masse, ein 


fibröser Callus, der also die vollständige Beweglichkeit der Bruchstelle erklärt. 
Der fibröse Callus, vom Periost gebildet, enthält einige nekrotische Knochensplitter und ist sehr reich an 
großen, spindeligen, hellen, oft in Mitose befindlichen Bindegewebszellen, aber arm an Gefäßen. Nach der Faserrichtung 


zu urteilen, ist jedes Fragmentende für sich in Bindegewebe eingehüllt, aber Fasern ziehen auch von einem Fragment 


zum anderen hinüber. 


968 


h) 


k) 


Dr. J. Erdheim, 


Der knöcherne Callus besteht aus einer dichten Spongiosa, deren Bälkchen immer, oft bedeutend dicker sind als 
die Markräume. Diese enthalten Bindegewebe, nicht weite Gefäße und den Bälkchen anliegende, gut entwickelte 
Osteoblasten. Das Knochengewebe ist im Zentrum der Bälkchen reich an dichtstehenden, großen, plumpen Zellen, stets 
verkalkt, aber diese Verkalkung ist gering, darum das Blau stets lichter als im alten Fibulaschaft, oft sogar ganz licht. 
In der Peripherie der Bälkchen sind die Zellen spärlicher und schlanker, aber das Gewebe doch noch nicht ganz 
reif, ganz kalklos, mit sehr breiter aber feinkrümeliger Übergangszone. Der Kalkgehalt des periostalen Callus ist 
überall gleich. Nur direkt an der schon stark abgetragenen unteren Bruchfläche des alten Schaftes sieht man eine 
Gruppe ganz schmaler, aus reifem Knochengewebe bestehender, ganz kalkloser Bälkchen, die als viel jünger 
aufzufassen sind als der ganze übrige Callus, denn sie sind erst dann entstanden, als das Fragmentende, das früher 
an derselben Stelle lag, abgebaut worden war. 

Bemerkenswert war noch folgendes Bild. An einer einzigen Stelle hat der alte Fibulaschaft eine alte, schon 
vor der Fraktur dagewesene dicke, periostale osteoide Auflagerung und das eben aufgeschossene Balkenwerk des 
periostalen Callus ist darum jener direkt aufgelagert. Während aber diese präexistente, dicke Osteoidmasse noch immer 
ganz kalklos ist, ist das Zentrum der jungen Callusbälkchen bis an diese alte Osteoidmasse heran verkalkt, diese selbst 
aber nicht, wiewohl sie dicker und älter ist. Ein solches Verhalten läßt sich einfach aus der bestehenden Kalkstoff- 
wechsel-Anomalie allein nicht erklären. Es müssen außer dieser auch noch rein lokale, unserem Verständnis 


unzugängliche Bedingungen für die Kalkablagerung maßgebend sein. 


Das Osteoid wurde nur am periostalen Callus gemessen, wo es an keinem Bälkchen fehlt und so häufig ist, daß alle 
27 Messungen an einem Teil eines halben Callus ausgeführt werden konnten. 27 Messungen, 16°3 px Durchschnitt, 


45 u. Maximum, 5 u Minimum. 


Das Periost ist in der Äquatorialebene des Bruches zu jener oben beschriebenen, mächtigen, fibrösen Callusmasse 


gewuchert; im übrigen ohne besonderen Befund. 


Splitter gibt es nur im fibrösen Callus. Sie sind meist staubförmig klein. Ein größerer hat folgende Entstehungsart. 
Er stellt eines der beiden Bruchenden dar, welches durch weitgehende lacunäre Resorption vom übrigen Fibulaschaft 
fast ganz abgetrennt wurde, während die noch stehengebliebene schmale Knochenbrücke im Verlauf der Frakturheilung 


spontan abgebrochen ist. So kippte das Stück erst um und wurde etwas disloziert. 


Fall 12. Die Fibulafraktur wurde 15 Tage vor der Tötung des Tieres angelegt und die Operationswunde ist per primam geheilt. Bei 


der Obduktion war der Callus elastisch und nicht mehr viel beweglich. 


Histologischer Befund (Fig. 4 und 5). Der Knochen wurde 8 Tage in Müller entkalkt. 


a) 


b) 


c) 


Der alte Fibulaschaft besitzt in beiden Fragmenten eine offene Markhöhle (Fig. 5 z2M). Nur das obere Fragment- 
ende ist nekrotisch, das untere nicht. Letzteres kann nur darin seinen Grund haben, daß das nekrotisch gewesene 
Fragmentende inzwischen abgebaut worden ist. Für diese Anschauung spricht erstens der Umstand, daß, wie wir sofort 
hören werden, die Fibulacorticalis dieses Falles porotisch war und daher rasch abgebaut werden konnte, zweitens der 
Umstand, daß beide Fragmentenden, die nach der Frakturierung in Kontakt standen, jetzt in einem ungewöhnlich 
großen, in manchen Schnitten 1 mm betragenden Abstand voneinander entfernt sind (siehe Fig. 5). Die Fibulacorticalis 
ist nicht nur von der Bruchfläche her (Fig. 5a), sondern auch im (D, d) und außerhalb des Callusbereiches (ec) in so 
ausgiebiger Weise lacunär zernagt, daß sie auf lange Strecken wie ausgehöhlt aussieht (b). Diese lacunären Resorptions- 
räume dringen von der peri- (c) und endostalen (d) Fläche vor, sind mit jungem Bindegewebe erfüllt und weisen 
namentlich im Frakturbereich Osteoklasten, aber auch schon wieder Osteoblasten auf, die sogar einen neuen Osteoid- 
saum angebaut haben. Von diesem abgesehen, ist die Fibulacorticalis durchwegs gut verkalkt und sogar an der 
Periostfläche frei von Osteoid. Die geschilderte Porose ist zweifellos nicht Effekt der Fraktur, sondern ein schon vor 


der Fraktur präexistenter Zustand, als Folge langdauernder Rachitis. 


Das Mark im Fibulaschaft (Fig. 52_M) ist ausschließlich zellig; es überwiegen die Zellen mit den großen hellen 


Kernen, kleine dunkle Kerne sind auch vorhanden, die Riesenzellen mäßig zahlreich, gut erhalten. 


Die Markhöhle im Frakturbereich enthält auf eine kurze Strecke fibröses Mark (Fig. 5 e). 


Rachitis und Epithelkörperchen. 0869 


d) Der enostale knöcherne Callus liegt nur in mäßiger Entwicklung vor (Fig. 5 f), ist mäßig gut verkalkt und steht 
mit dem periostalen Callus in Verbindung. 

e) Der periostale Knorpelcallus findet sich auf medianen Längsschnitten durch die Frakturstelle nur an der Callus- 
peripherie, beiderseits in ganz bescheidenem Umfange (Fig. 5X C) und als Bindeglied zwischen dem dies- und jen- 
seitigen periostalen knöchernen Callus. An tangentialen Schnitten durch den Callus, zu Anfang und Ende der Schnitt- 
serie, sieht man aber, daß der Knorpel nicht ein feiner, um den Callus geschlungener Ring ist, sondern daß er als 
Bindeglied zwischen dem dies- und jenseitigen spongiösen Knochencallus (Fig. 4pkC) eingeschaltet, selbst eine 
balkige Struktur angenommen hat (Fig. 4k—K, k + K). Das Knorpelgewebe (Fig. 4) ist voll ausgebildet, die Zellen 
rund, blau und die Zwischensubstanz bald kalklos (Fig. 4k — K) bald in klarster Weise verkalkt (Fig. 4k + K) und 
zwar in Form schmaler, dunkel blauvioletter Streifchen, die, weil aus Kalkkrümeln aufgebaut, oft zackig konturiert 
sind und bald vollständige Netze zwischen den Zellen (Fig. 4% + K) bilden, bald bruchstückweise um die Knorpel- 
zellen gelegt sind (Fig. 4 a). 

In klarster Weise sieht man den allmählichen Übergang des Knorpelgewebes zu Bindegewebe einerseits, zu 
kalkhaltigem Knochengewebe und OÖsteoid anderseits, aber von vasculärem Knorpelabbau oder gar enchondraler Ossi- 
fikation sieht man nichts, darum ist von 

J) enchondralem Callus auch nichts zu sehen. 

g) Der periostale knöcherne Callus (Fig. 5% C) ist gut entwickelt, besteht aus zarten Spongiosabälkchen, die 
durchschnittlich so breit sind wie die Markräume. Der Bau des Knochengewebes ist nicht ganz reif, die Zellen sind 
etwas zahlreicher, groß und plump. Wo der Callus dem alten Schaft aufliegt (Fig. 5% C) und wo er sich subperiostal 
von der einen zur anderen Seite hinüberschwingt (Fig. 5 g) ist er im Zentrum der Bälkchen recht gut verkalkt, aber die 
Bälkchen doch ausnahmslos auch mit deutlich, aber nicht sehr erheblich verbreiterten Osteoidsäumen bedeckt (Fig. 5 O, 
Fig. 4 O). Ein das verkalkte Bälkchenzentrum bloßlegender Osteoklast ist nur selten zu finden. Die Markräume sind 
ausnahmslos mit jungem, an großen hellen ovalen Zellen reichem Bindegewebe erfüllt (Fig. 4, 5%), das nicht besonders 
vascularisiert ist. 

Auffallend anders in bezug auf den Kalkgehalt verhält sich die den Raum zwischen beiden Fragmenten aus- 
füllende Callusmasse. Hier sind die Bälkchen (Fig. 5) so gut wie kalklos, nur ausnahmsweise mit beginnender, ganz 
lockerer Verkalkung in Form von Kalkkrümeln, die in der Faserrichtung der Grundsubstanz angeordnet sind. Dabei 
sind hier die Bälkchen durchschnittlich schmäler und mit zahlreichen schönen Osteoblasten besetzt. Diese Partie 
dürfte so aufzufassen sein, daß hier der Callus viel jünger ist als der dem alten Schaft aufgelagerte, denn erst mußten 
die nekrotischen Fragmentenden abgebaut werden und dann erst konnte hier die Callusbildung Platz greifen, während 
sie über dem alten Schaft vom ersten Tage der Fraktur andauert. Auch dürften rein mechanische Gründe dafür maß- 
gebend gewesen sein, daß die wie eine Schale die Fragmente einhüllende und hauptsächlich tragende subperiostale 
Calluspartie schneller und besser verkalkt. 

Partien vom primitiven Callus mit zahlreichen großen plumpen Zellen und mehr blauer Grundsubstanz findet 
man an typischer Stelle hart am Periost der Fragmentenden, aber nur in geringer Menge. 

h) Osteoid. Die auffallendste Eigenschaft des Osteoids ist hier, daß es an der Oberfläche aller Bälkchen vorkommt, also 
ungemein häufig ist. So konnten alle 32 Maße (siehe unten) in einem Schnitt bloß an einem Viertel des Callus 
gewonnen werden und die Zahl hätte noch viel größer sein können. Die Breite der Osteoidsäume ist aber doch nur 
mäßig, nämlich etwa ums doppelte vermehrt. 32 Messungen, 14°7 u Durchschnitt, 30 u Maximum, 5 u Minimum. 

i) Das Periost ohne Besonderheiten. 

k) Splitter. Es fand sich nur ein nekrotischer Knochensplitter, und zwar im Periost, von massenhaften jungen Binde- 


gewebszellen, aber keinen Fremdkörperriesenzellen umgeben. 


Fall 13. Dem Tier wurde 15 Tage vor der Tötung die rechte Fibula gebrochen; der Wundverlauf blieb ungestört; bei der 
Sektion war die Bruchstelle nur noch wenig beweglich. 
Histologischer Befund. Der Knochen wurde 7 Tage in Müller entkalkt. 
a) Der alte Fibulaschaft hat in beiden Fragmenten, die ganz leicht winkelig zueinander stehen, eine offene Markhöhle. 
Sein Kalkgehalt ist recht gut, Osteoidsäume finden sich nur auf der Endostfläche und in den vielen engen 
Gefäßkanälen. Resorptionslücken sind nur in geringer Anzahl vorhanden. Die Bruchenden sind nekrotisch, oft tief 


lacunär angenagt und stehen auf 800 u. auseinander. 


Dr. J. Erdheim, 


b) Das Mark im Fibulaschaft ist rein zellig. Es überwiegen die Zellen mit den großen hellen Kernen und oft eosinophil 


granuliertem Protoplasma; solche mit kleinem, dunklem Kern sind auch nicht selten; die Riesenzellen mäßig zahlreich, 


von guter Entwicklung. 


c) Die Markhöhle im Frakturbereiche ist mit einem jungen, an großen, hellen, ovalen Zellen reichen, mäßig vas- 


ceularisierten Bindegewebe erfüllt. 


d) Der enostale knöcherne Callus ist im unteren Fragmente reichlich entwickelt. Er reicht in den unten zu 


erwähnenden fibrösen Callus hinein, der aus zum Teil ganz kalklosen, zum Teil im Zentrum verkalkten, zuweilen mit 


schönen Osteoblasten umsäumten Bälkchen besteht. 


e) Der periostale Knorpelcallus ist hier gut entwickelt, fehlt in keinem Schnitt und erinnert einigermaßen an die 


normalen Fälle. Er liegt in der Peripherie der Äquatorialebene, spannt sich vielfach vom periostalen knöchernen Callus 
der einen Seite zu dem der anderen hinüber und wird von ihm überlagert, so daß er nirgends am Periost frei zutage 
liest. Am Rande geht das Knorpelgewebe stellenweise langsam in Knochen- oder Bindegewebe über und besteht aus 
großen, runden, dunkelblauen Zellen, während die Grundsubstanz, zum Teil wenigstens, verkalkt ist, und zwar in der 
für Rachitis typischen Art in Form dunkel schmutzig violetter, zwischen den Zellen liegender Kalkkörner, die zu einem 


interzellulären, feinen Netz von krümeliger Randbegrenzung konfluieren. 


P) Enchondrale Ossifikation und enchondraler Callus. Am Knorpelcallus spielt sich eine rege enchondrale 


Ossifikation ab, und zwar mit Ausnahme der zur Knochenaxe zugekehrten Seite an seiner ganzen Oberfläche. Diese ist 
darum globulär ausgefressen und in den aufgebrochenen Buchten liegt Bindegewebe mit Gefäßen, die zum Teil keine 
Endothelwand besitzen und in neue Kapseln einbrechen. Diesem vasculären Knorpelabbau folgt ein osteoblastischer 
Anbau von meist kalklosem Knochen, der die Kapselhöhlen erfüllt und sich so globulär gegen den Knorpel abgrenzt. 
Es resultiert daraus ein enchondraler Callus, der dem Knorpel anliegt, ihn umgibt, stellenweise bis ans Periost selbst 
heranreicht und sich sogar über die Fragmentenden stülpt. Da aber der enchondrale Callus nur da vorkommen kann, 
wo früher Knorpel lag, so kann man erst aus der Verbreitung des enchondralen Callus ersehen, wie groß die Aus- 
dehnung des Knorpelcallus ehedem gewesen sein muß. Der enchondrale Callus ist spongiös gebaut, die Markräume 
enthalten junges Bindegewebe und die Bälkchen bestehen im Zentrum aus dem Knorpeleinschluß mit groben, kon- 
fluierenden Kalkkrümeln, am Rand aus einer dünnen Lage Osteoid. 

Außer der auf enchondralem Wege erfolgten Überführung von Knorpel in Knochen gibt es, wie schon erwähnt, 
auch einen kontinuierlichen Übergang von Knorpel in meist kalkhaltigen Knochen. Hiebei geschieht es, wie immer 
daß Knorpelzellen in Knochengrundsubstanz zu liegen kommen, und bei diesem Wechsel der Grundsubstanz ändert 
sich auch die Farbe der Kalkkrümel, die in der Knorpelgrundsubstanz schwarzblau, in der Knochengrundsubstanz 


rotviolett sind. 


£) Der periostale knöcherne Callus macht die Hauptmasse des ganzen Callus aus und bildet wie gewöhnlich eine 


spindelige, nach beiden Seiten abklingende Einhüllung der Fragmentenden. Die Vereinigung der beiderseitigen Callus- 
teile geschieht durch Vermittlung des enchondralen und Knorpelcallus, manchmal aber über die letzteren hinweg 
vermittels einer Brücke aus periostalem knöchernen Callus, während im axialen Teil des Callus, zwischen den 
Frakturenden des alten Schaftes, eine erhebliche Masse jungen, fibrösen Callus die Verbindung herstellt. Der 
knöcherne Callus ist eine Spongiosa von bald mittlerer Dichtigkeit, bald dichter, bald lockerer, das heißt die Mark- 
räume, welche fibröses, selten zelliges Mark führen, sind bald ebenso breit als die Bälkchen, bald schmäler, bald 
breiter. Im Zentrum ist das Bälkchen zumeist verkalkt und das Knochengewebe von unreifer Struktur, das heißt die 
Zellen groß, plump, zahlreich und so dicht liegend, daß die Zellhöhlen in weiter Kommunikation miteinander stehen 
und die Grundsubstanz recht lückenreich aussehen kann. In der Peripherie ist das Bälkchen stets kalklos, das Osteoid 
beträgt 1/, bis 1/, der ganzen Bälkchendicke, ist von reifer Struktur, seine Zellen spärlich, klein, spindelig, parallel 
orientiert. Die Kalkgrenze ist bald eine breite, aber feinkörnige Übergangszone, bald eine scharfe Kittlinie. Osteoblasten- 
säume sind nicht überall vorhanden. Osteoklasten sind selten und ebenso lacunäre Bloßlegung des kalkhaltigen 


Bälkchenzentrums. 


h) Das Osteoid ist nach 36 Messungen 21 u im Durchschnitt dick, 40 ı maximal, 7°5 p minimal. 
i) Das Periost, in der Äquatorialebene dicker, sonst frei von Veränderungen. 


k) Splitter waren nur in kleinen Exemplaren im fibrösen Callus zu finden und waren nicht von Riesenzellen umlagert. 


* * 
* 


Fall 14. 15 Tage vor der Tötung wurden dem Tiere beide Fibulae frakturiert, dabei die Fragmente rechterseits gut und linkerseits 


absichtlich schlecht adaptiert. Bei der Obduktion waren beide Fibulae .an der Frakturstelle noch ganz beweglich. 


BEN 


einer ee 


Rachitis und Epithelkörperchen. ya! 


- . Histologischer Befund. Das Material wurde 3 Tage in Müller entkalkt. 
I. Rechte Fibula. 

a) Der alte Fibulaschaft hat nur im oberen Fragment eine offene, aber schmale Markhöhle, im unteren nicht. Die 
Fragmente sind stark auf die Seite verschoben und stehen winkelig, ihre Corticalis enthält sehr zahlreiche und sehr 
große Resorptionsräume und ist also hochgradig porotisch. Die Wände der Resorptionsräume sind meist in fort- 
schreitendem Abbau begriffen und mit Osteoklasten belegt, selten mit Osteoblasten und einem Osteoidsaum ausgekleidet, 
stets mit Bindegewebe erfüllt. An den nekrotischen Fragmentenden ist der osteoklastische Abbau so weit gediehen, 
daß die Corticalis nadelspitz zuläuft und die Enden schon weit auseinanderstehen. 

b) Das Mark im oberen Fibulaschaft ist rein zellig, mit Überwiegen der großen hellen über die kleinen dunklen 
Kerne und sehr spärlichen Riesenzellen. 

c) Von einem Mark im Frakturbereiche kann man nicht reden, denn mit der Resorption des Frakturendes hat auch 
die Markhöhle daselbst zu existieren aufgehört. 

d) Ein enostaler Callus fehlt aus dem gleichen Grunde. 

e) Der periostale Knorpelcallus liegt in vereinzelten kleinen Inseln vor, die die Außenfläche der Fragmentenden 
und die Äquatorialebene bevorzugen, in den knöchernen Callus eingebettet liegen und große runde blaue Zellen mit 
hellem. rundem Kern, dunkelblauer Kapsel und roter Grundsubstanz besitzen, in der selten scharf begrenzte Kalk- 
krümmel zwischen den Zellen vorkommen. 

A) Enchondrale Ossifikation und damit auch der enchondrale Callus fehlen vollständig. 

g) Der periostale knöcherne Callus muß als ungewöhnlich reichlich bezeichnet werden, denn er bildet nicht nur 
eine ganz ansehnliche Hülle um die Fragmentenden, sondern füllt auch den durch die weitgehende Resorption deı 
letzteren entstehenden Zwischenraum zwischen beiden Fragmenten lückenlos aus und überdies beiderseits einen 
großen Raum, der von der Bruchfläche aus tief ins Innere des Schaftes eingefressen wurde und sozusagen eine stark 
erweiterte Markhöhle ist. Es ist also die Verbindung beider Fragmente durchaus und rein knöchern, da aber dieses 
Knochengewebe der Hauptsache nach kalklos ist, so ist es leicht zu verstehen, warum die Bruchstelle bei der Obduktion 
noch ganz beweglich war. Die Beschaffenheit des Callus ist da, wo er die Fragmentenden einhüllt, anders als da, wo 

_ er den Raum zwischen ihnen ausfüllt. An ersterer Stelle ist der Callus ungemein dicht gebaut, die Markräume auf enge 
Gefäßkanäle reduziert, in denen außer dem Gefäß nur noch etwas Bindegewebe und niedere Osteoblasten Platz haben; 
die Balken sind sehr breit und bestehen im allgemeinen aus reifem, nur im Zentrum der dickeren Balken aus kern- 
reichem, unreifem Knochengewebe. An letzterer Stelle sind die Balken schmal und von prächtigen Osteoblasten 
umlagert, die Markräume viel breiter als die Balken und mit Bindegewebe erfüllt. Dieses Callusgewebe ist augen- 
scheinlich viel jünger als das erstere und zwar deshalb, weil es erst zur Bildung gelangen konnte, als die Fragment- 
enden, die früher da lagen, abgetragen worden waren, worüber natürlich einige Zeit vergeht. Im Knochengewebe 
dieser Bälkchen findet man viele geschrumpfte rote Blutkörperchen eingeschlossen, die noch nicht weggeräumt waren 
als das Knochengewebe schon sich zu bilden begann. 

Die Verkalkung des Callus muß in jeder Hinsicht als unvollkommen bezeichnet werden, denn es ist nur ein 
sehr geringer Teil des ganzen Callus kalkhaltig und dann ist dieser Kalkgehalt äußerst gering, die Farbe der Bälkchen- 
zentra blaßblau, die Kalkgrenze zwar feinkörnig, aber breit und im verkalkten Bälkchenzentrum die Grundsubstanz 
durch die großen und dicht liegenden Knochenkörperchen lückenreich. Sehr interessant ist ferner die Verteilung der 
kalkhaltigen Gebiete im Callus. Es besteht die offenkundige Tendenz, mitten durch die kalklose Callusmasse eine 
verkalkte Brücke zu schlagen, die sich beiderseits auf die Oberfläche des alten, verkalkten Schaftes stützt, die 
Peripherie des Callus bevorzugt und in ihre Kontinuität die Stücke des Knorpelcallus aufnimmt. Was im Callus außer 
dem Bereiche dieser Brücke liegt, ist vorläufig frei selbst von den Anfängen der Kalkablagerung. So sehen wir nun, 
wie die erste Kalkablagerung im Callus nicht allein vom Kalkstoffwechscl abhängt, sondern außerdem auch noch 
durch rein lokale statisch mechanische Momente beeinflußt wird, sonst müßten alle gleich alten und gleich dicken 
Bälkchen im Kalkgehalt übereinstimmen und das ist absolut nicht der Fall. 

h) Das Osteoid wurde gemessen 1. an den ganz kalklosen Balken, und die Zahl halbiert, 2. an den Osteoidsäumen, 


beides nur am Callus. 


1. 34 Messungen, 47 y. Durchschnitt, 120 x. Maximum, 24 u Minimum 
22,20 » 26°7 1 » 64 1. » 16 u » 


Zu diesen Zahlen sei nur vorläufig soviel bemerkt, daß in diesem wie in anderen Fällen die ersteren Zahlen 


wider Erwarten größer sind als die letzteren. Nur der Umstand, daß die ersteren Zahlen eben an Stellen gewonnen 
Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC. Bd. 78 


or 
I 
ID 


Dr. J. Erdheim, 


sind, wo kein mechanisches Bedürfnis nach sofortiger Verkalkung besteht, erklärt es, daß hier die Zahlen größer 
anwuchsen als im Bereiche der erwähnten kalkhaltigen Brücke, in dem die letzteren Zahlen gewonnen wurden. 

i) Das Periost ohne Besonderheiten. 

k) Splitter fanden sich hie und da reaktionslos in den osteoiden Callus eingeschlossen oder im Periost in junges Binde- 
gewebe eingekapselt. 

II. Linke Fibula. Hier soll nur von jenen Punkten die Rede sein, in denen ein Unterschied gegen rechts 
besteht. Nur das obere Fragment des alten Fibulaschaftes hat eine Markhöhle, die aber nicht bis zur Frakturstelle 
reicht. Die Fragmente sind tadellos adaptiert. Der Abbau der nekrotischen Fragmentenden noch gering. Die großen 
und zahlreichen Resorptionsräume der Compacta sind zum größten Teil schon mit Osteoblasten und Osteoid aus- 
gekleidet, OsteokJasten sind selten. Der Inhalt der Resorptionsräume ist ein Bindegewebe, in dem basophil granulierte 
Zellen vorkommen. — Das Knochenmark in der großen Markhöhle des oberen Fragmentes ist zelliges und Fettmark zu 
gleichen Teilen. — Da es im Frakturbereiche überhaupt keine Markhöhle gibt, gibt es auch keinen enostalen Callus. — 
Nur an einer Stelle sieht man geringen vasculären Abbau des Knorpelcallus. Von enchondralem Callus ist aber noch 
keine Rede. — Der periostale knöcherne Callus ist an Menge geringer als rechts und bewirkt noch keine knöcherne 
Vereinigung der Fragmente. Diese wird ausschließlich durch einen fibrösen Callus bewerkstelligt. — Es fand sich nur 
ein nekrotischer, lacunär begrenzter Knochensplitter im fibrösen Callus. 

Das Osteoid wurde auch hier 1. an den rein osteoiden Bälkchen gemessen und die Zahlen halbiert, 2. an den 
Osteoidsäumen. 

1. 28 Messungen, 37°7 u Durchschnitt, 72. Maximum, 8 1 Minimum, 
2. 33 » 2184 > 32 u » 8u > 


* * 
* 


l’all 15. Dem Tier wurde 15 Tage vor der Tötung die rechte Fibula frakturiert. Der Wundverlauf war glatt. Bei der Sektion war die 
Bruchstelle in auffallender Weise noch vollständig beweglich. 
Histologischer Befund. Das Material wurde 4 Tage in Müller entkalkt. 

a) Der alte Fibulaschaft hat in beiden Fragmenten eine offene Markhöhle und die Compacta ist nicht nur im Callus- 
bereiche, sondern auch sehr weit davon weg von einer so großen Zahl mächtiger Resorptionsräume durchsetzt, daß 
die ehemalige Compacta auf eine oft sehr zartbalkige Spongiosa und die Menge der Knochensubstanz arg reduziert ist. 
Die Resorptionsräume sind entweder von der peri- oder von der endostalen Fläche her in den Knochen eingegraben, 
höhlen ihn oft auf eine sehr lange Strecke aus und sind alle mit jungem, an großen, hellen Zellen reichem Binde- 
gewebe erfüllt, das, wo es an die große Markhöhle grenzt, ebenso linear scharf gegen das zellige Mark g abegrenzt ist, 
wie der Knochen selbst. Die Begrenzungslinie der Resorptionshöhlen ist entweder lacunär und dann manchmal von 
vielen Osteoklasten besetzt, oft aber hat sich schon wieder ein Osteoblastensaum eingestellt, der bereits eine neue 
Knochenschicht mit ansehnlichem Osteoidsaum apponiert hat. Osteoid findet sich außerdem auch noch auf der Endost- 
fläche des Schaftes. Beide Fragmente stehen ohne jegliche Verschiebung zueinander, die Fragmentenden zeigen nur 
in sehr geringem Umfange Nekrose, was wohl daher kommt, daß die nekrotischen Enden schon stark abgebaut sind. 
Sie sind 700 p. voneinander entfernt. 

Was die auffallende Porose der Fibulacompacta betrifft, so unterliegt es keinem Zweifel, daß sie älter ist, als 
die Fraktur, doch kann sie im Verlaufe der Frakturheilung eine Steigerung erfahren haben. 

b) Das Markim Fibulaschaft ist im oberen Fragmente zellig, mit spärlich untermischten Fettzellen. Unter den Mark- 
zellen prävalieren die mit dem großen Kern; solche mit kleinen Kernen sind spärlicher, die Riesenzellen mäßig an 
Zahl. Im unteren Fragmente ist das Mark oben zellig, unten reines Fettmark, reichlich mit basophil granulierten Zellen 
untermischt. 

ce) Die Markhöhle im Frakturbereiche ist beiderseits von fibrösem Bindegewebe erfüllt. 

d) Ein enostaler knöcherner Callus findet sich nur im unteren Fragmente, ist spärlich, rein osteoid und steht mit 
dem periostalen Callus in Verbindung. 

e) Der periostale Knorpelcallus ist zwar nicht so mächtig entwickelt, wie in normalen Fällen, aber immerhin mäßig. 
Es gibt nur wenige Schnitte, wo er fehlt. Er liegt in der Äquatorialebene, wo er an der äußersten Peripherie des ganzen 
Callus ein regelloses Netzwerk bildet. An manchen Orten stellt er zwischen den knöchernen Callus beider Fragmenten 
die Verbindung her, wobei das Knorpel- allmählich in Knochengewebe übergeht. An anderen Stellen spannt sich der 
Knorpel vom Schaftfragmentende der einen zum knöchernen Callus der anderen Seite oder er liegt der Außenfläche der 


Fragmentspitze an oder im fibrösen Callus, wobei er allmählich in Bindegewebe übergeht. 


Rachitis und Epithelkörperchen. 873 


Im Knorpel sind die Zellen gegen die Äquatorialebene zu platt, mıl geschrumpften, dunklen Kernen, sonst ist 
der Knorpel mit dichtstehenden runden Zellen versehen, die einen hellen, runden Kern und eine blaue Kapsel besitzen. 
Die spärliche Grundsubstanz bald rot-violett, bald blau-violett und an manchen Stellen wenigstens verkalkt, in Form 
der typischen dunkel-violetten interzellulären Netze mit krümelig zackiger Begrenzung. Ganz vereinzelt ist eine 
Knorpelkapsel aufgebrochen und enthält Bindegewebe oder eine Riesenzelle. Da aber diesem ersten Beginn des 
Knorpelabbaues noch nirgends Ossifikation gefolgt ist, gibt es noch 

J keine enchondrale Ossifikation und keinen enchondralen Callus. 

g) Der periostale knöcherne Callus bildet wie gewöhnlich eine Hülle um jedes der beiden Fragmentenden und diese 
beiden Hüllen sind in der Äquatorialebene in ganz unvollkommener Weise durch den Knorpel verbunden. Zumeist 
aber breitet sich zwischen beiden eine dicke Masse von fibrösem Callus, die allein den 700 u. breiten Zwischenraum 
zwischen beiden Fragmentenden ausfüllt und durch viele junge, ovale helle Bindegewebszellen und spärliche Gefäße 
ausgezeichnet ist. Der knöcherne Callus ist dicht, ganz ungegliedert, ohne eine Spur von Umbau, seine Markräume, 
schmäler als die Bälkchen, führen außer Bindegewebe meist auch schöne Osteoblastensäume. Die Bälkchen sind im 
ganzen nur wenig verkalkt, ein breiter Osteoidsaum ist überall vorhanden, das verkalkte Zentrum des Bälkchens stets 
blässer blau als im alten Knochen, manchmal sogar nur wie leicht blau angeflogen und die Übergangszone sehr breit, 
wenn auch nur aus kleinen Krümeln zusammengesetzt. Der Bau des kalkhaltigen Bälkchenzentrums ist überall 
primitiv, die Zellen zahlreich, groß, dichtstehend; der kalklose Saum ist stets reifer, kernärmer. 

h) Das Osteoid des periostalen Callus ist nach 28 Messungen im Durchschnitt 23:7 y dick, 82-5 u maximal, 5 p. minimal. 

i) Vom Periost ist nur soviel zu sagen, daß es die mächtige Masse des fibrösen Callus stellt. 

k) Splitter fanden sich nur in geringer Zahl und Größe, sie lagen im fibrösen Callus und sind nicht von Riesenzellen 


umgeben. 


Fall 16. 15 Tage vor der Tötung wurden dem Tiere beide Fibulae frakturiert und dabei die rechte gut, die linke absichtlich schlecht 
adaptiert. Der Wundverlauf blieb ungestört. Bei der Obduktion waren beide Fibulae an der Bruchstelle noch ganz 


beweglich. 
Histologischer Befund (Fig. 6). Das Material wurde 3 Tage in Müller entkalkt. 
I. Rechte Fibula. 


a) Der alte Fibulaschaft enthält in beiden Fragmenten eine offene Markhöhle (7), die aber im unteren Fragment sehr 
eng ist. Die Fragmente stehen winkelig zueinander und ihre Frakturenden sind infolge lacunären Abbaues weit von- 
einander gerückt. Das Knochengewebe ist von reifer Struktur, der Hauptsache nach verkalkt, nur am Endost (ß) ist eine 
dickere Osteoidschicht zu sehen. Die Corticalis ist infolge sehr zahlreicher und großer Resorptionsräume (k) im hohen 
Grade porotisch, stellenweise im Schnittbilde wie fragmentiert. Die Resorptionsräume sind zum Teil in fortschreitendem, 
osteoklastischem Abbau (k), zum Teil durch eine Osteoidauskleidung wieder verengt (2) und wenn der Resorptions- 
raum sehr groß ist, so erfolgt eine neuerliche Ausfüllung durch ein ganzes, osteoides Spongiosanetz. Nahe dem Bruch- 
ende erreicht die Porose einen so hohen Grad, daß das nekrotische Fragmentende von der übıigen Corticalis nicht nur 
scheinbar im Schnittbilde, sondern in Wirklichkeit losgetrennt und infolge der Beweglichkeit der Bruchstelle in eine 
fehlerhafte Stellung gekommen ist. So hat man an diesem Falle Gelegenheit zu studieren, wie das Verschwinden des 
nekrotischen Fragmentendes und das starke Auseinanderweichen der Fragmente zustande kommt. 

b) Das Mark im Fibulaschaft ist zellig, mit spärlichen Fettzellen untermischt (A). Die Zellen mit den großen hellen 
und die mit den kleinen dunklen Kernen sind gleich an Zahl, die Riesenzellen spärlich. 

c) die Markhöhle im Frakturbereiche enthält fibröses Mark (m), das im unteren Fragmente stark braun, hämatogen 
pigmentiert ist. | 
d) Ein enostaler knöcherner Callus ist nur im unteren Fragmente. zu sehen, recht reichlich, rein osteoid und nicht 


allein auf das Gebiet der Markhöhle beschränkt, sondern auch die Stelle der resorbierten Corticalis einnehmend. 


e) Der periostale Knorpelcallus liegt der Hauptsache nach neben unbedeutenden kleinen Nebenstücken in einem 
größeren Stücke vor, welches in folgender, für die winkelige Stellung der Fragmente sehr charakteristischer Weise 
situiert ist, Es liegt das Knorpelstück als elastischer Polster in der Äquatorialebene nur auf der konkaven Seite 
zwischen die Fragmentenden und die periostalen knöchernen Callus eingeschoben. Das Knorpelgewebe ist stark blau 


getärbt, die Zellen blau, groß, aber nicht rund, mit dunklem zackigem Kern und geschrumpftem Protoplasma. 


574 Dr. J. Erdheim, 


Allmählicher Übergang von Knorpel- zu Bindegewebe und seltener zu Knochengewebe kommt vor. Knorpelverkalkung 
findet sich nur ganz ausnahmsweise, namentlich da, wo der Knorpel in kalkhaltigen Knochen übergeht und das Bild 
ist das für Rachitis typische: Die Grundsubstanz stellt sich dar als zwischen den Zellen liegendes, verkalktes, feines, 
schwarz-blaues Netz, von grob krümeliger Zusammensetzung. 

J) Da es nirgends enchondrale Ossifikation gibt, fehlt auch der enchondrale Callus ganz. 

g) Der periostale knöcherne Callus ist, wie es bei der winkeligen Stellung der Fragmente ganz natürlich ist, über 
jedem der beiden Fragmente auf der konkaven Seite sehr kräftig entwickelt, auf der konvexen ganz schwach und 
ebenso ist die konvexe Seite ganz kalkfrei, während auf der konkaven Seite nahe der Äquatorialebene im Zentrum der 
Bälkchen bereits V erkalkung besteht, welche aber nicht nur extensiv, sondern auch qualitativ so gering ist, daß die 
Verkalkung blos an der lichtblauen Farbe erkannt werden kann. Es sind also die Bälkchen erst anverkalkt. Es ist dies 
wieder ein Beispiel dafür, wie rein lokale.Bedingungen, nämlich gesteigerte Belastung, die Kalkablagerung zu fördern 
vermögen. Der Callus stellt im übrigen eine sehr dichte Spongiosa dar, deren Markräume schmäler sind als die 
Bälkchen und außer dem Gefäß und etwas Bindegewebe meist auch gut ausgebildete Osteoblasten enthalten. Das 
Knochengewebe ist durchschnittlich zu zellreich, also unreif, insbesondere in den verkalkten Bälkchenzentren. Die 
Bälkchenanordnung ist noch sehr primitiv, nirgends ein Zeichen von Umbau oder Stützstruktur. Eine knöcherne Ver- 
einigung des beiderseitigen Callus ist noch nicht erfolgt, die Verbindung ist nur knorpelig und fibrös, letzteres durch 
Vermittlung eines recht reichlichen fibrösen Callus. 

h) Das Osteoid wurde nur am periostalen Callus gemessen und zwar 1. an den ganz kalklosen Balken und die Zahlen 


wurden halbiert und 2. an den kalklosen Säumen. Die Kalkgrenze ist zwar nur feinkörnig, dafür aber breit. 


1. 26 Messungen, 42:7 ı. Durchschnitt, 80 1. Maximum, 24 1. Minimum, 
2.20 Se sun 3m = 


i) Das Periost bildet in der Äquatorialebene einen starken fibrösen Callus mit wenig Gefäßen, aber vielen, oft in 
Mitose befindlichen Kernen. 
k) Die Splitter liegen zahlreich und in größeren Exemplaren im Periost und werden von ungewöhnlich großen Riesen- 


zellen lacunär angenagt oder sie. bilden.einen Knochenstaub, der ohne Riesenzellen im fibrösen Callus liegt. 


II. Linke Fibula (Fig. 6). Da sich hier zum größten Teil dasselbe findet, wie auf der rechten Seite,- so sollen nur jene 
Punkte erwähnt werden, in denen ein Unterschied besteht. — Die Fragmente stehen nicht winkelig, sondern parallel, 
sind aber seitlich verschoben (Fig. 6). — Ein enostaler Callus fehlt auf beiden Seiten. — Der Knorpelcallus liegt in 
mehreren isolierten Stücken vor (a, a), die stets in Osteoid eingehüllt sind. — Entsprechend der parallelen, aber seitlich 
verschobenen Stellung der Fragmente ist der periostale knöcherne Callus in der Fig. 6 am oberen Fragment links reichlich 
(b), rechts spärlich (c), und am unteren Fragment umgekehrt, links spärlich (d) und rechts reichlich (e). Diese Differenz 
ist eine Folge verschiedener Belastung, D ist deshalb stark entwickelt, weil sich das untere Fragment hauptsächlich darauf 
stützt, ebenso e größer, weil es das obere Fragment hauptsächlich trägt. Hingegen haben c und d fast keine Last zu tragen 
und sind schwach entwickelt. Und wieder geht mit der stärkeren Belastung ein lokaler Anreiz zur beschleunigten Ver- 
kalkung Hand in Hand, 5 und e sind schon anverkalkt, d ganz, c fast ganz kalklos. — Die Vereinigung der Fragmente 
erfolgt durch einen reichlichen fibrösen Callus (f, f, f), der aber von osteoiden Bälkchen (g) durchzogen ist. — Splitter 
sind keine vorhanden. — Das Osteoid wurde, wie rechts, 1. an den rein östeoiden Bälkchen gemessen und die Zahlen 


durch 2 geteilt und 2. an den Osteoidasäumen. 


1. 36 Messungen, 4 "Su Durchschnitt, 80 ». Maximum, 20 u. Minimum 
2 aba 8 As > ae 
* * ’ 
* 
Fali 17. Es wurde bei dem Tier 15 Tage vor der Tötung die rechte Fibula frakturiert. Die Wundheilung erfolgte per primam, aber 
die Frakturstelle war bei der Obduktion noch ganz bedeutend beweglich. _ 


Histologischer Befund (Fig. 7). Das Material wurde 7 Tage in Müller entkalkt. 


a) Die Fragmente des alten Fibulaschaftes (b, b) sind stark seitlich verschoben und sogar im Sinne einer Verkürzung 
etwas übereinandergeschoben. Beide Fragmente haben eine weit offene Markhöhle (f). In der Figur fehlt dem oberen 
Fragmente die Markhöhle nur scheinbar; es handelt sich nämlich um einen Tangentialschnitt. 

Am Fragmentende ist das kalkhaltige, aber auch das kalkfreie Knochengewebe nekrotisch. Ein Effekt der 


Quetschung durch die Schere (vgl. in der Fig. 7 den kernhaltigen Teil g mit dem kernlosen 1). 


b) 


d) 


Rachitis und Epithelkörperchen. 575 


Das Knochengewebe ist im ganzen Schaft von reifem Typus, zum größten Teil gut verkalkt und, ohne jede 
Gesetzmäßigkeit, auch weit weg von der Frakturstelle, bald auf der periostalen (e), bald’auf der enostalen Seite (d) mit 
verschieden mächtigem Osteoid belegt, das stellenweise (a) in vorgeschrittener Verkalkung begriffen ist. 

Endlich ist am Schaft lacunärer osteoklastischer Abbau der kalkhaltigen Partien zu erwähnen (e), der nicht nur 
im Frakturbereiche vorkommt und stellenweise die Compacta förmlich aushöhlt. 

Das Mark des Fibulaschaftes ist rein zellig. Die Zellen mit den großen hellen Kernen überwiegen bei weitem; 
kleine dunkle Kerne sind spärlich und liegen in Gruppen. Die Riesenzellen gut entwickelt, Gefäße spärlich. 

Die Markhöhle im Frakturbereiche (£) ist mit einem jungen Bindegewebe erfüllt, das reich ist an großen hellen 
Bindegewebszellen, arm an Gefäßen, aber auch Leuko- und Lymphozyten führt. 

Enostaler knöcherner Callus. Im fibrösen Mark der Fragmentenden ist ein Knochenbalkenwerk (k) in solcher 
Reichlichkeit aufgeschossen. wie es in normalen Fällen nie vorkommt. Die Bälkchen sind meist von schön basophilen 
Osteoblasten mit hellem Protoplasmafleck umsäumt, der Hauptsache nach kalklos, von reifem Knochentypus. Wenn 
sich ein zentraler Verkalkungsherd findet, so verrät er durch die unregelmäßige Faserung und die zahlreichen Zellen 
unreifen Typus. Infolge der seitlichen Fragmentverschiebung steht der enostale Callus manchmal in direkter Ver- 


bindung mit dem periostalen des anderen Fragmentes. 


e) Der periostale Knorpelcallus (/, 2) spielt in diesem Falle quantitativ eine geringe Rolle, er liegt nur in einzelnen 


» 


8) 


Herden vor und es ist keine Rede davon, daß er eine komplette äquatoriale Scheibe bilden würde. Die Ursache für diese 
geringe Entwicklung ist in einer Verringerung der Reibung zu suchen, die teils durch die rachitische Beschaffenheit der 
Fibula, teils durch die starke Verschiebung ihrer Fragmente bedingt ist. Aber auch hier ist die nahe Lagebeziehung des 
Knorpelcallus zu den Fragmentenden unverkennbar. 

Das Knorpelgewebe besitzt große, runde, sattblaue Zellen und geht am Rande allmählich ohne scharfe Grenze 

teils in Bindegewebe, teils in Osteoid über. Verkalkung des Knorpels ist hie und da in Form unvollständiger, krüme- 
liger, besonders dunkelblauer Ringe um die Zellen feststellbar. Vasculärer Abbau und damit enchondrale Ossifikation 
fehlen vollständig und darum ist 
ein enchondraler Callus auch nicht vorhanden. Dieses Fehlen der enchondralen Ossifikation erinnert sehr an das 
gleiche Verhalten in der Rippe. 
Der periostale knöcherne Callus ist, wie immer bei so starker seitlicher Verschiebung der Fragmente, auf deı 
einen Seite des Schaftes mächtig (0), auf der anderen dürftig (»), während dieses Verhältnis am anderen Fragment 
umgekehrt ist. Das läßt sich aus der besonderen Art der Belastung bei solcher Fragmentverschiebung leicht 
erklären. 

Seinem inneren Aufbaue nach steht der Callus in jeder Hinsicht auf einer auffallend jungen Entwicklungsstufe, 
er ist stark rückständig. Er besteht aus einer dichten, ganz gleichförmigen, ungegliederten Spongiosa (r), an der noch 
keine Kittlinie, kein Zeichen eines Umbaues wahrnehmbar ist, sondern bloß Apposition. Die den Callus durchziehenden 
Gefäßkanäle (g) sind zahlreich, schmal, dichtstehend, enthalten außer den kollabierten Blutgefäßen ein junges, groß- 
zelliges Bindegewebe und Pallissaden blauer Osteoblasten, deren Kerne vom Knochen abgewendet sind. Das Knochen- 
gewebe ist von reifem Typus, seine Zellen zwar etwas zahlreicher als im alten Knochen, aber klein. Die Grundsubstanz 
der Hauptmasse nach kalklos (») und die vorhandene, im Zentrum der Balken beginnende Verkalkung ist so gering- 
gradig, daß das ungemein blasse Blau (o) sich mit dem des alten Schaftes (b) nicht im entferntesten messen kann. Diese 
ersten Anfänge der Verkalkung finden sich fast ausschließlich auf der Seite, wo der Callus massig ist (0) und auch hier 
mehr nahe an der Frakturebene. Da wo der Callus fast unmittelbar der Schaftoberfläche, nahe dem Frakturende, auf- 
liegt, ist seine Verkalkung relativ besser (p). Doch ist hier das Knochengewebe sehr primitiv, regellos gefasert und reich 
an großen, plumpen Zellen und Sharpey’hen Fasern. Die Verkalkung ist aber auch hier darum recht lückenhaft, weil 
sie sich auf die wenigen, von den Zellen und Sharpey’schen Fasern freigelassenen Stellen beschränken muß. Es ist 
das der primitive Callus, von demReste selbst in solchen Fällen anzutreffen sind, die schon in vorgeschrittenem Umbau 


begriffen sind. 


h) Das Osteoid wurde 1. an den kalklosen Säumen gemessen, 2. an ganz kalklosen Balken und die Zahlen halbiert. 


i) 


232 Messungen, 28 p. Durchschnitt, 48 u Maximum, 16 j. Minimum. 


Dt, > 45 1. » 120 u. » 12 u » 


Das Periost in der Äquatorialgegend des Callus etwas dicker, sonst ohne Besonderheiten. 


k) Splitter keine gefunden. 


976 


Dr. J. Erdheim, 


Fall18. Dem Tier wurden 15 Tage vor der Tötung beide Fibulae frakturiert und bei Gelegenheit der Adaptierung der Fragmente 


wurde rechterseits das untere unabsichtlich noch einmal gebrochen. Ungestörter Wundverlauf. Bei der Obduktion fand sich 


an beiden Fibulae ein sehr großer, aber noch ganz beweglicher Callus. 


Histologischer Befund (Fig. 8). Die Knochen wurden 7 Tage in Müller entkalkt. 


I. Linke Fibula. 


a) 


b) 


Der alte Fibulaschaft (a) hat im unteren Fragment durchgehends (%), im oberen nur am Fragmentende eine offene 
Markhöhle (letztere in der Figur wegen Tangentialschnittes nicht getroffen). Die Fragmente sind seitlich und winkelig 
gegeneinander verschoben, so daß sie fast ganz außer Kontakt stehen (Fig. 8). Die Fragmentenden sind nekrotisch und 
nur ein wenig von der Außen- und Bruchfläche her lacunär angenagt. 

Das Knochengewebe der Corticalis (z) ist reif, am Endost in dicker Schicht kalklos (b), ebenso auch die Gefäß- 
kanäle (c, e) mit Osteoid ausgekleidet. Die Kompakta ist im oberen (viel weniger im unteren) Fragmente von Resorptions- 
höhlen so durchsetzt, daß sie davon ganz porotisch ist(f,@). Die Resorptionsräume sind zum Teil noch in Fortschreiten 
begriffen (d\, von prächtigen Osteoklasten besetzt und von einem ganz lockeren, zahlreiche Mitosen aufweisenden 
Bindegewebe erfüllt (d). Gelangt eine solche lacunäre Abbaufläche von unten her an einen Osteoidbelag, so wird dieser 
unterhöhlt, da er langsamer dem lacunären Abbau verfällt als der kalkhaltige Knochen, eine Beobachtung, die 
Pommer schon vor vielen Jahren gemacht hat. Später treten in den Resorptionsräumen: Osteoblasten auf, die die Höhle 
wieder mit Osteoid auszukleiden (e) oder sogar mit einem osteoiden Netz auszufüllen beginnen (f). So sehen wir die 
Knochenporose in Reparation. 

Das Mark des Fibulaschaftes (A) ist ausschließlich zellig; darin überwiegen die Zellen mit großen Kernen, aber 
auch solche mit kleinen sind zahlreich. Auch die Riesenzellen (RZ) sind zahlreich, meist gut entwickelt, selten ver- 


kleinert, mit dunklem Kern und Protoplasma und fehlen im oberen Fragment ganz. 


ce) Die Markhöhle im Frakturbereiche ist mit Bindegewebe erfüllt (), welches den 


a) 


enostalen knöchernen Callus (k) enthält, der in Form einiger ganz kalkloser Bälkchen vorliegt. Diese sind von 
reichlichen, kräftig entwickelten Osteoblasten umlagert (in der Figur als dunkler Saum erscheinend) und enthalten 
Knochenzellen, die noch ebenso groß sind und den gleichen hellen Fleck im Protoplasma aufweisen, wie die Osteo- 
blasten selbst. 

Der periostale Knorpelcallus liegt nicht gerade in geringer Menge vor und bildet multiple, nicht zusammen- 
hängende, zum Teil auch recht große Inseln, die die Äquatorialebene bevorzugen. Diese Knorpelgewebsinseln sind 
aufs klarste als elastische Stützpolster zwischen das Bruchende des unteren und den periostaien knöchernen Callus 
des oberen Fragmentes eingeschoben (7), und ebenso auch zwischen die Bruchfläche des oberen und den periostalen 
knöchernen Callus des unteren Fragmentes (m). ’ 

Das Knorpelgewebe besteht aus großen, runden, dichtstehenden Zellen, die einen großen Kern haben und in 
eine homogene Grundsubstanz eingelagert sind. Die Farbe von Kern, Protoplasma, Kapsel und Grundsubstanz ist 
immer blau, aber in verschiedenen Tönen. Doch gibt es .auch Stellen, wo die Zellen ihre runde Form verloren haben, 
einen kleinen, dunklen, geschrumpften Kern und ein geschrumpftes Protoplasma aufweisen und eine fleckweise fädig 
aufgefaserte Grundsubstanz. Inwieferne diese regressive Metamorphose ein Effekt traumatischer Einflüsse ist, läßt sich 
vermuten, aber nicht mit Sicherheit nachweisen. Allmählicher Übergang von Knorpel- in Bindegewebe oder Knochen 
ist oft nachzuweisen. Ganz ausnahmsweise findet man, von kalkhaltigem Knochengewebe umringt, ein kleines 
Stückchen Knorpelgewebe, dessen Grundsubstanz aufs deutlichste in Form des typischen, schwarz-blauen Netzes mit 


krümeligem Kontur verkalkt ist. 


f) Enchondrale Ossifikation und enchondraler Callus. Ganz selten sieht man in den kalkhaltigen und auch 


kalkfreien Knorpel ein Gefäß eindringen und Kapseln aufbrechen, also den ersten Beginn vasculären Knorpelabbaues. 
Da aber noch nirgends Knochenapposition in den Knorpelkapseln zu verzeichnen ist, gibt es noch keinen enchondralen 
Callus. 


£) Der periostale knöcherne Callus (p, bis p,) hat, trotzdem er recht reichlich entwickelt ist, nur an wenigen Stellen 


eine knöcherne Vereinigung beider Fragmente herbeigeführt (in der Figur an keiner Stelle). Diese Vereinigung ist 
zumeist knorpelig und fibrös (Fig. 8). 

Der fibröse Callus (n, o) ist stellenweise sehr reichlich und verbindet beispielsweise in der Fig. 8 (r) links den 
Knorpelcallus » mit dem unteren periostalen knöchernen p, und bei o das obere Fragment mit dem enostalen Callus %. 
Die Bindegewebszellen sind in diesem jungen fibrösen Callus noch sehr zahlreich, groß und hell und enthalten sehr 


oft Mitosen. 


Rachitis und Epithelkörperchen. 977 


Der knöcherne Callus (p} bis p,) ist von sehr primitiver Struktur, enorm dicht und nur von engen Gefäßkanälen 
durchzogen (r), die außer dem Gefäß nur etwas Bindegewebe und mäßig entwickelte Osteoblasten führen und trotz 
ihrer nicht geringen Zahl dem Knochen seinen kompakten Habitus nicht nehmen können. Die Bälkchen verraten 
nirgends Stützstruktur und sind der weit überwiegenden Menge nach kalklos (ps bis p,). Die Knochenzellen sind nicht 
sehr zahlreich und die Grundsubstanz gefasert. Was am Callus verkalkt ist, ist qualitativ und quantitativ wenig (p,). 
Oft ist es nur ein leiser Anflug von Blau, ein andermal ist das Blau der Balkenzentra etwas dunkler, aber selbst in 
diesem Falle erscheint der Knochen mit seinen großen, in weiter Verbindung stehenden Zellhöblen recht lückenreich 
und die Kalkgrenze zwar breit, aber feinkörnig. Die Verteilung des Kalkes im Callus ist darum von Interesse, weil sie 
uns wieder einmal zeigt, wie das statische Bedürfnis eine rein lokale Ursache abgeben+kann für die Bevorzugung der 
Verkalkung. So sehen wir zum Beispiel, daß in der Fig. 8 von allen vier Partien des periostalen knöchernen Callus 
gerade nur die Partie p, offenkundig als Stütze in Verwendung steht, indem sich das untere Fragment a durch Ver- 
mittlung des Knorpelpolsters Z auf den Callus p, aufstützt. Und gerade nur dieser Callus ist es, der in klarster Weise 
Verkalkung aufweist. Auf der anderen Seite ist das gleiche nicht der Fall, denn auf den Knorpel » folgt nach unten 
erst Bindegewebe » und dann erst der periostale Callus p,, der auch ganz kalklos geblieben ist. 

h) Das Osteoid wurde I. an den ja hier weit überwiegend ganz kalklosen Bälkchen gemessen und die Zahl durch 2 
geteilt und 2. an den wenigen vorhandenen Osteoidsäumen. 
1. 30 Messungen, 51 Durchschnitt, 80 x» Maximum, 28. Minimum 
2. 39 » 38 u. » 64 u » 16 u » 
i) Periost ohne Besönderheiten. 


k) Splitter nur ganz vereinzelt, im Knorpel liegend und daselbst ohne Abbau konserviert. 


II. Rechte Fibula. Hier bestehen im allgemeinen die gleichen Verhältnisse wie links, so daß es genügen wird, bloß die 


Abweichungen zu erwähnen. Im oberen Fragmente gibt es hier überhaupt gar keine Markhöhle. — Im Bindegewebe, 
welches die Resorptionsräume in der Compacta ausfüllt, liegen manchmal basophil granulierte Zellen. — Die Kalk- 
ablagerung im periostalen knöchernen Callus bevorzugt in auffallender Weise die Äquatorialgegend. — Eine Strecke 


unterhalb der beabsichtigten Fraktur fand sich der Callus von der unabsichtlich erzeugten. Hier sind die Fragmente bereits 
durchaus knöchern verbunden (das Periost wurde ja nicht durchtrennt), und auch hier bevorzugt die erste Kalkablagerung 
die Äquatorialzone. Knorpelcallus ist auch hier vorhanden, :aber recht wenig. — Das Osteoid wurde in dem rechten 
Callus ebenso gemessen wie im linken, das heißt 1. die ganz kalkfreien Balken wurden gemessen und die Zahlen halbiert, 
2. die osteoiden Säume. 
1. 50 Messungen, 44'3 1. Durchschnitt, 88 Maximum, 24. Minimum 
2. 60 » 28:51 » 80 y. » Su » 


* * 
* 


Fall 19. Der hier zu schildernde Callus kam an einer Rippe zur Entwicklung, die 15 Tage vor der Tötung des Tieres nahe der 
Ossifikationslinie durchtrennt wurde. Wie die histologische Untersuchung lehrt, wurde die Durchtrennung gerade da voll- 
zogen, wo die Spongiosa in den Schaft übergeht. Die Beschreibung des Falles wird am besten an der Hand der Fig. 9 
erfolgen. Der verkalkte Rippenknorpel (vK) und der ruhende Knorpel (rK) bieten nichts besonderes, Die seitliche Aus- 
bauchung (a) ist besonders kräftig ausgebildet und die Ossifikationsgrube (b) schneidet besonders tief ein. Der in letzterer 
liegende periostale Ossifikationswulst ist hier besonders dick. Die Zone der Knorpelwucherung (K W) ohne pathologischen 
Befund, die präparatorische Verkalkungszone (pV) deutlich verdickt, ganz licht, großzellig, ganz kalklos. Die beiden 
letzteren Schichten sind in den knöchernen Rippenteil napfförmig versenkt. Das Protoplasma der tiefstgelegenen Knorpel- 
zellen zeigt eine bald feine, bald grobe, leuchtend eosinrote Granulierung. Es folgt nach unten die Spongiosa (Sp), welche 
noch weiter nach unten in eine kompakte Osteoidmasse (d) übergeht, die oben reich ist an Kernen, unten aber kernarm 
ist, weil die meisten Knochenzellen nekrotisch und ihre Knochenhöhlen bis zur fast völligen Unsichtbarkeit collabiert sind. 
Die Ursache dieser Nekrose ist die Quetschung durch die Schere. Die Osteoidmasse (d) haben wir uns als Rest der sekun- 
dären Spongiosa vorzustellen, in der die Trennungsebene verlief und die abgerundete untere Grenze dieser Osteoidmasse 
ist ein Effekt des Abbaues dieses oberen Fragmentendes. Das untere Fragmentende (e) liegt bereits im Bereiche des 
Schaftes, dessen Corticalis in der Mitte ihrer Dicke verkalkt (Sch), auf der peri- und endostalen Seite aber mit einer dicken 
Osteoidmasse (h) belegt ist. Das kalkhaltige Fragmentende (e) ist infolge der Quetschung nekrotisch und wird von der 
Bruchfläche (f) aus lacunär abgebaut. Dabei bleibt der kalklose, ebenfalls nekrotische Teil des Fragmentendes (g) unresor- 
biert stehen. Das Knocbenmark (zM) ist zellig. Beide Fragmente stehen unter einem, gegen das Thoraxinnere sich öffnenden 
sehr stumpfen Winkel zueinander (Fig. 9). 


Fall 21. 


A. 


Dr. J. Erdheim, 


Das obere Fragment ist auf beiden Seiten und unten von einem 'spongiösen, absolut “kalklosen, periostalen Callus 
(Ey, C,) umlagert, der bei X,, X, Knorpelgewebe einschließt. Dieses hat blaue Zellen, eine blaue Grundsubstanz, zeigt den 
typischen allmäligen Übergang in Knochengewebe: und sogar schon die ersten Anfänge vasculären Abbaues. Auch das 
untere Schaftfragment ist von einem spongiösen, absolut kalklosen, periostalen Callus umlagert (Cs, C,), der auf der kon- 
kaven Seite der winkelig gestellten Fragmente, wie gewöhnlich mächtiger ist als auf der anderen. Auch hier enthält der 
periostale Callus stellenweise Knorpel (X,). Die Verbindung beider im Callus eingehüllter Fragmente ist nicht knöchern, 
sondern bindegewebig. Dieser periostale Bindegewebscallus (BC, BC) liegt in der Äquatorialebene der Fraktur, ist am 
ganzen Querschnitt nirgends unterbrochen, reich an großen, hellen, jungen Bindegewebszellen und Fibrillen, aber gefäßarm. 


* x 
* 


Das Material wurde 4 Tage in Müller entkalkt. 

Rechter Fibulacallus. Bei diesem aus der ersten Zeit des Versuches stammenden 45tägigen Callus wurde die Fraktur 
zu einer Zeit angelest, als die Nagezähne noch durchscheinend waren; die Rippe aber wies schon den ersten Beginn der 
Rachitis auf. Als der Callus dem Tier entnommen wurde, haben die Nagezähne schon angefangen opak zu werden. Die 
Vereinigung der Fragmente war bei der Obduktion schon ganz fest. 

Dieser sowohl als auch der linksseitige Callus des vorliegenden Falles unterscheiden sich von allen anderen unserer 
Versuchsreihe vor allem durch das vorgeschrittene Stadium der Frakturheilung, entsprechend der viel längeren Heilungs- 
dauer: 45 gegen 15 Tage. Darum haben die Callus dieses Falles keinen Vergleichswert mit den anderen Fällen, sondern 
nur untereinander. Entsprechend dem vorgeschritteneren Heilungsstadium sind die Verhältnisse am Callus vereinfacht. 

a) Der alte Fibulaschaft besitzt in beiden Fragmenten eine offene Markhöhle. Die Frakturenden zeigen keine Nekrose 
und stehen weit auseinander, beides ein Effekt vorgeschrittenen Abbaues von der Bruchfläche aus. Die Compacta zeigt 
keine Spur von Porose. Die Fragmente befinden sich in fehlerhafter Stellung zueinander, die wir, mit Rücksicht auf 
das Verständnis der Verteilung des periostalen Callus (siehe unten) uns vollkommen klar vergegenwärtigen müssen. 
Man stelle sich vor, daß das untere Fragment senkrecht und unverrückt blieb, während das obere sich in einem nach 
links offenen Winkel zum unteren stellte und außerdem in toto nach rechts verschoben war. 

b) Das Mark im Fibulaschaft ist zellig, mit spärlichen Fettzellen untermischt. Es überwiegen die großen und hell- 
kernigen Markzellen und die Riesenzellen sind gut entwickelt, aber spärlich. 

c) Die Markhöhle im Frakturbereiche enthält auf eine kurze Strecke Bindegewebe, in das basophil granulierte 
Zellen eingestreut sind und einige Bälkchen des 

d) enostalen Callus, die mit dem periostalen Callus in Verbindung stehen. 

e) Einen periostalen, noch nicht aufgebrauchten Knorpelcallus gibt es nicht mehr, sondern nur noch den aus 
diesem durch 

PD) enchondrale Ossifikation hervorgegangenen enchondralen Callus. Dieser liegt ausschließlich auf der kon- 
kaven Seite des winkeligen Bruches, wo seinerzeit der Knorpelcallus gelegen sein muß, wie das ja beim Knorpelcallus 
gewöhnlich der Fall ist. Der enchondrale Callus liegt vollständig von allen Seiten in den periostalen Callus einge- 
schlossen, berührt nirgends mehr das Periost, besteht aus Knochenbälkchen, die vollkommen in das Spongiosagerüst 
des periostalen Callus eingepaßt sind und sich von diesem blos dadurch unterscheiden, daß sie in der Mitte ihrer 
Dicke verkalkte Knorpeleinschlüsse aufweisen, in denen auch noch unverbrauchte Knorpelzellen oft vorkommen. Der 
dem Knorpel aufliegende Knochenanwurf ist nur ausnahmsweise ganz kalklos, meist verkalkt und noch mit einem 
osteoiden Saum versehen. Lacunärer Abbau mit Bloßlegung des zentralen Knorpeleinschlusses findet sich nur spärlich. 

g) Der periostale knöcherne Callus zeigt ein vorgeschrittenes Stadium der Entwicklung. Seine Verteilung können 
wir aus den Belastungsmomenten nur dann verstehen, wenn wir uns die Stellung der Fragmente, die unter 2) be- 
sprochen ist, vor Augen halten. Im allgemeinen ist der Callus auf der konkaven, also — um an dem bei a) gegebenen 
Situationsbilde festzuhalten — linken Seite reichlicher entwickelt; er hüllt das untere Fragment zirkulär ein, füllt voll- 
kommen den großen Zwischenraum zwischen den Fragmenten aus, erstreckt sich sogar ein wenig in die Markhöhle 
beiderseits, das obere Fragment aber hüllt er nicht ringsherum ein, sondern legt sich nur an seine linke, dem unteren 
Fragmente zugewendete, also tragende Fläche an, während die rechte, vom unteren Fragmente abgewendete, nicht 
tragende Fläche ganz frei ist vom Callusbelag. - 

Der periostale Callus stellt eine grobbalkige, dichte Spongiosa dar, deren Markräume viel schmäler sind als die 
Balken, außer dem Gefäß in der Regel einen prächtigen Osteoblastensaum enthalten und nur ausnahmsweise etwas 
größer sind und dann auch etwas zelliges und Fettmark aufweisen. Die’ausnahmslos verkalkten Knochenbalken sind 


etwas kernreich und tragen stets auch pathologisch breite Osteoidsäume, die an Masse dem kalkhaltigen Teil gleich- 


Rachitis und Epithelkörperchen. 879 


kommen oder ihn doppelt übertreffen können und schon aus reifem Knochen bestehen. Kittlinien liegen zum Teil im 
kalkhaltigen Teil, teils an der Kalkgrenze, die aber auch durch eine nicht verbreiterte, feinkörnige Übergangszone 
gegeben sein kann. 

h) Das Osteoid ist nach 24 Messungen im Durchschnitt 22°9 u dick, 64 1. Maximum, 8 u. Minimum. Diese Zahlen, gegen 
die entsprechenden normalen gehalten, zeigen, daß das Tier schon jetzt, also in der ersten Hälfte der Versuchszeit, sehr 
ausgesprochen rachitisch war. 

i) Am Periost nichts pathologisches. 


k) Splitter wurden nicht gefunden. 


B,Die linke Fibulafraktur, die am Versuchsende, 45 Tage vor der Tötung des Tieres, angelegt wurde, zu einer Zeit, als 
die Nagezähne bereits vollkommen opak waren, wurde, wie die rechtsseitige, 45 Tage der Heilung überlassen und der bei 
der Obduktion vorgefundene Callus war noch sehr deutlich, aber wenig beweglich. Zur Zeit, als die Frakturheilung unter- 


brochen wurde, war die rachitische Veränderung an den Rippen schon hochgradig und voll ausgesprochen. 


a) Der alte Fibulaschaft zeigt an den Frakturenden noch überall etwas vom nekrotischen Knochengewebe und die 


Fragmente stehen mehr seitlich gegeneinander verschoben als winkelig zueinander, sonst alles wie rechts. 
b) Die Markhöhle im Fibulaschaft enthält viel mehr Fettzellen in dem im übrigen zelligen Mark, sonst wie rechts. 
c) Die Markhöhle im Frakturbereiche enthält auf eine längere Strecke Bindegewebe, sonst alles wie rechts. 
d) Der enostale Callus verhält sich genau wie rechts. 


e) Der periostale Knorpelcallus ist noch in ansehnlicher Menge vorhanden, liegt in der Äquatorialebene, vermittelt 
zum Teil die Verbindung zwischen den periostalen knöchernen Callus beider Fragmente, ist gegen den einen und den 
anderen hin in enchondraler Ossifikation begriffen und seine Grundsubstanz ist vielfach verkalkt und zwar in Form 
eines schwarz-blauen, die Zellen umschließenden Netzes mit krümeligem Kontur und sehr deutlicher Kalkgrenze. Über- 
dies findet man auch Knorpelgewebe, das zentral im Knochenbalken liegt, aber dahin nicht durch enchondrale Ossifi- 
kation geraten ist, denn die Grenze zwischen Knorpel und Knochen ist nicht linear scharf, sondern beide Gewebe 
gehen ineinander ganz langsam nach dem bekannten Typus über, wobei Knorpelzellen in Knochengrundsubstanz zu 


liegen kommen. 


f) Enchondrale Ossifikation ist noch vielfach anzutreffen, aber enchondraler Callus viel häufiger und aus- 


gedehnter, dessen Rnochenanwurf zumeist ganz osteoid ist. Sonst alles wie rechts. 


g) Die Verteilung des periostalen sCallus ist anders als rechts, denn die seitliche Verschiebung der Fragmente wiegt 
vor. Man sieht darum das bei dieser Stellung der Fragmente ganz typische Verhalten, daß der Callus am unteren Frag- 
mente zum Beispiel rechts stark, links schwach, am oberen links stark und rechts schwach ausgebildet ist. Sonst die 
Ausdehnung des Callus die gleiche wie rechts. Nach dem Bau und dem Kalkgehalt der Spongiosa müssen zwei ver- 
schiedene Regionen im Callus unterschieden werden, der der Außenfläche des Schaftes anliegende, äußere, sub- 
periostale Teil und der zwischen den Fragmentenden Hegende innere Teil. Der erstere ist ungemein dicht gebaut, viel 
dichter als rechts, noch ganz primitiv, eigentlich sklerotisch, bloß von spärlichen und sehr engen Kanälen durchzogen, 
in denen außer einem engen Gefäßchen, einer Spur Bindegewebe, höchstens hie und da noch dürftige Osteoblasten 
liegen, Die verkalkten Bälkchenzentra sind noch kernreich und enthalten viele Sharpey’sche Fasern und die Übergangs- 
zone zu dem stets vorhandenen kalklosen Saum ist pathologisch breit und grobkörnig; Kittlinien fehlen ganz. Der 
tiefe, zwischen den Fragmentenden liegende Callusteil ist mehr balkig gebaut, denn die Markräume sind weiter und 
enthalten selbst etwas zelliges und Fettmark, während die Bälkchen in auffallendem Gegensatze zum ersten Teil eigent- 
lich ganz kalklos sind, denn nur bei starker Vergrößerung merkt man im Zentrum der Bälkchen den ersten Anfang der 


Verkalkung in Form isolierter, hell-violetter Körnchen, die um die Knochenzellen stehen. 


h) Das Osteoid wurde an 2 Stellen gemessen, 1. an den osteoiden Säumen, 2. an den ganz kalklosen Balken, wobei aber 


die Zahlen halbiert wurden. 


1. 32 Messungen, 27:9 u Durchschnitt, 64 Maximum, 16 Minimum 
ZN! > 47'214 > 64 u > 32 u. > 


i) Am Periost nichts besonderes. 


k) Splitter keine nachweisbar. 


Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC. Bd. 79 


580 Dr. J. Erdheim, nv 


Fall 22. Die Fraktur der Fibula wurde bei dem schon hochgradig marantischen Tier 10 Tage vor dem spontan eingetretenen Exitus 
angelegt. 

Histologischer Befund. Der Knochen wurde 6 Tage in Müller entkalkt. Der Befund war sehr einfach, weil der Callus ent- 
sprechend seinem geringen Alter einerseits und noch viel mehr dem hochgradigen Marasmus des Tieres andrerseits kaum 
in den ersten Anfängen seiner Entwicklung steht. Die Fragmente stehen tadellos adaptiert übereinander, die alte Corti- 
calis besteht aus reifem, der Hauptsache nach kalkhaltigem Knochengewebe und breite Osteoidsäume sind nur in den 
Volkmann’schen Kanälen nachweisbar. DieFragmentenden sind nekrotisch, noch ohne eine Spur von lacunärem Abbau. 
Die in beiden Fragmenten vorhandene weite Markhöhle enthält zelliges Mark, das nur im Frakturbereiche durch ein 
fibröses ersetzt ist, das von Fragment zu Fragment überspringend, eine bindegewebige Vereinigung der Bruchenden 
herbeiführt. Enostaler knöcherner Callus fehlt noch ganz. Auch das Periost hat einen fibrösen Callus hervorgebracht, der 
ringsherum beide Fragmente verbindet, zahlreiche, große, junge Bindegewebszellen enthält, aber weniger Bindegewebs- 
fibrillen als der fibröse Markcallus. Dort, wo der fibröse periostale Callus dem alten Schaft aufruht, findet man den ersten 
Anfang eines knöchernen Callus in Form einiger schmaler, ganz niederer, absolut kalkloser Bälkchen, die nicht von 
Osteoblasten umlagert sind, sondern einfach in den fibrösen periostalen Callus eingebettet sind und hie und da auch eine 
blaue Knorpelzelle enthalten. Aber alles das steht noch in den ersten Anfängen der Entwicklung und es hat nicht viel 


Zweck, die Dicke des Osteoids zu messen. 


B. Das histologische Bild des rachitischen Fraktureallus. 


Von unseren 15 Rachitisfällen haben wir nur in den 10 Fällen 9 bis 18 Fibulafrakturen mit 
lötägiger Heilungsdauer, also solche, die mit unseren normalen 8 Fällen verglichen werden dürfen. Unter 
diesen 10 Fällen wurde die Fraktur sechsmal an einer, viermal (Fall 10, 14, 16, 18) gleichzeitig an beiden 
Fibulae angelegt. Unter den 5 restlichen Fällen lag im Falle 20 keine operativ erzeugte‘Fraktur vor. Im 
Falle 19 wurde eine solche angelegt, aber nicht an der Fibula, sondern an einer Rippe, ist aber, wie bei 
den Fibulae, 15 Tage der Heilung überlassen worden. Im Falle 21 lag uns eine 4ötägige Frakturheilung 
vor und zwar an der einen Fibula aus der Zeit beginnender Rachltis, an der anderen aus der Zeit voll 
entwickelter Rachitis, 3 Monate später. Wegen der langen Heilungsdauer hat der Fall mit den anderen 
keinen Vergleichswert. In den beiden mit Marasmus kombinierten Fällen endlich wurden Fibulafrakturen 
angelegt, aber das Tier 22 starb schon 10 Tage, Tier 23 sogar schon 6 Tage später. Beim letzteren Tier 
waren die Heilungsvorgänge noch so wenig weit gediehen, daß ihre Beschreibung unterbleiben konnte. 

Die im Folgenden entworfene Charakteristik des l5tägigen Fibulacallus beim rachitischen Tier 
stützt sich nur auf die 10 erstgenannten Fälle. Von den anderen soll aber an entsprechender Stelle auch 
die Rede sein. Bei allen Rachitisfällen verlief die Wundheilung ohne Störung, per primam, welcher 
Umstand ihren Vergleichswert mit den normalen Fällen erhöht. 

Die bei der Obduktion vorgenommene Prüfung des Callus auf seine Festigkeit ergab ein von den 
normalen Fällen ganz differentes Resultat. Bei diesen hat der Callus die Fragmente in der Hälfte der 
Fälle schon vollkommen fest vereinigt, in der anderen Hälfte der Fälle war noch eine Spur Beweglichkeit 
feststellbar. Bei den Rachitistieren fand sich kein Fall, bei dem die Vereinigung schon fest gewesen 
wäre, stets war der Callus noch beweglich, wenn auch in verschiedenem Grade. In 3 Fällen (9, 12, 13) 
war die Beweglichkeit deutlich feststellbar, aber nicht sehr erheblich. Alle diese Tiere hatten eine nur 
leichte Rachitis und, wie das Diagramm XXIV zeigt, gehören die in ihrem Callus erhobenen Osteoidmaße 
zu den geringsten. In den restlichen 7 Fällen aber waren die Fragmente noch vollständig gegeneinander 
beweglich, zuweilen in sehr bedeutendem, auffallendem Grade und im Falle 11 wurden sie durch einen | 
schwachen Callus kaum zusammengehalten. Unter diesen Tieren fanden sich nicht nur schwere, sondern 1 
auch leichtere Rachitisfälle. Man begegnet oft der Meinung, daß die lange Zeit fortbestehende Beweglich- 
keit der Fragmente bei Rachitis und Osteomalacie auf mangelhafter Callusproduktion beruhe. Mit Recht 


Rachitis und Epithelkörperchen. o8l 


korrigiert Pommer diese Auffassung dahin, daß der Callus sich wohl sehr reichlich bilde, aber wegen des 
Kalkmangels lange beweglich bleibe. Wir werden auch bei unseren Rachitistieren sehen, daß namentlich 
der periostale knöcherne Callus übermäßig reichlich gebildet wird. 


* * 


Die Corticalis des alten Fibulaschaftes war in allen Fällen aus reifem Knochengewebe 
aufgebaut, welches (Fig. 7 b) in der Regel zum größten Teil gut verkalkt war, sehr häufig aber auf der 
Endostfläche einen dicken Osteoidsaum aufwies (Fig. 7d,8b), der zuweilen auch in engen Gefäß- 
kanälen (Fig. 8c) nachweisbar war. Seltener fand sich auf der periostalen Oberfläche außer dem Callus- 
bereiche ein Osteoidbelag (Fig. 7 c). 

Während normaliter die Corticalis stets kompakt ist, ist dies unter den Rachitistieren nur zweimal 
zu sehen gewesen (Fall 9, 11). In allen anderen Fällen wies aber die Corticalis eine meist hochgradige 
Porose auf (Fig. 5 bis 8). Diese kommt durch zahlreiche und große Resorptionsräume zustande, welche 
sowohl von der Peri- (Fig. 5 c, 8 d), als auch von der Endostfläche in die Compacta hineinziehen (Fig. 5 b, 
6. k), und diese oft auf lange Strecken hin förmlich aushöhlen (Fig. 5 b), so daß das ehemalige kompakte 
Knochengewebe auf eine oft zartbalkige Spongiosa reduziert erscheint (Fig. 6 unteres, 8 oberes Fragment), 
und die Gesamtmenge des Knochengewebes recht klein wird. Resorptionsräume finden sich nicht nur im, 
sondern auch außer dem Callusbereiche, stellenweise können sie sich so sehr häufen, daß die Corticalis, 
im Schnittbilde wenigstens, wie fragmentiert erscheint. 

Die Innenwand der Resorptionsräume pflegt nicht selten (Fig. 5, 6 4), namentlich im Callus- 
bereiche, sich in fortschreitendem, regstem Abbau zu befinden und mit zahlreichen Osteoklasten besetzt 
zu sein; noch häufiger aber ist die Resorptionshöhle wieder mit einem Osteoblastensaum ausgestattet, 
der sie mit einer ganz oder fast ganz kalklosen Knochenschicht auskleidet (Fig. 6 7), oder mit einer 
zartbalkigen, osteoiden Spongiosa erfüllt (Fig. 8 f, g). Sonst ist das Innere des Raumes mit einem 
jungen, an großen, hellen Zellen reichen Bindegewebe erfüllt (Fig. 55, 6%, 7e, 8d), das Mitosen auf- 
weisen kann und sich gegen das zellige Mark in der großen Markhöhle (Fig. 52M) ebenso linear scharf 
begrenzt (Fig. 5 d), wie das Knochengewebe selbst. 

Sowohl über das Vorkommen und das Bild als auch über die Entstehungsart und Ursache der Perose 
bei der menschlichen Rachitis gehen die Meinungen der Autoren sehr auseinander. 

Vorkommen. Schon Gu£rin beschreibt unter dem Namen »consomption rachitique« bei chronischer 
Rachitis älterer Kinder eine hochgradige Osteoporose und auffallende Knochenbrüchigkeit, die er als das 
Endresultat der Rachitis auffaßt. Auch Schmorl findet manchmal die Porose, namentlich bei schweren, 
langdauernden, heilenden Rachitisfällen, ferner Pommer und Schmorl bei schlechtem allgemeinem 
Ernährungszustand. Kassowitz behauptet, Osteoporose komme im Beginne der Rachitis vor. Doch stieß 
diese Angabe auf den Widerspruch der meisten Autoren. Auch Pommer bestreitet diese Art des Vor- 
kommens, teilt aber mit, die Porose gerade bei geringgradigen Fällen von Rachitis und Osteomalacie 
gesehen zu haben. Nach Looser und v. Recklinghausen kommt die Knochenatrophie konstant bei 
Rachitis tarda vor, wo sie in schweren Fällen außerordentlich hochgradig sein kann, und dieses Vor- 
kommnis ist so konstant, daß v. Recklinghausen die Rachitis tarda »porotisch-hypoplastische Malacie« 
nennt. Für die Osteomalacie ist die Porose jedenfalls sehr charakteristisch, und daher kommt es, daß die 
durch Porose ausgezeichnete Rachitis tarda in .der Literatur oft als infantile Osteomalacie bezeichnet 
wurde und v. Recklinghausen früher durch starke Porose auffallende Rachitisfälle als eine Kombination 
von Rachitis mit Osteomalacie ansah. Nach Schmorl kommt aber die Porose nach sehr langer Dauer 
auch bei der infantilen Rachitis vor und dies ist nach v. Recklinghausen sogar so häufig, daß, wie er 
angibt, die meisten Rachitisfälle in die Gruppe der von ihm als »porotische Malacie« bezeichneten Rachitis- 
fälle gehören, bei denen die Corticalis großporig und die Markhöhle weit ist. Nach Breus und Kolisko 
‚kann die rachitische Osteoporose sogar den Abschluß des Körperwachstums überdauern. 


582 Dr. J. Erdheim, 


Die Beschreibung des Bildes der Knochenatrophie ist ebenfalls zum Teil verschieden. Breus 
und Kolisko geben an, die Corticalis sei verdünnt, die Spongiosa rarefiziert. Schmorl findet bei Rachitis 
tarda die Corticalis dünn, gegen die Markhöhle zu porotisch, mit sehr zahlreichen Osteoklasten in Lacunen, 
weiten Havers’schen Resorptionsräumen und spindelzelligem, fibrrösem Mark. In Looser’s Falle von 
Rachitis tarda war die Corticalisdicke nur auf einen Bruchteil eines Millimeters reduziert, das Knochen- 
gewebe enthielt zahlreiche Kittlinien, nur schmale Anlagerungssysteme und die Markräume enthielten 
Gerüstmark mit einzelnen myelogenen, osteoiden Bälkchen. v. Recklinghausen findet die Markhöhle 
weit, die Corticalis großporig und in seinem Atlas Tafel VI bildet er mehrere Röhrenknochen eines 
21/ jährigen Kindes mit »porotisch-hypoplastischer Malacie« ab, deren Corticalis, insbesondere die der 
Fibula, in toto zwar nicht dünn, aber so enorm porotisch erscheint, daß die Markräume beiweitem mehr 
Raum einnehmen, als die auf dünne Bälkchen reduzierte Tela ossea. Morpurgo endlich findet bei seinen 
Ratten schon 8 Tage nach der Impfung eine weitgehende, zentrifugal fortschreitende Substitution des 
Knochengewebes in der Corticalis durch fibröses Mark, wodurch die Compacta zu einer weitmaschigen 
Spongiosa umgewandeit wird; zugleich aber wird die große Markhöhle durch zentripetale Verdickung der 
porotischen Corticalis eingeengt oder zum Verschwinden gebracht. 

Die Art und Weise, wie die Porose zustandekommt, wird von den Autoren in folgender Weise 
geschildert. Zunächst sei erwähnt, daß auch in dieser Frage Pommer bahnbrechend gewirkt hat. Er fand 
bei der unter den verschiedensten Umständen vorkommenden sogenannten »einfachen Knochenatrophie«, 
daß die Zahl der Lacunen und Osteoklasten nicht vermehrt ist und daher die Porose nicht auf einem 
gesteigerten Abbau, sondern auf einem ünvollständigen Anbau beruhe. Was nun speziell die bei Rachitis 
vorkommende Porcse betrifft, so kommt sie in der gleichen Weise zustande, aber an einer anderen Stelle 
spricht Pommer von einer zuweilen, aber nicht regelmäßig vorkommenden gesteigerten Resorption. 
Kassowitz hingegen nimmt ausschließlich gesteigerte Resorption an. M. B. Schmidt bestreitet wieder 
überhaupt, daß eine Steigerung der Resorption vorliege, da sie histologisch nicht nachweisbar ist. 
Schmorl ist eigentlich der gleichen Meinung wie Pommer, denn er nimmt an, daß.bei der großen 
Mehrzahl der Rachitisfälle der Abbau nicht pathologisch gesteigert ist, sondern durch mangelhafte Appo- 
sition bei normalem Abbau zustande komme; bei der Rachitis tarda jedoch spricht er von sehr zahlreichen 
Osteoklasten in Lacunen und von weiten Havers’schen Resorptionsräumen. Breus und Kolisko sprechen 
nur von der Rückständigkeit des Anbaues bei normalem Abbau. v. Recklinghausen endlich läßt die 
Porose ausschließlich durch gesteigerten Abbau zustandekommen, aber nicht auf dem Wege der lacunären 
Resorption, sondern auf dem der von ihm so genannten thryptischen Schmelzung. 

Was nun endlich die Genese der Osteoporose betrifft, so faßte sie Kassowitz als eine kardinale 
Eigenschaft der Rachitis auf, ja sogar als den Ausgangspunkt aller weiteren Veränderungen. Doch hat 
diese Ansicht keine Anhänger mehr. Pommer erklärt die Knochenatrophie zum Teil als die physiologische 
Osteoporose Schwalbe’s, zum Teil als eine pathologische, im Rahmen einer allgemeinen Ernährungsstö- 
rung auftretende Atrophie. Auch Schmorl ist der Meinung, daß die Knochenatrophie als die physiologische 
Osteoporose Schwalbe’s aufzufassen ist, die ja für jenes Alter typisch ist, in der gerade Rachitis vor- 
kommt. An eine pathologische Osteoporose denkt er nur bei sehr schweren, sehr langdauernden Fällen 
mit allgemeinen Ernährungsstörungen. M. B. Schmidt sieht die Porose als sekundär unter dem periostalen 
Osteophyt entstanden an. v. Rechlinghausen endlich betrachtet die rachıtische Porose ausschließlich 
als pathologisch, da sie jedes physiologische Maß in hohem Grade überschreitet. 

Nachdem wir die in der Literatur niedergelegten Ansichten über die rachitische Osteoporose kennen 
gelernt haben, wenden wir uns der Betrachtung unseres speziellen Untersuchungsobjektes zu. Das Bild 
der Porose ist schon oben entworfen. Hier sei nur bemerkt, daß sich die Porose nicht nur an der Fibula 
fand, sondern, wenn auch seltener und weniger intensiv auch an der Rippencorticalis. Wir haben oben 
gehört, daß namentlich die Rachitis tarda durch Porose ausgezeichnet ist. Vom Standpunkte der mensch- 
lichen Rachitis betrachtet, müßten eigentlich alle unsere Fälle in der Tat als Rachitis tarda angesprochen 
werden, denn es waren lauter bereits halbwüchsige Tiere. Auch waren manche unserer Rachitisfälle 


Rachitis und Epithelkörperchen. 5983 


besonders schwer, zum Teil auch alt und wir haben eben gehört, daß gerade bei solchen sich die Porose 
besonders gern einstellt. Eine Scheidung unserer Fälle in porotische und hyperplastische im Sinne 
v. Recklinghausen’s ist aber nicht durchführbar, denn gar nicht selten sehen wir in der Fibula die 
porotische, in der Rippe die hyperplastische Form vertreten. 


In unseren Fällen sahen wir ausgedehnte Resorptionsräume, in denen nicht selten, namentlich im 
Callusbereiche, Osteoklasten in vollster Tätigkeit anzutreffen sind. Da im Callusbereiche auch ohne 
Rachitis Resorption stattfindet, werden wir anzunehmen haben, daß die Porose infolge der Fraktur speziell 
im Callusbereiche noch gesteigert wurde. Aber wir werden natürlich zugleich annehmen müssen, daß die 
Osteoporose auch vor der Fraktur schon bestanden hatte, denn sie ist auch außerhalb des Callus vor- 
handen und fehlt hier in der gebrochenen Fibula der gesunden Tiere völlig. Daß aber, bei der Ratte wenig- 
stens, von der Resorption im Callus abgesehen, ein gesteigerter osteoklastischer Abbau beim Zustande- 
kommen der rachitischen Osteoporose bis zu einem gewissen Grade in Betracht kommt, wird sich nicht 
von der Hand weisen lassen. In beschränktem Ausmaße geben Pommer und Schmorl die Steigerung 
der Resorption auch zu, Schmorl speziell für die Rachitis tarda, der ja unsere Rattenrachitis ohnehin 
in gewissem Sinne nahesteht. 


Was nun die Genese der rachitischen Osteoporose bei der Ratte betrifft, so werden wir sie unbedingt 
für pathologisch halten müssen, denn sie ist sehr hochgradig, ist bei gleichaltrigen normalen Tieren nicht 
einmal in geringem Grade vorhanden. Von einer physiologischen Osteoporose ist somit, zumindest in jener 
Altersstufe, die in unserem Materiale vertreten war, keine Rede. Auch aus Inaktivität können wir die Porose 
nicht erklären, denn die Tiere benützen schon am Tage nach der Fraktur das Bein mit der gebrochenen 
Fibula ebenso gut wie das andere und dann fehlte ja die Porose bei den normalen Kontrolltieren. Ebenso- 
wenig können wir die Porose auf einen schlechten allgemeinen Ernährungszustand zurückführen, denn 
unsere Tiere waren, von den zwei marantischen abgesehen, durchwegs sehr wohl genährt und kräftig. Den 
modernen Erfahrungen entsprechend werden wir ferner bei einer Skeletterkrankung eines Tieres, bei der 
Porose vorkommt, stets auch an die pseudorachitische Osteoporose Stoeltzner’s zu denken haben. Aber 
auch diese können wir schon nach den im ersten Abschnitt niedergelegten Befunden an den Rippen und 
der oft enormen, nur bei Rachitis und Osteomalacie vorkommenden Vermehrung des Östeoids aus- 
schließen. 

Neben dem bis zu einem gewissen Grade gesteigerten osteoklastischen Abbau werden wir beim 
Zustandekommen der rachitischen Osteoporose auch eine Hemmung des Anbaues in Betracht ziehen, die 
Looser mit zu den spezifisch-rachitischen Hemmungserscheinungen rechnet. Da aber im floriden Stadium 
die periostale und myelogene Knochenapposition im Gegenteil sehr gesteigert sein kann, werden wir 
auch daran zu denken haben, daß das osteoblastische Gewebe nur im Spätstadium der Rachitis erschöpft, 
insuffizient ist, etwa so ähnlich, wie sich an einen Basedow ein Myxoedem anschließen kann. Die im 
floriden Stadium zu verzeichnende Mehrleistung der Knochenapposition, auf deren Ursache wir weiter 
unten zurückkommen werden, steht.zwar gegen die im Verlaufe der ganzen späteren Wachstumsperiode 
zu leistenden normalen Knochenapposition weit zurück, aber man darf doch von Mehrleistung sprechen, 
wenn man berücksichtigt, daß unter normalen Umständen in dergleichen Zeit. beträchtig weniger 
geleistet worden wäre. 


Wir werden somit beim Zustandekommen der Porose neben der spezifischen Hemmung auch noch 
an eine rachitische, also pathologische Erschöpfung des Regenerationsvermögens des osteoblastischen 
Gewebes umso eher reden dürfen, als wir auch eine physiologische, nämlich die senile, annehmen müssen, 


die sich sowohl in der senilen Osteoporose als auch in der mangelhaften Callusbildung des Greisenalters 
dokumentiert. 


Die bei den normalen Fällen erwähnte Nekrose deralten Corticalis am Frakturende fand sıch 
aus der gleichen, dort angegebenen Ursache auch bei Rachitis konstant. Sie fehlte nur im Falle 12 an 
einem der Fragmentenden wegen vorgeschrittener lacunärer Resorption desselben. 


584 Dr. J. Erdheim, 


Die Markhöhle des Fibulaschaftes wurde bei Rachitis verhältnismäßig viel häufiger durchwegs 
offen gefunden als in normalen Fällen und im Gegensatz zu diesen niemals durchwegs fehlend, dagegen 
mehrmals partiell fehlend im oberen, unteren oder mittleren Abschnitt. 

Von der oben beschriebenen, präexistenten Porose der Corticalis abgesehen, findet man, wie schon 
ebenfalls erwähnt, bei Rachitis wie bei den normalen Fällen, ausnahmslos lacunären Abbau der Bruch- 
enden der Corticalis, der durchschnittlich intensiver ist als normal, was schon darum begreiflich ist, weil 
die Osteoklasten mit dem schon von früher her porotischen Knochen, an dem sie so viele Angriffspunkte 
finden, leichtes Spiel haben. Daher kommt es, daß man bei Rachitis kaum je noch die unversehrte Bruch- 
fläche findet, deren Einkeilung in eine Knorpelmasse gar nie vorkommt, daß die nekrotischen Bruchenden 
durch fortgeschrittenen Abbau zuweilen vom übrigen Schaft abgetrennt sind und in verschobener Lage 
sich finden oder durch schon weit gediehene lacunäre Abtragung fast ganz beseitigt sind, so daß die nun- 
mehrigen, in der kompliziertesten Weise benagten Fragmentenden (Fig. 5 bis 8) oft sehr weit auseinander- 
stehen können (Fig. 5, 6). Diese Entfernung betrug, wo sie gemessen wurde, 0'8 bis 1’2 mm. Der lacu- 
näre Abbau der Fragmentenden weist, im Vergleich mit den normalen Fällen, ein vorgeschrittenes 
Stadium auf, was im Gegensatz steht zu den meisten anderen Vorgängen bei der Frakturheilung, die, wie 
wir noch hören werden, bei Rachitis sehr rückständig zu sein pflegt. 

Die Stellung der Fragmente war nur in manchen Fällen so tadellos wie in Fig. 5, wenn aber trotz- 
dem in dieser Figur der Callus auf der rechten Seite nicht eben so stark entwickelt ist wie auf der linken, 
so hat das darin seinen Grund, daß rechterseits jene Fibulafläche liegt, von der wir schon gehört haben, 
daß sie in der Callusproduktion sich im Rückstand zu befinden pflegt. — In anderen Fällen standen die 
Fragmente parallel, aber seitlich zueinander verschoben und dann sieht man das typische Verhalten 
des Callus, der, wie in Fig. 6, am oberen Fragment rechts stark, links schwach entwickelt ist. am unteren 
umgekehrt. Die fehlerhafte Stellung konnte auch darin bestehen, daß die Fragmente winkelig zueinander 
standen oder es kombinierte sich die seitlich verschobene mit der winkeligen Stellung, wie in Fig. 7 
und 8. 

Wurden bei einem Tier gleichzeitig an beiden Fibulae Frakturen angelegt, so wurden auf der einen 
Seite die Fragmente gut, auf der anderen absichtlich schlecht adaptiert, doch das angestrebte Ziel 
nur manchmal erreicht, andere Male fiel das Resultat im entgegengesetzten Sinne aus. 


* * 


Das Knochenmark in der großen Markhöhle war viel öfter als in den normalen Fällen rein zellig 
(Fig. 52M, 7f, 8h) und seltener mit Fettzellen untermischt (Fig. 6 h). Trotz der erheblichen Schnittdicke 
konnte festgestellt werden, daß unter den Markzellen solche mit großen hellen, einfachen, gelappten oder 
gelochten Kernen typischerweise zahreicher waren als solche mit kleinen, dunklen runden Kernen, welch 
letztere zuweilen gruppiert standen. Nur ausnahmsweise waren beide gleich zahlreich. In einem Teil der 
großen Zellen konnte unter günstigen Umständen eine eosinophile Protoplasmagranulierung gesehen 
werden. Riesenzellen. (Fig. 8RZ) waren zumeist mäßig zahlreich und gut entwickelt, selten etwas spärlich 
oder verkleinert, mit dunklem Kern und Protoplasma. 

Wie in den normalen Fällen, so war auch bei den rachitischen die Markhöhle im Frakturbereiche 
konstant nicht mehr durch zelliges, sondern durch junges fibröses Mark erfüllt (Fig. de, 6m, 7, &:), und 
dies war bald auf eine kurze (Fig. 5, 6), bald auf eine lange Strecke (Fig. 7, 8) der Fall. Das Bindegewebe 
war nur mäßig vascularisiert, wies viele große, helle, ovale Bindegewebszellen auf, die zuweilen in Mitose 
standen. In einem Falle war es von hämatogenem Pigment stark braun gefärbt. 

Während in den normalen Fällen der enostale Callus niemals fehlte, stets sehr dürftig entwickelt 
war und zumeist nur in einem dünnen Belag auf der lacunären Abbaufläche bestand, herrschte in den 
Rachitisfällen eine viel größere Mannigfaltigkeit. Es gab Fälle, in denen trotz vorhandener Markhöhle ein 
enostaler Callus ganz fehlte (Fig. 6m), und solche, in denen er in einem so hohen Grade entwickelt 


wi u A en 


Rachitis und Epithelkörperchen. 585 
war, wie dies bei normalen Fällen nie vorkam (Fig. 7, 8k). Dazwischen gab es alle Übergänge von mäßiger 
zu geringfügiger Entwicklung. 

Der enostale Callus wies nicht selten gut entwickelte, in fibrösem Mark liegende, von kräftigen 
Östeoblasten umsäumte Balken auf, welche, namentlich bei Verschiebung der Fragmente mit den Bälkchen 
des periostalen Callus in Verbindung standen oder in den intermediären, fibrösen Callus hineinragten und 
teils aus reifem, teils aus unreifem Knochengewebe aufgebaut waren. 


* * 
* 


Sehr auffallend pathologisch verhält sich bei den Rachitisfällen der Knorpelcallus. Dieser war in 
den normalen Fällen stets in Form einer dicken, in der Äquatorialebene gelegenen, kontinuierlichen Scheibe 
ausgebildet, welche zwischen den dies- und jenseitigen Callus als elastischer Polster eingeschoben und an 
der oberen und unteren Fläche ausnahmslos in enchondraler Ossifikation begriffen war. Diese wieder war 
in einzelnen Fällen schon so weit gediehen, daß der Knorpel auf einen geringen Rest reduziert war, aber 
nach der Ausdehnung des enchondralen Callus konnte noch erkannt werden, von welcher bedeutenden 
Größe der Knorpelcallus ehedem war. Ganz anders ist das Verhalten bei Rachitis. Der Knorpelcallus liegt 
in auffallend geringer Menge vor, und zwar nicht deshalb, weil seine Überführung in Knochen so weit 
vorgeschritten ist (diese fehlt sogar sehr oft ganz), sondern deshalb, weil er in geringer Menge gebildet 
wurde. Nur in unserem leichtesten Rachitisfalle 9 war der Knorpelcallus so gut entwickelt wie normal, in 
den ebenfalls noch geringgradigen Fällen 13, 15 erinnerte er noch etwas an das normale Verhalten und 
fehlte fast in keinem Schnitt der Serie. In den übrigen Fällen reichte aber die Knorpelmenge nicht im ent- 
ferntesten an die normalen Fälle heran, wenn auch Schwankungen von mäßiger bis zu äußerst dürftiger 
Entwicklung zu verzeichnen waren, und dies betraf schwere und leichte Fälle. In dem geringfügigen 
Rachitisfalle 11 zum Beispiel fehlte der Knorpel in den meisten Schnitten der Serie ganz. 

Diese Rückständigkeit in der Entwicklung des Knorpelcallus bei Rachitis mag zum Teil 
in der verringerten Reibung der Fragmente ihren Grund haben. Wenn wir uns unsere Figuren auf die 
Knorpelmenge hin besehen, so finden wir sie in Fig. 8 (l,ım) für die Rachitis noch relativ gut entwickelt, in 
Fig. 7 (2, D) schon gering entwickelt, in Fig. 6 (a) und 5 (KC) endlich sehr dürftig. 

Außerordentlich mannigfaltig war die Lage und Verteilung des Knorpelgewebes im Callus, was 
ebenfalls gegen das stets gleichartige Verhalten der normalen Fälle absticht. Nur selten liegt der Knorpel ° 
in einem einzigen, scheibenförmigen, äquatorialen Stücke vor. — Im rechtsseitigen Fibulacallus des 
Falles 16 fand sich der Knorpel außer einigen unbedeutenden Inseln in einem großen Stücke vor, das nicht 
die ganze Äquatorialebene einnahm, sondern wegen winkeliger Stellung der Fragmente nur auf einer 
Seite, der konkaven, lag, so aufs deutlichste als elastischer Polster dort zwischen die Bruchenden und die 
beiderseitigen knöchernen Callusmassen eingeschoben, wo die stärkste Reibung besteht. — Waren aber die 
Fragmente seitlich verschoben, so lag der Knorpel in 2 Stücken vor, die, wie Fig. 8 (/) aufs klarste 
zeigt wischen das Fragmentende der einen und den knöchernen Callus der anderen Seite eingelagert ist. 

Die Gegend der Äquatorialebene ist auch bei Rachitis für den Knorpelcallus die eigentliche Fund- 
stätte (Fig. 5 bis 8), wo er oft die äußere Peripherie des Gesamtcallus bevorzugt (Fig. 5XC), und dabei 
bald noch direkt vom Periost bedeckt wird (Fig. 8/, m), bald von einer Knochenschicht überlagert ist, die 

. das Periost hervorgebracht hat (Fig. 5KC, links). — Ferner findet sich der Knorpel oft gerade am äußer- 
sten Bruchende, der alten Schaftoberfläche aufs engste seitlich angelagert (Fig. 6a oben), dann wieder 
im periostalen knöchernen Callus als Verbindung zwischen seinem dies- und jenseitigen Teil 
(Fig. 5KC links), und bei dieser engen Beziehung des knöchernen und knorpeligen Callus findet man oft 
Knorpelinseln rings in Knochengewebe eingeschlossen. In solchen Fällen, in denen der Knorpel die Ver- 
bindung zwischen dem dies- und jenseitigen knöchernen Callus herstellt, haben wir ihn uns nicht als 
äquatoriale Scheibe vorzustellen, sondern als zartes Netz (Fig. 4k + K), das sich von einer Seite 
(Fig. 4pkC) zur anderen spinnt, wie man sich an Tangentialschnitten durch den Callus überzeugen kann, 
die am Anfang und Ende der Serie vorliegen. In vielen Fällen aber bildet der Knorpel überhaupt keine ein- 


886 Dr. J. Erdheim, 


heitliche Masse mehr, sondern liegt, wie man sich an der Hand der Schnittserie überzeugen kann, in Form 
multipler, oft nur spärlicher diskontinuierlicher und oft recht kleiner Inseln vor. Dies war der Fall 
bei den in Fig. 6 bis 8 wiedergegebenen Tieren 16 bis 18. - 

Die Knorpelzellen sind in der Regel groß, rundlich polygonal (Fig. 4Xk+K), R—K), stehen dicht, 
aber nirgends in Säulenanordnung, ihr Kern ist groß und rund, zuweilen in Mitose, nur ausnahmsweise 
infolge regressiver Metamorphose klein, dunkel und zackig. Die Zellen sind blau, am dunkelsten ihre 
Kapseln, am hellsten das Protoplasma, das an regressiv veränderten Stellen zackig geschrumpft ist. An 
solchen Stellen pflegt die Grundsubstand zuweilen fädig aufgefasert zu sein. Die Ursache der regres- 
siven Knorpelveränderung ist nicht Quetschung durch das Fragmentende, das niemals in Knorpelgewebe 
eingespießt ist. Sonst ist die Grundsubstanz homogen, spärlich, rot- oder blauviolett, selten mehr rein blau 
oder rein rot und stets ganz gefäßlos. 

Die Grundsubstanz kann kalklos (Fig. 4k—K) oder kalkhaltig sein (Fig. 4k+K) und letzteres ist 
partiell, wenn auch oft nur in sehr geringem Ausmaße, in jedem Falle zu sehen, mit Ausnahme des 
schwersten Rachitisfalles 19 (Fig. 9). Doch besteht in der Knorpelverkalkung ein großer Unterschied 
gegenüber den normalen Fällen. Bei diesen war die Kalkaufnahme stets nur gegen den oberen und unteren 
Knorpelrand zu sehen, wo die Össifikationslinie lag, und die Kalkaufnahme war daran zu erkennen, daß 
die Grundsubstanz ganz langsam, ohne irgend eine scharfe Grenze, sich immer stärker und reiner blau 
färbte. Bei den Rachitisfällen war die Anordnung der Verkalkung nach so klaren Prinzipien nicht zu 
erkennen und ihre Ausdehnung zumeist gering. In manchen Fällen war die Knorpelverkalkung über- 
haupt nur selten auzutreffen, nur in unserem leichtesten Rachitisfalle 9 war sie ansehnlich. In Fällen, wo 
die Knorpelverkalkung nur ausnahmsweise anzutreffen war, fand sie sich namentlich da, wo eine Knorpel- 
insel von kalkhaltigem Knochengewebe eingeschlossen ist oder in solches übergeht. 

In ganz analoger Weise wie in den Rippen der schwersten Rachitisfälle sieht man ferner, daß bei 
Rachitis auch im Knorpelcallus die Verkalkungsstellen infolge der scharfen Kalkgrenze klarer hervor- 
treten als in den normalen Fällen. So sieht man schon bei schwacher Vergrößerung an den Stellen der 
Verkalkung ein zartes, interzelluläres Netz von dunkel- und schmutzig-violetter oder fast. schwarz-blauer 
Farbe (Fig. 4k+K), in dessen Maschen je eine Knorpelzelle liegt. Bei starker Vergrößerung erkennt man, 
daß dieses Netz durch Konfluenz von Kalkkrümeln entsteht, was der Kalkgrenze eine zackige 
Form verleiht. Insbesondere in solchen Fällen, wo die in die interzelluläre Grundsubstanz abgelagerten 
Kalkkrümel noch nirgends zu vollständigen Netzen konfluiert sind (Fall 14, 17), kann man den ersten 
Beginn der Knorpelverkalkung genau verfolgen. Auch in besser verkalkten Fällen kann man solchen 
Bildern begegnen (Fig. 4a). Die Knorpelkapsel selbst kann einmal aufs deutlichste von der Ver- 
kalkung frei bleiben (Fall 9), ein andermal gerade elektiv Sitz der Verkalkung sein (Fall 10). In den 
verkalkten Teilen (Fig. 4%-+K) können die Knorpelzellen größer und heller sein als in den kalklosen 
(Fig. 4k—K). 


An der enchondralen Össifikation ist die erhebliche Rückständigkeit der Frakturheilung 
bei Rachitis ganz besonders deutlich zu erkennen. Bei den normalen Fällen war dieser Vorgang stets in 


regstem Gange und manchmal sogar schon so weit gediehen, daß der so stark entwickelte Knorpelcallus . 


schon zum größten Teil oder sogar bis auf geringe Reste in Knochen überführt ist. Bei den Rachitisfällen 
jedoch fehlt etwa in der Hälfte der Fälle jegliche enchondrale Ossifikation völlig. Fast ebenso häufig 
liegt der Prozeß nur in seinen ersten Anfängen vor, indem an ganz vereinzelten Stellen oder auch nur 
an einer einzigen Stelle ein Gefäß etliche Kapseln des verkalkten Knorpels aufgebrochen hat, ohne daß 
diesem vasculären Abbaue irgendwo die Ausbildung eines Knochenanwurfes gefolgt wäre, so daß auch 
jetzt noch kein enchondraler Callus besteht. Nur in den beiden geringgradigen Rachitisfällen 9 und 13 
kann im vollen Sinne von enchondraler Ossifikation die Rede sein, wiewohlselbst da nicht annähernd 
in der Ausdehnung, wie in normalen Fällen. Beide Male, namentlich im Falle 13, sah man viele 


Rachitis und Epithelkörperchen. 987 


aufgebrochene Kapseln, die mit gefäßhaltigem Bindegewebe erfüllt waren, ein Knochenanwurf war im 
Falle 9 nur hie und da vorhanden, im Falle 13 schon recht oft zu finden, die enchondralen Bälkchen mit 
dem verkalkten zentralen Knorpeleinschluß waren im Falle 9 nur vereinzelt zu finden, im Falle 13 aber 
so zahlreich, daß man schon von einem richtigen enchondralen Callus sprechen kann, was eben nur bei 
diesem einen Rachitistiere der Fall war. 

Diese ungemein auffallende Rückständigkeit der enchondralen Össifikation im Knorpelcallus rachiti- 
scher Tiere ist ein Analogon der gehemmten enchondralen Össifikation, wie wir sie in der Rippe kennen 
gelernt haben und gehört auf das nicht geringe Konto rachitischer Hemmungserscheinungen überhaupt. 
Interessanterweise hat die gleiche Verspätung in der Umformung des Knorpelcallus zu Knochencallus 
Canal nach Ek.-Exstirpation gefunden, und Morel hat diese Angabe für das junge Tier bestätigt; auch 
ich habe seinerzeit am 24tägigen Callus eines normalen Tieres die enchondrale Össifikation fast völlig 
abgeschlossen gefunden, während im gleich alten Callus desselben Tieres nach der Ek.-Exstirpation 
der Knorpel von der enchondralen Ossifikation noch gar nicht berührt wurde. Dieses gleiche Verhalten 
bei der spontan rachitischen und parathyreoidektomierten Ratte erscheint für uns darum von Interesse, 
weil wir (siehe unten) bei der spontanen Rachitis eine relative Insuffizienz der Ek. annehmen, die zur 
Hyperplasie und Hypertrophie derselben führt. 

Der enchondrale Callus von spongiösem Aufbau mit jungem Bindegewebe in den Markräumen, 
reichte stellenweise bis ans Periost, erstreckte sich sogar von dem Frakturende den Schaft entlang ein 
Stück weit weg von der Äquatorialebene, so die ehemalige Ausdehnung des Knorpelcallus verratend. Das 
Knochengewebe des enchondralen Callus war meist kalklos. 

Der schon im Callus der normalen Tiere geschilderte und gedeutete allmähliche Übergang von 
Knorpel- zu Knochengewebe fand sich in der ganz gleichen Art auch bei den Rachitistieren in jedem 
Falle, manchmal sogar sehr oft (Fig. 4c). Der Übergang geschah sowohl in kalkloses als auch in kalk- 
haltiges Knochengewebe, und im letzteren Falle war es von Interesse zu beobachten, wie die rein- und 
dunkel-, fast schwarzblaue Farbe der noch isoliert stehenden Kalkkörner und -krümel in dem Maße 
als wir von der Grundsubstanz des Knorpels in die des Knochens übergehen, zu einer rot-violetten 
wird. Dies sind auch die Farben des kalkhaltigen Knorpels und Knochens überhaupt bei mit Hämalaun- 
Eosin gefärbtem Müller-Material. 

Auch allmählicher Übergang von Knorpel- zu Bindegewebe konnte regelmäßig nachgewiesen 
werden, was bei den normalen Fällen nicht der Fall war, denn bei diesen war das Knorpelgewebe auf der 


ganzen Linie schon in enchondraler Ossifikation begriffen, bei jenen stets erst noch im Stadium der 
Knorpelproduktion. 


* * 


Der periostale knöcherne Callus bietet bei den Rachitistieren gegenüber den normalen sehr 
bedeutende Verschiedenheiten. Die Gesamtmasse des knöchernen Callus überschreitet häufig, wenn 
auch nicht immer, das Normalmaß sehr bedeutend, wovon wir uns überzeugen, wenn wir Fig. I mit 
Fig. 8 vergleichen. Dies kann nicht nur bei schweren, sondern auch bei leichten Rachitisfällen vorkommen 
und hat seinen Grund, ebenso wie die mächtige Entwicklung der sekundären Spongiosa in den rachiti- 
schen Rippen, darin, daß der Kalkgehalt des knöchernen Callus pathologisch gering ist und der Knochen 
nach dem schon von Schmorl geäußerten Prinzipe an Masse das zu ersetzen trachtet, was ihm an 
Festigkeit abgeht. Die große Knochenmenge bildet nicht nur oft eine ansehnlich dicke Hülle um den alten 
Schaft (Fig. 8p), sondern kann auch den oft großen Raum zwischen den resorbierten Frakturenden ganz 
ausfüllen (Fig. 52). Doch gibt es auch Rachitisfälle mit gering entwickeltem knöchernen Callus, dies 
waren aber stets leichtere Fälle. 

Die Grenzen des knöchernen Callus sind die gleichen wie bei den normalen Fällen, nur fehlt gegen 
die Äquatorialebene hin das Angrenzen an den enchondralen Callus, da letzterer bei den Rachitistieren mit 
Ausnahme eines Falles (13) überhaupt noch nicht zur Ausbildung gelangt ist. 


Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC. Bd. 80 


588 Dr. J. Erdheim, 


Die verschiedene Ausbildung des Callus je nach der verschiedenen Stellung der Fragmente 
wurde, als von dieser bei der Corticalis die Rede war, schon abgehandelt. 

Das die Balken aufbauende Knochengewebe ist zum Teil von geflechtartigem, zum Teil von 
mehr oder weniger reifem Typus. Der erstere, vom primitiven Callus stammende, fehlte niemals, nahm 
stets den zentralen, verkalkten Balkenteil ein, war bald an Menge gering, bald überwiegend vertreten und 
besonders an der schon bei den normalen Fällen angegebenen typischen Stelle zu finden. Die Hauptfund- 
stätte des reifen Knochengewebes war wieder der pathologisch breite, kalklose Saum der Balken. 

Die Knochenbalken setzen mit wenigen Ausnahmen eine ungemein dichte, völlig ungegliederte, 
gleichförmige, nirgends klare Stützstruktur verratende Spongiosa zusammen (Fig. 6 b bis e, Fig. 7 m bisp, 
Fig. 8 p), die sogar so dicht sein kann, daß sie eher den Namen einer Compacta verdient (Fig. Sp rechts 
unten). Die Markräume (Fig. 7 g,8r) sind schmäler als die Balken, oft auf enge Gefäßkanäle reduziert 
und enthalten außer dem nicht weiten Gefäß und dem an großen, hellen Zellen reichen Bindegewebe nur 
noch OÖsteoblasten, die an Zahl und Größe sehr verschieden waren. Von irgend einer Gliederung, einem 
Umbau, von Kittlinien und der sekundären Aushöhlung des Callus, wie sie in normalen Fällen als 
konstant geschildert wurde, ist noch nichts zu sehen. Der periostale knöcherne Callus muß somit, von 
seiner bedeutenden Menge abgesehen, in der Entwicklung als bedeutend rückständig bezeichnet werden, 
wozu auch noch die enorme Kalkarmut (Fig. 6 bis 8) paßt, von der unten genauer die Rede ist. Nur 
im geringgradigen Rachitisfalle 13, der schon durch die Ausbildung eines enchondralen Callus eine gewisse 
Annäherung an das normale Verhalten verriet, fanden sich im knöchernen Callus auch Kittlinien, die 
Balken waren, wie übrigens auch im leichten Rachitisfalle 12 (Fig. 5) etwas schmäler, nicht breiter als die 
Markräume und besser verkalkt. 

Nebenbei bemerkt können schmale Balken und breite Markräume, wie dies in den Fällen 14 
und 12 (Fig.5z7) zu sehen ist, darin ihren Grund haben, daß an einer solchen Stelle der Callus viel jünger 
ist als an anderen Stellen. So konnte der knöcherne Callus bei kC in Fig. 5 sich vom Tage der Fraktur an 
entwickeln und ist alt, bei z jedoch mußte vorerst das Frakturende abgebaut werden und dann erst konnte 
sich der Callus etablieren, der also darum erst jung ist. | 

Die Vereinigung des dies- und jenseitigen knöchernen Callus war bei den normalen Fällen im 
vorliegenden Stadium hauptsächlich durch den enchondralen und Knorpelcallus gegeben, über die hinweg 
nur in einigen Fällen bereits eine partielle knöcherne Vereinigung erfolgt ist. Der fibröse Callus spielte 
aber als Bindeglied nur eine ganz geringe Rolle und darum waren die Fragmente in der Hälfte der Fälle 
schon ganz fest vereinigt, in der anderen Hälfte war nur noch eine Spur von Beweglichkeit nachweisbar. 
Bei den Rachitisfällen jedoch begegnen wir den extremsten Verschiedenheiten. Zunächst spielt der 
Knorpel, weil er nur gering entwickelt ist, als Bindeglied eine untergeordnete Rolle; Fig. 8 (}) zeigt 
eine partielle knorpelige Vereinigung. Der enchondrale Callus kommt aber, weil er so gut wie immer 
fehlt, gar nicht in Betracht. Eine umso größere Bedeutung hat aber der fibröse Callus mit 
seinen zahlreichen, großen, hellen, ovalen Zellen, deren Kerne sich zuweilen in Mitose befinden. Dieses 
junge, oft in erheblicher Menge vorliegende Bindegewebe, welches den fast 1 mm großen Zwischenraum 
zwischen den abgebauten Frakturenden ausfüllen kann, übernimmt in manchem Falle die Vereinigung 


der Fragmente zum Teil und etwa in der Hälfte der Fälle vollständig oder fast vollständig (Fig. 6f, 


80,n,9 BC). Eine knöcherne Vereinigung der Fragmente endlich ist fleckweise fast nurin leichten 
Rachitisfällen zu finden, unter denen es aber, wenn auch selten, solche gibt, wo die Verbindung bereits 
durchwegs knöchern ist (Fig. 58, ). Da aber dieser knöcherne Callus ungenügend, zum Teil gar nicht 
verkalkt ist, ist selbst in solchen Fällen die Beweglichkeit der Fragmente nicht aufgehoben, 

So wie in bezug auf die Rückständigkeit der enchondralen Ossifikation, so ist auch in bezug auf 


die Rückständigkeit in der Entwicklung des periostalen Callus eine weitgehende Ähnlichkeit zwischen 


der spontan rachitischen und der parathyreoidektomierten Ratte zu konstatieren. So fand ich seinerzeit 
bei letzterer im periostalen Callus noch keinen Umbau, so daß er zur Hälfte aus geflechtartigen Knochen 
bestand, während im gleichalten Callus desselben Tieres aus der Zeit vor der Ek.-Exstirpation der Umbau 


Rachitis und Epithelkörperchen. 989 


schon so weit vorgeschritten war, daß der geflechtartige Knochen auf ein Minimum reduziert war; ferner 
war der parathyreoiprive Callus viel gröberbalkig und die Verbindung beider Callusteile noch knorpelig- 
fibrös, im Gegensatz zur bereits knöchernen des gleichalten Callus aus der Zeit vor der Parathyreoid- 


ektomie. 
%* * 
%* 


Das Periost, welches, wie in normalen Fällen, in der Äquatorialebene besonders verdickt zu sein 
pflegt, ist auch die Quelle für den eben geschilderten, in der Äquatorialebene gelegenen, bei den Rachitis- 
fällen eine so wichtige Rolle spielenden fibrösen, gefäßarmen Callus, der zuweilen jedes Bruchende für 
sich einhüllt und dann beide vereinigt und durch die nachweisbaren Mitosen seine noch fortschreitende 
Entwicklung anzeigt. 

Die Knochensplitter spielen bei den Rachitisfällen lange keine so großeRolle als bei den 
normalen. Im Gegensatz zu diesen fehlten sie manchmal ganz, und wo sie vorhanden waren, waren sie 
fast immer spärlich, oft auch nur klein. Der Grund dafür könnte zum Teil darin gesucht werden, daß 
der rachitische Knochen dem Instrumente weniger Widerstand entgegenstellte und bei der Durchtrennung 
weniger splitterte, zum Teil aber darin, daß die Splitter der von Haus aus meist porotischen Corticalis 
kleiner, weniger kompakt waren, dem Abbaue mehr Angriffspunkte darboten und darum zur Zeit der 
Untersuchung schon vielfach resorbiert waren. Sie lagen nur ein einziges Mal im Knorpelcallus, 
der ja bei Rachitis soviel geringer entwickelt ist, schon öfter im periostalen, knöchernen und fibrösen 
Callus, an letzterer Stelle, wie in den normalen Fällen, von geringer Größe und ohne Riesenzellen. Am 
häufigsten fanden sie sich im Periost, wo sie zum Teil reaktionslos in junges Bindegewebe eingeheilt und 
nur zum Teil von Riesenzellen umlagert waren. Diese fehlten in normalen Fällen fast niemals, bei 
Rachitis waren sie überhaupt nur in drei Fällen nachweisbar. 


* * 
* 


Bevor wir zur Besprechung des Osteoids übergehen, wollen wir noch kurz auf jene Fälle zu 
sprechen kommen, die wir in der Besprechung bisher nicht berücksichtigt haben. Im Falle 19 lag 
uns eine künstlich hergestellte Fraktur nur an der Rippe vor, die allerdings ebenfalls 15 Tage der 
Heilung überlassen wurde. Wie die Fig. 9 zeigt, hat der Callus auch dieser Lokalisation die rachitischen 
Eigenschaften der bisher besprochenen, die sehr geringe Menge von Knorpelcallus (X,), der sich in den 
ersten Anfängen vasculären Abbaues befindet; die ausschließlich fibröse Vereinigung beider Fragmente 
(BC) und die sehr bedeutende Entwicklung des fibrösen Callus; die sehr bedeutende Menge und unge- 
gliederte Struktur des periostalen knöchernen Callus (C, C,), der auf der konkaven Seite der winkeligen 
Fraktur bedeutend stärker entwickelt ist, als auf der konvexen (vergl. C, rechts und links); endlich die 
absolute Kalklosigkeit des knöchernen Callus dieses schwersten Rachitisfalles, worin dieser alle übrigen 
übertrifft, denn sonst fand sich doch immer, wenn auch oft nur recht wenig, Kalkablagerung vor. 

Ein anderer für sich zu besprechender Fall ist das Tier 21, dessen 4ötägigen Callus wir zuerst 
mit dem Idtägigen der anderen Tiere vergleichen wollen. Der viel längeren Dauer entsprechend war 
die Heilung schon sehr fortgeschritten. So war, im rechtsseitigen Callus wenigstens, aller Knorpel durch 
die enchondrale Ossifikation aufgebraucht und der enchondrale Callus war ringsherum vom periostalen 
knöchernen Callus eingeschlossen, der ihn auch vom Perioste abdrängte. Die Vereinigung beider Fragmente 
war durchaus knöchern und durch den periostalen knöchernen Callus vermittelt, der nicht nur die Bruch- 
enden umlagerte, sondern auch den großen Zwischenraum zwischen diesen ausfüllte und durch die 
Anwesenheit von Kittlinien im rechtsseitigen Callus seinen vorgeschrittenen Umbau verriet. Demzufolge 
war der Bau gegen die früheren Stadien vereinfacht. 

Vergleichen wir nun in dem Falle den Callus beider Seiten untereinander, welcher beide 
Male 45 Tage alt war, von denen aber der rechte 75 Tage vor dem linken angelegt wurde. Es gelingt 
leicht zu zeigen, daß in dieser Zeit die Rachitis vorgeschritten ist, denn der spätere Callus ist gegen den 
früheren typisch rachitisch rückständig. Im linksseitigen Callus war der Knorpel zum Teil noch erhalten, im 


590 unnDr. R Erdheim, 


rechtsseitigen war er durch die enchondrale Össifikation schon ganz aufgebraucht. Der Knochenanwurf im 
enchondralen Callus war rechterseits meist kalkhaltig mit kalklosem Saum, ausnahmsweise ganz kalklos, 
linkerseits zumeist ganz kalklos. Im periostalen knöchernen Callus gab es rechterseits nirgends mehr ganz 
kalklose Balken, linkerseits waren in den zentralen Callusteilen, zwischen den beiden Frakturenden, die 
Knochenbälkchen eigentlich ganz kalklos, so ähnlich wie das im Falle 12, Fig. 5z, zu sehen ist. Die 
Ursache für dieses Verhalten ist zweifach. Der zentrale Callusteil ist kalklos, weil er jünger ist als der 
periphere. Er konnte nämlich erst dann gebildet werden, als die früher an gleicher Stelle gelegenen 
Frakturenden abgebaut waren; ferner tritt das Calluszentrum in bezug auf den Kalkgehalt gegen die 
Callusperipherie darum zurück, weil letztere statisch viel wichtiger ist und, wie wir schon wissen, die 
statische Beanspruchung die Kalkablagerung fördert. Der linksseitige Callus ist fernerhin gegen den rechts- 
seitigen rückständig, weil die Übergangszone an der Kalkgrenze pathologisch verbreitert und grobkörnig 
war, rechts wohl auch pathologisch breit, aber feinkörnig. Die durchschnittliche Breite des Osteoids betrug 
links 279, rechts nur 22'9w. Die auf stattgehabten Umbau hindeutenden Kittlinien waren rechts vor- 
handen und fehlten links. Der Abbau der nekrotischen Frakturenden war rechts vorgeschrittener als links. 
Alles das deutet darauf hin, daß die Rachitis im Verlaufe der 75 Tage fortgeschritten ist. 

Der Vorzug, den bei der Beurteilung des Kalkstoffwechsels der frisch angelegte Callus gegenüber 
dem rachitischen Zahn- und Rippenbilde aufweist, ist schon in der Einleitung zum Callusabschnitte 
gewürdigt worden. Wir haben dort gehört, daß die Rachitis eine Folge der Kalkstoffwechselstörung ist, 
daß es aber geraume, durch verschiedene Umstände modifizierbare Zeit dauert, bis die Kalkstörung auch 
ihrem Grade nach im Rippenbilde voll zum Ausdruck kommt, -was aber für den Callus nicht gilt, so daß 
zwischen Rippen- und Callusbild nicht immer Harmonie bestehen muß. 

Am Falle 21 haben wir ein Beispiel für dieses Verhalten. Als das Tier getötet und damit die 
Heilung der linksseitigen Fraktur abgebrochen wurde, bestand ausgesprochene Rachitis, die Nagezähne 
waren opak, es bestanden spontane Rippenfrakturen und ein Rosenkranz, dessen histologische Unter- 
suchung hochgradige rachitische Veränderungen ergab: und so war es klar, daß auch der 'Callus der ab- 
sichtlich angelegten linksseitigen Fibulafraktur rachitische Stigmata aufweisen muß, die .in der erheblich 
pathologischen Osteoidbreite von 27'9 x ihren Ausdruck findet. Als aber drei Monate früher der Versuch 
damit begann, daß dem Tier rechterseits die Fibula frakturiert und eine Rippe reseziert wurde, da hatte in 
vivo noch kein Anzeichen dafür bestanden, daß das Tier rachitisch sei, denn die Nagezähne waren von 
ganz normaler Transparenz und die histologische Untersuchung der resezierten Rippe ergab so gering- 
fügige Veränderungen, daß aus ihnen allein auf eine irgendwie namhafte Kalkstörung noch nicht hätte 
geschlossen werden dürfen. Es war in dieser Rippe die durchschnittliche Osteoidbreite wohl schon patho- 
logisch vermehrt, gehörte aber im Vergleich mit anderen Rachitisfällen zu den geringsten der ganzen 
Reihe. Umso überraschender war es, daß der Callus der um dieselbe Zeit angelegten Fraktur schon 
sehr ausgesprochene rachitische Eigenschaften hatte und mit der durchschnittlichen Osteoiddicke von 
22:9 u eigentlich schon zu den erheblich rachitischen zählt. Freilich muß inzwischen, um die Zeit, als die 
Heilung dieses Callus unterbrochen wurde, die Kalkstörung auch im übrigen Skelett schon zu stärkeren 
rachitischen Veränderungen geführt haben, als das an der seinerzeit resezierten Rippe der Fall war, denn 
zu dieser Zeit begannen schon die Nagezähne opak zu werden. Leider wurde in diesem Augenblicke eine 
zweite Rippenresektion nicht ausgeführt, deren Notwendigkeit sich erst später herausgestellt hatte. Während 
aber die Nagezähne erst begannen opak zu werden, war der Fibulacallus schon ausgesprochen und erheb- 
lich rachitisch, und zwar nicht viel weniger rachitisch als der linksseitigeFibulacallus aus der Zeit des Ver- 
suchsendes, als die Rippen bereits schwer rachitisch verändert und die Nagezähne schon ganz opak waren. 

Endlich ist noch der Callus des Tieres 22 zu erwähnen, dessen Heilung schon am zehnten Tage 
durch den vorzeitigen Tod dieses rachitischen und zugleich hochgradig marantischen Tieres unter- 
brochen wurde. Für die sehr bedeutende Rückständigkeit der Callusbildung gibt es hier zwei Ursachen» 
die Rachitis und den Marasmus. So waren die nekrotischen Frakturenden noch ganz frei von lacunärem. 
Abbau, vom Knorpelcallus waren erst vereinzelte Knorpelzellen zu sehen, die Vereinigung der Fragmente 


Rachitis und Epithelkörperchen. 594 


war rein bindegewebig, das Bindegewebe entstammte: teils dem Endost, beziehungsweise Knochenmark, 
hauptsächlich aber dem Periost und im periostalen fibrösen Callus lagen erst einige ganz kalklose 
Knochenbälkchen. x N 

* 

Wir gehen zur Besprechung der meist charakteristischen Eigenschaft des rachitischen Callus über, 
seiner Kalkarmut. Aus dem Diagramm XXIV, in dem die Werte für die Fälle 16, 10, 14 und 18 ein 
Mittelaus dem Durchschnittsmaß des rechten und linken Callus darstellen, ersehen wir, daß die Östeoid- 
dicke beim rachitischen Callus ausnahmslos pathologisch groß ist, und zwar ist die geringste Zahl der 
Rachitisreihe mehr als doppelt so groß als die größte der normalen. Die Variationsbreite der Rachitis- 
fälle untereinander ist etwas größer als wie die der normalen Fälle, 


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XXIV. Osteoiddicke im Fibulacallus 1 u = 1 mm. 


(Da im Diagramm XXIV auf Tafel X ein bei der Reproduktion entstandener Fehler bei der Korrektur übersehen wurde, wird dieses 


Diagramm hier im Texte in korrekter Form wiedergegeben.) 


Der Vergleich zwischen der Östeoiddicke der Rippe und des Fibulacallus bei den normalen Tieren 
hat ergeben, daß nur eine ganz leichte Neigung zu größeren Zahlen im Callus ‘besteht, daß diese in 
6 Fällen um 04 bis 16 größer, und nur in 2 Fällen um 0:3 bis O4 ı kleiner waren als in der Rippe, 
daß aber die Diagramme X und XXIV einander ganz ähnlich waren. Stellen wir denselben Vergleich bei 
den Rachitistieren an. Bei diesen variiert die Osteoiddicke im Callus zwischen 14°7 und 3331, also etwas 
mehr als ums zweifache, und in der Rippe zwischen 74 und 81°9 u, also ums elffache. Das ergibt eine 
erheblich größere Variationsbreite in der Rippe als im Callus. Bei genauer Betrachtung ist aber 
der Unterschied doch geringer. Unter den Rippenmaßen figuriert als kleinste Zahl der Marasmusfall 22, als 
größte der Fall 19. Beide Fälle müssen aber außer Betracht bleiben, denn sie fehlen unter den Callusmaßen 
auch, Fall 22 deshalb, weil da der Callus erst in den Anfängen seiner Entwicklung stand, Fall 19 darum, 
weil hier die Callusbalken absolut kalklos waren, während die Maße aller anderen Fälle an solchen Balken 
genommen wurden, die schon zentral Kalk enthielten. Daß aber zwischen den beiden Arten der Maße ein 
erheblicher Wertunterschied besteht, werden wir unten sehen. Unter Weglassung dieser zwei Fälle 
bekommen wir in der Rippe noch immer eine Variabilität um mehr als das fünffache gegen mehrals das 
zweifache im Callus. Im letzteren ist das Osteoid nie so schmal, aber auch nie so breit wie in der Rippe. 

Führen wir den Vergleich für jeden einzelnen Fall durch, so finden wir unter den 12 gemessenen 
Callusfällen das Osteoid im Callus sechsmal dicker, und zwar um 0'7 bis 12°8 w, und sechsmal dünner 
als in der Rippe des gleichen Falles, und zwar um 47 bis 24°6 p. Unter den Tieren, bei denen das 
Osteoid im Callus dicker ist als in der Rippe, fanden sich ausschließlich leichtere Rachitisfälle, unter den 
Tieren, bei denen das Osteoid im Callus dünner ist als in der Rippe, fanden sich die 4 schwersten Rachitis- 
fälle der Reihe.. Über grobe Unterschiede im Kalkgehalt zwischen dem frischen Callus und der Rippe des 
gleichen Tieres war schon bei Fall’21 die Rede. Wir haben dort gesehen, daß solche Verschiedenheiten 
darauf beruhen können, daß der Kalkgehalt des Callus der richtige Ausdruck für den augenblick- 
lichen Zustand des Kalkstoffwechsels ist, was für den Kalkgehalt der Rippe nicht unbedingt gelten 
muß, da diese beim Einsetzen der Kalkstoffwechselstörung noch einige Zeit einen relativ zu großen, beim 


592 Dr. J. Erdheim, 


Aufhören derselben einen relativ zu geringen Kalkgehalt aufweisen kann. So könnte man auch hier die 
6 leichteren Rachitisfälle, in denen die Osteoiddicke im Callus größer ist als in der Rippe, als Rachitisfälle 
mit progredienter und die 6 meist schwersten Rachitisfälle, in denen das Umgekehrte der Fall ist, als 
Rachitisfälle mit sich rückbildender Kalkstörung bezeichnen. 

Zu solchem Schlusse sollte aber erst ein erheblicher Unterschied berechtigen, denn die ganze Rippe 
und die gebrochene Fibula sind zwei Objekte, die nicht ohne weiteres vergleichbar sind. Im Callus wird 
zweifellos zum Zwecke der Fragmentvereinigung ein viel erhöhteres Bedürfnis nach möglichst rascher 
Verkalkung bestehen, als in der Rippe, diese wieder ist zufolge der viellangsameren Knochen- 
apposition bezüglich des Kalkgehaltes im Vorteil, und es ist nicht gut möglich, die Bedeutung dieser 
Faktoren gegeneinander abzuschätzen. | 


Von allen diesen Variationen abgesehen, ist das Osteoid im rachitischen Callus durchwegs und ganz 
erheblich dicker als im Callus normaler Tiere, und das ist eine Haupteigenschaft des rachitischen Callus. 
Während ferner das Osteoid im Callus normaler Tiere (Fig. 2, 3) nicht sehr häufig anzutreffen war und 
an Menge gegen den kalkhaltigen Knochen sehr stark zurücktrat, war es im rachitischen Callus selbst 
in den leichtesten Fällen ausnahmslos an jedem Bälkchen nachweisbar (Fig. 4, 5 O), so daß in einem 
Schnitt an einem Viertel des Callus mehr als 30 mikrometrische Messungen ausgeführt werden konnten, 
und an Menge trat es selbst in den leichtesten Rachitisfällen niemals stark in den Hintergrund 
(Fig. 4, 5), nahm !/, bis !/, der Balkendicke ein. Bei schweren Rachitisfällen aber (Fig. 6 bis 8) waren 
die Callusbälkchen vorwiegend, vielfach Sogar in toto Kalklos. Jedoch nur im Falle 19 (Fig. 9) waren 
alle Bälkchen ganz kalklos. 


Die Verkalkung des Balkenzentrums war nur in den allerleichtesten Rachitisfällen (9, 11) 
immer vorhanden, schon bei manchem leichteren Fall fehlte sie stellenweise (Fig. 5:), und bei den 
schweren Fällen (Fig. 6 bis 8) sogar im größten Teil des Callus. Abgesehen von der reduzierten 
Extensität war auch die Intensität der Verkalkung oft nur sehr gering, was an der Färbungsintensität 
zu erkennen war. Nur in ganz wenigen, leichten Fällen war die Färbung des verkalkten Balkenzentrums 
so dunkel, wie in Fig. 5 (XC), zumeist war sie ganz blaß bläulich (Fig. 65, e,7 p, 8p,), fleckweise nur 
noch an einem blaßblauen Anflug zu kennen (Fig. 70). Die Übergangszone vom kalkhaltigen zum 
kalklosen Knochengewebe war in spezifisch rachitischer Weise erheblich verbreitert, aber fast immer 
feinkörnig, ganz ausnahmsweise etwas gröber körnig. / 


Das bisher über den KalkgehaltGesagte gilt für den periostalen knöchernen Callus, der ja die Haupt- 
masse darstellt. Viel häufiger als dieser ist der enostale Callus in toto kalklos (Fig. 8%k), in leichten 
Fällen wenigstens zum Teil kalkhaltig. : 

Während im Callus normaler Tiere das Osteoid fast ausschließlich im periostalen knöchernen Callus 
zu finden war und im enchondralen so gut wie ganz fehlte, kam in diesem bei den Rachitisfällen 
gelegentlich ein ganz kalkloser Knochenanwurf vor oder dieser war nur partiell kalkhaltig. 


Es war oben davon die Rede, daß zumeist, wenigstens in den schweren, floriden Rachitisfällen, die 
Verkalkung der Balkencentra eine wenig intensive war, so daß sie stellenweise nür an einem blaßblauen 
Anflug des Östeoids zu erkennen war. Diese Anverkalkung stellt aber Lehnerdt für die floride Rachitis 
in Abrede, da sie für die Kalkaufnahmsfähigkeit des Osteoids sprechen würde, die er aber für das floride 
Stadium der Rachitis absolut leugnet, und selbst in beschränktem Maße nicht zugibt. Wir werden im 
letzten Abschnitte sehen, daß man selbst bei florider Rachitis eine, wenn auch in verschiedenem Grade 
beschränkte Verkalkungsmöglichkeit des Osteoids annehmen kann, also auch dfe Möglichkeit des Vor- 
kommens einer Anverkalkung. Nach Lehnerdt läge mit Ausnahme des Falles 19 in keinem unserer Fälle 
eine floride Rachitis vor, was nach der Beschreibung des Rippenbildes für die schweren Fälle gewiß nicht 
zutrifft. Es muß also während der Rachitis die Kalkablagerung nicht völlig sistieren, sie erfolgt aber, wenn 
vorhanden, nur unvollkommen in bezug auf Raschheit, Ex- und Intensität. Die in ihrer Intensität geringe 
rachitische Kalkablagerung gibt das Bild der Anverkalkung. 


Rachitis und Epithelkörperchen. 993 


Wie schon bei den anderen Punkten, so soll auch noch bei der Verkalkung auf die Übereinstimmung 
hingewiesen werden, die zwischen der spontan rachitischen und der parathyreoidektomierten Ratte besteht. 
Im 24tägigen Callus betrug die Östeoiddicke beim normalen Tier durchschnittlich 8:5, und beim selben 
Tier an einem gleich alten Callus nach der Ek.-Exstirpation 43 u. Dabei war die Flächenausdehnung des 
Osteoids unvergleichlich größer geworden und die körnig-krümelige Übergangszone viel breiter. 


* * 
* 


Wenn wir unsere Figuren 5 bis 9 genauer betrachten, so fällt uns im Callus eine ungleich- 
mäßige Kalkverteilung auf. In Fig. 5 haben wir bei: ganz kalklose, sonst aber stets, zentral wenigstens, 
gut verkalkte Callusbälkchen. In Fig, 8 ist der Callus bei p, deutlich, wenn auch nur gering kalkhaltig, 
sonst überall (p» bis p,) ganz kalklos. In Fig. 7 ist der Callus bei p gering, bei o äußerst wenig kalkhaltig, 
sonst (m, n) ganz kalklos. Es ist von Interesse, auf diese Verschiedenheiten etwas einzugehen. 

Wir wissen, daß wir in der Breite des osteoiden Saumes den zahlenmäßig darstellbaren, also 
verläßlichsten Ausdruck des Kalkstoffwechsels zu erblicken haben. Die Östeoidsäume sind beim 
normalen Skelett am schmälsten, am leicht rachitischen breiter, am schwer rachitischen am breitesten. 
Da aber der Kalkstoffwechsel für alle Skeletteile in gleicher Weise maßgebend ist, so sollte man erwarten, 
daß die Östeoidbreite überall die gleiche wäre. Das ist aber schon im normalen und ganz besonders 
im rachitischen Skelett nicht der Fall, wie schon die Notwendigkeit, aus mehreren Messungen eine 
Durchsehnittszahl zu ziehen, beweist. Ein Teil dieser ungleichmäßigen Osteoiddicke wird wohl seinen 
Grund in verschieden langer Appositionsdauer des Knochens an den gemessenen Stellen haben. 

Nehmen wir einen Fallan, dessen durchschnittliche Osteoiddicke 1Ou beträgt. Hat an 
einer lacunären Resorptionsfläche der Knochenanbau begonnen, so messen wir von der Kittlinie an eine 
Osteoidauflagerung von zum Beispiel 6 1 Dicke, also zu wenig. Erst wenn die Apposition Il. dick 
geworden ist, ist der neue Knochen zu unterst schon verkalkt und wir messen nunmehr von der körnig- 
krümeligen Zone Pommers, in der die Verkalkung vor sich geht, eine 10 u dicke Osteoidschicht, Daraus 
ist zu ersehen, daß, wenn man statt von der körnigen Zone von einer Kittlinie aus mißt, man 
Gefahr läuft, zu geringe Zahlen zu erhalten. 

Das gleiche gilt auch von Knochenbälkchen, die sich nicht an alte apponieren, sondern mitten 
im Bindegewebe entstehen. Am Längsschnitt eines solchen Bälkchens erfolgt die Knochenapposition 
von beiden Seiten, und ist das Bälkchen zum Beispiel 12 u dick, so ist es noch in toto.kalklos, denn es 
hat von beiden Seiten erst je 6 Knochensubstanz angebaut. Ist aber das Bälkchen 22 u dick geworden, 
so ist es axial Schon verkalkt, und nun ergibt die Messung auf jeder der beiden Seiten einen lO u dicken 
Osteoidsaum. Wir sehen also, daß man beim Messen ganz kalkloser Bälkchen die Balkendicke 
halbieren muß und daß man dabei Gefahr läuft, eine zu geringe Osteoiddicke zu erhalten. Darauf 
wurde schon kurz in einer früheren Publikation hingewiesen. 

Dessen eingedenk wurde bei unseren mikrometrischen Dickenbestimmungen des Osteoids stets 
darauf gesehen, nur von einer körnig-krümeligen Zone aus zu messen und in jenen Rachitisfällen, in denen 
ganz kalklose Balken vorkommen, die Osteoidmasse der letzteren nicht mit den ersteren zusammen- 
zuwerfen, sondern gesondert für sich zusammenzustellen. Trotzdem aber die erhaltenen Dickenmaße 
der ganz kalklosen Balken, wie ausgeführt, halbiert wurden, kamen ausnahmslos an allen gemessenen 
Fällen (14, 16, 17, 18, 21) nicht wie nach dem oben Gesagten zu erwarten war, zu kleine, sondern 
überraschenderweise zu große Dickenmaße des Osteoids heraus. Von den 5 gemessenen Fällen 
lag in dreien (14, 16, 18) ein beiderseitiger Fibulacallus vor und beiderseits war das Verhalten der Osteoid- 
dicke in den ganz kalklosen Balken gleich. Die Größenunterschiede zwischen dem Dickenmaße der 
Osteoidsäume und der halbierten kalklosen Balken desselben Callus waren nicht etwa gering, sondern 
sehr erheblich und bewegten sich zwischen 13 und 20°3 u. 

Mit dieser festgestellten Tatsache war abermals aufs klarste bewiesen, daß, trotzdem der Kalkstoff- 
wechsel für alle Callusteile der gleiche sein muß, die einen Callusteile von der Verkalkung 


594 Dr. J. Erdheim, 


bevorzugt, die anderen vernachlässigt werden, und dies geschieht bei Rachitis in so auffallendem 
und erheblichem Grade, daß jeder Irrtum ausgeschlossen ist. 

Eine genaue Betrachtung der erhaltenen Schnittbilder belehrt uns aber ferner, daß die Verteilung 
der calcioprotektiven Callusgebiete nicht etwa willkürlich, sondern gesetzmäßig ist, indem 
die statisch meistbeanspruchten Callusteile den Kalk am ehesten und intensivsten auf- 
nehmen. Es ist klar, daß -eine solche lokale Auslese des Verkalkungsvorganges gerade in 
Rachitisfällen am leichtesten zur Beobachtung gelangen wird, sei es weil mit dem wenigen Kalk 
sozusagen hausgehalten werden muß und es an die dringendst nötigen Stellen dirigiert wird, sei es, 
weil die der Kalkaufnahme hinderlichen Momente an den mechanisch meistbeanspruchten 
Stellen am ehesten überwunden werden. In Fällen mit normalem Kalkstoffwechsel, in denen die Ver- 
kalkung der Knochenapposition auf dem Fuße folgt, wird es keine so günstige Gelegenheit geben, der- 
gleichen ungleichmäßige Kalkverteilungen zu studieren. 

Aus der Fülle der sich im rachitischen Callus darbietenden Bilder mögen einige typische Bei- 
spiele für das eben Gesagte angeführt werden. 

Im Falle 12 (Fig. 5) ist es unverkennbar, daß die zentralen Partien des Callus es sind (z), die sich 
durch Kalklosigkeit auszeichnen, während der kalkhaltige Teil (g) in sehr ausgesprochener Weise die 
äußerste Peripherie des Callus einnimmt und hier im Schnittbilde eine bogenförmige Brücke bildet, 
die mit ihren Enden breit beiden Fragmenten aufruht, sie auf diese Weise vereinigt und in der 
Äquatorialebene den Knorpelcallus (XC) in seine Kontinuität aufnimmt. Es ist klar, daß’bei der in diesem 
Falle vorliegenden tadellosen Adaptierung der Fragmente die Callusperipherie ein ausgesprochen 
calcioprotektives Gebiet darstellt, während das Calluszentrum, dessen Balken zum Teil ebenso dick 
sind wie anderwärts, durch seine Kalklosigkeit verrät, daß es mechanisch weniger in Betracht kommt. 
Daß dies Calluszentrum, wie oben ausgeführt, jünger sein muß als die Peripherie, reicht allein nicht dazu 
aus, die Kalklosigkeit ganz breiter Balken zu erklären. Am normalen Callus sind wir, allerdings auf 
anderem Wege, ebenfalls schon zu der Meinung gekommen, daß die Callusperipherie die mechanisch viel 
wichtigere ist, denn wenn diese einmal ausgebildet ist, wird der knöcherne Callus in seinem Zentrum 
ausgehöhlt (Fig. 1h) und ebenda liegender Knorpel wird vasculär abgebaut, ohne in Knochen überführt 
zu werden. 

Ähnliche Verhältnisse wie in dem eben beschriebenen Falle 12 bestanden auch im linksseitigen 
Callus des Falles 21 und zum Teil auch im Falle 11. Der Fall 21 war darum noch von Interesse, weil hier 
der Callus schon 45 Tage alt war und die Kalklosigkeit des Calluszentrums nicht mehr gut allein auf sein 
geringes Alter bezogen werden kann. Der rechtsseitige Callus des Falles 14 gehört ebenfalls hierher, denn 
die Vereinigung der leicht verschobenen Fragmente war durchaus knöchern, aber zum weitaus größten 
Teile kalklos, und mitten durch den maßiven Callus sah man im Schnittbilde zu beiden Seiten eine, infolge 
ihres erst sehr geringen Kalkgehaltes blaßblaue Verkalkungsbrücke ziehen, die sich in typischer Weise 
auf die alte periostale Fläche der Fragmentenden stützte und die Callusperipherie bevorzugte, bei völliger 
Kalklosigkeit nicht nur des Calluszentrums, sondern auch jener Callusteile, die, weiter entfernt von der 
Äquatorialebene, den alten Schaft überzogen (analog der Stelle h in Fig. 5). 

Ein anderartiges Beispiel war der rechtsseitige Callus des Falles 16. Hier war die Stellung der 
Fragmente ausgesprochen winkelig. Auf der konvexen Seite war dementsprechend der Callus völlig 
kalklos, auf der konkaven jedoch sieht man, insbesondere in der Äquatorialgegend, im Zentrum der Balken 
bereits Verkalkung, die, infolge der schweren Rachitis, dem Grad und der Ausdehnung nach freilich noch 
gering war. Es bedarf keiner näheren Begründung, daß bei einer winkeligen Stellung der Fragmente der 
Callus der konkaven Seite der mechanisch mehr beanspruchte und darum auch calcioprotektives 
Gebiet ist. K } 

In den linksseitigen Callus der Fälle 16 und 18, sowie im Falle 17, bestand eine erhebliche laterale 
Verschiebung der Fragmente (Fig. 6, 7). Bei dieser fehlerhaften Stellung ist die Callusentwicklung 
auf der einen Seite geringfügig (Fig. 6c, d, 7m, r), auf der anderen kräftig (Fig. 65, e, 70, p) und dies ist 


Rachitis und Epithelkörperchen. 5895 


am obererı Fragmente umgekehrt als am unteren. Die kräftig entwickelte Seite ist mechanisch erheblich 
belastet, ergo calcioprotektives Gebiet und darum auch vor allen anderen Partien verkalkt (Fig. 65, e, 
70, p), wenn auch diese Verkalkung infolge des hohen Grades der Rachitis wiederum extensiv und quanti- 
tativ gering ist. Die schwach entwickelte Callusseite ist gar nicht oder vielleicht nur sehr wenig 
mechanisch in Anspruch genommen und vollständig oder so gut wie vollständig kalklos (Fig. 6c, d, 7m, r). 

Von solchen typischen Bildern abgesehen, begegnet man im rachitischen Callus auch noch solchen 
Beispielen, wo eine rein zufällige Ungleichmäßigkeit der Belastungsverhältnisse Gelegenheit 
gibt, die ebenfalls ungleichmäßige, aber gesetzmäßige Kalkverteilung zu studieren. In Fig. 8 
sehen wir eine ganz besonders massige Callusentwicklung, der Callus ist aber im Quadranten p, schon 
recht gut kalkhaltig, in den drei übrigen Quadranten p, bis p, aber absolut kalklos. Die Ursache ist die 
folgende. Es stützt sich das untere Fragment auf das obere fast ausschließlich so, daß der Callusqua- 
drant p, der linksseitigen Corticalis c des unteren Fragmentes durch Vermittlung des Knorpelstückes I als 
Stütze dient. Dieses meistbelastete Callusstück ist daher schon kalkhaltig. Irfolge der Ver- 
schiebung der Fragmente sind die Callusquadranten p, und p, unbelastet, darum trotz der massigen Ent- 
wicklung ganz kalklos. Der Quadrant p, jedoch, der dazu bestimmt wäre, durch Vermittlung des Knorpel- 
stückes m das obere Fragment zu tragen, ist infolge der Interposition des großen fibrösen Callusstücke. 
nicht belastet und darum ebenfalls ganz kalklos. 

Ein Beispiel ähnlicher Art sehen wir in Fig. 7. Wieder ist der linke obere Callusquadrant (») 
indem sich das untere Fragment auf ihn stützt, der meistbelastete und bestverkalkte, der rechte untere 
aber (0) schon viel weniger verkalkt, weil, wie aus der Figur hervorgeht, viel weniger belastet. 

Durch diese Beispiele, die sich noch vermehren ließen, wird das Gesetz von den calciopro- 
tektiven Gebieten wesentlich gestützt, wornach der meist belastete Knochenteil der bestver- 
kalkte ist. _ 


3. Rachitische Spontanfrakturen der Rippen. 


Die rachitischen Spontanfrakturen der Rippen beanspruchen ein Interesse zunächst darum, weil sie 
für die rachitische Skelettveränderung sehr charakteristisch sind, während sie normaliter niemals vor- 
kommen. Sie sind wahrscheinlich etwas häufiger als bei der menschlichen Rachitis, wiewohl auch bei 
dieser die Obduktion, bei speziell darauf gerichteter Aufmerksamkeit, überraschend oft spontane Rippen- 
frakturen zutage fördert, die sich, ähnlich wie bei unseren Tieren, hauptsächlich in den rückwärtigen 
Rippenabschnitten finden und klinisch meist unerkannt bleiben. 

Warum es zu Spontanfrakturen bei Rachitis kommt, hatte schon H. Müller richtig erkannt, indem 
er die Kalkverarmung des Knochens nicht auf Kalkberaubung bezog, sondern so zustandekommen ließ, 
daß beim Knochenwachstum der alte kalkhaltige Knochen abgebaut wird, während der sich neubildende 
kalklos bleibt. 

Den gleichen Vorgang konnte ich seinerzeit an den Rippen der parathyreoidektomierten Ratte ver- 
folgen, der zwei Monate nach der Ek.-Exstirpation bereits so weit gediehen war, daß die Rippencorticalis 
stellenweise ihrer ganzen Dicke nach kalklos war, und selbst eine Spontanfraktur sich eingestellt hatte. 
Die damals von der Fraktur angefertigte Zeichnung stimmnt nun mit unserer jetzigen Fig. 10 (a), die eine 
rachitische Spontanfraktur darstellt, bis ins Detail überein. Also auch in puncto Spontanfrakturen stimmt 
der Befund der spontan rachitischen mit dem der parathyreoidektomierten Ratte überein. 

Weiterhin erscheinen die rachitischen Spontanfrakturen darum von Interesse, weil sie naturgemäß 
Gelegenheit geben, den Ablauf der rachitischen Callusheilung in den verschiedensten Stadien zu 


" studieren. Diesist eine willkommene Gelegenheit, unsere an den stets lötägigen Fibulafrakturen gemachten 


Erfahrungen zu ergänzen. Freilich macht sich dafür bei den spontanen Rippenfrakturen der Umstand 
unangenehm bemerkbar, daß wir über das wahre Alter der Fraktur gar nichts positives angeben können 


und uns daher nur darauf beschränken müssen, das Heilungsstadium ungefähr zu bestimmen. Weniger 


Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC. Bd. 81 


596 


Dr. J. Erdheim, 


empfinden wir jedoch den Mangel normaler Kontrollobjekte, nämlich von Rippenfrakturen an normalen 
Tieren, und zwar deshalb, weil die Untersuchung der Fibulafrakturen uns in genügender Weise über die 
Eigenschaften rachitischer Frakturheilung aufgeklärt hat. 


Fall 9. 
Fall 10. 
Fall 11. 


A. Kasuistik. 


Bei der Obduktion wurden fünf Rippencallus von Spontanfrakturen gefunden, die zum Teil in den hinteren Rippen- 
anteilen, zum Teil etwas mehr vorne lagen und teilweise mit erheblicher winkeliger Knickung, mit dem Winkel nach 
außen gerichtet, einhergingen. Nach dem histologischen Bau ist keine der Frakturen mehr ganz frisch, wiewohl sie 
untereinander verschieden alt sind. In den relativ jüngeren kann man noch die Bruchstelle des alten Schaftes sehen 
und konstatieren, daß das Fragmentende nekrotisch ist. Diese Nekrose entsteht also nicht nur wie bei den Fibula- 
frakturen durch die quetschende Wirkung der Schere, sondern auch dann, wenn bei der der Spontanfraktur voran- 
gehenden Abbiegung der Rippe die Knochenhöhlen verengt und die darin eingeschlossenen Zellen gequetscht werden. 
Bei winkeliger Knickung ist der periostale Callus auf der konkaven Seite (Fig. 14 4) unvergleichlich viel mächtiger als 
auf der konvexen (f). Nach längerer Zeit werden dann die alten Fragmentenden (Fig. 14 a, bis a,) langsam abgetragen. 
So zum Beispiel endet in der Fig. 14 der alte Schaft a, nach Abtragung seines Fragmentendes derzeit bei D, und der 
ehedem auf dem jetzt schon resorbierten Schaftteil apponierte periostale Callusteil c ist jetzt seiner alten Unterlage 
beraubt. In Fig. 14 hat der Callus d zum Beispiel allein die Verbindung zwischen dem Schaftstück 2, und a, über- 
nommen. Es gibt Frakturen, bei denen der periostale Callus allein zur Ausbildung gelangte (Fig. 14) und die Mark- 
höhle (%k) offen ist, und dann wieder solche, in denen außerdem auch noch ein intermediärer und Markcallus besteht 
und die Markhöhle unterbrochen ist. 

Die Callusspongiosa ist im jüngeren Callus dicht, im älteren locker und enthält ganz selten auch Anzeichen 
eines ehemaligen Knorpelcallus, und zwar in Form von Einschlüssen dunkelblauer Knorpelgrundsubstanz in enchon- 
dralen Callusanteilen oder in Form typischer Knorpelzellen in Knochengrundsubstanz, aus der Zeit Sunuene als das 
Knorpelgewebe noch langsam in Knochengewebe überging. In jedem Callus sind Zeichen des Umbaues nachweisbar: 
Neben vielen Osteoblasten kommen auch Osteoklasten vor, ferner Kittlinien in den Bälkchen, welche schmal sind 
(Fig. 14 d) und schon deutlich Stützstrukturen verraten (e). Die relativ gute Verkalkung des Callus (d), die schon 
großen, mit zelligem und Fettmark (g) erfüllten Markräume vervollständigen noch das Bild des späteren Zustandes 
des Callus. Die jüngeren Stadien sind zu erkennen an den engeren Markräumen, den dickeren, kalkärmeren Bälkchen, 
welche noch keinerlei ausgesprochene Stützstrukturen verraten. Das Knochengewebe ist meist von reifer Struktur, das 
Osteoid pathologisch breit, wiewohl im alten Callus weniger entwickelt (h) als im jüngeren und die Kalkgrenze breit 


und oft sehr grobkörnig. Nach 40 Messungen ist das Osteoid im Durchschnitt 55°8 p. dick, 192 u. maximal, 40 u minimal. 


* * 


Bei der Obduktion fand sich nur ein Rippencallus. Die Fragmente stehen winkelig zueinander, die Fragmentenden 
sind schon stark abgebaut und recht fest durch einen Callus verbunden, der auf der konkaven Seite viel stärker ent- 
wickelt ist als auf der konvexen und die zelliges und Fettmark enthaltende Markhöhle ganz unterbricht und überbrückt. 
Der Callus besteht aus einer mäßig dichten Spongiosa, in der die fibröses und wenig zelliges Mark enthaltenden 
Markräume durchschnittlich so breit sind, wie die Balken. Diese sind gut verkalkt, tragen aber doch auch pathologisch 
breite Osteoidsäume. Namentlich auf der konkaven Seite enthält der Callus auch reichlich großzelligen Knorpel, der in 
ausgedehnter Weise verkalkt ist. Dabei ist die Verkalkungsgrenze teils unscharf, teils scharf, von krümelig zackiger 
Beschaffenheit und sogar isolierte Kalkkrümel im Knorpel sieht man. Es gibt überall langsame Übergänge von Knorpel 
in Bindegewebe und Knochen, ferner auch viel vasculären Abbau des verkalkten Knorpels in Form großer, globulär 
begrenzter, mit jungem Bindegewebe und Gefäßen erfüllter Höhlen im Knorpel; Knorpel einschließende Knochenbalken 
mit ganz oder partiell kalkfreiem Knochenanwurf zeigen, daß auch enchondrale Ossifikation zu verzeichnen ist. Das 


Osteoid ist nach 29 Messungen durchschnittlich 299 u dick, 48 u im Maximum, 8 „ im Minimum. 


* * 


Bei der Sektion wurde nur eine einzige Spontanfraktur im rückwärtigen Schaftanteil einer Rippe vorgefunden. Mikra- 


skopisch zeigt es sich, daß die Corticalis bloß auf der pektoralen Seite gebrochen war, daß es sich also um eine Infraktion 


Fall 13. 


Fall 15. 


Rachitis und Epithelkörperchen. 597 


ohne eine Spur von Deviation handle. Das eine Fragmentende ist schon zum Teil resorbiert, am anderen unresorbierten 
ist noch Detritus zu sehen. 

Der Callus ist sehr einfach gebaut. Auf der periostalen Fläche ist er durch eine 160 p dicke, fast gefäßlose, 
kalklose Knochenmasse von reifem Bau repräsentiert. Zwischen den Fragmentenden und am Endost der gebrochenen 
Seite liegt eine ganz ungegliederte, von 2 bis 3 engen Markräumen durchzogene, in die Markhöhle stark vorspringende 
Callusmasse, in die die Fragmentenden eintauchen und die schon recht viel Verkalkung, aber doch auch bis 170 u 
dickes Osteoid aufweist. Im Frakturbereiche besitzt auch das Endost der nicht frakturierten Seite eine ganz unverkalkte 
128 u. dicke Callusmasse. Die so eingeengte Markhöhle enthält noch rein zelliges Mark. Das Osteoid mißt 152 y. im 


Durchschnitt, 170 u im Maximum, 128 p. im Minimum. 


Bei der Obduktion wurden 13 größere und kleinere Rippencallus vorgefunden, aber bei der mikroskopischen Unter- 
suchung fanden sich außerdem in den vorderen Rippenanteilen noch manche weiteren, die makroskopisch nicht auf- 
gefallen waren. Es ist nämlich für diesen Fall typisch, daß Spontanfrakturen nicht nur in den hinteren, sondern auch 
in den vorderen Rippenanteilen, ja sogar im Bereiche der sekundären Spongiosa vorkommen. 

Wiewohl die Frakturen sehr verschieden alt sind, ist der Kalkgehalt des Callus stets gering. Bei jüngeren 
Frakturen sieht man stets noch den wie immer schrägen, ausnahmsweise im Zickzack verlaufenden Spalt in der alten, 
kalkhaltigen Compacta, und in den Winkeln dieses Spaltes liegt dann auch noch der blaue Detritus. In etwas älteren 
Frakturen sieht man, wie der alte kalkhaltige Schaft gewöhnlich etwas weiter ab von der Bruchfläche lacunär abgebaut 
und die Resorptionsräume sich erst mit Bindegewebe, dann mit Osteoid füllen. Ist später dieser Prozeß bis an das 
Frakturende gediehen, dann ist die Stelle der Fraktur nicht mehr zu sehen. 

Die in den vorderen Rippenabschnitten liegenden, makroskopisch unbemerkt gebliebenen Frakturen (Fig. 16) 
zeigen an der Rippenoberfläche entweder gar keine (g) oder nur eine geringe (f) Erhebung, aber im Rippeninnern sieht 
man bedeutende Veränderungen. Es ist nämlich die Markhöhle durch eine quergespannte Callusbrücke (d) völlig unter- 
brochen oder, wenn diese unvollständig ist, bloß verengt. Ein solcher äußerst kompakter Callus ist schon stets alt 
und darum die Stelle, wo ehedem die Corticalis gebrochen war, nicht mehr zu finden. Diein einer solchen Callusbrücke 
auftretende Verkalkung zieht in auffallender Weise den der Markhöhle zugewendeten Brückenrand vor (c), während 
sie in der Mitte ihrer Dicke kalklos bleibt (d). 

Solche Beispiele elektiver Kalkablagerung an bestimmten Stellen des Callus mit (vorläufiger) Vermeidung 
anderer, sind der schönste Beweis dafür, daß für die Kalkablagerung rein lokale Momente maßgebend sein können. 
Ein in gewissem Sinne umgekehrtes Verhalten der ersten Kalkablagerung werden wir im Falle 19 sehen, wo der den 
Knochen spindelig auftreibende periostale Callus zuerst verkalkte, mit Meidung des enostalen Callus. 

Daß die meisten Frakturen trotz ihrer Kalkarmut schon älteren Datums sind, erkennt man nicht nur an dem 
Umbau, sondern an den meist vorhandenen Knorpeleinschlüssen, die nicht nur im periostalen Callus, sondern auch in 
den Callusbrücken (e) zumeist nachweisbar sind. Die Knorpeleinschlüsse sind stets verkalkt, dunbelblau, enthalten 
selten unverbrauchte Knorpelzellen und in ihre globulären Buchten ist meist Osteoid, selten kalkhaltiger Knochen 
eingebaut (e). Eine etwas zartere Gliederung findet man nur in einem Callus, wenn er groß ist, und zwar nur in seinem 
periostalen Teile. Meist sind aber die Markräume eng, und sind sie groß, dann enthalten sie auch nu: Bindegewebe. 
Das den Callus aufbauende Knochengewebe ist von reifem Typus, das Osteoid manchmal sogar besonders zellarm (f). 
Die Kalkgrenze ist grob-krümelig und breit. Knickungen an der Frakturstelle fehlen meist. Die Dicke des Osteoids 


beträgt nach 38 Messungen im Durchschnitt 69°4 u, im Maximum 218 u, im Minimum 16 u. 


Bei der Obduktion sind fünf kleine Rippencallus an den rückwärtigen Teilen der Rippenschäfte gefunden worden. Bei 
der mikroskopischen Untersuchung zeigt es sich, daß wir es hier mit zweierlei Callus zu tun haben, mit frischen 
und alten. 

Unter den frischen gibt es auch eine Infraktion, das heißt die Fraktur der Corticalis bloß der einen Seite 
(Fig. 10 a) und diese Infraktion liegt hart neben einem Querbruch der ganzen Rippe (e, ce). An der Infraktionsstelle geht 
der Bruch durch den kalkhaltigen Rippenschaft schräg (a) und genau dieser Stelle entsprechend ist die lädierte Corti- 
calis auf der peri- (b,) und enostalen Seite (d,) in ein fast ungegliedertes Stück Osteoid eingehüllt, das nach beiden 


Seiten spindelig abklingt und die Markhöhle etwas verengt. Das Periost (g) ist an der Bruchstelle etwas verdickt. 


598 


Fall 17. 


Fall 18. 


Dr J. Erdheim, 


Ist aber ein totaler Querbruch der Rippe vorhanden, so ist das eben geschilderte Verhalten im Schnittbilde auf 
beiden Seiten an der Corticalis vorhanden (e, c). Auch hier sieht man noch die Bruchenden und den schräg verlaufenden 
Frakturspalt in der alten, kalkhaltigen Corticalis (e), und in den Ecken des Spaltes zwischen kalkhaltigen Knochen und 
Osteoid eingezwängt dunkelviolett gefärbten Detritus (4). Der peri- und endostale Callus (e, f) ist rein osteoid, fast 
ungegliedert, die Markhöhle ist entweder verengt und an dieser Stelle das zellige Mark durch ein fibröses ersetzt (h) 
oder es ist, wie in Fig. 10, die Markhöhle durch den enostalen Callus überhaupt verschlossen. Nur an einer Fraktur- 
stelle war an der pektoralen Seite der periostale Callus knorpelig, sonst stets ausschließlich osteoid. 

Die alten Frakturen boten ein ganz anderes Bild dar. Der peri- und endostale Callus sind schon verkalkt, 
wenn auch nie vollständig, von engen Markräumen durchzogen, in deren fibrösem Mark stellenweise basophil 
granulierte Zellen lagen. Die Stelle, wo die alte kalkhaltige Corticalis gebrochen ist, ist nicht mehr zu sehen, und zwar 
aus folgendem Grunde. Bei längerem Bestande der Fraktur wird der in den Callus eingebettete Teil des alten Schaftes 
lacunär abgebaut und langsam durch Callusgewebe ersetzt, das dann direkt den peri- mit dem endostalen Callus in 
Verbindung bringt. Diesem Ab- und Umbau fallen natürlich auch die Frakturenden zum Opfer und darum sind sie beim 


alten Callus nicht mehr zu sehen. 


Das Osteoid istin den Rippencallus nach 24 Messungen im Durchschnitt 75. dick, 192 u maximal, 16 u minimal. 


* * 


Es wurden bei der Sektion 17 Callus an Stellen spontaner Rippenfrakturen vorgefunden und außerdem bei der Unter- 
suchung der Schnittserie durch die Halsorgane ein Callus nach Spontanfraktur des Zungenbeines aufgedeckt. 

Von den Rippencallus wurden ‚mehrere untersucht und dabei ein Befund erhoben, der in’ weitgehender Weise 
mit dem beim Falle 19 erhobenen übereinstimmt. Es fehlte hier nur der vasculäre Abbau des Knorpelcallus ganz; 
neben rein osteoidem Callus gab es aber auch solche, die durchschnittlich viel mehr Verkalkung aufwiesen. Im übrigen 
kann auf den Befund des Falles 19 verwiesen werden. Die folgenden Maße sind 1. an Osteoidsäumen gewonnen, 2. an 
ganz kalklosen Balken und halbiert. 


1. 33 Messungen, 20'911. Durchschnitt, 60. Maximum, 5. Minimum 
2. 27 > 324 > 160 u. > 32 M. » 


* * 


Bei der Obduktion wurden 30 sehr große Rippencallus gefunden, in deren Bereiche die Fraktur.vielfach mit winkeliger 
Stellung einherging. Die mikroskorische Untersuchung zeigt jedoch, daß die Zahl der Frakturen erheblich größer 
gewesen sein muß, denn in einem bloß 1 cm langen Rippenstück, das makroskopisch einfach in der Mitte knorrig 
verdickt aussah, verbergen sich drei Frakturen. Die winkelige Knickung ist nur bei einem Teil der Brüche vorhanden. 
Der Callus ist stets sehr üppig und nirgends mehr ganz frisch, trotzdem überwiegend osteoid. 

Meist erstreckt sich der Callus von Periost zu Periost und überbrückt die Markhöhle, die somit unterbrochen 
ist. Ist aber die Markhöhle ausnahmsweise noch erhalten, so ist sie verengt und mit einem Bindegewebe erfüllt, das 
ungemein zahlreiche Mitosen besitzt. Von den Fragmentenden ist nur ausnahmsweise einmal etwas zu sehen, denn 
zahlreiche Osteoklasten sind im Begriffe, die im Callus eingeschlossene Corticalis sowie die im fibrösen Mark liegenden 
Splitter lacunär abzubauen, so daß man gelegentlich das nekrotische Fragmentende von der übrigen Corticalis abge- 
trennt sieht. 

Der meist sehr dicke Callus ist sehr dicht gebaut und von zahlreichen, aber sehr engen Gefäßkanälen durch- 
zogen, die außer dem Gefäß nur noch etwas Bindegewebe führen. Die Bälkchen sind entweder ganz kalklos oder 
zentral verkalkt, mit breiter aber feinkörniger Übergangszone. Dabei ist das verkalkte Zentrum aus unreifem, dicht 
und großzelligem, das Osteoid aus reifem Knochengewebe aufgebaut. Ist aber die Kalkgrenze durch eine Kittlinie 
gegeben, so ist auch das kalkhaltige Knochengewebe reif. Osteoblasten sind oft gut entwickelt, auch Osteoklasten 
begegnet man gelegentlich, und zwar auch am Osteoid. 

Der Knorpel spielt in den Callus eine sehr geringe Rolle. Vereinzelt findet man kleine Knorpelgewebsteile mit 
und ohne Kalkkörner in der Grundsubstanz, in allmählichem Übergang zu Knochen oder Osteoid, und noch viel 
seltener in einem osteoiden Bälkchen einen ganz kleinen globulären, schwarzblau verkalkten KnorpeleinscHluß als 
Zeichen längst abgelaufener enchondraler Ossifikation. 


Fall 19. 


Rachitis und Epithelkörperchen. 99 


In jenen Callus, die im Wesentlichen durch eine die Markhöhle quer überspannende Knochenbrücke repräsentiert 
sind, sieht man, wie typisch, in ihr die erste und stärkste Kalkablagerung an den der Markhöhle zugewendeten Rändern 
der Brücke. 


Das Osteoid war in den Callus nach 37 Messungen im Durchschnitt 822 p. dick, 256 j. maximal, 16 p. minimal. 


Bei der Obduktion fanden sich an jeder Rippe I bis 5 massige Callus von Spontanfrakturen. Es wurde histologisch 
eine größere Anzahl dieser Callus untersucht und wiewohl der Befund im einzelnen variiert, läßt sich folgende 
Charakteristik entwerfen. 

An der Frakturstelle ist entweder eine winkelige Knickung vorhanden (Fig. 13) oder nicht (Fig. 12). In ersterem 
Falle öffnet sich der Winkel viel häufiger gegen die Pleurahöhle (Fig. 13) als nach außen. 

Da die Resorptionserscheinungen in diesen relativ jungen Frakturen noch nicht zu weit gediehen sind, so sieht 
man auf beiden Seiten den in der Regel schrägen Frakturspalt (Z'S, Fig. 12, 13), der ausschließlich den kalkhaltigen 
Teil des Schaftes betrifft, während der oft von Haus aus dicke periostale Osteoidbelag (Fig. 13 20) meist nicht zerreißt, 
sondern auf der konvexen Seite straff über den Frakturwinkel gespannt ist (Fig. 13), während er, wenn überhaupt 
vorhanden, auf der konkaven Frakturseite in herausspringende Falten gelegt ist. Im Frakturspalt liegt oft ein Detritus 
(Fig. 12 D), in dem man nekrotische Knochensplitter ausnehmen kann. Die Spitze des kalkhaltigen Fragmentendes 
kann, nach der Unfärbbarkeit der Kerne zu schließen, nekrotisch sein, ist es aber nicht immer. Bei bestehender 
winkeliger Knickung an der Frakturstelle sind auf der konkaven Seite die Fragmentenden derart übereinander 
geschoben, daß eines von ihnen (Fig. 13a) sich in die Markhöhle einspießt. Im Bereiche eines Callus kann der kalk- 
haltige Schaftteil, namentlich auf der pleuralen Seite, mehr als einmal gebrochen sein. 

Auf einem Längsschnitt (Fig. 12 F,S, D, F) sieht man, daß genau an der Frakturstelle sowohl die pleurale als 
auch die pektorale Schaftseite von einem peri- (Fig. 12pC) und endostalen (Fig. 12eC) knöchernen Callus eingehüllt 
wird. Der periostale springt an der Rippenoberfläche vor und erzeugt die makroskopisch sichtbare, zirkuläre Ver- 
dickung (Fig. 12p7C). Der endostale springt wulstförmig in die Markhöhle vor, diese einengend (Fig. 13eC), wobei 
zugleich das im übrigen zellige Mark (Fig. 132M) einen fibrösen Charakter annimmt (Fig. 13 fM), und später wird 
dann die ganze Markhöhle vom endostalen Callus erfüllt (Fig. 12eC). 

Der Callus besteht der Hauptsache nach, oft ganz ausschließlich, aus Osteoid, während Knorpelcallus inkonstant 
vorkommt. Wir wollen zuerst diesen erledigen. 

Der Knorpelcallus kommt nicht nur im periostalen, sondern, wenn auch viel spärlicher, im endostalen Callus 
vor und seine größte Entfaltung erreicht er bei winkeliger Fraktur im Periostcallus der konkaven Seite (Fig. 13 KC). Es 
ist das ein hyaliner Knorpel mit großen, runden, blauen Zellen und spärlicher blauer Grundsubstanz. Der allmähliche 
Übergang von Knorpel zu Osteoid, wobei typische Knorpelzellen in rote, osteoide Knorpelgrundsubstanz zu liegen 
kommen, ist hier oft zu sehen, ein Zeichen nicht für Metaplasie, sondern dafür, daß beide Gewebe aus einem gemein- 
schaftlichen Keimgewebe nebeneinander hervorgegangen sind. Der Knorpelcallus sitzt in typischer Weise den Fragment- 
enden entsprechend, also dort, wo die Reibung am intensivsten ist, ist von osteoidem Callus um- und überlagert und 
zeigt, was mit dem geringen Alter der meisten Frakturen zusammenhängt, nur selten vasculären Abbau. 

Der Osteoidcallus (Fig. 12, 13pC, eC) ist nicht spongiös, sondern kompakt und dicht, nur von spärlichen, 
engen Kanälen durchzogen, die enge Gefäße, spärliches Bindegewebe, aber nicht gut ausgebildete Osteoblasten ent- 
halten. Die osteoide Grundsubstanz ist faserig, die Knochenzellen spärlich und je nach dem Alter des Callus bald so 
klein, schmal und dunkel wie im alten Knochen, bald größer, plumper, heller. Wo periostaler Osteoidcallus (Fig. 13 pC) 
auf präexistentem, periostalem Osteoidbelag (Fig. 13 p O) ruht, sind beide trotz ihrer Kalklosigkeit daran oft leicht zu 
unterscheiden, daß ersterer heller rot ist und größere, hellere, zahlreichere Zellen besitzt (Fig. 13). In manchem Callus 
hat das Osteoid noch nirgends Kalk aufgenommen, er ist rein osteoid (Fig. 13); in anderen, älteren findet man bald 
näher dem Schaft (Fig. 12a, a,), bald näher dem Periost (Fig. 125) den Beginn der Verkalkung mit breiter, grobkörniger 
Übergangszone und Sichtbarwerden der roten Sharpey’schen Fasern im blauen Feld. Stets sind die verkalkten Teile 
in der Minderheit und treten im periostalen Callus viel früher auf als im endostalen (Fig. 12). 

Von Ab- und Umbauerscheinungen ist in diesen jungen Frakturen wenig zu sehen. Das erste, was gewöhnlich 
und auch hier abgebaut wird, sind die im Callus steckenden kalkhaltigen Teile des alten Schaftes. Es geschieht das von 
der Bruchfläche aus oder an beliebigem Orte vermittels gut ausgebildeter Osteoklasten mit großen, hellen Kernen und 


mäßig reichlichem, rotem, homogenem Protoplasma. Dadurch, daß die kalkhaltigen Partien des alten Schaftes 


600 


Fall 20. 


Fall 21. 


Dr. J. Erdheim, 


abgetragen (Fig. 13 bei FS) und erst durch Bindegewebe (Fig. 13 b), dann durch Osteoid ersetzt werden (Fig. 12), 
wird es in späteren Stadien der Frakturheilung unmöglich, die Stelle der Fraktur aufzudecken. 

Die Dicke des Osteoids betrug nach 31 Messungen 83 u. im Durchschnitt, 304 p. im Maximum, 16 im Minimum. 
Mißt man aber die ganz kalklosen Balken und teilt durch 2, so bekommt man nach 28 Messungen 90 n. als Durch- 


schnitt, 192 » als Maximum, 32 p. als Minimum. 


Bei der Obduktion wurden sieben Spontanfrakturen an den Rippen gefunden. Alle untersuchten Frakturen zeigen das 
folgende gleiche Verhalten (Fig. 15). An der Periostfläche der pektoralen Seite findet sich auch hier, wiewohl es sich 
stets um die rückwärtigen Rippenteile handelt, eine dicke Osteoidmasse (a), die auf der pleuralen Periostfläche fehlt 
oder sehr schmal ist. An der Frakturstelle ist die Rippe deutlich verdickt und von einer Callusmasse eingenommen (b), 
die vom Periost der einen zu dem der anderen Seite quer über die Markhöhle (M) gespannt ist, wobei die Kontinuität 
der letzteren unterbrochen wird. Der Callus selbst (d) stellt eine ganz ungegliederte, meist äußerst dichte Spongiosa mit 
dicken Knochenbalken und kleinen Mark- und Gefäßräumen (c) dar. Diese Callusspongiosa geht auf beiden Seiten ganz 
allmählich in die Schaftcorticalis über (d), ist zum größten Teil kalklos (db), ja selbst sehr dicke Balken können durch- 
aus nur aus Osteoid bestehen. Ist aber das Bälkchen zentral verkalkt (e), so ist die Kalkgrenze durch eine breite Über- 
gangszone gegeben, die aus groben, meist ovalen und in der Richtung der Grundsubstanzfaserung orientierten Kalk- 
körnern besteht. Auch kann man bemerken, daß oft die ersten Kalkkörnchen rings um eine Knochenzelle sich 
abzulagern beginnen. Die größte Osteoidmenge ist um die Aquatorialebene (ehemalige Bruchflächedes Callus) angehäuft 
(bei 5). Osteoblasten fehlen. Osteoklasten sind spärlich, die kleinen Markräume (e) enthalten fibröses, die großen 
zelliges Mark. Da der Callus schon älter und in Umbau begriffen ist, sieht man nicht mehr die Bruchflächen der alten 
Corticalis. Knorpel fehlt im Callus vollständig. Interessant ist noeh die vielfach anzutreffende Nekrose der Callus- 
bälkchen. Im kalkhaltigen Knochen erkennt man sie an den leeren Knochenkörperchen, in kalklosen sind diese sogar 
kollabiert und fehlen scheinbar ganz. Die Ursache dieser Nekrose dürfte in der durch abnorme Beweglichkeit des 
rachitischen Callus bedingten Quetschung der Knochenzellen zu suchen sein, wobei die kalkhaltigen Partien insofern 
im Nachteil sind, als die in starrer Grundsubstanz eingeschlossenen Knochenzellen bei Verengerung der Knochenhöhle 
nicht ausweichen können, während wieder bei den kalklosen Partien die Deformierbarkeit eine größere sein muß. 

An einer Rippe bestand eine Infraktion, also eine Kontinuitätstrennung, bloß in der Corticalis der pektoralen 
Seite. Es war daher nur auf dieser Seite ein Callus ausgebildet, der ebenso am Periost wie in die Markhöhle vorspringt 
und im übrigen im gleichen Entwicklungsstadium stand und ebenso beschaffen war, wie alle anderen. 


Die Dicke des Osteoids wurde an vier Stellen gemessen und dabei sind folgende gut übereinstimmende Zahlen 


gewonnen worden: 


1. 16 Messungen, 41 y Durchschnitt, 112. Maximum, 14 u. Minimum 


22a > 40» > ROH re 14, > 
3. 15 » 40 H » 125 u. » 12-5 u » 
4419, > 39-5 1 > Mo > er has 
% x 
4 


Bei der Obduktion fanden sich zwei große und ein kleiner Callus an den hinteren Rippenanteilen vor. Das Material 
wurde vier Tage in Müller entkalkt. Histologisch erweisen sich alle drei als noch ganz junge Frakturen. Im kleinen 
Callus liegt die Frakturstelle des Schaftes auf beiden Seiten in sehr verschiedener Höhe, im Frakturspalt liegt noch 
Detritus und sowohl auf der Peri- als auch auf der Endostfläche liegt im Frakturbereiche eine ungegliederte, einheitliche, 
ganz kalklose Knochenbrücke ohne eine Spur von Knorpel. 

In den beiden großen Callus war der Befund anders (Fig. 11). Der beiderseits noch vollkommen erhaltene 
Frakturspalt ist zum Teil leer (d), zum Teil ist er mit Detritus ausgefüllt (f). Die Frakturenden sind nekrotisch und 


werden, namentlich von der Endostseite her, von einer prächtigen Osteoklastenreihe in regster Weise lacunär abgebaut 


(#) und dieser Abbau ist schon stellenweise (%) bis zur völligen Unterbrechung der Corticalis gediehen, so daß das 


Fragmentende (r) vom übrigen Schaft bereits abgetrennt sein kann. Im Frakturbereiche ist die Markhöhle mit Binde- 


gewebe erfüllt (r), das zahlreiche Mitosen führt und beide Fragmente vereinigt. Auf der pleuralen Seite ist das Periost 


beim Entstehen der Fraktur tief eingerissen (2), während auf der pektoralen Seite das Periost verschont geblieben ist 


wann 


Ball 22! 


Ball 23. 


Rachitis und Epithelkörperchen. 601 


und sogar die dicke periostale Osteoidauflagerung (b) bloß abgehoben, aber nicht zerrissen worden ist (e). Der Effekt 
dieses Verhaltens ist dann der, daß der Callus, der fast ausschließlich knorpelig, kalklos und sehr reichlich ist, auf der 
Seite, wo das Periost zerrissen ist, in zwei isolierten Inseln vorliegt (k, o), die durch eine junge bindegewebige Periost- 
narbe (2) getrennt sind, während auf der anderen Seite die Knorpelmasse sich ununterbrochen von einem zum anderen 
Fragment hinüberschwingt (ce bis g) und auf das präexistente periostale Osteoid (e) aufgelagert ist. Knochengewebe 
spielt im Callus vorerst noch eine sehr geringe Rolle, liegt periostal, weiter ab von der Frakturstelle in der Verlängerung; 
des Knorpelcallus und ist ganz kalklos. Von enchondraler Ossifikation ist noch nichts zu sehen. Das Osteoid, das nur 
an ganz kalklosen Balken gemessen werden konnte, worauf die Zahlen halbiert wurden, ist nach 18 Messungen im 


Durchschnitt 32:9 u dick, 64 maximal, 8 u minimal. 


* * 


Bei der Obduktion fanden sich an sehr vielen Rippen zahlreiche, harte, kleine und einige große weiße Callus. Es wurde 
eine größere Zahl der Spontanfrakturen histologisch untersucht, und zwar solche, die mehr in hinteren und auch solche, 
die in vorderen Anteilen der Rippe sitzen und dabei sah man, daß die einzelnen Callus sich mehr nach dem Grade ihrer 
Entwicklung, als nach dem Alter unterschieden. Ist die Veränderung geringgradig, so ist im Schnitt die Corticalis 
beider Seiten leicht verdickt und in eine dichte Spongiosa aufgelöst. Diese springt bei stärkerer Entwicklung stark in 
die Markhöhle vor und bei den größten Callus kommt es dann zu einer Vereinigung beider in Form einer schmalen 
Callusbrücke (Fig. 17 f), welche also die Markhöhle auf eine kurze Strecke ganz unterbricht. Nach außen aber promi- 
niert der Callus entweder gar nicht (a) oder wenig (b). In etwas jüngeren Callus ist diese Knochenbrücke aus einer 
dichten, in etwas älteren Callus aus einer mehr lockeren Spongiosa mit weiten Räumen aufgebaut, die dann sehr gut 
zum atrophischen Knochen paßt. Knorpelcallus ist auch nicht in Resten zu sehen. Die Callusentwicklung ist im allge- 
meinen als dürftig zu bezeichnen, Osteoblasten fehlen ganz, Osteoklasten sind aber ungewöhnlich oft anzutreffen, sind 
jedoch nie groß und plump, sondern liegen platt dem Knochen an, sind dunkel und haben auch hier zuweilen Kerne, 
die denen der Plasmazellen gleichen. Also in den Callus, sowie in den Rippen überhaupt ein starkes Überwiegen der 
Abbauvorgänge. Das Knochengewebe weist mäßig viele Kittlinien auf, ist von reifem Typus, nur stellenweise sind die 
Knochenzellen etwas größer und zahlreicher. Die Menge des Osteoids ist in den Callus stets sehr ansehnlich (Fig. 17 a, b), 
die Kalkgrenze sehr breit und grobkörnig und selbst der kalkhaltige Knochen ist oft unvollständig verkalkt, nämlich 
nach Art des rachitischen Dentins globulär gebaut oder von kalklosen Streifen durchzogen. Das Osteoid hat die aus- 
gesprochene Tendenz, die Äquatorialebene des Callus einzunehmen und überdies die der Rippenoberfläche näher 
gelegenen Teile vorzuziehen (Fig. 17 a, b, c). Das hat zur Folge, daß die Brücke in der Mitte ihrer Dicke, namentlich in 
den äußeren Partien kalklos ist (Fig. 17 a, b, ec), während die gegen die Markhöhle sehenden Oberflächen der Brücke 
(Fig. 174, e) verkalkt sind. Durch diese Osteoidmasse ziehen kalkhaltige Verbindungsstreifen, die sich vom oberen 
zum unteren verkalkten Rande spannen. Diese Verbindungsstreifen sind zum Teil frakturiert, zu blauem Detritus 
zermalmt und von da an gehen auch kurze Risse ins Osteoid hinein. Ist die Fraktur ausnahmsweise mit einer stärkeren 
winkeligen Knickung der Fragmente verbunden, so hat der Callus ganz anderen Charakter: Die winkelig gestellten 
Fragmentenden sind schon so stark lacunär abgebaut, daß sie weit auseinanderstehen und die Vereinigung der 
Fragmente wird, wie gewöhnlich, von dem auf der konkaven Seite stärker entwickelten periostalen Callus über- 
nommen. Die Dicke des Osteoids beträgt in den Callus nach 21 Messungen 91°’4 u im Durchschnitt, 256 x im 


Maximum, 16 u. im Minimum. 


Bei der Obduktion wurden zwei kleine Callus an den Rippen linkerseits un! schon vorher bei der Operation einer 
an der linken Fibula gefunden. Alle drei bieten im wesentlichen einen ähnlichen, histologischen Befund. Die Rippen- 
frakturen betreffen den hinteren Anteil des Rippenschaftes und mikroskopisch sieht man eigentlich nichts weiter, 
als daß das einemal auf der pektoralen, das anderemal auf der pleuralen Seite die Corticalis verdickt ist. Diese 
Verdickung springt mehr gegen die Markhöhle als gegen die periostale Oberfläche vor, ist der Hauptsache nach ver- 
kalkt und weist nur in der Äquatorialebene eine namhafte Osteoidmenge auf. Die Osteoiddicke beträgt nach sechs 


Messungen 69:3 u im Durchschnitt, 128 u maximal, 16 x. minimal. 


602 Dr. J. Erdheim, 


B. Das histologische Bild der rachitischen spontanen Rippenfraktur. 


Unter unseren 15 Rachitistieren wurden Spontanfrakturen der Rippen nur dreimal vermißt, und 
zwar in zwei Fällen mäßiger (Fall 12, 14) und in einem Falle (16) schwerer Rachitis. Die Zahl der Frak- 
turen hängt im allgemeinen vom Grade der Rachitis ab. Unter den Fällen fanden sich zwei (10, 11) 
mit nur je einer, zwei (9, 15) mit je fünf Frakturen und nur im Falle 13 wurden ihrer 13 gezählt. 
Unter den schwereren Fällen jedoch waren einmal nur drei Frakturen vorhanden, und zwar war dies 
die erst junge, wenn auch hochgradige Rachitis des Falles 21. Sonst fanden sich einmal 7 (Fall 20), einmal 
17 (Fall 17), einmal 30 (Fall 18) Frakturen und im schwersten Falle 19 gar waren sie so zahlreich, daß 
sie nicht mehr gezählt wurden, denn an jeder Rippe fanden sich ein bis fünf Frakturen. Auch bei unseren 
mit Marasmus kombinierten Fällen waren spontane Rippenfrakturen vorhanden, und zwar nur zwei im 
Falle 23 und zahlreiche an sehr vielen Rippen des Tieres 22, dessen Rachitis durch den hochgradigen 
Marasmus im Rippenbilde in weitgehendem Grade maskiert war, aber an den Backenzähnen als sehr hoch- 
gradig erkannt worden war. Eine große Zahl von Spontanfrakturen läßt also auf eine schwere Rachitis 
selbst dann schließen, wenn augenblicklich das histologische Bild des Skelettes nicht mehr auf schwere 
Rachitis hindeutet. 

Makroskopisch variiert der Callus in seinem Umfang von kaum wahrnehmbarer Größe bis zu 
groben, sehr auffallenden, weißlichen Verdickungen des Rippenschaftes. Bei der Sektion ist,es am leichtesten 
und bequemsten sie von der pleuralen Fläche aus zu finden. Bevorzugt ist der rückwärtige Schaft- 
abschnitt der Rippe. Nur manchmal finden sich daneben auch in seinem vorderen Abschnitte Frakturen, 
wo sie sich übrigens bei der makroskopischen Betrachtung infolge ihrer Unscheinbarkeit der Wahrnehmung 
entziehen können und so erst histologisch aufgefunden werden (Fall 13, 18). Hier können sich Spontan- 
frakturen nicht nur im Schaft, sondern auch im Bereiche der sekundären Spongiosa finden. 

Sind auch die Rippen die weitaus häufigste Fundstätte für rachitische Spontanfrakturen, so sind sie 
nicht die einzige. Im Falle 23 fand sich zum Beispiel eine Spontanfraktur an einer Fibula und im Falle 17 
am Zungenbein. Bei schon vor längerer Zeit untersuchten rachitischen Ratten, die aber in das vorliegende 
Material nicht aufgenommen wurden, fanden sich gelegentlich Spontanfrakturen der Tibia und Fibula 
mit stark winkeliger Knickung der Fragmente, wobei sich der Winkel nach rückwärts öffnete; ferner 
Frakturen der Vorderarmknochen, des Sternum und mancher anderer Knochen neben Verbiegung der 
Scapula bald nach innen, bald nach außen. 

An seinem sehr reichen Untersuchungsmaterial spontaner und durch Impfung erzeugter Osteomalacie 
und Rachitis bei der Ratte sah Morpurgo die folgenden Knochendeformitäten: Kyphoskoliose, muschel- 
förmige Verbiegung der Scapula bei alten Tieren nach innen, bei jungen nach außen, die Rippen mit mehr- 
fachen Frakturen und gegen den knorpeligen Teil verstellt, Frakturen und Verbiegungen der Vorderarm- 
und Unterschenkelknochen, an den letzteren der Knickungswinkel stets nach hinten offen. 

Wie die folgenden Ausführungen und unsere Figuren 10 bis 17 zeigen, ist das Alter der Fraktur 
sehr verschieden. Bald sind in einem Falle alle älter (Fall 18, 20, 23), bald alle mehr weniger jung (Fall 17, 
19, 21), bald gibt es im selben Falle junge und alte Frakturen nebeneinander (Fall 9, 13, 15). 

Im allgemeinen ist der junge Callus dadurch charakterisiert, daß die Bruchfläche am alten Schaft 
noch nachweisbar, der Callus selbst noch sehr dicht, ungegliedert, frei von Umbau und besonders kalkarm 
oder kalklos ist (Fig. 10 bis 12). Im alten Callus ist die Bruchfläche des alten Schaftes nicht mehr auf- 
findbar (Fig. 15 bis 17), der Callus selbst ist schon lockerer, zarter gegliedert, mit Umbauerscheinungen 
(Fig. 14) und mehr kalkhaltig (Fig. 15 bis 17). Sind alle oder nur ein Teil der Frakturen alt, so spricht das 
immerhin für einen etwas längeren, wenn auch nicht unbedingt für einen sehr langen Bestand der 
Rachitis. 

Der Umbau ist ein Zeichen längeren Bestandes eines Callus, denn er setzt normaliter erst ein, wenn 
der primitive, übermäßig dichte, unvollkommen konstruierte, aber rasch aufgebaute und verkalkte Callus 


Rachitis und Epithelkörperchen. 603 


seine Aufgabe, die Fragmente rasch und fest zu vereinigen, erfüllt hat. Durch den Umbau wird dieser in 
den vollkommener konstruierten, aber langsamer sich aufbauenden definitiven Callus überführt. Bei 
Rachitis setzt dieser Umbau darum später ein als normal, weil der primitive Callus infolge sehr ver- 
langsamter Kalkablagerung, seine Aufgabe, die Fragmente nach Möglichkeit fest zu vereinigen, erst sehr 
spät und unvollkommen erreicht. Und wenn trotzdem bei Rachitis schon Umbau zu sehen ist, so deutet 
das auf einen immerhin langen Bestand der Fraktur. Aber übermäßig lange Zeit ist dazu nicht erfor- 
derlich, nur ganz frisch kann ein Callus mit Umbau bei Rachitis nicht sein, während beim normalen Tier 
schon ein lötägiger Callus reichlich Umbau zeigt. 

Wenn aber ein alter, schon Umbau zeigender, rachitischer Callus noch immer viel Osteoid 
enthält, so kommt das eben daher, daß es im Wesen des Umbaues liegt, daß immer neue Apposition vor 
sich geht, die ja bei Rachitis immer übermäßig lange kalklos bleibt. 

Die Anwesenheit nur frischer Frakturen schließt naturgemäß den langen Bestand der 
Rachitis nicht aus. Im Falle 21 aber, von dem wir wissen, daß die Rachitis noch jung war, stimmt es 
mit allen anderen Befunden des Falles, wenn auch die Frakturen noch ganz jung und überdies erst spärlich 
waren. Wenn wir, wie zum Beispiel im Falle 15, neben älteren, relativ gut kalkhaltigen auch solche 
Callus haben, die frisch und trotz dicker Knochenbalken noch ganz kalklos sind (Fig. 10), so deutet das 
zumindest darauf hin, daß zum Schluß noch immer die Kalkstörung fortbestanden hatte. So erlaubt uns 
die Betrachtung der Spontanfraktur oft etwas tiefer den Fall zu erfassen, als dies sonst möglich wäre. 


* * 


Die Bruchstelle der alten Corticalis ist im jüngeren Heilungsstadium noch deutlich wahrnehmbar 
als verschieden weit klaffender, in der Regel schräg (Fig. 10c, c, 11d, 12 FS), selten im Zickzack ver- 
laufender Spalt. Dieser ist bei Infraktionen, welche in drei Fällen gesehen wurden (Fig. 10a), nur auf 
einer Corticalisseite, und zwar vorwiegend auf der pektoralen zu sehen, bei kompletten Frakturen 
im Schnitt auf beiden Seiten, und zwar meist in etwa gleicher Höhe (Fig. 10 bis 12); selten ist die Fraktur- 
stelle auf beiden Seiten sehr verschieden hoch, also ein Schrägbruch (Fall 21). Im Frakturspalt oder 
noch häufiger an den Spaltecken findet sich noch ein dunkelvioletter oder blauer Detritus (Fig. 10d, d, 
Ilf, m, 12 D, D), der auch kleine, nekrotische Knochensplitter enthalten kann. Neuestens betont v. Reck- 
linghausen, daß man beim Kind im Callus den Frakturspalt der noch erhaltenen Corticalis makro- 
skopisch wahrnehmen kann, und zwar einseitig bei Infraktionen und beiderseits bei Querbrüchen. Ist 
aber der Frakturspalt nicht zu sehen, so ist er eben »unter den regenerativen Produktionen verschwunden«. 

In jenen Fällen, in denen infolge des geringen Alters der Fraktur die Bruchenden der Corticalis 
noch nicht abgebaut sind, erscheinen diese recht oft nekrotisch, was offenbar auf die Weise zu erklären 
ist, daß bei der dem Bruche vorangehenden Abbiegung der Corticalis die Zellhöhlen verengt und dabei die 
in sie eingeschlossenen Knochenzellen so gequetscht werden, daß sie der Nekrose verfallen. 

Bei längerem Bestande der Fraktur machen sich an der alten Corticalis Erscheinungen des 
Abbaues bemerkbar, und zwar an jenem ganzen Abschnitte derselben, der in den Callus eingeschlossen, 
also entlastet ist. Man begegnet öfter dem regsten lacunären Abbau mit voll entwickelten Östeoklasten, die 
von der Bruchfläche, der periostalen (Fig. 13 b) und namentlich der endostalen Seite her (Fig. 11h, i) die 
alte, kalkhaltige Corticalis abnagen. Die ausgehobenen Lacunen werden erst mit Bindegewebe (Fig. 111, ö), 
dann mit Osteoid (Fig. 12c) ausgefüllt uud so allmählich der alte Schaft durch Callus ersetzt. Da der 
Abbau oft weiter weg von der Bruchstelle, aber noch im Callusbereiche, erfolgt, so ereignet es sich, daß 
das nekrotische Fragmentende mit der Bruchfläche vom übrigen Schaft ganz abgetrennt wird (Fig. 11 r) 
und indem an der Unterbrechungsstelle Osteoid auftritt (Fig. 12c), verbindet dieses den periostalen Callus 
(Fig. 124) mit dem endostalen (e C), und damit beginnt sich die Spur der alten Corticalis zu ver- 
wischen. Es kommt schließlich dahin, daß der ganze, im Callusbereiche befindliche Corticalisabschnitt 


mitsamt der Bruchstelle verschwunden und vom Callus ersetzt ist, und dann hat es den Anschein, 
Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC. Rd. 82 


604 Dr. J. Erdheim, 


als ob die alte Corticalis allmählich in den Callus übergehen, sich sozusagen in ihn auflösen würde (Fig. 15 
bis 17) und man ist dann nicht mehr in der Lage, die Bruchstelle zu erkennen. Handelt es sich aber um 
ein gleich altes Stadium einer Infraktion, so sieht man, wie die Corticalis nur auf der einen 
Seite des Längsschnittes an einer zirkumskripten Stelle verdickt und in eine Spongiosa aufgelöst 
ist, die sowohl gegen die Markhöhle als auch nach außen vorspringt. Nur durch Übergangsbilder gelangt 
man dahin, solche Bilder richtig zu deuten. M. B. Schmidt schildert die Herstellung der alten Knochen- 
kontinuität in der Weise, daß der Umbau den Callus und die alte Corticalis betrifft, wobei sich die Mark- 
räume beider vereinigen und durch gemeinsame Lamellen ausgefüllt werden. 


War die periostale Oberfläche des Rippenschaftes schon vor der Fraktur von einer dicken Östeoid- 
masse überzogen, was namentlich auf der pektoralen Seite der Fall zu sein pflegt, so muß dieselbe im 
Entstehen der Fraktur nicht mit zerreissen, sondern kann samt dem Periost stehenbleiben (Fig. 11e, 
13p0). Besteht dabei eine winkelige Knickung der Fragmente, so ist das präexistierende periostale Osteoid 
an der konvexen Seite straff über den Bruchwinkel gespannt (Fig. 13p0), an der konkaven Seite 
jedoch in herausspringende Falten gelegt. Für die rasche Vereinigung der Fragmente ist dies darum von 
Vorteil, weil der vom nicht zerrissenen Periost sich entwickelnde Callus schon von Haus aus in 
einem Stück sich von einem Fragment zum anderen spannt (Fig. 11 9). Bei Zerreissung des Periostes 
aber (Fig. 11”), wie das bei unseren Fibulafrakturen typisch war, wird der Callus in zwei getrennten 
Stücken vom Periost erzeugt (Fig. 11%, o), deren Vereinigung erst sekundär und mühsam erfolgt. 


Die Stellung der Fragmente war sehr verschieden. Bei Infraktionen war niemals eine Ver- 
schiebung der Fragmente zu konstatieren (Fig. 10a), ebensowenig aber auch bei kompletten Frakturen 
(Fig. 10, 12, 15, 16, 17). Seitliche Verschiebungen der Fragmente kamen zuweilen, aber nie in erheb- 
lichem Grade vor (Fig. 11). Winkelige Stellung der Fragmente war jedoch öfter zu konstatieren (Fig. 13, 
14) und manchmal in einem nicht unerheblichen Grade. Der Winkel öffnete sich öfter gegen die Pleura als 
nach außen. Auf der konkaven Seite waren die Bruchenden, wie immer in einem solchen Falle, über- 
einander geschoben, das eine von beiden ins Mark eingespießt (Fig. 13a) und der Callus, wie allgemein 
bekannt, auf der konkaven Seite viel stärker entwickelt (Fig. 13 KC, 14d) als auf der konvexen 
(Fig. 13pC, 14 f). Nachdem der Callus der konkaven Seite durch Umbau mit seiner statischen Funktion 
entsprechenden Strebebalken (Fig. 14/) ausgestattet worden ist, wird die dadurch entlastete alte Corti- 
calis derselben Seite abgetragen, so daß sie in Fig. 14 zum Beispiel bei d endet, während der ursprünglich 
auf sie apponiert gewesene Callus (c) seiner ehemaligen Unterlage beraubt, in geradem Zuge die ehe- 
malige Markhöhle abschließen hilft. 


Das Verhalten der großen Markhöhle und des Markes ist sehr verschieden. Nur ausnahmsweise 
bleibt die Markhöhle ganz offen und der zellige Charakter des Markes unverändert (Fig. 14%). Meist ist 
die Markhöhle durch den enostalen Callus wenigstens etwas verengt und dies ist selbst bei Infraktionen 
der Fall (Fig. 10 5,). Bei vollständigen Querbrüchen jedoch kommt es häufig dazu, daß der enostale 
Callus beider Seiten sich vereinigt (Fig. 10 f), wodurch die Markhöhle vollständig unterbrochen wird. 
In Fig. 10 (f) sieht man das schon in einem sehr frühen Stadium erfolgt, aber noch sehr geringgradig, im 
Falle 12 (eC) in einem schon vorgeschrittenen Stadium und schon mehr ausgiebig, wobei es aber noch 
klar ist, daß der Verschluß durch Konfluenz des enostalen Callus zustande kam. In einem noch vorge- 
schritteneren Falle ist die Markhöhle in noch ausgedehnterem Grade unterbrochen (Fig. 15), aber infolge 
vorgeschrittenen Umbaues ist es nicht mehr zu sehen, daß dies durch den enostalen Callus zustande 
gekommen ist. Es gibt endlich Fälle, in denen der Callus in Form einer queren Brücke die Markhöhle 
unterbricht (Fig. 16, 17). Schon in sehr frühen Stadien begegnet man ferner im Frakturbereiche einer 
fibrösen Umwandlung des zelligen Markes (Fig. 10h, I1n, 13 fM). Dieses fibröse Mark weist oit zahl- 
reiche Mitosen auf und stellt frühzeitig eine bindegewebige Vereinigung der Fragmente her. Über das 
fibröse Mark bei Rachitis im allgemeinen, nicht gerade bei den Frakturen, sagt Schmorl, es sei nicht 
Entzündungseffekt, sondern eine Folge mechanischer Einwirkungen. Das Verhalten bei der Fraktur ist 


Rachitis und Epithelkörperchen. 605 


der schönste Beweis für die Richtigkeit dieser Deutung, und zeigt zugleich, wie rasch diese Umwandlung 
des zelligen zu fibrösem Mark erfolgt. 

Der enostale Callus spielt bei den spontanen Rippenfrakturen durchaus nicht eine so unter- 
geordnete Rolle, wie bei den operativen Fibulafrakturen. Am einfachsten überzeugt man sich davon bei 
Betrachtung einer frischen Infraktion (Fig. 10a), wo der enostale Callus (b,) in nichts gegen den periostalen 
(b,) zurücksteht, und auch ebenso ungegliedert, dicht und arm an Gefäßkanälen ist, wie dieser. Bei einer 
Infraktion kann im Niveau der Fraktur auch auf der nicht gebrochenen Seite das Endost einen geringen 
Callus hervorbringen. Bei totalem Querbruch spielt sich (Fig. 10) im Längsschnittbilde dasselbe ab, wie 
bei der Infraktion, aber auf beiden Seiten und so kommt es sehr bald zur Verschmelzung des enostalen 
Callus in der Markhöhle. In Fig. 12 sieht man auch noch, wie jede Corticalis für sich im Bruchbereiche 
außen vom peri-, innen vom enostalen Callus eingehüllt ist. Wenn hier der letztere an Mächtigkeit gegen 
den ersteren schon deutlich zurücktritt, so hat das nur darin seinen Grund, daß die fixe Weite der Mark- 
höhle der Größenentfaltung des enostalen Callus eine Schranke setzt, während dem periostalen Callus 
keinerlei raumbeschränkendes Hindernis im Wege steht. In vorgeschrittenen Stadien der Heilung ist es 
meist nicht mehr möglich, genau anzugeben, wieviel vom Callus auf seinen enostalen Teil fällt (Fig. 15), 
daß es aber darunter auch Fälle gibt, bei denen der enostale Callus eine dominierende Rolle spielt, belehren 
uns die Fig. 16 und 17. 


Wie wir schon gehört haben, spielte in den Fibulafrakturen der Knorpelcallus bei den Rachitis- 
tieren eine viel geringere Rolle als bei den normalen und dies ist bei den rachitischen Spontanfrakturen 
der Rippen ganz ebenso der Fall. Unter unseren acht Figuren ist Knorvelcallus nur dreimal zu sehen 
(Fig. 11, 13, 16). Er fehlt häufig überhaupt ganz oder spielt quantitativ eine geringe Rolle (Fig. 13KC). 
Im Falle 21 war aber ganz ausnahmsweise der sehr üppige junge Callus fast ausschließlich aus Knorpel 
aufgebaut (Fig. I1c, g, 0, k). Im Falle 19 war ferner ausnahmsweise und in sehr geringer Menge Knorpel 
„auch im enostalen Callus zu sehen. Bei winkeliger Stellung der Fragmente bevorzugte der Knorpel, wie 
bei den Fibulafrakturen, die konkave Seite (Fig. 13 XC), wo er vom knöchernen Callus (c) eingeschlossen 
und überlagert ist. Da wir wissen, daß die Entstehung des Knorpelcallus hauptsächlich durch das 
Aneinanderreiben der Fragmente zu erklären ist, werden wir es leicht verstehen, warum bei den spontanen 
Rippenfrakturen der Knorpelcallus eine so geringe Rolle spielt. Bei diesen Frakturen, die überdies meist 
eigentlich Infraktionen sind, bleibt das Periost in der Regel in seiner Kontinuität gewahrt und die Dislokation 
der Fragmente fehlt also meist ganz. Es wird daher auch das Aneinanderreihen der Fragmente nur gering 
sein und damit auch die Menge des Knorpelcallus. 

Die Knorpelzellen waren groß, rundlich und blau, die Grundsubstanz spärlich und blau, hyalin, 
ebenfalls blau und nur manchmal verkalkt. Die verkalkten Gebiete zeigten entweder keine scharfen 
Grenzen, oder diese traten, wie typisch für Rachitis, scharf hervor und waren zackig, krümelig. Auch 
isolierte Kalkkörner fand man zuweilen in der Grundsubstanz vor. Der vasculäre Knorpelabbau fehlte 
entweder vollständig oder er war nur an vereinzelten Stellen anzutreffen. Nur ausnahmsweise (Fall 10) 
sah man im verkalkten Knorpel viele, durch vasculären Abbau entstandene, große Höhlen im Knorpel, die 
aber nicht nur Gefäße, sondern auch Bindegewebe enthielten. Es entspricht der geringen Knorpelentwicklung 
in den rachitischen Spontanfrakturen der Rippen vollständig, daß man enchondralem Callus nur sehr 
selten und in geringer Menge begegnet. Er ist, wie gewöhnlich, durch dunkelblaue, verkalkte, globulär 
begrenzte Knorpeleinschlüsse charakterisiert (Fig. 16e), während der Knochenanwurf meist ganz kalklos 
ist (Fig. 16), selten partiell verkalkt. Unverbraucht liegen gebliebene Knorpelzellen sind nur ausnahmsweise 
anzutreffen. 


* * 


606 ’ Dr. J. Erdheim, 


Der periostale knöcherne Callus stellt meist schon in den ersten Stadien seiner Entwicklung 
eine kontinuierliche Verbindung zwischen den Fragmenten her (Fig. 10, 12), worin ein Gegensatz zu den 
bei den Fibulafrakturen gewonnenen Bildern liegt. Die Erklärung dafür ist die gleiche, wie sie oben 
gelegentlich des knorpeligen Callus der Fig. 11 (g) gegeben wurde, nämlich das Ausbleiben der Periost- 
durchtrennung bei der Knochenfraktur, so daß das in seiner Kontinuität gewahrte Periost einen schon 
von Haus aus ebenso kontinuierlichen Callus hervorbringt. 

Die Menge des periostalen knöchernen Callus ist meist recht ansehnlich (Fig. 12, 15), was seinen 
Grund im mangelhaften Kalkgehalt hat. Bei Marasmus ist auch der Callus dürftig ausgefallen, und im 
Falle 21 (Fig. 11) tritt ganz ausnahmsweise der knöcherne periostale Callus (p) gegen den knorpeligen (0) 
stark in den Hintergrund. 

Bei korrekter Stellung der Fragmente fällt die durch den Callus erzeugte spindelige, meist ganz 
ansehnliche Knochenauftreibung auch ganz ebenmäßig aus. Wie schon beim enostalen Callus erwähnt, 
kommt es nach lacunärem Abbau des im Callus steckenden Corticalisabschnittes zu einer Vereinigung 
des peri- und enostalen Callus (Fig. 12c), so daß in späteren Stadien (Fig. 15 bis 17) nicht mehr zu 
sagen ist, wo sich beide gegeneinander und gegen die Corticalis abgrenzen. Ein so vorgeschrittenes 
Stadium zeigt Fig. 15, an der der Callus so aussieht, wie wenn sich die Corticalis in eine dichte, an der 
Oberfläche prominierende und auch die Markhöhle erfüllende Spongiosa auflösen würde. 

Der Bau des periostalen knöchernen Callus ist, namentlich in den jüngeren Stadien und bei den 
schweren Fällen, so dicht, ungegliedert, kompakt (Fig. 12pC) und von so spärlichen und engen Gefäß- 
kanälen (d) durchzogen, daß er als sklerotisch bezeichnet werden muß. Im verkalkten Zustande gäbe das 
ein eburneiertes Knochengewebe. v. Recklinghausen nennt bezeichnenderweise das Callusosteoid auch 
»Sklerosteoid«, so dicht und feinporig ist es auch beim rachitischen Kind. Aber in den älteren Stadien 
und namentlich bei leichteren Rachitisfällen, also besserer Verkalkung, ist der Callus (Fig. 14) zart 
gegliedert, die Bälkchen (d) sind schmal und stehen locker, die Markräume (g) sind weit, und es sind 
Stützstrukturen erkennbar, wie zum Beispiel in Fig. 14 der in gerader Linie an der äußersten Callus- 
peripherie der konkaven Seite gelegene, auf die beiden winkelig gestellten Fragmente sich aufstützende 
Knochenbalken (?). 

Zwischen den beiden in den Figuren 12 und 14 dargestellten Extremen gibt es in bezug auf 
Gliederung und Dichtigkeit des Callus alle Übergänge. Es ist kein Zufall, daß zur Gegenüberstellung der 
zwei Extreme die Fig. 10 und 14 herangezogen wurden. Gehört doch die erstere dem schwersten Rachitis- 
falle 19 an, während die Fig. 14 dem Falle 9 entnommen ist, der der leichteste Rachitisfall der ganzen 
Reihe ist. Es drückt sich darin aus, daß neben dem geringen Alter der Fraktur vor allem die Kalk- 
armut des Callus es ist, welche seine maximale Dichtigkeit zur Folge hat, während bei besseren 
Kalkverhältnissen ein zarter gegliederter Callus resultiert. Schon bei der sekundären Spongiosa der Rippen 
und dem Fibulacallus sind wir zu gleichen Resultaten gelangt. 

Das die Callusbälkchen aufbauende Knochengewebe war, namentlich in den verkalkten Balken- 
zentren, öfter von unreifem und besonders in den kalklosen Säumen von reifem Charakter. Nach v. Reck- 
linghausen ist es beim Kind meist lamellär, zuweilen geflechtartig. Im Falle 20 konnte vielfach Nekrose 
der Callusbälkchen erhoben werden, die sich in verkalkten Partien daran erkennen ließ, daß die Zellhöhlen 
wie leer erschienen, die Knochenzellen also unfärbbar waren, in kalklosen aber sah man selbst die leeren 
Zeilhöhlen nicht. Sie dürften kollabiert gewesen sein. Die Ursache der Nekrose war wohl zweifellos 
Quetschung gelegentlich der Bewegung der Fragmente. Erscheinungen vor sich gehenden oder statt- 
gehabten Umbaues waren am Callus nicht selten, aber nur bei längerem Bestande desselben zu finden, 
während v. Recklinghausen die auf Umbau hindeutenden OÖsteoklasten und Kittlinien beim Kind vermißte. 

Die Zahl und Weite der Markräume variiert in weiten Grenzen. Bald sind sie so eng (Fig. 124), 
daß man sie nur als Gefäßkanäle ansprechen kann, und dabei sind sie bald zahlreich, bald spärlich 
(Fig. 12). Sie enthalten dann außer dem engen Gefäß und einer ganz geringen Menge von Bindegewebe 
nur selten Osteoblasten, die dann meist aus Gründen des schon sehr beschränkt gewordenen Raumes 


Rachitis und Epithelkörperchen. 607 


ganz kümmerlich geworden sind. Ist aber der Callus zart gegliedert, so sind die Markräume weit und 
können zelliges und Fettmark enthalten (Fig. 14 8). In größeren Markräumen sind dann die Osteoblasten, 
wenn vorhanden, kräftig entwickelt. Auch Osteoklasten kommen, namentlich im älteren Callus, vor, wo 
sie auch kalklose Balken abbauen. Im Callus des marantischen Tieres 22 waren Osteoklasten, so wie 
sonst in der Rippe, ungewöhnlich oft zu sehen, ein Zeichen des Überwiegens des Abbaues über den Anbau. 

Splittern begegnen wir bei den spontanen rachitischen Rippenfrakturen der Ratte, genau so wie 
v. Recklinghausen bei der Kinderrachitis, nur ganz selten, ohne daß sie sonst besonderes darbieten 
würden. 


Bevor wir zur Besprechung der Kalkverhältnisse übergehen, wollen wir noch eine besondere Form 
des Callus betrachten, die in den Fig. 16 und 17 wiedergegeben ist, und der wir die in der Fig. 12 
wiedergegebene mehr gewöhnliche Callusform gegenüberstellen wollen. Allerdings ist zu bedenken, 
daß wir in Fig. 12 ein verhältnismäßig noch frühes, in den Fig. 16 und 17 aber zweifellos ein älteres 
Heilungsstadium vor uns haben. 

Der in Fig. 12 dargestellte Typus ist durch eine mächtige spindelige Knochenauftreibung charak- 
terisiert, die ein Effekt des stark entwickelten periostalen Callus ist. Im Längsschnitt aber ist jeder 
der beiden Corticalisstreifen für sich sowohl von der Peri- als auch von der Endostfläche in einen im 
Schnittbild spindeligen Callus eingehüllt und beide Spindeln verschmelzen in der Markhöhle, diese 
ausfüllend. ; 

Da die Fraktur dem Tier 19 angehört, bei dem die Kalkstörung den höchsten Grad erreicht hat, so 
ist der Callus der Hauptsache nach kalklos (pC) und die erste extensiv und qualitativ allerdings noch 
geringfügige Verkalkung (a, b) beansprucht darum unser Interesse, weil sie nicht etwa den ältesten, 
dem alten Schaft unmittelbar anliegenden Callusteil betrifft, sondern im Gegenteil die Callusperipherie 
bevorzugt. Namentlich links (D) bildet der Kalkstreifen einen Bogen, der sich mit seinen Enden auf die 
alte Corticalis aufstützt, rechts (a) ist der Bogen erst fragmentär entwickelt und überdies darum viel 
kürzer angelegt als der linke, weil er bloß den einen Frakturspalt (#S) überwölbt, der linke aber die beiden 
Frakturen F und D. Nach der äußeren Grenzlinie des Kalkstreifens 5b ist es klar, daß sie vor kurzem erst 
identisch war mit der äußersten Oberfläche des periostalen Callus selbst, während sie augenblicklich von 
der jüngst dazugekommenen, noch ganz kalklosen Callusschicht (e) überlagert worden ist. Im Gegensatz 
zum periostalen Callus ist der enostale aber völlig kalklos (eC). Nach den vielen Beispielen, die wir 
schon kennen gelernt haben, erscheint uns aber hier diese Kalkverteilung nur im periostalen Callus und 
nur in seiner Peripherie als selbstverständlich, denn dies ist der Ort stärkster statischer Beanspruchung 
auf Biegungs- und Strebfestigkeit, die ein auslösendes Moment für die lokal bevorzugte Ver- 
kalkung darstellt. 

Die interessanteste Eigenheit der Kalkverteilung ist hier aber der Umstand, daß der recht dicke, dem 
alten Schaft zunächst liegende somit älteste Teil des periostalen Callus (Fig. 127 C) kalklos, der sicher 
jüngere (a,b) aber verkalkt ist. Dafür muß umsomehr eine Erklärung gesucht werden, als bei dem oft 
sehr hohen, von der menschlichen Rachitis her bekannten periostalen Osteophyt, das genau so liegt, wie 
unser periostaler Callus, nach Virchow und Pommer die Verkalkung in der Tat da liegt, wo man sie 
auch von vornherein erwarten muß, nämlich in den ältesten, der Corticalis zunächst gelegenen Anteilen. 

Wenn bei normalen Kalkverhältnissen zufolge irgend einer Entzündung auf einem langen Röhren- 
knochen eine periostitische Knochenauflagerung entsteht, so verkalkt sie mit der Zeit vollkommen und 
weil sie an der äußersten Knochenperipherie liegt, also an einer Stelle, die wir als die meistbeanspruchte 
schon kennen, übernimmt sie auch die statische Funktion und die zentral liegende, alte Corticalis verfällt 


infolge Entlastung, nach Roux infolge Reizentziehung, der Inaktivitätsatrophie, was ja eine typische 
Erscheinung ist. 


608 "Dr. J.Erdheim, 


Warum bei Rachitis eine periostale Knochenauflagerung entsteht, ist mit voller Sicherheit nicht zu 
sagen. Am plausibelsten erscheint es noch, dafür die Abnahme der Festigkeit der Corticalis verantwortlich 
zu machen, die mit dem allmälichen Umbau immer mehr vom alten kalkhaltigen Knochen einbüßt und bloß 
kalkloses dafür in Tausch nimmt. Wegen der bestehenden Kalkstörung verkalkt das Osteophyt zumächst 
nicht, Kann darum trotz seiner peripheren Lage keine Funktion übernehmen und auch die alte Corticalis 
nicht entlasten. So wird der Zweck der Auflagerung durch die Kalkstörung vereitelt. Wenn aber mit der 
Zeit eine Verkalkung doch auch aufzutreten beginnt, so scheint dabei vor allem das Alter des Osteoids von 
Bedeutung zu sein. Je älter das Osteoid ist, desto mehr Gelegenheit hat es gehabt, jene uns unbekannten 
Eigenschaften zu erwerben, die zur Kalkablagerung führen, und da die ältesten Partien dem alten Schaft 
am nächsten liegen, so verkalken diese zuerst. Würde die Verkalkung aber durch den statischen Reiz 
hervorgerufen werden, so müßte sie in den von der Corticalis am entferntesten liegenden, also super- 
fiziellsten Teilen der Auflagerung auftreten, was aber nicht der Fall ist. Es ist das wieder ein Beispiel 
dafür, daß der statische Reiz groß genug ist, um die Knochenproduktion mächtig anzuregen, aber zugleich 
nicht immer stark genug, um die der Verkalkung hinderlichen Momente zu überwinden und eine Verkalkung 
zu erzwingen. In ähnlicher Weise sahen wir auch im Fibulacallus unserer Rachitistiere den statischen Reiz 
allenthalben einen mächtigen Callus hervorbringen, dessen Verkalkung aber nur an solchen Stellen 
erzwingen, wo er in besonders heftiger Weise einwirkte (Fig. 8p,). Beim gewöhnlichen rachitischen 
Osteophyt ist aber der auf dieses einwirkende Reiz darum nicht heftig genug, da ja die alte Corticalis, 
wenn auch geschwächt, der Träger der mechanischen Aufgabe bleibt. 

Anders ist es beim periostalen Callus der Ratte in Fig. 12. Dieser entsteht viel rascher als ein perio- 
stales Osteophyt, so daß Altersunterschiede zwischen tieferen und oberflächlichen Callusteilen, wenn sie 
auch zweifellos bestehen, nicht mehr stark genug ins Gewicht fallen, um eine Verkalkung der tiefsten, das 
heißt ältesten Teile nach sich zu ziehen. Umso heftiger aber wirkt der andere Faktor, der statische Reiz, 
denn der gebrochene alte Schaft hat seine mechanische Funktion zum größten Teil eingebüßt und damit 
entfällt ein umso größerer mechanischer Reiz auf den periostalen Callus, der der Art des Reizes ent-. 
sprechend eben peripher verkalkt. 

Von ganz anderem Charakter ist der Callus der Fig. 16 und 17. An der Außenfläche ist pektoral 
(Fig. 168, 17a) so gut wie gar kein, pleural aber (Fig. 16 f, 175) eine mäßige Verdickung der Rippe 
bemerkbar. Das erinnert ganz lebhaft daran, daß schon die normale Rippe an der Knochenknorpelgrenze, 
die ein punctum minoris resistentiae ist, eine Verdickung aufweist, die infolge der gebogenen Form der 
ganzen Rippe an der pleuralen Seite größer ist als an der pektoralen. Makroskopisch wurden die in Rede 
stehenden Frakturen meist übersehen. Sie sind seltener, bevorzugen mehr den vorderen Rippenabschnitt 
und kommen bei leichter (Fall 13), schwerer (Fall 18) und bei mit Marasmus kombinierter Rachitis vor 
(Fall 22). Am Längsschnitt überrascht es, bei den geringfügigen äußeren Veränderungen im Knochen- 
innern eine Callusbrücke vorzufinden, die sich von der einen zur anderen Corticalis spannt, die Mark” 
höhle vollständig unterbricht und plastisch gedacht ein verhältnismäßig dünnes, scheibenförmiges 
Diaphragma darstellt, das in der Rippenachse am dünnsten ist und gegen den Ansatz an der Corticalis 
zu deutlich dicker wird. 

Es läßt sich durch Übergangsbilder zeigen, daß die Callusbrücke so entsteht, daß von der Innen- 
fläche der Corticalis aus gegen die Rippenachse zu ein inneres Ringgesimse sich ausbildet, das durch 
zentrale Vereinigung zum kompletten Diaphragma wird. In Fig. 17 zum Beispiel steht diese Vereinigung 
erst knapp bevor, denn bei f ist die Markhöhle noch etwas äurchgängig. In solchen Fällen löst sich im 
Schnittbild jeder der beiden Corticalisstreifen sozusagen in eine Spongiosa auf, die aber sonderbarer Weise 
gegen die Markhöhle viel stärker vorspringtals nach außen. Die Callusbrücke ist ein später 
Heilungszustand, denn die Bruchstelle der Corticalis ist nicht mehr zu sehen, der peri- und enostale 


Callus sind untereinander und beide mit der Corticalis einheitlich ohne die Möglichkeit der Grenzbestim- 


mung verschmolzen und war Knorpelcallus vorhanden, so liegt er nur noch in Form konkav-globulärer 
Einschlüsse (Fig. 16 e) im Knochen vor. 


Rachitis und Epithelkörperchen. 609 


Die Kalkverteilung in der Callusbrücke ist konstant die folgende: Die der Markhöhle zugewendeten 
Brückenränder (Fig. 16c) sind ebenso gut verkalkt, wie die Corticalis (b) selbst und beide Verkalkungs- 
gebiete gehen ineinander über, während die Brücke in der Mitte ihrer Dicke (Fig. 16 d) in ausgedehntem 
Maße osteoid ist und gegen die Außentläche der Rippe (g) gewinnt das Osteoid noch an Mächtig- 
keit. Von dem einen verkalkten Brückenrand zum anderen spannen sich bald Züge aus verkalktem 
Knorpel (Fig. 16:), bald solche aus verkalktem Knochen (Fig. 17 g), welche infolge der Fragment- 
bewegung gebrochen sein können, wobei das Osteoid auch etwas einreißt. Das gleiche Prinzip der Kalk- 
verteilung ist auch in Fig. 17 unverkennbar, da aber das beiderseitige Innengesimse zentral noch nicht 
vereinigt ist, ist das Osteoid noch nicht kontinuierlich durch das Brückenzentrum zu verfolgen. Eine 
ähnliche Art der Kalkverteilung verrät sich andeutungsweise auch schon in Fig. 15. Die Menge des 
Osteoids muß, absolut genommen, in Fig. 16 und 17 als überraschend groß bezeichnet werden, wenn 
wir bedenken, daß erstere dem geringgradigen Rachitisfalle 13, letztere dem Marasmusfalle 22 entstammt, bei 
dem sonst in der Rippe die Östeoidmenge so gering war, daß die Rachitisdiagnose auf Schwierigkeiten stieß. 

Wenn wir nun die Kalkverteilung in Fig. 12 und 17 vergleichen, so erblicken wir in beiden 
dasselbe Prinzip, aber die Ausführung ist eine andere. In Fig. 12 die äußere Peripherie des 
periostalen Callus kalkhaltig, alles andere, das heißt die inneren Teile des periostalen und der ganze 
enostale Callus vollständig kalklos. In Fig. 17 ebenfalls die superfiziellsten Anteile, aber nicht des auf, 
sondern des in der Rippe gelegenen, in die Markhöhle hineingebauten Callus verkalkt und gegen die 
Außenseite der Rippe zu der Callus kalklos. Fig. 17 ist sozusagen das invertierte Bild von Fig. 12 in 
mehr gedrungener Form. Beide Male zeigt sich eine Beziehung des kalkhaltigen Callusteiles zum alten 
Knochenschaft. Es ist nicht leicht zu sagen, warum die Lösung der Aufgabe das einemal so ganz anders 
erfolgt als das anderemal. Insbesondere erscheint uns das in den Fig. 16 und 17 wiedergegebene Bild 
eigenartig. Doch sind wir schon einmal auch diesem Bilde begegnet. Es sei nur an die im Abschnitt 
über die Rippen gegebene Fig. 18 (f) verwiesen, wo ebenfalls ein wenn auch viel schwächeres inneres 
Ringgesimse mit der gleichen Neigung, an der derMarkhöhle zugewendeten Fläche zu verkalken, bestanden 
hatte, und ebenfalls ein Callus war. Aber dort war es klar, warum die Callusentwicklung in so auffallender 
Weise innenwärts gerichtet war. Da gab es nämlich ein mächtiges Knorpelmassiv, an dem der Callus 
eine Stütze fand. Ob auch bei unseren Callusbrücken etwa ein Spongiosabalken die gleiche Rolle spielte, 
läßt sich nicht sagen. Daß aber diese Callusart gerade gern in den vorderen Rippenabschnitten vorkam, 
würde dafür sprechen. 

Wie sehr die Rachitis des Menschen und der Ratte einander gleichen, ist selbst in solchen Details zu 
sehen, wie es die eben geschilderten zwei Arten von Callus sind. v. Recklinghausen betont ausdrücklich, 
daß beim rachitischen Kind der Callus von außen sich entweder als spindelige Anschwellung präsentiert 
(unser erster Typus) oder als Querwulst (unser zweiter Typus). Der Querwulst läuft nur einseitig 
(Infraktion) oder zirkulär (kompletter Bruch). Namentlich mit diesem zweiten Typus befaßte sich v. Reck- 
linghausen eingehend ünd unsere Befunde müssen mit den seinigen geradezu als identisch bezeichnet 
werden. Die Querwülste sah v. Recklinghausen namentlich bei mit Atrophie kombinierten Rachitis- 
fällen und auch unsere Fig. 17 mit der stellenweise sehr dünnen Corticalis (C) stammt sogar von unserem 
Marasmustier 22. Die Fraktur soll in solchen Fällen bloß die Folge zu geringer Corticalisdicke sein, wofür 
auch unsere Figur mit der obwohl gut verkalkten, so doch sehr dünnen Corticalis spricht. An den zahl- 
reichen Abbildungen v. Recklinghausens sieht man bei Infraktionen den Callus als zirkumskripte, ein- 
seitige Corticalisverdickung erscheinen, die, wie bei der Ratte, in die Markhöhle stark, nach außen minimal 
oder gar nicht vorspringt. Bei komplettem Bruch sieht man auch beim Kind am Längsschnitt das eben 
geschilderte Bild, aber auf beiden Corticalisseiten, und zwar in verschiedenen Stadien der Vereinigung 
durch die Markhöhle hindurch, woraus eine »Querplatte« resultiert, die die Markhöhle überbrückt und 
axial am dünnsten ist. Über die Kalkverhältnisse dieser Callusform finden sich aber bei v. Reckling- 
hausen keine Angaben. 


610 Dr. J. Erdheim, 


Außer dem bisher über das Osteoid Gesagten sei noch Folgendes bemerkt. Das Diagramm XXV 
(Tafel X) in dem der Wert für den Fall 20 ein Mittel aus vier gemessenen Callus darstellt und der Wert für 
den Fall 21 in Ermanglung osteoider Säume durch Halbierung der Breite vollkommen kalkloser Balken 
gewonnen wurde, zeigt uns, daß die Osteoidbreite im Callus der spontanen rachitischen Rippenfrakturen 
erheblich höher ist als im Fibulacallus (Diagramm XXIV). Der Fibulacallus ist, wenn ein Vergleich 
trotz des sehr verschiedenen und nicht genau bekannten Alters der Rippenfrakturen überhaupt gestattet 
ist, besser verkalkt als der Rippencallus. Ob das darauf beruht, daß der Callus an einem Extremi- 
tätenknochen zufolge stärkerer Beanspruchung einen Ort bevorzugter Kalkablagerung darstellt, ist nicht 
mit Sicherheit zu sagen. 

Wenn wir die Breite des Osteoidsaumes im Fibulacallus und dem Rippencallus desselben Falles 
miteinander vergleichen, so war sie in der Rippe nur des Falles 17 etwas, und zwar um 7'1 g. kleiner, in 
allen anderen Fällen aber größer als in der Fibula. Die Breitendifferenz betrug in den Fällen 11 und 10 nur 
5 und 6 a, in den Fällen 9, 13, 18 und 15 schon 37,48 4, 48:9 und 51'3w, und im Falle 11 gar 1377 u. 
Die Verkalkung im Rippencalius ist daher zum Teil sehr beträchtlich viel schlechter als im Fibula- 
callus. 

Da im alten Callus der Kalkgehalt meist besser ist als im jungen, so wird außer dem Grade der 
Rachitis auch noch das Alter des Callus für seinen Kalkgehalt von Bedeutung sein. Darauf wird es 
auch beruhen, daß im Diagramm XXV mit dem Anstieg der Zahlen nicht zugleich auch der Rachitisgrad 
ansteigt. Doch belehren uns unsere Figuren, daß eine Abhängigkeit des Kalkgehaltes von der 
Schwere der Rachitis unverkennbar ist. So der relativ sehr gute Kalkgehalt im Callus des leichtesten 
Rachitisfalles 9 (Fig. 14), der schon viel geringere Kalkgehalt beim sehr schweren Fall 20 (Fig. 15) und der 
äußerst geringe Kalkgehalt im Falle 19 (Fig. 12), der der höchstgradige von allen war. Wenn aber dieser 
letztere Callus doch noch mehr Kalk enthält als der ganz kalklose des mäßigen Rachitisfalles 15 (Fig. 10), 
so kommt das eben daher, daß der in Fig. 10 dargestellte Callus eben viel jünger ist. 

Bezeichnend für die Kalkarmut der Rippencallus ist der Umstand, daß der Knochenanwurf im 
enchondralen Callus zum Teil oder vollständig kalklos angetroffen wurde. An der Grenze zwischen 
kalkhaltigem und kalklosem Knochengewebe war die Übergangszone ausnahmslos pathologisch 
breit, selten feinkörnig, meist grobkörnig und im Falle 20 waren die Kalkkörner oval und parallel zur 
Faserrichtung der Grundsubstanz orientiert. Im gleichen Falle konnte man die erste Kalkablagerung im 
Östeoid in Form von Körnchen wahrnehmen, die die Knochenzellen umgaben. Im Falle 22 war endlich 
selbst der kalkhaltige Knochen nur unvollkommen kalkhaltig, von globulärer Struktur oder von kalk- 
losen Streifen durchzogen. Bemerkenswert war es noch, daß da, wo kalkloses Callusgewebe 
(Fig. 13pC) präexistentem, periostalem Osteoid aufgelagert war (Fig. 13p0), beide daran unter- 
schieden werden konnten, daß ersteres heller rot gefärbt war und zahlreichere, größere und hellere 
Knochenzellen enthielt. 


Rachitis und Epithelkörperchen. 611 


IV. Über das calcioprotektive Gesetz. 


Bevor wir die Besprechung der rachitischen Veränderungen des Skelettes verlassen und zu denen der 
Epithelkörperchen übergehen, wollen wir noch einige allgemeine Betrachtungen über jene Gesetzmäßigkeit 
der Kalkverteilung im Skelett anstellen, für die wir in den bisherigen drei Abschnitten zahlreiche Beispiele 
kennen gelernt haben. Wir können hier diese Beispiele nicht wiederholen und müssen bezüglich ihrer 
Details auf das schon Gesagte verweisen. Eine Zusammenstellung aller Fälle, auf die sich die folgenden 
Ausführungen stützen, würde recht lückenhaft erscheinen und die hier in Betracht kommenden Möglichkeiten 
gewiß nicht erschöpfen. Die vorliegenden Untersuchungen sind aber auch nicht mit der Absicht ausgeführt, 
die Gesetze der Kalkverteilung zu studieren, sondern hatten ganz andere Ziele im Auge, und was wir von 
der Kalkverteilung gesehen haben, muß rein als Nebenbefund betrachtet werden. Eine systematische, 
experimentelle und histologische Untersuchung dieser Gesetze müßte aber eine Fülle von weiteren neuen 
Tatsachen zutage fördern. 

Dank der Kleinheit unseres Untersuchungsobjektes, der Ratte, konnten mitLeichtigkeit ganze Knochen 
geschnitten und bei schwacher Vergrößerung auch in toto ins Gesichtsfeld des Mikroskopes hineingebracht 
werden, welcher Umstand das Erkennen gewisser Gesetze der Kalkverteilung besonders erleichtert haben 
mag. Bei der Betrachtung von Knochenpräparaten ist es zu ihrem vollen Verständnisse natürlich uner- 
läßlich, ihre statisch-mechanische Funktion im Auge zu behalten. Für uns in der Festigkeitslehre nicht 
beschlagenen Mediziner wird aber dieses Desiderat kaum je in befriedigendem Maße erfüllbar sein, so daß 
das Geleistete Stückwerk bleiben muß. Wenn wir aber nun gar noch bedenken, daß die Verhältnisse in 
pathologischen Knochen, wie sie auch uns vorlagen, erst recht verwickelt sein müssen (wiewohl eigentlich 
die statischen Gesetze die gleichen bleiben müssen), so muß es eigentlich vermessen erscheinen, sich auf 
dieses Gebiet zu begeben. Wenn es trotzdem geschieht, so möge als Entschuldigung die Hoffnung gelten, 
das hier Mitgeteilte möchte die Aufmerksamkeit Berufener auf sich lenken und so den Ausbau erfahren, 
den es wohl verdient. 


Über Ungleichmäßigkeiten der Kalkverteilung, allerdings in ganz anderer Anordnungsweise und aus 
ganz anderen Gründen, wie wir sie hier im Auge haben, berichten bei Rachitis und Osteomalacie Rind- 
fleisch und Pommer. Ersterer zum Beispiel betont, daß in unmittelbarer Nähe der Gefäße das Osteoid 
nicht verkalke, weil hier der Flüssigkeitsverkehr zu rege sei, was auf die Kalkablagerung hemmend wirkt, 
während eine relative Ruhe des Flüssigkeitsverkehres, entfernt vom Gefäß, die Kalkablagerung begünstige. 
Pommer wieder findet alle Stellen des Knochengewebes, von denen v. Ebner angibt, daß sie reich sind 
an Kittsubstanz, als Stellen bevorzugter Kalkablagerung bei Rachitis und Osteomalacie. Hierher gehören: 


' Die Umgebung der Knochenkörperchen, der Knochenkanälchen und Sharpey’schen Fasern, die inter- 


lamelläre Zone und die konkave Seite der Kittlinien. Nach unseren seinerzeitigen Befunden am Callus 
scheint ferner geflechtartiges Knochengewebe rascher zu verkalken als lamelläres. Davon aber, daß die 
Kalkverteilung statischen Gesetzen folgt, ist bei diesen Autoren nicht die Rede und gerade die Beherrschung 
der Kalkverteilung durch statische Gesetze wird uns hier ausschließlich interessieren. Um Mißverständnissen 


vorzubeugen, möge vorausgeschickt werden, daß hier das Wort »statisch« im Sinne Roux’s nicht nur da 
Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC. Bd. 83 


612 Dr. J. Erdheim, 


angewendet ist, wo die durch die Schwerkraft bedingte Belastung in Betracht kommt, sondern im weiteren 
Sinne auch da, wo Muskelaktion im Spiele ist. | 

Es ist mir nicht bekannt geworden, daß von irgend einer Seite bereits las Gesetz der Kalkverteilung 
nach statischen Prinzipien betont worden wäre. Doch wer kann es wagen zu behaupten, die so zerstreute 
Knochenliteratur ganz zu kennen, die sogar der schier unerschöpflichen Arbeitskraft v. Reckling- 
hausen’s am Lebensschluß den resignierenden Ausruf entlockte: »Ja, wenn ich unabhängig wäre von 
Raum und Zeit.« 


So wie bei den morphologischen, so werden wir auch bei den statischen Fragen strenge zwischen 
Knochenapposition und Kalkapposition zu unterscheiden haben. Auf diese Unterscheidung ist bisher bei 
statischen Fragen kein Gewicht gelegt worden. Da normaliter die Verkalkung hindernislos erfolgt, schien 
die Kalkopposition keinerlei Problem in sich zu bergen, und man sah es als eine selbstverständliche, dem 
Knochen von Haus aus gegebene Eigenschaft an, daß er sofort nach seiner Bildung verkalkt. So blieb 
denn nur das Problem zu lösen, wie es komme, daß Knochengewebe gerade da gebildet werde, wo es die 
Statik erfordert Und gelangte dahin anzunehmen, daß die knochenbildende Zelle, der Osteoblast, durch 
mechanischen Reiz zur Knochenproduktion angeregt werde (siehe unten). Die Frage, ob auch die auf die 
Knochenapposition folgende Kalkapposition den gleichen statischen Gesetzen folge, wurde überhaupt gar 
nicht einmal berührt. 

Es gibt unter normalen Umständen aber auch nicht bald eine Gelegenheit, die dazu führen könnte, 
eine solche Frage aufzuwerfen, denn wo der mechanische Reiz einwirkt, dort gibt es auch schon Knochen- 
und Kalkapposition, und da die Knochenapposition zweifellos das erste ist, so konzentrierte sich alle 
Aufmerksamkeit eben auf diese. Bei der Rachitis jedoch, bei der die Osteoblasten auf den mechanischen 
Reiz, ähnlich wie unter normalen Umständen, wenn auch vielleicht nicht in so vollem Ausmaße, mit 
Osteoidproduktion reagieren, folgt dieser die Kalkapposition zufolge der bestehenden Kalkstörung durch- 
aus nicht auf dem Fuße, sondern wenn überhaupt, so verspätet und unvollkommen. Und nach dem Orte, 
wo diese verspätete Verkalkung schließlich, wenn auch in kümmerlichem Ausmaße, dann doch erfolgt, 
erkennt man, daß dies nicht etwa die ältesten Östeoidteile sind, sondern diejenigen, auf die der 
mechanische Reiz am allerintensivsten eingewirkt hat. Es gehört also schon ein ganz besonders 
intensiver Reiz dazu, um trotz der rachitischen Behinderung der Kalkapposition schließlich doch die 
Verkalkung zu erzwingen. Ein Reiz von normalem Ausmaße vermag das aber bei Rachitis nicht, im 
Gegensatz zum normalen Skelett. Bei solchen Gelegenheiten verrät sich erst das Gesetz, daß die Knochen- 
apposition ebenso mechanischen Momenten folgt, wie die Osteoidproduktion und nicht eine dem Östeoid 
unbedingt eigentümliche Erscheinung ist, die darum ohne Rücksicht auf statische Verhältnisse zwangs- 
weise der Knochenapposition folgt. 

Was wir dank der der Rachitis eigentümlichen Dissoziation der Knochen- und Kalkefigashiag 
erkannt haben, muß aber auch für das normale Skelett seine Gültigkeit haben, wenn wir auch in diesem 
freilich nicht so leicht in die Lage kommen, dies zu erkennen, weil bei normalen Kalkverhältnissen schon 
geringfügige Reize genügen, um Verkalkung zu provozieren, und wo der statische Reiz Knochenproduktion 
anregte, dort führt er im normalen Skelett auch zur Kalkapposition. Da muß schon eine. besondere 
Gelegenheit und ein besonderer Ort gesucht werden, wo auch im normalen Knochen der mechanische 
Reiz ungewöhnlich groß ist und zugleich aus räumlichen Gründen die Knochenproduktion beschränkt 
bleiben muß, so daß ein erhöhtes Bedürfnis besteht, das wenige Knochengewebe möglichst rasch und 
vollständig der Verkalkung zuzuführen. Diese Bedingung finden wir aber in der primären Spongiosa der 
normalen Rippen erfüllt, welcher eine eminent wichtige statische Funktion. zukommt, deren Knochen- 
apposition aber infolge der Enge der primitiven Markbuchten sehr beschränkt ist. Dies hat, wie wir an 
entsprechender Stelle gehört haben, zur Folge, daß in der normalen Rippe die Knochenverkalkung in.der 


Rachitis und Epithelkörperchen. 613 


primären Spongiosa soviel rascher erfolgt. als anderwärts, daß gerade hier das Östeoid seltener und 
schmäler ist als an irgend einer anderen Stelle des Knochens. Das ist also ein Beispiel für ein calcio- 
protektives Gebiet unter normalen Umständen. Was hier von der primären Spongiosa der normalen Rippen 
gesagt ist, gilt in gleicher Weise für den enchondralen Callus in der gebrochenen Fibula der normalen 
Kontrolltiere. Wir brauchen somit nicht erst aus dem Verhalten bei Rachitis einen Analogieschluß auf das 
statische Bedingtsein der Kalkapposition auch schon unter normalen Umständen zu machen, sondern wir 
können das direkt wahrnehmen. 

Sowie die Kalkapposition mit der Knochenapposition das statische Bedingtsein gemein hat, so ver- 
halten sich beide auch sonst oft analog. Es ist bekannt, daß man die höchst interessante Zweckmäßigkeit 
der Spongiosastruktur am leichtesten an Fällen studieren kann, in denen eine Verarmung des Skelettes 
am Knochengewebe besteht, also bei Knochenatrophie, denn in solchen Fällen sind nur die allernot- 
wendigsten Bälkchen erhalten und diese auf das noch gerade zulässige Dickenmaß reduziert, wodurch 
die ganze Spongiosastruktur an Klarheit gewinnt. In ganz analoger Weise ist es die Rachitis, also jene 
Krankheit, bei der infolge der Hemmung der Kalkablagerung diese nur auf die statisch meistbeanspruchten 
Stellen eingeschränkt ist, bei der wir daher am leichtesten klaren Einblick in jene Gesetze gewinnen, die 
die Kalkapposition beherrschen. Was also die Osteoporose für das Studium der Spongiosastruktur, das ist 
die Rachitis für das Studium des calcioprotektiven Gesetzes. 


* * 
* 


Wie bereits erwähnt, ist die Abhängigkeit der Knochenapposition von statischen Momenten im 
Gegensatz zur gleichen Abhängigkeit der Kalkapposition schon viel beachtet und diskutiert worden. Es 
wird daher von Interesse sein, darüber kurz zu referieren. Roux stellt sich vor, daß die Zug- und Druck- 
spannung auf die Östeoblasten durch molekulare Erschütterungen einen funktionellen Reiz ausübt, dessen 
trophische Wirkung die Osteoblasten zur Knochenbildung veranlaßt; wo aber die Zug- und Druckspannung 
lange Zeit ausbleibt, also auch der funktionelle Reiz fehlt, da kommt es zur Knochenresorption. Indem nun 
so an Stellen stärkster Funktion immer mehr Knochengewebe hinzukommt und an den Stellen fehlender 
Funktion das Knochengewebe schwindet, kommt jene trophisch vermittelte funktionelle Anpassung 
der Gestalt und inneren Struktur des Knochens zustande, der so seiner Funktion aufs vollkommenste ange- 
paßt ist. Die mechanische Beanspruchung ist es somit selbst, die dem Knochen seinen zweckmäßigen Bau 
verleiht, dank welchem der Knochen seiner Funktion mit einem Minimum an Knochengewebe gerecht 
werden kann. 

Wie Triepel bemerkt, sind wir aber noch weit davon entfernt, jenen Vorgang näher zu verstehen, 
bei dem die Zug- und Druckspannung den Östeoblasten zur Knochenproduktion veranlaßt und daß, wie 
Roux sagt, eine spezifische Einwirkung durch einen spezifischen Reiz ein spezifisches Gewebe hervor- 
bringt, welches eben dieser spezifischen Einwirkung am besten zu widerstehen vermag. Nach Triepel ist 
es überhaupt noch nicht sicher, ob bei dem den funktionellen Knochenbau hervorbringenden An- und 
Abbau die Zug- und Druckspannung allein auf die Osteoblasten oder allein auf die Osteoklasten oder auf 
beide einwirkt. 

Uns erscheint es aber nicht nur bisher unaufgeklärt, wie die Spannung es zuwege bringt, den Osteo- 
blasten zur Knochenproduktion anzuregen, sondern vor allem schon sehr bemerkenswert, daß der 
‘Osteoblast gerade auf mechanische Reize reagiert. Aber für derlei spezifische Art der Zellreaktion haben 
wir wenigstens Analogien im Körper auch sonst. Denn die Epithelzelle der Schweißdrüsen reagiert mit 
ihrer spezifischen Funktion gerade auf thermische Reize, während die Epithelzellen des Gastrointestinal- 
traktes eben auf chemische Reize derart abgestimmt sind, daß verschiedene chemische Reize die 
Produktion verschiedener Sekrete zur Folge haben. Es erscheint daher ganz natürlich, daß der ÖOsteoblast, 
der Knochengewebe zu produzieren hat, eben auf mechanische Reize eingestellt ist. Wir haben uns 
diese so mannigfaltigen spezifischen Reaktionen verschiedener Zellen als ihnen eigen anzusehen, im 
Verlaufe der Phylogenese erworben und hoch gezüchtet. 


614 Dr. J. Erdheim, 


Da die Osteoblasten ihre spezifische Eigenschaft, auf mechanische Reize mit Knochenbildung zu 
reagieren, auch unter pathologischen Verhältnissen beibehalten, so wird die höchst zweckmäßige Ein- 
richtung, Knochengewebe gerade da hervorzubringen, wo, wenn man so sagen darf, die Nachfrage nach 
ihm besteht, sich auch in kranken Knochen bemerkbar machen, und zwar in einer noch auffallenderen 
Weise als im normalen. Kommt nämlich der Knochen unter pathologisch abgeänderte Verhältnisse, so 
ändert sich seine Beanspruchungsart nach Roux derart, daß nunmehr andere Teile als bisher die meist- 
belasteten und somit auch meist Knochengewebe produzierenden sind, und ebenso auch andere Teile als 
bisher die entlasteten werden und darum Abbau aufweisen. So entsteht in funktioneller Anpassung eine 
den neuen Belastungsverhältnissen genau entsprechende neue Gestalt und Architektur des Knochens, die 
der geänderten Beanspruchungsart aufs Beste angepaßt ist. Das ist die allgemein bekannte, von Wolff 
entdeckte Transformation der Knochen. 

Da wo Roux von der Frakturheilung zum Beispiel sagt, daß der zuerst gebildete Callus nicht gleich 
in definitiver Form gebildet wird, sondern unter dem Einfluß der neuen statischen Momente noch lange 
Zeit hindurch in seinem Innern fortdauernde Umbauvorgänge aufweist, da finden sich die folgenden, diese 
Vorgänge am besten charakterisierenden Worte: »Der Druck und Zug pflanzt sich durch alle die Ver- 
bindungen beider Stücke herstellenden Knochenteile fort, durch die günstiger gelegenen stärker, durch die 
von den Hauptfortpflanzungslinien abgelegenen weniger stark. Sind infolgedessen letztere Stellen resorbiert, 
erstere verstärkt worden, so geschieht die Druckübertragung in den übriggebliebenen Teilen wieder in 
anderer Weise als vorher, was neue Stellen stärksten und geringsten Drucks und daher neue Resorptions- 
und Assimilationsstellen schafft.« 

Natürlich begegneten auch wir bei unseren Knochenpräparaten, insbesondere bei den Callusbildern 
der normalen und rachitischen Ratten, vielfach Illustrationsfakten zu dem eben Gesagten. Hierher gehört 
der lacunäre Abbau der statisch überflüssig gewordenen Bruchenden; die zirkulär gleichmäßige Aus- 
bildung des Callus bei tadelloser Adaptierung der Fragmente und die in der Zirkumferenz höchst ungleich- 
mäßige Ausbildung desselben bei seitlicher Verschiebung oder winkeliger Stellung der Fragmente, wobei 
der Callus da am stärksten ausgebildet ist, wo die Beanspruchung am stärksten war. Hierher gehört ferner 
die Beobachtung, daß die erste knöcherne Verbindungsbrücke beider Callushälften an ihrer äußersten 
Peripherie sich findet, wo die Zug- und Druckspannung am größten ist; daß, nachdem an der Callus- 
peripherie eine knöcherne Brücke gebildet ist, in dem am wenigsten beanspruchten Calluszentrum etwa 
noch vorhandener Knorpel vasculär abgebaut wird, ohne daß an seiner Stelle Knochenproduktion erfolgen 
würde; eventuell im Calluszentrum befindliches Knochengewebe wird aber abgebaut, wodurch der Callus 
ausgehöhlt wird. Einige dieser eben genannten Erscheinungen der Knochenverteilung kommen weiter 
unten beim Vergleich mit der Kalkverteilung noch ausführlicher zur Sprache. 


* x 


Wir haben schon oben gehört, daß es ein durch statische Momente bedingtes calcioprotektives Gesetz 
gebe, demzufolge die Zug- und Druckspannung es ist, die die Grundsubstanz des Knochens und Knorpels 
dahin bringt, Kalk aufzunehmen. Die Kalkaufnahme ist somit nicht dem Akt der Knochen- und Knorpel- 
bildung immanent und mit ihm auch schon als selbstverständlich gegeben, wie das im normalen Skelett 
scheinen könnte, sondern die Kalkaufnahme erfolgt erst auf den mechanischen Reiz hin, "wie uns die 
Rachitisbilder lehren. Wäre dem nicht so, und würde bei Rachitis die Breite des Osteoids ausschließlich 
vom Grade der Kalkstörung abhängen, dann müßten wir überall das Osteoid in gleicher Breite vorfinden. 
Dem ist aber nicht so. Der Kalkgehalt und Hand in Hand damit die Osteoidmenge sind bei Rachitis an 
verschiedenen Stellen des Knochens sehr verschieden. Der meiste Kalk findet sich an den meist bean- 
spruchten, das meiste Osteoid an den wenigstbeanspruchten Knochenstellen. Der Kalkgehalt ist somit da 
am größten, wo, wenn man so sagen darf, das Bedürfnis nach Festigkeit am größten ist, was den Eindruck 
höchster »Zweckmäßigkeit« macht. 


Rachitis und Epithelkörperchen. 615 


Dank der Eigenschaft der Knochen- und Knorpelgrundsubstanz, auf mechanische Beanspruchung mit 
Kalkaufnahme zu reagieren, wird im Skelett die Kalkverteilung, die bei der hämatogenen Kalkzufuhr als 
überall gleichmäßig zu erwarten wäre, ganz ungleichmäßig, dabei nicht regellos, denn lokale statische 
Einflüsse sind es, die die gleichmäßige Verkalkung bis ins feinste Detail zu einer ungleichmäßigen 
modifizieren. 

Ist es schon bei der knochenbildenden Tätigkeit der Osteoblasten schwer gewesen sich vorzu- 
stellen, wie die Zug- und Druckspannung durch trophischen Reiz die Zellen zum Knochenanbau reizen 
kann, so ist es noch schwerer sich vorzustellen, wie das gleiche Moment die Knochen- und Knorpelgrund- 
substanz dazu bringt, Kalk aufzunehmen, und dies bei entsprechender Intensität des Reizes sogar im 
rachitischen Skelett zuwege bringt, wo ja die Kalkablagerung allgemein gehemmt ist. Aber auf das 
hypothetische Detail dieser molekularen Vorgänge soll hier nicht eingegangen werden. 


Sowie die spezifische Reaktionsweise des Östeoblasten durch funktionelle Anpassung etwa die 
funktionelle Spongiosastruktur hervorbringt, so bringt das calcioprotektive Gesetz die funktionelle Kalk- 
verteilung bei Rachitis hervor, so daß man auch hier von funktioneller Anpassung sprechen darf. Denn 
die spezifische Einwirkung der Zug- und Druckspannung übt auf die Knochen- und Knorpelgrundsubstanz 
einen spezifischen Reiz aus, demzufolge diese Kalk aufnimmt und so jener spezifischen Einwirkung am 
besten zu widerstehen vermag. 


Während die spezifische Reaktionsfähigkeit des Osteoblasten es zuwege bringt, daß der Knochen 
seiner mechanischen Aufgabe mit einem Minimum an Knochengewebe gerecht werden kann, bringt es 
das calcioprotektive Gesetz zuwege, daß bei Rachitis mit dem in pathologisch geringer Menge abge- 
lagerten Kalk der bestmögliche statische Nutzeffekt erzielt wird, indem der Kalk an jene Stellen dirigiert 
wird, wo das Bedürfnis nach ihm am größten ist. Hier sei betont, daß die in unserer Darstellung öfter 
wiederkehrenden Ausdrücke wie: »Bedürfnis« nach Kalk, »Dirigieren« des Kalkes, »zweckmäßige« 
Anordnung des Kalkes etc. natürlich nicht wörtlich, sondern bildlich gedacht sind. Es wird wohl über- 
flüssig sein, sich wie Triepel beim Gebrauche des Wortes »zweckmäßig« erst ausdrücklich dagegen 
zu verwahren, als ob ein »zwecksetzendes Subjekt« vorausgesetzt würde. 


Wie der Osteoblast seine spezifische Reaktionsfähigkeit auf mechanische Reize auch unter pathologi- 
schen Verhältnissen behält, was bei geänderter funktioneller Beanspruchung durch Selbsttransformation 
zur Gestalt- und Strukturveränderung des ganzen Knochens führt, so sehen wir auch, wie das calcio- 
protektive Gesetz bei pathologisch veränderter Beanspruchung eine von der Norm völlig abweichende 
Verteilung des Kälkes zur Folge hat. Man darf also auch hier von einer Transformation, und zwar der 
Kalkverteilung sprechen. Ein einschlägiges Beispiel haben wir an der präparatorischen Verkalkungszone 
kennen gelernt. Diese ist bei der Ratte normaliter eine dünne, quer zur Rippenachse stehende Knorpel- 
scheibe, deren Verkalkung die Aufgabe hat, die beim folgenden, weitgehenden vasculären Knorpelabbau 
stehenbleibenden Knorpelreste möglichst fest zu machen und vor dem Einknicken zu bewahren. Bei 
Rachitis aber staut sich der Knorpel manchmal zu einem hohlen kalklosen Zylinder auf, in dessen Bereiche 
die Rippe flexibel ist. Die nunmehrige Aufgabe der Knorpelverkalkung ist daher ganz anders als unter 
normalen Umständen, denn sie soll das Knorpelmassiv nach Möglichkeit festmachen, um so der uner- 
wünschten Flexibilität dieser Rippenstelle entgegenzuarbeiten. Dieses Ziel wird am zweckmäßigsten in 
der Weise angestrebt, daß die Kalkablagerung nach nunmehr völlig veränderten Prinzipien, nämlich 
möglichst marginal erfolgt, wo die Beanspruchung am größten ist (siehe unten). Das ist eine Trans- 
formation der Knorpelverkalkung. 


Bezüglich des Wortes »calcioprotektiv« sei folgendes bemerkt. Es wurde mit Absicht vermieden, 
die naheliegenden Ausdrücke »calciophobe Gebiete« für die kalklosbleibenden und »calciophile« für die 
kalkaufnehmenden zu verwenden. Diese Ausdrücke würden vielleicht mehr sagen als wir behaupten 
können, indem sie die Ursache für die vorhandene oder fehlende Kalkablagerung in das Knochengewebe 
selbst verlegen, was wir in gleich dezidierter Art nicht beweisen können. Das Wort calcioprotektiv 


616 Dr. J. Evrdheim, 


präjudiziert viel weniger, denn es besagt nur, die Kalkablagerung ‘werde an einer bestimmten’ Stelle 
gefördert, ohne zu besagen, ob diese Förderung ihren Grund im oder außerhalb des Knochengewebes 
habe. 


% 


Unter normalen Umständen ist an einem Knochenbälkchen dann ein Anreiz zu seiner Verdickung 
durch Knochenapposition gegeben, wenn seine statische Beanspruchung vermehrt wird. Wenn die Dicken- 
zunahme des Bälkchens soweit gediehen ist, daß es der neuen Aufgabe voll gerecht werden kann, so hört 
die Knochenapposition auf. Dieser Stillstand der Apposition kommt aber nur dann zustande, wenn das 
neugebildete Knochengewebe nicht nur in genügender Menge gebildet, sondern auch verkalkt ist. Ersteres 
ohne das Letztere vermag nicht die Knochenapposition zum Stillstand zu bringen (siehe unten). Wir 
sehen also, daß der regulären Verkalkung des neugebildeten Knochengewebes die wichtige Rolle zufällt, 
die Knochenappositionsvorgänge zu regulieren, denn nur bei genügender Menge kalkhaltigen Knochen- 
“ gewebes hört der Reiz zu weiterer Knochenapposition auf. 

Daß dem in der Tat so ist, erkennt man am besten wieder bei der Rachitis. Bei dieser sahen wir 
zum Beispiel in der Rippenspongiosa und im periostalen knöchernen Callus eine so hochgradig 
pathologische Dichtigkeit des der Hauptsache nach kalklosen Knochens, daß von einer Sklerose oder 
Eburneation gesprochen werden könnte. Dieses für manche Rachitisfälle typische pathologische Plus an 
Knochengewebe, welchem v. Recklinghausen’s »hyperplastische Malacie« entspricht, erklärt 
Schmorl so, daß der Knochen durch die Quantität das ersetzt, was ihm zufolge des Kalkmangels an 
Qualität abgeht, ohne je eine vollständige Kompensation zu erreichen. Diese Erklärungsart ist natürlich 
nur bildlich zu nehmen, real gedacht muß die Erklärung die folgende sein: Indem bei Rachitis im neu 
hinzukommenden Knochengewebe die Verkalkung ausbleibt, wird auch der Reiz zur Fortsetzung der 
Knochenapposition nicht aufgehoben. Diese geht also ungehemmt weiter vor sich, der Knochen wird 
pathologisch dicht, sklerotisch, die Markräume werden auf enge Gefäßkanäle reduziert, in denen die 
Osteoblasten einfach aus Raummangel atrophieren und schwinden, und so wird der weitere Knochenanbau 
förmlich unterbunden, erstickt, was eben etwas ganz anderes ist als die rechtzeitige Aufhebung des 
Reizes zur Knochenapposition im normalen Skelett durch eintretende Verkalkung. 

Wir sehen also, daß der Kalkapposition die wichtige Aufgabe der Selbstregulation des Knochen- 
anbaues zufällt. Bei Wegfall der Knochenverkalkung fehlt auch jede Regelung des Knochenanbaues. Was 
wir die normale Knochenmenge oder die normale Spongiosadichtigkeit nennen, ist eben ein Effekt der 
von der Kalkapposition ausgehenden Selbstregulierung des Knochenanbaues. Die automatische Regulierung 
des Knochenanbaues ist mit eine der wichtigsten Aufgaben der Kalkapposition im Skelett. 


* * 


Aus unserer Beschreibung und den Photogrammen der rachitischen Rippe geht hervor, daß der 
Kalkgehalt des Knochengewebes sowohl in der Spongiosa, als auch in der Corticalis mit der Entfernung 
vom Knorpel wächst. Diese Erscheinung kann nur zum Teil darauf beruhen, daß wir, je mehr wir uns vom 
Knorpel entfernen, umso mehr in Knochengebiete kommen, die schon in vorrachitischer Zeit gebildet 
worden sind. Die Hauptursache für diese Kalkverteilung ist aber die, daß wir mit der Entfernung vom 
Knorpel immer mehr in statisch bedingte calcioprotektive Gebiete gelangen. Mit der Begründung dieser 
Auffassung sollen sich die folgenden Ausführungen befassen. 

Die Beweisführung muß damit beginnen, die statische Beanspruchungsart der Rippe klarzulegen. 
Roux ist der Meinung, daß die Rippe zufolge ihrer Einspannung zwischen Wirbel und Sternum der 


Biegungsbeanspruchung unterworfen ist. Triepel spricht bei der Rippe von einer Beanspruchung auf 


Strebe- und Biegungsfestigkeit. Doch sei betont, daß die Beanspruchung auf Strebefestigkeit in sich schon 
auch eine solche auf allseitige Biegungsfestigkeit einschließt. Eine Beanspruchung auf Biegung findet sich 


Rachitis und Epithelkörperchen. 617 


nach Triepel außer in der Rippe nur noch im proximalen Femurende. Nach Gebhardt wird der in der 
Hauptbiegungsebene befindliche Knochendurchmesser vergrößert, wenn eine bedeutende Steifheit des 
Knochens erreicht werden soll, während bei der Rippe, die nicht auf Steifheit, sondern auf Elastizität 
gebaut ist, in der Biegungsebene im Gegenteil der Kleinste Knochendurchmesser liegt, was an den Bau 
der Seesäugerknochen erinnert. Es geht aus den Angaben hervor, daß die Rippe unter anderem auch auf 
Biegung beansprucht wird. 

Bei der Biegung liegt nach der Festigkeitslehre die Stelle größter Beanspruchung ferne vom 
Berührungspunkt des belastenden Knochens mit dem belasteten (Roux). Wenn man also einen mit seinem 
Ende eingemauerten Stab an seinem anderen Ende auf Biegung beansprucht, so bricht er konstant am 
eingemauerten Ende ab, das man daher als den »gefährlichen Querschnitt« bezeichnet. Wird aber der 
Stab an beiden Enden auf Biegung beansprucht, wie bei unseren langen Röhrenknochen, so liegt der 
gefährliche Querschnitt in der Mitte der Stablänge. Man kann den gefährlichen Querschnitt vermeiden, 
wenn man den Stab von der Stelle, wo die Biegungskraft angreift, bis zum gefährlichen Querschnitt immer 
dicker werden läßt. Auf die Weise bekommt man einen »Körper gleicher Biegungsfestigkeit«. Nach Roux 
und Gebhardt bedeutet die im normalen Röhrenknochen nachweisbare Dickenzunahme der Corticalis 
gegen die Diaphysenmitte zu eben die Herstellung eines Körpers gleicher Strebe- und Biegungsfestigkeit, 
welche Erscheinung sich durch funktionelle Anpassung erklärt. 

Was hier die funktionelle Anpassung unter normalen Verhältnissen auf dem Wege der sofort von 
Verkalkung gefolgten Knochenapposition zuwege bringt, das bringt sie bei Rachitis in ganz analoger 
Weise durch das calcioprotektive Gesetz auf dem Wege der Kalkapposition zustande, wobei die Ver- 
kalkung unter dem vielen ihr dargebotenen Osteoid sozusagen eine von statischen Prinzipien geleitete 
Auswahl trifft. Das heißt, genau so wie bei den auf Biegung beanspruchten normalen Knochen die Menge 
des Knochengewebes vom Knochenende gegen die Diaphysenmitte hin zunimmt, so nimmt bei Rachitis 
in gleicher Richtung die Kalkmenge zu. Je mehr wir uns der Diaphysenmitte nähern, desto mehr kommen 
wir eben in calcioprotektive Gebiete, je mehr wir uns dem Knochenende nähern, desto geringer wird der 
Einfluß des calcioprotektiven Gesetzes. Dieses ist eben auch bei Rachitis bestrebt, aus dem Röhrenknochen 
einen Körper gleicher Biegungsfestigkeit herzustellen. Daher kommt es, daß die Spongiosa, mag sie noch 
so dicht sein, gegen das Knochenende kalklos bleibt, gegen die Diaphysenmitte jedoch immer mehr ver- 
kalkt, und dasselbe gilt auch für die Corticalis. 

Es könnte vielleicht als Widerspruch empfunden werden, daß wir oben bei der normalen Rippe die 
am äußersten Ende der knöchernen Diaphyse liegende primäre Spongiosa als calcioprotektive Zone 
erklärten und jetzt wieder behaupten, daß das Diaphysenende die bei der Biegungsbeanspruchung am 
wenigsten beanspruchte Knochenstelle ist. Doch liegt hier kein Widerspruch vor. Das Gesetz, wonach 
bei Biegung das Knochenende die am wenigsten beanspruchte Stelle sei, gilt natürlich nur für den Fall, 
daß alle Querschnitte des Knochens eine gleiche Menge desselben Materials aufweisen. Die primäre 
Spongiosa haben wir aber als eine Schicht kennen gelernt, in der das die Knochenkontinuität wahrende 
Gewebsmaterial stark reduziert ist, weil zwischen dem Knorpelabbau und Knochenanbau zeitlich und 
räumlich notgedrungen ein Abstand bestehen muß. Die Schicht der primären Spongiosa ist daher als 
relativ geschwächt anzusehen, sie stellt, allerdings nicht in dem oben bei der Biegungsbeanspruchung 
auseinandergesetzten Sinne, einen gefährlichen Querschnitt dar, darum ist sie, trotzdem sie am Ende der 
Diaphyse liegt, caleioprotektives Gebiet. Wie wir ebenfalls schon gehört haben, ist die gesteigerte Ver- 
kalkung nicht das einzige Mittel zur Festigung der primären Spongiosa. Dasselbe Ziel wird im Sinne der 
Schaffung eines Körpers gleicher Festigkeit in der normalen Rippe auch noch angestrebt durch Vergröße- 
rung dieses gefährlichen Querschnittes in Form des physiologischen Rosenkranzes, wobei die umständ- 
liche sekundäre Verschmächtigung der Rippe auf dem Wege der modellierenden Resorption mit in den 
Kauf genommen werden muß. 

Bei der Osteochondritis luetica der Neugeborenen und Föten, bei der die Knochenapposition der 
primären Spongiosa in spezifischer Weise gehemmt ist, ist die primäre Spongiosa, wie schon betont, in 


618 Dr. J. Erdheim, 7 


erhöhtem Maße caleioprotektive Zone. Es könnte verwundern, daß man an Rippen von Föten und Neu- 
geborenen, die noch nicht geatmet haben, schon von Effekten statischer Beanspruchung spricht. Das ist 
aber auf Grund der beim Fötus schon bestehenden Muskelaktion erlaubt. In den Experimenten Lehnerdt’s 
ist ein schöner Beweis dafür zu finden. Bei den Föten seiner strontiumgefütterten Kaninchen besteht 
reichliche aber kalklos bleibende Knochenapposition, und als Folge davon fand er beim Neugeborenen die 
langen Röhrenknochen genau in der Diaphysenmitte geknickt. Das zeigt, daß die langen Röhrenknochen 
schon beim Fötus durch die Muskelaktion auf Strebefestigkeit beansprucht werden, ferner aber auch, daß 
die Diaphysenmitte in der Tat der gefährliche Querschnitt ist. 


* e * 

Wir haben bei der Untersuchung des rachitischen Skelettes mehrmals die auffallende, typisch 
immer wiederkehrende Tatsache konstatieren können, daß die Kalkablagerung mit Vorliebe marginal 
erfolgt. So zum Beispiel in der zu einer hohen Schicht angestauten präparatorischen Knorpelverkalkungs- 
zone, im periostalen knöchernen Callus der Fibula und Rippe und im Nagezahndentin. Es soll hier gezeigt 
werden, daß diese calcioprotektiven Gebiete in der Tat die statisch meistbeanspruchten sind. 

Bei den folgenden Betrachtungen handelt es sich wieder um Beanspruchung auf Biegung und Strebe- 
festigkeit, welch letztere, wie schon erwähnt, als eine der Komponenten eben wieder Biegungsbean- 
spruchung in sich einschließt. Die Richtung dieser Biegung ist unbestimmt, das heißt allseitig und bei 
dieser Beanspruchungsart, wie sie sich bei den langen Röhrenknochen verwirklicht findet, ist nach der 
Festigkeitslehre die Hohlsäule von rundem Querschnitt die geeignetste Körpergestalt, und zwar aus folgen- 
dem Grunde. Bei der Biegung wird die eine Seite auf Druck, die andere auf Zug beansprucht. Sowohl der 
Druck als auch der Zug ist in der Längsachse des Stabes gleich Null, gegen die Peripherie aber wachsen 
beide und erreichen an der äußersten Peripherie den größten Wert. Es leuchtet daher ein, die Maße, über 
die man verfügt, nach Möglichkeit dort anzubringen, wo der Zug und Druck am stärksten ist, also an der 
äußersten Peripherie. Ist die Biegungsbeanspruchung allseitig, so muß die periphere Anbringung des 
Materials eben auch allseitig erfolgen und daraus resultiert die hohle Säule, wie sie in den Röhrenknochen 
auf dem Wege der funktionellen Anpassung verwirklicht ist. Das heißt, das meiste Knochengewebe wird 
an der Peripherie gebildet, weil hier die größte Zug- und Druckspannung besteht (Roux). Die Röhren- 
gestalt der Knochen, sagt Roux, hat ihren Grund in allseitiger Biegungstendenz und »je größer der Durch- 
messer der hohlen Säule ist, umso weniger dick braucht ihre Wandung zu sein.« Da, wo es auf möglichst 
geringes Gewicht der Knochen ankommt, wie zum Beispiel beim Vogel, da besteht eben nach Gebhardt 
typischer Weise eine sehr weite Markhöhle, damit der Knochen möglichst dünnwandig, also leicht sein 
kann, denn je exzentrischer das Material ist, desto spärlicher darf es eben sein. Nach Gebhardt ist die 
Tendenz zur peripheren Anhäufung der spannungsleitenden festen Bestandteile in den meisten organischen 
Bildungen zu konstatieren, so zum Beispiel auch im Hirschgeweih und sogar in den Stengeln von Leber- 
moos und Laubmoos. 

Nach diesen Ausführungen ist es klar, daß die Röhrengestalt unserer Knochen das Resultat funktio- 
neller Anpassung an die allseitige Biegungsbeanspruchung ist. Wenn wir an den Nagezähnen die gleiche 
Röhrengestalt verwirklicht sehen, so werden wir kaum irren, wenn wir auch hier von einer funktionellen 
Anpassung sprechen. Die genaue Begründung dieser Annahme müssen wir uns aber versagen, weil wir 
über die Beanspruchungsart des Nagezahnes zuwenig genau informiert sind. Daß aber auch hier die form- 
gebenden mechanischen Kräfte im Spiele sind, geht schon daraus hervor, daß der halbkreisförmig gebogene 
Nagezahn nicht einen kreisförmigen Querschnitt besitzt, sondern einen elliptischen oder genauer gesagt 
einen unregelmäßig eiförmigen, wobei die flachere Rundung auf der konvexen Zahnseite und der große 


Durchmesser in der Krümmungsfläche des ganzen Nagezahnes liegt. Wir haben schon gehört, daß diese 


Formgebung des Querschnittes bei einseitig auf Biegung beanspruchten Körpern viel vorteilhafter ist als 
der kreisförmige Querschnitt, und daß damit eine besondere Steifheit erzielt wird, denn die. Biegungs- 
festigkeit wächst im Quadrat zur langen Achse des elliptischen Querschnittes, aber nur einfäch proportional 


ne 


Rachitis und Epithelkörperchen. 619 


zur kurzen Achse. Aus diesem Grunde ist bei den in der Technik verwendeten auf Biegung beanspruchten 
Eisenbalken von T-förmigem Querschnitt der senkrechte Schenkel des T größer als der wagrechte. In der 
Tat muß auch beim Nagezahn angenommen werden, daß er im wesentlichen einseitig beansprucht wird, 
und zwar ungefähr in seiner Krümmungsfläche, denn beim Nagen werden die unteren gegen die oberen 
Nagezähne vorwiegend in der Sagittalebene geführt, von der die Krümmungsfläche der Nagezähne nur 
wenig abweicht. Die Modifikation des elliptischen Querschnittes zu einem eiförmigen mit der Eispitze 
gegen die konkave, also Druckseite, finden wir an nach ausgeheilter Rachitis bogenförmig verkrümmten 
Röhrenknochen der unteren Extremitäten des Menschen zuweilen in noch weit schönerer Ausbildung als 
im Nagezahn. Erst jüngst hatte ich Gelegenheit, in einer hochgradig rachitisch verkrümmten, fast halbkreis- 
förmigen Fibula zu sehen, daß der eiförmige Querschnitt so hochgradig übertrieben war, daß er eher dem 
Querschnitt einer breiten Messerklinge glich, mit der Messerschneide zur konkaven Druck- und dem 
Messerrücken zur konvexen Zugseite. In klassischer Weise hat Roux die Umwandlung des kreisrunden 
Femurquerschnittes in einen ovalen bei seinem Falle winkeliger Kniegelenksanchylose beschrieben, bei 
dem die allseitige Biegungstendenz des Femur zu einer vorwiegend einseitigen geworden war. 

Eine der periphersten Materialanhäufung entgegengerichtete Aktion ist im Knochen nur da zu kon- 
statieren, wo eine zu Anfang notwendige umfängliche Konstruktion sekundär in eine kleinere, leichtere, 
weniger Material erfordernde überführt werden soll. Dann kommt es zum Abbau gerade der periphersten 
Knochenschichten. Als Beispiel aus dem normalen Skelett wollen wir hier die Verschmächtigung der 
Knochen durch modellierende Resorption am Diaphysenende anführen und als Beispiel aus der Knochen- 
pathologie die sekundäre Callusverkleinerung. 

Nachdem wir uns über die Verteilung der Zug- und Druckspannung auf dem Querschnitte von auf 
Biegung beanspruchten Körpern orientiert haben und den auf dem Wege funktioneller Anpassung erzielten 
Effekt dieser Spannungsverteilung auf den inneren Bau und die Knochenverteilung verschiedener Skelett- 
teile kennen gelernt haben, wollen wir uns jener Kalkverteilung bei Rachitis zuwenden, die auf dem Wege 
des calcioprotektiven Gesetzes von den eben besprochenen Spannungsverhältnissen dirigiert wird. Wir 
meinen die marginale Verkalkung, wie wir sie am Knorpelgewebe bei den rachitischen Rippen, am 
Knochengewebe beim periostalen Callus und am Dentingewebe im Nagezahn kennen gelernt haben. 

In dem Maße, als bei Rachitis der kalklose Knorpel sich zu einem pathologisch hohen massiv anstaut, 
widersteht er der Biegung immer weniger gut, denn die Biegungsfestigkeit eines Balkens wächst umgekehrt 
proportional zu seiner Länge. Es ist dann die Spannung und damit auch der Reiz zur Knorpelverkalkung 
an der alleräußersten Peripherie zu jener Größe angewachsen, daß trotz der rachitischen Behinderung der 
Kalkablagerung diese hier schließlich doch, wenn man so’ sagen darf, erzwungen wird. Nur etwas mehr 
axialwärts ist die Spannung und damit auch der Reiz zur Verkalkung nicht mehr groß genug, um die der 
Kalkablagerung hinderlichen Momente zu überwinden. Es resultiert daraus als Zeichen des statisch 
bedingten calcioprotektiven Gesetzes die marginale Knorpelverkalkung, deren Effekt infolge der geringen 
Kalkmenge kein voller sein kann; aber mit der tatsächlich zur Ablagerung gelangten Kalkmenge ist der 
größte Nutzeffekt dadurch erzielt, daß bei der in Betracht kommenden Biegungsbeanspruchung der Kalk 
eben marginal abgelagert wurde. Wenn bei der funktionellen Anpassung eine bestimmte Einwirkung durch 
einen spezifischen Reiz ein Gewebe hervorbringt, das in spezifischer Weise jener Einwirkung am besten 
zu widerstehen vermag, so handelt es sich in unserem speziellen Falle nicht um das Hervorbringen eines 
spezifischen Gewebes, sondern um die Herbeiführung der Verkalkung im schon vorhandenen Knorpel- 
gewebe, dank welcher dieses der Einwirkung, nämlich der Biegung, durch die periphere Anhäufung der 
spannungsleitenden festen Bestandteile weit besser zu widerstehen vermag als kalkloser Knorpel. 

Was hier vom Knorpel der rachitischen Rippe gesagt ist, gilt in gleicher Weise auch für den 
knöchernen Callus und das Nagezahndentin. Namentlich im Rippenknorpel und Nagezahndentin, welche 
beide kein peripheres Dickenwachstum haben, war die Anordnung des Kalkes in der alleräußersten 
Peripherie aufs strengste durchgeführt, während an dem ein peripheres Wachstum aufweisenden 


knöchernen Callus eine Überlagerung der peripheren Verkalkung durch Osteoid neuester Apposition leicht 
Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC. Bd. 84 


620 Dr. J. Erdheim, 


verständlich erscheint. An Querschnitten konnte sogar ein dreimaliges Überlagertwerden peripherster Ver- 
kalkung durch immer neues Osteoid im periostalen Callus konstatiert werden. Davon abgesehen ist der 
Sitz der marginalen Verkalkung die äußerste Peripherie, entsprechend der Regel, je exzentrischer das 
spannungsleitende feste Material liegt, desto spärlicher darf es sein, um den gleichen Effekt zu erzielen. 


* 


Alle bisher besprochenen Belege für das Bestehen des calcioprotektiven Gesetzes werden aber von 
jenen übertroffen, wie wir sie in großer Zahl beim rachitischen Fibulacallus angetroffen und abgebildet 
haben. Wir meinen jene durch die zufällige so sehr verschiedene Fragmentstellung bedingte Variabilität 
der Belastungsverhältnisse des Callus, zu deren Verständnis fast keinerlei Vorbildung in der Festigkeits- 
lehre notwendig ist. Das richtige Erkennen der meistbelasteten Callusstellen ist da auf den ersten Blick 
möglich und darum wohnt diesen Beispielen eine besonders schlagende Beweiskraft inne. 

Es ist klar, daß. bei winkeliger Stellung der Fragmente der Callus der konkaven Seite der meist 
belastete ist und es spricht dann eine deutliche Sprache, wenn nur gerade hier auch der Callus verkalkt 
ist. Ebenso leuchtet es ohne weiteres ein, daß bei seitlich verschobenen Fragmenten nicht alle vier Callus- 
quadranten des Längsschnittbildes gleich belastet sein können. Denn bei einer Verschiebung des unteren 
Fragmentes nach links zum Beispiel muß der linke obere Quadrant, auf den sich das untere Fragment auf- 
stützt, und der rechte untere Quadrant, welcher das obere Fragment trägt, mehr belastet sein als die zwei 
anderen Quadranten, die man direkt als entlastet bezeichnen kann. Und wenn gerade die zwei belasteten 
Quadranten es sind, die am meisten oder gar ausschließlich verkalkt sind, dann ist die Existenz eines 
statisch bedingten calcioprotektiven Gesetzes unverkennbar. In der Callusfigur 8 ist durch einen Zufall 
einer der beiden diagonalstehenden Callusquadranten aus der Belastung ausgeschaltet, und in bester Über- 
einstimmung mit dem bisher Gesagten ganz kalklos, so daß es eben nur einen kalkhaltigen Quadranten 
gibt. Wegen der Details dieser Befunde muß auf den Callusabschnitt verwiesen werden. 

Durch eine ebenfalls zufällige besondere Gestaltung des oberen Corticalisendes bei Marasmus haben 
wir endlich auch an diesem einen schönen Beleg für das calcioprotektive Gesetz kennen gelernt. Darum 
sei auf das dort Gesagte auch hier noch verwiesen. 


Gerade der rachitische Callus ist ferner ein vorzügliches Beispiel für die fast völlige Dissoziation der 
auf statische Reize eingestellten Knochenapposition und der auf die gleichen Reize eingestellten Kalk- 
apposition. Es reagiert das osteoblastische Gewebe nämlich schon auf geringe Reize mit Knochenanbau, 
die Kalkablagerung aber kommt erst durch ganz besonders intensive Reize zustande. 


Diese Tatsache leitet zu der von Pommer gefundenen Erklärung des rachitischen periostalen 
ÖOsteophyts über, welche dem calcioprotektiven Gesetz zu widersprechen scheint, aber tatsächlich auch 
nur scheint. Das periostale Osteophyt, welches bei Rachitis die Hauptfundstätte des Osteoids ist, entsteht 
nämlich nach Pommer unter dem mechanischen Einflusse der inserierenden Muskeln, Sehnen und Fascien. 
Man könnte also sagen, wenn das unter mechanischer Einwirkung entstandene und stehende Osteophyt 
kalklos bleibt, so spricht das gegen das calcioprotektive Gesetz. Dem ist aber nicht so. Daß das Osteophyt 
im Vergleiche mit der alten Corticalis so auffallend kalkarm ist, erscheint schon dadurch leicht verständlich, 
weil es ja im Gegensatz zur Corticalis seiner Gänze nach unter rachitischem Regime gebildet wird und 
überdies in einem rascheren Tempo entsteht als es der normalen Apposition zukommt, und das Tempo der 
Knochenapposition den Kalkgehalt beeinflußt. Davon abgesehen haben wir aber gerade gehört, daß bei 
schwerer Rachitis die Knochenapposition schon durch geringen Reiz erfolgt, zur Erzwingung der Kalk- 
apposition aber ein ganz besonders hoher Grad mechanischer Inanspruchnahme gehört. 


Rachitis und Epithelkörperchen. 621 


Wenn also der schon normaliter bestehende Zug der Muskeln, Sehnen und Fascien Knochenbildung 
anregen kann, so genügt er noch lange nicht, um dieses Knochengewebe zur Verkalkung zu bringen. Wird 
doch selbst im Callus, bei dem der weitaus größere mechanische Reiz genügt, um einen massigen Callus 
zu provozieren, die Verkalkung des letzteren nur an wenigen, ganz besonders stark in Anspruch genom- 
menen Callusstellen gefunden. Das rachitische Osteophyt als Hauptfundstätte des Osteoids ist somit ein 
schönes Beispiel für die zur Knochenproduktion führende Wirkung statischer Reize auf das osteoblastische 
Gewebe, aber in keiner Weise ein Beweis gegen das calcioprotektive Gesetz. Es macht Pommer ferner 
darauf aufmerksam, daß auch im sonst von der Kalkstörung völlig freien Organismus, in dem rasch 
gebildeten Knochengewebe aus Entzündung oder Tumornähe eine Rückständigkeit der Verkalkung zu 
konstatieren ist. Hier müssen wir aber auch das von einem Knochensarkom selbst neugebildete, oft in 
großer Ausdehnung kalklos bleibende Knochengewebe erwähnen. Es liegt nahe, diese ausgedehnte Rück- 
ständigkeit der Verkalkung auf das überstürzte Tempo der Knochenproduktion zurückzuführen, bei der 
zeitweise selbst im normalen Organismus ein Kalkmangel eintreten könnte. Bei dem vom Sarkom produ- 
zierten Knochengewebe wäre auch eine abweichende Beschaffenheit des Östeoids als Ursache der aus- 
bleibenden Verkalkung möglich. Endlich müßte man bei allen hier genannten Fällen auch daran denken, 
daß ein statisch völlig unmotiviert entstandenes Knochengewebe auch jenes statischen Reizes entbehren 
wird, der auf Grund des calcioprotektiven Gesetzes zur Kalkapposition führt. 


622 Dr. J. Erdheim, 


V. Epithelkörperchen bei Rachitis. 


Tafel VIL und VII und Diagramm XXVI—XXIX auf Tafel X und XI. 


Die hier zu beantwortende Frage geht dahin, ob bei Rachitis die Ek. in bezug auf ihre Größe 
und histologische Struktur eine Veränderung aufweisen. Es war natürlich nötig, sich vorerst über das 
Verhalten der Ek. normaler Tiere zu informieren und so zerfällt auch dieser Abschnitt in zwei Teile, von 
denen der erste die Ek. normaler, der zweite die der rachitischen Tiere behandelt. 

Von den beiden Fragen nach der Größe und der histologischen Struktur der Ek. war die erste viel 
schwerer zu beantworten als die zweite. Ein direktes Messen der kleinen Gebilde ist nämlich unaus- 
führbar und darum erwies sich zur Erlangung von Zahlen, die nicht nur relativen, sondern auch fast 
absoluten Wert haben, nur der folgende Weg als möglich. ’ 

Bei der Obduktion wurden stets die Halsorgane daraufhin untersucht, ob die Ek. zu sehen sind 
und ob sie schon bei der gewöhnlichen Betrachtung in ihrer Größe verändert sind. Hierauf wurden die 
Halsorgane mitsamt der Thymus in eine lückenlose Schnittserie zerlegt. Es wurde auf die Lücken- 
losigkeit der Serie besonderes Gewicht gelegt und Fälle, in denen sie aus technischen Gründen nicht 
völlig erzielt werden konnte, wurden von vornherein aus der Untersuchungsreihe eliminiert. Die Schnitt- 
dicke betrug 20. Die Serien wurden zur Herstellung von Wachsmodellen nach dem gewöhnlichen 
Plattenverfahren verwendet. Dabei wurde eine 100fache lineare Vergrößerung gewählt, und bei der 
Schnittdicke von 20 u betrug die Dicke der Wachsplatten 2 mm. Da es sich im vorliegenden Falle nicht 
etwa allein um die Form, sondern vor allem um die Größe, den Voluminhalt der Modelle handelte, 
wurde darauf besonders gesehen, daß die Plattendicke auch tatsächlich genau 2 mm betrage. Die Platten 
wurden von der Firma Dr. Grübler in Leipzig mit der gewünschten Genauigkeit hergestellt. 

Besondere Vorsicht war auch beim Zusammenfügen der Platten erforderlich. Mittelst eines 
besonders zu diesem Zwecke konstruierten einfachen Apparates wurde nach Zusammenfügung von je 
ö Platten kontrolliert, ob dabei das Modell auch genau um 1 cm gewachsen war. In den sehr seltenen 
Fällen, wo dies nicht der Fall war, wurde die erforderliche Korrektur vorgenommen. Ferner wurde beim 
Zusammenfügen der Platten kein fremdes Wachs verwendet, sondern die Vereinigung der Platten allein 
durch Abschmelzung ihres Randes herbeigeführt. Da, wie wir sofort hören werden, der Voluminhalt der 
Modelle durch Untertauchen in Wasser bestimmt wurde, mußte besonders darauf gesehen werden, daß 
beim Zusammenschmelzen der Platten keine Lücken übrig bleiben, in die sich das Wasser hätte hinein- 
ziehen können, was namentlich bei darauffolgender Vornahme von Kontrollwägungen zu einer groben 
Fehlerquelle hätte werden können. Die Zahl der hergestellten Modelle betrug 143, worunter sich 46 zum 
Teil sehr große Haupt-Ek. und 97 zum Teil sehr kleine akzessorische Ek. befanden. 

Bei dem erforderlichen Zeitaufwande zur Herstellung so vieler Modelle stellte sich das Bedürfnis 
ein, ein flotteres Verfahren zum Zusammenfügen der Platten anzuwenden. Betrug doch die Zahl 
der verarbeiteten Platten über 3000. Hiebei erwies sich der galvanokaustische Spitzbrenner, wie ihn die 
Ophthalmologen verwenden, als besonders brauchbar. Durch Ausprobieren wurde das zur Arbeit erforder- 
liche Optimum der Glut gefunden und so ging die Arbeit gleichmäßig und schnell vom Fleck und der 
große Zeitverlust durch das immerwährende Erhitzen des ausgekühlten Instrumentes in der offenen 
Flamme kam in Wegfall. 

Die Haupt-Ek. der Ratte liegen in der Schilddrüse, jedoch so, daß sie mit einem Teil ihrer Ober- 
fläche frei zutage liegen. Beim Zeichnen der Serien wurde darum stets der freie Teil der Ek.-Oberfläche 


Rachitis und Epithelkörperchen. 623 


besonders markiert und so war es möglich, aus dem Wachsmodell zu sagen, wie groß der in die Schild- 
drüse versenkte und wie groß der frei liegende Teil der Ek.-Oberfläche war. 

Zur Volumbestimmung der Modelle erwies sich folgende Methode als die beste. An einer recht 
langarmigen Wage wurde die eine Schale ausgehängt und durch eine ganz kleine ersetzt, die unten am 
Boden einen Haken trägt. An diesem wurde das Wachsmodell angehängt, an dem wieder unten ein Blei- 
gewicht hing, ohne das ein Untertauchen des Wachsmodelles unter Wasser nicht möglich wäre. Nun 
wurde austariert und darauf unter dem bleibeschwerten Modell ein geräumiges, mit destilliertem Wasser 
gefülltes Gefäß so weit emporgehoben, daß das Modell samt Bleigewicht ganz untergetaucht war. Hierauf 
wurden mit einem Pinsel sorgfältig alle dem Modell und Bleigewicht anhaftenden Luftblasen entfernt, 
nachgesehen, ob nicht das Modell die Seitenwand des Gefäßes irgendwo berühre und nun auf die kleine 
Wasschale, an der das immergierte Modell hing, so viel Gewichte gelegt, bis das durch das Untertauchen 
des Modelles verlorene Gleichgewicht wieder hergestellt war. Das dazu nötig gewesene Gewicht, in Grammen 
ausgedrückt, gibt uns den Voluminhalt des Modelles plus Bleigewi htes in Kubikzentimetern an. Der 
Voluminhalt des Bleigewichtes, der schon vorher nach der gleichen Methode bestimmt worden war, wird 
nun von der gefundenen Zahl abgezogen und so die wahre Größe des Modelles ermittelt. 

Da die Größe der Modelle sehr verschieden war, wurden zwei Garnituren zu ihrer Volumbestim- 
mung verwendet, eine große Wage für die Haupt-Ek. und die großen akzessorischen und eine kleine aber 
recht empfindliche Handwage mit einem kleineren Bleigewicht für die kleinen akzessorischen Ek. Zum 
Aufhängen der großen Modelle mußte Messingdraht verwendet werden, und das Volumen seines mit 
untergetauchten Teiles wurde mit in die Rechnung gestellt. Zum Aufhängen der kleinen Modelle wurde 
ein dünner Faden verwendet, dessen Wasserverdrängung unberücksichtigt blieb. 

Die Genauigkeit dieses Verfahrens zeigte sich bei der später zur Kontrolle ausgeführten Wieder- 
holung der Wägung. Es ergab sich gar nicht selten, daß das Resultat der zweiten Wägung bis auf die 
Hundertstel Gramme dasselbe Resultat ergab wie die erste. Andere Male ergaben sich aber Unterschiede 
von Hundertstel oder gar wenigen Zehntelgrammen, wobei dann das Mittel der zwei Wägungen ver- 
wendet wurde. 

Wie oben erwähnt, wurde das Modell in linear hundertfacher Vergrößerung hergestellt. Das gibt eine 
Volumsvergrößerung von 100°, also eine millionfache Vergrößerung. Das wahre Volumen der Ek. selbst 
wurde aus dem Volumen der Wachsmodelle so berechnet, daß letzteres durch 1,000.000 dividiert wurde. 
Wenn also das Wachsmodell zum Beispiel 97 cm? groß war, so ist das Original-Ek. 0:000097 cm” groß. 
Wenn wir dabei blieben, die Originalgröße der Ek. ebenso in Kubikzentimetern auszudrücken, wie 
die der Wachsmodelle, so hätten wir, wie das Beispiel zeigt, immerfort mit unbequemen, viele Nullen 
enthaltenden Zahlen zu operieren. Es erwies sich darum für die hier in Betracht kommenden Größen 
als viel bequemer, eine kleinere Einheit als einen Kubikzentimeter zu wählen. Wir werden darum das 
Volumen der Original-Ek. stets in Kubikdezimillimetern (= dmm?) ausdrücken. Es ist dies ein Kubus 
mit der Seitenlänge von O'1 mm. Diese Einheit paßt nicht nur sehr gut für die hier in Betracht kommenden 
Größen, sondern ist auch darum bequem, weil zum Beispiel 97cm? durch 1,000.000 dividiert, 97 dmm’ 
ergibt, also die in Kubikzentimetern ausgedrückte Zahl des Modellvolumens identisch ist mit der in 
Kubikdezimillimetern ausgedrückten Zahl des Original-Ek.-Volumens. 


624 


Dr. J. Erdheim, 


1. Epithelkörperchen bei normalen Tieren. 


A. Kasuistik. 


Fall 1. Bei der Obduktion waren die Ek. leicht und bequem zu sehen. Mikroskopisch konnten außer den beiden Haupt-Ek. 


auch noch drei akzessorische gefunden werden, welche in der Nähe der Thymusspitze lagen, eines links, zwei rechts; 
eines der letzteren lag einer Cyste an. Die Haupt-Ek. konnten durch 45, beziehungsweise 33 Schnitte verfolgt werden, 
die akzessorischen durch 11, 9 und 3 Schnitte. 

Die Form der Ek. war nach den Wachsmodellen die folgende: Das rechte Haupt-Ek. lang-oval, flach, der eine 
Pol in eine kurze, der andere in eine lange Spitze ausgezogen, die eine endständige knopfförmige Verdickung trägt. Die 
versenkte Fläche stark konvex und glatt, die freiliegende ist feinhöckerig, flach und nimmt die ganze Länge und Breite 
des Ek. ein. Das linke Haupt-Ek. ist kurz-oval, flach, mit einem abgerundeten und einem mehr ausgezogenen Pol, die 
versenkte Fläche glatt und stark konvex, die freiliegende feinhöckerig, nur leicht konvex und nimmt die ganze Länge, 
aber nur 3/, der Breite ein, so daß die eine Kante versenkt ist. Von den akzessorischen Ek. war eines längs-oval, flach, 
eines plump-unregelmäßig oval und eines, das der Cyste platt anliegende, schüsselförmig ausgehöhlt. Das Photogramm 
der Modelle siehe Taf. VII, Fig. 21 5 


Das Volumen der Wachsmodelle: 


rechtes Haupt-Ek. . . . 2... „20762 cm? 


linkes > 24808562 
1. akzessorisches Ek. . . .» „. . .7'13cm? 
2, > > ee a re AT CME 


3. > > 23 3roHl> 


Zusammen. . . 528°17 cm? 


Berechnet man daraus das Volumen der Haupt- samt akzessorischen Ek. selbst, auf 100 g Körpergewicht! des 
Tieres bezogen und in Kubikdezimillimetern ausgedrückt, so erhält man 26675 dnm?, wovon auf die akzessorischen 
Ek. 6:03 dmm? entfallen. 

Histologischer Befund (Textfiüg. 3, 9). 

Haupt-Ek. Beide liegen regulär in der Schilddrüse, aus der sie sich gar nicht hervorwölben, haben eine 
äußerst dünne Bindegewebskapsel und unter ihrer am tiefsten versenkten Partie sind die Schilddrüsenfollikel in dünner 
Schicht deutlich zu ovalen Formen komprimiert. Die dem Ek. seitlich anliegenden Schilddrüsenfollikel zeigen keine 
Kompressionserscheinungen. Die Stromasepta des Ek. sind ganz zart (Fig. 8 S), führen wenig klaffende Gefäße (C), 
enthalten nur ausnahmsweise eosinrotes fibrilläres Gewebe und eine mäßige Anzahl dunkler, spindeliger Kerne, die 
teils dem Bindegewebe, teils den Kapillaren angehören (Fig. 8 C). Die Alveolen sind meist rundlich oder länglich, von 
etwas wechselnder Größe, im allgemeinen aber klein. Sie enthalten einige oder mehrere (Fig. 8 A,, As) Epithelzellen, 
deren helle, ovale mit einer Chromatinstruktur versehene Kerne manchmal ausgesprochen an der Alveolarperipherie 
herumliegen (Fig. 8 A,), und deren Protoplasma hell ist, keine Zellgrenzen aufweist und spärlich ist, so daß die Kerne 
relativ dicht zusammenliegen. Mitosen wurden keine gefunden. In den größeren Alveolen sieht man ferner hie und da 
die sonst nur zwischen den Alveolen liegenden Stromakerne auch in die Epithelmasse hineinziehen (Fig. 8 X). Die 
Breite der Alveolen beträgt nach 31 Messungen 24°5 u im Durchschnitt, 40 im Maximum, 15 x im Minimum. 

Die akzessorischen Ek. zeichnen sich vor allem dadurch aus, daß das Stroma relativ und absolut 
reichlicher ist, viel mehr Stromakerne führt (Fig. 9 S), fast keine klaffenden Kapillaren aufweist und daß die Alveolen 
viel kleiner sind, so daß sie nur einige wenige Epithelzellen führen (Fig. 9 As), oft aber ihrer nur zwei (A,) oder gar 
nur eine. Die Epithelzellen selbst sind denen im Haupt-Ek. ähnlich, nur haben die Kerne weniger Chromatinstruktur 
oder sind ganz strukturlos. Die Breite der Alveolen beträgt nach 18 Messungen 14°3p im Durchschnitt, 29 x im 


Maximum, 10 x im Minimum. 


* 


1 Das Körpergewicht der Tiere ist im I. Abschnitte über die Rippe bei jedem Fall angegeben. 


Rachitis und Epithelkörperchen. 625 


Fall 2. Bei der Obduktion konnten die Haupt-Ek. nicht gesehen werden, miskroskopisch fanden sie sich jedoch in natürlicher 


Lage und außer ihnen noch 3 akzessorische Ek., die in der Thymus lagen, 2 rechts, eines links. Die Haupt-Ek. konnten 


in der Serie durch 32, beziehungsweise 25 Schnitte verfolgt werden, die akzessorischen durch 7, 6 und 3 Schnitte. 


Fig. 8. Fig. 9. 


Fig. 8. 
Fall 1. Detailbild aus dem Hauptepithelkörperchen bei 350facher Vergrößerung. 


A, = kleinere, A, — größere Alveole. S— Stroma mit dunklen, spindeligen Kernen. C=klaffende Kapillare. K == Stromakerne, 


in die Epithelmasse der Alveolen eingewachsen. 


Fig. 9. 
Fall 1. Detailbild aus dem akzessorischen Epithelkörperchen bei 350facher Vergrößerung. 


Die Alveolen sind sehr klein, enthalten nur einige wenige Epithelzellen (As), oft aber auch nur 2 (A,) oder nur eine (A,). 


Die Stromasepta dick und reich an dunklen, spindeligen Kernen (S). 


Die Form der Ek. war nach den Wachsmodellen die folgende: Das rechte Haupt-Ek. war ganz lang-oval und 
platt mit einem abgerundeten und einem langausgezogenen Pol. Die versenkte Fläche flach-konvex und leicht wellig, 
die freie Fläche fast ganz flach, wenig wellig, die ganze Länge und Breite des Ek. einnehmend. und an einer Kante um 
1/, der Breite auf die versenkte Fläche übergreifend, so daß eine Kante bloßliegt. Das linke Haupt-Ek. ist kurz-oval, 
platt, die versenkte Fläche wellig, lach-konvex, die freie noch viel flacher, die ganze Länge, aber nur die halbe Breite 
des Organes einnehmend, so daß eine Kante versenkt ist. Von den akzessorischen Ek. waren 2 längs-oval, eines ein 
unregelmäßiger Tetraeder. Das Photogramm der Modelle siehe Taf. VII, Fig. 21 5. 


Das Volumen der Wachsmodelle war folgendes: 


rechtes Haupt-Ek, 837 cm: 
linkes » NN IBTEME 
laakzessorisches BR. mn 2 08em2 
2: » DE OLDZIEHT) 
3. » N 0 AHLHME 

Zusammen . . . 199:39 cm? 


Aus diesen Zahlen berechnet, betrug das Volumen der Haupt- samt akzessorischen Ek. auf 100 g Körpergewicht 
des Tieres bezogen und in Kubikdezimillimetern ausgedrückt 147'7 dmm?’, wovon auf die akzessorischen Ek. 
1:51 dmm? entfallen. 

Histologischer Befund. 

Haupt-Ek. Beide liegen regulär in der Schilddrüse, die keinerlei Kompressionserscheinungen aufweist. Die 
Ek.-Kapsel sehr zart, das Stroma der Ek. ist mehr an den spindeligen, dunklen Kernen zu erkennen, denn rotes 
fibrilläres Gewebe macht sich nicht bemerkbar. In einem der Ek. sind die Alveolen gegen die freiliegende Ek.-Fläche 


zu fast so klein wie in einem akzessorischen Ek, und. die Stromasepta dick und gegen die versenkte Fläche zu sind 


626 


Raul 73: 


Fall. 


Dr. J. Erdheim, 


die Alveolen größer und die Septa dünner, kernärmer. Im anderen Ek. bestehen solche Unterschiede nicht, es ist mehr 
gleichmäßig gebaut. Um die sehr spärlichen größeren Blutgefäße ist etwas mehr Stroma zu sehen. Die Alveolen sind 
rundlich, polygonal, länglich, gebogen, also sehr wechselnd. In den größeren Alveolen liegen mehrere, in den kleinen 
einige wenige Epithelzellen mit hellem, ovalem, gern am Alveolarrand, aber auch zentral liegendem Kern und 
spärlichem, hellem Protoplasma ohne Zellgrenzen. Mitosen konnten nicht nachgewiesen werden. Die Alveolarbreite 
betrug nach 30 Messungen 23°1 u. im Durchschnitt, 425 » im Maximum, 12°5 u im Minimum. 

In den akzessorischen Ek. ist das Stroma reichlicher, kernreicher, die Alveolen ganz klein, nur wenige 
Epithelzellen enthaltend, diese von gleicher Beschaffenheit wie in den Haupt-Ek. Die Breite der Alveolen betrug nach 


10 Messungen 16'8 u im Durchschnitt, 2:5 u im Maximum, 12:5 y im Minimum. 


* * 


Bei der Okduktion waren die Haupt-Ek. blos als winzige Pünktchen zu sehen. Histologisch konnten außer ihnen auch 
noch 2 akzessorische Ek. gefunden werden, die in der linken Thymus lagen. Die Haupt-Ek. konnten durch 28 
beziehungsweise 24 Schnitte verfolgt werden, die akzessorischen durch je 4 Schnitte. 

Die Form der Ek. war nach den Wachsmodellen die folgende: Das rechte Haupt-Ek. ist längs-oval, flach, mit 
abgerundeten Polen, die versenkte Fläche ist mäßig konvex und glatt, die freiliegende ebenfalls glatt, aber ganz wenig 
konvex und nimmt die ganze Länge und Breite des Ek. ein und greift um 1/3 der Breite nach an einer Kante auf die 
versenkte Fläche über, so daß diese Kante bloßliegt. Das linke Haupt-Ek. ist längs-oval, flach, mit einem abgerundeten 
und einem zu einer stumpfen Spitze ausgezogenen Pol. Die versenkte Fläche ist mäßig konvex und glatt, die freie 
ganz flach-konvex, glatt und nimmt die ganze Breite, aber nur #, der Länge ein, so daß der abgerundete Pol ganz 
versenkt ist. Von den akzessorischen Ek. war eines kurz-oval, das andere ein Tetraeder. Das Photogramm der 
Modelle siehe Taf. VII, Fig. 21 a. 


Das Volumen der Modelle betrug: 


echtes; Haupt Besser 
linkes » ee ne. 80 are 
1. akzessorisches Ek. . !... 1°22 cm? 
2% > » a el nos 0:74 cm® 

Zusammen, .„ . „172.73 cm? 


Daraus ergibt sich, daß das Volumen der Haupt- samt akzessorischen Ek. auf 100.9 Körpergewicht berechnet, 
13495 dmm? beträgt, wovon auf die akzessorischen 1'53 dmm? entfallen. 

Histologischer Befund. 

Haupt-Ek. Beide liegen regulär in der Schilddrüse, deren Follikel nirgends Kompressionserscheinungen auf- 
weisen. Die Ek.-Kapsel ganz zart. Die Stromasepta enthalten mäßig viele, spindelige Kerne, aber eigentlich fast kein 
fibrilläres Bindegewebe und sind in allen Teilen des Organes gleich beschaffen und gleich verteilt. Nur selten findet 
man ein größeres, von etwas fibrillärem Gewebe umgebenes Gefäß mit rein endothelialer Wand und guter Füllung des 
Lumens. Auch die Kapillaren in den Septen sind nicht selten gut gefüllt. Die Alveolen überall von gleichmäßig geringer 
Größe und wechselnder Form. Die Zahl der Epithelzellen in den Alveolen gering, die Kerne gern randständig, an der 
Alveolarperipherie liegend, hell, oval, das Protoplasma spärlich, hell, ohne scharfe Grenzen. Keine Mitosen nachweisbar. 
Die Alveolarbreite beträgt nach 28 Messungen 237 u im Durchschnitt, 37:5 u im Maximum und 12°5 u im Minimum. 

Die akzessorischen Ek. weisen ein nur etwas reichlicheres kernreicheres Stroma auf, die Alveolen sind 
deutlich kleiner, die Kapillaren stellenweise mäßig gefüllt und die Epithelzellen von gleicher Beschaffenheit wie im ° 
Haupt-Ek. Die Breite der Alveolen beträgt nach 13 Messungen 121. im Durchschnitt, 22°5 im Maximum, 10 x im 


Minimum. 


Bei der Sektion waren die Ek. als winzige Pünktchen mit freiem Auge deutlich zu sehen. Außer den beiden Haupt-Ek. 
fand sich mikroskopisch auch noch ein akzessorisches Ek. in der rechten Thymus. Die Haupt-Ek. gingen durch 33, 


beziehungsweise 28 Schnitte, das akzessorische durch 6 Schnitte. 


Fall 5. 


Rachitis und Epithelkörperchen. 627 


Die Form der Ek. war an den Wachsmodellen die folgende: Das rechte Haupt-Ek. ist stark gedrungen, oval, 
flach, die versenkte Fläche ist stark konvex, die freie leicht höckerig, nur etwas konvex, nimmt bloß die halbe Länge 
und die halbe Breite des Ek. ein, ist somit sehr klein und beide Pole sowie eine Kante sind versenkt. Das linke Haupt- 
Ek. ist längs-oval und flach, mit einem abgerundeten und einem meißelförmig zugeschärften Rand. Die versenkte 
Fläche ist glatt, stark konvex, die freie feinhöckerig, ganz flach und nimmt die ganze Breite, aber nur 5/, der Länge 
ein, so daß der abgerundete Pol versenkt ist. Das akzessorische Ek. war gedrungen oval. Das Photogramm der Modelle 
siehe Taf. VII, Fig. 21 f. 


Das Volumen der Wachsmodelle: 


nechteszHlaupt Elke rn IT2Tcm> 
linkes » AZ 6IEMmE 
akzessorisches Ekı 2 e32cm2 
000 Zusammen. . . 24128 cm# 


Danach beträgt das Volumen der Haupt- samt den akzessorischen Ek. auf 100g Körpergewicht bezogen 
180°06 dmm?, wovon auf das akzessorische Ek. 098 dnm? entfallen. 

Histologischer Befund (Taf. VII, Fig. 1). 

Haupt-Ek. Beide liegen regulär in die Schilddrüse versenkt (ek), welche keine Spur von Verdrängungs- 
erscheinungen darbietet. Die Follikel der Schilddrüse sind an der Oberfläche groß (a), in der Tiefe klein (b), aber nicht 
abgeplattet und diese Kleinheit der tiefen Follikel hängt in keiner Weise mit der Anwesenheit des Ek. zusammen, 
sondern ist überall in der Schilddrüse dieses und der meisten anderen Fälle zu sehen. Diese Ek.-Kapsel ist äußerst 
zart und grenzt beide Parenchyme scharf voneinander ab (Fig. 1). In einem der Ek. sind die Alveolen von gleich- 
mäßiger, geringer Größe (Fig. 1) und die Alveolarsepta überall gleichmäßig dick und kernreich. Im anderen, rechten 
Ek. sind die Alveolen nahe der freien Ek.-Fläche kleiner und die Stromasepta hier etwas dicker und kernreicher als in 
der Tiefe. Es gibt nur sehr wenige größere, von mehr Bindegewebe umgebene Blutgefäße. Die Kapillaren in den 
Alveolarsepten sind stellenweise etwas gefüllt. Die Zahl der Epithelzellen in den Alveolen ist gering, wenn auch je 
nach der Alveolargröße wechselnd. Die Zellen haben einen hellen, ovalen Kern, ein spärliches helles Protoplasma ohne 
Zellgrenze. Mitosen fehlen ganz. Die Breite der Alveolen beträgt nach 34 Messungen 24'3 1 im Durchschnitt, 37°5 u. 
im Maximum, 12°5 u im Minimum. 

Im akzessorischen Ek. sind die Alveolen kleiner, das Stroma reichlicher, die Epithelzellen kleiner, vor allem 
protoplasmaärmer als im Haupt-Ek. Die Alveolarbreite betrug nach 11 Messungen 15°2 u im Durchschnitt, 25 u im 
Maximum, 12°5 x im Minimum. 

* h; * 
Bei der Obduktion waren die Haupt-Ek. makroskopisch nicht mit Sicherheit zu sehen. Bei der mikroskopischen Unter- 
suchung fanden sie sich an typischer Stelle und außer ihnen auch noch ein akzessorisches Ek. oberhalb der linken 
Thymusspitze. Nebenbei sei noch erwähnt, daß nahe der linken Thymusspitze einer Cyste anliegend sich ein Stück 
branchiogenen Knorpels fand, das in 4 Schnitten enthalten ist und im Photogramm (Taf. VII, Fig. 21 g) neben dem 
akzessorischen Ek. abgebildet ist. Die Haupt-Ek. gingen durch 36, beziehungsweise, 32, das akzessorische durch 
4 Schnitte. 

Die Ek.-Form war nach den Wachsmodellen die folgende: Das rechte Haupt-Ek. längs-oval, mäßig flach, mit 
einem abgerundeten und einem etwas zugespitzten Pol. Beide Flächen sind leicht-höckerig, die versenkte mehr konvex 
als die freie, diese nimmt die ganze Länge und Breite des Ek. ein und greift an einer Kante um 1/, der Breite, an einem 
Pol um 1/, der Länge auf die versenkte Fläche über, so daß die freie Fläche sehr groß ist und der plumpe Pol sowie 
eine Kante bloßliegt. Am freien Pol hat die Oberfläche eine an der Grenze beider Flächen liegende seichte Furche. Das 
linke Haupt-Ek. ist längs-oval, mäßig flach, hat abgerundete Pole, beide Flächen sind glatt und beide gleich stark 
konvex. Die freie Fläche nimmt die ganze Länge und Breite des Ek. ein, greift an einer Kante und einem Pol auf die 
versenkte Fläche über und zeigt abseits von der Flächengrenze eine schräg über die ganze Länge hinziehende Furche. 
Das akzessorische Ek. ist ganz lang, schmal, von drehrundem Querschnitt. Das Photogramm der Modelle siehe 
Taf. VII, Fig. 21 g. 


Das Volumen der Wachsmodelle: 


rechtes Haupt-Ek. . . . . . . .175'67 cm? 
linkes > a a a 
akzessorisches Ek.. . . . .... 1"32cm? 

Zusammen. . .8391'71 cm? 


Denkschriften der mathm.-naturw. Kl. XC. Bd. 85 


6 


28 


Dr. J, Erdheim, 


Es ergibt sich aus den Zahlen, daß die Haupt- samt akzessorischen Ek. auf 100 g Körpergewicht berechnet, ein 
Volumen von 17409 dnm? besitzen, wovon auf das akzessorische 059 dnm? entfallen. 

Histologischer Befund (Textfüg. 10). 

Haupt-Ek. Beide liegen regulär in der Schilddrüse, die keine Spur von Kompressionserscheinungen aufweist. 
Die sehr zarte Kapsel trennt beide Parenchyme scharf voneinander. Selten sieht man im Ek, ein größeres Gefäß mit 


etwas umgebendem Bindegewebe. Die Alveolen sind im ganzen von mittlerer Größe (Fig. 10 A,), die Septa mäßig dick 


Fig. 10. 


Fall 5. Detailbild aus dem Hauptepithelkörperchen bei 350 facher Vorgrößerung. 


A, = kleine, A, —= große Alveole. K = Kerne kollabierter Kapillaren, die in die Epithelmasse eingedrungen sind. S= Stroma 


Raaslklaoe 


mit stellenweise klaffenden Kapillaren — C. 


und kernreich (S) mit stellenweise injizierten Kapillaren (C). Daß kleine Alveoien mehr an der freien Oberfläche liegen, 
ist nur andeutungsweise zu sehen. Kleine Alveolen liegen auch sonst im Parenchym verstreut (A,). Die Zahl der 
Epithelzellen in der Alveole richtet sich nach der Größe der letzteren (A,, As), ist aber im allgemeinen gering. Die 
Zellen haben einen hellen, ovalen Kern mit wenig Chromatinstruktur, der gern an der Alveolarperipherie sitzt und ein 
spärliches helles Protoplasma mit fehlenden Zellgrenzen. Mitosen konnten nicht gefunden werden. Es ist bemerkens- 
wert, daß man in etwas größeren Alveolen (As) Stromakerne sieht (X), die vom Septum her in die Epithelmasse ein- 
gedrungen sind. Die Stromakerne gehören, wie man sich an besser injizierten Ek. anderer Fälle überzeugen kann, nicht 
so sehr eingedrungenen Bindegewebssepten, als vielmehr Kapillaren an, welche kollabiert und darum als solche nicht 
erkennbar sind. Die Alveolarbreite: 33 Messungen, 25 u Durchschnitt, 35 u Maximum, 15 „. Minimum. 

Im akzessorischen Ek. sind die Alveolen kleiner, das Stroma aber nicht auffallend reichlich, die Zahl der 
Zellen am Alveolus stets sehr gering, die Epithelzellen selbst etwas kleiner als im Haupt-Ek., sonst aber gleich. Die 


Alveolarbreite: 19 Messungen, 15°9 u Durchschnitt, 30 u Maximum, 10 u Minimum. 


Bei der Obduktion waren die Haupt-Ek. als winzige Pünktchen schwach angedeutet, histologisch fanden sich außer 
ihnen auch noch 4 akzessorische Ek., von denen 2 an der linken, eines an der rechten Thymus lag und eines im 
rechten Schilddrüsenlappen, genau wie ein Haupt-Ek. partiell ins Schilddrüsengewebe versenkt: Die Haupt-Ek. gingen 
durch 33, beziehungsweise 27 Schnitte, die akzessorischen durch 6, 3, 3, 2 Schnitte. 

Die Form der Ek. war nach den Wachsmodellen die folgende: Das rechte Haupt-Ek. mäßig längs-oval, flach, 
die Pole abgerundet, die versenkte Fläche glatt, recht konvex, die freie glatt, fast rein platt, nimmt die ganze Länge 
und Breite ein und greift an beiden Polen und einer Kante etwas, an der anderen Kante jedoch um 1/, der Breite auf 
die versenkte Fläche über, so daß eine Kante bloßliegt. Das linke Haupt-Ek. ist gedrungen oval, die Pole abgerundet, 
beide Flächen glatt, die versenkte stark konvex mit ganz seichter Furche an einem Pol, die freie nur etwas konvex und 
nimmt die ganze Länge und Breite des Ek. ein. Von den akzessorischen Ek. waren 2 kurz-oval, flach, eines längs-cval, 


flach, eines unregelmäßig oval, platt. Die Photogramme der Modelle siehe Tafel VII, Fig. 21 d. 


ein 
a nn ZEN 


Rachitis und Epithelkörperchen. 629 


Das Volumen der Wachsmodelle: 


rechtes Haupt Ek. . 2... .,.124.53 cm} 
linkes » 20908206 
1. akzessorischesEk.. . . . . . : 2°07 cm? 
2. » » ; 0:87 cm? 
3. » Sen nr EN OH ORC7HS 
4. » » 0-49 cm? 


Zusammen . . . 22498 cm? 


Daraus ergibt sich als Volumen der Haupt- samt akzessorischen Ek., auf 100 g Körpergewicht berechnet, 
152°01 dmm?, wovon auf die akzessorischen 2°83 dmm? entfallen, 

Histologischer Befund (Textfig. 12). 

Haupt-Ek. Beide liegen regulär im Schilddrüsengewebe, ohne dieses irgendwie zu komprimieren. Die Ek.- 
Kapsel sehr zart. Das Stroma (S) mäßig entwickelt und mäßig reich an Bindegewebskernen. Die Kapillaren (C) stellen- 


weise 


Fig. 12. 


Fall 6. Detailbild aus dem Hauptepithelkörperchen. Partie nahe der freien Epithelkörperchen-Oberfläche. 350fache Vergrößerung. 


Hier die Alveolen durchschnittlich sehr klein, mit einer (Ay), zwei (A,) oder einigen wenigen (As) Zellen, hie und da auch 


größere (A,). Im mäßig entwickelten Stroma (S) stellenweise klaffende Blutkapillaren (C) und mäßig viele Stromakerne. 


Fall 7. 


gefüllt. Hie und da findet man ein größeres, gut gefülites Gefäß fast ohne begleitendes Bindegewebe. Die Alveolen 
meist von mittlerer Größe (A,), aber nahe der freien Oberfläche vielfach sehr klein, so daß nur einige wenige (As), auch 
nur 2 (As) oder gar nur eine Zelle (A,) Platz darin finden. Die Zellen sind von mittlerer Größe, haben einen ovalen, 
hellen Kern, mit etwas Chromatinstruktur und ein nur mäßig entwickeltes, helles Protoplasma. Mitosen fehlen. Die 
Alveolarbreite beträgt nach 34 Messungen 22 u im Durchschnitt, 35 u im Maximum, 12°5 u im Minimum. 

Die akzessorischen Ek. zeigen etwas kleinere Alveolen, die Epithelzellen sind kleiner, namentlich proto- 
plasmaärmer, das Stroma nicht reichlicher als in den Haupt-Ek. Die Alveolarbreite beträgt nach 15 Messungen im 


Durchschnitt 16°8 u, im Maximum 25 u, im Minimum 10 u. 


* * 


Bei der Obduktion waren die Haupt-Ek. mit freiem Auge nicht sichtbar. Histologisch fanden sie sich aber an typischer 
Stelle und außer ihnen noch ein akzessorisches Ek. Die Haupt-Ek, gingen durch 38, beziehungsweise 26, das akzes- 
sorische durch 4 Schnitte. z 

Die Form der Ek. war nach den Wachsmodellen die folgende: Das rechte Haupt-Ek. ist nicht oval, sondern 
ebenso lang wie breit, aber flach, die eine Kante ist etwas zugeschärft. Die versenkte Fläche ist glatt, stark konvex, 


die freie ganz platt und nimmt die ganze Länge und Breite des Ek. ein. Das linke Haupt-Ek, ist längs-oval, flach, mit 


630 Dr. J. Erdheim, 


abgerundeten Polen, die versenkte Fläche ist stark konvex, leicht höckerig, mit seichter Furche versehen, die freie 


Oberfläche ist leicht höckerig, nur leicht konvex und nimmt die ganze Länge, aber nur etwas mehr als die halbe Breite 


des Ek. ein, so daß eine Kante versenkt ist. Das akzessorische Ek. war von unregelmäßiger Gestalt, plump, zackig. 
Das Photogramm der Modelle siehe Taf. VII, Fig. 21 e. 


Das Volumen der Modelle: 


nechtes Haupt Ek.. En 220m 
linkes » a erOHOEME 
akzessonisches Hk roelem2 


Zusammen . . . 233'88 cm?. 


Danach beträgt das Volumen der Haupt- samt akzessorischen Ek. selbst auf 100 g Körpergewicht des Tieres 
berechnet, 133°02 dmm3, wovon auf das akzessorische 035 dmm? entfallen. 

Histologischer Befund (Taf. VII, Fig. 2 und Textfig. 11). 

Haupt-Ek. Beide liegen regulär in der Schilddrüse (Fig. 2 ek), aus der sie nicht prominieren. Wiewohl die Ek. 
nicht vergrößert sind, zeigen die Schilddrüsenfollikel, welche unter dem Ek. liegen (Fig. 2b), bis zu einer gewissen 
Tiefe eine deutliche Abplattung, die an den dem Ek. seitlich anliegenden Follikeln (a) ganz fehlt. Es ist dies der Aus- 


druck des sich schon beim normalen Ek, ausnahmsweise geltend machenden Wachstumsdruckes, der lateral nach 


Fig. 11. 


Fall 7. Detailbild aus dem Hauptepithelkörperchen bei 350facher Vergrößerung. 
Eine zentral liegende, größere (A) und die an sie ringsherum anstoßenden Alveolen sind durch schmale, kernarme Stromasepta von- 
einander getrennt, welche eigentlich bloß ein gut gefülltes Kapillarnetz (C,) darstellen. Auch in der Alveole A liegen 3 eingewachsene 


Kapillaren C3. 


beiden Seiten gleichmäßig wirkt, sich also verteilt, und keine merklichen Folgen hat. Der Dicke nach aber konzentriert 
sich der ganze Wachstumsdruck nur auf die untere Fläche, da die freiliegende Fläche infolge des anliegenden Muskels 
(M) sich nicht über das Niveau der Schilddrüsenoberfläche erheben kann. Um was also das Ek. an Dicke zunimmt, um 
das wird es vom Muskel in die Schilddrüse hineingepreßt. Die Ek.-Kapsel ist sehr zart, grenzt beide Parenchyme 
scharf voneinander ab (Fig. 2). Das Stroma ist im vorliegenden Falle besonders zart, arm an Kernen, und die 
Kapillaren der Alveolarsepta besonders gut gefüllt (Fig. 11 C,). Gröbere Stromasepta und größere Gefäße fehlen fast. 
ganz. Die Alveolen sind durchschnittlich von der gleichen Größe wie in den meisten normalen Fällen. Die Epithel- 
zellen von normaler, mittlerer Größe; im ovalen hellen Kern eine deutliche Chromatinstruktur und das Protoplasma 
"nur mäßig entwickelt, aber deutlich röter mit Eosin gefärbt (Fig. 11), als in den anderen normalen Fällen. In einem der 
Ek. konnten zwei Mitosen im Stadium des Muttersterns nachgewiesen werden. In diesem Falle, der durch eine 
besonders gute Füllung der Kapillaren ausgezeichnet ist, bot sich die beste Gelegenheit zum Nachweise, daß die die 
größeren Alveolen auch im normalen Ek. hie und da durchziehenden Stromakerne eigentlich Endothelzellen kollabierter 
Kapillaren sind. Hier sind nämlich auch diese Kapillaren gefüllt (Fig. 11 C,) und wir sehen in der Fig. 11 gleich 
3Exemplare nebeneinander. Die Alveolarbreite beträgt nach 37 Messungen 25°3 p im Durchschnitt, 42-5 im Maximum, 
15 a im Minimum. e 

Im akzessorischen«#Ek. besteht gegen die Haupt-Ek. nur insofern ein Unterschied, als die Alveolen und 
Epithelzellen kleiner sind. Im übrigen ist der Befund der gleiche. Die Alveolarbreite beträgt nach 12 Messungen im 
Durchschnitt 15°6 u, maximal 22°5 u, minimal 10 y. 


* * 
* 


Rachitis und Epithelkörperchen. 631 


Fall 8. Bei der Obduktion wurden die Ek. als sehr klein bezeichnet. Mikroskopisch konnte kein akzessorisches Ek. gefunden 


werden. Die Haupt-Ek. wurden durch 25, beziehungsweise 22 Schnitte in der Serie verfolgt. 


Die Form der Ek. war an den Wachsmodellen die folgende: Das rechte Haupt-Ek. war lang-oval, die Pole 
abgerundet, das Ek. ist nicht Nach, es ist dicker als breit. Die Oberfläche ist überall glatt, die versenkte stark-, die freie 
flach-konvex und letztere nimmt die ganze Länge und Breite ein. Das linke Haupt-Ek. war besonders lang-oval, flach, 
die Pole abgerundet. Die Oberfläche überall glatt, die versenkte etwas stärker konvex als die freie, diese nimmt die 
ganze Länge ein, aber nur 3/, der Breite, so daß eine Kante versenkt ist, dafür aber greift sie an der anderen Kante um 
1/4 der Breite auf die versenkte Fläche über, so daß diese Kante wieder bloßliegt. Das Photogramm der Modelle siehe 
Taf. VII, Fig. 21 c. 


Das Volumen der Wachsmodelle: 


rechtes Haupt. Ele A 96wa2 cn 
linkes » EOESOLCHEE 
Zusammen . . . 216°37 cm?. 


Demnach beträgt das Volumen der Haupt-Ek. auf 100 g Körpergewicht des Tieres berechnet, 152°37 dmm’. 

Histologischer Befund. Beide Haupt-Ek. liegen regulär in der Schilddrüse, über deren Niveau sie nicht 
prominieren. Die Schilddrüse zeigt da, wo das Ek. liegt, wie immer eine Unterbrechung der viel größeren, superfiziellen 
Follikellage, aber nirgends eine Spur von Kompressionserscheinungen. Die Ek.-Kapsel ist zum Teil zart, zum Teil 
etwas dicker, mit vielen Bindegewebsfibrillen ausgestattet und führt über dem versenkten Teil große Arterien und 
Venen, die durch die Schilddrüse zur Ek.-Kapsel gelangen und von da aus die Vascularisation des Ek. besorgen. Die 
Alveolen sind durchschnittlich von normaler Größe und werden gegen die freie Oberfläche zu unbedeutend kleiner. 
Die gröberen Stromasepta führen mäßig viel fibrilläres Gewebe und mittelgroße, mäßig gefüllte Blutgefäße; die feineren 
Stromasepta sind relativ auch noch etwas dick, aber in ihnen fällt nicht das fibrilläre Gewebe, sondern der große 
Reichtum an den gewöhnlichen, dunkeln, spindelförmigen Stromakernen auf. In den Alveolen liegen die Epithelzellen 
mit Vorliebe in zwei Reihen, mit basalständiger Kernpalissade, das Protoplasma nach innen gekehrt. In größeren 
Alveolen finden auch zentral noch einige Zellen Platz. Die Epithelzellen sind klein, haben einen kleinen, ovalen, ganz 
lichten Kern ohne Chromatinzeichnung, höchstens hie und da mit einem Nucleolus, ein spärliches, sehr lichtes, wenn 
auch nicht ganz wasserhelles Protoplasma mit hie und da deutlich sichtbarer Zellgrenze. Mitosen fehlen vollständig. 
Wie in allen normalen Fällen, findet man auch hier in Alveolen, die aus mehr als zwei Zellreihen bestehen, mitten in der 
Epithelmasse 1 bis 2 typische eingewachsene Stromakerne, die kollabierten Kapillaren angehören. Die Breite der 


Alveolen: 36 Messungen, 26°7 u. Durchschnitt, 50 p» Maximum, 12:5 u. Minimum. 


B. Größe und histologische Beschaffenheit der normalen Epithelkörperchen. 


Unter den acht normalen Tieren waren die Haupt-Ek. bei der Obduktion mit freiem Auge 3mal 
gar nicht oder nicht mit Sicherheit zu sehen (Fall 2, 7, 5), wiewohl sie sich bei der späteren mikro- 
skopischen Untersuchung an typischer Stelle fanden. In 4 Fällen (3, 4, 6, 8) waren sie als winzige helle 
Pünktchen gerade noch zu sehen oder angedeutet, und nur im Falle I waren sie leicht und bequem zu 
sehen. Wir können also sagen, daß die Haupt-Ek. der normalen Ratte zumeist an der Grenze der 
Wahrnehmbarkeit mit freiem Auge stehen, was allerdings nur für das Myopenauge gilt. Für den 
Emmetropen dürfte sich die Wahrnehmbarkeit dieser winzigen Objekte noch ungünstiger gestalten. 

Da unser Interesse hauptsächlich auf die Frage gerichtet ist, wie groß der Gesamtbestand an 
Epithelkörpergewebe in jedem Falle ist, so soll im Folgenden in jedem Falle das Gesamtvolumen der 
Haupt- plus akzessorischen Ek. besprochen werden. Zwar ist das Gewebe der akzessorischen Ek. im 
Vergleich mit dem der Haupt-Ek. nach dem histologischen Bilde qualitativ minderwertig, doch ist die 
Größe der akzessorischen Ek. so sehr gering im Vergleich mit der der Haupt-Ek., daß der damit gemachte 
Fehler nicht nennenswert ist. Das Diagramm XXVI, Tafel X, zeigt uns, daß das (relative siehe unten) 
Gesamtvolumen des Ek.-Gewebes von Fall zu Fall nur um sehr weniges variiert. 


632 Dr. J. Erdheim, 


Nur der Fall I fällt mit seinem für normale Fälle ungewöhnlich großen Bestande an Ek.-Gewebe 
ganz aus der Reihe. Es ist gewiß kein Zufall, daß gerade dieser Fall sowohl in der Rippe, als auch im 
Fibulacallus die kleinsten Osteoidmaße aufweist (Diagramm X und XXIV) und so auch in dieser Hinsicht 
in gleicher Weise aus der Reihe der anderen fällt. Es ist schwer dieses Verhalten zu erklären, aber es 
drängt sich die Frage auf, ob es sich nicht um eine derzeit spurlos ausgeheilte Rachitis handle, von 
der aber noch ein Rest der ehemaligen Ek.-Vergrößerung und eine Art Überkorrektur der Kalkstörung 
nachweisbar ist. 

Auf alle Fälle wurde in der folgenden Tabelle, die die Abhängigkeit der Ek.-Größe vom 
Körpergewicht nachweist, der Fall 1 ausgelassen. 


Fall * Körpergewicht Ek.-Volumen 
I 

3 12838 172 dmm? 

4 134g 241 dmm? . 
2 135 g 199 dnm3 i 

8 142 9 216 dmm? 

6 148g 224 dmm? 

7 1758 233 dmm? 

5 2 2258 391 dmm? 


In der Tabelle sind die Tiere nach ihrem Körpergewicht geordnet oder, was dasselbe ist, nach dem 
Alter. Danach ist Tier 3 das leichteste, Tier 5 das schwerste. Setzt man zu jedem Fall das absolute 
Gesamtvolumen der Haupt- samt akzessorischen Ek. in Kubikdezimillimetern ausgedrückt, so überzeugt 
man sich, daß gradatim mit zunehmendem Körpergewicht auch die Ek. wachsen. Nur der Fall 4 hat für 
sein Körpergewicht etwas zu große Ek. Nach dem Körpergewicht steht er an zweiter Stelle, nach dem 
Ek.-Volumen sollte er an vorletzter Stelle stehen. Wir sehen also, daß unsere noch in der Wachstums- 
periode befindlichen Tiere mit zunehmendem Alter eine Volumszunahme der Ek. aufweisen. So 
ist es ja auch beim Menschen. 

Da aber das absolute Ek.-Volumen mit dem Körpergewicht wächst, darf diese Tatsache nicht 
unberücksichtigt bleiben. Es empfiehlt sich daher stets das relative Ek.-Volumen zu berechnen und dies 
geschah in der Weise, daß bei jedem Falle berechnet wurde, wieviel Kubikdezimillimeter Ek.-Gewebe auf 
100 8 Körpergewicht des Tieres fallen. Wir wollen fortan nur mit diesem relativen Ek.-Volumen 
operieren, welches auch dem Diagramm XXV], Tafel X zugrunde gelegt wurde. 

Dieses zeigt uns, daß bei den normalen Tieren die Schwankung des relativen Ek.-Volumens in den 
verschiedenen Fällen gering ist; es ist im maximalen Falle 1 genau doppelt so groß, wie im minimalen 
Falle 7, und wenn wir den Fall 1 aus den genannten Gründen außer acht lassen, so beträgt die Differenz 
zwischen Maximum und Minimum etwas mehr als 1/,. Wir können sagen, die normalen Tiere zeigen in 
auffallender Weise eine fast konstante relative Größe ihres Ek.-Apparates. 


* * 
* 


Die Lage des Haupt-Ek. war in allen Fällen die für die Ratte typische (Fig. 1, 2, Taf. VII). Es 
liegt (ek) derart in die Schilddrüse (b) eingelagert, daß es mit einem Teil seiner Oberfläche an der 
Schilddrüsenoberfläche sichtbar ist. Eine äußerst zarte Bindegewebskapsel trennt beide Parenchyme 
linear scharf voneinander ab, und führt zuweilen deutlich sichtbare größere Arterien und Venen, welche, 
aus dem Schilddrüsenparenchym kommend, in’s Ek. eintreten. 

Die Schilddrüsenfollikel haben in der Regel rundliche Formen und sind an der äußersten 
Peripherie (Taf. VI, Fig. 1, 2a) oft größer als in der Tiefe (b), wo sie aber auch rund sind (Fig. 1). 


Rachitis und Epithelkörperchen. 633 


Wo das Ek. liegt, da ist die periphere Lage großer Follikel einfach unterbrochen. In zwei Fällen (1, 7) 
jedoch fiel es auf, daß die unterhalb des Ek. gelegenen Schilddrüsenfollikel (Fig. 25) bis zu einer 
gewissen geringen Tiefe abgeplattet waren, während dies seitlich vom Ek. niemals der Fall war. Die Art, 
wie dies Verhalten zustande kommt, ist aus Fig. 2 zu ersehen. Indem das Ek. der Länge nach wächst, 
sucht es die Schilddrüsenfollikel zu verdrängen und diese Verdrängung verteilt sich auf beide Pole gleich- 
mäßig. Bei der Dickenzunahme jedoch konzentriert sich diese Verdrängung allein auf die unterhalb des 
Ek. gelegenen und darum hier deutliche Kompressionserscheinungen aufweisenden Schilddrüsenfollikel 
und dies hat darin seinen Grund, daß eine Vorwölbung der Ek. über die Schilddrüsenoberfläche beim 
Dickenwachstum durch die darüber gespannten Halsmuskeln (m) verhindert wird. 

Die Form der Haupt-Ek. ist aus Fig. 1 und 2, Taf. VIII sowie aus Fig. 21a bis h, Taf. VII, zu 
ersehen. Weitaus am häufigsten ist das normale Ek. längs-oval und parallel zur Körperachse gestellt, viel 
seltener kurz-oval, mehr gedrungen, und nur ausnahmsweise so lang als breit. Ferner ist das Haupt-Ek. 
so gut wie immer flach, selten stärker abgeplattet und nur ganz ausnahmsweise ist seine Dicke größer 
als die Breite. Beim Betrachten von der Schilddrüsenoberfläche her läßt sich die Länge und Breite und 
nur auf der senkrecht zur Schilddrüsenoberfläche geführten Schnittfläche auch die Dicke des Ek. beurteilen. 
Die Pole sind zumeist abgerundet (Fig. 2), schon etwas seltener in eine längere oder kürzere Spitze aus- 
gezogen (Fig. 21 8, h). Ebenso sind die Kanten meist abgerundet, selten etwas abgeplattet. Die in die 
Schilddrüse versenkte Ek.-Oberfläche ist immer stärker konvex als die freiliegende (Fig. 1), die letztere ist 
vielfach sogar mehr oder weniger flach. Ferner ist die Oberfläche mehr weniger glatt und ist eine geringe 
Höckerung oder wellige Unebenheit zu finden, so ist das an der versenkten Oberfläche viel häufiger der 
Fall als an der freiliegenden. Nur ausnahmsweise weist die Oberfläche an der bloßliegenden oder ver- 
senkten Oberfläche oder an einem Pol eine seichte Furche auf, die nur einmal an der Grenze zwischen 
der versenkten und bloßliegenden Oberfläche lag. 

Dadurch, daß an den Modellen die freiliegende Ek.-Oberfläche (durch dunklen Anstrich) von 
_ der versenkten unterschieden ist, kann das gegenseitige Verhalten beider leicht studiert werden. In dem 
Photogramm der Fig. 21 ist die Unterscheidung beider Flächen zum Beispiel in d, f und % gut zu sehen, in 
anderen nicht. Das hängt nur davon ab, wie das Modell zum Photographieren gelegt worden war. Es läßt 
sich an den Modellen sehen, daß die versenkte Oberfläche größer ist als die freiliegende und daß nicht 
selten die Grenze zwischen beiden Oberflächen an dem längsovalen, flachen Ek. durch die beiden Pole 
und Kanten geht. Recht häufig ist die freiliegende Oberfläche dadurch verkleinert, daß das Ek. mit einem 
Pol oder einer Kante ganz in die Schilddrüse versenkt ist oder, wenn auch seltener, dadurch vergrößert, 
daß das Ek. mit einer Kante und nur ausnahmsweise mit einem Pol ganz aus der Schilddrüse hervor- 
taucht. In Fig. 1 ist zum Beispiel zu sehen, daß der rechte abgerundete Pol ganz in der Schilddrüse 
versenkt ist. 


Die Alveolen, aus denen das Ek. aufgebaut ist, sind meist von wechselnder Form, rund, länglich, 
polygonal, gebogen (Textfig. 8, 1Obis 12), selten von mehr gleichmäßiger Beschaffenheit. Sehr oft ist zusehen, 
daß gegen die freie Oberfläche hin die Alveolen kleiner sind als an anderen Stellen, und dies ist bald sehr 
ausgesprochen, bald nur angedeutet. Die Zahl der Epithelzellen, die einen Alveolus zusammensetzen, 
wechselt natürlich nach der Alveolargröße; zumeist ist sie gering (Fig. 8 A,, 10 H,, 12 A,), selten größer 
Fig. 8 A,, 11), häufig aber enthält ein Alveolus nur einige wenige (Fig. 12 A,), selbst auch nur zwei Zellen 
(A,) oder gar nur eine (A,). Solche besonders kleine Alveolen finden sich nicht nur nahe der freien Ober- 
fläche, sondern auch sonst eingestreut. Im Diagramm XXVII, Tafel XI ist die durchschnittliche Alveolargröße 
zusammengestellt, welche, wie man sich mit einem Blick überzeugen kann, in den verschiedenen Fällen 
nur äußerst geringe Schwankungen aufweist. Im Durchschnitt waren die Alveolen am kleinsten, nämlich 
22:1 groß, im Falle 6, und am größten, nämlich 26'7 u groß, im Falle 8. Nicht nur die relative Ek.- 


634 Dr. J. Erdheim, 


Größe, sondern auch die durchschnittliche Alveolargröße ist beim normalen Tier auffallend 
konstant. 

Das Stroma des normalen Ek. ist im allgemeinen zart, doch wechselt es mit der Größe der Alveolen. 
An Stellen mit großen Alveolen ist das Stroma so zart (Fig. 8), daß bei der erheblichen Schnittdicke der 
Serien die Fibrillen gar nicht zum Vorschein kamen und die Septa hauptsächlich an der Anwesenheit 
ihrer typischen, dunklen, spindeligen Kerne zu erkennen sind (Fig. 8). Sind die Alveolen kleiner, so sind 
die Stromasepta dicker und kernreicher (Fig. 10) und am dicksten sind sie an Stellen, wo die Alveolen 
die geringste Größe aufweisen (Fig. 12), was zumeist nahe der freien Oberfläche der Fall ist, während der 
tiefstversenkte Teil zarte, kernarme Septa aufweist. Einen Zug etwas derberen, stärker eosinroten, fibril- 
lären Gewebes findet man nur ganz ausnahmsweise. 

Die für das Stroma so charakteristischen dunklen, spindeligen Kerne (Fig. 8 bis 12) gehören nicht 
alle dem Bindegewebe selbst an, sondern vielfach auch den in den Septen verlaufenden Kapillaren. 
Diese sind aber zumeist kollabiert, so daß es nicht gut möglich ist, Bindegewebskerne von Kapillar- 
endothelien zu unterscheiden, wo aber die Kapillaren klaffen, was fleckweise nicht selten ist (Fig. 8, 10, 
12 C), gelingt diese Unterscheidung leicht. Besonders schön injiziert waren aber die Kapillaren im Fall 7, 
wovon Fig. 11 Cı eine gute Vorstellung gibt. Nur in sehr geringer Zahl begegnet man größeren, meist gut 
gefüllten Gefäßen, die außer dem Endothellager meist noch eine Hülle eosinroten, fibrillären Gewebes 
aufweisen. 

Die die Alveolen ausfüllenden Epithelzellen sind von einerlei Art. Ihr Kern ist in der Regel oval, 
im Vergleich mit den Stromakernen viel heller gefärbt, wenn auch einmal dunkler (Fig. 8) als das andere 
Mal (Fig. 10), ferner verhältnismäßig groß, aber auch da variierend. So sind die Kerne in Fig. 10 groß, in 
Fig. 8 klein, in Fig. 11 noch kleiner. Die Chromatinzeichnung ist bald sehr deutlich (Fig. 8), bald viel 
dürftiger (Fig. 10) oder selbst fehlend, und die Kernkörperchen sind dann das einzige Strukturdetail des 
Kerns. Manchmal fällt die Neigung der Kerne auf, an der Alveolarperipherie eine basalständige Pallisade 
zu bilden (siehe den mit A, bezeichneten Alveolus der Fig. 8). Mitosen konnten trotz darauf gerichteter 
Aufmerksamkeit und trotzdem das Material lebenswarm fixiert war, nur im Fall 7 nachgewiesen werden, 
und zwar in Form zweier Muttersterne. Es mag sein, daß bei dünneren Schnitten Mitosen häufiger 
gefunden worden wären. 

Das Protoplasma ist in der Regel hell, aber bald fast wasserhell (Fig. 10), bald etwas mehr mit 
Eosin gefärbt und nur ausnahmsweise so gut eosinrot, wie im Falle 7 (Fig. 11). Die Protoplasmamenge 
ist relativ gering, so daß die Kerne recht dicht zusammenliegen. Eine scharfe Zellgrenze, wie sie für das 
menschliche Ek. so typisch ist, ist in der Regel nicht zu sehen gewesen. Nur hie und da sieht man davon 
eine Andeutung (As, Fig. 8, 10). Bei dünneren Schnitten mag auch die Zellgrenze etwas besser zu sehen 
sein als in unseren 20 w-Serien. 

Mitten zwischen den Epithelzellen findet man in manchen Alveolen auch Stromakerne (K,K, Fig. 8), 
welche wohl kollabierten Kapillaren angehören dürften. So sieht man in dem in Fig. 11 dargestellten 
Alveolus des durch besonders gute Gefäßfüllung ausgezeichneten Falles 7 mitten zwischen den Zellen 
3 Kapillaren (C,). Es erscheint nur natürlich, daß in eine Alveole, die aus mehr als zwei Epithelzellreihen 
besteht, Kapillaren hineinwachsen, es so allen Epithelzellen ermöglichend, in direkten Kontakt mit dem 
Gefäßsystem zu treten. Bei einer Blutdrüse mag dies besonders erklärlich sein. 


In früheren Arbeiten wurde genauer ausgeführt, daß bei der Ratte akzessorische Ek. vorkommen. 
Dies war der Grund, warum es bei den vorliegenden Untersuchungen nötig war, die ganzen Halsorgane 
in Serien zu zerlegen. Mit Ausnahme des Falles 8, wo akzessorische Ek. fehlten, konnten solche in allen 
normalen Fällen nachgewiesen werden, sie lagen rechts und links in gleicher Häufigkeit. In den Fällen 4, 


- 


5, 7 war nur je eines, im Falle 3 waren 2, in den Fällen 1, 2 waren 3, endlich im Fall 6 4 akzessorische 


Rachitis und Epithelkörperchen. 635 


Ek. nachweisbar. Ihre nahe topographische Beziehung zur Thymusspitze konnte, wie schon seinerzeit, 
abermals erwiesen werden. Nur im Falle 6 lag eines der akzessorischen Ek. in das Schilddrüsengewebe 
eingelassen, ganz in der gleichen Art, wie das bei den Haupt-Ek. der Fall ist. Der von Toyofuku 
beschriebene branchiogene Knorpel konnte im Falle 5, einer branchiogenen Cyste anliegend, nach- 
gewiesen werden. 

Wie schon die Fig. 21 a bis h zeigen, sind die akzessorischen Ek. beträchtlich kleiner als die 
Haupt-Ek., und darum wäre es vergeblich, nach ihnen makroskopisch zu suchen. Ihre Form ist nach den 
Wachsmodellen meist oval, häufiger plump als lang, selten ganz lang, öfter abgeflacht. Liegen sie in der 
Thymus, zwischen ihren Läppchen, so sind sie zuweilen mehr oder weniger regelmäßige Tetraeder. Wo 
sie einer Cyste anliegen, erscheinen sie schüsselförmig, auch kann ihre Form völlig unregelmäßig 
zackig sein. 

Nicht nur aus den Fig. 21 a bis h, sondern auch aus dem Diagramm XXVIJ, Tafel XI geht es hervor, 
daß die akzessorischen Ek. beträchtlich kleiner sind als die Haupt-Ek. Ein Beispiel: Von den 
133 dmm’? gesamter Ek.-Substanz, die auf 100g Körpergewicht des Tieres 7 kommen, entfallen 
132:65 dmm? auf die Haupt-Ek. und nur 0:35 dmm? auf die akzessorischen. 

So wie die relative Größe des gesamten Ek.-Apparates und der Haupt-Ek. selbst, so sind auch die 
akzessorischen Ek. des Falles 1 bei weitem größer als bei irgend einem anderen normalen Tier (Fig. 21), 
und die Größenzahl 6:03 dieses Falles fällt ebenfalls ganz aus der Reihe der übrigen (Diagramm XXVI). 

Es schwankt die relative Größe der akzessorischen Ek. in viel weiteren Grenzen (Diagramm 
XXVII) als wie die der Haupt-Ek., nämlich von 0:35 (Fall 7) bis 6:03 (Fall 1). Noch größer ist die 
Schwankung, wenn wir die absolute Größe beider Haupt-Ek. mit der der gesamten akzessorischen ver- 
gleichen. Es ist nämlich im Falle 4 die Gesamtgröße der Haupt-Ek. bloß 18 mal, im Falle 7 aber 382 mal 
größer als wie die der akzessorischen. Zwischen diesen Extremen liegen die übrigen Zahlen, 43 (Fall 1), 
53 (Fall 6), 86 (Fall 3), 97 (Fall 2), 296 (Fall 5). Wir ersehen daraus, daß die akzessorischen Ek. des 
Falles 1, absolut genommen und mit den akzessorischen der anderen Fälle verglichen, sehr groß sind, aber 
im Verhältnis zu ihren Haupt-Ek. sogar noch kleiner sind als zum Beispiel die akzessorischen Ek. des 
Falles 4 im Verhältnis zu ihren Haupt-Ek. 

In diesen bedeutenden Größenschwankungen der akzessorischen Ek. drückt sich das Zufällige 
ihres Zustandekommens aus. Sie sind eben abgeschnürte Stücke der Haupt-Ek. und es ist Zufalls- 
sache, ob sich bei der fötalen Entwicklung einmal mehr, einmal weniger Ek.-Gewebe vom Hauptorgane 
abtrennt. 

* ® % 

Der histologische Bau der akzessorischen Ek. ist im allgemeinen natürlich dem der Haupt-Ek. 
gleich, wenn auch in Einzelheiten gewisse Unterschiede bestehen. Es sind die Alveolen (Textfig. 9 und 
Diagramm XXIX, Tafel XI) auffallend kleiner als im Haupt-Ek., so daß: sie nur einige wenige Zellen 
enthalten (Fig. 9 A,), oder gar nur eine oder zwei (A,, A,). Es besteht diesbezüglich eine gewisse Ähnlich- 
keit zwischen den akzessorischen Ek. und den gegen die freie Oberfläche gelegenen Teilen mancher 
Haupt-Ek. (vgl. Fig. 9 und 12). 

So wie im Haupt-Ek., so schwankt auch im akzessorischen Ek. die durchschnittliche Größe der 
Alveolen in den verschiedenen Fällen nur in sehr engen Grenzen (Diagramm XXIX). Die Alveolen sind 
ausnahmslos kleiner als in den Haupt-Ek., denn die größten im akzessorischen sind noch immer kleiner 
als die kleinsten in den Haupt-Ek. 

Das Stroma (Fig. 9 S) ist in der Regel, wenn auch nicht ausnahmslos, reichlicher und kernreicher 


als im Haupt-Ek., enthält gar keine großen Gefäße und die Kapillaren sind schlechter gefüllt. Die Epithel- 


zellen (Fig. 9) sind von gleicher Beschaffenheit wie im Haupt-Ek., meist aber kleiner, pıotoplasmaärmer 
und der Kern mit weniger Chromatinstruktur ausgestattet. Der relativ größere Gehalt an Stroma und die 
relativ geringere Menge von Parenchym läßt das Gewebe des akzessorischen Ek. im Vergleich mit dem 


, des Haupt-Ek. als minderwertig erscheinen, wenn auch beide in bezug auf die Gewebsart identisch sind. 


. Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC. Bd. 86 


636 


Dr. J. Erdheim, 


2. Epithelkörperchen bei rachitischen Tieren. 


A. Kasuistik. . 


Fall 9. Makroskopisch schienen die Ek. bei der Obduktion nicht vergrößert, aber sie leuchteten weiß aus der Schilddrüse 


heraus, die hier, wie immer beim jungen Tier, nicht rot, sondern rosa war. Beim Durchmustern der Serie fanden sich 
außer den beiden Haupt-Ek. auch noch 6 akzessorische, von denen 4 links, 2 rechts in und an der Thymus lagen. Die 
Haupt-Ek. erstreckten sich über 38, beziehungsweise 28 Schnitte, die akzessorischen über 8, 7, 6, 5, 5 und 4 Schnitte. 

Die Ek.-Form an den Wachsmodellen war die folgende: Das rechte Haupt-Ek. war längs-oval, die Pole abge- 
rundet; die Form ist nicht flach, sondern es ist die Dicke im Gegenteil größer als die Breite. Die versenkte Fläche ist 
glatt, trägt einen dünnen, langen Fortsatz und ist stark konvex; die freie Fläche ist glatt, wenig konvex und nimmt die 
ganze Länge des Organes ein, aber nur 3/, der Breite, so daß eine Kante versenkt ist. Das linke Haupt-Ek. ist quer- 
oval (das heißt, die Breite ist größer als die Länge), recht flach, beide Flächen glatt, die versenkte recht konvex, die 
freie ist ganz platt und nimmt die ganze Länge und Breite des Organes ein. Von den akzessorischen Ek. waren 3 kurz- 
oval, platt, eines oval, von kreisrundem Querschnitt, eines plump-oval von dreieckigem Querschnitt und eines sehr 


lang, schmal, von rundem Querschnitt. Das Photogramm der Modelle siehe Taf. VII, Fig. 21. 


Das Volumen der Wachsmodelle betrug: 


rechtes Haupt-Ek. . .... . .105°90 cm? 
linkes » sonen: 
1. akzessorischesEk.. . . . . 7:73 cm® 
2. » » 4:67 cm? 
3. » BE en 123816793 
4. » » 1:62 cm? 
5. » Big: 1:43 cm? 
6. > > 101 cm? 

Zusammen. . . 25731 cm?. 


Das Gesamtvolumen der Haupt- samt akzessorischen Ek. selbst betrug demnach, auf 100 g Körpergewich 
berechnet, 30632 dmm?, wovon auf die akzessorischen 2286 dnm? entfallen. 

Histologischer Befund. 

Haupt-Ek. Beide Haupt-Ek. liegen regulär in der Schilddrüse, prominieren nicht über ihre Oberfläche, im 
Gegenteil, es liegen die Ek. mit ihrer freien Oberfläche sogar noch etwas unter dem Schilddrüsenniveau. Die Schild- 
drüsenfollikel zeigen keine Spur von Kompressionserscheinungen. Beide Haupt-Ek. sind in allen Teilen gleichmäßig 
gebaut, die Alveolen zum Teil von normaler Größe, zum Teil anscheinend etwas größer als normal. Das Stroma im 
allgemeinen reichlich entwickelt, in den großen Septen rote Bindegewebsfibrillen und große, wenig gefüllte Gefäße; in 
den schmalen Septen viele Bindegewebszellen und ganz leere Kapillaren. In den Alveolen die Zellen mäßig vermehrt, 
etwas vergrößert, der Kern groß, oval, hell, mit wenig Chromatinstruktur, das Protoplasma recht reichlich und dunkler 
als normal. Mitosen keine nachweisbar. Die in die Epithelmasse vielfach eingewachsenen Kapillaren zerteilen sie nicht. 
Die Alveolarbreite betrug nach 29 Messungen 32°9 u im Durchschnitt, 55 y. maximal und 15 u minimal. 

In den akzessorischen Ek. wechselt das Bild schon mehr. In manchen sind die Alveolen nicht vergrößertt 
die Zellen nicht vermehrt, nicht vergrößert, der Kern oval, hell, ohne Struktur, das Protoplasma ganz hell, die Stroma- 
züge breit, mit vielen Bindegewebszellen. In anderen sind die Alveolen deutlich, aber nur mäßig vergrößert, die Zellen 
etwas vermehrt, etwas vergrößert, aber sonst von derselben Beschaffenheit wie oben, das Stroma spärlicher, die Septa 


schmäler, mit weniger Bindegewebszellen. Die Alveolarbreite wurde an 2 akzessorischen Ek. gemessen. 


1. 14 Messungen, 213. Durchschnitt, 30. Maximum, 12°5 1. Minimum. 
2. 28 > 23'2 u » 50 u » 10:O u » 


* * 


Fall 10. 


BD aullalg 


Rachitis und Epithelkörperchen. 637 


Bei der Obduktion wurden die Ek. als nur wenig vergrößert bezeichnet. In der Schnittserie fanden sich außer den 
beiden Haupt-Ek. auch noch 4 akzessorische, von denen 3 in der linken, 1 in der rechten Thymus lag. Die Haupt-Ek. 
konnten durch 52, beziehungsweise 42 Schnitte verfolgt werden, die akzessorischen durch 9, 8, 5, 4 Schnitte. 

Die Form der Wachsmodelle war die folgende: Das rechte Haupt-Ek. längs-oval, flach, die Pole abgerundet, 
die Oberfläche überall grobwellig; die versenkte Fläche ist stark, die freie kaum etwas konvex und nimmt die ganze 
Länge und Breite des Ek. ein. Das linke Haupt-Ek. ist längs-oval, mit abgerundeten Polen, aber nicht flach, sondern 
mehr dick als breit, die Oberfläche überall leicht-wellig. Die versenkte Fläche ist stark konvex, die freie kaum etwas 
konvex und nimmt die ganze Breite und #/, der Länge des Ek. ein, so daß ein Pol versenkt ist, — Von den 4 akzes- 
sorischen Ek. waren 2 längs-oval und flach, eines kurz-oval und flach, eines eine abgeflachte Kugel. Das Photogramm 
der Wachsmodelle siehe Taf. VII, Fig. 21 p. 

Das Volumen der Wachsmodelle betrug: 


rechtes Haupt-Ek. . . . . . . .625°54 cm? 
linkes » Er 6 52 96LC772 
1. akzessorisches Ek.- . . . ..  3'23 cm? 
2a » Se 2 HAM 
3. » Su ea 10 Are 
4. » > aan 0 OR 


Zusammen „ . . 1285°89 cm3. 


Es ergibt sich daraus als Volumen der Haupt- samt akzessorischen Ek. selbst, auf 100 g Körpergewicht des 
Tieres bezogen und in Kubikdezimillimetern ausgedrückt, die Zahl 84045 dmm?, wovon auf die akzessorischen allein 
bloß 483 dmm? entfallen. 
Histologischer Befund. 


\ 


Haupt-Ek. Beide regulär in der Schilddrüse gelegen, deutlich, aber nicht viel über die Schilddrüsenoberfläche 
hinausragend. Der tiefsten Ek.-Stelle entsprechend zeigt die Schilddrüse Kompressionserscheinungen in Form ovaler 

Gestalt der Follikel in einigen Schichten. Die zarte Ek.-Kapsel führt nur im versenkten Teil große Arterien und 
Venen. 

Das Parenchym zeigt eine sehr ausgesprochene, wenn auch keine maximale Hypertrophie und Hyperplasie. Die 
Alveolen sind im allgemeinen vergrößert, wenn auch in den superfiziellen Anteilen des Ek. weniger als in den ver- 
senkten. Die Stromasepta sind in den superfiziellen Partien breiter und kernreicher als in den tiefen, nirgends fibrilläres 
Gewebe enthaltend. Die die größeren Alveolen ausfüllenden Epithelzellen sind vermehrt, vergrößert, ihr Kern oval, groß, 
hell, mit Chromatinstruktur, das Protoplasma schön eosinrot, aber nicht dunkel. In den superfiziellen, kleinen Alveolen 
ist das Protoplasma stets viel heller, vereinzelt auch reichlicher, mit scharfer Zellgrenze. Mitosen fanden sich nicht in 
jedem Schnitt, aber oft mehrere in einem und in allen Stadien. Die Epithelmasse ist in geringer Zahl von Stromakernen 
durchzogen. Untersucht man den Schnitt bei starkem künstlichem Lichte und stellt so hoch ein, daß der Schnitt unscharf 
zu erscheinen beginnt, dann nimmt man eine ungeahnte Menge von Kapillaren wahr, deren Inhalt, die roten Blut- 
körperchen, bei dieser Betrachtungsweise hell erglänzen und die Anwesenheit der Kapillaren verraten. Es zeigt der 
Fall, daß trotz einer sehr geringen Zahl von Stromakernen die Epithelmasse von sehr zahlreichen Kapillaren durchzogen 
sein kann, und wenn in alten Rachitisfällen die Zahl der Stromakerne in der Epithelmasse, wie die Erfahrung lehrt, 
sehr groß wird, so bedeutet das eigentlich bloß ein Erstarken des Stromanetzes. Die Breite der Alveolen betrug nach 
33 Messungen 93°9y. im Durchschnitt, 208 u im Maximum, 48 y. im Minimum. 

Die akzessorischen Ek. waren alle gleich gebaut. Die Alveolen für ein akzessorisches Ek. vergrößert, etwa 
so groß wie in einem normalen Haupt-Ek., die Septa sind für ein akzessorisches Ek. auffallend fein und führen sehr 
wenig Kerne. Die Epithelzellen entsprechend vermehrt, weniger vergrößert als im Haupt-Ek. des Falles, ihr Kern hell- 
oval, mit deutlicher Chromatinstruktur, das Protoplasma hell, mäßig entwickelt. Die Alveolarbreite: 13 Messungen, 
22:7 u Durchschnitt, 37°5 u Maximum, 10 y. Minimum. 

* * 
* 
Bei der Obduktion erschienen die Ek. als übermittelgroß und leuchteten weiß aus der roten Schilddrüse hervor. Mikro- 
skopisch fanden sich außer ihnen auch noch 5 akzessorische, die an oder in der Thymus lagen. 2 rechts, 3 links. Die 
Haupt-Ek. konnten durch 74, beziehungsweise 57 Schnitte verfolgt werden, die akzessorischen durch 22, 17, 14, 8 


und 3 Schnitte. 


638 


Dr. J. Erdheim, 


An den Wachsmodellen war die Form der Ek. die folgende: Das rechte Haupt-Ek. gedrungen oval, nicht flach, 
im Gegenteil, mehr dick als breit. Beide Flächen grob-höckerig, mit einer Einschnürung und einem größeren Auswuchs 
und beide gleich stark gewölbt. Die freie Fläche nimmt nur 3/, der Länge und die halbe Breite ein, ist also sehr klein. 

Das linke Haupt-Ek. ebenso lang wie breit, die versenkte Fläche glatt, stark konvex, die freie Fläche ist grob- 
höckerig, ganz flach-konvex und nimmt die ganze Breite und #/, der Länge ein, so daß beide Pole leicht versenkt sind. 

Von den akzessorischen Ek. war eines ganz lang, oval, flach, zwei längs-oval, flach, eines kurz-oval, flach, 


eines ein Tetraender mit multiplen Höckern. Das Photogramm der Modelle siehe Taf. VII, Fig 21r. 


Das Volumen der Wachsmodelle betrug: 


rechtes Haupt-Ek. . . . . .. 93084 cm? 
linkes > 22222, 1067-29 cm® 
1. akzessorisches Ek. . . . . . 34'42 cm? 
2. > 37 EN INSURRTAÄNCHL?. 
3 » TR 10 N FR 921 cm2 
4, > STE REN WERE) Em 
5 » a 9 0:74 cm? 

Zusammen. . . 208203 cm?. 


Demnach beträgt das Volumen der Haupt- samt akzessorischen Ek. selbst, auf 100 2 Körpergewicht des Tieres 
berechnet, in Kubikdezimiilimetern ausgedrückt: 1301 27 dnm?, wovon auf die akzessorischen 92°44 dınm? entfallen. 

Histologischer Befund. 

Haupt-Ek. Beide Haupt-Ek., namentlich aber das größere linke, prominieren etwas aus der Schilddrüse und 
heben deutlich den darüber ziehenden langen Halsmuskel empor. An solchen Bildern wird es klar, daß der Muskel in 
vivo bei seiner Kontraktion sich strecken und dabei das sich vorwölbende Ek. wieder in die Schilddrüse hineinpressen 
mußte. So wird es verständlich, warum manchmal, so auch hier, nur jene Schilddrüsenfollikel zu ovalen Formen kom- 
primiert und konzentrisch um das Ek. gelegt sind, welche dem Ek. an seiner tiefsten Partie der versenkten Fläche 
anliegen, welche also dem indirekten Muskeldrucke vor allem ausgesetzt sind, während die dem Ek.'seitlich anliegenden 
Schilddrüsenfollikel keine Kompressionserscheinungen darbieten. Erst wenn die Ek.-Vergrößerung eine maximale wird, 
erreicht die Raumbeschränkung jenen Grad, bei dem der intrathyreoideal gelegene Ek.-Anteil auch die seitlich 
gelegenen Schilddrüsenfollikel komprimiert. 

Hier ist auch die Gelegenheit, die Ursache dafür zu ventilieren, warum das Ek.-Gewebe nahe der freien Ober- 
fläche die rachitische Hyperplasie und Hypertrophie entweder, wie im vorliegenden Falle gar nicht oder erst ganz 
zuletzt durchmacht. Zum Teil dürfte der Grund wohl darin liegen, daß dic Vascularisation' des Ek., wenn auch nicht 
ausschließlich, so doch vorwiegend von seiner versenkten Fläche her erfolgt, also an der freien viclleicht am wenigsten 
gut ernährt ist. Diese mangelhafte Ernährung dürfte aber an der freien Fläche auch noch darin ihren Grund haben, daß 
gerade hier das Ek.-Gewebe ständig dem direkten Muskeldrucke ausgesetzt ist, und zwar um so mehr, je mehr es sich 
zufolge der Vergrößerung des versenkten Anteiles emporzuwölben trachtet. s 

Die Ek.-Kapsel ist so zart wie ein Septum zwischen 2 Schilddrüsenfollikeln. Der großalveoläre Ek.-Anteil über- 
wiegt an Menge bei weitem. Seine Stromasepten sind dick und führen große, zum Teil recht gut gefüllte Gefäße. Die 
stark vergrößerten Alveolen sind mit vermehrten und vergrößerten Epithelzellen erfüllt, deren Kerne oval, größer, 
heller, deren Protoplasma reichlicher, heller ist und keine Zellgrenzen aufweist. Mitosen im Stadium des Muttersterns 
finden sich nur gelegentlich. Die Epithelmasse innerhalb der Alveolen ist von spärlichen, meist kollabierten und darin 
bloß als allerfeinstes Stromasepta mit spärlichen Kernen imponierenden Blutkapillaren durchzogen, die aber keine Zer- 
teilung der Epithelmasse in kleinere Alveolen erzeugen. Nur gegen die kleinalveoläre, an der freien Oberfläche als 
dünne Schicht liegende Partie hin ist diese Zerteilung andeutungsweise zu sehen. Im kleinalveolären Teil ist das Stroma 
relativ reichlich, enthält viele kleine Stromakerne, die Epithelzellen sind gegen die Norm nicht vermehrt, nicht ver- 
größert, vom Aussehen wie in einem normalen Haupt-Ek. Die Alveolarbreite wurde 1. im groß- und 2. im klein- 


alveolären Teil gemessen. 


1. 21 Messungen, 115°9 u Durchschnitt, 160 u Maximum, 640 1. Minimum 
2. 24 > 2331 > 35 1. > 12:54 > x 


Die akzessorischenEk. (Textfig. 13) sind alle gleich gebaut und bieten aufs deutlichste die typische Rachitis- 


veränderung dar. Die Alveolen sind durchschnittlich stark vergrößert, zum Teil größer als im normalen Haupt-Ek (A,). 


Rachitis und Epithelkörperchen. 639 


Die Zellen in Kern und Protoplasma groß, das Stroma für ein akzessorisches Ek. auffallend spärlich und die Kapillaren 
auffallend gut gefüllt. Nur gelegentlich findet man im Zentrum etliche unveränderte, das heißt kleingebliebene Alveolen 
und dann wieder Herde von mehr exzessiver Zellhypertrophie (As), wobei die Zellen nicht nur größer sind als alle 
übrigen ohnehin schon hypertrophischen Zellen des Organes, sondern vor allem auch viel heller und protoplasma- 


reicher. Maße der Alveolarbreite: 17 Messungen, 35°6 u Durchschnitt, 50 y. Maximum, 20 p. Minimum. 


Fig. 13. 


Fall 11. Partie aus einem hyperplastischen und hypertrophischen akzessorischen Epithelkörperchen bei 350facher Vergrößerung. 


Die rechts gelegene Partie gibt uns das Bild, wie es im vorliegenden Falle in den akzessorischen Epithelkörperchen fast ausschließlich 
vertreten ist. Die Alveolen (A,) so stark vergrößert, daß sie größer sind als in einem normalen Hauptepithelkörperchen, die Epithel- 
zellen im Alveolus stark vermehrt, vergrößert, heller, die Stromasepta (,S) relativ sehr gering entwickelt. Links eine Partie exzessiver 


Zellhypertrophie (A,) mit besonders großen, hellen Zellen. C=Kapillaren. S = Stroma. 


* * 
* 

Fall 12. Bei der Obduktion wurden die Ek. als übermittelgroß bezeichnet. Außer den beiden Haupt-Ek. konnten mikroskopisch 
auch noch 2 akzessorische nachgewiesen werden. Die Haupt-Ek. konnten durch 90, beziehungsweise 77 Schnitte ver- 
folgt werden, die akzessorischen durch 22 und 13 Schnitte. Von diesen lag eines in der rechten, eines in der linken 
Thymusspitze. 

Die Form der Haupt-Ek. war, nach den Wachsmodellen beurteilt, die folgende: Das rechte Haupt-Ek. war 
ebenso lang als breit und etwas flach-linsenförmig. Die versenkte Fläche ist grob-wellig, mäßig konvex, die freiliegende 
Fläche ist glatt, gleich stark gewölbt und-nimmt die ganze Breite ein, aber nicht die ganze Länge, so daß ein Pol ver- 
senkt ist. Dafür greift sie am anderen Pol um 1/, auf die versenkte Fläche über, so daß dieser Pol bloßliegt. Das linke 
Haupt-Ek. ist gedrungen oval mit abgerundeten Polen. Die versenkte Fläche grob-wellig, stark konvex, die freie ist 
glatt, flach-konvex und nimmt die ganze Breite und Länge des Ek. ein, greift sogar an einem Pol etwas auf die ver- 
senkte Fläche über. Von den akzessorischen Ek. ist eines kurz-oval, etwas abgeflacht, das andere lang-oval, wenig 
abgeflacht und mit einer tiefen Einschnürung versehen. Das Photogramm der Modelle siehe Taf. VII, Fig. 21 v. 

Das Volumen der Wachsmodelle betrug: 


rechtes Haupt-Ek. . . .. . .1930°18 cm? 
linkes > ENT Are? 
1. akzessorisches Ek. . . . . . 51’41 cm? 


2: » Se 1744 cm? 


Zusammen. . . 8720°17 cn. 


640 


Dr. J. Erdheim, 


Es ergibt sich aus den Zahlen, daß das Gesamtvolumen der Haupt- und akzessorischen Ek. zusammen, auf 


100 8 Körpergewicht des Tieres berechnet, 152466 dınm? beträgt, wovon 28'22 dınm? auf die akzessorischen 
entfallen. 

Histologischer Befund. 

Haupt-Ek. Beide ragen mit einem breiten Anteil aus der Schilddrüse hervor, das rechte mehr als das linke. Das 
Schilddrüsenparenchym wird von den Ek. verdrängt, die Follikel zu konzentrischen Lagen um diese geordnet. Die Ek.- 
Kapsel so dünn, daß das Ek.-Parenchym vom benachbarten Schilddrüsenfollikel nicht weiter entfernt ist als 2 Schild- 
drüsenfollikel voneinander und die Grenze zwischen beiden Organen ist sehr scharf. 

Dem innern Aufbaue nach muß man an den Ek. 2 etwa gleich große, allmählich ineinander übergehende Teile 
unterscheiden, einen großalveolären in der Tiefe und einen kleinalveolären gegen die freie Oberfläche zu. Im ersteren 
die Stromasepta dick, nicht sehr reich an Bindegewebsfibrillen, mit großen, schlecht gefüllten Gefäßen. Die Alveolen 
sehr stark verbreitert, mit vermehrten, vergrößerten Epithelzellen erfüllt, die einen ovalen, vergrößerten hellen Kern mit 
einer deutlichen Chromatinstruktur und ein reichlicheres, helleres Protoplasma ohne Zellgrenzen besitzen. Es finden 
sich Mitosen, meist als Mutterstern, und zwar oft einige in einem Schnitt. Die die großen Epithelmassen durchziehenden, 
äußerst feinen Stromaseptchen, die nachweislich kollabierte Blutkapillaren sind, finden sich in auffallend geringer Zahl, 
sind nicht zu Netzen vereinigt und es ist darum nicht im Entfernten die Rede davon, daß sie die riesige Epithelmasse 
des großen Alveolus in kleine Alveolen zerteilen würden. 

Wenn wir uns aber der freien Ek.-Oberfläche nähern, so werden diese Septchen zahlreicher, etwas dicker, 
beginnen den großen Alveolus in viele kleine zu zerlegen und damit ist der Übergang zum kleinalveolären Teil 
gegeben. In diesem sind die Alveolen nicht größer als im normalen Haupt-Ek., die Zahl der Zellen im Alveolus gering, 
die Zellen nicht vergrößert, mit spärlichem Protoplasma und kleinem, dunkeln Kern, die Stromasepta relativ stark ent- 
wickelt, reich an den typischen, dunklen, spindeligen Stromakernen, die Kapillarfüllung gering. Die Alveolarbreite 


wurde 1. im groß-, 2. im kleinalveolären Teil für sich gemessen: 
il 21 Messungen, 135°5 % Durchschnitt, 288 „Maximum, 800 1 Minimum 
2. 33 » 22 u > 3754 » 12°5 u. » 
Auch die akzessorischen Ek. (Textfig. 14) zeigen in ganz eindeutiger Weise dierachitische Hypertrophie und 


Hyperplasie. Die Alveolen sind im Vergleich mit einem normalen akzessorischen Ek. fast durchwegs vergrößert (A), 


selbst so groß wie in einem normalen Haupt-Ek, Die Zellen (A) vermehrt, vergrößert, ihr Kern und Protoplasma größer 


Fall 12. Akzessorisches Epithelkörperchen, in allen Teilen gleichmäßig hypertrophisch und hyperplastisch. 


Die Alveolen (A) vergrößert, viel größer als im normalen akzessorischen, so groß wie im normalen Hauptepithelkörperchen. Die Zellen 


vergrößert, heller, vermehrt. Das Stroma (S) aber noch kräftig entwickelt, reich an Bindegewebskernen. C = mäßig gut gefüllte 


Kapillaren. 350fache Vergrößerung. 


Sr ae et 


nn nn ” 


Fall 13. 


Rachitis und Epithelkörperchen. 641 


und heller. Die Septa (S) kräftig entwickelt, reich an Stromakernen. Die Kapillaren (C) nur stellenweise gefüllt. Das Ver- 
halten ist in allen Teilen beider akzessorischen Ek. gleich. Breite der Alveolen: 14 Messungen, 19:5 » Durchschnitt, 


25 u Maximum, 12°5 u Minimum. 


Bei der Obduktion erschienen die Ek. nur mittelgroß, aber sie leuchteten weiß aus der roten Schilddrüse heraus. Außer 
beiden Haupt-Ek. fanden sich mikroskopisch auch noch 3 akzessorische, die alle an und in der linken Thymus lagen. 
Die Haupt-Ek. konnten durch 43, beziehungsweise 36 Schnitte verfolgt werden, die akzessorischen durch 7, 7 und 
5 Schnitte. 

Die Form der Ek. war an den Wachsmodellen die folgende: Das rechte Haupt-Ek. war gedrungen-oval, etwas 
flach, die Pole abgerundet. Die versenkte Oberfläche höckerig, stark konvex, die freie war glatt, mit kleinen Vor- 
sprüngen, ganz flach konvex und nahm die ganze Breite, aber nur 3/, der Länge ein, so daß ein Pol versenkt war. Das 
linke Haupt-Ek. war längs-oval, mit abgerundeten Polen, so dick als breit. Die versenkte Fläche war leicht wellig, stark 
konvex, die freie glatt, wenig konvex und nahm die ganze Breite und nur 3/, der Länge des Ek. ein, so daß beide Pole 
versenkt waren. Von den akzessorischen Ek. waren 2 längs-oval, und zwar mit kreisrundem, beziehungsweise abge- 


flachtem Querschnitt, eines flach, dreieckig. Das Photogramm der Modelle siehe Taf. VII, Fig. 211. 


Das Volumen der Wachsmodelle betrug: 


rechtes Haupt-Ek. . .22..22298.03cm2 


linkes » SE ZA TAECHRE 
1. akzessorisches Ek. . TB SDLcHL2 
2 » » ee 2 BCM 


3. » » aa OR ATICHME. 
Zusammen . . . 550°58 cm3. 


Aus diesen Zahlen läßt sich das wahre Volumen der Haupt- samt akzessorischen Ek. berechnen. Es beträgt, auf 
100 g Körpergewicht des Tieres bezogen und in Kubikdezimillimetern ausgedrückt, 38502 dmm?, wovon auf die 
akzessorischen 453 dmm? entfallen. 

Histologischer Befund. 

Haupt-Ek. (Taf. VII, Fig. 3). Beide Ek. (ek) liegen regulär in der Schilddrüse (D) und weder zeigt letztere Kom- 
pressionserscheinungen, noch wölben sich die Ek. an der Oberfläche vor(Fig.3). Indersehr zarten Kapsel des versenkten 
Teiles liegen viele große Gefäße, die von da aus insEk. eintreten. Der inneren Struktur nach lassen sich im Ek. zwei Teile 
unterscheiden, von denen der freiliegende, kleinalveoläre etwa 1/, (Fig. 3 kl), der versenkte großalveoläre (Fig. 38 r) 2/3 
des Organes ausmacht. Im letzteren Teile sind die Alveolen vergrößert, doch ist dies nur in mäßigem Grade der Fall. 
Die Septa sind zarter, zellärmer, gefäßreicher als normal, aber rote Bindegewebsfibrillen liegen nicht in nennenswerter 
Menge vor. Die Epithelzellen in den Alveolen sind vermehrt, vergrößert, haben einen großen, ovalen, hellen Kern mit 
wenig sichtbarer Chromatinstruktur, ein reichliches, gut eosinrotes Protoplasma, das dem ganzen großalveolären Teil 
ein dunkles Kolorit verleiht (Fig. 3, gr). Mitosen sind nachweisbar, aber spärlich, lange nicht in jedem Schnitt, und zwar 
als Mutter-, seltener als Tochtersterne. Die die Epithelmasse durchziehenden Kapillaren sind zum Teil gefüllt und 
bald spärlich, bald aber so zahlreich, daß sie ein Netz bilden und den großen Alveolus in kleinere zerteilen. Wie in 
vielen anderen Fällen sieht man hier besonders schön, daß die Blutgefäße der Schilddrüse eine sehr gute, die des Ek. im 
allgemeinen eine sehr schlechte Füllung zeigen. Im kleinalveolären Teile (Fig. 3kl) sind die Alveolen durchschnittlich 
sogar etwas kleiner als durchschnittlich in einem normalen Haupt-Ek. Die Septa sind dick, reich an Stromakernen, die 
Epithelzellen im Alveolus nicht vermehrt, nicht vergrößert, der Kern zeigt keine deutliche Chromatinstruktur; das mäßig 
reichliche Protoplasma ist so licht wie im normalen Ek. und verleiht der kleinalveolären Partie in toto einen lichten 


Farbenton (Fig. 3 kl). Die Breite der Alveolen wurde 1. im groß- und 2. im kleinalveolären Teil für sich gemessen. 


1. 19 Messungen, 71 Durchschnitt, 96 x Maximum, 32 p Minimum 
2. 37 » 21 u > 40 y. Sn 10 u » 


Die akzessorischen Ek. sind alle gleich gebaut. Die Alveolen fast so klein wie in einem normalen akzessorischen 
Ek., selten etwas größer. Die Zahl der Zellen in der Alveole ist in der Regel nicht vermehrt, oft darin nur eine einzige 


Zelle, selten viele. Die Zellen sind nicht vergrößert, haben einen ovalen, hellen, strukturlosen Kern und ein ganz helles 


[o>} 


Fall 14. 


Dr. J. Erdheim, 


Protoplasma. Die Septa relativ reichlich und breit, reich an Stromazellen, die Kapillaren fast gar nicht gefüllt. Die 


Alveolarbreite ist nach 15 Messungen durchschnittlich 19°5 p. groß, 30 p. maximal, 10 u minimal. 


x 


Das Ek. wurde bei der Obduktion rechts als mäßig, links als stärker vergrößert bezeichnet. Histologisch fanden Sch 
außer den beiden Haupt-Ek. auch noch 7 akzessorische, von denen 4 in der rechten, 3 in der linken Thymus lagen. Die 
Haupt-Ek. konnten durch 59, beziehungsweise 43 Schnitte verfolgt werden, die akzessorischen durch 9, 8, 6, 6, 4, 4, 4 
Schnitte. 

Die Form der Wachsmodelle war die folgende: Das rechte Haupt-Ek. ist so breit als lang, flach, die versenkte 
Fläche glatt, stark konvex, die freie glatt, fast ganz flach und nimmt die ganze Breite, aber nur 2/3 der Länge ein, so 
daß ein Pol versenkt ist. Das linke Haupt-Ek. ist längs-oval, flach, mit einem abgerundeten und einem leicht zuge- 
spitzten Pol. Die versenkte Fläche ist glatt, ganz flach, die freie glatte aber stark konvexe, mit einer seichten Ein- 
schnürung versehene, nimmt die ganze Länge und Breite ein und greift an beiden Kanten um je 1/, der Breite auf die 
versenkte Fläche über. Es liegt somit das Ek. zum größten Teil außerhalb der Schilddrüse. Bloß mit 1/, der Oberfläche 
steht es mit der Schilddrüse in Kontakt und zwar an einer ganz flachen Vertiefung der letzteren. Von den akzes- 
sorischen Ek. waren 5 längs-oval, eines platt-kugelig, eines ein unregelmäßiger Tetraeder. Das Photogramm der Modelle 
siehe Taf. VII, Fig. 21g. 


Das Volumen der Modelle betrug: 


rechtes Haupt-Ek. . . . . . . 600°29 cm? 
linkes » DE LSASLMOLCHE 
1. akzessorisches Ek.. . . . 4:28 cm? 
2 > » 3:05 cm? 
3 » > - 2:24 cm? 
4. » a ae N DE MEM®: 
5. » > 1:41 cm® 
6. » > 1°37 cm? 
Ze » » 0:80 cm? 


Zusammen „ . .1443:60 cm?. 


Es ergibt die Berechnung, daß das Volumen der Haupt- samt akzessorischen Ek., auf 100 g Körpergewicht des 
Tieres bezogen, 84421 dmm? beträgt, wovon auf die akzessorischen 8:86 dmm? entfallen. 

Histologischer Befund. 

Haupt-Ek. Die Fig. 4 (Taf. VIII) zeigt die reguläre Lage des Ek.(ek) in der Schilddrüse, wie es vom Muskel (M) 
gedeckt ist, eigentlich gar nicht über die Schilddrüsenoberfläche prominiert und die Schilddrüsenfoilikel entlang der 
tiefsten Partie zwar deutlich, aber doch nur in mäßigem Grade komprimiert. Die Kapsel ist äußerst zart und führt im 
versenkten Teil große Gefäße. 

Die Ek. zeigen deutlich, wenn auch nicht maximal, die Erscheinungen rachitischer Hypertrophie und Hyper- 
plasie. Die Alveolen sind mäßig stark vergrößert (Fig. 4gr), die Stromasepta zart, wiewohl große Gefäße führend. 
Die Alveolen sind mit vermehrten und vergrößerten Zellen angefüllt, die einen großen, ovalen, lichten Kern mit 
deutlicher Chromatinstruktur haben und ein sehr deutliches, aber nicht dunkeleosinrotes Protoplasma ohne scharfe 
Zellgrenzen. Mitosen sind zahlreich, aber nicht in jedem Schnitt enthalten, dafür in manchen. mehrere, meist als 
Muttersterne. Die Epithelmasse in den Alveolen ist von einer sehr geringen Zahl von Stromakernen durchzogen, 
denen aber ein reichliches Kapillarnetz entspricht. 

Nahe der freiliegenden Fläche des Ek. liegen in geringer Schicht kleinere Alveolen (Fig. 4 kl), deren Zellen ein 
helleres Protoplasma besitzen, während die Stromasepta durch einen größeren Reichtum an Bindegewebskernen besser 
hervortreten. Die Breite der Alveolen beträgt nach 35 Messungen 1091 p. im Durchschnitt, 160 u im Maximum, 48 u. im 
Minimum. 

Von den akzessorischen Ek. (Textfig. lö)istnur eines in seiner histologischen Struktur unverändert, das heißt 
die Alveolen sind sehr klein, enthalten einige wenige, häufig nur eine Epithelzelle, diese sind nicht vergrößert, haben 
einen strukturlosen Kern und ein ganz helles Protoplasma, während das Stroma in breiten Zügen vorliegt und reich ist 


an Bindegewebskernen. Alle anderen akzessorischen Ek. zeigen schon das volle Bild rachitischer Hypertrophie und 


u 


A 
; 


Rachitis und Epithelkörperchen. 643 


Hyperplasie. In Fig. 15 ist ein ganzes solches akzessorisches Ek. abgebildet, und obzwar es noch klein ist, ist seine 
Veränderung voll ausgebildet. Die Alveolen sind mit wenigen Ausnahmen (A,) vergrößert (As) und enthalten vermehrte 
und vergrößerte Zellen, deren Kerne größer, heller sind und eine Chromatinstruktur aufweisen und deren Protoplasma 


reichlicher und besser gefärbt ist. Das Stroma (S) ist in den meisten akzessorischen Ek. viel dünner und ärmer an 


Fig. 15. 


Fall 14. Totalansicht eines kleinen akzessorischen Epithelkörperchens bei 350facher Vergrößerung. 


Die Alveolen sind nur zum geringen Teil noch klein (A,), zum größten Teil aber stark vergrößert (As), die Epithelzellen darin stark 


vergrößert, die Kerne groß, oval, licht, mit Chromatinstruktur, das Protoplasma vermehrt und etwas dunkler als normal. C = Kapillaren. 


2115. 


S == Stroma. 


Stromakernen als im abgebildeten. Die meisten Kapillaren (C) leer. Die Alveolarbreite wurde 1. an den unveränderten, 


2. an einem der hyperplastischen akzessorischen Ek. gemessen: 


1. 20 Messungen, 15°0 u Durchschnitt, 20 x Maximum, 12°5 1. Minimum 
2.14 > 232 1 > 35 u » 10:0 » 


* * 


Bei der Obduktion leuchteten beide Ek. weiß aus der roten Schilddrüse hervor, das linke war gewaltig vergtößert, 
während das rechte bloß übermittelgroß zu sein schien. Mikroskopisch fanden sich außer den 2 Haupt-Ek. auch noch 
8 akzessorische. Die Haupt-Ek. konnten in der Serie durch 75, beziehungsweise 74 Schnitte verfolgt werden, die akzes- 
sorischen, von denen 4 rechts, 4 links in und an der Thymus lagen, wurden durch 16, 14, 12, 11, 11, 10, 7 und 3 
Schnitte verfolgt. 

Die Form der Ek. war nach den Wachsmodellen die folgende: Das rechte Haupt-Ek. war gedrungen-oval, ein 
wenig flach, die Pole abgerundet, eine Kante etwas zugeschärft, die andere ganz abgestutzt. Die versenkte Fläche ist 
glatt, stark konvex, die freie ist glatt, sehr flach-konvex, nimmt die ganze Länge und Breite des Ek. ein und greift an 
der abgestutzten Kante etwas auf die versenkte Fläche über. An der Grenze beider Flächen liegt eine seichte Furche 
das Zeichen eines allerdings nicht starken Vorquellens des Ek. aus der Schilddrüse. \ 

Das linke Haupt-Ek. längs-oval, flach, mit abgerundeten Polen. Die versenkte Fläche ist grob-höckerig, mit einem 
besonders großen und langen Auswuchs und mäßig konvex, die freie Fläche ist glatt, ganz flach-konvex, nimmt die 


ganze Länge und Breite des Organes ein, überschreitet die eine Kante wenig, die andere um die halbe Breite und ebenso 


Denkschriften der mathem.-naturw. Kl. XC. Bd. 87 


644 


Dr. J. Erdheim, 


greift sie an einem Pol um die halbe Länge auf die andere Seite über. Es liegt also das Organ mit 3/, seiner Oberfläche 
ganz frei zu Tage und mit dem Rest der Oberfläche ist es nicht etwa in die Schilddrüse versenkt, sondern steht nur 
ganz oberflächlich, Fläche an Fläche, in contakt mit ihr. 

Dieses Verhalten ist aus folgendem Grunde von Interesse: Bei der Obduktion wird das linke Ek. als gewaltig 
vergrößert, das rechte als nur übermittelgroß bezeichnet. Die Volumbestimmung aber ergab später nur eine geringe 
Größendifferenz zwischen beiden, und zwar überraschenderweise zugunsten des rechten Ek., das bei der Obduktion 
also für wesentlich kleiner gehalten worden war. Diese irrtümliche Angabe im Obduktionsbefund klärt sich aber durch 
die Untersuchung der Ek.-Form und der Lagebeziehung der Ek. zur Schilddrüse dahin auf, daß das für so bedeutend 
größer gehaltene linke Ek. bloß fast ganz außerhalb der Schilddrüse lag, während das andere zum größten Teil in die 
Schilddrüse versenkt war. Es folgt also daraus, daß der makroskopische Befund bezüglich der Ek.-Größe keineswegs 
ganz verläßlich ist. 

Von den 8 akzessorischen Ek. waren 5 von gedrungen ovaler, flacher Gestalt, 2 waren lang-oval, platt, eines 


ganz lang-oval, von dreieckigem Querschnitt. Die Photogramme der Modelle siehe Taf. VII, Fig. 21#. 


Das Volumen der Modelle betrug: 


rechtes Haupt-Ek. . . . . . „154463 cm? 
linkes » ee LATS AA CME 
1. akzessorisches Ek. . . .. . 7:92 cm? 
2% » NR A 6:03 cm? 
3. „> SSR 4:98 cm? 
4. » Be 4:82 cm? 
5. » » 4:58 cm! 
6. » » 410 cm? 
ie » » 3:13 cm? 
8. > We leo 0-29 cm? 

Zusammen . . .2996°92 cm®. 


Rechnet man aus diesen Zahlen die Größe der Ek. selbst heraus, und zwar der Haupt- samt akzessorischen, auf 
100 g Körpergewicht des Tieres bezogen, und in Kubikdezimillimetern ausgedrückt, so bekommt man die Zahl 


1933-5 dmm?, wovon auf die akzessorischen allein 23-13 dmm? entfallen. 


Histologischer Befund (Taf. VII, Fig. 5, Textfig. 16). 


Haupt-Ek. Das linke Haupt-Ek. steht nur in losem Kontakt mit der Schilddrüse, da es der Hauptsache 
nach außerhalb derselben liegt und nur mit einem kleinen Teil der Oberfläche in eine seichte Vertiefung des 
unteren Schilddrüsenpoles gebettet ist. Diese Lage ist natürlich nicht erst durch die rachitische Hypertrophie er- 
worben, sondern präexistierend, kongenital. Trotz dieses losen Zusammenhanges zeigt die Schilddrüse an der 
Berührungsstelle Kompressionserscheinungen mäßigen Grades, nämlich bis in eine gewisse Tiefe hinein eine ovale 
Form der nächstgelegenen Schilddrüsenfollikel und Unterbrechung des oberflächlichen Lagers der großen Schild- 
drüsenfollikel. 

Das rechte Haupt-Ek. liegt regulär (Fig. 5), wird stellenweise durch den Muskeldruck im Schilddrüsenniveau 
gehalten, stellenweise wölbt es sich flach aus der Schilddrüse hervor (Fig. 5 bei kl). Umso stärker sind die Kom- 
pressionserscheinungen, die sogar bis zum scheinbaren oder wirklichen Verlust des Lumens der oval-kom- 
primierten Follikel führt (Fig. 55). Dieser Einfiuß macht sich sehr tief, in manchen Schnitten durch dieganze Schild- 
drüsendicke bis zu ihrer dem Larynx anliegenden Fläche geltend. Beachtenswert ist ferner noch der Umstand, daß 
die Kompressionserscheinungen in der Tiefe, bei b, viel höhergradig sind als zu beiden Seiten, bei d. Das ist darum 
leicht zu verstehen, weil die durch den Muskeldruck bedingte Verhinderung des Ek, aus der Schilddrüse heraus- 
zuwachsen, dazu führt, daß die gesamte Dickenzunahme des Ek. sich bei der Schilddrüsenkompression in der Tiefe 
(bei b) geltend machen muß, während die durch die Breiten- und Längenzunahme erzeugte Kompression bei d sich 
auf beide Seiten gleichmäßig verteilt. 

Der Bau der Haupt-Ek. ist durchwegs großalveolär, wenn auch die. Alveolen nahe der freien Oberfläche 
(kl) kleiner sind als alle übrigen (gr). Nirgends mehr haben die Alveolen normale Größe. Die Septa (Fig. 16 C,) sind 
zwar nicht stromareich, führen aber große, meißt recht gut gefüllte Blutgefäße (C in Fig. 5, 16). Die Zalıl der Zellen in 


Rachitis und Epithelkörperchen. 645 


der Alveole ist stark vergrößert, die Zellen hypertrophisch, ihr Kern oval, hell, vergrößert, mit schöner, deutlicher 
Chromatinstruktur und deutlichem Nucleolus (Fig. 16); ihr Protoplasma reichlich, ohne Zellgrenzen (Fig. 16), hell 
aber deutlich eosinrot gefärbt. Mitosen (Fig. 16 x) finden sich recht oft, sogar mehrere in einem Schnitt, meist als 
Muttersterne, hie und da auch ein Tochterstern. Die die kompakte Epithelmasse durchziehenden Kapillaren (Fig. 16 C,) 
sind in manchen Alveolen sehr zahlreich, vielfach klaffend (Fig. 16), zum Teil kollabiert (Fig. 16%), aber nirgends 
Netze bildend oder die Epithelmasse in kleine Alveolen zerteilend. Die Breite der Alveolen: 39 Messungen, 126 p. 


Durchschnitt, 288 Maximum, 48 » Minimum. 


Die Alveolen der akzessorischen Epithelkörperchen sind gegen die eines normalen akzessorischen 


ER. vergrößert, so groß, wie in einem normalen Haupt-Ek. Die Zahl der Zellen im Alveolus ist stark vermehrt, 


Fall 15. Detail der Stelle G in Fig. 5, Taf. VIII, bei 350facher Vergrößerung. 


G = großes Blutgefäß im großen, C, kleineres im kleinen Septum. Die Masse der hypertrophischen Epithelzellen von vielen klaffenden 


Fall 16. 


(C,) und kollabierten (X) Kapillaren durchzogen. m — 2 Mitosen. 


stellenweise größer als in einem normalen Haupt-Ek. Die Zellen selbst vergrößert, der Kern groß, oval, hell, mit 
wenig Chromatinstruktur, das Protoplasma besonders reichlich, gut eosinrot, ohne Zellgrenzen, die Stromasepta 
relativ dick, mit deutlich fibrillärem Bindegewebe, mit .zahlreichen, mäßig gut gefüllten Kapillaren. Die Alveolar- 


breite: 16 Messungen, 27°7 u Durchschnitt, 45 u Maximum, 12 5 u Minimum. 


Bei der Obduktion erschienen beide Ek. stark vergrößert, das linke lag an der gewöhnlichen Stelle, das rechte 
hinten am Pharynx. Die mikroskopische Untersuchung ergab, daß beide Haupt-Ek. außerhalb der Schilddrüse lagen 
und außer ihnen noch 14 akzessorische nachweisbar waren. Von diesen lagen 8 in der Thymus, 3 rechts, 5 links 
und 6 neben und unterhalb der Schilddrüse, je 3 aufjeder Seite. Unter den in der Nähe der Schilddrüse gelegenen 
waren 3 ganz ungewöhnlich groß, ja sogar größer als es normaliter selbst Haupt-Ek zu sein pflegen und 2 von 
ihnen waren überdies von ganz bizarrer Gestalt (s. Photogramm, Tafel VII, Fig 21s). Die ganz ungewöhnlich große Zahl 
der akzessorischen Ek., ihre zum Zeil ungeheure Größe und ungewöhnliche Form, die Lage beider Haupt-Ek. 
außerhalb der Schilddrüse sind uns ein Fingerzeig dafür, daß es sich um einen präexistierenden, kongenitalen 
Zustand, eine Zersprengung des ganzen Ek.-Apparates handle. Daß aber die Rachitis noch überdies zur Vergrößerung 
dieser Sprengstücke so gut wie zu der der Haupt-Ek. geführt hat, wird uns die histologische Untersuchung lehren. 
Die Haupt-Ek. waren durch 50, beziehungsweise 48 Schnitte zu verfolgen, die akzessorischen durch 54, 34, 32, 19, 
15, 10, 8, 7, 7, 6, 6, 6, 3 und 2 Schnitte. 


646 


Dr. J. Erdheim, 


Die Form der Ek. war nach den Wachsmodellen die folgende: Beide Haupt-Ek. waren längs-oval, mit 
abgerundeten Polen, flach, die Oberfläche war beim rechten leicht wellig, beim linken glatt, beide hatten eine leichte 
Einschnürung, das rechte überdies einen großen, pilzförmigen Auswuchs. An keiner Stelle der Oberfläche bestand 
ein Kontakt mit der Schilddrüse. Von den 14 akzessorischen Ek. waren 8 lang-oval und mehr oder weniger flach, 
zwei kurz-oval und flach, eines hatte die Form einer abgeflachten Kugel, eines war ein Tetraeder und 2 waren von 
höchst unregelmäßiger Gestalt, das eine hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Schwan (Taf. VIII, Fig. 7), das 


andere mit einer kunzen Pfeife, deren Kopf eingeschnürt ist. Das Photogramm der Modelle Taf. VII, Fig. 21s. 


Das Volumen der Wachsmodelle betrug: 


rechtes Haupt-Ek. . . . . . .1406°47 cm? 
linkes , >» ee ee 
1. akzessorisches Ek. . . . . 30737 cm? 
2. >» » a ee 
3. > » ae 
4. > » ner 25498. 
9. > » 312 Arc: 
6. > » 9:49 cm? 
7% > > 9:75 cm? 
8. > > 901 cm? 
Oo » » 4:81 cm? 
10. > > 2:65 cm? 
10 >» » 1'88 cm? 
12. > » 141 cm? 
13. > > 0:68 cm? 
14. > > 0:23 cm? 


Zusammen . . . 3122°41 cm?. 


Berechnet man daraus das Volumen der Haupt- und akzessorischen Ek. selbst, auf 100g Körpergewicht 
des Tieres bezogen, so erhält man die Zahl 150841 dmm?, wovon auf die akzessorischen 361 26 dmm? entfallen. 
Diese letzte Zahl ist wegen der beträchtlichen Größe und Zahl der akzessorischen Ek. ganz ungewöhnlich groß, in 


einem Falle kongenitaler Zersprengung des ganzen Ek.-Apparates aber leicht verständlich. 


Histologischer Befund. 


Haupt-Ek. Die zarte Kapsel wird nicht, wie bei normalem Ek.-Situs, auf lange Strecken von den großen 
Gefäßen durchzogen, sondern diese durchbohren die Kapsel bald nachdem sie sie erreicht haben und ziehen sofort 
in das Parenchym hinein. 

Das Ek.-Gewebe ist im allgemeinen durch sehr deutlich, wenn auch nicht maximal vergrößerte Alveolen 
und eine relative Stromaarmut ausgezeichnet, doch muß das Zentrum und die Peripherie für sich besprochen 
werden. Im Zentrum sind die Alveolen stark vergrößert, die Stromasepta dicker, reich an roten Fibrillen und 
großen, mäßig gefüllten Gefäßen. In den Alveolen die Epithelzellen stark vermehrt, aber fast nicht vergrößert, mit 
mittelgroßem, hellem, ovalem Kern, der einen Nucleolus und ein spärliches Chromatinnetz besitzt und ein relativ 
spärliches Protoplasma, das entschieden dunkler rot ist als normal, wenn auch nicht sehr dunkelrot. Die Epithel- 
masse ist von sehr reichlichen, kollabierten Blutkapillaren durchzogen, die ein Netz bilden und die große Epithel- 
masse in viele kleine Inseln zerteilen. Nur manchmal ist die Zahl der Kapillaren zu gering, um eine solche Zer- 
teilung zu bewerkstelligen. 

In der Peripherie sind die Stromasepta viel reicher an Bindegewebskernen, die Alveolen, wenn auch noch 
immer pathologisch groß, so doch kleiner als im Zentrum, das Protoplasma der Epithelzellen reichlicher als nor- 
mal, aber ganz hell und die sekundäre Durchwachsung der Epithelmassen durch Kapillarnetze ganz gering. 

Mitosen konnten in den Ek. nirgends nachgewiesen werden. Die Alveolarbreite betrug nach 35 Messungen 


86°4 u. im Durchschnitt, 144 1. maximal, 64 . minimal. 


Bei den akzessorischen Ek. müssen wir zwischen den gewöhnlichen, in der Thymus liegenden, und 


den ungemein großen, in der Nähe der Schilddrüse gelegenen unterscheiden. Dieser Unterschied läßt sich an der 


Hand der histologischen Struktur aufs beste durchführen. 


Ball iz 


Rachitis und Epithelkörperchen. ‚647 


Die großen akzessorischen Ek. erinnern in ihrer Struktur mehr an die Haupt-Ek. Die Alveolen sind (Taf. VIII, 
Fig. 7 gr) in ansehnlichem Grade vergrößert, die Stromasepta enthalten reichlich Bindegewebsfibrillen und größere 
Gefäße, die Epithelzellen in den Alveolen sind vermehrt, vergrößert, der Kern groß, oval, hell, mit Nucleolus, aber 
ohne Chromatinstruktur, das Protoplasma aber ganz licht, wenn auch nicht wasserhell. Die Epithelmasse ist schon 
von vielen kollabierten Kapillarnetzen durchzogen (Fig. 7a) und in kleine, selbst zweireihige Zellhäufchen zerlegt, so 
daß stellenweise das Bild eines normalen Haupt-Ek. entsteht (Fig. 7kl). — In den kleinen akzessorischen Ek, sind 
die Erscheinungen der Hyperplasie geringer. Aber selbst hier sind die Alveolen im Vergleich mit einem normalen 
akzessorischen Ek. vergrößert, die Epithelzellen in ihnen vermehrt, mit einem ovalen, hellen, großen Kern und 
Nucleolus und einem ganz lichten Protoplasma. Die Stromasepta enthalten keine sichtbaren Fibrillen und mäßig 
viele Stromakerne. — Die Alveolarbreite wurde 1. in einem großen, 2. in einem kleinen akzessorischen Ek. für 


sich gemessen. 
1. 37 Messungen, 73°9 p. Durchschnitt, 1440 1. Maximum, 32 p. Minimum 


2. 21 » 238 u » 425 u >» 15 p. » 


= * * 
* 


Bei der Obduktion wurde das rechte Ek. als übermittelgroß, das linke als sehr stark vergrößert bezeichnet, Sie 
waren beide hell und leuchteten aus der dunklen Schilddrüse heraus. In der Schnittserie fanden sich außer den 
beiden Haupt-Ek. auch noch 7 akzessorische, die alle in oder an der Thymus lagen, 5 rechts, 2 links. Die Haupt- 
Ek. liefen durch 80, beziehungsweise 68 Schnitte, die akzessorischen durch 11, 11, 10, 9, 9, 8 und 6 Schnitte. 

An den Wachsmodellen haben die Ek. folgende Form: Das rechte Haupt-Ek. ist von leicht unregelmäßig 
kugeliger Gestalt, die versenkte Oberfläche flach höckerig, die freie glatt, beide fast gleich stark konvex. Die freie 
Oberfläche nimmt nicht die ganze Länge und Breite ein, so daß eine Kante und ein Pol versenkt sind. Das linke 
Haupt-Ek. flach- oval, mit einem abgerundeten und einem leicht zugespitzten Pol, die versenkte Oberfläche glatt, 
mit zwei seichten Furchen und sehr stark konvex. Die freie Fläche ist glatt, lach-konvex und nimmt die ganze 
Länge und Breite des Ek. ein, greift an einer Kante und am abgerundeten Pole um !/, auf die versenkte Fläche 
über, so daß eine Kante und ein Pol stark aus der Schilddrüse herausragen. Von den akzessorischen Ek. waren 
4 flach-oval, 2 flach und kurz-oval und eines längs-oval, flach, mit einem abgerundeten und einem zugespitzten 
Pol. Die Photogramme der Modelle siehe Taf. VII, Fig. 21 u. 

Die Berechnung aus diesen am Modell gewonnenen Zahlen ergibt, daß das Volumen der Haupt- samt akzessori- 
schen Epithelkörperchen selbst, auf 100 g Körpergewicht des Tieres bezogen, 1566°23 dmm? beträgt. Davon entfallen 
auf die akzessorischen Ek. 27:08 dmm?. 


Das Volumen der Modelle betrug: 


rechtes Haupt-Ek. . . .. . „115454 cm? 
linkes > 95m? 
1. akzessorisches Ek. . . . .. 15'94cm3 
28 » » ET She 11°96 cm? 
3. » DOLLS ITCHM> 
4, » SIERT, RR 590 cm? R 
9. » » 9:62 cm? 
6. » >an. Anaedrim 2..93.cm3 
7, » » 196 cm? 
Zusammen . . . 3163°79 cm?. 


Die Berechnung aus diesen am Modell gewonnenen Zahlen ergibt, daß das Volumen der Haupt- und akzessori- 
schen Ek. selbst auf 100g Körpergewicht des Tieres bezogen, 1566'23 dmm® beträgt. Davon entfallen auf die 
akzessorischen Ek. 2708 dnm?. 


Histologischer Befund. 


Haupt-Ek. Beide wölben sich aus der Schilddrüse vor, das rechte mit einer einfach konvexen Fläche, 
wobei es aber der Hauptmasse nach in der Schilddrüse steckt. Das linke hingegen ragt mit einem sehr großen 
Anteil seines Körpers aus der Schilddrüse heraus. Beiderseits sind die Schilddrüsenfollikel entlang der ganzen 
Kontaktfläche mit den Ek. bis zu einer gewissen Tiefe plattgedrückt, stellenweise sogar bis zum Verschwinden des 
Lumens. Die äußerst zarte Ek.-Kapsel grenzt beide Gewebe scharf voneinander ab. 

Der Bau der Haupt-Ek. ist mehr kompakt als alveolär, das heißt Stromasepta durchziehen das Organ, ohne dessen 


Parenchym überall in Alveolen zu zerteilen. Wenn wir den Abstand dieser Stromasepta als Alveolarbreite auffassen, 


648 


Erall 18. 


Dr. J. Erdheim, 


so ist diese enorm vergrößert. Die Stromasepta sind dick, enthalten rote Bindegewebsfibrillen und noch mehr auf- 
fallende Stromakerne und große, aber mäßig gefüllte Blutgefäße. Die die Alveolen erfüllenden Epithelzellen sind an 
Zahl enorm vermehrt, vergrößert, mit größerem, hellerem, aber noch immer ovalem Kern, mit deutlicher Chromatin- 
struktur und reichlichem, hell gefärbtem Protoplasma ohne scharfe Zellgrenzen. Mitosen in allen möglichen Stadien 
sind sehr reichlich, sie fehlen in keinem Schnitt, zuweilen sind ihrer 4 bis 5 in einem Gesichtsfeld bei starker 
Vergrößerung zu sehen. Die kompakte Epithelmasse wird von allerfeinsten roten Stromaseptchen mit vereinzelten 
Stromakernen durchzogen und hie und da in denselben liegende rote Blutkörperchen zeigen, daß es sich um kolla- 
bierte Blutkapillaren handle, die hier die riesenhaften, kompakten Epithelmassen durchziehen, ohne sie in kleine 
Alveolen zu zerteilen. 

So gebaut ist der größte Teil der Haupt-Ek. Eine dünne Schicht an der freien Ek.-Oberfläche aber besteht 
aus kleinen, runden Alveolen, die durch relativ breite Septa getrennt sind und spärliche kleine Epithelzellen ent- 
halten, in denen Mitosen nicht fehlen, wenn sie auch spärlich sind. — Die Breite der Alveolen wurde gemessen: 
1. in der breitbalkigen, 2. in der schmalbalkigen Partie: 

1. 22 Messungen, 1520 y. Durchschnitt, 3200 1 Maximum, 80'0 u Minimum 
2.02 


[o>) 


» 19-2 u > 370». » 12:5 u » 


Die akzessorischen Ek. bieten zum Teil das Bild voll ausgebildeter, zum Teil in Entwicklung begriffener 
Hyperplasie und Hypertrophie. Die ersteren zeigen deutlich vergrößerte Alveolen, die mit vermehrten und ver- 
größerten Epithelzellen erfüllt und durch verschmälerte Septa voneinander getrennt sind. Die letzteren bestehen zum 
Teil aus kleinen Alveolen, mit spärlichen kleinen Zellen und breiten Stromasepten mit zahlreichen Stromazellen, 
während einzelne Alveolen schon ausgesprochen vergrößert sind und vermehrte, vergrößerte Epithelzellen mit ver- 
größertem, hellerem Kern und Protoplasma enthalten. Auch in den akzessorischen Ek. wurden Mitosen nachgewiesen, 


aber lange nicht so zahlreich wie in den Haupt-Ek. Die Alveolarbreite wurde an 2 Ek. gemessen: 


{. 12 Messungen, 24°4 y. Durchschnitt, 37°5 p Maximum, 12°5 p. Minimum 
2. 18 » 2130 » 375 M » 120% » 


* * 
+ 


Bei der Sektion waren die Ek. monströs groß und leuchteten weiß aus der Schilddrüse hervor. ° Außer den beiden 
Haupt-Ek. konnten in der Schnittserie noch 3 akzessorische aufgefunden werden, die alle in der Thymus lagen, 
eines links, zwei rechts. Beide Haupt-Ek. waren durch je 86 Schnitte zu verfolgen, die akzessorischen durch 17, 
12 und 7 Schnitte. 

Die Form der Wachsmodelle war die folgende: Das rechte Haupt-Ek. längs-oval, etwas flach, die Pole 
abgerundet. Die versenkte Fläche groß-wellig, stark konvex. Die freie ist ebenfalls groß-wellig, etwas weniger 
konvex, nimmt die ganze Länge und Breite des Ek. ein und greift an beiden Kanten etwas, an einem Polun ein 
Viertel auf die versenkte Fläche über. Das linke Haupt-Ek. längs-oval, etwas flach, die Pole abgerundet, eine Kante 
flach, die andere stark konvex; beide Flächen wenig uneben, die versenkte ist stark konvex, die freie, weniger 
konvexe nimmt die ganze Länge und Breite des Organes ein und greift der Länge und Breite nach um ein Fünftel 
auf die versenkte Fläche, so daß ein Pol und eine Kante bloßliegen. Gerade an diesem Pol und an dieser Kante 
liegt zwischen beiden Flächen eine Schnürfurche, die beim Hervorquellen des Ek. aus der Schilddrüse entstanden 
sein muß. Die akzessorischen Ek. waren längs-oval, zwei davon flach, eines mit kreisrundem Querschnitt. — Die 


Photogramme der Modelle siehe Taf. VII, Fig. 21x. 


Das Volumen der Wachsmodelle betrug: 


rechtes Haupt-Ek. . . . . . .2838°32 cm? 
linkes » 1930 Bm 
1. akzessorisches Ek. . . . . . .95'06cm? 
2 » DEE 2 ZBEBBLCHLT 
3. > REN. 4:54 cm? 


Zusammen . . . 5719°33 cm?3. 


Daraus ergrbt sich als das Volumen der Haupt- und akzessorischen Ek. selbst, auf 100 g Körpergewicht 
des Tieres bezogen, 3195°16 dmm?, wovon auf die akzessorischen 4636 dmm? entfallen. Die relative Größe des 


gesamten Ek.-Apparates ist in diesem Falle die größte in unserem ganzen Material. 


Fall 19. 


Rachitis und Epithelkörperchen. 649 


Histologischer Befund. 


Haupt-Ek. Beide Ek. sind so groß, daß sie in manchem Schnittbild das Schilddrüsengewebe an Menge 
übertreffen. Sie sind beide in die oberen Schilddrüsenpole so eingepaßt, daß sie mit dem größeren Teil ihrer Ober- 
fläche aus der Schilddrüse herausragen, ein Zustand, der als präexistend, kongenital angesehen werden muß, durch 
die Ek.-Vergrößerung höchstens etwas verstärkt. Die Kompressionserscheinungen der Schilddrüse sind, wiewohl 
dies die größten Ek. der ganzen Versuchsreihe sind, gering. Die Ursache dafür ist die schon kongenital vor- 
handene, zum größeren Teil extrathyreoideale Lagerung der Ek., so daß die Ek.-Vergrößerung sich zum größeren 
Teil außerhalb der Schilddrüse abgespielt hat und für die Kompressionserscheinungen der Schilddrüse also nur der 
kleinere, intrathyreoideale Teil in Betracht kam. Eine Verstärkung dieser Kompressionserscheinungen durch den 
Muskeldruck von außen entfällt in einem solchen Falle ganz, denn am oberen Schilddrüsenpol wirkt der Muskel- 
druck nicht in dem Sinne, daß er das Ek. in die Schilddrüse hineinpressen würde, wie das etwa an der Außenfläche 
der Fall sein müßte. Ein ganz gleiches Verhalten ist auch noch im Falle 15 zu sehen, wo aber das eine Ek. am 
unteren Schilddrüsenpol lag. 

Trotz der stellenweise äußerst zarten Kapsel ist die Grenze zwischen Schilddrüsen- und Ek.-Parenchym stets 
sehr deutlich und scharf. Dem inneren Aufbaue nach muß man in den Haupt-Ek. einen großalveolären von einem 
kleinalveolären Teil unterscheiden. Der erstere weit größere weist Alveolen von riesenhafter Größe auf, deren Durch- 
schnitts- und Maximalbreite in der ganzen Versuchsreihe die größten Werte besitzt. Die Stromasepta sind relativ 
dick, enthalten recht viele rote Bindegewebsfibrillen und große, aber nur selten und wenig gefüllte Blutgefäße, was in 
einem Gegensatz zu den gut gefüllten Blutgefäßen der Schilddrüse steht. Schon bei der Obduktion macht sich diese 
Differenz in der Gefäßfüllung geltend, da die Schilddrüse stets rot, die Ek. fast weiß erscheinen. Die von den 
Septen begrenzten Riesenalveolen sind mit sehr stark vermehrten, vergrößerten Epithelzellen erfüllt, deren große, 
ovale, helle Kerne eine Chromatinstruktur besitzen, während das reichliche Protoplasma eigentlich schon recht 
dunkelrot gefärbt ist. Mitosen in Form von Mutter- und Tochtersternen sind recht reichlich nachweisbar. Die die 
Epithelmasse durchziehenden, feinen, kernarmen Stromasepta und kollabierten Kapillaren sind stellenweise schon so 
zahlreich, daß sie ein zusammenhängendes Netz bilden und so die große Epithelmasse zu kleinen, schmalen, oft 
zweireihigen Häufchen zerlegen. Daher kommt es, daß der Unterschied zwischen maximaler und minimaler Alveolar- 
breite in keinem anderen Falle so groß ist wie im vorliegenden. Diese Zerteilung der großen Epithelmassen in kleine 
Alveolen hat eine bessere Ernährung und Ausnutzung des Parenchyms zur Folge und ist ein sekundärer Zustand, 
der auf einen schon längeren Bestand der Hyperplasie hinweist. 

In dem zweiten, an der freien Oberfläche einen nur schmalen Streifen darstellenden Ek.-Teil sind die Alveolen 
durchschnittlich nur etwas größer als im normalen Haupt-Ek., die Stromasepta sind relativ breit und reich an 
Stromakernen, die Epithelzellen unterscheiden sich von den anderen hauptsächlich durch das viel lichtere, zum Teil 
fast wasserhelle Protoplasma, weisen aber auch hier häufig Mitosen auf. 


Die Breite der Alveolen wurde 1. im groß-, 2. im kleinalveolären Teil für sich gemessen. 


1. 23 Messungen, 2010. Durchschnitt, 368. Maximum, 12-5 y. Minimum 
2. 33 » 23H » 75 y. Maximum, 10°O0 u. » 


In den akzessorischen Ek. ist das Bild nicht in allen Teilen gleich. Zum Teil sind die Alveolen nur 
etwas vergrößert, die Zellen nur etwas vermehrt, groß und haben einen strukturlosen Kern und ein reichliches, 
nicht ganz helles Protoplasma und die Stromasepta sind breit und kernreich. An anderen Stellen sind die Alveolen 
deutlich größer, die Zellen deutlich vermehrt, aber von gleichem Aussehen und die Stromasepta dünner, kernärmer. 


Die Alveolarbreite wurde in 2 akzessorischen Ek. gemessen. 


1. 20 Messungen, 24°4y. Durchschnitt, 37°5 x Maximum, 15°0 1. Minimum 
DIEB > 23-9 u > 42.54 > 12-5 > 
* * 
* 


Im Obduktionsprotokoll sind die Ek. als übermittelgroß und weiß aus der roten Schilddrüse herausleuchtend 
beschrieben. Außer den beiden Haupt-Ek. fanden sich mikroskopisch noch 4 akzessorische, von denen eines in der 
rechten, 3 in der linken Thymusspitze lagen. In der Serie konnten die Haupt-Ek. durch 42, beziehungsweise 


40 Schnitte verfolgt werden, die akzessorischen durch 1, 2, 2 und 10 Schnitte, 


650 


Pall 20. 


Dr. J. Erdheim, 


An den Wachsmodellen ist die Form der Ek. die folgende: Das rechte Haupt-Ek. ist kurz-oval, mit abge- 
rundeten Polen, die versenkte Oberfläche ist höckerig, mit einer tiefen Einschnürung und einem größeren Auswuchs 
versehen, dabei im ganzen stark konvex; die freie Fläche ist glatt, ganz flach konvex und nimmt nur drei Viertel 
der Länge ein, so daß beide Pole mit versenkt sind, aber die ganze Breite und greift sogar an einer Kante etwas 
auf die versenkte Fläche über. 

Das linke Haupt-Ek. ist’in der Form dem rechten ganz ähnlich, nur ist es etwas länger-oval, an der Grenze 
beider Flächen liegt eine Furche und die freie Fläche nimmt die ganze Länge und Breite des Ek. ein. 

Von den akzessorischen Ek. waren 2 flach-oval, eines kugelig, eines flach-dreieckig. Das Photogramm der 
Modelle siehe Tafel VII, Fig. 21m. 

Das Volumen der Modelle betrug: 


rechtes Haupt-Ek. . . . . . . 364'24 cm? 
linkes ” DAHEIM 
1. akzessorisches ER. . . . . 0:16cm? 
2. » Der OSTEN 
3. > 2 50500, WO 4 
4. » Do or RR RE 
"Zusammen „ . 823°21 cm’. 


Aus diesen Zahlen läßt sich der Inhalt der Ek. selbst berechnen. Das Volumen der Haupt- und akzessori- 
schen Ek. zusammen, auf 100g Körpergewicht des Tieres bezogen, betrug 66928 dmm?, wovon auf die akzes- 
sorischen 10:72 dmm? entfallen. = ; 

Histologischer Befund. 

Haupt-Ek. Die Schilddrüsenfollikel zeigen nur an vereinzelten Stellen Kompressionserscheinungen in Form 
von Abflachung. Die Ek.-Kapsel ist bald so zart, daß das Ek.-Parenchym vom nächsten Schilddrüsenfollikel nicht 
weiter entfernt ist, als 2 Schilddrüsenfollikel voneinander, bald ist die Kapsel etwas stärker. Die Stromasepta im 
Ek. sind fibrös, führen große Blutgefäße und umgrenzen wenig verbreiterte Alveolen. Diese werden vielfach von 
feinsten Stromazügen mit dunklen, ovalen Kernen durchzogen und eine hie und da begleitende Reihe roter Blut- 
körperchen zeigt, daß diese feinen Stromazüge kollabierte Blutkapillaren sind. Diese zerteilen stellenweise die große 
Alveole in mehrere kleine, manchmal aber nicht. Im ersteren Falle wurden die weiter unten folgenden Breitenmaße 
nicht an der großen, sondern an den kleinen Teilalveolen genommen. Die Epithelzellen sind größer, der Kern 
größer, heller, mit deutlicherer Chromatinstruktur als normal. Es wurde nur eine Mitose gesehen. 

Von dieser Struktur weicht die der freiliegenden Oberfläche benachbarte Partie des Ek. ab, die mehr an die 
Bilder normaler Ek. erinnert. Denn die Alveolen sind durchwegs klein, die Stromasepta dünner, ärmer an Fibrillen, 
reicher an spindeligen Stromakernen, die Epithelzellen kleiner. Die Breite der Alveolen wurde 1. an der groß- 


alveolären, 2. an der kleinalveolären Partie gemessen. 


1. 22 Messungen, 34:0 u Durchschnitt, 57°5 x Maximum, 23-5» Minimum 
2. 35 » 18:6 4 » 325 u > 12:5 u » 


Die akzessorischen Ek. (Textfigur 17) sind so wie die Haupt-Ek. dieses Falles ein gutes Beispiel 


von Hyperplasie und Hypertrophie. Die Alveolen sind nur zum Teil vergrößert (A,), selbst größer" als im nor- 


malen Haupt-Ek., von runder Form, in ihnen die Epithelzellen vermehrt, vergrößert, mit vermehrtem hellem 
Protoplasma und lichterem Kern. In den noch kleinen Alveolen (As) sind die Zellen nicht vermehrt, aber doch auch 
schon etwas größer. Das Stroma wie im normalen akzessorischen Ek. reichlich, mit vielen dunklen spindeligen 
Kernen und wenig gefüllten Kapillaren (C). Nach 31 Messungen betrug die Alveolarbreite im Durchschnitt 248 ı, 


maximal 45 u, minimal 125 y. 


Beide Haupt-Ek. fielen schon bei der Sektion durch ihre besondere Größe auf. Außer ihnen fanden sich mikro- 
skopisch noch 7 akzessorische Ek., von denen 3 in der rechten, 4 in der linken Thymusspitze lagen. In der Serie 
konnten die Haupt-Ek. durch 88, beziehungsweise 81 Schnitte verfolgt werden und die akzessorischen durch 32, 
24, 21, 12, 11, 9 und 7 Schnitte. e 

An den angefertigten Wachsmodellen ist die Ek.-Form die folgende: Das rechte Haupt-Ek. ist kurz-oval, 


mit abgerundeten Polen. Die Oberfläche über dem versenkten Teil grob-höckerig und wellig, über dem freien Teil 


Rachitis und Epithelkörperchen. 651 


bald ebenso, bald glatt. Beide Flächen sind besonders stark konvex, so daß der beträchtliche Dickendurchmesser 
mehr als die Breite beträgt. Die freie Fläche nimmt die ganze Länge und Breite des Ek. ein und greift, der Breite 
nach, an einer Kante etwas auf die versenkte Fläche über. An einem der Pole findet sich eine besonders tiefe 
Einschnürung, die mit der Grenze beider Flächen zusammenfällt und darauf zurückzuführen ist, daß das enorm 
vergrößerte Ek. aus der Schilddrüse hervorquillt und daselbst mit pilzförmig überhängendem Rande, der eine 
besonders glatte Oberfläche besitzt, sich über die Schilddrüsenoberfläche legt. Besser als eine noch so ausführliche 
Beschreibung macht die Fig. 6 (Taf. VIII) dieses Verhalten klar. 

Das linke Haupt-Ek. ist gedrungen-oval, mit abgerundeten Polen, zum Teil glatter, zum Teil grob-welliger 


Oberfläche, die versenkte und freie Oberfläche stark konvex, die letztere ist größer, nimmt die ganze Länge und 


Kiovalın. 


Fall 19. Teil eines akzessorischen Epithelkörperchens im Beginn der Hyperplasie und Hypertrophie. 
A, = deutlich vergrößerte Alveolen mit vermehrten, vergrößerten, lichteren Zellen, A, normal große Alveolen mit nicht vermehrten, 


schon etwas größeren Zellen, S— Stroma, C—= Kapillare. 350fache Vergrößerung. 


Breite des Ek. ein und an einer Kante greift sie der Breite nach um ein Drittel auf die versenkte Fläche über. 
Die Einschnürung der Oberfläche und das pilzförmige Hervorquellen ist ebenso wie rechts zu sehen. 

Von den akzessorischen Ek. waren 3 abgeflacht, kugelig und glatt, 2 unregelmäßig und höckerig, eines 
kurz-oval, mit höckeriger Oberfläche und eines flach, längs-oval, mit einem abgerundeten und einem zugespitzten 
Pol und einer mehr flachen und einer mehr konvexen Oberfläche. Das Photogramm der Modelle siehe Taf. VII, 
Fig. 21w. 


Das Volumen der Modelle betrug: 


rechtes Haupt-Ek. . . . .. „2691 04cm? 
linkes » 273985 W0lER22 
ImakzessonischesEk. nr 2 reader 
2 > a AD ONCE 
3 » a BL DL NAT 
4. » » n.9lrcm2 
5 » » s 610 cm? 
6 » sc ke 601 cm? 
7 > > 214 cm? 

Zusammen . . .9272'84 cm?. 


Berechnet man aus dieser Summe das Gesamtvolumen der Haupt- und akzessorischen Ek. selbst, bezogen 
auf 100g Körpergewicht des Tieres, so erhält man 2746'11 dmm?, wovon auf die akzessorischen 97 97 dmm?® 


entfallen. 
Denkschriften der mathm.-naturw. Kl. XC. Bd. 88 


652 Dr. J. Erdheim, 


Histologischer Befund. 
Haupt-Ek. (Taf. VIII, Fig. 6, Textfig. 18, 19). Eine oft stark ausgeprägte Bindegewebskapsel grenzt die 


Haupt-Ek. vom Schilddrüsenparenchym ab (Fig. 6 bei b), aus dem sie mit einem recht großen Teil und dem schon 
geschilderten, pilzförmig überhängenden Rand (Fig. 64) hervorquellen. 
Wir haben uns vorzustellen, daß der extrathyreoideal ausgetretene Ek.-Teil von den langen Halsmuskeln 
wieder an die Schilddrüse angepreßt worden sein muß, so daß er sich pilzförmig über ihre Oberfläche legte. Die | 
enorme Vergrößerung des intrathyreoidealen Teiles findet darin seinen Ausdruck, daß 1. die Schilddrüsenfollikel 


auf der ganzen Berührungsfläche mit dem Ek. in mehreren, übereinanderliegenden Schichten in eine bedeutende 


Fig. 18. 


Fall 20. Der mit gr bezeichnete Teil der Fig. 6, Taf. VIII, bei 350facher Vergrößerung. 
Es ist ein Teil der stark vergrößerten Alveole (A) dargestellt und anstoßende Teile der Alveolen A, und Aa. Die Alveolarsepta (S) sind 
verbreitert, die Epithelzellen vergrößert, protoplasmareicher, die Kerne am Alveolarrand dichter stehend, die Epithelmasse von feinen 


Stromazügen mit Kernen (X) durchzogen. m — Mitose. 


Tiefe hinein plattgedrückt und konzentrisch herumgelegt sind (Fig. 65), daß 2. das Niveau der Schilddrüsenober- 


Nläche bei e beträchtlich gehoben erscheint. 

Die Alveolen des Ek.-Parenchyms sind schätzungsweise nicht vermehrt aber enorm vergrößert (Fig. 6g,, | 
Fig. 18, 19), von plumpen und vom gegenseitigen Druck polygonalen Formem. Nach 30 Messungen betrug die , | 
Breite der Alveolen 171°7y im Durchschnitt, 320 u im Maximum, 64 im Minimum. 

Während normaliter die Stromasepta zwischen den Alveolen sehr zart, oft nur an der Anwesenheit eines 
dunklen Stromakernes zu erkennen sind, treten sie hier viel deutlicher hervor (Fig. 6) und sind mit gut eosinroten 
Bindegewebsfibrillen ausgestattet (Fig. 18). Diese sind zwar absolut genommen an Menge nicht sehr beträchtlich, 
aber im Vergleich mit normalen Fällen als sehr vermehrt zu bezeichnen. Die Blutgefäße sind größer als normal, 
aber schlecht gefüllt. " 

In den Riesenalveolen ist die Zahl der Epithelzellen enorm vermehrt (Fig. 18). Während normaliter außer 


den randständigen Epithelzellen nur noch wenige im Zentrum der Alveole Platz finden, ist hier ihre enorme Ver- 


Rachitis und Epithelkörperchen. . 693 


mehrung, selbst ohne Zählung, sehr in die Augen springend. Es besteht somit eine maximale Hyperplasie,. Außer- 
dem aber sind die Zellen hypertrophisch (Fig. 18). Die Kerne noch immer oval, aber größer, mit deutlicher Chromatin- 
struktur und weniger dicht, gelagert, denn das Protoplasma ist vermehrt und nebenbei satt mit Eosin gefärbt, 
aber ohne deutliche Zellgrenzen. Trotz vielen Suchens ist aber nur ganz ausnahmsweise eine Mitose nach- 
weisbar (Fig. 182), was entweder darin seinen Grund hat, daß hier die Hyperplasie im wesentlichen beendet ist, 
oder darin, daß die Konservierung nicht lebenswarm erfolgen konnte. Die am Rand des Alveolus liegenden Epithel- 
zellen stehen nirgends mehr in Palisaden, haben aber ein spärlicheres Protoplasma, so daß die Kerne dichter 
zusammen liegen (Fig. 18a). Da sie auch nebenbei oft noch dunkler und kleiner sind, verleihen sie dem Alveolar- 


rand einen dunkleren Ton, wodurch die dunkel umsäumten Septa umso kräftiger hervortreten (Fig. 6). 


Da das Gefäßnetz der Alveolarsepta nicht mehr genügt, die Riesenalveolen zu ernähren, wird die kompakte 


Epithelmasse von zahlreichen feinen Kapillaren durchzogen, die infolge postmortalen Kollapses der Lumina sich 


Fig. 19. 


Fall 20. Randpartie des Hauptepithelkörperchens. 


Einige Alveolen A, bestehen aus besonders großen, hellen Zellen, neben denen die des übrigen Parenchyms A,, wiewohl auch 


hypertrophisch, recht klein aussehen. C = Kapillaren. 350fache Vergrößerung. 


als feinste Stromazüge mit dunklen, spindeligen Kernen (Fig. 18K) darstellen. Ein hie und da in der Nachbarschaft 
eines solchen Kernes nachweisbares rotes Blutkörperchen unterstützt diese Deutung. Ist so die ganze Epithelmasse 


des Alveolus von feinsten Kapillaren durchzogen, so wird sie trotzdem nicht in kleinere Alveolen zerlegt. 


Um zu zeigen, welchen exzeptionellen Grad die Hypertrophie der Epithelzellen unter Umständen erlangen 
kann, ist in Fig. 19 eine Randpartie aus einem Haupt-Ek. wiedergegeben. Nicht die Größe der Alveolen oder Zahl 
der Zellen, sondern die besondere Größe und Helligkeit der letzteren fällt hier in die Augen (Fig. 19 A,), so daß 
die Zellen des übrigen Parenchyms (Fig. 19 A,) dadurch in den Schatten gestellt sind, wiewohl sie auch hyper- 
trophisch sind. 

Auch in den akzessorischen Ek. (Fig. 20) ist die Hypertrophie und Hyperplasie ganz augenfällig. Die 
Alveolen (Fig. 20A,) sind nicht nur größer als in einem normalen akzessorischen, sondern auch größer als in 
einem normalen Haupt-Ek., aber natürlich kleiner als im Haupt-Ek. des vorliegenden Falles selbst (Fig. 20). ‘Die 


Breite der meist runden Alveolen wurde an 4 akzessorischen Ek. gemessen. 


654 


Dr. J. Erdheim, 


1. 15 Messungen, 282 u Durchschnitt, 65°O0 p Maximum, 17°5p Minimum 
2. 14 » 334 u. > 45:04 » 1752 » 
3.15 > 31'314 > 475 u » 150 u > 
4. 9 > 364 > AT Su » 25°0u » 


Die Alveolarsepta sind gut ausgebildet (Fig. 20,5) und zeigen eosinrote Bindegewebsfibrillen und mäßig gut 
gefüllte Kapillaren (Fig. 20 C). Der Zahl der Zellen nach besteht ein ähnliches Verhalten wie im normalen Haupt-Ek., 


Fig. 20. 


Fall 20. Teil eines akzessorischen Epithelkörperchens, 


Die Alveolen zum Teil mäßig (A,), zum Teil stark vergrößert (A,), aus stark hypertrophischen Zellen bestehend, S = Stromasepta mit 


Ealll2: 


C==Kapillaren. 350fache Vergrößerung. 


aber die Zellen sind größer, die Kerne heller, größer, das Protoplasma reichlicher und gut eosinrot (Fig. 20.A,), 
bald besonders reichlich, wie gequollen, blaß oder fast ungefärbt (Fig. 20.A,). 


Bei der Obduktion wurden die Ek. als nicht vergrößert angesehen. Histologisch fanden sich außer den beiden 
Haupt-Ek. auch noch 5 akzessorische, von denen 4 in und an der linken Thymus lagen, eines aber, am unteren 
Pol des linken Schilddrüsenseitenlappens. Die Haupt-Ek. konnten durch 41, beziehungsweise 40 Schnitte verfolgt 
werden, die akzessorischen durch 13, 10, 6, 5 und 2 Schnitte. 

Die Ek.-Form war an den Wachsmodellen die folgende: Das rechte Haupt-Ek. ist längs-oval, mit abgerundeten 
Polen, nicht flach, sondern die Dicke ist größer als die Breite. Die versenkte Fläche höckerig und: stark konvex, 
die freie Fläche ist höckerig aber mäßig konvex, und nimmt die ganze Breite, aber nur drei Viertel-der Länge des 
Organes ein, so daß beide Pole versenkt sind. Das linke Haupt-Ek. ist längs-oval, hat einen abgerundeten und 
einen zugespitzten Pol, ist nicht platt, sondern dicker als breit, die versenkte Fläche ist leicht höckerig und stark 
konvex, die freie ebenfalls leicht höckerig und weniger konvex und nimmt die ganze Länge und Breite des Ek. 
ein. Von den akzessorischen Ek. waren 2 lang-, 2 kurz-oval und flach, das 5. fast kugelig. Die Photogramme der 
Modelle siehe Taf. VII, Fig. 210. 


Ball 22. 


o}| 


(e} | 


Rachitis und Epithelkörperchen. 6 


Das Volumen der Wachsmodelle betrug: 


rechtes Haupt-Ek. . . . . .. .455°89 cm? 
linkes » 38310976712 
1. akzessorisches Ek. . . . .. 840 cm? 
2. » Dre orllörchz 
3 » Dee A 
4. » Be OO 
5 » REINE 


Zusammen . . . 86248 cm?. 


Das Volumen der Haupt- samt umsehen Ek. selbst, auf 100g Körpergewicht des Tieres bezogen, 
beträgt demnach 62955 dmm?, wovon auf die akzessorischen 12'33 dmm® entfallen. Die Zahl 62955 wäre vielleicht 
um ein Fünftel kleiner ausgefallen, wenn nicht das Tier zum Schluß marantisch geworden wäre; doch lassen wir 
die Zahlen als solche stehen, da vermutlich auch die Ek.-Vergrößerung bedeutender ausgefallen wäre, wenn sich 


nicht Marasmus eingestellt hätte. 


Histologischer Befund. 


Haupt-Ek. Beide Haupt-Ek. liegen regulär in der Schilddrüse, aus der sie etwas konvex emporragen. Ent- 
sprechend der tiefsten Stelle der Ek. sind die Schilddrüsenfollikel deutlich komprimiert. Die Ek.-Kapsel ist zart und 
gefäßführend Die Ek. sind in allen Teilen gleichmäßig, sehr deutlich, wenn auch nur mäßig hypertrophisch und 
hyperplastisch. Die Alveolen sind deutlich vergrößert, die zarten Stromasepta enthalten noch wenig fibrilläres Gewebe 
und mittelgroße wenig gefüllte Gefäße. In den Alveolen sind die Zellen vermehrt, vergrößert, ihr Kern oval, größer, 
mit deutlicher Chromatinstruktur, ihr Protoplasma reichlicher, deutlich eosinrot. Mitosen sind nachweisbar, aber 
noch spärlich. Die die Epithelmasse durchziehenden Stromakerne sind stellenweise spärlich, stellenweise zahlreicher, 
die ihnen entsprechenden Kapillaren aber zahlreich und gut gefüllt. Die Alveolarbreite beträgt nach 25 Messungen 
909 w im Durchschnitt, 160 u. maximal, 32 u minimal. 

Die akzessorischen Ek. beteiligen sich schon, wenn auch nicht überall gleichmäßig, an der typischen 
rachitischen Veränderung. Die Alveolen sind durchschnittlich etwas vergrößert, stellenweise so groß wie im normalen 
Haupt-Ek. Die Epithelzellen sind zahlreicher, größer, namentlich protoplasmareicher, die Kerne größer, heller. Der 
Kernreichtum der Stromasepta hat schon deutlich abgenommen. Liegen normale und veränderte Parenchymteile 
desselben Ek. nebeneinander im Schnitte vor, so fallen letztere nicht nur durch die größeren Alveolen, sondern 
auch durch den helleren Farbenton auf, der seinen Grund in der Protoplasmavermehrung und dem damit einher- 
gehenden weiteren Auseinanderliegen der Kerne hat. Die Alveolarbreite wurde 1. an einem akzessorischen Ek. in 
der Thymus, 2. an dem in der Schilddrüse gelegenen gemessen. Am letzteren sind die Maße, wie zu erwarten war, 


etwas größer. 


1. 23 Messungen, 206 u Durchschnitt, 32°5 „ Maximum, 12°5 u. Minimum. 
2. 18 » 235 u » 45:01 » 12:5 u » 


Bei der Obduktion wurden die Ek. aus Schonung für das nicht mehr frische Präparat gar nicht aufgesucht. Mikro- 
skopisch aber fanden sie sich an typischer Stelle, sie liefen durch 42, beziehungsweise 36 Schnitte der Serie. 
Akzessorische Ek. wurden nicht gefunden. 

Die Form der Ek. war nach den Wachsmodellen die folgende: Das rechte Haupt-Ek. ist längs-oval, flach, 
die Pole abgerundet; die versenkte Fläche ist grob-höckerig und stark konvex, die freie ist glatt, fast ganz platt 
und nimmt die ganze Länge und Breite des Organes ein. Das linke Haupt-Ek. ist längs-oval, flach, die Pole abge- 
rundet, eine Kante etwas zugeschärft. Die versenkte Fläche ist leicht höckerig und stark konvex, die freie ist glatt, 
flach-höckerig und nimmt die ganze Breite aber nur vier Fünftel der Länge ein, so daß ein Pol versenkt ist. Dafür 
greift sie am anderen Pol um ein Fünftel der Länge auf die versenkte Fläche über und gerade an diesem Pol liegt 
zwischen beiden Flächen eine recht tiefe Furche, so daß dieser deutlich pilzförmig aus der Schilddrüse herausragt., 
Das Photogramm der Wachsmodelle siehe Taf. VII, Fig. 217. 


Fall 23. 


Dr. J. Erdheim, 


Das Volumen der Wachsmodelle: 


nechtes Haupt-ER. » . . 2... „ 218"12 cm? 
linkes 3 SD  2DRV TASCHE. 
Zusammen .„ . . 47360 cm3. 


Demnach beträgt das Volumen der Ek. selbst, auf 100 g Körpergewicht des Tieres berechnet, 648°77 dmm?, 


Histologischer Befund. 

Beide Ek. liegen regulär in der Schilddrüse und buchten sich in manchen Schnitten deutlich konvex aus der 
Schilddrüse vor. Das linke quillt mit einem pilzförmig überhängenden Rand aus der Schilddrüse heraus, was in 
lebhafter Weise an den Fall 20 erinnert, nur daß hier alle Dimensionen viel kleiner sind. Dieses Ek. ist auch 
das größere von beiden. Diese Formbeschaffenheit spricht dafür, daß dieses jetzt nur mäßig vergrößerte Organ 
ehedem beträchlich vergrößert gewesen sein muß, jetzt aber im Rahmen des allgemeinen Marasmus sich sekundär 
verkleinert hat. Die rachitische Hyperplasie ist übrigens histologisch auch jetzt noch deutlich zu sehen. Die Ek.- 
Kapsel ist stark ausgeprägt und führt deutlich fibrilläres Gewebe. Ob die Schilddrüsenfollikel Kompressions- 
erscheinungen aufgewiesen hatten, läßt sich nicht mehr feststellen, da mit Ausnahme der großen, superfiziellsten 
Follikel die Epithelzellen aus ihrem Verbande gelöst, das Protoplasma nicht mehr sichtbar, die Kerne klein, dunkel, 
lose sind, mit einem Worte, es besteht das typische Bild kadaveröser Veränderung der Schilddrüse. Das Ek.-Gewebe 
selbst ist nicht so arg in Mitleidenshhaft gezogen, man sieht noch ganz klar, daß ihre Alveolen vergrößert sind, 
das Stroma bald mäßig, bald schwach entwickelt. Die Blutgefäße nur selten mäßig gefüllt. In den vergrößerten 
Alveolen sind die Epithelzellen deutlich vermehrt und ihre Masse nur von wenigen Stromakernen durchzogen. Die 
Größe der Epithelzellen ist gering, der Kern öfter rund als oval, dunkel, ohne Chromatinstruktur, das Protoplasma 
dürftig und dunkel gefärbt, nur stellenweise etwas reichlicher und heller. Mitosen fehlen. Es handelt sich somit 
um eine deutliche rachitische Veränderung des Ek., von der infolge des allgemeinen Marasmus nur noch die 
Hyperplasie übrig geblieben ist. Breite der Alveolen: 23 Messungen, 98'1 1. Durchschnitt, 192 x Maximum, 48 u 
Minimum. 


* 


Bei der Obduktion schienen die Ek. nicht besonders groß zu sein. Histologisch fanden sich außer den beiden 
Haupt-Ek. auch noch 6 akzessorische, von denen 4 in und an der linken, 2 in der rechten Thymus lagen. Die 
Haupt-Ek. waren in 32, beziehungsweise 31 Schnitten enthalten, die akzessorischen in 11, 7, 5, 5, 4 und 4 
Schnitten. 

Die Form der Ek. war nach den Wachsmodellen die folgende: Das rechte Haupt-Ek. stark längs-oval mit 
einem abgerundeten und einem mehr spitzen Pol. Es ist nicht flach, sondern dicker als breit. Die innere Ober- 
Nläche ist leicht wellig, stark konvex, die freie leicht wellig, mäßig konvex und nimmt nur die halbe Breite und 
drei Viertel der Länge des Ek. ein, so daß sie sehr klein ist und beide Pole und eine Kante versenkt sind. Das 
linke Haupt-Ek. ist stark längs-oval, so dick als breit, also nicht platt, beide _Pole etwas zugespitzt. Beide Flächen 
sind leicht wellig, die versenkte und freie gleich stark konvex, die freie nimmt von der Länge und Breite nur je 
ein Drittel des Ek. ein, ist also klein und ein Pol und eine Kante sind versenkt. Von den akzessorischen Ek. 
waren 4 oval und flach, eines oval und von kreisförmigem Querschnitt, eines fast kugelig. Das Photogramm der 


Ek. siehe Taf. VII, Fig. 21%. 


Das Volumen der Wachsmodelle betrug: 


rechtes Haupt-ER. . . . . . . .235'40 cm? 
linkes » er 
1. akzessorisches Ek. 7:16 cm? 
2. » » 3:82 cm? 
3. » REIN 1'40 cm? 
4. » De 2 0e 
5. > > 0:80 cm? 
6. > > 0:43 cm? 

Zusammen . . . 46109 cm?. 


Es ergibt sich aus den Zahlen, daß das Volumen der Haupt- samt akzessorischen Epithelkörperchen selbst, auf 


100 g Körpergewicht des Tieres bezogen, 56925 dmm? betrug, wovon auf die akzessorischen 18:28 dmm? entfallen. 


Rachitis und Epithelkörperchen. 657 


Histologischer Befund. 


Haupt-Ek. Beide liegen regulär in der Schilddrüse und prominieren nicht über ihre Oberfläche. Ob die 
Schilddrüse Kompressionserscheinungen dargeboten hatte, läßt sich nicht mehr sagen, da die Form der Schild- 
drüsenfollikel infolge kadaverösen Zerfalls nicht mehr zu erkennen ist. Mit Ausnahme der großen periphersten 
Schilddrüsenfollikel zeigen alle eine vollständige Auflösung des Zellverbandes, einen molekulären Zerfall des Proto- 
plasmas und kleine dunkle, wie freischwebende Kerne. 

Die Ek.-Kapsel ist stellenweise zart, stellenweise deutlich fibrillär und dicker. An der versenkten Ek.-Ober- 
fläche sieht man ein interessantes Bild. Das Ek. ragt mit flachen Vorwölbungen in das Schilddrüsenparenchym vor 
und in der Vertiefung zwischen 2 solchen Vorwölbungen liegt ein größeres Gefäß. Das Bild ist so zu verstehen, 
daß das Ek., das wir sofort als rachitisch-hyperplastisch erkennen werden, bei seinem Bestreben, sich zu ver- 
größern, an größeren Gefäßen in der Schilddrüse ein Hindernis fand und von ihnen Einschnürungen davontrug. 
Es ist das ein schönes Illustrationsfaktum für die Vergrößerung des Ek., die jetzt, im Rahmen des allgemeinen 
Marasmus, partiell wieder einen Rückgang erfahren hat, denn es ist von der ehemaligen rachitischen Veränderung 
nur noch die Hyperplasie, nicht aber die Hypertrophie zu sehen. Im Ek. sind die Alveolen durchwegs weit größer 
als normal und sie müssen seinerzeit, bevor es zur Zellverkleinerung kam, noch weit größer gewesen sein. Die 
Alveolarsepta sind dicker als normal, enthalten oft recht viele Bindegewebsfibrillen, aber selten ein gut gefülltes 
Gefäß. In den Alveolen sind die Zellen stark vermehrt und zwischen ihnen gibt es nur wenige Stromakerne. Die 
Zellen sind klein, ihr Kern dunkler, mit schwach sichtbarer Chromatinstruktur, das Protoplasma sehr wechselnd, 
bald mäßig entwickelt und hell, bald so minimal, daß die Kerne aufs dichteste zusammenliegen. — Mitosen fehlen. 
Die Breite der Alveolen; 23 Messungen, 112 y. Durchschniit, 160 u» Maximum, 64 Minimum. 

Die akzessorischen Ek. sind alle gleich gebaut, zeigen wie die Haupt-Ek. deutliche Hyperplasie, aber die 
Zellen sind atrophisch. Die Alveolen wesentlich vergrößert, die Stromasepta schmal und arm an Stromakernen, in 
den Alveolen die Epithelzellen vermehrt, ihre Kerne klein, bald hell, bald dunkel, ohne Chromatinstruktur, länglich 
oder rund, das Protoplasma sehr spärlich, so daß die Kerne dicht zusammenstehen, die Kapillaren leer. Die Breite 


der Alveolen: 14 Messungen, 29:6 u Durchschnitt, 52°5 ı Maximum, 20 ». Minimum, 


B. Größe und histologische Beschaffenheit der Epithelkörperchen rachitischer 
Tiere. 


Wir haben gehört, daß bei den normalen Tieren die Haupt-Ek. an der Grenze der makroskopi- 
schen Wahrnehmbarkeit stehen, indem sie entweder gar nicht oder nur als winzige Pünktchen er- 
scheinen. Der normale Fall 1, bei dem sie aber bequem sichtbar waren, ist eventuell auf überstandene 
Rachitis verdächtig. Unter den Rachitistieren gab es keinen Fall, bei dem die Haupt-Ek. mit freiem 
Auge ganz unsichtbar gewesen wären, wobei aber ihre Größe schon für das freie Auge außerordent- 
lich schwankte. Es schienen die Ek. bei der Obduktion 2mal nicht vergrößert zu sein (Fall 9, 21), 
2 mal ein wenig (Fall 10, 23), 2 mal mäßig vergrößert (Fall 13, 14 rechts), 6 mal schon mehr als mittel- 
groß (Fall 11, 12, 19 und eines der Ek. der Fälle 14. 15, 17), 2 mal stark oder sehr stark vergrößert 
(Fall 16, 17 links), und 3 mal wurden die Ek. bei der Obduktion als besonders stark, fast monströs ver- 
größert bezeichnet (Fall 18, 20, 15 links). 

Nimmt man sich die Mühe, diese Angaben mit den beim Messen gewonnenen Zahlen zu 
vergleichen, so kommt man zu dem Resultate, daß die autoptischen Angaben nicht immer mit den 
Zahlen harmonieren, was ja bei einem Organ ganz begreiflich ist, das nur mit einem kleinen Teil 
seiner Oberfläche an der Schilddrüsenoberfläche frei zutage liegt; dabei variiert noch diese Lage bis 
zu einem solchen Grade, daß das Ek. auch ganz außerhalb der Schilddrüse liegen kann. So zum 
Beispiel waren nach den Messungen die Ek. im Falle 15 schon sehr erheblich vergrößert, das linke 
etwas kleiner als das rechte; trotzdem heißt es im Obduktionsprotokoll, das linke Ek. sei gewaltig 
vergrößert, das rechte aber mittelgroß. Die Ursache dieser falschen Beurteilung ist darin zu suchen, 


1 Dieser Abschnitt wurde auszugsweise September 1913 in der pathologisch-anatomischen Sektion der Versammlung 


Deutscher Naturforscher und Ärzte zu Wien von meinem Chef Herrn Hofrat Prof, Weichselbaum vorgetragen. 


658 Dr. J. Erdheim, 


daß mikroskopisch das linke Ek. sich als in toto außerhalb der Schilddrüse liegend erwies, während 
das rechte, wie normal, in die Schilddrüse versenkt war. Andere Male ist für die unrichtige makro- 
skopische Beurteilung Kein so klarer Grund auffindbar. Wir kommen also zu dem Resultate, daß die 
autoptische Beurteilung der Ek.-Größe keinen Anspruch auf Verläßlichkeit hat, aber immer- 
hin einen gewissen Eirblick in die rachitische Ek.-Vergrößerung zu gewähren vermag. Die einzig 
verläßliche Art der Größenbestimmung der Ek. ist die einleitend beschriebene. 

Ein Blick auf die Fig. 21 (Taf. VI) genügt, um sich vorerst davon zu überzeugen, daß bei Rachitis 
das absolute Volumen der Ek. (i—x) bedeutend größer ist als beim normalen Tier (a—%h). Vielleicht 
noch lehrreicher in dieser Hinsicht ist der Vergleich der Schnittbilder normaler Fälle (Fig. 1, 2, Taf. VII) 
mit denen rachitischer (Fig. 3 bis 6, Taf. VII). 

In der folgenden Tabelle sind die Tiere nach ihrem Körpergewicht geordnet und zu jedem 
ist die absolute Größe des gesamten Ek.-Apparates (Haupt- plus akzessorische Ek.), in Kubik- 
dezimillimetern ausgedrückt hinzugefügt. 


Fall Körpergewicht Ek.-Volumen 
& | dmm?® 
! 
22, 73 473 
23 81 461 
„® 34 257 
19 122 823 
21 137 862 
13 143 550 
10 153 1287 
15 155 2996 
u 160 2082 
14 171 1443 
18 179 5719 
20 192 9272 
17 202 3163 ; 
16 207 3122 
12 244 3720 


Wir haben bei unseren normalen Tieren gesehen, .daß mit dem Körpergewicht auch das Ek.- 
Volumen fast gleichmäßig ansteigt. Die vorstehende Tabelle zeigt, daß dies bei den Rachitistieren nur 
ganz beiläufig der Fall ist, von einem gleichmäßigen Anstieg des Ek.-Volumens mit dem Körpergewicht 
ist aber keine Rede. Es kommt das daher, daß die normalen Tiere, bis auf das Körpergewicht, einander 
vollkommen gleichwertig waren, während die Rachitistiere nicht nur in ihrem Körpergewichte sich vonein- 
ander unterscheiden, sondern auch darin, daß bei ihnen Rachitis von sehr verschiedener Intensität 
und Dauer besteht und die Rachitis von eminentem Einfluß auf die Ek.-Größe ist. Es macht sich also bei 
den Rachitistieren ein größerer Komplex von Faktoren geltend, die von Einfluß auf die Ek.-Größe sind. 

Wenn wir die erste Hälfte der Tabelle (bis Fall 10), die die leichtesten, also jüngsten Tiere enthält, 
mit der zweiten (von Fall 15) vergleichen, die die schwersten, also ältesten Tiere enthält, so sehen wir, daß 
bei den ersteren auch das Ek.-Volumen durchwegs geringer ist als bei den letzteren, aber innerhalb jeder 
Hälfte ist von einem regelmäßigen Anstieg des Ek.-Volumens mit dem Alter keine Rede. Es ist klar, 
daß im großen Ganzen auch bei Rachitis die Ek. bei jüngeren Tieren kleiner sind als bei 
älteren. 

Dafür sind die 2 folgenden Faktoren maßgebend: Bei den älteren Tieren ist die Möglichkeit einer 
längeren Dauer der Krankheit, also einer bedeutenderen Vergrößerung der Ek. eher gegeben als bei 


Rachitis und Epithelkörperchen. 659 


den jüngeren; ferner tritt das größere Tierin die Rachitis schon mit größeren Ek. ein, so daß auch 
das Ausgangsmaterial für die rachitische Hyperplasie und Hypertrophie der Ek, größer ist. 

Es galt an der Hand der Tabelle zu zeigen, daß auch bei den Rachitisfällen das Körpergewicht, 
also das Alter des Tieres, nicht ohne Einfluß auf die Ek.-Größe ist, daß es darum nötig war, 
diesen Faktor zu eliminieren, um den Einfluß des anderen Faktors, der Rachitis, umso klarer 
zu erkennen. Es geschah dies so, daß für jedes Tier die relative Größe des gesamten Ek-Apparates 
berechnet, das heißt, eruiert wurde, wieviel Kubikdezimillimeter Ek.-Substanz auf 100 g Körpergewicht 
kommen. 

Diese relative Ek.-Größe ist im Diagramm XXVI, Tafel X zusammengestellt, aus dem zunächst zu 
ersehen ist daß bei den Rachitistieren die relative Größe des Ek. ausnahmlos das Normalmaß über- 
steigt und in sehr weiten Grenzen schwankt, während sie bei den normalen in kaum nennenswertem 
Grade variiert. Selbst wenn wir den Fall 1, von dem schon mehrfach die Rede war, zu den ganz normalen 
Fällen rechnen, so haben wir bei diesen eine Schwankung der Ek.-Größe zwischen 133 und 267 dmm’, 
also mehr als ums dreifache, bei Rachitis zwischen 306 und 3195 dmm?, also mehr als ums zehnfache. 
Da diese Zahlen die relative Größe der Ek. darstellen, ist die Körpergröße ohne Einfluß auf sie, und die 
unvergleichlich viel größere Schwankung bei Rachitis kann von nichts anderem als vom Grad und der 
Dauer der Rachitis abhängen. 

Wie wir später hören werden, haben wir uns den Zusammenhang zwischen Rachitis und Ek. 
so vorzustellen, daß die Ek.-Vergrößerung eine Folge und nicht die Ursache der Rachitis ist, ähnlich 
wie die Hypophysenvergrößerung eine Folge der Schwangerschaft ist. Ferner haben wir uns vorzustellen, 
daß die Ek.-Vergrößerung zeitlich dem Beginn der Kalkstoffwechselstörung folgt, während der ganzen 
Dauer des Bestandes dieser Kalkstörung immer mehr zunimmt und daß mit der Heilung der 
Rachitis auch ein Rückgang der Ek.-Vergrößerung einhergeht, ohne daß wir ganz sicher sagen könnten, 
ob dieser Rückgang mit dem Beginn oder der Beendigung der Rachitisheilung einsetzt. 

Es folgt schon daraus, daß wir nicht erwarten können, daß im Diagramm XXVI, in dem die Fälle 
nach der relativen Größe ihres Ek.-Apparates zusammengestellt sind, mit dem Anstieg der Ek.-Größe 
auch der Grad der Rachitis absolut gleichmäßig ansteigen werde. Dieser ist eben nichtallein für 
die Ek.-Vergrößerung maßgebend, sondern ebenso die Dauer und das Stadium der Rachitis. Wohl steht 
an erster Stelle des Diagramms einer der geringfügigsten Rachitisfälle (9), an letzter Stelle einer der höchst- 
gradigen Rachitisfälle (18); aber der Fall 12, bei dem die Kalkstörung nach dem Osteoidmaß in der Rippe 
und dem Fibulacallus zu urteilen, derzeit sehr geringgradig ist, weist ein mehr als doppelt so großes rela- 
tives Ek.-Volumen auf als der Fall 19 (1524 gegen 669 dmm°), der nach dem Rippen- und Callusbild durch 
den höchsten Grad der Kalkstörung ausgezeichnet ist. Die Ursache ist einfach die, daß nach dem Rippen- 
bilde der Fall 12 eine schon ganz alte, in Heilung begriffene Rachitis ist, der Fall 19 aber eine viel jüngere 
Erkrankungsdauer aufweist. In dieser Hinsicht steht Fall 21, der zu den schwersten Rachitisfällen gehört, 
noch mehr gegen den Fall 12 zurück; von seiner erst sehr kurzen Dauer haben wir in der Tat ganz genaue 
Kenntnis. Dies eine Beispiel möge zur Erklärung genügen, warum im Diagramm XXV] die Fälle nicht nach 
dem Grade der Rachitis ansteigen, sondern in der Hinsicht regellos aneinander gereiht sind. 

Bemerkenswert ist ferner, daß der Marasmus des Falles 21 und namentlich der Fälle 22 und 23 
nicht vermocht hat, die relative (Diagramm XXVI) und sogar die absolute Ek.-Größe (Tabelle) zur 
Norm herunterzudrücken; beim Fall 22, bei dem der Marasmus dazu geführt hat, daß in der Rippe die 
Rachitis fast völlig unkenntlich war, bei dem aber erst die Backenzähne eine vor Eintritt des Marasmus 
bestandene erhebliche Rachitis verrieten, war die absolute (und relative) Ek.-Größe etwa doppelt so groß 
als beim nicht marastischen, aber geringgradig rachitischen Tier 9. 

Wie viel mehrsagend die relative Ek.-Größe gegenüber der absoluten ist, leuchtet nebenbei 
gerade bei diesem Falle 9 besonders klar ein, bei dem nach den absoluten Maßen die Ek. als nicht gegen 
die Norm vergrößert bezeichnet werden müssen (vgl. i mit h in Fig. 21, Taf. VII), während die relative 


Größe das Normalmaß übersteigt. 
Denkschriften der mathm.-naturw. K1.XC. Bd. & 2 S 89 


660 Dr. J. Erdheim, 


Die Fig. 3 bis 6 (Taf. VIII) zeigen uns, daß auch bei Rachitis die Ek. zumeist ebenso in die Schild- 
drüse eingebettet sind, wie in den normalen Fällen und daß die Kapsel auch hier äußerst zart ist 
und trotzdem das Ek. vom Schilddrüsenparenchym vollkommen scharf abgrenzt. Zumeist ist die Kapsel 
so zart wie ein Septum zwischen zwei Schilddrüsenfollikeln und nur ausnahmsweise etwas stärker, so 
daß man in ihr sogar eosinrotes, fibrilläres Gewebe wahrnehmen kann. 

Während bei den normalen Fällen die dem Ek. anliegenden Schilddrüsenfollikel in der Regel 
rundlich sind wie an anderen Stellen (Fig. 1, Taf. VIII) und Kompression der Schilddrüsenfollikel zu ovalen 
Formen nur selten und in geringem Grade und überdies aus dem schon erwähnten Grunde nur an der 
unteren Fläche des Ek. vorkam (Fig. 2, Taf. VII), verhält es sich bei den Rachitisfällen darin folgender- 
maßen: Hier fehlen Kompressionserscheinungen nur ausnahmsweise, und zwar unr bei Fällen (9, 
13), in denen die Ek.-Vergrößerung ein gewisses bescheidenes Maß nicht überschritten hat (Fig. 3, Taf. VII). 
In allen anderen Fällen aber waren die Schilddrüsenfollikel komprimiert, und dies war ums omehr der 
Fall, je bedeutender die Ek.-Vergrößerung war (Fig. 4 bis 6, Taf. VIII) die ja die Ursache der Kompression 
ist. So zum Beispiel war in den Fällen, in denen die absolute Ek.-Größe schon recht namhaft war (Fall 19, 
21, 10, 14, 11), ausnahmslos Kompression vorhanden, aber diese beschränkte sich allein aufjene Schild- 
drüsenfollikel, die unter dem Ek.lagen (Fig. 4, Taf. VII). Dies hängt, wie schon bei den normalen Ek. 
ausgeführt, vom indirekten Muskeldruck ab (Fig. 4). Bei den Fällen mit maximaler Ek.-Vergrößerung 
erreichte auch die Schilddrüsenkompression den höchsten Grad (Fig 5, 6, Taf. VID), die Follikel unter und 
auch neben dem Ek. wurden nicht nur zu ovalen Formen verunstaltet, sondern ihr Lumen war durch 
Kollaps zum Teil vollständig verschwunden, sie lagen konzentrisch um das Ek. herum in vielen Schichten 
übereinander und die Kompression griff zuweilen so sehr in die Tiefe, daß sie sich bis zu der der Trachea 
anliegenden Schilddrüsenoberfläche erstrecken konnte (Fall 15 rechts). 

Trifft das Ek. bei seiner Expansion in der Schilddrüse auf ein größeres Gefäß, so erhält es an der 
Oberfläche eine Einschnürung von dem sich ihm in den Weg stellenden Gefäß. Wenn aber, wie dies 
zuweilen der Fall war (siehe unten), das Ek. abnormer Weise schon vor dem Eintritt der Rachitis zum 
größten Teil außerhalb der Schilddrüse lag, so war die Kompression der Follikel trotz sehr 
bedeutender (Fall 15, links) oder selbst maximaler Ek.-Vergrößerung (Fall 18) gering. In solchen Fällen 
spielt sich eben die Ek.-Vergrößerung zum größten Teil außerhalb der Schilddrüse ab, während der für die 
Follikelkompression maßgebende intrathyreoideale Ek.-Teil nur gering ist. Es kommt dazu, daß in den zwei 
genannten Fällen die Ek. der Schilddrüse an ihrem oberen, beziehungsweise unteren Pole anlagen, wo der 
Muskeldruck nicht so stark einwirkt wie auf die Stelle, wo das Ek. normaliter liegt. 

So wie die Schilddrüsenfollikelkompression so geht mit der Ek.-Vergrößerung ein immer stärkeres 
Hervorquellen des Ek. aus der Schilddrüse Hand in Hand. In Fällen mit geringgradiger Ek.-Vergrößerung 
liegt das Ek. wie bei den normalen Fällen noch im Niveau der Schilddrüse (Fig. 3, Taf. VII), bei 
stärkerer Vergrößerung hebt es, wenn es stark versenkt ist, das Schilddrüsenniveau empor (Fig. 4, 6, 
Taf. VIII) oder prominiert über dasselbe (Fig. 5, Taf. VIII), wobei es den entgegenwirkenden Muskeldruck 
zu überwinden hat. In höchstem Grade liegt dieses Herausquellen der Ek. aus der Schilddrüse im Falle 20 
vor (Fig. 6, Taf. VIII), wobei sie mit einem namhaften Teil ausgetreten sind, der mit pilzförmig überhängen- 
dem Rande von den Muskeln an die Schilddrüsenfläche angepreßt wird. In dem mit Marasmus kombinierten 
Rachitisfalle 22 bestand, wenn auch in kleineren Dimensionen, ein ähnliches Verhalten wie in Fig. 6, 
obwohl hier die absolute Ek.-Größe infolge des Marasmus zu den geringsten der Rachitisreihe gehört. Das 
pilzförmige Hervorquellen deutet aber auf eine vor Eintritt des Marasmus bestandene sehr bedeutende 
Ek.-Vergrößerung hin. 

In jenen Fällen, in denen das Ek. fast vollständig außerhalb der Schilddrüse liegt, nur mit einem 
kleinen Teil der Oberfläche mit ihr am oberen oder unteren Pol in Kontakt steht (Fall 15, 18) oder zur Schild- 


drüse in gar keiner Beziehung mehr steht, sogar hinten am Pharynx liegt (Fall 16), handelt es sich aber nicht 


um die Folge rachitischer Ek.-Vergrößerung, sondern um eine kongenitale Lageanomalie, welche nur 
zufällig sich bei keinem unserer Kontrolltiere fand, aber aus früheren Erfahrungen uns wohl bekannt ist. 


Rachitis und Epithelkörperchen. 661 


Nach den Wachsmodellen beurteilt (Taf. VII, Fig. 21i—x) ist die Form der vergrößerten Ek. bei 
Rachitis mehr gedrungen, der Kugelform zustrebend. Den gleichen Eindruck hat man auch, wenn man 
Fig. 1,2 mit Fig. 3 bis 6, Taf. VIII vergleicht. In der Mehrzahl ist freilich noch immer die längs-ovale Gestalt 
vertreten, doch ist sie schon oft mehr kurz-oval, nicht ganz so selten sogar ebenso lang als breit, einmal 
sogar quer-oval, das heißt breiter als lang. Ebenso sind die rachitischen Ek. zumeist noch etwas flach, das 
_ heißt breiter als dick, aber doch schon auch sehr oft nicht mehr flach, sondern dicker als breit oder 
mindestens ebenso dick als breit, während das normale Ek. so gut wie immer flach ist. Ferner sind die Pole 
fast immer abgerundet und viel seltener als normal etwas zugespitzt. Hingegen ist auch bei Rachitis die in 
die Schilddrüse versenkte Oberfläche in der Regel viel stärker konvex als die bloßliegende, wiewohl auch 
diese durch das Hervorquellen des Ek. öfter recht konvex sein kann (Fig. 6, Taf. VII), und ebenso wie 
bei den normalen Tieren findet sich eine unebene mehr oder weniger wellige oder höckerige Beschaffenheit 
der Oberfläche häufiger an der versenkten als an der bloßliegenden Oberfläche, die wieder öfter glatt ist. 

Größere Auswüchse, Vorsprünge und Fortsätze finden sich sogar ausschließlich auf der ver- 
senkten Oberfläche, ebenso seichte und tiefe Furchen an der versenkten Fläche viel häufiger als an der 
bloßliegenden und überhaupt häufiger als beim normalen Tier. Zum Teil rühren diese Furchen von 
größeren Gefäßen her, an denen das sich vergrößernde Ek. ein Hindernis findet. Von besonderem Interesse 
aber waren jene bald seichter, bald aber sehr tief einschneidenden Furchen, welche genau an der Grenze 
zwischen der versenkten und bloßliegenden Oberfläche liegen (Taf. VIII, Fig. 6, Taf. VII, Fig. 21 w, rechts) 
und ihren Grund darin haben, daß das Ek. beim Herausquellen seines pilzförmigen Anteiles aus der Schild- 
drüse eine Einschnürung erfährt. Insgesamt war dieser Befund an 6 Ek. zu konstatieren. 

So wie bei den normalen so ist auch bei den Rachitisfällen die versenkte Oberfläche größer als 
die freiliegende und diese wird durch ein tieferes Versenken eines Poles oder seltener einer Kante noch 
verkleinert oder durch das Emportauchen eines Poles oder einer Kante vergrößert. 


Der alveoläre Bau der Ek, ist auch bei Rachitis gewahrt (Taf. VIII, Fig. 3 bis 6). Nur in einem Falle 
war der Bau mehr kompakt und die solide Epithelmasse von Stromasepten durchzogen. Die durch- 
schnittliche Größe der Alveolen ist ausnahmslos in jedem Falle in ganz spezifischer Weise gegen die 
Norm vermehrt (Diagramm XXVII, Tafel XI, vgl. Fig. 3 bis 6 mit 1 und 2). Während normaliter dieses 
Maß zwischen 22:1 und 26'7 schwankt, bewegt essich bei Rachitis zwischen 32°9 und 201. Es bedeutet 
dies nicht nur eine enorme Vergrößerung der Alveolen, sondern auch eine bedeutende Schwan- 
kung dieses Maßes von Fall zu Fall, was bei den normalen Tieren kaum der Fall ist. Da mit der Ver- 
größerung des Ek. auch eine Vergrößerung der Alveolen Hand in Hand geht, so besteht zwischen dem 
Diagramm XXVI und XXVIII eine große Ähnlichkeit. So steht auch im Diagramm XXVIII der leichteste 
Rachitisfall 9 an erster, der höchstgradige Fall 18 an letzter Stelle und die zwar schwersten aber jungen 
Rachitisfälle 21 und 19 befinden sich unter den niedrigeren Zahlen, während der nur mäßige aber alte 
Rachitisfall 12 unter den höchsten Zahlen steht. 

Der Vergrößerung der Alveolen liegt eine spezifisch rachitische Vermehrung der die Alveole er- 
füllenden Epithelzellen (vgl. Fig. 1, 2 mit 3 bis 6 und Fig. 8 mit 16 und 18) zugrunde und diese Ver- 
mehrung erreicht in schwereren Rachitisfällen ganz exzessive Grade. Daß die Epithelzellen noch über- 
dies erheblich hypertrophisch sind, werden wir weiter unten sehen. Die spezifisch rachitische 
Veränderung der Ek. beruht eben auf Hyperplasie und Hypertrophie. Während in der Text- 
fig. 8, die einem normalen Ek. entnommen ist, eine ganze Anzahl von Alveolen enthalten ist, fassen die viel 
größeren Textfig. 16 und 18, die rachitischen Ek. entnommen sind, nur Bruchteile von Alveolen. 

Bemerkenswert ist es, daß selbst in den mit Marasmus kombinierten Fällen die Alveolargröße noch 
immer um das 3 bis 4fache das normale Maximum übertrifft, wiewohl bei ihnen die Zellhyper- 


662 Dr. J. Erdheim, 


trophie vollständig verschwunden ist; die Hyperplasie ist aber noch sehr stark ausgesprochen. 
Auch bei der Schwangerschaftsvergrößerung der Hypophyse schwindet im Puerperium als erstes die 
Hypertrophie, während die Hyperplasie noch sehr lange persistiert. 

So wie bei den normalen so findet man auch bei den rachitischen Ek. sehr häufig, daß nahe der 
freien Oberfläche die Alveolen viel kleiner sind als im übrigen Teil des Ek. (Fig. 3 bis 5 kl). Im 
Falle 16, wo die Ek. ganz außerhalb der Schilddrüse lagen, waren die kleinen Alveolen rings an der ganzen 
Peripherie zu finden. Diese kleinen Alveolen sind bald nur weniger vergrößert als die anderen (Fig. 5 kJ), 
bald aber gar nicht vergrößert (vgl. Fig. lek mit3 kl). In den Fällen (11 bis 13 und 17 bis 19), in denen die 
Kleinheit dieser Alveolen gegenüber den anderen besonders auffallend war, wurden diese für sich allein 
gemessen. Dabei zeigte es sich, daß ihre Größe zwischen 18:6 und 29:6 u schwankt, was ungefähr die 
durchschnittlichen Maße der normalen Ek. sind. Aufalle Fälle nahm die kleinalveoläre Partie nur einen 
kleinen Teil des gesamten Ek. ein (Fig. 3), zuweilen nur ein schmales, superfizielles Streifchen (Fig. 4, 5) 
und nur im Falle 12 etwa das halbe Organ. 

Es ist schwer zu sagen, warum die superfiziellsten Alveolen die Hyperplasie und Hypertrophie erst 
später durchmachen. Zu denken wäre daran, daß das Ek. mit Gefäßen hauptsächlich, wenn auch nicht 
ausschließlich von unten her, nämlich vom Schilddrüsengewebe aus versorgt wird, ferner auch daran, 
daß der Muskeldruck, die aus der Schilddrüse herausstehenden superfiziellsten Ek.-Teile ischämisch 
macht. Zum Schluß erlangen aber auch die oberflächlichsten Ek.-Teile die pathologische Steigerung der 
Alveolargröße, wie man das in Fig. 6 sehen kann. Ä 

Das Stroma verhält sich im superfiziellen, kleinalveolären Anteil anders als im großalveolären. An 
ersterer Stelle ist das Verhalten so ähnlich wie normal, das heißt, die Septen sind relativ dick, weisen aber 
keine deutlichen Fibrillen auf, hingegen viele Stromakerne. Im großalveolären Anteil jedoch sind die Septa 
(Fig. 6 und 18 5) viel dicker als normal und enthalten bald mehr bald weniger viel eosinrote Bindegewebs- 
fibrillen, die im normalen Ek. nur ausnahmsweise anzutreffen sind. Nur in Fällen mit nicht maximaler Ek.- 
Vergrößerung kann man zwischen den vergrößerten Alveolen auch Septen von normaler Zartheit vor- 
finden. 


Während in den zarten Septen nur Kapillaren liegen, welche meist wenig gefüllt oder leer sind, 
findet man in den dickeren Septen des großalveolären Anteiles (Fig. 16 G) so gut wie immer große Blut- 
gefäße, die aber nur selten einigermaßen gut, meist wenig gefüllt sind. Die schlechte Füllung der Ek.- 
Gefäße überhaupt steht in auffallendem Gegensatze zum guten Füllungszustande der Schilddrüsengefäße 
im gleichen Schnitt und hat zur Folge, daß die Ek. makroskopisch weiß gegenüber derroten 
Schilddrüse erscheinen. 


Die Epithelzellen sind, abgesehen von der oft sehr bedeutenden Vermehrung, in der Regel auch 
ganz deulich hypertrophisch (vgl. Fig. 8 mit 16 und 18). Im Falle 9 und 16 war aber die Zellver- 
größerung gering und in beiden Marasmusfällen waren die Zellen sogar sehr klein, atrophisch, was 
natürlich ein sekundärer Zustand ist. Nicht vergrößert waren ferner die Epithelzellen zuweilen in den 
superfiziellen, kleinalveolären Anteilen der Ek. Im Falle 20 hingegen fand sich am Ek.-Rande eine 
Partie mit etlichen Alveolen (Fig. 19), in denen die Epithelzellen in so monströser Weise vergrößert 
waren, daß sie den normalen Epithelkörperzellen völlig unähnlich geworden waren. 


Die Kerne sind wie unter normalen Umständen oval und hell, aber entschieden größer als normal 
(Fig. 16, 18); die Chromatinstruktur und Kernkörperchen sind zumeist deutlich zu sehen (Fig. 16), 
andere Male ist etwas weniger Chromatin vorhanden. In den klein alveolären Ek.-Teilen sind auch die 
Kerne kleiner und dunkler, zuweilen ohne deutliche Chromatinstruktur. Die Neigung der Kerne, Rand- 
palisaden zu bilden, ist ganz geschwunden, doch liegen die Kerne am Rande der mächtig vergrößerten 


Alveolen wegen der Protoplasmaarmut der randständigen Zellen viel dichter zusammen (Fig. 16, 18), ° 


sind hier sogar zuweilen auch kleiner und dunkler und daher kommt es, daß bei schwacher 
Vergrößerung die großen Alveolen wie dunkel umsäumt sich ausnehmen. Das ist in Fig. 4 schon 


Rachitis und Epithelkörperchen. 663 


r 


angedeutet, in Fig. 5 und 6 aber sehr deutlich wahrnehmbar. In den Marasmusfällen sind die Kerne 
verkleinert, dunkel und neigen vielfach zu mehr rundlichen Formen. 

Während unter den normalen Fällen nur in einem (Fall 7) zwei Mitosen nachgewiesen werden 
konnten, fehlten sie bei den Rachitistieren nur 4mal, darunter bei den 2 marantischen Tieren, ferner 
beim Tier 9 mit der leichtesten und beim Fall 16 mit allerdings schwerer Rachitis. Sonst waren in 
allen Fällen von Rachitis Mitosen nachweisbar (Fig. 16m), wenn auch in sehr verschieden großer 
Zahl. So wurde im Falle 19 nur eine Mitose gesehen und im Falle 17 waren sie in jedem Schnitt 
der Serie nachweisbar und so massenhaft, daß in einem Gesichtsfeld bei starker Vergrößerung ihrer 
4 bis 5 gezählt werden konnten. Zwischen diesen Extremen gibt es alle Übergänge. Doch waren 
Mitosen meist reichlich und in schwereren Rachitisfällen (17, 18) fehlten sie selbst im kleinalveolären 
Anteil nicht. Sie standen meist im Stadium des Muttersternes, doch waren auch Tochtersterne nicht 
gerade selten nachweisbar.. Die Anwesenheit von Mitosen ist der sichtbare Ausdruck der 
noch immer vor sich gehenden Hpyperplasie. 

Die Protoplasmamenge ist in der Regel vermehrt, so daß die Kerne weiter auseinander liegen 
als normal (vgl. Fig. S und 16); das Protoplasma ist deutlich eosinrot gefärbt, zuweilen sogar recht 
dunkel, so daß das Gesamtkolorit der Schnitte viel dunkler ist als im normalen Ek. (Fig. 16, 18). 
Zellgrenzen sind nicht zu sehen. Seltener ist das Protoplasma nicht vermehrt und hell, selbst wasser- 
hell. Dies pflegt insbesondere im superfiziellen, kleinalveolären Anteil der Fall zu sein, der davon 
einen helleren Farbenton aufweist (Fig. 3 kl) 


Daselbst kommen ausnahmsweise auch scharfe Zell- 
grenzen vor. Dürftig ist selbstverständlich das Protoplasma in den Marasmusfällen, worin ein Ausdruck 
der Zellatrophie liegt. 

Es ist klar, daß die oft riesenhaften Epithelmassen zur besseren Ernährung und Aus- 
nützung des Parenchyms bei Rachitis viel öfter und in viel ausgiebigerem Maße von einge- 
wachsenen Kapillaren durchzogen sein müssen als dies unter normalen Umständen der Fall ist. 
Da aber diese Kapillaren zumeist kollabiert sind, verrät sich ihre Anwesenheit nur daran, daß die Epithel- 
masse von den als dunkle Stromakerne imponierenden Kapillarendothelzellen durchzogen ist (Fig. 16, 
18%). Doch zeigt die Anwesenheit einiger roter Blutkörperchen in engster Nachbarschaft dieser Kerne, 
daß es sich um Kapillaren handle. Wenn auch die Epithelmasse nur von wenigen Stromakernen durch- 
zogen ist, so kann trotzdem die Zahl der Kapillaren sehr bedeutend sein, so bedeutend, daß man sie 
nach den spärlichen Kernen nicht vermuten würde. In leichteren Rachitisfällen ist diese Capillarein- 
wachsung bald spärlich, bald sehr reichlich, in schwereren Fällen aber durchwegs sehr reichlich. Sind 
die Kapillaren sehr zahlreich, so bilden sie ein Netz, das die große Epithelmasse in viele kleine 
Alveolen zerlegt. In den Fig. 16 und 18 ist dies aber noch nicht der Fall. Es scheint die Zellver- 
mehrung der Vascularisation vorauszueilen und darum läßt sich aus der bereits erfolgten Zerlegung 


der großen Epithelmasse in kleinere Alveolen ein Schluß auf längeren Bestand der rachitischen Ver- 
änderung ziehen. 


Wir gehen nun zur Besprechung der akzessorischen Ek. über. Wie unter den normalen so 
war auch unter den Rachitisfällen einer, in dem gar keine akzessorischen Ek. nachgewiesen werden 
konnten. Da dies ein hochgradig kachektisches Tier war, so liegt die Vermutung nahe, daß sich hier 
infolge marantischer Atrophie die akzessorischen Ek. der Wahrnehmung entzogen haben. Sonst waren 
akzessorische Ek. in jedem Falle zu finden. 2 waren in einem Falle, 3, 4, 5 und 6 in je zwei Fällen, 
7 in drei Fällen, 8 und 14 in je einem Falle nachweisbar. Der letzterwähnte Fall (16), in dem sich 14 
akzessorische Ek. fanden, muß als präexistente, kongenitale Zersprengung des ganzen Ek.- 
Apparates angesehen werden, womit die ebenfalls als Mißbildung aufzufassende extrathyreoideale Lage 
der Haupt-Ek. einherging. Selbst wenn wir von diesem Falle absehen, so ergibt die Berechnung, daß bei 


664 Dr. J. Erdheim, 


Rachitis durchschnittlich 4°8, bei den normalen 19 akzessorische Ek. auf das Tier fallen, wobei bei den 
rachitischen die beobachtete Maximalzahl 8, bei den normalen nur 4 betrug. Es geht daraus klar hervor, 
daß bei Rachitis die akzessorischen Ek. mehr als doppelt so häufig gefunden worden sind als 
normal. 

Da aber neue akzessorische Ek. bei Rachitis unmöglich erst auftreten können, so bleibt keine 
andere Möglichkeit der Erklärung als nur die, daß die akzessorischen Ek. bei Rachitis infolge ihrer, wie 
wir sofort hören werden, charakteristischen Vergrößerung unmöglich der Wahrnehmung entgehen 
können, was bei vielen unter ihneri, wenn sie, wie offenbar unter normalen Umständen, sehr klein sind, 
eben der Fall zu sein scheint. 

Trotz der zuweilen sehr erheblichen Vergrößerung wurden die akzessorischen Ek. bei der 
Obduktion nicht gesehen, wiewohl sie in der Schnittserie manchmal mit freiem Auge wahrnehmbar 
waren. Die Ursache dafür ist der Mangel der genauen Kenntnis ihrer Lage. Wir sehen und erkennen ja 
mit freiem Auge auch das Haupt.-Ek. nur dann mit Sicherheit, wenn es an seiner typischen Stelle liegt. 

Bei den Rachitistieren lagen die akzessorischen Ek. links etwas häufiger als rechts und die weitaus 
größte Mehrzahl an und in der Thymus und in ihrer Spitze. Nur in einem Falle lag eines am unteren 
Schilddrüsenpol und in dem schon erwähnten Falle 16, in dem sich 14 akzessorische Ek. fanden, lagen ihrer 
6 neben der Schilddrüse und 3 von ihnen waren besonders groß. 


Die Form der akzessorischen Ek. (Taf. VII, Fig. 21 i—x) war nach den Wachsmodellen in den 
meisten Fällen oval, nicht selten sogar kurz oval, ausnahmsweise sehr lang. Die Querschnittsfigur war 
fast immer flach, selten stärker abgeplattet noch seltener Kreisförmig oder dreieckig. Die Pole waren bald 
abgerundet bald zugespitzt. Tiefere Einschnürungen waren selten. Ausnahmsweise hatte ein akzessorisches 
Ek. die Gestalt einer mehr oder weniger abgeflachten Kugel oder eines Tetraeders. Nur ganz selten war 
die Form ganz unregelmäßig, sogar bizarr (Fig. 7, Taf. VIII), wie man an 2 sehr großen akzessorischen EK. 
der Fig. 21s, Taf. VII sehen kann. 


Schon ein Blick auf die Fig. 21 (i—x) belehrt uns, daß die akzessorischen Ek. bei Rachitis viel größer 
zu sein pflegen als in normalen Fällen. Im Diagramm XXVII, Tafel XI ist die relative Größe der akzes- 
sorischen Ek. zusammengestellt, und da ist zu sehen, daß bei Rachitis auf 100 g Körpergewicht mindestens 
4:5 und höchstens 361 dmm? akzessorischen Ek.-Gewebes kommen. Diese höchste Zahl können wir unbe- 
rücksichtigt lassen, denn sie gehört dem Falle 16 an, bei dem sich abnorm große Stücke und in ungewöhn- 
lich großer Zahl von den Haupt-Ek. abgeschnürt haben. So wäre 98 dm? eigentlich die höchste Zahl. 


Vergleichen wir die relative Größe der akzessorischen Ek. bei Rachitis mit denen bei den nor- 
malen Tieren, so sehen wir, daß erstere durchwegs bedeutender ist, wenn wir den normalen Fall 1 
aus schon mehrfach erwähnten Gründen unberücksichtigt lassen. Es schwankt die relative Größe der 
akzessorischen Ek. in den verschiedenen Fällen fast um das 22fache, also bedeutend mehr als dies 
bei den normalen akzessorischen Ek. der Fall ist (Sfach) und auch viel mehr als bei den rachitischen 
Haupt-Ek. (10fach). Die sehr bedeutende Schwankung in der Größe der akzessorischen Ek. auch bei 
Rachitis ist abermals ein Fingerzeig dafür, daß es rein Zufallssache ist, wie viele und wie große Ek.- 
Stückchen sich bei der Entwicklung vom Hauptorgane abschnüren. 


Von der Willkürlichkeit des Zustandekommens der akzessorischen Ek. abgesehen, gilt für ihre 
Vergrößerung dasselbe wie für die Haupt-Ek. So finden wir im Diagramm XXVII unter den 
kleineren Zahlen entweder leichte oder zwar schwere aber kurzdauernde Rachitisfälle. Wenn wir 
das Diagramm XXVII in 2 Hälften teilen, in die erste mit geringen, in die zweite mit hohen Zahlen, 
so finden wir in der ersten Hälfte fast dieselben Fälle beisammen wie in der gleichen Hälfte des 
Diagrammes XXVI (rachitische Haupt-Ek.), wenn auch in anderer Reihenfolge, und ebenso ist es mit 
der zweiten Hälfte. 

Aus dem bisher Gesagten geht hervor, daß die akzessorischen Ek. die rachitische Vergröße- 
rung ebenso aufweisen wie die Haupt-Ek. Das kann so weit gehen, daß, vom Falle 16 abgesehen, 


Rachitis und Epithelkörperchen. 665 
die absolute Größe eines akzessorischen Ek. im Rachitisfalle 20 zum Beispiel 8192 dmm’, und die 
eines Haupt- Ek. im normalen Falle 3 sogar nur 80:95 dmm’ betrug. 


Mit den Zahlen steht das histologische Bild der akzessorischen Ek. bei Rachitis in bester 
Übereinstimmung, denn der Vergrößerung liegt eine Hyperplasie und Hypertrophie zugrunde. Diese 
Veränderung war aber nicht immer gleich stark ausgebildet und nicht immer gleichmäßig zu 
sehen. Im Falle 19 (Fig. 17) zum Beispiel sah man die Veränderung im Beginne, in den Fällen 10 bis 13 
und 20 war sie überall gleichmäßig und voll entwickelt (Fig. 13 bis 15, 20), und in den übrigen Fällen end- 
lich war die Veränderung nicht überall im selben Ek. oder nicht in allen akzessorischen Ek. zu finden, 
indem unveränderte, in Veränderung begriffene und vollkommen veränderte Partien abwechselten. 


Die durchschnittliche Alveolargröße ist in den akzessorischen Ek. der Rachitisfälle (Fig. 13 bis 15, 
17, 20) ausnahmslos gegen die der normalen Fälle (Fig. 9) erhöht und schwankt auch in viel 
größerem Maße als bei diesem (Diagramm XXIX, Tafel XD. Nur in 4 Fällen sind die Alveolen der 
rachitischen akzessorischen Ek. weniges kleiner, in 5 Fällen ebenso groß (Fig. 17) und ebenfalls in 5 Fällen 
sogar noch größer als in den Haupt-Ek. normaler Tiere (Fig. 13, 20). In 2 Fällen endlich waren die Alveolen 
der rachitischen akzessorischen Epithelkörperchen ebenso groß wie die der rachitischen Haupt-Ek. (vgl. 
Fig. 7 gr mit Fig. 4gr). Es besteht also hier kein Zweifel, daß bei Rachitis eine wesentliche Ver- 
größerung der Alveolen auch in den akzessorischen Ek. besteht. Doch muß dies sowie übrigens 
im Haupt-Ek. nicht durchwegs der Fall sein (Fig. 17, 7). 


Es beruht das vorerst auf einer Vermehrung der Epithelzellen in den Alveolen, welche bald 
mäßig ist (vgl. Fig. 17, 14, 15) bald aber so exzessiv, daß die Alveolen zum Teil ebensoviele Zellen ent- 
halten wie das normale Haupt-Ek. (vgl. Fig. 13, 20.A, mit 8). 


Ferner sind aber auch die Epithelzellen hypertrophisch (Fig. 13 bis 15, 17, 20, vgl. normale Fig. 9). 
Der Kern ist oval, größer und vor allem heller als normal, zuweilen exzessiv groß (Fig. 20) mit mehr oder 
weniger gut sichtbarer Chromatinstruktur. Im Falle 17 konnten sogar Mitosen nachgewiesen werden, die 
unter normalen Umständen stets fehlten. Das Protoplasma bald nur mäßig vermehrt (Fig. 14), bald viel 
reichlicher als normal (Fig. 13, 15, 17), bald aber besonders reichlich (Fig. 20) und dabei entweder so hell 
wie normal (Fig 12, 13 A,, 19. A,) oder mehr oder weniger intensiv mit Eosin gefärbt (Fig. 13.A,, 20). 


So wie beim Haupt-Ek. so kommt auch beim akzessorischen Ek. zuweilen eine ganz exzessive 
Zellhypertrophie vor und dies ist entweder herdweise der Fall (Fig. 13 A,) oder betrifft das ganze 
Parenchym (Fig. 20). Ein Fehlen der Zellhypertrophie konnte nur in manchen, meist leichteren Rachitis- 
fällen und überdies nur stellenweise konstatiert werden. Im Marasmusfall 23 endlich waren die Epithel- 
zellen sogar atrophisch, verkleinert, ihre Kerne bald oval, bald rund, hell oder dunkel, ohne Chromatin- 
struktur und das Protoplasma so spärlich, daß die Kerne dicht zusammenlagen. 


Das Stroma verhält sich analog wie bei der rachitischen Veränderung der Haupt-Ek. So lange diese 
noch mäßig ist, sind die dunklen, spindeligen Stromakerne noch relativ reichlich zu sehen. Doch sind sie 
sogar in Fig. 14 schon relativ spärlicher als im normalen Bilde Fig. 9. In Fig. 13 und 15 sind sie noch 
spärlicher, in Fig. 20 relativ schon ganz spärlich, wenn wir Fig. 9 danebenhalten. Dabei sind die ver- 
größerten Alveolen dichter zusammengepreßt und darum die Septa relativ schmal (Fig. 13), doch ist nicht 
selten, so ähnlich wie im rachitischen Haupt-Ek., ein Auftreten eosinroten, fibrillären Gewebes in den 
dickeren Septen zu beobachten (S in Fig. 13 bis 15, 20). 

Die Blutkapillaren in den Stromasepten sind bald gar nicht, bald nur stellenweise und mäßig und 
nur ausnahmsweise gut gefüllt (C in Fig. 13 bis 15, 17, 20). In Fig. 13 C ist sogar eine Blutkapillare zu 
sehen, welche in die Epithelmasse eines größeren Alveolus hineingewachsen ist. 


666 Dr. J. Erdheim, 


Nach dem Verhalten der Größe und der histologischen Struktur ist der Schluß gestattet, daß die 
akzessorischen Ek. bei Rachitis in ganz analoger Weise wie die Haupt-Ek. eine spezifische 
Hyperpasie und Hypertrophie durchmachen. 


Im folgenden soll eine Darstellung unserer derzeitigen Kenntnisse von den Beziehungen der Ek. zum 
Kalkstoffwechsel und gewissen Skelettveränderungen gegeben werden. Bevor wir aber dazu übergehen, 
wollen wir uns über den Vorgang der Knochenverkalkung unter normalen und pathologischen 
Umständen orientieren. Es wurde schon seit langem angenommen, daß beim normalen Skelettwachstum 
der Knochen nur kalklos apponiert werden kann um erst sekundär zu verkalken. Wie schon einmal hervor- 
gehoben, war Pommer der erste, der an den Appositionsflächen im normalen Skelett dieses noch kalklose 
Stadium in Form eines schmalen Osteoidsaumes auch tatsächlich gesehen hat. 


Später haben Stöltzner und Salge, namentlich mit Rücksicht auf gewisse Vorkommnisse in der 
Knochenpathologie zwischen das Stadium des kalklosen und das des kalkhaltigen Gewebes noch ein Über- 
gangsstadium folgender Art eingeschoben. Im ersten Stadium ist das Knochengewebe kalklos und hat auch 
noch gar nicht die Fähigkeit zu verkalken: Das ist das Osteoid. Im zweiten Stadium wird das Osteoid 
derart chemisch verändert, daß es nunmehr zur Kalkaufnahme befähigt ist ohne aber vorerst noch tatsäch- 
lich zu verkalken: Potentiell kalkhaltige’Substanz. Im dritten Stadium nimmt diese endlich Kalk auf: Die 
definitive aktuell verkalkte Substanz. Im normalen Skelett fehlt aber das zweite Stadium, denn sobald die 
Kalkaufnahmsfähigkeit eingetreten ist, tritt auch schon die Verkalkung ein. Ein Beispiel für das Vorkommen 
potentiell kalkhaltiger Substanz hat Lehnerdt gegeben, indem er bei seinen strontiumgefütterten Tieren 
eine pathologisch große Menge kalklosen Knochengewebes auftreten sah und dies so erklärte, daß das 
Strontium den Knochen sehr stark zur Neubildung anrege, dieser werde kalklos apponiert, habe auch die 
Fähigkeit, Kalk aufzunehmen, aber es sei bei der Überproduktion des Knochengewebes nicht Kalk genug 
vorhanden, um alles junge Knochengewebe damit zu imprägnieren und so verhartt dieses pathologisch 
lang im Stadium der potentiell kalkhaltigen Substanz. 


Nun findet man bei Rachitis und Osteomalacie in pathologisch großer Menge das Knochengewebe 
kalklos und die Frage, wie das zu erklären sei, ist bis heute noch nicht entschieden. Die Ansicht, daß eine 
Halisterese, das heißtKalkentziehung des schon verkalkt gewesenen Knochengewebes möglichist, wurdein 
neuerer Zeit fallen gelassen. Es hat diese Ansicht zuerst Virchow für die Osteomalacie vertreten, während 
er bei Rachitis das Osteoid ausschließlich durch Kalklosbleiben neuer Apposition erklärte. Cohnheim hat 
aber auf dem Wege theoretischer Überlegung auch für die Osteomalacie die Halisterese in Abrede gestellt. 
Kassowitz und Pommer haben dann durch histologische Untersuchungen Cohnheim’s Ansicht be- 
gründet. Während aber Kassowitz die Halisterese unbedingt verwirft, gibt Pommer in sehr beschränktem 
praktisch kaum in Betracht kommendem Ausmaße ihre Möglichkeit zu. Aber selbst diese letzte Möglich- 
keit des Vorkommens von Halisterese bestreitet Axhausen auf Grund genauer histologischer Unter- 
suchungen und kommt somit zum Resultate, die Halisterese ohne jegliche Einschränkung in Abrede zu 
stellen. Dessenungeachtet hat v. Recklinghausen. auch noch in allerneuester Zeit seine Annahme auf- 
recht erhalten, daß es Halisterese gebe und daß sie nicht nur bei Osteomalacie, sondern, wenn auch in viel 
geringerem Ausmaße, sogar bei Rachitis vorkomme. 


So lange die Beweise von Cohnheim Kassowitz, Pommer und Axhausen nicht widerlegt sind, 
werden wir gut tun, die Halisterese, als unbewiesen, nicht in Betracht zu ziehen und daran festzuhalten, 
daß alles kalklose Knochengewebe bei Rachitis und Osteomalacie auf kalklos gebliebener Apposition 
beruhe. | 

Die Frage geht nun dahin, warum das Knochengewebe bei Rachitis nicht verkalkt. Mit 
dieser Frage hat sich unter kritischer Sichtung der auf Rachitis sich beziehenden chemischen Publikationen 


Rachitis und Epithelkörperchen. 667 


neuestens Lehnerdt sehr eingehend befaßt. Aus dieser Darstellung, auf die auf das nachdrücklichste ver- 
wiesen sei, möge nur soviel hervorgehoben werden, daß Lehnerdt weder den zu geringen Kalkgehalt der 
Nahrung, noch die ungenügende Kalkresorption im Darm bei genügendem Kalkgehalt der Nahrung, noch 
die genügende Kalkresorption aber zu rasche Kalkelimination im Darm als Ursache für das Kalklosbleiben 
des Knochengewebes bezeichnen kann. Alle die genannten Möglichkeiten gipfeln nämlich darin, daß der 
Knochen Kalk in nicht genügender Menge zugeführt bekommt, während nach den Untersuchungen von 
Stöltzner und Miva nicht Rachitis, sondern die ganz anders aussehende pseudorachitische Osteoporose 
sich einstellt, wenn dem Knochen nicht in genügender Menge Kalk dargeboten wird. Lehnerdt gelangt 
schließlich zu der schon von Stöltzner und Salge vertretenen Ansicht, daß die Kalkablagerung 
im Skelett deshalb ausbleibe, weil das Knochengewebe trotz genügenden Kalkangebotes nicht die Fähig- 
keit besitzt, Kalk aufzunehmen, es ist nach der Definition von Stöltzner und Salge noch immer Osteoid 
aber noch keine potentiell kalkhaltige Substanz. 

Nach alledem ist es klar, daß Lehnerdt die Wirkung der von Kassowitz eingeführten vorzüglichen 
Phosphortherapie der Rachitis in der Weise erklärt, daß dabei die Kalkaufnahmsfähigkeit des Osteoids 
wieder hergestellt werde. Diese Erklärung weicht wohl von der Kassowitz’s selbst gegebenen ab als auch 
von der Schabad'’s, der den Einfluß dieser Therapie auf den Kalkstoffwechsel studierte. 

Darüber, in welchem Grade die Behinderung der Kalkablagerung bei Rachitis vorliegt, gehen die 
Ansichten weit auseinander. Heubner und Stöltzner sind der Meinung, daß bei Rachitis die Unfähigkeit 
des Osteoids Kalk aufzunehmen absolut ist. Dem tritt Schmorl entgegen, indem er angibt, zum Teil 
wenigstens auch während der Rachitis am sicher neugebildeten Osteoid Kalkablagerung gesehen zu haben, 
ohne sich davon überzeugen zu könen, daß diese auf eine Remission zurückzuführen wäre. 

Es ist in der Tat auch gar nicht einzusehen, warum die Kalkaufnahmsfähigkeit unter allen Um- 
ständen absolut gehemmt sein muß. Nach dieser Annahme gäbe es nur einen Grad dieser Kalkstörung, 
und zwar die absolute oder aber völlig normale Verhältnisse und die bei Rachitis zu beobachtenden, 
so außerordentlich verschiedenen Grade der pathologischen Knochenveränderung müßten ausschließlich 
auf der verschieden langen Dauer dieser stets absoluten Störung beruhen. Aber wenn wir die Erfahrung 
über die Nagezahnveränderung bei der spontanen Rachitis und nach der Ek.-Exstirpation zu Rate ziehen, 
kommen wir zu dem Resultate, daß die Kalkaufnahmsfähigkeit des Gewebes nicht absolut gehemmt ist. 
Der Nagezahn wird beim normalen Tier und bei Rachitis ständig abgenutzt und wäre in seinem Dentin 
die Kalkablagerung absolut gehemmt, dann müßte schließlich ein Zeitpunkt kommen, in dem der Zahn 
völlig kalklos wird. So etwas kommt aber weder bei spontaner Rachitis, noch nach der Ek.-Exstirpation je 
vor. Ausnahmslos sind die ältesten Dentinschichten gut verkalkt und wo diese in die jüngsten, völlig kalk- 
losen übergehen, da gibt es unvollkommene Verkalkung in verschiedener Form, in der Regel, stellenweise 
wenigstens, in mehrfacher Abwechslung kalklose und kalkhaltige Streifen in paralleler Folge abwechselnd. 
Sollte diese streifige Verkalkung auf ständige Abwechslung vor sich gehender und völlig gehemmter Kalk- 
ablagerung hindeuten, so müßte die Abwechslung von Remission und Rezidiv geradezu als obligat für die 
Rattenrachitis bezeichnet werden. Da die Dicke der hier in Betracht kommenden Schichten so gering ist, 
daß früheren Erfahrungen gemäß nur 2 bis 5 Tage zu ihrem Aufbau benötigt werden,so handelt es sich um 
stets sehr kurzfristige Remissionen und Rezidiven. Und schon aus diesem Grunde kann man diese Art der 
gehemmten Kalkablagerung als einer solchen nahestehend bezeichnen, bei der die Kalkablagerung zwar 
gleichmäßig aber nicht völlig gestört ist. Diese Kurzfristigkeit der Remissionen und Rezidiven könnte auch 
der Grund dafür sein, warum am histologischen Rippenbilde nichts von analogen Erscheinungen wahr- 
zunehmen war. 

Pommer und Schmorl leugnen es, daß bei Rachitis eine pathologische Beschaffenheit des Osteoids 
die Ursache der Behinderung der Kalkaufnahme sei, denn wenn Heilung eintritt, verkalkt das nämliche 
Östeoid dann doch. Bei Rachitis spricht Pommer von einer ganz oder fast ganz ausbleibenden Ver- 
kalkung. Bei Osteomalacie aber führt er sich vorfindende Kalkablagerungen auf Remission zurück. Ganz 


extrem aber ist die Meinung v. Recklinghausen’s, das Osteoid sei bei Rachitis zur Aufnahme von Kalk- 
Denkschriften der mathm.-naturw. Kl. XC. Bd. 90 


668 Dr. J. Erdheim, 


salzen unfähig und es müsse wieder abgebaut und durch ein neues ersetzt iverden, wenn Heilung erzielt 
werden soll. 

Wir verfügen über eine eigene Erfahrung, die diese Meinung v. Recklinghausen'’s zu unterstützen 
scheint, aber doch auch eine andere Deutung zuläßt. Wenn man einer Ratte die Ek. exzidiert und sofort 
wieder an einer anderen Stelle implantiert, so vergehen einige Tage, bis die Ek. an ihrem neuen Orte ein- 
geheilt sind. Während dieser kurzen Zeit entbehrt das Tier der Ek-Funktion und das hat zur Folge, daß die 
in dieser Zeit gebildeten Dentinschichten der Nagezähne kalklos bleiben. Nehmen dann die Ek. nach der 

Einheilung ihre Funktion wieder auf, so verkalkt das von da an neugebildete Dentin wieder. Zugleich ist 
“ aber wieder Gelegenheit zur nachträglichen Verkalkung jenes Dentins gegeben, das zur Zeit der fehlenden 
Ek.-Funktion gebildet und kalklos geblieben war. Aber diese nachträgliche Verkalkung erfolgt nicht oder 
nur so unvollkommen, daß man diese Dentinschicht dauernd an ihrer Kalkarmut erkennt. Das ist der Trans- 
plaftationsstreifen, dessen Vorkommen die Nachuntersuchung Hohlbaum’s bestätigt haben. Diese 
Erscheinung könnte im Sinne v. Recklinghausen’s dahin gedeutet werden, daß dasin der Zeit fehlen- 
der Ek.-Funktion gebildete Dentin der Eigenschaft zu verkalken dauernd entbehrt und erst das später 
hinzukommende Dentin wieder verkalkt. Doch wäre es auch gut möglich, daß mit dem schichtweisen 
Dickenwachstum des Dentins der Transplantationsstreifen inzwischen zu weit weg von der kalkzuführen- 
den Pulpa abgerückt ist, um noch verkalken zu können. 

Über die Ursache der Behinderung der Kalkablagerung im rachitischen Knochen bestehen folgende 
Ansichten. Pommer meint, die Ursache -liege nicht im Knochen, sondern außerhalb desselben, so daß 
morphologische Skelettuntersuchungen niemals die Ursache der Rachitis ergründen werden. Die von uns 
als rachitisch bezeichnete Skelettveränderung ist eben nichts anderes als ein Symptom einer Krankheit 
unbekannter Ursache, ein Symptom, welches darauf beruht, daß bei dieser Krankheit eine Behinderung der 
Kalkablagerung besteht. In dieser Vorstellung Pommer’s wurzelt die von uns in der Einleitung zum Callus- 
abschnitte vertretene Anschauung, daß das, was wir die Kalkstörung nennen, nicht indentisch ist mit dem, 
was wir die rachitische Skelettveränderung heißen. Denn dauert die Kalkstörung, auch wenn sie noch so 
hochgradig ist, erst kurz, so sind die Skelettveränderungen noch geringfügig; ist aber die Kalkstörung erst 
vor kurzem gewichen, so ist das Skelett noch schwer verändert, denn die Knochenveränderung erfordert 
lange Zeit, bis sie ganz schwindet. 

Von der Beobachtung Rindfleisch’s ausgehend, daß die Knochenverkalkung in unmittelbarer Nähe 
eines Gefäßes ausbleibt, und erst weiter weg davon, wo eine relative Ruhe des Flüssigkeitsverkehres 
besteht, erfolgen kann, nahm Kassowitz an, die Hyperämie des Knochens sei die Ursache der 
rachitischen Verkalkungshemmung, und darum interessierte ihn vor allem die Ursache dieser Hyperämie. 
Er nahm an, daßin der veratmeten Zimmerluft enthaltene Gifte durch die Lungen ins Blut aufgenommen 
werden, und dieses Gift, »die respiratorische Noxe«, führe zur Knochenhyperämie. Dieser Anschauung 
steht die v. Hansemann’s nahe, wornach die Domestikation bei der Rachitis eine Rolle spielt. Findlay 
hingegen legt mehr Wert auf die Bewegungsbeschränkung. 

Stöltzner und Salge gehören zu jenen Autoren, welche einer bakteriellen Ätiologie der Rachitis 
das Wort reden. Ein hypothetischer Mikroorganismus dringt in den Körper ein und schädigt dort die Neben- 
nierenrinde, deren Sekret normaliter mit dem Blute dem Skelett zugeführt wird und dort das Osteoid kalk- 
aufnahmsfähig rnachen soll. Es sei aber auch möglich, daß die Beziehungen der Nebennierenrinde zum 
Skelett die folgende ist: Die Nebennierenrinde hat die Aufgabe, einen aus dem Östeoid stammenden und 
ihr mit dem Blute zugeführten Stoff zu verändern. Ob so oder so, die durch den Mikroorganismus 
erfolgende Schädigung der Nebennierenrinde soll die Behinderung der Kalkaufnahmsfähigkeit des Osteoids 
zur Folge haben. Morpurgo hat dann in der Tat einen Diplokokkus gefunden, den er als den Erreger der 


Rachitis bezeichnet, freilich ohne die Nebenniere als Zwischenglied zwischen Mikroorganismus und 


Knochen einzuschalten. Daß wohl nicht nur bei Rachitis, sondern bei der ihr so nahestehenden Osteo- 
malacie auch noch andere Blutdrüsen bereits in Betracht gezogen wurden, wie Ovarien und Schilddrüse 
sei noch nebenbei erwähnt. Ribbert denkt daran, »daß der osteoiden Substanz, obgleich man nichts davon 


Rachitis und Epithelkörperchen. 669 


wahrnehmen kann, irgend etwas fehlt, was unter normalen Verhältnissen die Ablagerung des Kalkes ver- 
mittelt und was bei der Heilung der Rachitis leicht in sie hineingebracht werden kann«. Das wäre eigent- 
lich identisch mit der von Stöltzner und Salge geäußerten Ansicht. An einer anderen Stelle hingegen 
denkt Ribbert an ganz etwas anderes, indem er von einem Toxin spricht, welches die Kalkaufnahme im 
Knorpel und Knochen verhindert. 


Wir gehen nun dazu über, die Literatur über die Beziehungen der Ek. zum Kalkstoff- 
wechsel und zum Skelett zusammenzufassen. Zum erstenmal stieß ich auf die Beziehungen der Ek. zum 
Kalkstoffwechsel gelegentlich der Ek.-Exstirpationsversuche an der Ratte. Es zeigte sich hiebei, daß vom 
Tage der Parathyrevidektomie an das neu hinzukommende Dentin der Nagezähne gar nicht oder nur 
unvollkommen verkalkt, so daß es ausnahmslos nach 6bis 10 Wochen zu spontanen Zahnfrakturen kommt. 
Die Veränderung, die wir durch die Ek.-Exstirpation am Nagezahn erzielen, stimmt also mit der überein 
die wir an den Knochen bei Rachitis und Osteomalacie zu finden pflegen, nämlich Kalklosigkeit der jungen 
Apposition. 

Eine Bestätigung der spontanen Nagezahnfrakturen nach Parathyreoidektomie brachten die Unter- 
suchungen von Leischner, Minkiewitsch und Iselin. Eine ebenfalls bestätigende Nachprüfung der 
hierbei eintretenden histologischen Veränderungen im Kalkgehalt erschien von Preiswerk-Maggi, 
Toyofuku und Hohlbaum. Toyofuku konnte außer auf mikroskopischem Wege auch durch die 
Röntgenphotographie die Kalkverarmung nachweisen. 

Später erwies sich mir die in kalkloser Dentinapposition bestehende Reaktion der Parathyreoid- 
ektomie als so empfindlich, daß sie selbst bei der Ek.-Transplantation in Form des Transplantations- 
streifens erscheint, von dem schon oben die Rede war. 

Daß die parathyreoprive Nagezahnveränderung ohne weiters als Rachitis angesprochen werden darf, 
konnte ich später mit Sicherheit erweisen, als ich Gelegenheit hatte, die Nagezähne von Ratten zu unter- 
suchen, die an spontaner Rachitis litten, und auch unsere jetzigen Untersuchungen führen uns dazu, daß 
die Nagezahnveränderung der spontanrachitischen Ratten und die nach der Parathyreoidektomie konstant 
auftretenden völlig identisch sind und daher ebenfalls als rachitisch angesprochen werden dürfen. Dafür 
spricht auch der Umstand, daß Fleischmann im Dentin florid rachitischer Kinder Veränderungen findet, 
die im wesentlichen identisch sind mit den parathyreopriven der Nagezähne. 

Nach Pommer’s Untersuchungen ist weder die Rachitis noch die Osteomalacie je lokal, vielmehr 
stets generell über das ganze Skelett verbreitet, denn die Behinderung der Kalkablagerung liege außerhalb 
des Skelettes. Wenn also die Behauptung, die Ek.-Exstirpation führe zu Osteomalacie oder Rachitis, auf- 
recht erhalten werden soll, so müßte auch noch nachgewiesen werden, daß die Kalkstörung sich nicht 
allein auf die Nagezähne beschränkt, sondern auch das übrige Skelett erfasse. 

Ich habe 1911 vorläufig über solche ergänzende Untersuchungen kurz berichtet. Doch mußte die 
genauere Ausarbeitung dieser Untersuchungen wegen der eben vorliegenden zurückgestellt werden. Die 
im folgenden referierten Angaben aus der genannten vorläufigen Mitteilung müssen daher mit jener 
Reserve behandelt werden, die bei noch nicht genügendem Material stets geboten erscheint. Was schon 
aus diesem wenigen Material gesagt werden konnte, ist das folgende. 

In der Rippe nimmt die Flächenausdehnung und Dicke des Östeoids nach der Ek.-Exstirpation 
bedeutend zu; so betrug in der Rippe die durchschnittliche Osteoiddicke in einem Falle nach der Parathy- 
reoidektomie 201. und in der Rippe desselben Tieres aus der normalen Zeit bloß 5 u. Diese Kalkverarmung 
führte sogar zur Spontanfraktur. Der Callus nach der Ek.-Exstirpation ist unvergleichlich viel kalkärmer als 
ein gleichalter Callus aus der Zeit vor der Ek.-Exstirpation und die durchschnittliche Osteoiddicke betrug 
43 gegen 8:5. Außerdem war im parathyreopriven Callus eine ganze Reihe von auffallenden Hemmungs- 
erscheinungen zu konstatieren von derselben Art, wie wir sie im vorliegenden dritten Abschnitte als 


670 Dr. J. Erdheim, 


charakteristisch für Rachitis kennen gelernt haben. Nur eine richtige rachitische Knorpelstörung war durch 
die Ek.-Exstirpation nicht zu erzielen, und zwar deshalb, weil der völlige Ek.-Ausfall eine so hochgradige 
Kachexie zur Folge hat, daß die Knorpelapposition und die enchondrale Ossifikation völlig ruhen. Schon 
Iselin gibt an, daß parathyreoprive Tiere im Wachstum stark zurückbleiben. Es besteht eben auch ein 
sehr wesentlicher Unterschied zwischen einem spontan rachitischen Tier, das seine Ek. besitzt und darum 
durch selbst spontane Heilung der Rachitis in normale Verhältnisse zurückkehren kann und dem para- 
thyreopriven Tier, das eines absolut lebenswichtigen Organes beraubt ist, darum seine Lebensfähigkeit 
eingebüßt hat und unausweichlich chronischem Siechtum verfällt. Da also in dieser Hinsicht das spontan 
rachitische Tier und das parathyreoprive durchaus nicht identisch sind, so kann man auch nicht erwarten, 
daß beim letzteren das Bild der Rachitis voll zur Ausbildung gelange. Aber das wichtigste, der Nachweis 
pathologisch gehemmter Kalkablagerung des Knochens im Rahmen sowohl des normalen Wachstums als 
auch der Callusheilung, konnte eben auch nach der Ek.-Exstirpation gefunden werden. Diese Unter- 
suchungen zeigten, »daß die Ek.-Exstirpation zu einer schweren Alteration des Kalkstoffwechsels führt, 
daß sich diese in eklatanter Weise am Skelett manifestiert und mit jener, die das Wesen der Rachitis und 
Osteomalacie ausmacht, übereinstimmt.« Nach dem Gesagten ist es nicht zu erwarten, daß man mit der 
Ek.-Exstirpation das volle Bild der Rachitis am Knochen und Knorpel wird erzeugen können. Warum aber 
Hohlbaum im Knochengewebe gar keine Kalkverarmung auftreten sah, läßt sich augenblicklich nicht 
sagen. Daß aber die Kalkverarmung im Nagezahn nach Ek.-Exstirpation unter allen Umständen viel 
eklatanter ausfallen muß, als im Knochen, ist darum leicht begreiflich, weil der Nagezahn, als ein für die 
Ernährung des Tieres vitales Organ keine parathyreoprive "N scelusreninng aufweisen kann, wie 
der Knochen, oder doch keine so erhebliche. 

Nachdem wir nun einmal erkannt haben, daß die Ek. den Kalkstoffwechsel beeinflussen, muß uns die 
Lebenswichtigkeit dieser kleinen Organe umso größer erscheinen, wenn.wir bedenken, welche wichtige 
Rolle, vom Skelett abgesehen, das Calcium im Organismus spielt, das unter anderem ein normaler Bestand- 
teil des Protoplasmas ist. Im Gegensatz zu den groben Kalkverhältnissen des Skelettes sind die viel feineren 
der Weichteile morphologischen Studien verschlossen. Hier können nur chemische Untersuchungen zum 
Ziele führen, die aber erst vereinzelt vorliegen. Leopold und v. Reuß haben den Calciumgehalt des ganzen 
Tierkörpers- chemisch bestimmt und gefunden, daß er bei jungen Ratten nach der Ek.-Exstirpation ver- 
ringert ist. Mac. Callum und Vögtlin fanden nach der Parathyreoidektomie eine Steigerung der Kalkaus- 
scheidung durch den Harn und Stuhl, während der Kalkgehalt des Blutes auf die Hälfte sank. Ob diese 
Kalkverarmung des Blutes und damit auch des Gehirns die Ursache der parathyreopriven Tetanie ist, oder 
ob, wie Pfeiffer und Mayer sowie Berkeley und Beebe annehmen, die Tetanie die Folge eines im 
Blutserum nachweisbaren aktiven und spezifischen Tetaniegiftes sei, ist noch nicht entschieden Die 
neuesten, auf chemischem Wege gewonnenen Untersuchungsergebnisse über die Beziehungen des Kalk- 
stoffwechsels zu den Ek. und der Tetanie finden sich in besonders klarer Weise im Referat Mac Callum’s 
zusammengestellt, dem wir eine Reihe vorzüglicher Arbeiten auf diesem. Gebiete verdanken. ÜFER 

‚Ferner seien noch einige Literaturangaben über die Beziehung der Ek. zum Skelett ohne Rücksicht 
auf den Kalkstoffwechsel erwähnt. Canal fand, daß die Ek.-Exstirpation eine Verspätung .der Callus- 
heilung-zur Folge-hat.. Morel.und-auch ich konnten diese Angabe bestätigen, was uns hier vor allem des- 
halb interessiert, weil wir-die gleiche Verspätung der Callusheilung auch im Callus der spontan.rachitischen 
Tiere finden, bei denen, wie wir später hören werden, wahrscheinlich eine relative Insuffizienz der EkK. 
besteht, die zu ihrer Hyperplasie.und Hypertrophie den Anstoß gibt. Ferner fand Morel, daß durch Dar- 
reichung von Ek.-Extrakt an normale junge Tiere sowohl das normale Knochenwachstum als auch. dıe 
Cailusheilung eine Beschleunigung erfahren, was mit dem gegenteiligen Effekt des Ek.-Verlustes in 
Harmonie steht. 


Rachitis und Epithelkörperchen. 671 


Wir gehen dazu über, die in der Literatur sich vorfindenden pathologisch-anatomischen Befunde zu 
besprechen, die aufeinen Zusammenhang zwischen Ek.einerseits und Osteomalacie, Rachitis und 
anderen Skeletterkrankungen andrerseits hindeuten. 

Nachdem ich im Tierexperiment die Beziehung der Ek. zum Kalkstoffwechsel festgestellt hatte, 
erschien es vor allem von Interesse, die Ek. des Menschen bei solchen Krankheiten zu untersuchen, von 
denen wir schon lange wissen, daß sie mit Störungen .des Kalkstoffwechsels einhergehen, also vor allem bei 
Rachitis und Osteomalacie. a 

Schon die ersten in dieser Richtung ee Untersuchungen zeigten, daß der Nachweis von 
Ek.-Veränderungen bei der Osteomalacie viel leichter gelinge als bei Rachitis, und darin hat sich bis 
heute nichts geändert. - Die Untersuchungen der Osteomalacie schienen somit dankbarer zu sein und 
darum habe ich sie zuerst vorgenommen. Bevor ich aber auf die Ergebnisse dieser zielbewußt ange- 
stellten Untersuchungen eingehe, seien noch die Fälle erwähnt, die vor dem Bekanntwerden. der-Be: 
ziehungen der Ek. zum Kalkstoffwechsel erschienen sind und uns hier ls essonends ‚Angaben 
enthalten. Sf DB. 

1903 veröffentlichte ich im Rahmen der systematischen en des Ek. einen Ek.-Tumor, 
der von einem 18jährigen männlichen Individuum stammte. .In diesem Falle bestanden so hochgradige 
Genua valga, daß sich der Patient zu einem operativen Eingriffe (Osteotomie) entschloß, nach dem: er aber 
bald zugrunde gegangen ist. Zur Zeit dieser Veröffentlichung war noch kein Grund vorhanden, an einen 
Zusammenhang zwischen dem Ek.-Tumor und dem Knochenleiden zu denken, und darum erwähnte ich_in 
der Publikation bloß, daß das Individuum kurz nach einem operativen Eingriffe starb, nicht aber, daß es 
sich um eine Osteotomie wegen X-Beine handelte. Heute freilich muß uns. der Fall in anderem Lichte 
erscheinen, wenn wir uns daran erinnern, daß Mikulicz. und mit ihm auch noch andere Autoren der 
Meinung sind, daß das Genu valgum Rachitis zur Grundlage habe. S 

1904 beschrieb Askanazy einen Fall von deformierender Ostitis ohne Osteoid, bei dem sich.am 
linken Schilddrüsenlappen ein Tumor fand, nach dessen histologischer Beschreibung es heißt: »An eine 
Abstammung dieses Tumors von der Parathyreoidea ist zu denken.« Wegen der Anwesenheit dieses 
>Schilddrüsentumors« fordert Askanazy aut, in späteren Fällen auf die Thyreoidea und die anderen Blut- 
drüsen zu achten, umsomehr, als Skelettveränderungen bei Basedow, ferner die Beeinflussung des 
wachsenden Skelettes durch die Schilddrüse wohlbekannte Tatsachen sind. 

In jener Publikation, in der ich zum erstenmale über die Nagezahnveränderungen nach Ek.-Exstir; 
pation berichtet habe (1906), findet sich bereits ein Osteomalaciefall erwähnt, bei dem.3. von den vier 
gefundenen Ek. auffallend vergrößert erschienen und ein weiterer, bis dahin nicht. verwerteter aus. dem 
Jahre 1904 stammender Osteomalaciefall mit bedeutender Hyperplasie des einen und mikroskopisch nach- 
weisbaren Wucherungsherden in -den. drei. anderen Ek. fand sich in. meiner Sammlung vor. Diese beiden 
Fälle fanden dann Aufnahme in der vom Jahre 1907 stammenden Bubikalıgn über Ek.-Befunde bei Osteo- 
Dalsena Eee i$ r MB ahE TREE Hehe a E 

- In dieser- berichtete ich über 6 Fälle puerperaler Osteomalacie) von denen einer, der nur kurz dauerte 
und mit Phosphor behandelt war, einen negativen Ek.-Befund ergab, während die fünf anderen teils eine 
erst-unter dem. Mikrosköp erkennbare Hyperplasie und Hypertrophie, teils eine schon-makroskopisch fest- 
Stellbare Vergrößerung- der Ek. aufwiesen. Darunter fand sich ein Fa!l mit einer sehr beträchtlichen Ver- 
größerung eines Ek. - - 

Die erste Bestätigung kam von seiten Schmorl’s, der in einem Osteomalaciefall mit melanotischen 
Knochenmarkstumoren von drei gefundenen Ek. eines sehr stark hyperplastisch fand. In drei anderen 
Osteomalaciefällen waren die Ek.-Befunde negativ, und zwar, wie ich schon seinerzeit vermutete, und 
Todyo, ein Schüler Schmorl’s, auch tatsächlich mitteilt, wohl nur deshalb, weil Schmorl die beim Nach- 
weis von Wucherungsherden unerläßliche Osmiummethode nicht angewendet hatte. 

Besonders interessant ist der Fall von Bauer deshalb, weil bei diesem zuerst die Vergrößerung eines 
Ek. gefunden wurde und erst dieser Fund die Frage anregte, ob das Skelett osteomalacisch sei. Wiewohl 


672 Dr. J. Erdheim, 


makroskopisch keinerlei Deformierung bestanden hatte, konnte histologisch ein geringer Grad von Osteo- 
malacie nachgewiesen werden. Der Ek. Befund war der folgende: In dreien ausgedehnte Wucherungsherde, 
die die Hälfte des Parenchyms einnahmen und im vierten ein Adenom. 

Der erste, der dann zeigte, daß eine Hyperplasie und Hypertrophie der Ek. nicht nur bei der puer- 
peralen, sondern auch bei seniler Osteomalacie vorkommt, war Strada, der einen solchen Fall unter- 
suchte. Neuestens hat ferner Todyo unter 7 Fällen von seniler Osteomalacie sechsmal einen positiven 
Ek.-Befund erheben Können; im 7. Falle war der Befund negativ, doch konnten hier nur 3Ek. aufgefunden 
werden. 

Inzwischen kam auch ich, wie schon früher einmal erwähnt, in die Lage, Fälle von seniler Osteo- 
malacie mit positivem Ek.-Befund zu untersuchen; darunter findet sich einer sogar mit einem ungewöhn- 
lich großen Ek.-Tumor, der nur wenig jenem seinerzeit bei puerperaler Osteomalacie gefundenen und 
abgebildeten nachsteht. 

Neuestens berichtet auch Hohlbaum über einen obduzierten Fall von Osteomalacie, bei dem sich 
eines der 4 Ek. vergrößert fand und Wucherungsherde enthielt. 

Aber nicht nur bei Osteomalacie, sondern auch bei Ostitis deformans sind schon Ek.-Verände:- 
rungen gefunden worden. So berichtet Schmorl über eine 47jährige Frau mit Ostitis deformans, die mit 
einem mäßigen Grade von Östeomalacie und braunen Tumoren im ganzen Skelett kombiniert war. In 
diesem Falle waren die Ek. vergrößert und enthielten Wucherungsherde. Nebenbei bemerkt fand sich bei 
dieser Frau, bei der die Menses seit mehreren Jahren sistierten und sich Adipositas eingestellt hatte, aber 
Akromegalie fehlte, interessanterweise auch noch ein hühnereigroßes basophiles Hypophysen-Adenom, 
das ich vor kurzem erst zum erstenmal beschrieben hatte. Molineus, ein Schüler Schmor!’s, fügte zu 
diesem einen noch 2 weitere gleichartige Fälle hinzu. In allen dreien bestand Ek.-Hyperplasie, einmal in 
allen 4 Ek., zweimal in je einem. Die Hyperplasie war diffus und zweimal fanden sich circumskripte 
Wucherungsherde »adenomatöse Bildungen« mit verdrängendem Wachsthum. Molineus schließt sich der 
Meinung an, daß zwischen Ek. und Kalkstoffwechsel Beziehungen bestehen, aber es fehlt hier der Paralle- 
lismus wie zwischen Akromegalie und Hypophysentumor. So kann die Ek.-Veränderung bedeutend, die 
Knochenerkrankung geringfügig sein und umgekehrt; es kann bei Osteomalacie die Ek.-Veränderung 
fehlen und ohne Osteomalacie vorhanden sein. Von letzterer Art erwähnt Molineus kurz zwei 
eigene Fälle. Bei einem 80jährigen Individuum mit Ostitis deformans konnte ferner auch Todyo einen 
positiven Ek.-Befund erheben. Vom Falle Askanazy’s war schon oben die Rede; eine Nachuntersuchung 
dieses höchst interessanten Falles, um endlich die Ek.-Natur dieses »Schilddrüsentumors« mit Sicherheit 
zu erhärten, wäre sehr erwünscht. 

Bei einer Ziege, die an Schnüffelkrankheit, die der Ostitis fibrosa sehr nahesteht, litt, fand Schmorl 
ein vergrößertes, mikroskopisch hyperplastisches Ek. und fordert daher auf, bei späteren Fällen hier auf 
die Ek. zu achten. 

Endlich sei noch erwähnt, daß Todyo im Gegensatz zu Strada Ek.-Veränderungen nicht nur bei 
seniler Osteomalacie, sondern auch bei seniler Osteoporose gefunden hat, und zwar 8mal unter 
11 Fällen. 

Es sei hier namentlich für Nachuntersucher noch einmal besonders betont, daß der positive Befund 
einer Hyperplasie im Ek., insofern nicht schon eine makroskopisch feststellbare Vergrößerung des Organes 
besteht, in verläßlicher Weise nur mittels der von mir angegebenen Osmierung erhoben werden kann und 
die Befunde in dem Maße sich mehren, als diese Methode in Anwendung kommt. Sie beruht einfach darin, 
daß im normalen Ek. des Menschen mit zunehmendem Alter die im Protoplasma der Epithelzellen typischer 
Weise vorhandenen Fettkörnchen an Größe und Zahl zunehmen, während ein junger Wucherungsherd 
durch seine Fettarmut sofort vom alten präexistenten Gewebe absticht. Leider ist die Methode für das 
Kindesalter nicht anwendbar, da ja das jugendliche Ek. schon von Haus aus sehr fettarm ist. 

Nur mit dieser Methode konnte Todyo seine zahlreichen positiven Befunde erheben. Aus dem Ver- 
halten des Fettgehaltes konnte ich bereits bei meiner ersten hierher gehörigen Publikation hervorheben, daß 


Rachitis und Epithelkörperchen. 673 


Wucherungsherde in den Ek. bei älteren Individuen schon unter normalen Umständen vorkommen. Die 
Meinung Todyo’'s, daß dies Fälle von seniler Osteoporose gewesen sein können, ist nach Todyo's 
Befunden gewiß nicht von der Hand zu weisen, umsoweniger, als, wie Todyo bemerkt, mein Fall mit den 
meisten Herden auffallende Rippenbrüchigkeit zeigte. 

Auch Todyo fand unter seinen 24 normalen Fällen viermal Wucherungsherde in den Ek. In 2 von 
diesen Fällen wurde das makroskopisch normal aussehende Skelett histologisch nicht untersucht, in zweien 
aber handelte es sich um gravide Frauen mit auch mikroskopisch von Östeomalacie freiem Skelett. Die von 
Todyo geäußerte Vermutung, daß es sich um eine Graviditätshyperplasie des Ek. handle, liegt sehr nahe, 
und eine genaue Ausarbeitung dieses Themas wäre gewiß ein sehr dankenswertes Unternehmen. 

Wie aus diesen Ausführungen hervorgeht, erweitert sich der Interessenkreis des Ek. in neuester 
Zeit sehr wesentlich, da nicht nur solche Krankheiten wie Osteomalacie und Rachitis, bei denen eine 
Hemmung der Kalkablagerung besteht, Ek.-Veränderungen aufweisen, sondern auch solche, bei denen eine 
gehemmte Kalkapposition eigentlich nicht in Frage kommt. Doch dürfte eine das Skelett in ausgedehntem 
Maße ergreifende Krankheit die Kalkverhältnisse kaum je völlig unbeinflußt lassen. 


Wir gehen schließlich dazu über, die Literatur über die uns hier vor allem anderen interessierende 
Beziehung der Ek. zur Rachitis zu besprechen. Wie schon früher erwähnt, scheinen beim Menschen 
wenigstens Rachitisfälle für die Ek.-Untersuchungen weniger dankbar zu sein als die Osteomalacie. Dem- 
entsprechend haben wir auch über Rachitis viel weniger zu berichten. 

Schon kurz nach dem Erscheinen meiner ersten Nagezahnbefunde und Osteomalacieuntersuchungen 
hatte Hecker die Vermutung ausgesprochen, daß auch die Rachitis mit den Ek. in einem Zusammenhang 
stehe. Über die Art, wie sich Hecker den Zusammenhang vorstellte, soll weiter unten die Rede sein. Auf 
Grund der Untersuchung von 4 Fällen kindlicher Rachitis, in deren Ek. mikroskopisch eine pathologische 
Veränderung nicht zu konstatieren war, konnte sich Schmorl jedoch dieser Meinung nicht anschließen. 

Dazu wäre folgendes zu bemerken: 

Es würde ein ganz intimes Studium der histologischen Ek.-Struktur erfordern, um eventuell bei 
Rachitis vorkommende Abweichungen von der Norm unter dem Mikroskop zu erkennen. In dem hier 
erforderlichen Maße detaillierte Ek.-Untersuchungen liegen aber beim Menschen noch nicht vor. Weiterhin 
dürfen wir uns mit der histologischen Struktur allein nicht begnügen, wo Fragen der Hyperplasie und 
Hypertrophie in Betracht kommen, sondern es müssen auch Volumbestimmungen der Organe vorgenommen 
werden, wie sie in den vorliegenden Untersuchungen bei der Ratte eben ausgeführt wurden. Die mikro- 
skopische Diagnose einer 'Hyperplasie und Hypertrophie gehört zu der schwierigsten, die an uns herantreten 
kann, wie ich dies schon beim Studium der Schwangerschaftsveränderung der Hypophyse zu erfahren 
Gelegenheit hatte. 

Die Berechtigung zu den hier aufgestellten strengen Forderungen schöpfe ich aus der folgenden 
eigenen Erfahrung. Als ich nämlich meine zwei ersten spontan rachitischen Ratten 1909 untersuchte, sagte 
ich über die Ek. damals aus, daß sich in ihnen keine Veränderungen finden, fügte aber noch hinzu »aller- 
dings wurden diese Untersuchungen noch nicht in sehr eingehender Weise vorgenommen«. Nachdem ich 
aber nunmehr diese Untersuchungen der Ratten Ek. bei Rachitis mit der hier erforderlichen Genauigkeit 
vorgenommen hatte, gelangte ich zu dem ebenso positiven wie einheitlichen Resultat, wie dies aus den 
Befunden in der vorliegenden Mitteilung hervorgeht. 

Wenn ich über das Verhalten der Ek. bei der menschlichen Rachitis etwas aussagen soll, so wäre es 
das folgende. Auch ich kann, bisher wenigstens, in Übereinstimmung mit Schmorl einem kindlichen EK. 
unter dem Mikroskop nicht ansehen, ob es von einem normalen oder rachitischen Kind abstammt. Doch 
fiel mir, wie schon ebenfalls seinerzeit erwähnt, bei der makroskopischen Betrachtung mehrmals auf, daß 
die Ek. rachitischer Kinder relativ groß und plump sind. Doch müssen wir uns vor Augen halten, daß eine 


674 Dr. J. Erdheim, 


solche rein auf Schätzung basierte Beobachtung eben keinen allzugroßen Wert beanspruchen kann. So 
exzessive Ek.-Vergrößerungen, wie sie bei der Rattenrachitis zuweilen zur Beobachtung gelangen, kamen 
mir aber jedenfalls bei der infantilen menschlichen Rachitis nicht unter. 

Wie schon einmal betont, ist aber auch nach dem Alter, in dem die Rachitis bei unseren Ratten zur 
Beobachtung gelangte, diese Rattenrachitis eher mit der Rachitis tarda als mit der infantilen Rachitis 
des Menschen zu vergleichen. Auffallenderweise stammen auch die zwei einzigen Fälle menschlicher 
Rachitis mit positivem Ek.-Befund aus dem zweiten Dezennium (18 und 19 Jahre alt). Der eine ist der 
schon oben erwähnte 1903 veröffentlichte Fall, der nach Osteotomie starb, die wegen wohl als rachitisch 
anzusehender Genua valga vorgenommen wurde und einen großen Ek.-Tumor aufwies. Der andere ist’der 
schon 1911 erwähnte hochgradige Fall von Rachitis tarda mit multiplen Knochentumoren, bei dem eben- 
falls eines der Ek. in einen großen Tumor umgewandelt war. Dieser Fall ist schon vom rein osteologischen 
Standpunkt so interessant, daß er eine eigene eingehende Bearbeitung verdient, die ich in absehbarer Zeit 
glaube in Aussicht stellen zu können. 


Hier mögen einige.Worte der Entschuldigung Platz finden. für den Fall, daß von irgendeiner Seite 
der Vorwurf rege werden sollte, warum. die auf die Ratten-Ek. aufgewendete Mühe nicht lieber dem 
menschlichen Material zugewendet wurde. Wenn wir vor einer ganz neuen Frage stehen, die wir klar und 
eindeutig und unantastbar sicher beantworten wollen, so fühlen wir uns stets unwiderstehlich vom 
Experiment angezogen, bei dem es in unserer Hand liegt, das Material, auf dem wir unsere Schlüsse 
aufzubauen gedenken, so rein und frei von Komplikationen zu gestalten, als dies beim lebenden Organismus 
nur irgendwie geht. Wie unendlich schwer wäre es allein schon gewesen, beim Menschen absolut sicher 
rachitisfreies Kontrollmaterial zu erlangen. Schmorl, der wohl das größte Kindermaterial histologisch auf 
Rachitis untersuchte, macht Angaben, die zu Untersuchungen von der Art, wie ich sie bei. der Ratte vor- 
genommen hatte, nicht gerade sehr aufmuntern. Er findet bei Kindern vom 4. bis zum 18. Lebensmonat 
nur 3:4°/, rachitisfrei! Heilende Rachitisfälle sah er schon im zweiten Lebensquartal. Bei Kindern bis zum 
vierten Lebensjahr fanden sich nur 106°), rachitisfrei, und unter diesen 10:6°/, vermutet Schmorl noch 
viele mit spurlos geheilter Rachitis. Und das ist wohl das schlimmste an dem Material, daß man selbst bei 
jungen Kindern auf Fälle stoßen kann, bei denen die Rachitis so spurlos ausgeheilt ist, daß man am Skelett 
nicht mehr die Möglichkeit hat zu konstatieren, daß sie ehedem bestanden hatte. Die Ek. eines solchen 
Falles, den wir als seit jeher normal ansehen würden, würden wir als normale Kontrollobjekte verwerten, 
während sie in Wirklichkeit pathologische, uns unbekannte Veränderungen der histologischen Struktur 
und des Volumens sehr wohl noch besitzen könnten. An solchen falschen Kontrollobjekten gemessen 
müßte unser Urteil über die Ek. sicher rachitischer Kinder natürlich falsch ausfallen. Neben manchem 
anderen ist es also nicht Mangel an rachitischem Material, sondern im Gegenteil der Mangel an absolut 
sicher rachitisfreiem Kontrollmaterial vor allem, der uns veranlaßte, für den Anfang wenigstens, dem 
Menschenmaterial aus dem Wege zu gehen und den ersten Schritt auf neuem Gebiete nicht in die 
Menschen- sondern Tierpathologie zu lenken. 

Mit den wenigen positiven Befunden menschlicher Rachitis und mit den allerdings weit reicheren 
Erfahrungen über die Rattenrachitis müssen wir uns augenblicklich begnügen, soweit die Frage nach den 
rachitischen Veränderungen der Ek. in Betracht kommt. Soviel aber geht schon aus diesen Erfahrungen 
hervor, daß wir bei Rachitis gleichartige Ek.-Veränderungen zu verzeichnen haben, wie bei der Osteo- 
malacie. Dies erscheint uns darum von Interesse, weil Schmorl sich trotz morphologischer Identität 
nicht entschließen kann, eine vollständige Wesensgleichheit der Rachitis und Osteomalacie anzunehmen. | 
Sollte die Gleichartigkeit der Ek.-Veränderungen nicht dazu beitragen, eine »vollständige Wesensgleichheit « 
der Rachitis und Osteomalacie doch als begründet ansehen zu dürfen? 


Rachitis und Epithelkörperchen. 675 


Die parathyreoprive Nagezahnveränderung fällt völlig identisch aus, ob wir es mit einem noch 
wachsenden oder bereits ausgewachsenen Tier zu tun haben, und trotzdem müssen wir sie einmal als 
rachitisch, das anderemal als osteomalacisch bezeichnen. Solche Beispiele, die man leicht vermehren 
könnte, ließen mir schon 1911 als nötig erscheinen, für beide einen gemeinsamen Namen zu finden, in dem 
der Begriff der kalklosen Apposition zum Ausdruck kommen müßte, worauf der Zusatz der Worte infantil, 
juvenil, puerperal, senil, parathyreopriv etc. die einzelnen Gruppen charakterisieren müßte, die aufrecht 
erhalten werden sollten. Diesem von mir geäußerten Bedürfnis kommt Jul. Bauer mit dem Vorschlag 
entgegen, von »kalziopriver Osteopathie« zu sprechen. Doch sagt dieser Name nicht, daß die Kalkarmut 
auf gehemmter Apposition beruht. Ogata wieder will auch die Rachitis Osteomalacie nennen, Ferner 
schlug in gleicher Intention Axhausen den Namen »OÖsteodystrophie« vor. Doch wird sich das Wort 
schwerlich einbürgern, da es eben den Begriff der kalklosen Apposition nicht zum Ausdruck bringt und 
bloß die Knochenveränderung betont. Die früher schon von Recklinghausen für diese ganze Gruppe von 
Krankheiten gewählte Bezeichnung »Malacie« hat schon darum kaum Aussicht aufallgemeine Anerkennung, 
weil der Autor darunter eine sehr verschiedenartige Kombination von kalkloser Apposition mit Halisterese 
versteht, welche letztere eigentlich als verlassen angesehen werden kann. 


Wir gehen zur Frage über, wie die Vergrößerung der Ek. bei unseren Rachitistieren zu erklären sei 
und wie sich die Ek.-Befunde in die bisher von den Autoren geäußerten Vorstellungen von der Pathogenese 
der Rachitis einfügen lassen. Zunächst handelt es sich um die fundamental wichtige Frage, ob wir uns die 
Ek.-Vergrößerung als die Ursache oder als die Folge der Rachitis vorzustellen haben. Schon gelegentlich 
der ersten positiven Ek.-Befunde bei der Osteomalacie gelangte ich zu dem Resultate, daß wir uns 
unmöglich die Ek.-Vergrößerung als die Ursache, sondern nur als die Folge der Osteomalacie vorstellen 
können und diese Deutung, gegen die sich mit einer Ausnahme (siehe unten) noch kein Widerspruch 
geregt hat, müssen wir auch jetzt bei der Rachitis aufrecht erhalten. Demnach bestünde bei der Rachitis 
ein erhöhtes Bedürfnis nach funktionierendem Ek.-Gewebe, denn die normalen Ek. werden relativ insuffizient 
und das gibt den Reiz ab zu ihrer Hyperplasie und Hypertrophie. 


Nur so läßt es sich verstehen, daß die Tetanie, die sowohl bei Rachitis, als auch bei Östeo- 
malacie in so charakteristischer Weise vorkommt, und die, wie bereits mit Sicherheit festgestellt ist, ein 
Zeichen insuffizienter Ek.-Funktion ist, sich eben bei zwei Krankheiten findet, bei denen gerade 
eine Vergrößerung der Ek. zu konstatieren ist. Erst in jüngster Zeit stellt Julius Bauer 12 LLiteratur- 
angaben über die Kombination von Tetanie und Osteomalacie zusammen. Sonderbarerweise bezeichnet 
Bauer aber die positiven Ek.-Befunde bei Osteomalacie darum als nicht spezifisch, weil sie auch ohne 
Osteomalacie vorkommen. Als ob heute jemand an dem Zusammenhang von Akromegalie mit Hypophysen- 
tumoren zweifeln würde, weil letztere auch ohne Akromegalie vorkommen! Auch legt Bauer den Ek.- 
Befungen keinen allzugroßen Wert bei, denn statt des erwarteten Minus (Tetanie!), findet sich ein Plus an 
Ek.-Gewebe. An meiner Erklärung dieses Verhaltens durch gesteigerte Inanspruchnahme der Ek. findet er 
kaum eine genügende Befriedigung, versucht aber selbst nicht dieses Verhalten zu erklären. Ich halte an 
meiner ursprünglichen Auffassung fest, da sie mir als die einzig mögliche erscheint. 

So sehen wirauch bei der Ratte nach der Ek.-Exstirpation eine Kalkverarmung des Nage- 
zahndentins und Knochengewebes auftreten, die völlig identisch ist mit den Bildern bei 
der spontan rachitischen Ratte. Wenn wir aber bei ersterer einen Mangel der Ek,, bei letzteren 
eine kontinuierlich vor sich gehende Vergrößerung der Ek. finden, so ist für diese eben kein anderer 
Grund möglich, als nur der, daß die bisherige Menge des Ek.-Gewebes beim Eintritt der Rachitis 
relativ ungenügend geworden war. Ein Zeichen der fehlenden oder insuffizienten Ek.-Funktion ist ja 


die Kalkverarmung der Nagezähne und Knochen in beiden Fällen; freilich sind wir noch weit davon 
Denkschriften der mathm.-naturw. Kl. XC. Bd. 91 


676 Dr. J. Erdheim, 


entfernt genau zu wissen, warum ein relativ sehr geringes Quantum von Ek.-Gewebe dem 
normalen Organismus genügt, und warum es bei Rachitis insuffizient wird und darauf der Anreiz zur 
Hyperplasie und Hypertrophie entsteht. 

Nur durch einen solchen von einer allgemeinen Stoffwechselstörung ausgehenden Anreiz ist es 
auch zu verstehen, daß sich bei der Rachitis nicht nur die Haupt-Ek., sondern auch die akzessorischen 
Ek. vergrößern. Wo immer ein noch so kleines Partikelchen dieses hochspezifischen Gewebes 
auch liegen mag, es gerät bei Rachitis der Ratte in Wucherung. 

Nehmen wir aber an, daß die Ek.-Vergrößerung das Primäre, die Rachitis das Sekundäre 
ist, dann müßten wir erst noch fragen, warum jedes kleinste verfügbare akzessorische Ek. sich an der 
Vergrößerung beteiligt. Würde man die Annahme machen, die Rachitis sei die Folge der Ek.-Vergrößerung, 
so käme man bei einem an Tetanie leidenden Falle von Rachitis in den Konflikt, die Tetanie als Folge 
der Insuffizienz der Ek. und die Rachitis desselben Individuums als die Folge der Vergrößerung 
und Überfunktion (siehe unten) desselben Ek. anzusehen. Auf keinen Fallgeht es an, die Rachitis als 
eine Folge der Ek.-Vergrößerung zu bezeichnen, wie wir etwa den Basedow als Folge der Schilddrüsen- 
vergrößerung oder die Akromegalie als Folge der Hypophysenvergrößerung ansehen. Höchstens Könnte 
man sagen, die Rachitis sei die Folge jener relativen Ek.-Insuffizienz, die dann auch zur Ek.-Ver- 
größerung führe. 

In der Schwangerschaftsveränderung der Hypophyse haben wir auf physiologischem 
Gebiete ein Analogon zu der pathologischem Ek.-Veränderung bei Rachitis und Osteomalacie. Diese 
Hypophysenveränderung ist eine Folge der Schwangerschaft, wie die Ek.-Veränderung eine Folge der 
Rachitis. Beide Veränderungen beruhen auf einer Hyperplasie und Hypertrophie dieser Blutdrüsen. 

So wie es nicht angeht, anzunehmen und auch noch von keiner Seite angenommen wurde, daß die 
in der Schwangerschaft vergrößerte Hypophyse funktionell minderwertig ist, vielmehr das Gegenteil der 
Fall ist, so muß auch angenommen werden, daß die enorm hypertrophischen und para 
schen Ek. bei Rachitis ein Plus von Arbeit verrichten. 

Wie es aber kommt, daß bei Rachitis von den Ek. ein Plus an Arbeit gefordert wird, 
läßt sich augenblicklich ebensowenig genau sagen, als die Frage beantworten, warum in der Schwanger- 
schaft an die Hypophyse erhöhte Anforderungen gestellt werden. 


So sicher auch gesagt werden kann, daß das Ek. bei der Rachitis und Osteomalacie ein 
wichtiges Glied in der Kette der Pathogenese ist, so sehr müssen wir uns vor Augen halten, daß 
unsere heutigen Kenntnisse es noch nicht gestatten, das Nähere dieser Zusammenhänge mit absoluter 
Sicherheit zu erfassen. Wir sind hier ausschließlich auf Vermutungen und Hypothesen angewiesen und es 
kann daher höchstens nur unsere Aufgabe sein, die hierin Betracht kommenden Möglichkeiten aufzuzählen. 
Auf alle Fälle jedoch wird eine annehmbare Hypothese die Forderung zu erfüllen haben, die Ek.-Ver- 
änderung in einen sinngemäßen Zusammenhang mit der Skelettveränderung zu bringen. | 

Je nachdem ob wir uns das Ek. als eine Drüse mit innerer Sekretion im engeren Sinne oder als ent- 
giftendes Organ vorstellen, muß auch die Vorstellung, die wir uns von seinem Zusammenhang mit Rachitis 
und Osteomalacie machen, verschieden ausfallen. 

Ist das Ek. ein Organ mit innerer Sekretion, so könnte es sein, daß sein mit dem Blute dem 
Knochen zugeführtes Sekret es ist, welches unter normalen Umständen das Osteoid derart beeinflußt, daß 
es zur Kalkaufnahme befähigt wird. Nach der Nomenklatur von Stöltzner und Salge würde das 


Ek.-Sekret das Osteoid zur potentiell kalkhaltigen Substanz umwandeln. Diese Eigenschaft legten ' 


Stöltzner und Salge aber einem inneren Sekret der Nebennierenrinde bei, während Ribbert, ohne sich 
auf eine Blutdrüse zu beziehen, meint, dem Osteoid fehle bei Rachitis irgend etwas, was normaliter die 


Rachitis und Epithelkörperchen. 677 


Kalkablagerung vermittelt und bei der Heilung der Rachitis leicht in den Knochen hineingebracht werden 
kann. Nach Stoeltzner und Salge soll die Rachitis so entstehen, daß ein Mikroorganismus die Neben- 
nierenrinde schädigt, daher nicht genügend Nebennierensekret vorhanden ist und so im Knochen Osteoid 
in pathologisch großer Menge auftritt. Somit würde ein absoluter Mangel von Nebennierensekret die 
Ursache der Rachitis sein. 

Von unserem Standpunkte müßte man aber sagen, die Rachitis und Osteomalacie sei eine Folge 
davon, daß die Menge des Ek.-Sekretes pathologisch klein ist. Und dies kann zwei Ursachen haben: 

1. Das Sekret wird nicht in genügender Menge gebildet. 

2. Es wird in normaler Menge gebildet, aber anderweitig verbraucht. 

Ad 1. Eine ungenügende Ek.-Sekretion könnte in einer Parenchymschädigung der Ek. den Grund 
haben. Da wir aber in den Ek. bei Rachitis niemals irgendwelche Anzeichen für eine stattgehabte Par- 
enchymschädigung nachweisen konnten, so haben wir zumindest keinerlei Anhaltspunkte für diese 
Annahme. 

Wir werden daher ad 2. anzunehmen haben, daß das Ek. auch bei Rachitis weiter in normaler Weise 
sezerniere, das normale Ek.-Sekret aber durch ein nach Art und Herkunft uns unbekanntes Agens ver- 
braucht oder zerstört werde, so daß das Osteoid infolge des ihm mangelnden Ek.-Sekretes in jenem 
Zustande verharrt, in dem es zur Kalkaufnahme nicht fähig ist. So entsteht die rachitische oder osteo- 
malacische Veränderung der Knochen durch ein vom Standpunkt des Skelettes zwar bestehendes, aber 
nicht absolutes, sondern relatives pathologisches Minus an Ek.-Sekret. Daraufhin stellt sich im 
Organismus ein pathologisch gesteigerter Bedarf nach Ek.-Sekret ein, welcher den Reiz für die Hyper- 
plasie und Hypertrophie der Ek. abgibt. Somit wäre diese Ek.-Vergrößerung eine Art therapeutischer 
Selbsthilfe, aber, wenn man so sagen darf, nicht nach Art einer ätiologischen Therapie, die die Bildung 
des das Ek.-Sekret zerstörenden Agens hintanzuhalten hätte, sondern nach Art einer symptomatischen 
Therapie, bei der durch Überproduktion von Sekret trotz der Anwesenheit des unbekannten Agens dem 
Bedürfnis des Skelettes entsprochen werden soll. 

Nehmen wir aber an, daß das Ek. ein entgiftendes Organ ist, so könnte es sein, daß schon im 
normalen Organismus eine Substanz gebildet wird, welche der Knochenverkalkung hinderlich ist, und daß 
den Ek. schon normaliter die Aufgabe zufällt, diese Substanz zu neutralisieren und so das Knochengewebe 
kalkaufnahmsfähig zu erhalten. An etwas ähnliches müssen Stöltzner und Salge auf dem Gebiete der 
Nebenniere gedacht haben, als sie die Möglichkeit erwogen, daß die Nebenniere aus dem Osteoid 
normaliter auf dem Blutweg einen Stoff zugeführt bekomme, um ihn zu verändern. Nur ist es nicht gerade 
einzusehen, warum der Stoff aus dem Osteoid stammen muß. Auch Hecker spricht von einem 
unbekannten giftigen Stoffwechselprodukt, welches eine schädliche Wirkung auf das Knochengewebe 
ausübe, normaliter aber durch die Ek. entgiftet werde. Endlich denkt auch Ribbert an die Möglichkeit 
eines Toxins, das die Kalkaufnahme im Knorpel und Knochengewebe verhindert. 

Wenn wir danach fragen, wie bei dieser Eventualannahme das Zustandekommen der Rachitis zu 
denken sei, so muß man zugeben, daß eine pathologische Anhäufung jener der Knochenverkalkung hinder- 
lichen Substanz auf zweierlei Weise erklärt werden könnte: 

1. So, daß sie zwar in normaler Menge gebildet, aber durch die Ek. in ungenügendem Grade 
unschädlich gemacht wird, und zwar infolge Erkrankung und Funktionsuntüchtigkeit des Ek.-Parenchyms. 
Das entspricht auch der Annahme von Hecker fürs Ek. und von Stöltzner und Salge für die Neben- 
nierenrinde. Unsere Ek.-Befunde zeigen aber, wie schon erwähnt, nichts, was auf eine zu funktioneller 
Insuffizienz führende Parenchymschädigung schließen ließe, so daß wir diese Möglichkeit fallen lassen 
müssen. Wir können eben eine absolute Insuffizienz der Ek. nicht akzeptieren. 

2. Es bleibt daher nur noch übrig, anzunehmen, daß die der Knochenverkalkung hinderliche 
Substanz bei Rachitis darum zunimmt, weil sie in pathologisch großer Menge produziert wird und so die 
normal funktionierenden Ek. ihrer nicht Herr werden können. Darnach bestünde eine zwar nicht absolute, 
jedoch eine relative Insuffizienz der Ek. Der pathologische Überschuß dieser Substanz nun ist die Ursache 


678 Dr. J. Erdheim, 


der pathologisch großen Osteoidmenge und gibt zugleich auch jenen Reiz ab, der die Ek. zur Hyperplasie 
und Hypertrophie anregt, denn es besteht ein gesteigertes Bedürfnis nach der entgiftenden Tätigkeit der 
Ek. Und auch hier hätte somit die Ek.-Vergrößerung eine therapeutische Selbsthilfe zu erfüllen, und zwar 
nach Art der symptomatischen, nicht ätiologischen Therapie, denn es wird dadurch nicht die gesteigerte 
Giftproduktion hintangehalten, sondern die pathologisch große Giftmenge zu neutralisieren gesucht. 

Wenn wir das eben Gesagte kurz zusammenfassen, so müssen wir sagen, daß wir das Vorhanden- 
sein von kalkloser Knochenapposition in pathologisch großer Menge bei Rachitis und Osteomalacie ent- 
weder so zu erklären haben, daß das die Knochenverkalkung bedingende Ek.-Sekret durch uns 
unbekannte Substanzen pathologischerweise verbraucht und so dem Skelett entzogen wird, oder so, 
daß eine der Knochenverkalkung hinderliche, durch die Ek. zu neutralisierende Substanz in so großer, 
pathologischer Menge gebildet wird, daß die normalen Ek. ihrer nicht Herr werden können. Bei beiden 
Erklärungsversuchen besteht nur eine relative und nicht eine absolute Insuffizienz der Ek., ein gesteigertes 
Bedürfnis nach funktionierendem Ek.-Gewebe, und dies hat zur Folge, daß die Ek. hypertrophisch und 
hyperplastisch werden. 

Wiewohl in unserem Tiermaterial sich keine Fälle geheilter überstandener Rachitis finden, müssen 
wir uns die Frage vorlegen, wie sich die Ek. nach Ablauf der Rachitis verhalten. Vermutlich wird 
sich in analoger Weise wie die Involution der Schwangerschaftsveränderung der Hypophyse post partum 
auch die Itk.-Vergrößerung nach Ablauf der Rachitis zurückbilden und wohl auch, wie in der Hypo- 
physe, so, daß zuerst die Zellhypertrophie verschwindet und erst viel später die Zahl der Zellen abnimmt. 
Zu dieser Vermutung geben uns unsere zwei mit Marasmus kombinierten Rachitisfälle Anlaß, wo die Ek. 
zwar noch sehr deutlich die rachitische Zellvermehrung aufweisen, aber die Zellen bereits hochgradig 
atrophisch geworden sind. Freilich war hier der Grund für die Zellatrophie nicht Heilung der Rachitis, 
sondern Marasmus. 

Wir sehen, wie wir beim Versuch, die Stellung der Ek. in der Pathogenese der Rachitis und Osteo- 
malacie näher zu präzisieren, immer wieder mit hypothetischen Substanzen operieren müssen. Ob diese 
in Wirklichkeit bestehen oder nicht, wird uns solange verborgen bleiben, solange wir die Ätiologie der 
Rachitis nicht kennen. Darum wollen wir hier abbrechen, um uns nicht in Ideengänge und Ausführungen 
zu verlieren, von denen es einst heißen könnte, sie wären besser unterblieben. Wir wünschen nur, es 
möchte manches schon auf dem Papier Befindliche diesem Vorwurf entgehen. 

Die Erforschung der Ätiologie der Rachitis und Osteomalacie muß aber unser Ziel bleiben, dem die 
Forscher schon seit Jahrhunderten ebenso eifrig wie vergebens entgegenstreben. Da, wo v. Ritter 1863 
von den für die damalige Zeit bedeutenden Fortschritten der histologischen und chemischen Rachitis- 
forschung spricht, entschlüpft ihm die folgende Resignation: »Dennoch reichen selbst diese glänzenden 
Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung nicht hin, das undurchdringliche Dickicht zu erhellen, in 
welches die ersten Anfänge, das eigentliche Wesen unserer Krankheit gehüllt sind.« Nicht viel anders ist 
die Stimmung bei unseren modernen Forschern, wie Pommer und Schmorl, die ja selbst die Rachitis- 
morphologie in einer Weise gefördert haben, wie sie 1363 wohl als kaum denkbar erschienen wäre. Immer 
ungestümer wird der bisher unbefriedigte Drang nach Erkenntnis der Rachitisätiologie und bei Stöltzner 
und Salge lesen wir 1901 die folgenden charakteristischen Sätze: »Die Lehre von der Rachitis lechzt 
geradezu nach neuen Gesichtspunkten.« »In dem bisherigen Geleise ist nicht vom Fleck zu kommen.« 
»Die ganze Richtung der Forschung muß geändert werden, doch fehlt es dazu bisher an einem Weg- 
weiser.« »Bei der völligen Ratlosigkeit, in der die Pathogenese und die Ätiologie der Rachitis sich zurzeit 
befinden, ist von einer neuen Theorie vor allem zu fordern, daß sie der Forschung neue, beantwortbare 
Fragen vorlege.« Wird die hier mit aller erderklichen Sicherheit vorgenommene Einfügung des Ek. in die 
Pathogenese der Rachitis und Osteomalacie vielleicht jener neue Gesichtspunkt, jenes neug Geleise sein, 
das uns ein Wegweiser werden wird bei der Änderung der bisherigen Forschungsrichtung? Auf keinen 
Fall wird es der neuen Anschauung an neuen und hoffentlich auch beantwortbaren Fragen fehlen. Diese 
tauchen in Fülle schon da auf, wo es gilt, die Art und Weise, in der das Ek. in den normalen und patho- 


Rachitis und Epithelkörperchen. 679 


logischen Kalkstoffwechsel eingreift, näher zu präzisieren. Es steht zu erwarten, daß, wenn wir die Patho- 
genese der Rachitis einmal vollkommen klargelegt haben werden, auch die Erkenntnis der Ätiologie nicht 
mehr lange auf sich wird warten lassen. Von dem einen gesicherten Punkte der Skelettveränderung und 
dem anderen ebenso gesicherten der Ek.-Veränderung aus wird sich der dritte, noch unbekannte, die 
Ätiologie, gewiß leichter finden lassen als bisher. Auf alle Fälle wird von nun an jeder Versuch einer 
Rachitisätiologie damit zu rechnen haben, nicht nur mit dem Skelett, sondern auch mit den Ek.-Verände- 
rungen in Einklang gebracht werden zu können. Sollten die vorliegenden Untersuchungen in Zukunft 
auch nur ein wenig mit dazu beitragen, die Frage der Rachitisätiologie, die wir von unseren Vorgängern 
ungelöst übernommen haben, unseren Epigonen beantwortet zu übergeben, so wäre ihr Zweck reichlich 
erfüllt. 


680 Dr. J. Erdheim, 


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Fig, 1, Fall 1. 


Fig. 2, Fall 1. 


Fig. 3, Fall 1. 


Fig. 4, Fall 2. 


Fig. 5, Fall 4. 


Fig. 6, Fall 6. 


Fig. 7, Fall 7. 


Fig. 8, Fall 7. 


Fig. 9, Fall 11. 


Tafell 


Totalansicht einer oberen Rippe bei 35f. Vergrößerung. Verkalkter Knorpel: vK. Ruhender Knorpel (rK) mit Seitenaus- 
buchtung a. Sehr niedere Knorpelwucherungsschicht: KW. Die sehr niedere präparatorische Verkalkungsschicht: pV. 
Schlußplatte (b) der sekundären Spongiosa: s Sp. Corticalis: C. Markhöhle: M. 


Totalansicht einer mittleren Rippe bei 35f. Vergrößerung. Verkalkter Rippenknorpel: vK. Ruhender Knorpel: rK, mit 
starker Ausbuchtung auf der pektoralen (2) und geringer auf der pleuralen Seite (b). Der großzellige Knorpel erstreckt 
sich auf der pektoralen Seite (c) höher hinauf als auf der pleuralen (d). Knorpelwucherungsschicht: XW. Präparatorische 


Verkalkungsschicht: »V. Primäre Spongiosa: p Sp. Sekundäre Spongiosa: s Sp. Corticalis: C. Markhöhle: M. 


Detailbild der vorigen Figur bei 87facher Vergrößerung. In den Knorpel vordringende primäre Markbucht: a. 
Knöcherne Schlußplatte: c, darüberliegender kleinzelliger Knorpelrest: d, Mark der primären Spongiosa: e. Sonst alles 


wie in der vorhergehenden Figur. 


Totalansicht einer mittleren Rippe bei 35facher Vergrößerung. Verkalkter Rippenknorpel: vX. Ruhender Knorpel: rK, 
mit seitlicher Ausbuchtung a. Knorpelwucherungsschicht: KW. Präparatorische Verkalkungsschicht: pV. Primäre 
Spongiosa: p Sp, wegen des dichten Baues unübersichtlich. Sekundäre Spongiosa: s Sp, mit großen Markräumen. 
Riesenzellen im Mark: c. Periost: e, oben mit dem Ossifikationswulst 5 endend. Corticalis: C, oben bis 5b hinauf 


reichend. 


Totalansicht der Rippe bei 35facher Vergrößerung. Verkalkter Rippenknorpel: vK. Ruhender Knorpel: rK, mit Seiten- 
ausbuchtung z und zum Teil dunkelblau gefärbten Zellen db. Knorpelwucherungszone: KW. Präparatorische Ver- 
kalkungszone: pV. p Sp, und p Sp, = 2 primäre Spongiosabälkchen, eine weite primäre Markbucht c begrenzend. 
Sekundäre Spongiosa: s Sp mit Knorpeleinschlüssen. aC==alte Corticalis, bei d endend. C, C==junge periostale 
Auflagerung mit Gefäßkanälen, die von Osteoid umsäumt sind: f. Oberes Corticalisende in der Ossifikationsgrube: e. 


Riesenzelle im Knochenmark: R. 


Totalansicht der Rippe bei 35facher Vergrößerung. Verkalkter Rippenknorpel: vK. Ruhender Knorpel: rK, mit Seiten- 
ausbuchtung a. Knorpelwucherungszone: KW. Präparatorische Verkalkungszone:pV. pSp; — kurze, pSp, — lange 
primäre Spongiosabalken.b — Markraum der primären Spongiosa mit zelligem Mark. Ein vereinzeltes sekundäres 
Spongiosabälkchen: s Sp. Alte Corticalis: «C, bei e, f endend. Neue Corticalis: »C bei c, d die primäre Spongiosa 


unterstützend und bei g endend. 


Totalansicht einer mittleren Rippe bei 3öfacher Vergrößerung. Verkalkter Rippenknorpel: vK. Ruhender Knorpel: rK, 
mit Seitenausbuchtung a. KW Knorpelwucherungszone (darin ein Fremdkörper b). Präparatorische Knorpelver- 
kalkung: pV. pSp; = kurze, p Sp, —= lange primäre Spongiosabälkchen, c— große Markräume zwischen letzteren. 
Sekundäre Spougiosa:'sSp. Corticalis: C, beiein lacunärer Resorption, bei f mit osteoider Auflagerung, bei g 
Osteoid in einem Gefäßkanal, d = langer Knorpeleinschluß in der Corticalis, der hoch hinauf bis in die präparatorische 


Knorpelverkalkung zu verfolgen ist. 


Obere Rippe bei 87facher Vergrößerung. Ruhender Knorpel: »K mit seitlicher Ausbuchtung a. Knorpelwucherungs- 
schicht = KW, bei b langsam in die großzellige präparatorische Knorpelverkalkungsschicht pV übergehend, die bei c 
kleinzellig ist. Knöcherne Schlußplatte: d, bei % perforiert. Große Markbucht e, kleine Markbucht oberhalb der Schluß- 
platte f. Corticalis: i, deren Zusammenhang mit der Schlußplatte bei g aufgehoben ist. Blutgefäß: 7. Riesenzelle im 
Mark: m. 


Ganze Rippenansicht bei 35facher Vergrößerung. Verkalkter Rippenknorpel: vK. Ruhender Knorpel: rK, mit seit- 
licher Ausbuchtung a. Knorpelwucherungszone: KW. k—pV = kalkfreie, k + pV = kalkhaltige präparatorische 


Fig. 10, Fall 12. 


Fig. 11, Fall 15. 


Fig. 13, Fall 17. 


Verkalkungsschicht. Bei 5 ist die Schicht ihrer ganzen Dicke nach kalklos. 9,Sp = Bälkchen der primären, sSp — der 
sekundären Spongiosa mit Osteoid O und fibröser Hülle c.. Große Markräume mit zelligem Mark: d. Corticalis: C, 
mit kalkhaltigen e und kalklosen Teilen f, ge. Kalkloses oberes Corticalisende: h. Zelliges Mark der großen Mark- 
höhle: zM. 


Totale Rippenansicht bei 35facher Vergrößerung. Verkalkter Rippenknorpel: vK. Ruhender Knorpel: rK, mit geringer 
Seitenausbuchtung’a. Knorpelwucherungszone:- KW. : k—-pV — kalklose obere, k + pV — kalkhaltige untere Partie 
der präparatorischen Verkalkungszone. Primäre Spongiosa mit Knorpeleinschlüssen: » Sp. Sekundäre Spongiosa: sSp. 
b= fibröse Hülle der Knochenbälkchen. Zelliges Mark: c. Osteoid der sekundären Spongiosa: O0. Zelliges Mark in 


der großen Markhöhle: zM. Corticalis: C, mit Osteoid: d. Osteoides oberes Corticalisende: e. 


Ganze Rippenansicht bei 35facher Vergrößerung. Verkalkter Rippenknorpel: vK. Ruhender Knorpel: vK, mit Seiten- 
ausbuchtung a. Fremdkörper: k. Knorpelwucherungsschicht: KW. Präparatorische Verkalkungsschicht: pV. In 
den Knorpel eingefressene Markbucht: db. Primäres Spongiosabälkchen mit zentralem Knorpeleinschluß: » Sp und 
mit mächtiger osteoider Auflagerung O0. Sekundäre Spongiosa: s Sp, bogenförmig über den Markraum gespannt mit 
aufsteigenden Stützbalken c, Osteoid: d und Markräumen: e. Corticalis: C, bei f viel dünner, mit Osteoid g, h, und dem 


osteoiden oberen Corticalisende /. In der Markhöhle zelliges Mark: <M, mit Fettzellen F und Riesenzellen RZ. 


Totale Rippenansicht bei 35facher Vergrößerung. Man beachte, um wie viel größer hier und in den folgenden Figuren 
alle Dimensionen der Rippe im Vergleich mit den Figuren der normalen Rippen auf Tafel I sind, obwohl die Vergröße- 
rung stets 35 fach ist.-Verkalkter Rippenknorpel: vK. Ruhender Knorpel: rK, mit seitlicher Ausbuchtung a. Knorpel- 
wucherungszone: KW, nach unten konvex ausgebogen. Präparatorische Verkalkungszone: »V, enorm hoch, bei 
vom Perichondrium bedeckt, ganz kalklos, bei »V verschiedenartige, bei 5 gleichartige Knorpelzellen. Beic,c,e, f 
fleckweise Knorpelverkalkung. Gefäße in den Knörpel eingewachsen: d. Oberer Teil der sehr hohen sekundären 
Spongiosa überwiegend kalklos: Sp, unterer Teil der sekundären Spongiosa recht gut verkalkt: z. Corticalis: C, gut 


verkalkt mit periostalem Osteoidbelag 1, nach oben sich in eine Spongiosa auflösend. Sehr kalkarme Corticalis im 


Spongiosabereiche: m. Anverkalktes oberes Corticalisende: g. 


Erdheim, J.: Rachitis und Taf. 


Lichtdruck v. Max Jaffe, Wien 


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Denkschriften d. kais. Akad. d. Wiss. math,-naturw. Klasse, Bd. XC. 


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Fig. 12, Fall 16. 


Fig. 14, Fall 18. 


Fig. 15, Fall 19. 


Fig. 16, Fall 20. 


Fig. 17, Fall 21 


Tafel I. 


Totale Rippenansicht bei 35facher Vergrößerung. Verkalkter Rippenknorpel: vX. Ruhender Knorpel: rK, mit seit- 


licher Ausbuchtung a. Präparatorische Verkalkungszone ganz kalklos: pV, bei 5b in Sinterknorpel übergehend. Ver- 
kalkter Knorpel: d, verkalkter Knorpeleinschluß im primären Spongiosabälkchen: c, deren Knochenanwurf rein osteoid 
ist: 9Sp. Sekundäre Spongiosa: s‚Sp, bei e ein Rundgewölbe bildend. Markräume: f. Zelliges Mark: k. Corticalis: g, 
mit dickem periostalen Osteoid: p, bei m ganz kalklos. Oberes Corticalisende: » auf eine lange Strecke ganz osteoid. 


Markhöhle: O. 


Totalansicht der Rippe bei 35facher Vergrößerung. Verkalkter Rippenknorpel: vK. Ruhender Knorpel: rK, mit seit- 
licher Ausbuchtung a. Knorpelwucherungszone: KW. Kalklose präparatorische Verkalkungszone: k—pV, bei k+pV 
verkalkt. Bei d große, dunkle, bei c mehr normale Knorpelzellen. Primäre Spongiosabälkchen mit Knorpeleinschluß: 
e, Gefäße f, in die kalklose präparatorische Knorpelverkalkungsschicht eintretend. I, II, III die drei Schichten der 
sekundären Spongiosa. h, l, t= zentrale Verkalkung in Bälkchen. Osteoidsäume: g, %, s, u. Markräume: i, m, r. 


Corticalis: », 0, p bei v aus sehr dickem Osteoid aufgebaut, bei w oben endend. 


Totalansicht der Rippe. Der verkalkte Rippenknorpel (vK), der ruhende Knorpel (rK) und die Knorpelwucherungszone 
(KW) ohne Besonderheiten. Ausbuchtung des ruhenden Knorpels: a. b=tief einschnürende Ossifikationsgrube mit, 
namentlich rechts, stark verdicktem Ossifikationswulst. Obere Schicht der präparatorischen Verkalkungszone pV, axial 
bei pV aus locker stehenden Zellsäulen mit dunklen Kernen, lateral bei c aus dichtstehenden Zellsäulen mit hellen 
Kernen bestehend, überall kalklos. e= untere, auch kalklose Schicht der präparatorischen Verkalkungszone, vom 
Typus des Sinterknorpels, dunkler, mit Gefäßen f, von denen eines (d) etwas in die obere Schicht eintritt. Sekundäre 
Spongiosa: s Sp von kompaktem Bau, fast ganz kalklos, bei gin die Corticalis übergehend. Diese im Bereiche der 


Spongiosa wenig selbstständig hervortretend, oberes Corticalisende: 1. 3öfache Vergrößerung. 


Totalansicht der Rippe. Der verkalkte Rippenknorpel (vX) und der ruhende Knorpel (rK) ohne Besonderheiten; seitliche 
Ausbauchung des letzteren: a. Die Knorpelwucherungszone (KW) nicht verbreitert, aus mehr parallelen Zellsäulen 
bestehend. Die präparatorische Verkalkungszone verbreitert, ihre obere höhere Hälfte kalklos, hell (k—pV), die untere 
niederere, diskontinuierliche, kalkhaltige dunkel (*+pV). Die primäre Spongiosa (p Sp) an den dunklen Knorpelein- 
schlüssen zu erkennen, als eigene Schicht weniger hervortretend. Die sekundäre Spongiosa (s Sp) bildet eine sehr hohe 
Schicht, die Bälkchen zentral verkalkt (dunkel), stets mit breiten Osteoidsäumen versehen (hell) und von fibrösem 
Mark (c) eingesäumt. Zelliges Mark: M. Die Corticalis (Sch) hier noch spongiös mit ganz kalkloser oberer Spitze (b). 


Beachtenswert ist die mächtige Auftreibung der Rippe im Bereiche der sekundären Spongiosa. Vergrößerung 35fach. 


(A). Totalansicht der zu Anfang des Versuches resezierten Rippe bei 35facher Vergrößerung. Verkalkter Knorpel: vK. 
Ruhender Knorpel rX, mit Seitenausbuchtung a. Knorpelwucherungszone: KW. Präparatorische Verkalkungszone: pV. 
Primäre Spongiosa: p Sp, sekundäre Spongiosa: s Sp, bei b sich auf die Corticalis aufstützend. Corticalis: C mit 


Osteoid c. Fettzelle im Knochenmark: d. 


Fig. 18, Fall 21 (2). Totalansicht einer bei der Obduktion gewonnenen Rippe bei 35 facher Vergrößerung. Verkalkter Rippenknorpel: vX. 


Fig. 19, Fall 22. 


Ruhender Knorpel: X, mit Seitenausbuchtung a. Knorpelwucherungsschicht: KW. Kalklose präparatorische Ver- 
kalkungszone: k-—-pV mit variabler, bei % normaler Zellbeschaffenheit. Bei b, c, d, e die präparatorische Verkalkungs- 
zone verkalkt. Markgefäß: ;, in den Knorpel aufsteigend, bei k zwischen Schaft und Knorpel hinaufziehend, Gefäß- 
kanal im Schaftende: . m == verkalkter, n, o = osteoider Teil des Schaftes, f, f —= gesimsartige Stütze desselben, 
rechts bei f verkalkt. Sekundäre Spongiosa: z Kalkloser Schaftteil im Knorpelbereiche: r. Oberes Corticalis- 


ende: s, L. 


Totalansicht der Rippe bei 35facher Vergrößerung. Verkalkter Rippenknorpel: vX. Ruhender Knorpel: vK, mit seit- 
licher Ausbuchtung, welche bei a sehr gering, bei b nach unten gestülpt ist. Knorpelwucherungszone: KW. Präpara- 
torische Verkalkungszone: pV. pSp = primärer, sSp — sekundärer Spongiosabalken. Mark — M, Corticalis — 
C, bei C, den Knorpel stützend, bei C, außer Kontakt gekommen mit dem Knorpel c; bei Cz ein Spongiosabalken, der 


für die Corticalis die Stützaufgabe übernommen hat. 


Erdheim, J.: Rachitis und Ep Taf. II. 


Lichtdruck v. Max Jaffe, Wien. 


Erdheim, J.: Rachitis und Epithelkörperchen. Taf. 
= af. II. 


Denkschriften d. kais. Akad. d. Wiss. math -naturw. Klasse, Bd. XC. Lichtdruck v. Max Jaffe, Wien 


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Tafel M. 


1, Fall 2. Totalansicht eines Backenzahnes bei 35facher Vergrößerung, a, a— verkalktes Dentin der Krone und Wurzel. d, b—= 
Dentinoidstreifen in Krone und Wurzel. c, c—= Odontoblastenschicht, bei g unterbrochen, — Zement, nach oben 


(f) sich fortsetzend.. A — Pulpahöhle mit Gefäßen. k = Alveolarperiost. e = Kieferknochen. 


2, Fall 9. Teilansicht eines Backenzahnes bei 35facher Vergrößerung. a == verkalkter Dentinteil. b== das Dentinoid der Krone, 
c== der Wurzel, dieses mehr als die Hälfte der Dentindicke einnehmend, mit linear scharfer Kalkgrenze. d = isolierte 
Dentinkugel. e== Odontoblastensaum. f== die weite Pulpahöhle mit aufsteigenden Gefäßen. g—= schmale Osteoid- 


säume im Kieferknochen. 


3, Fall 9. Ansicht eines anderen Backenzahnes desselben Falles bei 35facher Vergrößerung. Buchstabenbezeichnung die gleiche 
wie in Fig. 2. Das Dentinoid c nimmt hier weniger als die Hälfte der Dentindicke ein. Ak + C— kalkhaltiges Zement. 


k—C == Cementoid. 


4, Fall 12. Wurzelspitze eines Backenzahnes. k— D— das Dentinoid der Wurzelspitze, hier kaum pathologisch verdickt. k+D —= 


das kalkhaltige Dentin, normal. k--C = das kalkhaltige, k— C — das kalkloses Cement. Vergrößerung 35fach. 


5, Fall 14. Wurzelspitze eines Backenzahnes bei 35facher Vergrößerung. a= Dentinoid der Wurzel, hier normal dick. Bei c 
fehlend. b= verkalktes Dentin. Das Cement stark entwickelt, an der Wurzelspitze eine Endanschwellung bildend (A), 
bei d verkalkt und kernreich, bei e kalklos und kernarm, bei h die Kalkgrenze unscharf. f== Kittlinie im verkalkten 


Cement. P= Pulpahöhle. g—lacunäre Resorptionsfläche am Kieferknochen. 


. 6, Fall 16. Wurzelspitze eines Backenzahnes mit umgebendem Kieferknochen. Das Dentin ist fast ganz verkalkt (a), der Dentinoid- 


saum an dieser Stelle von normaler Breite (d) und bei c fehlend. Das Cement reichlich, der Hauptsache nach verkalkt 
(d), Resorptionsräume (7) enthaltend. Bei e ein pathologisch breiter Cementoidsaum. Das Osteoid im Kieferknochen (f) ist 


reichlich und breit, am dicksten bei g am Gipfel der Alveolarsepta. Vergrößerung 35fach. 


7, Fall 19. Backenzahn. P—= Pulpahöhle. Das Dentinoid der Krone und Wurzel (k—D) pathologisch verbreitert. Auf dem kalk- 
haltigen Cement (k + C) liegt eine mächtige Masse von Cementoid (k—-C). O=sehr dicker Osteoidsaum am Gipfel 


des Alveolarseptums. 35fache Vergrößerung. 


8, Fall 21. Teilansicht einer Backenzahnwurzel bei 87facher Vergrößerung. a — der verkalkte Teil des Dentins. b — das patho- 
logisch verdickte Dentinoid. c — die globuläre Kalkgrenze, in der isolierte Dentinkugeln (2) liegen. e= ins Dentinoid 
eingewachsene Odontoblasten, die bei 7 in mehrfach unterbrochener Reihe liegen. f= Cement. g== paradentärer 
Epithelkeim, in einer Grube des Cementes liegend. k= Osteoid an der Spitze des Alveolarseptums und an der 


Innenfläche der Alveole. 


9, Fall 23. Totalansicht des Backenzahnes bei 35facher Vergrößerung. a=— verkalktes Dentin. b= Dentinoid der Krone, d—= 
der Wurzel, bei e mit freien, großen Dentinkugeln. Ocd==ontoblastenreihe. i—= verkalktes Cement. f= Cementoid 
von geringer, £— von mäßiger, h — von bedeutender Dicke. Die Pulpahöhle (?) ist noch sehr weit, die Wurzeln kurz, 


wie bei einem ganz jungen Tier. Am Kieferknochen (K) hier nichts besonderes zu sehen. 


12, Fall 15. Spitze des unteren Nagezahnes bei 35facher Vergrößerung. Nur die äußerste Zahnspitze ist bei f abgeschnitten. b bis f 


— die Nagelfläche, an der die Pulpa c bloßliest. Das Dentin bei b recht gut verkalkt, aber doch auch von schmalen 


kalkärmeren Streifen durchzogen und an der Nagefläche glatt abgeschliffen. Bei d, gist das Dentin viel kalkärmer, 
blässer blau als bei b, anverkalkt, enthält kalklose Streifen mit kleinen isolierten Dentinkugeln (e) und ist an der Nagel- 
fläche zackig zerfranst (a). 


Fig. 15, Fall 16. Ein Teil des Dentins der konkaven Seite aus der Gegend zwischen mittlerem und vorderem Längendrittel des unteren 
Nagezahnes bei 35facher Vergrößerung. Mehr nach hinten ist das Dentin außen (a) gut verkalkt, innen (2) kalklos und 
die Kalkgrenze zwischen beiden ist breit und enthält isolierte Dentinkugeln. Mehr nach vorne wird das Dentin dicker, 
ist außen zum geringen Teile gut verkalkt (c), im übrigen aber von parallelen, kalklosen Streifen durchzogen (d), die 
isolierte und konfluierende, sroße und kleine Dentinkugeln enthalten. e == Odontoblastenschicht, bei / künstlich vom 


Dentin abgehoben. g= Pulpa, % — Alveolarperiost. 


Fig. 16, Fall 16. Vom selben Zahn ein Teil der konvexen Seite des Dentins im mittleren Drittel bei 35facher Vergrößerung. a — kalk- 
loses, b— kalkhaltiges, aber globulär gebautes Dentin, d. h.in der Art unvollständig verkalkt, daß zwischen den 


Dentinkugeln helle, kalklose Interglobularräume erhalten geblieben sind. c— Odontoblastenschicht. d— Pulpa. 


Erdheim, J.: R Taf. II. 


Fig. 8 Lichtdruck v. Max Jaffe, Wien 


Erdheim, J.: Rachitis und Epithelkörperchen. Taf. II. 


Lichtdruck v. Max Jaffe, Wien 


Denkschriften d. kais’ Akad, d. Wiss. math.-naturw. Klasse, Bd. XC. 


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Fig. 


Fig. 


Fig. 


Fig. 


Fig. 


Fig. 


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10. Totalansicht eines Nagezahnes von einem jungen normalen Tier, das nicht in die Versuchsreihe aufgenommen wurde. Ver- 
größerung 6°7fach. a— Pulpa mit Gefäßen, bei b an der Nagefläche bloßliegend. c— Odontoblastenschicht. d— 
vorderster, nekrotischer Pulpateil. e, f—=kalkhaltiges Denin. g=—=hinteres Dentinende. h=-kalkloses Dentin. 


i—= Schmelz. k = Schmelzepithel. = Lücke nach Ausfall des Schmelzes. m, n = Kieferknochen. 


11, Fall 6. Detailansicht der konvexen Seite des hinteren Drittels vom unteren Nagezahn des normalen Tieres. Vergrößerung 
3dfach. a— verkalktes, b=kalkloses Dentin, c— Odontoblastenreihe, d—=Pulpa. e=—=inneres, == äußeres 
Schmelzepithel, bei g künstlich vom Schmelz h abgehoben, der sich bei z verliert. k = Umschlagstelle des Schmelz- 


epithels. 2== Alveolarperiost. ’ 


13, Fall 16. Totalansicht des oberen Nagezahnes bei 6°7facher Vergrößerung. Die stark vascularisierte Pulpa f liegt an der Nage- 
fläche e weit offen. Das hintere Zahnende £ ist tangential getroffen. Bei D die Kalkgrenze im Dentin tiefbuchtig (k). Das 
Dentinoid liest bei a an der Nagefläche bloß. Die dünne Schicht d ist gut verkalkt, bei c das Dentin bloß anverkalkt. 
2 massige Osteoidansammlung am Alveolareingang des Kieferknochens. h —= der durch das Ausfallen des Schmelzes 


entstandene leere Spalt. @— nekrotische vordere Pulpahälfte mit stark erweiterten Gefäßen. 


14, Fall 16. Ein Teil des hinteren Abschnittes der konvexen Seite des oberen Nagezahnes bei 35facher Vergrößerung. Das kalk- 
haltige Dentin cist dünner als das kalklose b, welches bei a isolierte Dentinkugeln, bei d zahlreiche eingewachsene 
Gefäße enthält. Der Schmelz ist hinten erhalten (e) und hört beif auf. g—Pulpa. h— Odontoblasten. #—= inneres, 


k = äußeres Schmelzepithel. Z2— Periost der Zahnalveole. 


17, Fall 19. Ansicht des ganzen oberen Nagezahnes bei 6°7facher Vergrößerung. Man sieht die Verbreiterung des Dentinoids 
(k—D), kalklose Einlagerungen (2) im vorderen Zahndrittel, das tangential getroffen ist und die mächtige Osteoidmasse 


(0) am Alveolareingang des Kieferknochens. d — vollkommen verkalkte, äußerste Dentinschicht. f = gefäßhaltige Pulpa. 


18, Fall 21. Rückwärtiger Teil der konvexen Seite des unteren Nagezahnes bei 35facher Vergrößerung. c — kalkhaltiges Dentin. 
b=Dentinoid, pathologisch verbreitert. Die Kalkgrenze bei d globulär, bei g isolierte Dentinkugeln, bei 7 das kalk- 
haltige Dentin globulär. o = Pulpa, e —= Odontoblastenlager, m dem die von der Pulpa eintretenden Blutgefäße (f) ein 
prächtiges, in der Figur schwarzes Kapillarnetz formieren, das ganz nahe am Dentin liegt. « = Schmelz, hinten gut 
erhalten, vorne (z£) sich verlierend. k— inneres, Z— äußeres Schmelzepithel, das bei m künstlich abgehoben ist. n — 


Periost. 


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Erdheim, J.: Rachitis und Epithelkörperchen. Taf. IV. 


Lichtdruck v. Max Jaffe, Wien. 


Denkschriften d. kais. Akad. d. Wiss. math.-naturw. Klasse, Bd. XC. 


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Fig. 1, Fall 3. 


Fig. 2, Fall 1. 


Fig. 3, Fall 4. 


Tafel V. 


Totalansicht des Fibulacallus bei 35facher Vergrößerung. Fragmentende: a. Knorpelcallus: 5, db. Knochensplitter: 
c,c,c,c. Frakturspalt: d. Enchondraler Callus: e. Periostaler knöcherner Callus: f. Gefäßkanal mit Osteoidaus- 


kleidung: g. Großer Markraum: h. Periost: i. Präparatorische Verkalkungszone des Knorpelcallus: k. 


Detailansicht des Fibulacallus bei 87 facher Vergrößerung. Dargestellt ist der linke untere Quadrant des Callus. Der alte 
Fibulaschaft (a) mit zugespitztem, nekrotischem Frakturende b. Fibröses Mark im Frakturbereiche: c. Dasselbe 
zwischen den Fragmenten sich ausspannend: d. Knorpelcallus: e, bei f großzellig, arm an Grundsubstanz und verkalkt, 
bei e kleinzellig und reich an Grundsubstanz. In den Knorpel eingefressene Markräume: g. Ein solcher mit Knochen 
ausgekleidet: ı. Enchondrale knöcherne Callusbälkchen mit zentralem Knorpeleinschluß: z. Periostaler Callus (%) mit 
Osteoidsäumen Z. Schmaler (mw) und sehr großer Markraum (») mit zelligem Mark. Nekrotischer Knochensplitter im 


fibrösen Callus liegend (o) mit anliegender Riesenzelle r. Zellreiches Periost: p. 


Detailansicht des linken unteren Quadranten des Fibulacallus. Periost (a) über dem Knorpelcallus (b), der an dieser Stelle 
dichtliegende große Zellen mit verkalkten Kapseln aufweist, bei c aber kleinzellig und reich an Grundsubstanz ist. In 
den Knorpel hineingefressene Markbucht: ee Enchondraler Callus: f. Periostaler knöcherner Callus von reifem Gewebs- 
typus: d. Im Zentrum des Bälkchens geflechtartiger Knochen: k. Osteoidsaum: h. Osteoblastensaum: DR DM= 


kleiner, i= großer Markraum. Periost über dem knöchernen Callus: Z. 87fache Vergrößerung. 


Fig. 4, Fall 12. Detailbild aus einem tangentialen Schnitt des Fibulacallus bei 87facher Vergrößerung. Zwischen dem periostalen 


knöchernen Callus (pkC, pkC) beider Fragmente spannt sich ein Netz aus Knorpelcallus, das bei k—K kalklos, beik + 


K verkalkt ist und bei a zu verkalken beginnt. Osteoidsaum: o. Fibröses Mark — A. 


Fig. 5, Fall 12. Ansicht des Fibulacallus bei 35facher Vergrößerung. In der alten, gut verkalkten Schaftcorticalis große aushöhlende 


Resorptionsräume (b), die bald vom Periost (c), bald vom Endost (d) vordringen. Infolge lacunären Abbaues an den 
Fragmentenden (a) stehen diese sehr weit auseinander. Zelliges Mark in der Markhöhle: zM. Im Frakturbereiche das 
Mark fibrös: e. Enostaler Callus (f) spärlich, mäßig gut verkalkt. Der periostale Knorpelcallus (XC) in Form zweier 
kleiner Gebilde nahe dem Periost in der Äquatorialebene der Fraktur liegend. Der periostale knöcherne Callus reichlich 
entwickelt, aus schlanken Knochenbälkchen bestehend, die (?C) über dem alten Schaft und nahe dem Periost auch sonst 
(g) im Zentrum gut verkalkt sind, überall aber Osteoidsäume (0) haben und durch fibröse Markräume getrennt sind. Der 


zwischen den Fragmentenden liegende Callus (z) ist im wesentlichen kalklos. 


Fig. 6, Fall 16. Totalansicht der linksseitigen Fibulafraktur bei 35facher Vergrößerung. Die Fragmente stehen parallel, aber seitlich ver- 


schoben. Die Compacta infolge zahlreicher, großer Resorptionsräume k hochgradig porotisch. Osteoide Auflagerungen 
in einem Resorptionsraum: l. Osteoid am Endost: z. Zelliges und Fettmark in der großen Markhöhle: kA. Knorpeliger 
Callus: a, a. Fibröser Callus (f, f, f) von osteoiden Bälkchen g durchzogen. Fibröses Mark im Frakturbereiche: , 
dicker periostaler knöcherner Callus mit beginnender Verkalkung: c, d— dünner, kalkloser, e, b— dicker, etwas ver- 


kalkter periostaler knöcherner Callus. 


Fig. 8, Fall 18. Totalansicht des Fibualcallus bei 35facher Vergrößerung. Die Fragmente sind gegeneinander verschoben und winkelig 


gestellt. a — der kalkhaltige, b— der kalklose Teil des Fibulaschaftes. Mit Osteoid ausgekleidete Gefäßkanäle: c, mit 
Bindegewebe ausgefüllte Resorptionshöhle: d. Eine solche mit Osteoid ausgekleidet (e) und bei f mit einer osteoiden 
Spongiosa erfüllt, die auch Markräume (g) enthält. Zelliges Mark (A) mit Riesenzellen RZ. Fibröses Mark im Fraktur- 
bereiche: i. Endostaler Callus: k. Knorpelcallus: Z, m. Fibröser Callus: n, 0. 9, 24 = vollständig kalkloser, 73 fast 


vollständig kalkloser, p, unvollständig verkalkter periostaler knöcherner Callus. Markräume im Callus: r. 


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Erdheim, J.: Rachitis und Epi Taf. V. 


Lichtdruck v, Max Jaffe, Wien. 


Taf. V. 


Erdheim, J.: Rachitis und Epithelkörperchen. 


Lichtdruck v, Max Jaffe, Wien. 


Denkschriften d. kais. Akad. d. Wiss. math,-naturw. Klasse, Bd. XC. 


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Fig. 7, Fall 17. Fibulacallus mit starker seitlicher Verschiebung der Fragmente. Das obere Fragmentende tangential getroffen. Der alte 
Fibulaschaft ist zum größten Teile verkalkt (D), jedoch stellenweise mit periostalem (c) und enostalem (Z) Osteoidbelag 
versehen, der auch schon stellenweise verkalkt. Resorptionshöhlen in der Compacta: e. Nekrotisches kernloses Frag- 
mentende A, bei gaber noch Kerne vorhanden. Reichlicher enostaler kalkloser Callus: %. Der periostale Callus ist auf 
einer Seite (2) sehr spärlich, rein osteoid, auf der anderen sehr reichlich, zum Teil osteoid (r), zum Teil ganz wenig 
anverkalkt (0) und von vielen engen Gefäßkanälen durchzogen (p). Bei p primitiver Callus mit etwas mehr Verkalkung. 


Markhöhle mit zelligem Mark: f. Fibröses Mark im Frakturbereiche: i. Vergrößerung 35 fach. 


Fig. 9. Totalansicht der operativ erzeugten Rippenfaktur des Falles 19, bei 35facher Vergrößerung. Verkalkter Rippenknorpel: vK. 
Ruhender Knorpel: X, mit seitlicher Ausbuchtung a. Knorpelwucherungsschicht: KW. Ossifikationsgrube mit Össifi- 
kationswulst: b. Oberes Corticalisende: c. Spongiosa: Sp. Kompakte Osteoidmasse: d. Peroistaler osteoider Callus (C}) 
mit Knorpelinseln K,. Bindegewebscallus: BC. Sch = kalkhaltiger, k — kalkloser Teil des Rippenschaftes. e— nekro- 
tisches, bei fin Abbau begriffenes kalkhaltiges Fragmentende. g— kalkloses nekrotisches Fragmentende. (5, C, — 


periostaler osteoider Callus des unteren Fragmentes mit Knorpeleinschluß K,. Zelliges Mark: zM. 


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eg. 10, Fall 15. Totaler Querbruch der Rippe bei cc, c und Infraktion beia. b,— periostaler, b, — enostaler osteoider Callus der 
Infraktion. g== verdicktes Periost. d== Detritus. e = peri-, f—= enostaler osteoider Callus, letzterer die Markhöhle 


verschließend. A — fibröses Mark. Vergrößerung 35 fach. 


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ig. 11, Fall 21. Totalansicht eines jungen, vorwiegend knorpeligen Callus bei 35facher Vergrößerung. a — die alte Corticalis. Der 
Frakturspalt ist bald leer (d), bald mit Detritus gefüllt (f). Ö== lacunäre Abbaufläche mit Osteoklasten besetzt, bei % die 
alte Corticalis völlig durchnagt und das Fragment r vom Schaft getrennt. n — fibröses Mark im Frakturbereiche. Rechts 
tiefer Einriß (m) im Periost links die osteoide Periostauflagerung b über der Frakturstelle nicht unterbrochen (e). Der 
Knorpelcallus liegt links als einheitliche Masse von c—g, beide Fragmente verbindend, rechts in zwei über jedem Frag- 
_ ment selbstständig liegenden Massen *k, o, zwischen denen junges Bindegewebe / den Periostriß vereinigt. p = geringe 


Menge rein osteoiden periostalen Callus. 


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io. 12, Fall 19. Mittelalter Callus nach Spontanfraktur des Rippenschaftes ohne Knickung. FS und F== Frakturspalten. Bei Din 
einem solchen Detritus, »C = periostaler Callus, zum größten Teil osteoid, bei a, a, und 5 mit beginnender Verkalkung. 
eC = enostaler Callus, ganz osteoid, die Markhöhle verschließend. Bei c der alte kalkhaltige Rippenschaft abgebaut und 


durch Osteoid ersetzt. Vergrößerung 35 fach. 


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Fig. 13, Fall 19. Junger Callus nach winkeliger Spontanfraktur des Rippenschaftes. RS — Frakturspalt. « — die Spitze des einen in die 
Markhöhle eingetriebenen Fragmentes. pO = präexistente periostale Auflagerung, nicht zerrissen, sondern über den 
Frakturwinkel gespannt. Das zellige Mark (zM) im Frakturbereiche durch fibröses Mark (fM) ersetzt. Ganz osteoider 
periostaler (?C) und enostaler (eC) Callus. XC== Knorpelcallus. Der alte kalkhaltige Schaft bei 5 und FS lacunär abge- 
baut. Vergrößerung 35fach. 


Fig. 14, Fall 9. Totalansicht einer älteren, winkelig geheilten Fraktur, deren Callus im Umbau begriffen ist. Vergrößerung 35fach. 
a, —a, der alte Rippenschaft mit Osteoid z. Der Teil a, ist von der Frakturstelle bis 5 schon abgebaut. Der Callus auf 
der konkaven Seite (d) viel größer als auf der konvexen (f), aus schmalen Bälkchen mit geringem Osteoidbelag (7) 
bestehend, in den großen Markräumen ein zelliges und Fettmark (g). Im Callus ein langer Stützbalken Z ausgebildet, der 


sich vom Fragment a,— a, hinüberspannt. Bei c lag früher der Callus auf dem alten Rippenschaft; nachdem aber dieseı 


hier schon abgebaut ist, bildet das periostale Callusstück ce die Begrenzung der Markhöhle, die selbst an der Bruchstelle 
k noch offen ist. 


Fig. 15, Fall 20. Callus nach Spontanfraktur im hinteren Rippenanteil. An der Periostfläche der pektoralen Seite eine dicke Osteoid- 
auflagerung (a). Der Callus b, e überbrückt und unterbricht die Markhöhle (M, M), hat einen sehr kompakten Bau, ist 


vorwiegend osteoid (b), namentlich in der Äquatorialebene, in e kalkhaltig. Vergrößerung 35fach. 


Fig. 16, Fall 13. Totalansicht einer Callusbrücke bei 35facher Vergrößerung. Die weite Markhöhle (%) des vordersten Rippen- 
abschnittes ist von teils kalkhaltiger (b), teils kalkloser (a) Corticalis begrenzt und durch eine Callusbrücke (d) unter- 
brochen, die an beiden Rändern verkalkt (c), im Zentrum osteoid ist (d) und daselbst Knorpelreste (e) einschließt. An der 


Callusstelle ist die Rippenoberfläche zum Teil eben (g), zum Teil leicht vorspringend (f). 


Fig. 17, Fall 22. Totalansicht eines Rippencallus bei 35facher Vergrößerung. Im Bereiche des Callus ist bei a keine, bei b eine geringe 
Vorwölbung der Rippenoberfläche zu sehen. Der Callus stellt eine Brücke (f) dar, die die Markhöhle (M) auf eine kurze 
Strecke unterbricht, in der Mitte ihrer Dicke und namentlich gegen den Rippenrand (a, b, c)'kalklos, an den gegen die 


Markhöhle zu sehenden Flächen aber (d, e) verkalkt ist. C== die atrophische Corticals. 


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Erdheim, J. 


Lichtdruck v. Max Jaffe, Wien. 


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Erdheim, J.: Rachitis und Epithelkörperchen. 


Lieltdruck v. Max Jaffe, Wien 


Denkschriften d. kais. Akad. d. Wiss. math.-naturw. Klasse, Bd. XC. 


Tafel VI. 


Fig. 


Fig. 


Fig. 


Fig. 


Fig. 


Fig. 


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1, Fall 4. Totalansicht des linken Haupt Ek. —= ek bei 40facher Vergrößerung. Die Lage des Ek. ist regulär, sein Parenchym von 


der Schilddrüse durch eine sehr feine Kapsel scharf getrennt, die Schilddrüsenfollikel sind an der Oberfläche groß (a), in 
der Tiefe klein (db), aber absolut frei von Kompressionserscheinungen. Im Ek. sind die Alveolen gleichmäßig klein und 


die Alveolarsepta treten als dunkel hervor. 


2, Fall 7. Totalansicht des Haupt-Ek. bei 40facher Vergrößerung. Das Ek. (ek) liegt regulär in der Schilddrüse, die versenkte 


Fläche ist konvex, die freie platt. Beide Gewebe sind scharf voneinander getrennt, das Ek. kleinalveolär aufgebaut. Die 
Schilddrüsenfollikel sind unter dem Ek. (b) deutlich, wenn auch nicht hochgradig zu ovalen Formen komprimiert, tiefer 
unten aber (c) und seitlich vom Ek. (a) rund, an letzterer Stelle, wie gewöhnlich nahe der Oberfläche, etwas größer als 


sonst. Der Muskel (M) gestattet dem Ek., bei seinem Dickenwachstum nicht, das Schilddrüsenniveau zu überschreiten. 


. 3, Fall 13. Totalansicht des Haupt-Ek. bei 40facher Vergrößerung. Das Ek. (ek) liegt regulär in der Schilddrüse, komprimiert sie 


nicht und wölbt sich nicht aus ihr vor. Die Schilddrüsenfollikel sind oben groß (a), unten klein (db). Der Muskel (M) 


überlagert die Schilddrüse mit dem Ek. Im letzteren sind 2/3 des Organes von dunklerem Kolorit und durch mäßig ver- 


größerte Alveolen ausgezeichnet (gr), während das oberflächliche Drittel hell und kleinalveolär ist (2). 


4, Fall 14. Totalansicht des Haupt-ZK (ek) bei 40facher Vergrößerung. Das Organ ist sehr deutlich aber nicht maximal vergrößert, 


ragt nicht aus der Schilddrüse hervor, ist vom Muskel (M) überdeckt, komprimiert die Schilddrüsenfollikel bei d in 
leichtem Grade zu ovalen Formen, während die entfernteren (c) rund sind. Die Alveolen des Ek. sind’zum größten Teil 


wesentlich vergrößert (g7), zum geringen Teil noch klein (k2). 


5, Fall 15. Totalansicht des stark hypertrophischen Ek. (ek), welches sich bei kl flach aus der Schilddrüse vorwölbt. Alle Alveolen 


vergrößert, die meisten sehr bedeutend (g7), einige an der freien Oberfläche (kl) weniger, aber doch auch. In den dicken 
Stromasepten große Blutgefäße (G). Die Schilddrüsenfollikel bei c normal, bei d wenig, bei b maximal komprimiert, an 


der Oberfläche (a) groß. Vergrößerung 40fach. 


6, Fall 20. Totalansicht des Ek., das enorm vergrößert ist, durchwegs aus maximal vergrößerten Alveolen aufgebaut ist (g7), die 


Schilddrüsenfollikel sehr stark komprimiert (b) und mit dem pilzförmig überhängenden Teil (d) aus der Schilddrüse 


hervorquillt und diese dabei zum Teil mit emporhebt (e). Vergrößerung 40fach. 


7, Fall 16. Ein großes akzessorisches Ek. Totalansicht bei 40facher Vergrößerung. Die Form des ER. ist ganz unregelmäßig. In 


der Größe übertrifft es ein normales Haupt-EK., die Alveolen sind sehr groß (gr), bei a wird ein großer Alveolus von 
einem eingedrungenen Kapillarnetz in viele kleine Alveolen zerteilt und bei kl resultiert daraus ein kleinalveoläres Bild 


das an ein normales Haupt-EK. erinnert. 


Erdheim, J.: Rachitis und Epithelkörperchen. Taf. VII. 


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a (Fall 3) 


e (Fall 7) 


v (Fall 12) 


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x (Fall 18) 
Lichtdruck v. Max Jaffe, Wien. 


Denkschriften d. kais, Akad, d. Wiss. math.-naturw. Klasse, Bd. XC. 


Tatiel VII. 
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Fig. 21. a bis x sind Photogramme der Wachsmodelle der Haupt- und akzessorischen EK. sämtlicher Fälle. Die akzessorischen liegen 
immer zwischen den beiden zugehörigen Haupt-ER. a bis A sind die 8 normalen, ö bis x die 15 Rachitisfälle. Die Photo- 
gramme sind nach der absoluten Größe der Haupt-EK. geordnet. Alle Modelle sind bei der gleichen Verkleinerung von 
10:5:1 photographiert. Die, wie zum Beispiel in sehr deutlicher Weise bei o, dunkelgehaltene Partie der Oberfläche beider 
Haupt-EK, ist der durch schwarzen Anstrich kenntlich gemachte freiliegende Teil der Oberfläche, der helle Teil der in 
die Schilddrüse versenkte. Die beiden Haupt-EK. bei s sind in toto schwarz, weil sie ganz extrathyreoideal lagen. Die 
Unsichtbarkeit der dunkel gehaltenen Oberflächenpartie an vielen Photogrammen hat ihren Grund zum Teil darin, daß 


diese vom Beschauer abgewendet ist, zum Teil darin, daß sie an der Schattenseite zu liegen kam. 
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Erdheim, J. Taf. VII. 


22 gT Lichtdruck v. Max Jaite, Wien. 


Erdheim, J.; Rachitis und Epithelkörperchen. Taf. VII. 


Denkschriften d. kais. Akad. d. Wiss. math.-naturw. Klasse, Bd. XC. = DRG SEE Lichtdruck v. Max Jafte, Wien. 


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Erklärung der Diagramme I bis XXIX auf den Tafeln IX bıs XI. 


Der leichteren Übersicht halber wurden die Resultate der in vorliegender Arbeit ausgeführten, sehr zahlreichen Messungen in 


Diagrammform gebracht. Hiebei wurde in folgender Weise verfahren: 


In jedem Diagramm gehen die normalen Fälle voran und sind von den folgenden pathologischen durch eine punk- 
tierte senkrechte Linie getrennt. 

In der Gruppe der normalen und in der der pathologischen Fälle sind die Messungsresultate nach ihrer Größe ansteigend, ohne 
Rücksicht auf die Nummer des Falles geordnet. Wo zu den normalen Maßen die pathologischen fehlen (Diagramme V] bis IX und XII) 


oder zu den pathologischen die normalen (Diagramm XXV), ist das Diagramm einteilig. 
Gemessen wurde: 


1.DieHöhederverschiedenen Knorpel- und Knochenschichtenin den Rippen (Diagramm | bis IX), wobei 1 mm 
Strichhöhe 20 y. bedeutet. 


2. Die Osteoiddickein den Rippen (Diagramm X bis XII) und im Callus (Diagramm XXIV und XXV) sowie die Dicke 


des Dentinoids und Cementoids der Zähne (Diagramm XIII bis XXIII), wobei 1 mm Strichhöhe 1 u. bedeutet. 


3. Die relative Größe des gesamten Epithelkörperapparates (Diagramm XXV]), wobei 1 mn Strichhöhe (und nicht 
wie es fälschlich auf der Tafel steht 5 mm) 20 dmm® bedeutet; die reiative Größe der akzessorischen Epithel- 
körperchen, deren Wert verschwindend geringer ist, im gleichen Maßstabe darzustellen, wäre unmöglich gewesen, darum 


wurde hier (Diagramm XXVIl) ein viel größerer Maßstab gewählt, so daß 1 mm Strichhöhe 1 dınm? bedeutet. 


4. Endlich wurde die Alveolarbreitein den Haupt- und akzessorischen Ek. gemessen (Diagramm XXVIIl bis XXIX) 
wobei 1 nm Strichhöhe 2 ı. bedeutet. 


Unter den Strichen in jedem Diagramm befinden sich zwei Zahlenreihen. In der unteren steht die zu jedem Strich gehörige 
Nummer des Falles, in der oberen das in Betracht kommende Durchschnittsmaß dieses Falles. Die Zahlen dieser Durch- 
schnittsmaße in Mikren ausgedrückt (wie das stets im Text geschah), sind oft vierstellig und hätten aus Raummangel keinen Platz 
unter den Strichen. Zur Vereinfachung dieser Zahlen wurde daher statt der Einheit 0001 mm (= 1) als Einheit 0'Ol mm, das ist 
1 Dezimillimeter (= 10) gewählt. Es bedeuten also die Zahlen der oberen Reihe in den Diagrammen I bis XXV und XXVII, XXIX 
Dezimillimeter. Aus dem gleichen Grunde wurde in den zwei restlichen Diagrammen XXVI und XXVII für die obere Zahlenreihe als 
Einheit nicht wie im Text 1dmm?, sondern 10 dmm2 gewählt. 

Durch ein Versehen bei der Korrektur blieb das fehlerhaft ausgeführte Diagramm XXIV unausgebessert, weshalb es in korrekter 


Form im Text wiederholt wurde. 


Erdheim, J.: Rachitis un 


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21 21 22 27 28 29 30 30 28 28 
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I Höhe der ruhenden Knorpelschi 


13 14 1415 16 1717187979710 
BASED E OE ESET 22A 
I Höhe der Knorpelwucherungsschi 


BERBEREE 
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Il Höhe der präparatorischen Verkalku 


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9 10 14 18 19 21 24 32 
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IV Höhe der primären Sp 

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Tafel IX. 


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0-4 0:5 0:6 0:6 0:6 0:7 0:7 07 080809 1 1 1113 222333 4 61616467 
Deep 0 AENE20E 257519513727 951323722 
XIV Dentinoiddicke in der Wurzel der Backenzähne, 1 « = 1 mm. 


rel 
0:1 0:2 0:2. 0:3 0:3 0:3 0.4 
I 260 30248 15 
XI Osteoiddicke in den oberen normalen 
Rippen, I 4 = mm. 


0:5 0:5 0:5 0507070708 1 357 577 65 6:6 71 7:6 77 8:1 82 82 9 10 12 


8 


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“3 5 420 2209 23 Bi es en ea ne) 
XV Cementoiddicke der Backenzähne, 1 « = 1 mm. 


_ Kunstanstalt Max Jaffe, Wien. 


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Erdheim, J.: Rachitis und Epithelkörperchen. » 


A127 832900 338 8 3 32 33 42 43 51 
7 264135 6213 14 10 23 12 18 Mes 91119 17 
1 Höhe der ruhenden Knorpelschicht in den mittleren Rippen. 20 . — 1 mm 


13 14 14 15 16 17 ı7 18 9 9 10 10 Il 11 11 12 12 14 14 15 15 17 22 24 
BEARBEITET 10 22 14 11 13 20 16 23 15 12 21A 9 19 21B 17 18 
II Höhe der Knorpelwucherungsschicht in den mittleren Rippen, 20, — 1 mm. 


97599971010 7 9 11 11 13 13 15 16 17 19 23 24 54 68 119 13 
SR BEZETZEIESEIG 12 13 14 10 15 21A20 9 3 11 16 19 18 17 21B 
Il Höhe der präparatorischen Verkalkungsschicht in den mittlerer, Rippen, 204 — 1 nım 
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9 10 14 18 19 21 24 32 10 12 13 13 14 14 16 16 22 66 
84572163 1415 9 13 20 10 2316 21A 12 31 40 42 
IV Höhe der primären EononRlcen in den mittleren Rippen, 683 
“= mm. 


IX Höhe der sekundären Spongiosa in den 
oberen normalen Rippen, 


V Höhe der sekundären Spongiosa in den mittleren Rippen, 20 «. — I mm. 


22324 % 27 

7205 

Höhe des ruhenden Knorpels in den oberen 
normalen Rippen, 20 « — I mm. 


1 


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1114 17 19 9 21 


XII Dentinoiddicke in der Krone der Backenzähne, 1 /ı 1mm 


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0:3 0:4 0:5 0:6 0:5 0:6 0:6 0:6 07 I 2 3 5 8 
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x Osteoiddicke in den mittleren Rippen, 1 I mm il 
6 
1 


VII Höhe der Knorpelwucherungsschicht in den 
oberen normalen Rippen, 20 ı — 1 mm 


22982900 
AAUNGTE 


VII Höhe der präparatorischen Verkalkungs- 
schicht in den oberen normalen Rippen, 
20 1 nım. 


20 7 — I mın. 


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43 55 57 65 9 32 36 46 58 64 66 
12745 1415 19 


79 120 120 140 140 s65 224 248 337 


06060808 08 09 2 2 2 3 66 
21A 10 3 11 13 17 19 21B 18 


2768437122 D2AA10 
XI Osteoiddicke am oberen Cortical 


20 12 


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Denkschriften d. kais. Akad. d. Wiss. math.-naturw. Klasse, Bd. XC. 


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1821B 15 77 76 20 79 
ende in den mittleren Rippen, 1 « = I mm. 


0:4 0:5 0:6 0:6 0:6 0:7 0:7 0-7 


6 


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080809 1 1 1:1 13 22 2:3 3:3 
85 21437071016 14 11 20 12 15 17 19 13 
XIV Dentinoiddicke in der Wurzel der Backenzähne, I 


"30:3. 0:3.0:4 
SEA TEE 5, 


126 
X Osteoiddicke in den oberen normalen 


Rippen, 1 (& 


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mm, 


3 5:7 5:7 65 6:6 71 
1 2 9231421 16 


17 15 10 21 


Kunstanstalt Max Jafie, Wien. 


21 


7:6 7:7 8:1 8:2 8: 
11 
XV Cementoiddicke der Backenzähne, 1 x — 1 mm. 


Tafel IX. 


6:1 6:1 64 6:7 


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1 mm 


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Erdheim, J.: Rachitis und Epit Tafel X. 


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25 1522:519:512:512:572:52:503030:373:3 
SEE DIE 722 11012023510. 
XVI Dentinoiddicke im oberen Nagezahn, c 
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14 16 18 21 23 15 9 13 10 
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B 6 12 20 9 18 22 17 23 21 10 11 14 13 19 15 16 
ke im unteren Nagezahn, concave Seite II, 1« — 1 mm. 


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13 13 15 15 15 17 18 27 31 39 57 63 65 67 84 184 30151 152 157 193 275 320 


XVII Dentinoiddicke inı oberen Nagezahn, | 


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I 4 8 ‚3 T 12 22 18 23 10 XXVI Relative Grösse des gesamten Ek-Apparates (auf 100g Körpergewicht 
XVII Dentinoiddicke im oberen Nagezahn, | bezogen), 20 dmm® — 5 mm. 


Kunsianstalt Max Jafte, Wien. 


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Erdheim, J.: Rachitis und Epithelkörperchen. 


2525252525 25 3 3333333333 353838 443 2 3252528 13 2 2525 2328 3 3353838 
5 { A 23567 1 2 5 10 15 20 17 18 21 9 19 1614 14 37 10218 19 5 © 3 11 1513 14 16 
XVI Dentinoiddicke im oberen Nagezahn, convexe Seite I, 1x = I mm XX Dentinoidddicke im unteren Nagezahn, convexe Seite I, 1 mm 


81:5,177022/2772 
2 


14 


252525384848 5 5 5 586. 
573068712 9 1118 22101 


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1 13 1515 1:8 178 
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| XVII Dentinoiddicke im oberen Nagezahn, concave 


1818 2 2 232323 2:4 25 


6375758 8996 


20 17 19 21 13 14 16 
XVII Dentinoiddicke im oberen Nagezahn, convexe Seite II, 1 ı 


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XIX Dentinoiddicke im oberen Nagezahn, 


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10 11 18 22 20 3 17 13 14 19 15 16 21 


21 9 


XXI Dentinoiddicke im unteren Nagezahn, convexe Seite II, 1 « — I mm. 


Denkschriften d. 


33 4 5:6 6:9 69 
21 20 9 20008 


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XXV Osteoiddicke im Callus der spontanen 


Rippenfracturen bei Rachitis, 1 


1 mm, 


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04 0:6 06.06 0:6 0:6 0°7 0:7 15 1618 2:1 2:32:73 24 2:4 2:4 28 278 
1825673 41211 9 13 1621A 15 10 14 21B 17 
XXIV Osteoiddicke im Fibulacallus, I « — I mm, 


1 13131318 1:9 2 11818182 2 2 2 2325263335 
U EU N 2 11 12 19 14 16 18 21 3 15 9 
XXIT Dentinoid dicke im unteren Nagezahn, concave Seite I, 1 


13 10 
1 mm 


131,313 151518 15 2 
1 486 12209 


7 5 


23 2525 335 5 


XXIII Dentinoiddicke im unteren Nagezahn, concave Seite II, 1 / 


13 13 15 15 15 17 18 27 31 39 57 


7 268 574 1 


6363 7 7 9811 212:8 


18 22 17 23 21 10 11 14 13 19 15 16 


I mm 


63 6567 34 
9 13 3 21 2219 ı0 14 


bezogen), 20 dmm? 5 mm 


kais. Akad. d. Wiss. math.-naturw. Klasse, Band XC. 


Tafel X. 


184 30 151 152 157 198 275 320 


11 16 12 17 15 20 18 


XXVI Relative Grösse des gesamten Ek-Apparates (auf 100g Körpergewicht 


Kunstanstalt Max Jafte, Wien 


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Erdheim, J.: Rachitis und Epithelkörperchen. 


1:2 1-41°5 1:6 1:6 17 17 2* 2* 2:2* 2:2* 2:3 2:3*2:4*25 2:8 3 3* 3:6 4:9* 
SEAT E52 ai 9 10 17 18 19 15 2320 11 16 


XXIX Alveolargrösse im accessorischen Ek. 2«—=1 mm. 
* Mittel aus den Massen von 2-4 Exemplaren. 


2:2 2:3 2:4 2:4 2:5 2:5 2:5 2:7 3:3 3:4*7°1*8:6 91 9:4 9-8 11 11 12* 13 14* 15* 17 20% 
GRAB aAaı5 TR 9 58 8 16 2 0 aM ae eye 
AXVIN Alveolargrösse im Haupt-Ek. 2:=1 mm 
* Nur die grossalveoläre Partie ist dargestellt. 


0.040:06 0:1 0:2 0:2 0:3 06 0:5 05 0:91°11'2 1:8 23 2:3 2:7 2:8 4652 9: 


Tafel XI. 


8 36-1 


54 290 ı BEE 20zl6 
XXVII Relative Grösse der gesamten accessorischen Ek (auf 1008 Körpergewicht 


bezogen) | dnm® — |] mm. 


Kunstanstzlt Max Jaife, Wien. 


Denkschriften d. kais. Akad. d. Wiss. math.-naturw. Klasse, Band XC. 


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