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Full text of "Denkwürdiger und nützlicher rheinischer Antiquarius: Welcher die wichtigsten ..."

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ig — — — 


Denkwürdiger und nüßlicher 


Dgeiniſcher Aptiguarks, 


welcher die 





eisen und angenehmften geographiſchen, hiſtoriſchen 
und politiſchen 


Merkwürdigkeiten 


Sbeinftroms, 


uv 


von feinem Ausfluffe in dad Meer bis zu feinem Urfprunge 
. darftellt. | 


Bon einem 


Nachforicher in biftorifchen Dingen. 





Mittelrhein. - 


Der II Abtheiluug. 2. Baud. 








27 Coblenz, 185A. . 
Drud und Berlag von Rud. Friedr. Hergt. 


"Te, 
Y 








THE NEW YORKfF 
PUBLICLIBRARYF 
«10 


ABTOR, LENOX AND 
TILDEN FOUNDÄFIONS. 1. 
1898. 





Bu Rheinufer 


von Boblenz | bis Bonn. 


— — — 


HZiſtoriſch und topographiſch 
dargeſtellt 


durd 


> 


Ebr. v. Stramberg. 


Ovweiter Band, 








Eoblen;. 
Drud und Berlag von R. F. Hergt. 
1854, 


Das rechte Mheinufer von. Coblenz 
bis Meuwied. 


(Foriſehung.) 


[U U U) 


Das Kirchſpiel Heimbach, Wülfersberg. 





ae us ben drei Dörfern Gladbach, Heimbach und Weiß 
beſtehend, umſchließt daſſelbe von drei Seiten die Abtei Rommers⸗ 
dorf, gleichwie durch Die Abtei das Kirchfpiel in zwei Hälften, 
in eine fübliche und eine nörbliche gefchieben. In ber fühlichen 
Hälfe raint mit.dem Kloſterbann Heimbach, das Kirchdorf, mit 
der zu Ehren. der h. Margaretha geweihten Kirche und einer 
Bevölkerung von beiläufig 900 Köpfen. Dann folgt, von Heims 
bach höchftens einen Büchfenfhug weit abſtehend, in der Rich⸗ 
tung gegen Sayn, bas Feinere Weiß, von nicht völlig 600 Men⸗ 
fen bewohnt. Der Abtei Laach Stifiungsbrief som I. 1093 
‚nennt, unter andern Gütern Bettendorp et Hembach et eorum 
adjacentia, und K. Heinrichs IV. Beftätigungsbrief vom 3. 1112 
führt unter ben Stiftungsgätern der Abtei auch Bettendorp et 
Heimbach et eorum adjacentia auf, Um das Jahr 1190 einigte 
fi die Abtei Laach mit Gerlach von Iſenburg und Covern über 
bie Gerechifame, fo dieſer von wegen ber Bogtei ber abteilichen 
Höfe zu Heimbach und Bendorf zu üben befugt fein follte, Im I. 
1255 verfaufte die Abtei ihren Hof zu Heimbach famt allen Zube⸗ 
börungen an das Klofter Rommersdorf, um 200 Mark Cölniſch; 


Rhein. Antiquarius 3, Abth. 2, Bd. 1 


— 


q Heimbach - Weiß. 
mehre Jahre vorher, 26. Aug. 1241 hatte bereits Laach 100 


Morgen Aderland, zu demfelben Hofe gehörig, um bie gleiche 


Summe von 200 Mark an Rommersporf verkauft. Am 13. Mat 
1257 verzichtete Heinrich von Covern allem Rechte, fo er an 
weiland ber Abtei Laach Hofe in Heimbach gehabt, Doch fich ver⸗ 
pflichtend, die davon abhängenden Leute, fo das geforbest würde, 
zu ſchitmen. Am Freitag vor Chriſti Himmelfahrt 1343 belehnt 
Kaiſer Ludwig den Grafen Wilhelm von Wied, „umb bie gemeinen 
und danchbaren Dienft, Die er ung und Dem Reiche bisher getan hat, 
und furbas tun fal,” mit ben Freiheimgerichten in ben Dörfern 
Heimbach, Weiß und Gladbach, „bie nieman leihen fal dan wir 
und das Rich, noch jeman haben fal und befizzen dann ber bi 
von bem Rich bat, im und finen Erben zu rechtem Manlehen, 
mit allen Rechten und zugehornden,, verlihen haben, und vers 
leihen: auch von unferm keyſerlichen Gewalt mit diefem Brief, 
alfo daß er ein Gericht in den drin Dorffern mit Schulthefen, 
mit Scheppfen und mit Fronboten befegen fulle, und do all Sach 
Yo und nider rihtten, als in anbern finen Gerihtten in finem 
Lande. Und ſwo bie Schepffen bes felben Berichtes Bruch an 
dhemer Urteil gewunnen, bie follen und mugen fe fuchen und 
nemen nad dem hoͤchſten Gericht, daz ber vorgenant Graf Wil- 
beim in finem Land bat,... Dar umb wellen unb gebieben 
wir den Luden in den vorgenanten brein Dorffern und irn zu⸗ 
gehorenden veftichlichen und ernfllihen das fl bem vorgenanten 
Graf Wilhelm und finen Erben gehorig und gehorfam fien mit 
affen Sachen und in aller Wis als vor in biefem Brief be⸗ 
griffen iſt und beſchriben.“ 

Die von ſeinem Vorgaͤnger und Widerſacher dem Grafen 
von Wied gemachte Bewilligung fheint Karl IV. anfänglich 
nicht anerfamnt zu haben. Wenigſtens gönnet und erlaubt er 
1348, an dem Kreitag vor dem zwölften Tag, Gerlachen 
Herren zu Ifenburg, „daß er fo und mag in dem Wichpelden 
zu Heimbach, und mit Namen zu Weyß und Gladbach Gericht 


haben, Schulihes und Scheffen dazu fegen und zu entfegen, über 


Halß und Bauch nach des Richs Recht on Hinderniß allermennig» 
lichs.“ Bald darauf, den Mittwoch nach Tausentien 1349 bes 


Des Grafen von Wird Bes. 5 


Rätigte fedoch der Kaiſer bie bem Grafen von Wied ertheilte Beleh⸗ 
nung. Gerlach von Iſenburg vergabt 1. Sept. 1350 „Iutherliche 
durch Gots Willen, und durch Heyl unfer Seylen,” an bie Abtel 
Rommersborf den Kirchenfag zu Heimbach, was auch, ba Taut 
Lehenrevers von 1338 die son Ifenburg ben fraglichen Kirchenfag 
von Trier zu Lehen trugen, Erzbiſchof Balduin am 30. April 1351 
beftätigte, zugleich die Pfarrei dem Kloſter einverleibend. Freitag 
nah Oſtern 1475 befundet Kaiſer Friedrich IV., „daz für ung 
Somen ift ber edel Friderih von Runckel Grave zu Wede, und 
Hat uns zu erkennen gegeben, wie fein Altvorderen bie Dorffer 
Heymbach, Wife und Gladbach mit Hohen und niedern Gerich⸗ 
sen und allen Rechten und Zugehorungen, auch ein Gericht bey 
bem jeutgemelten Dorf Heymbach auff einen Play genannt bas 
Schonenfeld, das bas oberſt Gericht uber alle Gericht der Graffe 
ſchafft Wede ſey, von unfern Vorfaren am Reich zu Lehen ges 
habt, nach Laut der Brieffe und beshalben furbradht, bie aber 
etweil Zeit her aus Nachleſſigkeit nit gepraucht weren worben, 
sub dat und barauff biemutiglich angeruffen und gebeten, daß 
wis ime biefelben Dorffer mitſambt obern und niebern Gerichten, 
auch dem genannten Gericht auff dem Schonenfeld zu Lehen zu 
verleihen gnediclich geruehten. Des haben wir angefehen . » . 
und barımb als romiſcher Kayſer bemfelben Graff Friberichen 
von Wede die obeflimbten drew Dorffe mit obern und niebern 
Gerichten, auch dem Gericht auf dem Schonenfeld zu Lehen 
guediglich verlihen, verleihen ime die auch.“ 

Am 20. Dec. 1545 übertragen Abt, Prior und Eonvent zu 
Rommersdorf die Zurisdiction zu Heimbach, Weiß und Glad⸗ 
bach an das Erzflift Trier, Hierzu veranlaßt durch Friedrichs 
von Reifenberg gewaltfame Eingriffe in bes Kloſters Huben⸗ 
gericht und fonflige Gerechtſame. Am 20. Mai 1570 überläßt- 
Graf Johann von Wien das Kicchfpiel Heimbach und zubehös 
tige Dörfer „mit ihren Gemarken und Zugehör, auch unferm 
Hoff der Dermbacher Hoff genant, und was wir Kigentumb, 
Erbs, Güter und Gerechtigkeit darin haben, besgleihen auf un« 
fere kayſerliche Leben alle Landsherliche und andere hohe, mit⸗ 
tele und niebere, peinliche und bürgerliche Oberfeit meri et mixti 

. 1 R 


a | Seimbach-Weiß. 


imperii vel jurisdictionis, und was wir an Hocheit, Oberfeit, 
Cigentumbs und Nutzung von Teibeigenen Reiten, eigenem Erb 
und Gütern, Hauß, Hoff, Edern, Gärten, Weingarten, Widar- 
ten, Gülten, Renthen, Zinfen, in und an dem vorgefehriebenen 
Kirfpel und Dörffern Heimbach, Weiß und Gladbach mit-ihren 
Gemarken, Zugehörungen, Felden, Welden, Waffer, Weiden, 
Jagen; Hagen, Fifhen, Aedern, Vieh⸗- und Vortrifft, Beholzung 
auf Heimbacher Kirſpels Gewelds, und aller anderer Gerechtig⸗ 
keit, die wir von wegen unſer ſelbſt, und unſerer Graff und 
Herrſchafften jetzund haben oder haben ſollten, zuſampt dem 
Kirchenſatz zu Heimbach, der Vogtei zu Rommerſtorff, und alle 
andere Gerechtigkeit, was Namens die hetten, fo unſere Vor⸗ 
eltern, Borfordern und wir zu bem Cloſter Rommersporff, Wulf: 
feröberg und dem Hoff zu Langendorff ung anzumaßen gehabt”, 
an das Erzftift Trier um die KRauffumme von 8050 Gulden, 
jeden zu 60 Kreuzer gerechnet, „doch foll das Gericht anf Schön 
felt aufer dem Kirſpel Heimbach nit erfiredt, fonder allein zu 
ber Oberfeit und Jurisdiction inwendig Heimbacher Kirſpel und 
Dörffer mit irem Bezirke und Gemarfen gepraucht werben“, 

Die vollſtändige Erwerbung von Heimbah war dem Kur⸗ 
fürften Lothar vorbehalten. Zuerft überließ ihm Salentin von 
Iſenburg um 12,000 Goldgulden Hauptgeld, „alle: unfere im 
Kirſpell Heimbach unfers Theils geburende Hoch und Obrigkeit, 
Volgh, Gleidt, Gebott und Verbott, Jegerey, Fifcherey, eigene 
Leute, Hoffs Churmuden, Befthauptern, Froen und Dienſten, 
wie auch unſer Antheil an St. Elßbetten Hoff, famt uns das 
ſelbſt infallenden Hönern, Olyzinſen, Zehendlemmern, und ans 
beren uns daſelbſt geburenden jerlichen Pfachten, Nutzungen, 
Renten und Gefelfen, ausbehaltlih . . . . den Schnetfhen Hoff 
zu Heimbach ſamt ſeinen zugehörigen Gefelen und jerlichen 
Renten“, 18. Mai 1600. Dann ließ er fih am 12. Sept. 1600 
von Graf Heinrich von Sayıı abtreten „all unfer Jus, Gerech⸗ 
tigkeit und Forderung, ſo wir an berürtem Kirſpel Heimbach 
haben oder haben könnten, ſollen ober möchten, belangend die 
Landsherrlichkeit, Hochait, Criminal und Eivil Obrigfeit, Lands 
huldigung, Schutz, Schirm, ber geifllichen und weltlichen Appel- 


Eigenthümliche Gerichtsbarkeit. 5 


Istion, Lands und Reichsſteuren, Volg, Raiß, Angriff, Grboth, 
Verboth, Wetten und Buffen, famt allen andern, den faiferlihen 
Regalien, Landsherrlichkeit, hohen Obrigfeit und Jurisdiction 
anhangenden Studen ... . .. Doch haben wir Graf. Heinrich 
austruͤcklich furbehalten die Vogtey des Rommersdorfer Hofes, 
und ihren Zugehoͤr, wie das Weiſtumb unterm Dato 1476 auß⸗ 
weiſet, dabeneben auch das Hobsgericht zu Weiß, deſſelbigen kur⸗ 
mätige Güter, Renthen und Gefälle, wie dann auch alle unfere 
leibaigene Underthanen im Kirspel Heimbach”. Als Kaufſumme 
empfing der Graf zweitaufend Gulden, jeben zu 27 Albus Frankfurter 
Währung, und in einem fernern Bertrage vom 3.1602 trat er auch, 
gegen. Bezug von weitern 3000 Gulden, alles früher VBorbehaltene 
an ben Kurfürften ab, dag von dem an Heimbach ausschließlich 
Trieriſch geworden, wie denn bie Erbgräfinen von Sayn in 
dem Bertrag vom 22. Zul, 1652 dem vierten Theil bes Kirch 
ſpiels, „wie die Graffen von Sayn biefes Städ vor biefem bes 
ſeſſen“, ausbrüdlich verzichten. Jenes Weisthum von 1476, fo 
zwar einfeitig auf Betreiben bed Abten von Rommersdorf und 
des Grafen Gerhard von Sapyn abgefaſſet, nennt den Abt alg 
Obermärfer, die Herren von Jfenburg als bes Kirchſpiels Heim- 
bad edle Märfer und den Grafen von Sayn als bes bafigen 
Berichtes Vogt. 

Das Konigs⸗Gericht auf dem Schönfeld oder Schübel, wie 
der Felddiſtrict jetzt im gemeinen Leben heißt, ſcheint das Gau- 
geriht für ben Engersgau gewefen zu fein, und hat dafelbft bes 
reits 1218 Graf Lothar von Wied bes gräflihen Amtes Befug- 
niffe geübt. Von biefer Gerichtsftätte. ganz verichieden war das 
Banerngericht bei den Weiberen, fo, begünftigt vielleicht durch 
bie unter den Gemeinsherren waltenden Zwiftigfeiten, die Ins 
faffen bes Kirchſpiels Behufs ihrer eigenthümlichen Juftiz fich zus 
gelegt Hatten, Todeswuͤrdig befundene Verbrecher wurden dafelbft 
nicht gehenft, nicht enthauptet, nicht geräbert, fte wurden, gleich 
ben auf unrechten Wegen betroffenen veſtaliſchen Jungfrauen der 
alten Römer, Iebendig begraben, und hatte dabei ber jüngfte 
Bürgermeifter des Scharfrichters Amt zu üben, wie aus einem 
Inſtrument vom 3. 1546 hervorgehet. Da wird gefragt: „Wann 


6 Heimdach - Weiß. 


ein Mißthaͤtiger vorhanden, in was Nahmen der Angriff, und 
wem dag bishero, wie. obberührt, geeignet und zugeſtanden * 
Antwort: fo ein Mißthaͤtiger anzugreifen, das thuen die Bur⸗ 
germeifter und das von der Gemeind wegen; et post, welcher 
Burgermeiſter auf ben VBerurtheilten die erſte Schaufel mit dem 
Erdboden geworfen? Antwort: ber füngfte von ben fünff 
Burgermeifleren muß den Mißthätigen in die Saul legen, und 
bie Burgermeifter und Geſchworne famentlich werffen die Kauf 
zu.” Es waren au, berichtet Reifenderg, bie Ortsnachbarn 
dermaßen ftolz auf ihr theneres Net, auf ihre eigenthuͤmliche 
Gerichtsbarkeit, bag, wie unter Trierifcher Herrichaft der Amts⸗ 
verwalter zum erftenmal eine Execution beanffichtigen wollte, bie 
Bauern dieſes durchaus nicht duldeten, vielmehr ben Juriſten 
mißhandelten, und ihn zu entlaufen nöthigten. Längere Zeit 
mußte daher jede Erecution,, um die landesherrliche Autorität 
zu bewahren, durch bewaffnete Mannfchaft gedeckt werden. Ueber⸗ 
haupt fiheinen die Heimbacher die alten Sitten ftarr beibehalten 
zu haben. Der nämliche Reifenberg erzählt, daß ein Wittwer 
- währen dem Traueramt feiner verftorbenen Ehefrau mit dem 
Mäntelchen, fo trauernde Frauen zu tragen pflegen, mit der ſo⸗ 
genannten Heuck bekleidet erfchten, auch in fothanem Put zum 
Dpfer ging. Im Allgemeinen erhalten ſich Trauergebräuhe am 
laͤngſten. Sind es doch nur 30 Jahre, daß in Coblenz bie für 
Männer bergebrachte Tracht bei Begräbniffen außer Gebrauch 
gekommen. "Sie war fo auffallend, dag reifende Diufenföhne, aus 
dem fernen Frankfurt an der Ober gekommen, und die Pfarrkirche 
zu U. L. Frauen Befuchend, bei dem Anblicke einer Geftalt, bie 
ganz und gar in den weiten ſchwarzen Mantel verhüllet, ſelbſt 
in der Kirche ben runden breitrandigen Hut mit niedriger Kuppe 
und ſchwarzem, bis zu ben Füßen veichenden Flor, auf dem Kopfe 
hiett, fi einbildeten, den Kurfürften von Trier zu fehen, welcher 
ben Untergang feiner Größe und feines Staates in folder einem 
Büßer nicht unanftändigen Tracht betrauere. Zum letztenmal ift 
biefe Tracht bei einem Begrädniffe im Juni 1822 vorgefonmen, 

Veber Heimbach, im Walde, haben fich einige Spuren vor⸗ 
maliger Befefligung, die beinahe ovalrund, bei einem Diameter 


Der Yfahlgraben. q | 


yon 110 Schritten, eine ungemein prachtvolle Ausſicht beherrſcht, 
erhalten. Einige wollen barin ben Stammfig eines ritterlichen 
Geſchlechtes erkennen, und wird in ber That, unter mehren Iſen⸗ 
burgifhen Lehensleuten 1250 ein Gerlacus, filius Rebini de 
Heimbach, und 1350 ein Hermann Scheyleven von Heimbach 
genannt; andere wollen in ber Ruine bie Burg ber alten Herren 
von Rommersdorf erfennen, aus beren Material das urfprüngliche 
Klofter Rommersdorf erbauet worden. Tiefer im Walde finden 
ich auf vielen Stellen Refte von dem fogenannten Heiden⸗ oder 
Pfahlgraben, der yon der Wiebifhen Grenze an, duch ben 
Heimbader, Sayner und Bendorfer Wald bis zum Grenzhänfer 
Schlag von dem yon Reifenberg verfolgt worden, „Was ich babei 
enidedte,“ fihreibt der gewiffenhafte Mann, „will ich den Nach⸗ 
fommen nicht vorenthalten, Stets auf des Berges Kamm durch⸗ 
Jäuft der Graben den Gladbacher, Heimbacher, Weißer Wald, 
bis er in dem Weißer Wald, wo der Berg in bas Thal ber 
Sapnubach abdacht, gleich bei den Reften eines alten, nur wenige 
Schritte von der Straße abflehenden Thurmes, verſchwindet, um 
Doch wieder jenfeits des Bades, in ber Nähe des Dorfes Stroms 
berg, fihibar zu werben. In Geſtalt einer engen Schlucht, bie 
hier den Namen Hülggraben trägt, gebet er der Brex zu; jen- 
feitö der Brex erfleigt er bie gewaltige Höhe, das Schildchen 
genannt, wiewohl ex bis zu den Thongruben hin kaum kennt⸗ 
id. Bon da an zeichnet er ſich aber immer deutlicher, bis 
er bei dem Grenzhäufer Schlag oder Verhau bie Grenze des 
Montebaurer Waldes erreicht. Seinen fernern Weg durch Ab⸗ 
gründe und Schlünde zu verfolgen, babe ich nicht für gut ge» 
funden. Der Thurm, von dem ich fo eben gefprochen, flebt dem 
Abhange und dem Rheine zu von dem Graben beiläufig 250 
Schritte ab, und iſt von Form ceircelrund, gleich den übrigen 
den Graben entlang vorkommenden Thürmen, Im J. 1702 hat 
man eines folhen Thurmes Leberbleibfel auf Schildchen, in 
des Heidengrabens Nähe, und ähnliche auf Frummershaufen, 
in dem Wald ber Abtei Say, gegen bie Bendorfer Grenze 
entdeckt. Bom Schildchen aus konnte man, das Sayner Thal 
hinab, den Rhein beobachten, wie dann die Thürme alle fo ans 


— 


\ 


8 Wülfersberg. 


gelegt waren, daß ſie ben Rhein beherrſchten, was insbeſondere 
auch von den zwiſchen Schildchen und. Frummershaufen vor⸗ 
gefundenen Ruinen zu gelten hat. Diefe Ruinen als ein Thurm 
gevechnet , hätten ſich deren überhaupt 7 in ber kurzen Linie 
zwiſchen der Sayn und ber Autebach befunden, alle in einer 
Entfernung son 200 — 300 Schritten den Gräben begleitend, 
nur daß der eine, auf einem in der Richtung zu dem Staffeler 
Kreuz fich berabfenfenden Borfprung , merflich über dieſe Linie 
binausgehet.” Die Thürme hält Neifendberg für Warten, zur 
Beobachtung eines über ben Rhein kommenden Feindes -errichtet, 
das Ganze, deffen Aehnlichkeit mit den Anlagen auf ben Tum⸗ 
melberg bei Capellen unverfennbar, für eine ben Römern ents 
gegengefebte Defenfionslinie, eine Anficht, melcher jedoch Die Tage 
ber. Thürme, in ber Fronte des Graben, und ihre unverfenn= 
bare Beflimmung als Soutien einer äußern Vertpeibigungslinie 
widerfpricht. 

Gladbach, das Dorf, am Fuße der eine unermeßliche Gerne 
ſicht beherrfchenden Alter, zählt gegen 700 Einwohner. Das enge 
Thal aufwärts gelangt man nad) dem Hofe Wülfersberg, vormals 
ein Prämonftratenfer-Nonnenklofter, zu Ehren U, 8. Frauen, des - 


Erzengels Michael und des h. Petrus geweihet. Es fol deſſen 


Stiftung in das 3. 1140 ungefähr fallen, und beftand von Anfang 
zwifchen Wülfersberg und dem nur eine Viertelftunde yon bannen 
entlegenen Rommersborf eine Gemeinfchaft ber Güter, die doch 
Abt Erigelbert von Rommersdorf durd die vorgenommene Thei⸗ 
Yung befeitigte. Zu deſſelben Engelbert Zeiten iſt auch) das Kloſter 


Altenberg bei Weplar den aus Würlfersberg-berufenen Schweſtern 


eingeräumt worden. Crabifchof Theoderich von Trier übergibt 
dem Kofler den Antheil von dem Weinzehnten zu Gladbach 


und Wülfersberg, welchen Heinrich von Sfenburg als -trierifches 
Lehen bejeffen, aber an den Lehensherren abgetreten hatte, 1217. 
Heinrih von Covern vergabt an das Klofter gewiffe Güter zu 
Cutſcheid, gegen einen Jahreszins von 12 Schilling, nad Ifen« 
burg an die Pfarrfirche zu entrichten, 1235. Arnold von Langen» 
dorf und feine Mutter Pauline befchenfen das Klofter mit ihren 
Aeckern und Weinbergen, zu Langendorf gelegen, 1247, ein Ges 


Des Aaifets Exzetter, 9 


fihent, fo Bruno von Iſenburg und Braundberg vervollſtaͤndegte, 
indem er 1265. feinen Hof zu Langenborf, „in beneficium elemo- 
sine“, an Wülfersberg überließ. Gleichwohl ift das Kloſter flets 
in befehränften Umſtaͤnden geblieben, endlich zu entſchiedenem Ver⸗ 
fall gelommen, daher Abt Johann non Steinfeld, der Bifitator 
für die Provinz Weftphalen, fich veranlaßt fand, des Haufe 
Suppreffion auszufprechen. Die wenigen no übrigen Güter 
wurden an Rommersborf gegeben und. find baraus Die beiden 
der Abtei zufländigen Höfe erwachſen. Das Kirchlein wurde big 
auf die neueften Zeiten von Rommersdorf aus bedient, 


Mühlhofen, Engers. 

Ich kehre zurück nach Sayn, um von dort aus bie ben Saum 
bes Rheines einnehmenden Orte zu beſuchen. Gleich über der 
Sapnubach, zwifchen Engers und Sayn in der Mitte fand ber 
Rothehammer, Ueberbleibſel wohl von den. erften metallurgifchen 
Anlagen der Marivth, zu Anfang dieſes Jahrhunderts der Familie 
von Steig Beſitzthum. Selbſt die Trümmer davon find in ber 
neueften Zeit verfhwunden, um einem Werfe yon ganz anderer 
Bedeutung Platz zu machen, Die Concordia, der Gebrüder Loffen 
Anlage und Eigenthum, iſt den Gebäulichfeiten und ben Reiflungen 
nad eine ber anfehnlichfien. Hütten des Landes, obgleich der 
Hochofen erfi 1841 angeftedt worden. Mit ber. Anlage eines 
zweiten Hochofens, wie auch eined Walzwerkes, if man bes 
fchäftigt. Die Gruben befinden ſich zu Michelbach, wo die. Ges 
brüder Loflen eine zweite Hütte betreiben, und zu Emmershaufen, 
in der Nähe von Weilburg. Die Concordia gehört, wie vorbem 
ber Rothehammer und die Champagnersmühle, in Die Gemeinde 
Mühlhofen. Die Champagnersmühle bewahrt ben längſt ver⸗ 
fchoffenen Namen früherer Befiger. Die hießen urfprünglich 
Kremer, dann Kremer genannt Champanier, ferner Champanier 
allein, und wurben letzlich von Kaiſer Leopold I., unter bem Namen 
‚von Kayſersfeld, geabelt. Einer nicht allerdings verbürgten Sage 
‚zufolge wäre der Kaifer auf feiner eiligen Trauerfahrt von Korn⸗ 


19 er asers. 


aufgeloͤſt zu werben, und genießt noch andere ausgezeichnete Vor⸗ 
rechte.” Zu ber in ber Burg abzuhaltenden Werbung. wird 
jedesmal. des Regiments ſchönſter Mann commandirt, . „das 
war mein. Mann”, rühmte in unausfprechlih füßem Hochgefuͤhl 
bie Frau bes commandirenden Obriften 1820, und daß fie bie 
Wahrheit ſpreche, mußte ich anerfennen. Ein wunderfchöner, 
ein präcdtiger Mann war ber Obriſt, wenn aud, bereits auf 
feinem Haupte ber Schnee bes Alters fpielte. — Champanier 
hieß der Lieutenant, welcher 1683 der Lorberfrone bes Regiments, 
an deffen Spige ein Dampierre, St. Htlaire, Johann von Werth 
geglänzt haben, einen frifchen Zweig einflocht, und von Kayfersfelb 
follte fortan, nad) der Beflimmung des dankbaren Monarden, 
fein Erretter heißen, Eben, ben 29. Aug. 1853 if zu Heims 
bach⸗Weiß Ludwig Conflantin von Kayſersfeld, der letzte Spröß⸗ 
ling einer Zamilie, welde u. a. dem Kurfürftentbum Trier für 
die Unterhandlungen des Utrechter Friedens einen ausgezeichneten 
Diplomaten gab, mit Tod abgegangen, Mühlhofen, das zus 
gleich mit Sayn Trierifch geworben, ift ein kleines Dorf, von 
nicht völlig hundert Menſchen bewohnt, und durch einen lurzen 
Weg von Engers getrennt. 
Daß Engers, Angirs, eine der älteſten Anſi iedelungen am 
Rheine, lehrt ſchon der Name, der, gleichlautend mit dem der 
großen Stadt Angers im weſtlichen Frankreich, galliſchen Urſprungs 
fein muß, ‚wie dann bie Thäler der Sayn⸗ und Wiedbach urſprüng⸗ 
lich von gallifchen Anſiedlern befegt gewefen. Das ergibt ſich aus 
pielen Namen, von denen ich Doch nur die Sayn, Sequana, 
die Brex, Rigodulum anführen will, Ich laſſe jedoch dapin« 
geſtellt ſein, ob dieſe Gallier ſchon vor der Invaſion des linken 
Rheinufers durch die Trevirer jene Thäler bewohnten, oder ob fie, 
als. ein Helotengeſchlecht, vielleicht auch als eine Militärcolonie 
son ben Römern bahin geführt worden, Engers erlangte zeitig 
eine gewiffe Bedeutung, wenn auch nicht, wie Durch mehre Gründe 
wahrſcheinlich zu machen Reifenberg ſich bemühet, Cäſar bei 
Engers feinen zweiten Rheinübergang bewerfftelligte, denn bies 
felhen, und der Terrainbefchaffenheit nach wichtigere Grünbe ftrefs 
sen für den Weißenthurm, und bie Widerlage von Cäſars Brücke 





Der Engersgau. " 5 


anbetreffend, als welche Meifenberg in bem Heibenmäusschen ga 
Engers erfennen wollte, ift es jest ausgemacht, daß dieſes unge 
zweifelt römiſche Mauerwerk yon einer Brückenſchanze herrührt, 
beren Gegenftüd noch zu der Väter Zeiten. bei dem auf ber ans 
dern Rheinſeite belegenen Kahl-Engers beftand, Nicht minder ‘ 
ausgemacht wird- es fein, daß nicht von Julius Cäfar, fondern 
aus viel fpäterer Zeit dieſes praesidium pontis und die bei 
niedrigem Wafterfiande im Strome fihtbar werbenden Brüden- 
pfähle herrühren. In fol fpäter römischen Zeit fcheint Engers, . 
mit dem benachbarten Rigodulum verbunden, ber Mittel» und 
Stügpunft aller römifchen Feftungsanlagen auf dem rechten Rhein» 
ufer, ein Bollwerk für die Beſchuͤtzung der Mündung des Mofel- 
ſtroms und zugleich ein- Uebergangs⸗ und Angriffspoflen von der 
hoͤchſten Wichtigkeit gewefen zu fein, Die Trümmer biefer Wich⸗ 
tigfeit fanden bie Franken bedeutend genug, um nad ihnen einen 
Gau zu benennen, ab Seiten der Salier eine feltene Auszeich- 
nung, indem fie gewöhnlich nad Flüffen, oder andern Zufatis⸗ 
keiten der Oertlichkeit ihre Provinzen benannten. 

Der Engersgau, nach feinem Umfang beilaͤufig dem trieri⸗ 
ſchen Landcapitel Engers vergleichbar, hatte gegen Weſten, von 
ber Mündung ber Lahn bis unterhalb Linz, den Rhein. Nörd⸗ 
lich folgte die Grenze der Waſſerſcheide zwiſchen Sieg und Wieb- 
bad; von ber Duelle der Wiedbach Ienfte fie ſich hinüber zu ber 
Duelle der Gelbad) oder Annar, bie oberhalb Langenau in bie 
Lahn ſich ergießend, ben Engersgau von dem Niederlahngau im 
Dften ſchied. Bon der Mündung der Gelbach an bis zum Rhein 
bildete die Lahn die Grenze gegen den Einriche. Hiernach war 
der falifche, der trierifchen Diöcefe zugetheilte Engersgau von 
den ſaliſchen Landfchaften Niederlahngau, Einriche, Trechiri 
und -Maifeld, und von den ripuarifihen, dem -Erzbisthum Coln 
zugetheilten- Yandfchaften Auel⸗ und Ahrgau umgeben, und wer⸗ 
den unter feinen Orifchaften genannt Widhergis, Würges 959, 
Hidenesdorff, Heddesdorff 962, Say, Bivera, Irlocha, Erum- 
befe, Winesvvalde, Overanberch,, Lindvvidesdorp, Hohingen, 
Steindorf, Hollborf, Butinebrunnen, Eingefelden, Hunbach, 
„secus fluvium Sigina“. Möge nun unter dieſem Hunbach ent⸗ 


48 - Engers. 


weder Humbech bei Euorf an deu Sieg, ober Himperich, sine 
eu St. Aegidienberg eingepfarrte Bauerihaft des Siebengebirges 
zu verſtehen fein, fo ergibt fih jedenfalls, 1) daß bie trierifche 
und bie cölnifche Diöcefe an dem Siebengebirge eine Berrüdung 
ber Grenze erlitten haben; daß einzelne Theile bes Engersgaues 
dem trieriſchen Landcapitel EunofleinsEngers entzogen worben, 
um fie dem cölnifchen Decanat Siegburg beizulegen. Dergleichen 
Berfürzung bat der romaniſche, bis zu Ende des 12. Jahrhun⸗ 
beris dem Frankenvolke mehr oder weniger. frembe Erzbifchof von 
Trier fih auf allen Punften gefallen Iafien müflen, von Seiten 
des Erzbiſchofs der Ripuarier in Coͤln, und yon Seiten. des 
Erzbiſchofs der Saller in Mainz. 2) Daß die Rheininfel und 
das Kloſter Rolandswerth , daß bie Burg Rolandseck, auf bem 
liufen Rheinufer, genau bie Stelle bezeichnen, wo ber Engers⸗ 
gan, wo Rolands Grafſchaft aufhoͤrten. 

Diefe beiden Punkte, welchen bie lebendigſte Tradition yon 
dem großen Roland ſich anfnüpft, mögen uns wohl berechtigen, 
in Karls des Großen Reffen nicht mehr, wie es ben Franzoſen 
beliebt, einen Grafen von Angers, fonbern einen Grafen von 
Engers zu erkennen. Biel natürlicher fcheint es, den größe 
ten der fräntifchen Helden aus ber Franken Helbenfande, aus 
einem ber falifihen Gaue ber Heimath, herzuleiten, als von deu 
fernen Ufern der Loire, als aus jener Bretagne, deren Krieger 
damals in gleicher Lage firh befunden haben mögen mit ihren 
Stammgenofien in Cornwallis. Zum Sprüchwort war der Männer 
son Cornwallis Feigheit geworden. Zum Sprüchwort Tönnte 
vieleicht aud) der Stumpffinn derer erwachfen, Die in alten Schriften 
leſen von ber Perfer Einrichtungen und Sitten, und daß nichts 
in der Welt ein den Perfern unterworfenes Bolt, Mafle ober 
Individnum, zur Gleichheit erheben fonnte mit dem Volle ber 
Eroberer, und die gleichwohl, für alle Analogien blind, wäh 
nen, 28 habe ein Brite Plag nehmen dürfen unter den ſtolzen 
Hänptlingen der Salier und Ripnarier, welchen die Geburt des 
Edelſten unter den Burgundern oder Römern ein Gegenflanb 
ungemeflener Berachtung, wie bas fattfam beurfundet durch bie 
Trauergeſchichie der Königin Drunehild. Es find auch nicht 


Graf KRoland. 15 


eingig Auulopten, ober die Krabitisnen son Mofanbsrd und wog 
Rolaudéwerih, auf bie ich mich berufe, einen peremptoriſches 
Grund für meine Meinung von Rolands Heimath finde ih in 
den Diptychen der eoͤlniſchen Kirche. Sie Hat den 16. Juni dem 
Gedachtniß von Roland, Olivier und ihren Gefährsen, als Mär 
iyrer des Chrißenglaubens gewidmet. Dem Allen gefeflen fi 
der Weiſchen eigene Belenninifie. Milo son Antona Heißt bem 
Bojardo > B. des Roland Bater: unter Aatona wird wohl 
faum anderes denn Andernach zu verfichen fein, und eine Tode 
ter des Rarelingifchen, oder was baffelbe, des Ardenniſchen Hau⸗ 
ſes ſich zu freien, mag ein im Rheinthal angeſeſſener Großer 
nicht allzu ſchwierig gefunden haben. Endlich wird ber Mainzer 
Ganelo als berfenige bezeichnet, der durch feine Machina⸗ 
tionen ben Untergang Rolands und fo vieler anderen Franken 
herbeiführte. Es ſcheint zwiſchen Ganelo und Roland, der Bew 
ſchwägerung zu Zrog, ein erblicher Haß gewaltet zu haben, wie 
er zwifchen großen Käufern, die durch ihre Beſitzungen Rage 
barn, feine feltene Erfheinung. 

Wenn aber Roland ein Graf von Enge, dann gebürt 
ihm, dem Urbild aller verkoͤrperten Ritterſchaft, gleichwie Ama⸗ 
dis ber Spiegel aller erträumten Ritterfhaft geweſen, hier nähere 
Beleuchtung, Behufs deren zwar bie Chroniken nur ein hoͤchſt 
bürftiges Material bieten. Einzig Eginhard widmet dem Hel⸗ 
den einige Zeilen in der Lebensbeſchreibung Des großen Karl. 
„Der König hatte im J. 778 an der Spibe eined zahlreichen 
Heeres bie Pyrenaͤrn überfihritten ; alle Städte und Burgen, bie 
er auf feinem Wege fand, ergaben fich feinem Willen, wohlbe⸗ 
halten führte er wiederum feine Bölfer der Heimath zu, Auf 
dieſem Marfih follte er doch, in dem Herzen der Pyrenäen, durch 
die Treulb ſigkeit der Gascogner zu Schaben TIommen, Das Heer 
bewegte ſich, wie es burch bie Dertlichkeit geboten, in Geſtalt 
eines langen danuen Fadens. Die Gascogner, auf ber Höhe 
des Gebirgs, hatten füh gu einem Hinserhalt georbuet, der durch 
bie ausgedehnten bichten Waldungen allen Bliden verborgen ; 
unverfehend warfen fie ſich auf den Schluß der Wagenburg und 
die ihr zur Bedeckung beigegebene Nachhut: Wie wurde in den 


6 Enger. 


Thalgrund yurkdgebrängt und nad einem grimmigen Gefscht 
63 auf den letzten Manu erfchlagen, morauf die Schelme das 
Gepäck plünderten, und ‚begänftigt durch die finftere Nacht, in 
außerorbentlicher Behendigkeit nah allen Seiten hin fich zer 
freuten. In diefem Zufammenftoß kam ben Gascognern bie 
Leichtigkeit der Bewaffnung und ber Vortheil der Stellung "gar 
ſehr zu Gute, wogegen die fehwerbewaffneten Franken auch noch 
mit den Schwierigfeiten des Bodens zu Fämpfen hatten, mithin 
ben Feinden gegenüber in mancherlei Nachtheil ſich befanden. Es 
blieben auf dem Platze Eckard, des Königs Haushofmeiſter, An⸗ 
ſelm der Pfalzgraf, Roland der Markgraf gegen die Bretagner 
und mehre andere. Augenblickliche Rache zu üben, ergab ſich 
als Unmöglichkeit, denn bie Thäter waren bergeflalten ausein⸗ 
andergeftäubt, daß es verlorne Mühe geweien fein würde, in 
den verborgenen Winfeln ihnen nachſpuͤren zu wollen.” In 
Eginhards anderm Werke, in den Annalen, wirb in bem Bes 
richt: von jenem Unfall Rolands Namen nicht genannt. 

Bon des Helden Zeitgenoffen verlaffen, muß ich mit fpätern 
Berichten mich begnügen, abfonderlich mich behelfen mit jenem 
NRolandslied, das am Morgen des Schladttages von Haflings 
. 1066, Taillefer, Hoch zu Gaul, den Scharen bes Eroberers vor⸗ 
trug, um fie durch das Gedaͤchtniß der freiſamen Thaten eines 
Karl, Roland, Olivier und anderer bei Ronceval gefallenen 
Tapfern zu begeiſtern. Daß ihm ſolches gelungen, lehrt der 
Ausgang der Schlacht, zu zeigen aber, daß dergleichen Erfolges 
würdig das Lied, übertyage ich bier einige feiner ausgezeich⸗ 
neteſten Stellen. 

Hoch find die Berge, finfter bie Thäler, tief bie Schluch⸗ 
ten. Zu einem Trauertag geſtaltet ſich der Franken Aufbruch, 
und weite Ferne vernimmt davon das Gerücht. Auf. dem Wege 
nah dem großen Lande fehen fie im Vorübergehen Gasconien, 
ihres Herren Gebiets fie gedenken ihrer Lehen und ihres Erbes, 
ber ungeduldig. harrenden Braut, ber befümmerten Hausfrau, 
und feiner sermag der Thränen fih zu enthalten. Bor allen 
gibt Karl trüben Gedanken ſich bin: er bat feinen Neffen 
Roland. in den Engpäffen der Pyrenäen zurüdgelaffen; von Be⸗ 


Graf Usland, 17 


ſergniß überwältigt, weiß er feinen Thränen nicht zu gebieten, 
Hunderttaufend Franken zittern um Rolands Geſchick. Ganelo, 
ber ungeireue,, ifi zum Verraͤther geworben, hat bie Gefchenfe 
bes Heidenkönigs, Gold, Silber, Stoffe und Pelze aus Morgen» 
land, Maulihiere, Pferde, Trampelthiere, Löwen empfangen. 
Marfilius ruft zu den Waffen Barone, Grafen, Burggrafen, 
Herzoge, Condeſtablen, Almiranten; innerhalb vier Tagen fharen 
fh um ihn vierhunderttaufend Männer. Zu Zaragoza wirbeln 
die Trommeln, von dem höchſten Thurme herab wehet bes Pros 
pheten Sahne; Fein Heide der nicht zu ihr aufblict, der fie nicht 
anbeten follte. Schon drängen fi, von Kampfluft ergriffen, ber 
Ungläubigen Geſchwader zwifchen den Bergen, in ben Thälern 
der Gerbana, fie erbliden ber Franken Paniere, den Nachzug, 
von ben Zwölfen geführt, und es kommt über fie des Streitens 
Ungeduld. 

Schoͤn geht die Sonne auf, hell leuchtet der Tag, weit⸗ 
hin ſchimmern die Ruͤſtungen. Durch taufende von Schalmeien 
läßt Marſilius ſeinen Auszug verkündigen. Den Höllenfärm 
vernehmen bie Franken, und es ſpricht Dlivier: „Herr Kums 
yan, mich dünkt, wir fönnten wohl zu Schlagen fommen mit 
den Saracenen.“ Erwidert Roland: „Das wolle Gott ung 
beſcheren! Feſt müffen wir hier fliehen, für ben König. In 
feines Herren Dienft ber Hige, der Kälte, den Gefahren zu 
trogen, iſt ein jeder verpflichtet, ſollt er auch darüber Haut 


und Haar laſſen. Schwere Hiebe auszutheilen, wollen wir 


ung bereiten, auf bag nicht ein Lieb ung zu Schimpf gefungen 


werde. Der Heiden ift das Unrecht, unfer das Recht. Nie fol 


bös Beifpiel von mir ausgehen.” Dlivier befleigt einen Hüs 
gel, überſchaut das Wiefenthal zu feiner Rechten, wie es von 
Helden wimmelt. Er ruft dem Kumpan zu: „Bon Spanien 
ber wälzt klirrend ein Schwarm fi) uns entgegen; ich fehe 
bie weißen Turbane, bie blanfen Helme. Hart wird es ung 
Franken aufergehen. Das wußte nur zu gut Ganelo, ber Uns 
geirene, der Berräther, als er in bes Kaiſers Gegenwart biefen 
Poen uns anwies.“ — „Schweig, Olivier,“ firaft Graf 
Roland, ner iſt mein Schwiegervater, ih will nicht, daß auch 


Rhein. Antiquasius 3. Abth. 2. Bd. 2 


48 Engers. 


nur ein Wort von ihm gefprochen werde.” Olivier kommt vom 
Hügel herunter, tritt vor die Franken, erzählt: „Ich habe bie 
Heiden gefehen, in folcher Anzahl find fie niemalen einem Chri⸗ 
ftenmenfchen vorgefommen. Edle Herren, febet euere Zuverſicht 
in Gott, unb ſtehet, auf daß ihr nicht befieget werdet.” Die 
Franken erwibern: „Unglück dem, ber fließen folte! Zu 
fierben, wirb feiner Euch fehlen.” 
„Kumpan,“ fpricht Dlivier zu Roland, „ſtoßt in euer Horn; 
Karl wird den Ruf hören, und das Heer wenden.” Roland erwi⸗ 
bert: „das wäre eines Thoren Handlung, hinreichend , meinen 
guten Leumund in dem füßen Sranfenland zu verderben. Muüchtige 
Hiebe fol meine Durindana austheilen, mit Blut fih färben 
bis zum Griff.” Den Rath wieberholend, fpricht Olivier: 
„Kumpan, laßt Euer Elfenbein tönen, feinen Ton wird Karl, 
ber eben den Engpaß burchzieht, vernehmen, und, beffen will ich 
Bürge fein, mit dem ganzen Heere zurückkommen!“ — „Da fei 
Gott für,” entgegnet Roland, „daß ein Menfh auf Erben 
erzählen Eönne, ich hätte der Heiden wegen mein Horn angeſetzt. 
Dergleichen Vorwurf fol man meinen Nachkommen nicht maden: 
Hiebe aber will ich austheilen, wenn e8 zum Treffen kommt.“ In 
blinder Wuth flürmen die Heiden vorwärts. „Sehet Ihr fie,” 
hebt wiederum Dlivier an, „und wie nabe fie ung find! Zu 
fern: if Karl, Des Elfenbeins Euch zu gebrauchen, habt Ihr 
verſchmähet. Traun, wäre der König zur Stelle, wir follten 
feines Schadens ung befürdten. Sehet die finſtern Gefichter ber 
Männer des Nachzuges, zu einem zweiten werden fie nimmer 
fih ordnen.” — „Laßt doch die Thorheiten,“ unterbricht Ros 
land, „wehe dem Herzen, bas verzagt in der Bruſt! Wir 
bleiben liegen, unfer find die Hiebe.“ Ä 
Die Schlacht will beginnen. Bon affen Seiten ruft: Ro 
fand die Sranfen heran, zu Olivier fpricht ex wiederum : „Herr 
Kumpan, enthaltet Euch folcher Reden. Uns bat der König hier 
zurüdgelaffen, in ber Meberzeugung, daß unter den zwanzigtaufend 
Franken nicht ein Schelm ſich finde. Kein Leid, dag man nidt 
um feines Herren willen tragen folte, Hige, Kälte, Wunden 
und Tod. Gebraudet Eu der Lanze, ich führe meine Duriw 


— 


Gref NKsland. 19 


dana, das gute Schwert, bes Koͤrigs Gabe; falle Ich, fo wird, 
dem dad Schwert geworben, fo werben alle anderen fagen mäf- 
fen, ed war eines edeln Ritters,” oder, wie ein fpäterer Ritter 
das ausdrückt: 
Nadie las mueva, 


Que estar ne pucda 
Con Roldan a prueba. 


Ueberdem kommt Erzbiſchof Turpin herbeigefprengt, von einer 
Anhöhe aus redet er zu den Franken: „Edle Herren, biefen 
Poren bat Karl ung zugetheilt. Fur den König zu flerben iſt 
unfere Pflicht, Erzeiget Euch als der Ehriftenheit Stüte. Eine 
Shlacht ſteht Euch bevor, deß fönnt Ihr nicht zweifeln, bie 


GSaracenen habt Ihr vor Euch. Erkennet euere Sünden und ru⸗ 


fet zu Gott um Verzeihung, ich werde euere Seelen Iosfprechen, 
Hallet Ihr, fo werdet Ihr den heiligen Märtyrern zugezählt, 
bie beften Plätze im Paradies erwarten euerer.“ Es wird abs 
seieflen, niebergefnieet. Als eine Buße legt der Erzbifchof den 


Franken das Fechten auf, dann gibt er ihnen den Segen im 
Namen bes Herren. Heiteen Angefichtes, laͤchelnd, fchwingt, 


erhebt Roland feinen Speer mit dem weißen Gonfanon, von bem 
bie Franſen auf feinen Händen fpielen. Ihm folget Olivier auf 
ber Ferſe, in wunderbarer Zuverficht ſchwellen Die Herzen in bem 
DE auf die beiden. Voll tiefen Grimmes ſchauet Roland nad) 
ben Saracenen,, in milder Theilnahme muftert er bie Franken, 
dazu fprechend : „Edle Herren, gehet Tangfam vor und in ruhi⸗ 
ger Faffung, denn der Heiden ungeflümmes Andrängen läßt mich 
hoffen, daß ein arges Blutbad unter ihnen anzurichten. Nies 
mals haben bie Sranfen einen König gehabt tapfer wie Karl,” 

Sranfen und Heiden taufchen fchrediiche Hiebe. Wer mag 
die Bintigen und gebrochenen Ranzen zählen, die zerriffenen Pas 


Bere und Fahnen, Schrediich wüthen in ben feindlichen Reihen 


Rand und Olivier, Aber auch die Franken erleiden ſchweren 
Verluſt. Wie viele von ihnen müffen fterben in der Jahre Bluühte, 
Ohne die Mütter, ohne bie Frauen wiederzufehen, oder bie Waf⸗ 
fenbrüder, die, ben König Karl an der Spige, im Engpaffe ihrer 


warten. Und es erbebt durch das weite Franfenreich Die Natur 


2 * 


20 Engers. 


in außerordentlichen Zuckungen. Ungewitter, Regengüſſe, Hagel, 
Sturmwind wechſeln in unerhörter Wuth. Auf mehren Stellen 
hat der Blitz gezündet, ber Erdboden ſich erhoben und geöffnet, 
Von St. Michaels Berg bis zu St. Remigs Land, von Bi⸗ 
ſanz bis zum Hafen von Wiſſand ſind auch nicht einer einzigen 
Burg Mauern aufrecht geblieben. Solche Zeichen hat keiner 
ohne Schrecken geſehen. Mehre ſagten: das iſt aller Zeiten 
Ende. Die Wahrheit wußten, verfündigten fie nicht; dieſe 
Krämpfe der Schöpfung galten dem flerbenden Roland. Oh! 
weites Frankenreich! wie fludht dir Mahomet! Denn vor allen 
andern Bölfern ift tapfer der Sohn durch Dich ernährt. Viermal 
hat das Treffen eine den Chriften günftige Wendung genommen, 
das fünftemal wird die Schlacht ihnen ſchwer und ſchredlich. 
Die fränfifchen Ritter alle find gefället, bis auf bie fechzig, deren 
Gott verfhonte. Den ungeheuern Verluſt der Seinen ſchauend, 
ruft Graf Roland feinen Kumpan Olivier an. „Schöner Rit- 
ter,” fpricht er, „möge Gott deinen Muth fählen. Sieht 
du die vielen edlen Ritter, deren Leiber den Boden bebeden ? 
Mie mögen wir genugfam das füße, das fchöne Frankenland 
beflagen! Wie viele feiner edelften Mannen bat es hier einge 
büßt! Mein König, mein Freund, warum bift du nicht hier? 
Bruder Dfivier, was follen wir beginnen ? Wie mögen wir dem 
König umfere Lage vermelden?“ — „Ih weiß es nicht,” 
verfegt Olivier, „boch iſt es beffer, wir fterben, denn daß 
man Schimpflihes ung nachrede.“ — „Wohlen,“ fährt Ro 
land fort, „ih will in mein Elfenbein ſtoßen. Den Schall wird 
in dem Pag drüben Karl vernehmen, und feine Franken und 
zuführen.” Spricht Olivier: „arge Schande dag wäre, un⸗ 
aufhörlih man die Euern Sprößlingen vorwerfen würde. Ich 
babe Euch gerathen, zu blafen, und Ihr wolltet nicht, wenn Ihr 
fest e8 verfuchter, zu nichts wird es helfen. Ihr vermögt es 
nicht, des Hornes vollen Ton berauszubringen. Cure beiben 
Arme triefen von Blut.” — „Ich babe ftattliche Hiebe ausge 
theilt,” entgegnet der Graf. 

„Grauſam iſt unfere Schlacht,“ hebt Roland nochmals at, 
„ih will blafen, Karl wird hören.” — „Das wäre Teined 


Graf Noland. 21 


guten Ritters ,’ meint Dlivier, „als ich Euch darum erfuchte, 
wolltet Ihr mir nicht glauben. Bei meinem Bart, fo id 
meine traute Schweiter Alda wieberfehen könnte, nimmermehr 
folltet in ihren Armen Ihr ruhen!” Die goldenen Sporen 
fegt Erzbiſchof Turpin feinem Roſſe an, es trägt ihn zur Stelle. 
„Herr Roland, und Ihr, Herr Dlivier, um Gottes willen kei⸗ 
nen Streit. Das Befte, fo ung zuſtoßen Fönnte, wäre des Kö⸗ 
nigs Eintreffen auf dem Schlachtfelde, die Rache. Diefe Mas 
sanen follen fi nicht freuen. Wenn bie Sranfen fommen, unfere 
zerftücten Leichen gewahren, dann werden fie abfigen, die Särge- 
ber Gefallenen auf Saumthiere laden, die Leichen innerhalb ger 
beiligter Mauern beerdigen. Wölfen, Säuen, Hunden werden 
unfere Leiber nicht zur Speife dienen.” — „Wohl gefprocen, 
Herr,” ruft Roland aus, der aber gleichwohl fein Elfenbein dem 
Munde angefegt hat, feſt hält er es in der blutigen Hand, alle 
fine Kräfte bietet er zum Blaſen auf. Hoc find die Berge, 
weit ıft die Entfernung, doch wird ber Schall dreißig große 
Stunden weit vernommen, von Karl, von allen feinen Gefährten 
gehört. „Ach!“ ſpricht der König, „unfere Leute fechten.” 
Nicht ohne gewaltige Anftvengung, nicht ohne heftige Schmerzen 
bat Graf Roland diefe Töne feinem Horn entlodt. Helles Blut 
eniftrömt feinem Munde, die Adern der Schläfe wollen zer 
ſpringen. Doc mächtig ruft das Elfenbein, feinen Ruf vernimmt 
Karl, indem er ben Paß durchzieht, es Taufchen Herzog Naimo 
und die Sranfen alle. „Ah!“ fpricht der König, „das ift Ro⸗ 
lands Horn, das er niemals, außer im Streite, bläßt.” Dem 
widerfpricht Ganelo. „Hier gilt es feinem Streite. Ihr feid alt, 
gebleiht ift Euer Haar, Ihr fehwagt da wie ein Kind. Eueres 
Neffen Hoffart follte doch hinlänglich Euch befannt fein. Ein 
Wunder ift es, dag Gott fo Lange ihn duldet. Hat er nicht Neapel 
genommen ohne Euern Befehl? Um einen Hafen wird er einen 
ganzen Tag lang in fein Horn tuten, und aud) jest äfft er die Pas 
Iatine. Aber Feiner wagt Klage gegen ihn vorzubringen, Reitet 
Eueres Weges, denn weit ift es noch bis zum großen Lande.” 
Es biutet des Grafen Roland Mund, es fpringen bie 
Adern feiner Schläfe, jeder Ton feines Hornes koſtet ihn Die 


22 | Engers. - 


beftigften Schmerzen. Karl hört, es lauſchen bie Franken. 
„Weit her kommt dieſes Hornes Schall,” ſpricht ber Kenig, 
und es entgegnet Herzog Naimo: „Ich täufche mid nicht, Die 
fehten Zu den Waffen! Laffet Montfoie rufen, und kommt 
Euerm wadern Nachtrab zu Hülfe. Ihr höret ja, wie Roland 
klagt!“ Der König läßt die Pfeifer auffpielen, es waffnen 
fih die Sranfen, Helm, Sturmhaube, dag Schwert mit goldenem 
Griff anlegend. Sie entfalten die weißen, bie rothen, bie blauen 
Paniere. Zum Sattel aufgeihwungen haben fih alle Barpne 
Des Heeres, raſtlos treiben fie ihre Roffe vorwärts. „Wenn wir 
nur Heren Roland lebend finden, welde Diebe wollen wir in 
feiner Geſellſchaft austheilen !” ſo lantet ber allgemeine Wunſch. 
Eitel it der Wunſch, zu lange haben fie geſäumt. 

Als Roland heranftrömen fah das ungläubige Bolt, ſchwär⸗ 
zer wie Dinte, weiß allein von Zähnen, ba fprad er: „Jetzt 
weiß ich, Daß wir heute des Todes fein werden. Hauet drein, 
thr Franken, hauet zu mit wohlgefcehmiedeten Schwertern. Ver⸗ 
faufet um den höchften Preis euer Leben und euern Tod. Nicht 
Durch und werde bes Frankenreichs Ehre gefhändet! Wenn 
Karl, mein König und mein Herr, zu diefer Wahlſtatt fommt, 
dann mag er fihauen das Blutbad, unter ben Saracenen durch 
ung angerichtet... Wenn er ihrer Todten fünfzehen zählen wird 
gegen einen der unfern, dann wird er nicht umhin Fönnen, unfer 
Andenfen zu fegnen.” N 

Karl erreicht den Ronceval, fein Weg, kein Pfad, feine 
Stelle, wo nicht Sranfen oder Heiden aufgefihichtet liegen. Karl 
ruft: „wo bleibt Ihr? Wo iſt der Erzbifchof und Graf Dii- 
vier? Wo ift Warin und fein Rumpan Gert? Wo find fie, 
Otto und Graf Berengar, Ivo und Ivorich, mir fo lieb? Was 
iſt aus Engelhard von Gasconien geworden, aus dem Herzog 
Samfon und dem Baron Anfagis?. Wo find fie, der alte Ger 
hard von Rouffillon, und die Zwölf, denen niemand gleih ? Sie 

. alle habe ich zurüdgelaffen. Und was mir das peinlichfie, dem 
Anfang der Schlacht blieb ich fern. Warum mußt ich nach Spas 
nien ziehen? Fortan fein Tag ohne bittern Kummer für mid! 
Sch fühle, dag Stärke und Kühnheit in mir abnehmen werden, 


Graf Holen). 23 


und er iſt nicht mehr, der meine Ehre wahren Tonnte! Freuudb 
Roland, ich kehre nach meinem Reich zurüd, und zu Laon, in 
ber Pfalz, werben die Fremden, wie fie aus fernen Landen kom⸗ 
men, fragen: wo if ber Graf, ber Feldhauptmann I 

? Deeid, conde de Urena, 

Den Alonso donde queda? 
Und ih werde antworten: er blieb in Spanien. Bon Trüb- 
ſal umgeben werbe ich fortan regieren, und ein Tag um den 
andern wird meine Thränen fehen. Freund Roland, du fchöner 
and waderer Rede, wenn ich zu Machen weilend, um Zei⸗ 
tungen befragt werde, dann verfündige ich fie, wunderbar und 
ſchreckhaft. Mein Neffe, werbe ich erzählen, ber fo viele Er⸗ 
sberungen für mich machte, er iſt tobt. Sache, Unger, Bulgar, 
Römer, Apulier, die von Palermo und von Africa werben fi 
gegen mich empören. Wer ſoll diefen Bölfern meine Heere ent⸗ 
gegenführen „ feit leblos, dem zu folgen fie gewohnt? Ad du 
Sranfenveich, wie bift du verwaifet ” Und dazu raufte er mit 
beiden Händen in feinem weißen Bart, in bes Hauptes Haar, 
und der Franken Thränen beantworteten feinen Schmerz. 

Der König hat Aachen erreiht, von allen Pfalzen des 
Reiches bie vorzüglichfie. Kaum abgefeflen, fleigt er hinan zum 
Ritterfaal, und es tritt vor ihn. Alda, die edle Jungfrau, fra« 
gend: „wo bleibt Herzog Roland, ber gefhworen hat, mid 
heimzuführen 2” Ob diefer Frage empfindet Karl tiefen Schmerz, 
in Thränen bricht er aus, den weißen Bart. zerzaußet er. 
„Schweſter, Tiebe Freundin,” hebt er an, „bu nennft einen 
Mann, der nicht mehr if. Statt deffen follft du einen andern 
haben, einen befiern Dann ich nicht weiß; Ludwig iſt mein Sohn, 
er wird meine Marken ſchirmen.“ Alda entgegnet: „einer an⸗ 
dern folhes Wort. Das mögen Gott verhüten, feine Heiligen 
und feine Engel, daß ich einem Noland überlebe!? Todten⸗ 
bläffe überzieht ihr Angeſicht, fie finft nieder zu Karls Füßen, 
fe Richt zur Stunde, Möge Gott ihrer Seelen gnaden. Bon 
den fraͤnkiſchen Baronen wird fie beffagt und bemweint. Ä 

Richt nur der Franzoſen Dichter haben fi mit einem Hel- 
den beihäftigt, ber eigentlich ihnen fremd, auch die Sponier 


24 | Engers. > 


bemächtigen fich feines Namens, nicht zwar um feine Thaten zu 
verherrlihen, fondern einer Nationaleitelfeit zu fröhnen. Die 
Ballade | . 
Mala la hubistes, Franceses, 
- En esa de Roncesvalles, 


iſt Jahrhunderte hindurch bei ihnen volksthuͤmlich geblieben, und 
nicht minder eine mit ungeheuern Auffchneidereien verbrämte 
profaifhe Erzählung von der Schlacht im Ronceval. Laut 
derſelben wurde der bezauberte, und darum gegen Hieb und 
Stich fefle fränfifhe Hüne von Bernhard dei Carpio im 
Ringen vom Boden erhoben und in beffen - Armen erbrüdt, 
wie Hercules dem Rieſen Antäus that. Darauf: fpieft an 
des Don Duifote Selbſtgeſpräch: ‚si Roldan fue tan buen 
caballero y tan valiente como todos dicen, que maravilla, 
pues al fin era encantado, y no le podia matar nadie sine 
era metiendole un alfıler de & blanca por la punta del pie, 
y el traia siempre los zapatos con siete suelas de hierro: 
aunque no le valieron tretas con Bernardo del Carpio, que 
se las entendiö, y le ahogö entre los brazos en Roncesvalles.“ 
Zum Unglüd halten neuere Kritifer, und namentlich Ferreras, 
ben Bernhard del Carpio, zufamt feiner Mutter, der Infantin 
Jimena, Schwefter von König Alfonfo dem Keufchen, für Gefchöpfe 
ber Einbildungskraft. Genugfam hingegen if Rolands Dafein 
nicht nur durch die Tradition, fondern auch durch das Zeugniß 
yon Eginhard, und durch die zwei, den Säulen bes Hercules vers 
‚ gleihbaren Monumente an des Rheines Strand befundet. Das 
- auf diefen Monumenten berubende Zeugniß leidet feinen Eintrag 
durch die Erneuerung des Kloſters Nolandswerth im 12. Jahr⸗ 
hundert. Ganz in ber Nähe, bei Andernach wurde um biefelbe 
Zeit das Klofter St. Thomas neu gefliftet, und doch ift es ger 
wiß, daß der eigentliche Urfprung bes Kloſters St. Thomas 
weit höher hinaufreicht, daß das veröbete Haus lange son dem 
Deftreiher Rabodo und von beffen Sohne Leupold von Ehren» 
breitftein bejeffen worden, bis endlich Erzbiſchof Meginhard von 
Trier Klofter und Gut ihrer urfprünglichen Beſtimmung wieber- 
gab. Biel mehr aber, wie St. Thomas, war Rolandswertd, 


Graf Roland, | 25 


das Inſelkloſter, den Verheerungen normänniicher Flußräuber 
ausgelegt. Ob die Alda, das in dem Rolandslied von Meifters 
band, doch nur in Füßnen Umriffen gezeichnete Bild eine Perfon 
mit der Hildegarb der Rheinfage, dieſes muß ich dahingeſtellt 
fein laſſen. Hildegard fcheint um ihren Freier die Anfichten der 
Angelica bes Ariofto und bes Pfarrers von Argamefilla getheilt 
zu haben. Dem befchreibt ber Ritter von Mancha den Gegner 
bed Bernhard del Carpio: „De Roldan, 6 Rotolando, 6 Or- 
lando (que con todos estos nombres le nombran las historias) 
soy de parecer y me afırmo que fud de mediana estatura, 
ancho de espaldas, algo estevado, moreno de rostro y barbi- 
taheno, velloso en el cuerpo, y de vista amenazadora, corto 
de razones, pero muy comedido y bien criado.“ Wenn Rols 
dan, bemerkt hierbei der Pfarrer, nicht beffer ausfah, denn er 
von Euer Geftrengen befchrieben wird, fo mag es nicht wundern, 
daß Angelica die fehöne ihn hintanſetzte und veradhtete, in Ers 
wägung ber Anmuth, ber Lebendigfeit, ber edeln Haltung bes 
Mohrenfnaben, welchem fie fich hingab; fie mag fogar gepriefen 
werben um ber verfländigen Wahl zwiſchen dem zarten Meboro 
und bem rüden Roldan. Beſagte Angelica, fällt Don Quijote 
en, war eine loſe, Tandläuferifche und ziemlich eigenfinnige 
Dunzel, die gleich fehr durch den Auf ihrer Ingezogenheiten 
und durch ihre Schönheit die Welt befchäftigte. Große Herren, 


- geprüfte Kämpen, tiefe Denfer zu taufenden bat fie abges 


wiefen, dafür fi) begnügend mit einem flaumbärtigen Knaben, 
ohne Befig, ohne Namen, außer jenem der Danfharfeit, welchen 
er durch die feinem Freunde bezeigte Anhänglichkeit fi ver⸗ 
diente. Der erhabene Sänger ihrer Schönheit, der berühmte 
Arioſto wagte e8 nicht zu befingen, oder wollte nicht befingen 
was ſich mit jener Dame, nach ihrer fehmählichen Hingabe, zu⸗ 
trug, wahrfcheintich hätte er nicht allzu ehrbare Dinge zu er⸗ 
sählen gehabt, er laͤßt fie laufen mit kurzem Abſchied: 
Y como del Catay reeibiö el cetro, 

Quiza otro eantard con mejor pletro. 

An einer andern Stelle fcheint jedoch Don Quijote ber Erbin 
von Katay Geſchmack gewiffermaßen zu rechtfertigen. Er erzählt 





26 oo Engers. ° 


feinem Getreuen, „para que veas cuan necio.eres tu y cuan 
discreto soy yo,“ eine Wittwe, fehön, fung, frei und reich, vor 
allem aber unabhängigen Sinnes, verliebte ſich in einen berben, 
fernhaften Lapenbruder. Das entging nicht bem Vorſteher bes 
Haufes, und äußerte der eines Tages. in bem Tone einer brüs 
berlihen Ermahnung gegen bie gute Wittwe: Ich wundere mid, 
und nicht ohne Grund, baß eine jo vornehme Dame, reich 
und fohön wie Euer Gnaden, fi in den fohmierigen, gemeinen, 
albernen Kerl verlieben Eonnte, während ſich in unferm Haufe 
fo viele Magifter, Barcalaureen und Theologen befinden, unter 
denen Euer Gnaben wählen konnten, wie in einem Korb mit 
- Birnen, Sie dürfen fa nur fagen, der gefällt mir, jener gefällt 
mir nicht. Worauf fie hoͤchſt unbefangen und in ſcherzhaftem 
Tone entgegnete: Euer Gunaden geben ſich ſchwerem Irrthum hin, 
and nähren veraltete Vorurtheile, in dem Wahn, daß ich in dem 
sermeintlihen Dummkopf eine ſchlechte Wahl traf, „para lo 
que yo le quiero tanta filosofia sabe y mas que Aristoteles.“ 

. Die. rheinifhe Sage will, Roland habe die feinen Namen 
tragende Burg erbauet, um feiner Hildegard nahe zu fein, als 
welche in dem Kloſter zu den Füßen des Rolandseck den Schleier 
genommen hatte, „Schiller,“ bemerft AL Schreiber dabei, „Hat 
dieſen ſchoͤnen romantifhen Stoff einer feiner trefflichften Balla⸗ 
ben — dem Ritter von Toggenburg — zum Grunde gelegt, aber 
die Scene — man begreift nit warum — in bie Schweiz ver 

Jegt.” Wie es heißt, hat eine andere Ballade, von welcher noch 
vor fünfzig Jahren alle Schluchten des Trachgaues widerhallten, 
wenn fie auch dem eifernen Helden bie fentimentalen Formen 
eines liebeskranken Werther Teihet, die Beziehungen Rolands zu 
der Kloſterfrau zum Gegenſtande. Hier die Ballade in ihrer 
alterthuͤmlichen kunſtloſen Form: 


N'ich ſtand auf hohem Berge, 
Nich ſah in ein tiefen Thal, 
N'ich ſah ein Schiffche ſchwimme, 
N'ich ſah ein Schiffche ſchwimme, 


Darine drei Reitere ſaß. 


Der allerjüngſte Reiter, 
 ® Der in dem Schiffche war, 


Graf Usland. 27 


Dere bracht mir einmal zu trinke, 
Dere bracht mir einmal zu trinke, 
Sn feinem hollaͤndiſche Glas. 


Warumer bringft du mer zu trinke, 
Warumer ſchenkſt bu mir ben Wein? 
Das thu ich um die Liebwe, 

Das thu ich um die Liebwe, 

Daß du mein Liebfte ſollſt fein. 


N'ich gedenk an keine Liebme, 
N'ich gedenk an keinen Mann, 
In ein Kloſtere will ich gehe, 
In ein Kloſtere will ich gehe, 


Will werben eine Nunn. 
Und als die drei Tag herumer ware, 


Der Ritter ſpricht zu ſeinem Knecht: 
Sattel mir und dir ein Pferde wohl, 


Sattel mir und bir ein Pferde wohl, 


Der Weg gilt ja Reiterslohn. 


Und als fie an bie Klofterporet Fame, 
Gar Höflich fie anklob. 

Wo ift fih nu daſſa Nünnche, 

Wo iſt fih nu daſſa Nünnche, 

Das zum letztemal ins Kloſter is kum? 


Es iſt ſich in der Kirche, 
Wohl in dem Gotteshaus. 
Daſſa Nüunnche kam gegange, 
Daſſa Nünnche kam gegange 
Sn feinem ſchneeweiße Kleidche. 


Sie dreht ihm den Rüden bar, 
Das Herz fprang in feinem Leib, 
Su ja, in feinem Leibe 

Zu ja, in feinem Leibe 

Sn taufend Stüde Tprang das Herz. 


Daffa Nünnche ſchürzt fein Kleidche auf 
und grabt dem Ritter ein Grab, 

Du ſollſt ja hier verfaule, 

Ju ja ſollſt verfaule, 

Bis an den jüngſte Tag. 


Wie Rolands Ruhm alle Provinzen des Frankenreichs er⸗ 
füllte, fo haben alle davon Erinnerungen bewahrt, wenn auch. 
die auf Eigenthum und Anfig bezüglichen Lediglich in dem eigent- 
lichen Frankenlande, am Rhein, vorlommen. Auf bie Ehre einer 


— 


28 Engers. 


Blutsverwandtſchaft mit ihm hat indeffen, meines Wiffens, nur 
Das eine, weiland mächtige Geſchlecht der Capitanei im Beltlin 
Anſpruch gemacht, „Denen von Capitaneis,” berichtet Johann 
Buler von Weined, „gäben etlich ihren Urfprung (aus was Grund _ 
mag ich nicht wüßen) von Viviano, dem Sohn Roberti von Clara⸗ 
monte aus Frandreich, welches Roberti Batter ein Uhrenkel ges 
weßt fein fol eines andern Viviani, fo mit Graff Drlanden rädht 
gefhwüftert Kind war: und gäben vor, gefagter Sohn Roberti 
habe bey einem Fräumlein des königlichen Hauſes einen unehe- 
lichen Sohn erzeuget, Albert genannt: von welcher Urfach wegen 
er aus Franckreich flüchtig werden müßen: feye erftlich gen Mayng, 
volgende uber etlich Jahr daſelbſt dannen gen Luggaris in Lom⸗ 
barbey ankommen, da er ſich zu zweyen feinen Brüdern, die vor 
ihm fih dahin in Sicherheit begäben hatten, mit großem Gut 
haushäblich niedergelaßen habe, Uber ein güte Zeit ſey Kayfer 
Conradus Salicus in Italien fommen, und als er neben anderen 
Drten in Lombarbey den Fläden Luggaris auch befücht und fich 
alda bey biefen breyen Brüdern ein Monatlang aufenthalten, 
habe ihm obgedachter Albert, Viviani Sohn mithin, fo viel ge« 
liebet, daß er ihn nicht allein ehelich gemacht, fondern auch ges - 
wöllen, daß er fein Hofmann wurde, Darnach habe der Kayſer 
. zu Mayland einen flattlichen Thurnier angerichtet: in welchem 
dieweyl gefagter Albert den Preiß erhalten, habe ihn der K. 
mit etlichen Fläden, Zöllen und Herrlichfeiten im Beltlein , die 
bem Reych zufländig waren, begabet, und ihne uber diefelbig 
Landerivier zum Capitaneo, das ift, Haubtmann, gemadjet: von 
welchem Ambt nahen er, und alle feine Nachfommen fich Capitanei 
haben namfen laßen. Die Capitanei haben erftifftet das Frauwen 
Cloſter zu St. Laurentz ob Sondriv, die Mönchen Clöſter zu Sant 
Perpetua und zu Sant Romerio im Tyraner Gebiet, das Canoni⸗ 
cat zu Sant Jacob im Thal Malenco, und Sant Jacobs Pfründt zu 
- Stagonen, fambt anderen Pfründen mehr: von ihnen ift erbauwen 
worden das Schloß zu Statonen, das Schloß Santa Perpetun zu 
Tyran, das Schloß in Malenco, fambt anderen mehr Veftungen. 
„Nicodemi (1414) Bruder Franziscus hat einen einzigen 
Sohn, fo Antonius Franziscus hieß, in weldem ber Manns 


Das Geſchlecht der Capitanci. 29 


ſtammen beren von Capitaneis endet, Bey bem jetzgedachten 
Antonio Franzisco de Capttaneis fol, duch uhralte Succeßion, 
noch gefunden worden feyn das vernamte Schachfpiel des Graf 
Orlands, das fehr artlich aus Helffenbein mit großer Kunſt ges 
macht war, und die Sapitanei zu Bezeugung ihres Härkommend 
im Gefchlächt bebielten. Antoni von Beccaria, fo den Ritters 
fland erftiegen, fcharpfffinnig und ein guter Kriegsmann, befame 
burch feine Tugenden zur Ehefrauwen Jacobinam, zugenannt Fe⸗ 
mina, ein flattliche Dochter Herren Antonii Franzisci von Capi⸗ 
taneis, Ritters und Gaftellanen im Schloß Mafegra ob Sonders: 
ohnangefeben, daß er träffentichen Widerſtand bat von Herren 
Stephano von Pendolasco, der dieſer Dochter eußerft feines 
Bermögens nachflellet. Dann Hr. Antonius Franziscus war 
eines hoben Alters, und hat allein zwo Döchterns beren bie eine, 
fo Thomafina hieß, vor viel Jahren Niclaufen Planta, einem 
Retifhen Edelmann und Gerichtöherren uber etlihe Gemeinden 
vermehlet war. Dieweyl dann das gantze Vermögen des Haufe 
von Capitaneis, aus Mangel Mannsſtammens, allein auf diefe 
Weibsbilder fallen follt, vermeinet der von Pendolasco, fo fels 
biger Zeiten unter die veicheiten des Beltleins gezehlet warb, 
biefev Heurath follte ihm, wegen feines großen Bermögeng, nit 
entgehen. Als ihm aber ber von Beccaria fürzogen ward, warff 
er eine töbtliche Feindſchaft an denfelbigen: daraus viel Gefächts 
und etlich Todſchläg beyberfeits erfolgten: bocd Tage ber von 
Bercaria fehler alwegen ob: welches den von Pendolasco ders 
maßen verdroß, daß er feinen Widerfacher, an welchem er fi 
mit den Waffen nicht genugfam rächen mocht, alfo ſtarck ver⸗ 
Hagt bey dem Landeshauptmann des Thals, fo im Namen des 
Mayländifchen Stande uber das Rand herrſchet, und Antonius 
de Raino hieß, baß derfelbig ihm fürnam, ben yon Beccaria 
gefendlich anzunemmen: wie er aber fölches unverfehner Weife ins 
Werck richten wollt, warb er barob erfchlagen, fein Bruder Aloyfiug 
übel verwundt, und noch etlich mehr vom Hof leibloß gelegt.” 

Bon Rolands Nachfolgern im Grafenamt des Engerögaues 
werden genannt Waltbratus comes, 29, April 959, Otto comes 
1019, vermuthlich derfelbe Otto, der nachmals als Graf ber 





80 | Engers. 


Wetterau und Beflger der im Engerögau beiegenen Feſte Ham⸗ 
merflein vorkommt (Abth. IE. Bd. 3. S. 506-507), endlich 
Ello comes, 1021.. Zu Engers wird das Gauding abgehalten 
worden fein, und barum finden fih ganz in der Nähe, inner 
halb der alten Grenzen bes Kicchfpiels, welchem Bendorf, Sayı, 
Stromberg, Kahn, Nauert einbezirkt, der Gaugrafen vornehmfte 
Niederlaffungen, Sayn und Iſenburg, nachmalen zweier großen 
Häufer Sig, und mit ihnen rainend die Grafichaft Wied, Gleich⸗ 
wie der Gau überhaupt, fo fcheint auch Engers insbefondere 
unter die drei Nachbarn vertheilt worden zu fein, neben denen 
doch ale Mitbefiger, ohne Zweifel Durch weibliche Exbfolge, die in 
Oſtphalen heimifchen Grafen von Daffel, mit ihren Lehenträgern, 
den Burggrafen von Dammerftein genannt werden, Am 13. Aug. 
1284 beiehnet Graf Adolf von Daffel den Burggrafen Lubwig 
son Hammerftein, in der Weiſe, in welcher deſſen Bater belchnt 
gewefen, und am 2. Oct. 1319. befreit, verwandelt in Erbe Graf 
Simon von Daflel des Burggrafen Ludwig von Hammerſtein 
Güter zu Engers und Bendorf. 

Hoffentlich wird feinem meiner verehrlichen Lefer Cramers 
Meifterwert, Adolph der Kühne, Raugraf von Daffel, 
unbefannt geblieben fein, deshalb ich mich befchränfen darf, einen 
Punkt jener dramatischen Bearbeitung herauszuheben. Mit feinem 
Ruhm hat Adolf das weite Deutſchland erfüllet, wie das in fpätern 
Jahrhunderten einem Baſedow, Peſtalozzi, Soiron, Habermann 
mit ber Glanzwichſe u. ſ. w. gelang, aber in Gefolge feiner 
Thaten wird es ihm unmdglih, Tänger in der füßen Heimgath, 
am Fuß bes Solling auszuhalten. Er verzieht incoynito nady 
Stalien, und fommt zu Rom, immer noch incognito, zu näherer 
Berührung mit einem poetifchen Maler. Der theilt ihm den 
Plan eines großen Drama mit, beffen Gegenftand, man denfe ſich 
bas Erflaunen bes verfappten Reifenden, bie unerhörten Waffen» 
und Greuelthaten bes Raugrafen von Daffel, "abfonderlich bie 
tragifhen Schidfale einer von Ihn mit Sturm genommenen Stadt, 
Schidfale, die man jedoch auf Ort und Stelle nachlefen wolle. 
Vieles andere hat noch Cramer geſchrieben, Unerreichbares bei⸗ 
nahe; wenn ich in Hasper a Spada die tiefe Kenntniß des Mittels 





Karl Gsttlieb Cramer. 7 


alters, bed Ritterthums inshefonbere, in Erasmus Schleicher bie 
Staatsflughelt, die Cabinetspolitik in ihrer höchſten Potenz, in 
Paul Hop die Unerfchütterlichfeit Des großen Mannes einen 
feindlihen Geſchick gegenüber, in dem beutfchen Alcibiades den 
vollendeten Feldherren, in Hermann von Nordenſchild Die wunder» 
bare Macht der Verbältniffe, in ber Reife zur Hochzeit das 
Schlaraffenleben der Dagnaten, in dem Domſchütz die geniale 


“Haltung eines mit der Welt Berfalfenen, feine Gewanbtheit in 


allen Lagen, feine unburddringliche Feinheit in der Leitung einer 
Verſchwörung, die überrafchende Schnelligkeit in’ der Entfchließung 
und Ausführung, das fehneidende Pfeifen, womit er unerwartet 
das Gewebe höklifcher Bosheit zerreißt, und einer kuͤnſtlich vorbe⸗ 
reiteten Revolution eine durchaus veränderte Nichtung gibt, aus 
dem Schreden und Abfcheu der Menfchheit ihr höchſter Wohl⸗ 
tbätee wird, wenn ich dieſes und anderes anflaune, fo muß ich 
dagegen, als Preuſſe, hoͤchlich mich verlegt fühlen durch die Rolle, 
weiße Cramer in Baltber’s Leben, Meinungen und 
Shidfale eines in der Schlacht bei Jena gefallenen 
Dfficiers, 1812, ung zutbeilt, und durd) die gelegentlich über 
ung ansgegoffenen Schmähungen, wofür das in einer fpätern 
Shöpfung: das eiferne Kreuz, ein kriegeriſcher Halb⸗ 
roman aus den 3. 1812, 1813 und 1814, mit vollen 
Händen ung gefpendeie Lob, weniger eine Entſchädigung, als 
vielmehr eine Probe von der Fäglichen Berfatilität in ben Ge⸗ 
fiunungen des berühmten DBerfaffers genannt werden mag 

Am 1. April 1264 verkaufte Graf Johann von Sponheim, 
unter andern - Minikerialen ber Grafſchaft Sayn, auch Gotts 
frieben den Schenfen von Engers Cunbezweifelt eines Stammes 
mit den Schenfen son Sayn) an den Erzbifchof Engelbert I: 
von Coͤln. Derer von Iſenburg Befig in Engers wurbe ab⸗ 
wechfelnd durch bie Theilungen in ben verſchiedenen Linien, durch 
bie gegenfeitigen Anſprüche von Lehensherren und Vaſallen ge: 
Rört, denn vieled-von ihren dafigen Grundſtuͤcken und Geredts 
famen hatten bie Herren von Sfenburg zu Lehen ausgetban. Im 
3. 1209 bekundet Erzbiſchof Johann I. von Trier den um das 
Patronat der Pfarrei zu Engers zwiſchen dem Liebfrauenflift de 


: 59 Engers, 


Trajecto (Maaftricht ober Utrecht?) und ben Gehrübern Arnold 
und Johann von Hammerftein einerſeits, dann ben Gehbrübern 
Richwin und Hermann von Rübenach anderntheils errichteten 
Vertrag, wornach einmal das Stift und bie von Hammerflein 
gemeinfchaftlih, ein andermal bie von Rubenach den Kirchherren 
präfentiren follen. Am Dienftag nad) Lichtmeflen 1357 vergönnt 
KR. Karl IV. dem Grafen Wilhelm zu Wied das Dorf zu Engers, 
„vff dem Reyne gelegen vnd of dem Stade, da die Altdecke 
lieget,‘“ in eine Stadt und gemauerte Feſte umzufchaffen. Des 
alfo bedeutend in feinem Werthe erhöheten Befiges follten bie 
Grafen von Wied nicht Tange genießen. In einer Gehde, deren 
Beramlaffung und Ausgang Bd. 1. S. 492—496 erzählt, ver 
Ioren fie Engers an: den Erzbifhof Kuno von Trier, und hat 
dieſer, die Wichtigfeit der hiermit gemachten Erwerbung eins 
fehend, nicht gefäumt, fie zu vervollländigen, indem er am 23 
März; 1373 more Trev. fih des Grafen Johann von Sayn 
angehörige Leute binnen der Freiheit und Gericht von Cunen⸗ 
Engers abtreten ließ. Cunen⸗Engers follte fortan der Ort hei⸗ 
Ben, zu Ehren deffen, ber ihn dem Erzftift gegeben und babei 
bie mächtige Feſte aufgeführt hatie, „pro communis patrie cir- 
cumstantis, populique in Reni publico flumine navigantis, atque 
ab utraque ripe dicti fluminis parte per terram transeuntis 
innocue, tuto pacis presidio et tranquillitatis defensione se- 
cura,““ alfo äußert Kuno in der Stiftungsurfunde der zu Ehren 
ber heifigen Jungfrau Maria und bes Erzengeld Michael ges 
weihten Schloßeapelle (8. Juni 1379). 

Kuno, einer der größten Fürften, die je in Deutfchland 
Herrichaft geübt, war feines Herfommens ein Herr von Falken⸗ 
fein oder von Bolanden, wenn man zu dem Urfprunge bes Ge⸗ 
Schlechtes hinaufgehen will. Bon allen Minifterialen des Reiches 
find die von Bolanden ſtets die vornehmften, bie einflußreichfen, 
bie begüterteſten geweſen. Sie befaßen in dem Worms⸗ und 
Speiergau ein unermeßliches Eigenthum. Werner E. son Bo⸗ 
landen Iebte 1129. Seines Urenkels, Werners IV. Söhne, 
Werner V. und Philipp theilten. Jenes Nachkommenſchaft be 
hielt unverändert den Namen von Bolanden bei, wie denn die 


Pie Herren von Falkenſtein. 35 


Burg Bolanden am Donnersberg , und das umliegende Gebiet, 
beiläufig die nachmalige Herrſchaft Kirchheim⸗Boland, außerdem 
viele andere zerſtreute Befigungen, abſonderlich in unferer Nähe 
bie Burgen Sternberg und Liebenftein, wie auch das Dorf Ofters 
ſpay von ihr befeffen worden find, Werners IV. anderer Sohn, 
Philipp von Falfenftein, gelangte durch feine Vermählung mit 
Iſengard, einer Tochter Ulrich I. von Muͤnzenberg zur Theil« 
nahme an der Müngenbergifhen Erbichaft, erhielt auch außer⸗ 
dem Caub mit der Burg und Weifel, dann die Herrichaft 
und Burg Königftein. Reichserbkämmerer 1257, hat er 1274 
das Zeitliche verlaſſen, nachdem er Durch die Mutfchierung von 
1266 die Erbfolge in feinen Landen regulirt, feinem ältern Sohne 
Philipp u. a. die Reichsburgen Trifels und Anebos, dem jüngern, 
Berner, die Burgen Kalsmunt und Nüringen zugewiefen. Beide 
Brüder blieben auch Tange in Gemeinfchaft der Güter, welche 


ſie bedeutend durch Ausfauf ihrer Münzenbergiſchen Miterben 
. gebeffert haben. Auf diefe Weife befaßen fie letzlich 3/, ber 
. Münzenbergifchen Herrfchaften. Dagegen hat Philipp II. 1277. 
Caub und den Kirchenſatz zu Weifel an den Pfalzgrafen Lud⸗ 
wig II. verfauft. Seine Söhne Ulrich und Philipp III., beide 


nad einander das Erbamt eines Reichsfämmerers führend, fchei« 
nen beide ohne männliche Nachkommenſchaft geblieben zu fein. . 

Werner I. von Münzenberg, Philipps I. von Falfenftein 
füngerer Sohn wurde in ber Ehe mit der Gräſin Mechtild- von 
Diez ein Bater von drei Kindern. Philipp IV., von den Söh⸗ 


nen der ältere, + 1322, feste bie Hauptlinie fort, und wurbe 
der Urgroßvater Philipps VIII., deſſen unglüdliche Fehde mit 


denen von Reifenberg und gewaltfames Ende Abth, II. Br. 2. 


6, 518 befprodden. Indem er der Vater Werners, des Erz⸗ 
bihofs son Trier geworben ift, behalte ich mir vor, in Be» 
ſchreibung des Schloffes Stolzenfels des Vaters und des Sohnes 
weiter zu gedenfen. Kuno, Werners J. jüngerer Sohn, 1289— 


. 1338, hatte fih die Gräfin Johanna von Saarwerben beigelegt, 


und von ihr fechs Kinder, von welchen doch nur bie beiden ältes 
fen Söhne, Philipp V. und Kuno III. Erwähnung verdienen. 
Philipp V. farb jung, 11. April 1343, aus der Ehe mit Elifa- 


Rhein Antiquarius, 3. Abth. 2. Bd. 3 





58 Engers. 


beih von Hanau drei Kinder, Philipp VII, Ulrich, Agnes, dieſe 
an ihren Better, Philipp VIII. verheurathet, zurücklaſſend. Phi⸗ 
tipp VII von Falkenſtein wurde von K. Wenzel im Mat 1397 
in des h. R. R. Srafenfland erhoben, überließ 1407 feine Lande 
dem Erzbifhof Werner von Trier, als dem legten männlichen 
Erben feines Haufes, und flarb Finderlog in drei Ehen, zu Butz⸗ 
bad, 18. Januar 1409. 

Kuno IIL, der zweite Sohn Kunos B., geb. 1320, Hatte fi & 
ben geiftlihen Stand erwählt, und war Domherr zu Mainz, ale 
feines Bruders Philipp V. frühgeitiges Ableben ihn nöthigte, 
feine fleißig betriebenen Studien zu unterbrechen, um unberufenem 
Einmifchen in die Angelegenheiten feines Haufes zu wehren. Der 
Graf von Beldenz und ber Herr von Hanau maßten fich ber 
Vormundſchaft über Philipps V. Kinder, der Regierung der von 

ihm befeffenen Lande an, wie diefes auch des Verſtorbenen Willen 
gewefen zu fein fcheint. Wenigſtens wurde der Bruder nirgends= 
wo im Lande von deu Befehlshabern anerkannt oder aufgenoms 
men. Kuno führte Klage wegen diefem Eingriff in feine Bered- 
tigung, und erhielt von K. Ludwig ein obfiegliches Urtheil, deſſen 
Ereeution ihm jedoch überlaflen. Er wendete feine Waffen zu⸗ 
erft gegen den Herren von Hanau, entriß ihm drei Schlöffer, 
befiegte ihn bei. Bifchofsheim zwifchen Hanau und Bergen 9), 
und nahm ihn felbft gefangen. Dann wendete er fih in Blitzes⸗ 
fihnelle gegen den Grafen von Veldenz, der von Falfenftein, 
bem alten Nüringen,, aus, der Nied zugezogen, in der Abſicht, 
mit dem von Hanau fi zu vereinigen. Er verfpätete ſich je⸗ 
boch in folcher Bewegung und erlitt bei Hebdernheim (nicht Ped⸗ 
besheyn) an ber Nied, unweit Bonames, ſchwere, durch feine 
Gefangenſchaft vervolfländigte Niederlage. Kuno, der breiund- 
awanzigiährige Jüngling, wußte nicht nur zu fiegen, ſondern 


1) Wyttenbach und Müller, die neueften Herausgeber ber Gesta Treviro- 

- rum, \efen Byfchoffitein „ad Mosellae ripam castrum“, umb find babei. 

in Zweifel, ob befagtes Bifchofftein von Erzbifchof Nicetius, ober dem 

fpätern Arnold erbauet worden. Wie Tonnte aber eine Fehde, um Fal⸗ 

Tenfteiniihe Befigungen geführt, die Moſel berühren, welcher Zauſend⸗ 
künſeler bei Biſchofſtein eine Schlacht liefern? 


Erzbiſchof Auns von Trier. 38 


auch feines Sieges ſich zu gebrauchen. Die beiden Gefangenen 
mußten mit ſchwerem Gelde ſich Töfen, und allem Anſpruch auf 
das angemaßte vormundfihaftliche Regiment verzichten; zugleich 
wurde beftimmt, daß Kuno ſechs Jahre Tang die Falfenfteinifchen 
Herrfhaften innehaben , nach deren Berlauf aber fie feinem 


- Bruder Johann und den Söhnen Philipps V. überliefern. folle. 
Als der Neffen Gerhab fol Kuno nicht ſowohl ihr, als viele 
mehr das eigene nterefie im Auge gehabt, und aus ben 


Herrfhaften, mit Inbegriff der Hanauifchen und Veldenziſchen 
Löfegelber, nicht weniger denn 30,000 Goldgulden, bie ihm für 
bie Wirren in Mainz erwünfcht, gezogen haben. 

Ungemeines Anfehen bei feinem Domeapitel hat Kuno mit 
ber glücklich ausgefochtenen Fehde gewonnen, und ſchuell nad 


einander erhielt er die Domfcholafterei und die Propftei des St. 


Bartholomäusftiftes zu Frankfurt; nachdem ber Erzbiſchof, Hein« 
rih von Virnenburg, von Papſt Elemens feiner Würde eniſetzt, 


und biefelbe an Gerlach von Naſſau gegeben worden, erwarteten 


Gerlachs Gegner inggefamt einzig von dem tapfern Kuno ihr Heil. 


Heinrichs Abſetzung iſt vom 7. April 1345. Er bemnühete fih, den 


Papft zu verföhnen, indem er aber die ihm geftellten Bedingungen 
unerträglich fand, zog er es vor, ſich vollends in die Arme bes 
Raifers, dem er hauptfächlich den Beſitz des Erzſtiftes verdankte, 


zu werfen. Um jedoch den Schein einer Auffehnung gegen bag 
- Oberhaupt der Kirche zu vermeiden, übertrug Heinrich 1346 dag 
weltliche Regiment an Proviforen, während er fih alle geiftlichen 
Verrichtungen, das Reichserzkanzleramt und einen Zahrgehalt 


son 1000 Darf vorbehielt. Der Proviforen waren fünf, Kuno 
von Falkenſtein, Nicolaus von Stein, ebenfalls Domherr, dann 


drei Ritter, Johann von Randed, Eberharb von Roſenberg unb 
ZJohann von Bellersheim, alle Gewalt vereinigte ſich aber fo- 
ft in Kunos Händen, fo daß dieſer ganz eigentlich als ein 


Coadjutor betrachtet werben mag. „Cr fland Ertzbiſchoff Hen- 

Fico fo ſtarck bey, daß er alle hefftig verfolgt, fo dem Gerlaco 
von Raffau gehorfam waren; alles Gefell und Einkommen ber 
Geiſtlichen, die nicht feiner Partey waren, zog er alles ein und 
nahms zu feinen Handen , alfo daß er in einem Jahr, nemlich 


3 * 


56 | Engers. 


1353, viertaufend Fuder Wein, und auff bie 40,000 Matter 
Frucht zufammen bracht; die Des Pabft Gebott wider Henricum, 
den abgefegten Bifhoff, gehorfam waren, verjagt er alle, zum 
Theil ließ er fie ertrenden oder fonft tödten. Er zerrig die päbft- 
liche Brief, er richtet einen neuen Zoll zu Oppenheim auff, 
welche Statt Oppenheim fambt allem Zugehör dem Stift Main 
voor 9000 Mark verpfand war, er Faufft den Möndhoff am 
Mayn, und bauet ein Schloß dahin, er Löfet auch vill verfeute 
Güter, alfo befam er. einen großen Zulauff, weilen er feinem 
Herrn Henrico und Ludovico dem Kayfer, welche beyde im Bann 
waren, fo beftendig anhing, und fich gegen ben Pabſt fo ge= 
waltig aufflainet, darum er dann vor einen gewaldigen Helden 
gehalten wurd. Es hatt ihm aber Henrich yon Birnenburg etliche 
des Stiffts Schlößer und Städt eingeben.” 

In feiner hoben Stellung ſich zu behaupten, fand indeffen 
Kuno von Falfenftein Feineswegs leicht, Sogar festen ihm Erz⸗ 
bifchof Heinrich, deß einzige Stüge er geworben, und Kaifer 
Ludwig einen Provifor entgegen, ben Dompropft zu Speier, 
Konrad von Klıkel, und namenfofe Verwirrung herrſchte Durch 
das ganze Ersftift, bis doch allmälig Kuno mit der Eifenfauft 
alle feine Gegner zermalmte. Den Konrad son Kirkel insbeſon⸗ 
dere , nachdem derfelbe im Febr. 1348 des Grafen Johann Des 
Jüngern von Naffau Gefangener geworden, hat er noch in Def 
felben Jahres Lauf gewaltfam befreiet, ohne Doch in beffen Hände 
bie Regierung des Erzftiftes aufgeben zu wollen. Das em⸗ 
pfand der von Kirkel möglihft übel. Er gewann für feine Ab⸗ 
fiihten den Vicedom von Afchaffenburg, Ulrich von Kronberg 5; 
ber öffnete ihm die Thore von Afchaffenburg, und während Kuno 
in dem Schloffe forglos der Ruhe pflegte, wurde er. plögs 
Yich erweckt duch Waffengeklirr und des Vicedoms gebieierifchen 
Ruf: „hundert Gulden dem, der mir Heren Kuno todt oder Te= 
bendig liefert 7 Nicht verlegen um folcher Worte Deutung, ents 
fprang Kuno dem Lager, und Durch das enge Fenfter den mächtigen 
Leib preffend, ftatt eines Seiles der Betttücher ſich gebrauchend, 
bat er. die Tiefe bed Burggrabens und vor. Tages Anbruch 
das Freie erreicht, Solches gefchah am Tage nad Simon und 


Erzbifhof Kuns von Brier. 37 | 


Judas. 1349. Den 11. Det. 1347 war Kaiſer Ludwig mit Tob 
abgegangen, „der durch Beſchützung Henrici dem Mainger Land 


großen Schaben gethan, er fiel bey dem Cloſter Fürftenfeld von 


einem Pferd ben Hals entzwey, und es hatten die zu Maing im 


Thumſtifft mitten in der Kirch ein. Creutz auffgericht, vor wel⸗ 


chem die Geiftlichfeit täglich: Media vita ete. und den Palmen 
Deus laudem meam pflegt zu fingen, wegen bes jemmerlihen Zus 
- fands und VBerwirrungen, denen das Maingifche Ertzbistum unter- 


worffen war, als aber Kayfer Ludwigs Tod ruchbar wurd, thäten 
fie das Ereuß hinweg und fungen alle: Te Deum laudamus.“ 

Der. Zuftand der Dinge in dem rheinifchen Ersftift erlitt 
durch des Kaiſers Ableben Feine Veränderung, im Gegentheil 
gewann Kuno allenthalben Die Oberhand, und befanden fidh Die 
mehrften Städte und Schlöffer in feiner Gewalt, wenn auch auf 
der öfllichen Grenze neue. Feinde fid erhoben. Die Landgrafen 
von Heften, die Marfgrafen von Meiſſen, bie Grafen von 
Henneberg führten Streitkräfte ins Feld, denen, bei aller Kühn 
beit und Kriegserfahrung, Kuno fehwerlich gewachfen. Doc 
mußten fie alle vor ihm fich beugen, der Landgraf von Heffen 


den Frieden mit einer jährlichen Abgabe von 100 Marf erfau« 
fen. Aber es drohte ſchon wieder perfönliche Gefahr demjenigen, 
der unüberwinblih im Felde fehlen. Er hatte 1350 bie Burg 
‚ Klopp ob Bingen zu feinem Aufenthalt gewählt. Die Bürger 
von Bingen, glei ihren Nachbarn im Rheingau, hielten im 


Herzen dem von dem Papſt anerfannten Erzbifchof Gerlach zu, 
waren indefjen zeither durch die Burgmänner auf Klopp in Ehr⸗ 


furcht gehalten worden. Der gegenwärtige Augenblick fehien ihrem 
: Borhaben, der Zwingherrfchaft ſich zu entledigen, erwünſcht. 


nn 


Sie riefen Die NRheingauer zu Hülfe, und find deren 600 dem 
Rufe gefolgt. Stark, durch folhen Zuzug, fanden die Bingener 
auch noch Verräther, die Thore der Burg zu Öffnen: haufenmeife 
drangen fie da ein, gelangten fie zu des erfranften Kuno Bett. 
„Herr Kuno,“ fehrieen die vorderfien ihn an, „übergebet ung 
Klopp, anfonften Ihr fterben follet, und mag das anders nit fein.” 
Biele Borwäürfe mußte außerdem ber Herr vernehmen, und Dro« 


Jungen, denen fofort die That folgen konnte, darum der Wehrlofe 


gute Worte gegeben, bewilligt bat, was. man von Ihm forberte. 
Ganz war die Sturmpetition noch nicht vorgetragen, viel weni 
ger bie Bewilligung in die Form eines regelmäßigen Inſtruments 
gebracht, Vorkehrungen dafür zutreffen, verlangte Kuno, daß feine 
Dränger das Gemad verließen, während er ſich anfleiven werde, 
Das wurde ihm bewilligt, er aber, ftatt zu thun, wie er gelagt, 
fprang im Hemde, wie er war, durch das Fenfter hinab in ben 
Schloßgraben, gelangte zum Fuß der Höhe und an den Rhein, 
Hier ſchloß er einen Nachen los, und hat der ihn glücklich hin⸗ 
übergetragen nad) Ehrenfels. Während dem war auch bie Burg⸗ 
mannfchaft auf Klopp zur Befinnung gefommen, und ihr gelungen, 
bie Empörer zum Schloß hinaus zu werfen. 

Das Spiel gaben aber darum die Bingener nicht verloren, 
fie unternahmen die Belagerung des Schloffes, deren Fortgang 
Kuno von Ehrenfels aus beobachtete, während er zugleich durch 
Signale mit der getreuen Befagung einen Tebhaften Verleht 
unterhielt. Die würden am Ende wenig gefruchtet haben, fo 
nicht Kuno aus nächtlichem Gefchrei und Sturmgeläute entnom⸗ 
men hätte, daß ein Angriff auf die Burg im Werk, Ohne 
lange zu überlegen, ging er mit wenigen Getreuen zu Schiff, 
“ unbemerkt erreichten fie das andere Ufer, und fühn die Reihen 
ber Stürmenden durchbrechend, ‚gelangten fie durch den Graben 
in das Schloß. Sofort gebot Kuno einen Ausfall, die Bürger, 
in der Meberrafchung,, wichen in die Stadt zuräd, wurden auf 
dem Fuße verfolgt, und mit ihnen zugleich Breiteten die Erz⸗ 
biſchöflichen fih in den Straßen aus; Meifter der Stadt, bes 
gnügte Kuno ſich mit ber Ausweifung ber Nädelsführer, dann, 
als die Ruhe vollfommen hergeftellt, fehrte er nach dem Ehren⸗ 
fels zurück, und wie Tebhaft auh K. Karl IV. für ben Erz⸗ 
biſchof Gerlach fi verwendete, es Fonnte diefer nimmermehr zum 
ruhigen Beſitze des Ersftiftes gelangen, Perfoͤnlich wollte end⸗ 
ih Karl feines Schätlings Sache führen, Kuno wurde nad 
Speier geladen, befannte ohne Schen (6. Dee. 1353), was er 
für feinen Erzbifhof gethan, und gelobte ſchließlich, fo Tange er 
athme, folle Heinrich von Virnenburg das Erzſtift nicht aufgeben. 
Etwas betroffen Durch folche Freimüthigfeit, verwies der Monarch 


Erzbiſchof Anus von Trier. AJD 


die Erledigung des Handels auf einen andern, in Mainz abzu⸗ 
haltenden Tag. Es wurden daſelbſt Klagen und Zeugen ge⸗ 
hört, dann erklärte der Kaiſer, 21. Dee. 1353, Kuno habe 
yieles wider das Reich unternommen, ohne fih zur Verant⸗ 
wortung, gefehweige Genugthuung verfiehen zu wollen, daß er 
mithin von Rechtswegen der Faiferlichen Ungnade verfallen, auch 
son niemand ferner zu ſchützen ſei. Darauf erfannten bie Für- 
fien des Reichs, daß alle diefenigen, fo des Ungehorfamen fi) 
annehmen, ihm wiffentlich anhängen würden, Leben und Gut 
verwirft haben follten. 

Ob diefes Ausſpruchs fol der abgeſetzte Erzbifchof Heinrich 
dergeſtalten ſich entſetzt haben, daß er noch an demſelben Tage 
des Todes, den zwar zu verheimlichen Kuno Mittel fand. Be⸗ 
denkend jedoch, daß hiermit ſeines Krieges Vorwand erloſchen, be» 
gann er mit dem Kaiſer und Erzbiſchof Gerlach zu unterhandeln, 
and fanden feine Anträge, unter Vermittlung ber in großer Zahl 
anwefenden Zürften und Herren, leichtlich Eingang. Lauf’ des 
Friedensvertrages vom Freitag nach Neujahr 1354 follte Kuno 
yon Erzbifchof Gerlad 40,000 Gulden Frankfurter Währung, 
den Gulden für ein Pfund Helfer gerechnet, erhalten, und big 
zum Abtrag diefer Summe der Burg Klopp, ber Stadt Bingen, 
der Burg Ehrenfels ſamt dem dafigen Zoll, der Burgen Reis 
chenſtein, Fürſteneck und Heimburg, einfplieplich der Buxrgman⸗ 
nen, und mit allen Dörfern von Bingen bis Niederheimbach, 
auch des untern Nheingaues von dem Lovenflein oberhalb Ehren 
fels bis unterhalb Rorchhaufen, mit den darin belegenen Dörfern 
Asmannshaufen, Lorch, Lorchhaufen, famt den davon abhängen 
ben Renten, Gülten, Gerichten, pfandweife genießen. Für den 
Fall von Kunos Ableben, follte die Pfandfchaft feinen Erben, 
oder wen er fie beicheiden würde, für 20,000 fl. verbleiben, 
die andere Hälfte des Pfandſchillings, ebenfalls 20,000 fl. Dem 
Erzſtift erlaffen fein... Würde Kuno zu dem Befig eined Erzr 
oder Hochfiftes gelangen, bevor das Pfand eingelöfet, fo foll 
dafielbe frei und frank an den Erzbiihof und fein Stift zurüͤck⸗ 
fallen, wäre aber die Löſung bereits geichehen, dann mag bag 
bezogene Geld dem Kuno ober feinen Erben verbleiben. Bon 


40 Engers. 


bem Ehrenfelfer Zoll war eigentlich nur die Hälfte zu Pfand 
geſetzt, Die andere Hälfte aber, zufamt dem Schloffe, ſollte Kuno 
leibzüchtig befiten, bis dahin er zum ungeftörten Befis der Doms 
propftei in Mainz oder eines Bisthums ‚gelangen würde; eben 
fo wurde ihm ber lebenslängliche Beſitz des Schloſſes Fautzberg 
zugeiprochen. Alle andern Feften und Schlöffer, Land und Leute 
follten dem Erzbifchof zurüdgegeben werben und ihm huldigen. 
Die bewegliche Habe, Wein, Korn, Hausrath , die in den vers 
pfändeten Schlöffern und Dörfern vorfindlih, mag Kuno behal- 
ten, dagegen aber wirb er bie in andern Orten gefammelten 
Borräthe, Wein und Früchte, Geſchütz, Briefe, Regiſter dem 
Erzbiſchof ausliefern. Diefer fol fchaffen, daß Kuno und alle 
Perſonen, geiftlih oder weltlich, abfolvirt werden unverzüglich, 
und alfe Pönen und Srregularitäten gehoben werden, in die fie 
gefallen find. Er übernahm auch die unter der vormundfchafts 
lichen Regierung gemachten Schulden. Der Bergleih war abges 
fhloffen, und der Kaifer ſprach zu Kuno: „Man berichtet ung, 
Heinrih von Virnenburg ſei mit Tod abgegangen. Sollte dem 
alfo fein?“ Und es entgegnet der Befragte: „Herr König, 
wenn Hr, Heinrich von Virnenburg noch unter den Lebenden ſich 
befände , follte nimmermehr diefes: Abfommen , diefer Vertrag 
zu Stande gefommen fein.” Noch in demfelben Jahre wurbe 
Kuno in den Belis der Dompropftei, zu welcher er 1348 er» 
wählet worden, eingefeßt, nachdem er fich mit dem yon dem 
Papſt ernannten Dompropften, dem Franzofen Wilhelm Pinchon 
abgefunden , bemfelben eine Penfion von 2000 Gulden jährs 
lich verheißend. Von wegen ber biermit übernommenen Laſt 
blieb er in dem Genuffe der ihm verpfändeten Güter, Indeſſen 
betrieb Erzbifchof Gerlach die Löfung alles Ernftes, und war bie 
Stadt Bingen bereits 1357. der Pfandfchaft entledigt. Nichts⸗ 
beftoweniger fam es noch in eben dieſem Jahre zum andern⸗ 
mal zur Fehde, welche doch unter Vermittlung Heinrichs zum 
Zungen, des Schultheißen zu Oppenheim, am 26. März 1358 
gefühnet wurde, in der Art, daß: ber Erzbifchof verſprach, alle 
Schulden, fo Kuno während des Berweſeramies gemacht zu 
bezahlen. 





Erzbifhof Anne von Trier. a 


Mit dem Raifer wurde Kuno nicht nur ausgeföhnt, fon« 
dern auch von demſelben zu Gnaben aufgenommen, „und noch 
barzu,” beißt es, „einem feiner treuften Diener herrliche Ver⸗ 
ebrung geben, deſſen Namen Herbotho, und noch anderen mehr.” 
Gleihwohl feheint Karl immer einigen Anftoß bei den Frieges 
rifhen Gewohnheiten feines neuen Freundes genommen zu haben. 
Einflens den Dom zu Mainz befuchend, wie eben die Domberren 
zur Abhaltung der Horen verfammelt, erbat er fih Kunos Ca⸗ 
puze, mit ber er fofort füch befleidete. Dann ſprach er zu Erz⸗ 
biihof Gerlach: „Sehe ich nicht in Kunos Capuze einem Kriegs- 
mann ähnlicher, denn einem Briefter 2” Darauf gab er fie an 
ben Eigenthümer zurüd, gegen den Erzbiſchof Außernd : „Herr 
Gerlach, bei ber Treue, mit welcher Ihr uns zugethan, Tege ich 
Euch auf, daß Ihr Euere Cleriſey reformiret, die Mißbräude 
in Kleidung, Schuhen, Haar und Lebensart befeitiget. Laffet 
die Gefälle von den Pfründen der Ungehorfamen in Befchlag 
nehmen und fie unferm Fiscus überliefern, damit wir bapon, 
unter päpftlicher Genehmigung, den nüglichflen Gebrauch machen.” 
Es foll dieſe Mahnung auf denjenigen, dem zunächft fie gegolten, 
tiefen Eindruck gemacht haben, ihr eine bedeutende Aenderung, 


fo nachmalen in Kunos Haltung bemerfbar wird, zuzufchreiben 


fein. Einftweilen ließ er ſich nicht abhalten, dem Kaifer in den 
Zug gegen den Grafen von Würtemberg, Eberhard der Greiner, 
zu folgen, 1360, und fol er in dem kurzen Feldzuge neue Lor⸗ 
beren eingefammelt haben. 

Erzbiſchof Boemund HI. yon. Trier, alt und gebrechlich, 
auch von Feinden umgeben, glaubte in dem ftreitbaren Kuno bie 
Stüge zu finden, deren fein Erzftift zumal bedurfte. Er ließ 
denfelben nach Trier einladen, verfchaffte ihm eine Dompräbende, 
ließ ihn endlich als feinen Eoadjutor anerfennen, 1361. Das 
war faum vollbracht, und ber Coabjutor 308 aus gegen Philipp 
von Sfenburg und bie von bemfelben unweit Bilmar erbaute 
Burg Gretenflein (Abth. II. Bd. 3. S. 655—656). Sie wurbe 
genommen, Philipp felbft zum Gefangnen gemacht, „und warb 
Herr Chuno von Faldenftein gar fehr geworffen,, daß ihm fein 
Antlis berann mit rothem Schweiß.” Gleich darauf zog Kuno 


42 | Engens. 


aus „mit ber Stabt zu Limpurg, und gewann Altendorff, eines 
Mitters Wohnung, gelegen bey Merenberg, und war ein wüſtes 
Hauf, und verbraunte das und zerfchleiffte es zumahl.“ Dur 
folches Programm vollends von der Tüchtigfeit bes auserfehenen 
Nachfolgers überzeugt, legte Erzbifchof Boemund bald Darauf, 
nachdem ihm hierzu bie päpftlihe Einwilligung geworden, das 
Megiment vollends nieder, um den Reſt feiner Tage in Ruhe 
gu verleben. Vorher hatte er auf der Burg Peterded ob Wel⸗ 
mich an Kuno die Weihen ertheilt (1362). 

Am 15. Jan. 1363 empfing der neue Erzbifchof von Kaifer 
Karl IV. die Regalien, und wurden unter bemfelben Datum bie 
Drtfhaften Ediger an der Mofel und Brechen bei Limburg mit 
Stadtrecht, wie es für Montabaur gegeben, begnadigt. - Vorher 
Schon hatte Kuno ſich mit der Stabtobrigkeit zu Trier in Betreff 
der Juden geeinigt, für feine Lebtage ihr den Judenſchutz übers 
laffen, und die alte Sasung, daß in der Stadt nicht über 50 Far 
milien zu dulden, beftätigt, ald wozu ſchon am 30. Sept. 1362 
die Einleitung getroffen worden. Am 22, Mär; 1362 more 
Trev. erfaufte Kuno von Graf Johann von Nafau- Hadamar 
bas Dorf Uvemetz, Ems, zur Hälfte, Daufenau aber ganz. Am 
2. Zul, 1363 wurde ihm von Abt und Convent zu Gronau das 
Dorf Weiler hinter Welmich gefchenft. Nicht lange hatte Kuno 
ber trierifchen Kirche vorgeftanden, und er. wurbe dem neuer- 
wählten Erabifchof von Cöln, Adolf von ber Marf als Coad⸗ 
jutor beigegeben., Des Domcapitels einträchtige Wahl hatte 
biefen zum bifchöflichen Stuhle von Münfter erhoben. „Er res 
gierte bie erften vier Jahr ehrlih und wohl, Porsler Iöfle ex 
von feinem Bruder dem Grafen von der Marl, brachte an 
fih die Freygraffchaft zu Dingden, die Borgleute zu Nienborch 
bedwank er mit meifem Rath, Er baute die Friennove, und ver- 
Hürde mächtig mit Brand Telgt und Merfeld. Hernach hatte 
er viel Berbruß von feinen eigenen Unterthanen, ſonderlich Rit⸗ 
terfchaft, die ihm fein Glück nicht gönneten, und weil er feinem 
Bettern, Herzog Johann von Eleve im geldrifchen Krieg affiftirte, 
beſchwerte er das Land mit viefen Schulden.” Die hiermit ge 
machte Erfahrung ſcheint den Papſt Urban V. beſtimmt zu haben, 


_ — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — 


Etzbiſchef Aaus von Trier. Br: 


daß er, gelegentlich einer zwieſpaltigen Wahl diefen Abolf na 
Coͤln verfegend, ihm einen Coadintor zur Seite gab, ber geeignet 
bie Irrthuͤmer, welchen ber Erzbiſchof verfallen konnte, zu ver⸗ 
beffiern. Die neue ihm angetragene Würde hat Kuno nicht an» 
nehmen wollen, e8 habe zuvor der alte Kurfürft Boemund dafür 
feinen Willen gegeben, dann aber die ihm aufgetragene Bers 
twaltung in dem Ernft, mit dem Erfolg, die aller Orten feine 
Handlungen begleiteten, geführt. Am 15. Sept. 1363 übertrug 
er an Florenz von Wenelinghoven, ben Diaconus junior im Dom 
zu Coͤln und an den Ritter Rulmann yon Sinzig zu Ahrenthal 
bie Berwaltung der Tafelgüter eines Erzbifchofs von Coͤln. In 
ber Regierung bes Erzſtiftes im Allgemeinen bewährte er bie 
Eigenfchaften, die ihm zu Mainz ſelbſt feiner Gegner Achtung 
erworben hatten. Die unruhigen Nachbarn wurden befiegt, 
bie Räuber ausgerottet. Das ſtolze Eöln mußte fih vor dem 
Abminiftrator, der mehr nicht, als feiner Kirche Recht, dieſes 
aber unwanbelbar forderte, nad harter Einbuße bemüthigen, 
Die sebellifchen Andernacher wurden gezüdhtigt, mit 6000 Golb⸗ 
gulden gebüßet, der Vorfahren Schulden getilgt, abſonderlich 
diejenigen, berentwegen Zülpich dem Grafen yon Jülich zu Pfand 
geſetzt. Mehre Berorbnungen befchäftigen ſich mit der Reformis 
rung des. Klerus, Endlih bat Kuno für das Ersfiift eine Er⸗ 
werbung gemacht, dergleichen feit Philipps non Heinsberg Zeiten 
sicht mehr vorgefommen, um die Summe von 130,000 Gold⸗ 
gulden von dem Finderlofen Grafen Gottfried von Arnsberg deſ⸗ 
jen Graffchaft erfauft, 25. Aug. 1368. Denn auch während 
der Regierung des an Adolfs Stelle erwählten Erzbifchofs Engels 
beri 111. woaltete Kuno zu Bonn, wie zu Trier, bis bag er 
1370 das Erskift Edle an feinen Neffen, ben Grafen Friedrich 


- von Saarwerden abtrat. "Die Urkunde, wodurch er von Engels 


dert als Coadiutor angenommen worden, ift vom 23, Der. 1366, 
und foll zur Sicherheit für etwaige Korberumgen, fo etwan, nad) 
Engelberts Ableben, Kuno an bas Erzftift haben möchte, das 
Schloß Wied, Stadt, Schloß und Zoll Linz, Schloß Rolands⸗ 
ed, Ahrweiler, die Stadt, die Schlöffer Altenahr, Neuerburg, 
Sahr, die Stadt Andernach, bie Schlöffer zur Retten, Schünfteln, 





44 Engers. 


Nurburg, Thuron und Zeltingen ihm dienen. Aemter darf er ledig⸗ 
. Ki an Eingeborne und Vafallen der Cölniſchen Kirche vergeben. 

Mehr Schwierigkeiten, feine Autorität aller Drien geltend 
zu maden, fand Kuno in dem Erzbisthum, fo eigentlich ihm 
anbefohlen. Die Stadt Trier insbeſondere forderte durch ihre 
Widerſetzlichkeit zu Zeindfeligfeiten heraus, die von dem Auszug 
ber G©eiftlichfeit und einer Blokade begleitet (1364). Zugleich 
aber wurde zu Prag vor dem Faiferlichen Hofgericht geftritten 
und daſelbſt am 23. Der, 1364 ein Urtheil erbradıt, laut deſſen 
„Die ganze Stadt Trier dem ehegedachten Ehunen Erzbifchof, 
feinen NRachfommen Erzbifchofen und dem Stift yon Trier vor 
ihren Herren und Bogt in allen Sachen unterthänig und gehorfam 
fein follen”, ein Befcheid, welcher den am Montag nad Fit: 
1365 mit der Stabi abgefchloffenen Vergleich zur Folge hatte, 
Am 19. Jul. 1365 erfaufte Kuno von Giſo von Molsberg bie 
gleichnamige Herrfhaft um 2660 Feine Gulden, er wurde aud 
mit den Herren von Schleiden in Fehde verwickelt, und eroberte 
deren Feſte Junkerath, wie fih aus dem Sriebensvertrag vom 
23. Oct. 1365 ergibt. Dem J. 1365 gehört der erſte Auszug 
gegen bie Welſchen an. Ein unzählbarer Schwarm von Freibeu- 
tern, unter bed berüchtigten Erzpriefters Anführung batte fich 
auf das Elfaß geworfen und in dem unglürlichen Lande die Arge 
fien Srevel verübt, ſchickte fih au an, die benachbarten Ge⸗ 
biete in gleicher Weife zu behandeln, wie dann von jenen Frei⸗ 
ſchärlern Sroiffart fohreibt: „en ce temps meme prit un cheva- 
lier que on clamoit monseigneur Regnault de Cervole, et com- 
munedment Ü’Archiprätre, et une grand’ compagnie de gens 
d’armes assembles de tous pays, qui virent que leurs. souldees 
etoient faillis, puisque le roi de France etoit pris. Si ne sa- 
voient ou gagner en France.“ item beißt es in ben Fasti 
Limburg.: „Anno 1365 zu mitten im Sommer um St. Johannes 
Meg Battiftä dba war bie große Gefellfchaft gezogen vor Straß- 
burg, bey Colmar und in dem Land allum in Elfaß, und tha⸗ 
ten gar groffen Schaden, und lagen einen gangen Monat in 
bem Land. Und die ehrwürdigen Fürften, Herr Cuno von Fal⸗ 
deuftein, Ersbifchoff zu Trier, und Herr Gerlach Ersbifchoff zu 


m nn 





Erzbifhof Auno von Trier. 45 


Mayntz, und dazu die Hochgeborne Fürften von Bayerland, und 
fonderlih Herr Ruprecht, Pfaltzgraff bey Rhein, und darzu alle 
Grafen, Herren, Freien, Ritter und Knecht bey dem Rhein, auff 
ber Mofel, auff ver Löhne, auff dem Mayn, und daherum worben 
bie allermeiftliden wagendt, und zogen gen Eljaßen mit groffer 
Herrlichkeit der Waffen, alle wohl erzeugt, einer por dem andern 
mit filbern und gülden Gefchmeid, _ Und Die Geſellen flohen auſſer 
dem Lande Nacht und. Tag wieder in Welfchland. Und geſchahe 
den Teutſchen nicht alfo wehe und leyd, dag Die Gefellen ihnen 
entfioben. Die Geſellſchaft war gezehlet an zwantzig tau⸗ 
fend Mann, fo ein: und ander ausgenommen. Die Franıen und 
die teutfche Herren von dieſem Lande, und die Städte auff dem 


Rhein, im Elfaß.und aus Schwaben, fie hatten bey vier und 


zwantzig taufend reifiger Leute, wohl gewapnet. Und die Stadt 
von Limpurg hatte auch ihren Burgermeifter allda mit vier und 
zwantzig Pferden. Da war Schein und Glang von den Waffen.” 

Am 9. Aug: 1365 hat hierauf der Kaifer Erzbifchof Runen 
bie Erhebung von zwei Zurnofen auf dem Rhein bewilligt, als 
eine Ergöglichfeit für die in dem Zuge gegen den Erzprieſter 
in Schwaben.und Elſaß aufgewendeten Koſten. Am 28. Der, 
1365 erfaufte Erzbifhof Kuno von den Gebrüdern von Winnen- 
burg, Gerlach und Kuno, um 6000 Fleine Gulden wieder 
faufih ihren Antheil an Burg, Stabt und Herrfchaft Beil 
fein.. Am 2. Januar 1366 bewilligt er die Ehe eines erbeige- 
nen Juden mit einer gefreiten Jübin, und beſtimmt zugleich bie 
Bertheilung der aus fothaner Ehe zu erwartenden Kinder. Am 
22, Aprif 1366 fühnt er ſich, von feines Erzftiftes wegen, mit 
Rittern, Scheffen, Bürgermeifter, Rath und Bürgerfchaft zu 
Andernad, Dem J. 1366 gehört auch an die Verfchönerung 
und Befefligung von Pfalzel. Auf Ableben Ottos von Genep, 
1367, der als Abt zu St. Marimin ein gar verfehrtes Regiment 
geführt hatte, wurde dem Erzbiſchof auch noch die Verwaltung 
diefer großen Abtei übertragen, laut der von ihm am Li. Febr. 
1367 ansgeftellten Urkunde, D. D. Godesberg, auf St. Michels 
Abend 1367 vergleicht er die beiden Gegner, den Bogt zu Guften, 
Walram von Rode, Ritter, und den Eugelbert von Orsbeck; es 


46 Unger. 


war Ihnen, den Zwift zu entfcheiden, gerichtlicher Zweikampf 
binnen der Stadt Bonn bewilligt worden, man hatte fie jedoch, 
nachdem fie bereits zu Gefecht gefommen, getrennt. Am 24, 
Oet. 1367 begeben ſich Scheffenmeifter, Scheffen, Bürger und 
Stadt Trier gemeinlih in Kunos Schug und Schirm, für fo 
Yange er ihr Erzbifchof fein wird, und verbünden ſich mit ihm 
zu gegenfeitiger Hülfe, wofür fie ihm jährlih 3000 Gulden 
Schusgeld bezahlen follen. Am 20. Dee, 1367 ſchenkt Kuno 
der Domkirche in Trier das Haupt ber h. Helena, gleihwie er 
auch das filberne Bruftbild des h. Apoſtels Matthias, mit der 
Inſchrift: Cuno Archieps Trevirensis me fieri fecit, dahin ges 
geben hat. Bom 5. Mai 1369 iſt batirt bie Urfehde durch 
Heinrich Bove von Ulmen ausgeftellt, in Betreff der Beſchuldi⸗ 
gung, daß er dem Erzbifchof nach dem Leibe geftanden habe. 
Abth. III. Bd. 1, S. 492—495 habe ich die Fehde hefchrieben, 
melde Kuno mit Graf Wilhelm von Wied und Salentin von 
Sfenburg, wegen Beraubung nieberländifcher Kaufleute, zu führen 
hatte... Es mußte in Gefolge biefer Fehde der Graf von Wied 
den Flecken Engers an das Erzſtift Trier abtreten, und er» 
baute dafelbft Kuno die mächtige Feſte, welche der Benennung 
RunensEngerd ben Urfprung gab, Am 24. April 1372 er- 
faufte er des Arnold von Pittingen Drittel an der Herrfchaft 
Eovern um 1900 Gulden. Am Montag nach Frohnleichnam, 
91. Mai 1372, zu Mainz, ſchließt Kuno mit dem Kaifer ein 
Buͤndniß, deffen Zweck die Befreiung des in dem Treffen bei Baſt⸗ 
weiler (Abth. HI. Bd. 3. ©. 651—652) in Jülichiſche Gefangen» 
fhaft gerathenen Herzogs Wenceslaus von Luxemburg. Der 
Kaiſer verpflichtete fih, ohne Wiffen und Willen feines Ver⸗ 
bündeten feinen Vertrag mit der Gegenpartei einzugeben, und 
war zur Abreife fertig, als ein unerhebliher Borfall zu Zoͤ⸗ 
gerung und Unsrdnungen Veranlaffung gab. Einige Hofleute 
geriethen über dem Würfelfpiel mit Dainzern zu Streit, wurben 
von der Menge überwältigt, und flüchteten, ſcharf verfolgt, nach der 
Kaiſerin Quartier, Da wurde einer ber ihren erfchlagen, andere 
famen mit Wunden davon. Der fläbtifchen Obrigkeit äußerſte An⸗ 
firtengungen veichten laum bin, den vafenden Pöhel von fernern 


Erzbiſchef Auns von Trier. 47 


Ausſchweifungen abzuhalten. Den andern Tag nahm der Mas 
giſtrat eine fcharfe Erecution mit ben Führern bes Aufruhrs 
vor, während der Kaifer einige von feinen Leuten am Leben 
firafen lieg, und alle Liebhaber des MWürfelfpieles von feinem 
Hofe verbannte. Den 10. Juni konnte er do Mainz verlaffen, 
er ging über Coblenz und Trier nady Luxemburg, Zu Trier 
empfing ihn Erzbifhof Kuno, und ergab ſich alſolcher Empfang 
eben fo prächtig, als Foftfpielig die Bewirtbung. Denn es war 
ber Kaiſer von der Raiferin begleitet, und befanden fich in ihrem 
Gefolge 11 Bifhöfe, 9 Herzoge, 10 Grafen, 83 Freiherren, 
1800 Ritter. Die Fehde mit dem Herzog von Jülich wurbe indefs 
fen vermittelt, als wofür namentlich Kuno Feines Fleißes fparte. 

Am 27. Dec, 1372 verlieh Kuno den Lombarben zu Ober⸗ 
wefel ein ausgedehntes Privilegium, als deſſen Ergänzung zu 
betrachten die fernere Beſtimmung vom 29. Dec. Laut berfelben 
follen Die namentlich aufgeführten Lombarden in Terminen 11,000 
Bulden entrichten. Würde der Erzbiſchof vor Empfang der ganzen 


Summe mit Tod Abgehen, dann ſoll ber Nachfolger fein Recht zu 


dem noch ausftehenden Gelde haben, es fei Denn, daß er der beſag⸗ 
ten Lombarden Privilegien nach ihrem ganzen Umfang beftätigen 
wolle. Am 9. Dec, 1373 verfpriht Kuno, daß, im alle er 
eine Stadt und Freiheit bei Kunens&ngers anlegen würde, des 
Grafen Johann von Sayn Angehörige nicht zu Bürgern bafelbft 
aufgenommen werben follen. Am 10. Jun, 1374 verkaufte ihm 
Herr Johann von Limburg fein Theil der Juden und des Schul 
theißenamtes zu Limburg, it. eine Korngülte von 140 Malter 
und das Recht, alle verpfändeten Limburgifchen Güter an ſich zu 
loͤſen, endlich auch ber Herrfhaft Limburg Leute im Kirchſpiel 
Meud. D. D. Poppelsdorf, 1. Zul, 1374 berechnete fih Kuno 
mit dem Erzbiſchof Friedrich von Cöln von wegen ber breifährie 
gen Benugung der Stabt und des Zolles zu Linz, der Burgen 
Atens Wied, Nette, Altenahr, Rolandsed, Nürburg und Thuron, 
ber Städte Andernach und Ahrweiler und bes halben Zulles zw 
Bonn ; deren hatte Kuno pfandfchaftsweife genoffen, als einer 
Vergütung . der in ber Verwaltung bes Erzſtiftes Cöln gehabs 
ten Auslagen. Am 1. Aug. 1374 erfaufte er von Graf Ger⸗ 





48 Engers, 


hard von Virnenburg beffen Gericht und Recht zu Muͤnſtermai⸗ 
feld, Tombe, Lonnig, auf Bubenheimer Berg und in der Pellen;, 
um 2000 Gulden. Am 9, Sept. 1374 bewilligte er dem Klo⸗ 
ſter Stuben die ausfchließliche Schenfgerechtigfeit für die Kirmes» 
tage, Am 11. Nov. 1374 gelobte ihm Kaifer Karl, nie gegen 
ihn und fein Erzftift zu thun, fein Buͤndniß mit der Stabt Trier 
einzugehen, niemalen bie Stäbte Bopparb und Oberweſel eins 
zulöfen, es wurden ihm ferner die Schlöffer Hammerflein und 
Schönberg, wie auch Stadt und Schloß Limburg, und das Recht, 
bie Pfandſchaft Eröverreich von den Grafen von Sponheim eins 
zulöfen, übertragen, baneben erhielt er die Bewilligung, für 
ewige Zeiten auf ber Moſel 10 Turnofen zu erheben, endlich 
das Privilegium , daß des Erzfiftes Güter von feinem welt- 
lichen Gericht mit Arreft belegt werben mögen. Diefe Gnaden 
famt und fonders dienten zur Einleitung dem Hauptgefchäft; in 
einem am nämlichen Tage abgefchloffenen Vertrage verpflichtete 
fih Kuno in ber bevorftehenden Königswahl dem Faiferlichen 
Prinzen Wenzel feine Stimme zu geben. 

„In demfelbigen Jar (1375) zu Herbſt vor St. Michels 
Tag da kam eine groffe Gefellfhafft von Lomparden vor Dieb. 
Da lag fie auff der Mofel in dem Land, und verwüſtet das 
Land, Dann die von Met bingeten mit ihnen mehr dann um 
zwangig taufend guter Gulden, daß fie in Frieden verblieben, 
und bag ihre Weingärten verblieben ungefhhädigt. Da zogen 
fie in dag Biſthum von Trier. Deß warb gewahr. der ehrwür- 
dige Cuno, Ergbifchoff zu Trier vorgenannt, und verfammelte 
fih mit geoffem Bold, und wollte mit ihnen geftritten haben. 
Da flohen fie hinweg, und kamen gen Straßburg, in dem Land 
um und um in dem Elfaß, mehr dann zween Monath mit gan- 
ber Gewalt, und verderbten das Land gemeinlih, und wurden 
geachtet, daß fie hatten mehr dann zwangig taufend Mann ges 
wapnet, ohne Schügen und andere Mann und Frauen. Da 
verfammteten fi die Fürften von Defterreih , der Hertzog von 
Bayerland, und Herr Adolff Biſchoff zu Speier, erwählter Ertz⸗ 
bifchoff zu Mayntz, und dazu die Graffen und Herren, alfo, daß 
fie Leute genug hatten zu flreiten. Dann die zu Straßburg 


Erzbiſchof Auns son Trier. 20. 


und bie andern Städte hatten nicht gut Glauben zu den Fürs 
fien, und wolten nicht zu Feld. Jedoch fo zog bie Gefelffchafft 
hinter fh, und flohe in Welfhland. Und darnach da fie ges 
wahr wurden, baß bie Fürften verritten und gefcheiden waren, 
da kam bie vorgenannte Geſellſchaft wiederum ins Elſaß. Da 
verſammleten fi die Schweiger und zogen über fie, und ver« 
brandten ihrer in einem Hoff, und erfchlugen alfo viel, daß ihrer 
da zweytaufend tobt blieben. Und damit wurden fie aus dem 
Land gejagt.” 

Ungemein mangelhaft, unvollſtändig iſt dieſe Erzählung. 
Seit. dem Raubzuge von 1365 waren Lothringen, bie Thäler 
ber Vogeſen wiederholt yon räuberifchen Compagnien bedroht 
oder angefochten worden: Matthäus Villani, in feinem 9ten 
Buch von ber weißen Gefellfchaft unter Bertram von Créquy 
und dem Erzpriefter handelnd, fügt hinzu, das fette Land im 
beutfchen Reich habe ihnen gefallen. Um fo Leichter konnten 
biefe wilden Scharen für des großen Herren von Coucy, Ingel⸗ 
am VII. Abfichten gewonnen werden. Mehrmalen hatte er von 
den Herzogen von Deftreih die feiner Mutter, Frau Katharinen, 
ber älteften Tochter Herzog Leopolds des Glorwürdigen yon Oeſt⸗ 
reich, bei ihrer Vermaͤhlung verſchriebenen Lande, Aargau und 
Elſaß gefordert: jedesmal abgewiefen, indem durch die Hauss 
gefene alle Veräußerung von Land ober Unterthanen verpönt, 
beſchloß er Teglich, fein Recht mit den Waffen zu fuchen. Nicht 
nur die Compagnieen, von denen Frankreich heimgefucht, fanden 
ihm zu Gebote, er verficherte fih auch unter Vorſchub feines 
Schwiegervaters, des Königs Eduard IH. von England, des 
Beiftandes jener flreitbaren Ritterfchaft, die fo oft unter dieſes 
Eduard und des ſchwarzen Prinzen Panieren gefiegt, und jetzt 
unwillig- ben für Frankreich und England abgefchloffenen Wafs 
fenftilfftand trug, er zog endlih aus Italien, we er lange, 
dem berühmten John Hawkwood ein Waffenbruder, für Papft 
Gregor XI. gegen die Visconti geftritten hatte, eine Abtheilung _ 
heran der berühmten Miliz, die mehr noch für den Paradedienft, 
denn für ernſten Krieg dem übrigen Europa eine Schule gewor⸗ 
den war. Die nähern Umftände feiner Rüftung gibt Troiffart. 


Rhein, Antiquarius, 3. Abth. 2. Bd. | 4 





50 


Engers. 


„Oes gens de Compagnies qui auoient appris à piller et 
& rober, et qui ne s’en savoieni abstenir, firent en celle sai- 
son irop de maux en le royaume de France, tant que les 
plaintes en vinrent au roi. Le rui, qui volontiers eut adresse 
son peuple, et qui irop grand compassion en aueil, car trop 
Ius touchoit la desiruction de son royaume, nen savoit que 
faire Or fut adonc regarde en France que le sire de Cou- 
cy !), qui ja avoit demeurd six ans ou cinq environ hors du 
pays, et qui étoit un frisque el gentil chevalier, de grand 
prudence et de grand sens, seroit remande; car on lui avoit 
ous dire plusieurs fois que il clamoit & avoir grand droit & 
la duche d’Osteriche par la succession de sa dame de mère 
qui soeur germaine avoit did du duc darrainement mort; et 
cil qui pour le temps possessoit la duche d’Osteriche n’etoit 
que cousin germain, plus lointain assez de droit lignage que 
le sire de Coucy ne fut. Si fut proposd au conseil du roi 
de France, que le sire de Coucy se aideroit trop bien de ces 
Compagnies, et en feroit son fait en Osteriche, et en delivre- 
roit le royaume de France. Adonc fut remande le gentil 
sire de Coucy, messire Enguerrand, qui s’etoit tens en Lom- 
bardie un grand temps, et depuis sur ja ierre du patrimoine 
de saint Pierre, et avoit fait guerre pour la cause de TEglise 
aur seigneurs de Milan et aux auires, aussi aux Florentins 
et aur Pisans; et si vaillamment s’y edtoft porté que il en 
avoit grandement la gräce et la renommede du saint pere, le 
pape Giregoire onzieme. 
„Quand il fut revenu en France premierement devers le 
roi, on lu fil grand’ fete; et le vit le ro moult volontiers, 
et lui demanda des nouvelles. Il len dit asses. Depuis re- 
vint le sire de Coucy. en sa terre, et trouva madame 30 
femme, la fille du roi d Augleterre, @ Saint-Gobain. Si se 
Arent grands reconnoissances ensemble’; ce fut ruison, car ls 
ne s’6toient depuis grand temps vus. Ainsi petit à petit se 





*) Ich erinnere an Ingelrams IIL des Großen von Coucy Wahlſpruch: 
Je-ne suis roi, ne duc, prince, ne comie aussi, - 
de suis de sire de Couey. 


Ingelram von Esucy. SM 


raseinta le sire de Ooucy en France, et se tint dates le. rei, 
qui le vooit moult volontiers. Adonc ini fut demandd ceu- 
veriemeni, du seigneur de la Rividre et Nicolas le Mereier 
qui dioient instruits quant que le roi pouvoit. faire, di il 
voudroit pomi se charger ni enseunier de ces Bretens ot des 
Compagnies pour mener en Osteriche. Il rdpondit qu'il en 
auroit Avis. Si s’en conseilla d ses amis, et le plus en sei- 
nme. Si en repondit son eniente, que volonliers s’en en- 
nnnieroit, mais que le roi y voulsit meltre aucune chose du 
sen, ei lui prdier aussi aucune finance pour payer leurs 
nexus frais, et pour acquerre amis et les passuges, tant en 
' Bourgogne et en Aussay (Alsace) que sur la riviere du Rhin, 
eu i leur convenoit passer et aller, si ils vouloient entrer 
en Osteriche. Le roi de France n’aveit cure quel marche il 
fü, mais que il vit son royaume deltvre de ces Compagnies. 
& Iui acsorda toutes ses demandes ; et fina pour lui par de- 
vers les Compagnies, et leur delivra grand argent, mal em- 
pleyé, ainsi que vous orrez recorder temprement ; car onoques 
' gens ne s’acquitiörent pis envers seigneurs qu'ils se aaquili- 
' rent envers le seigneur de Coucy. Ils prirent son or et 
sm argent; et si ne lui firent nul service. 
 „Envirem la Saint-Michel 1375 se depertirent ces Com- 
pagnies et ces gens d’armes, Bretons et autres nalions, da 
; royaume de France, et passörent parmi Lorraine. oü ils firent 
' meult de destourbiers et de dangers; et mllörent plusieurs 
villes et chdteaurs, et foison du plat yays; et eurent de For 
‚ de largent & leur entente. de ceur de Metz en Lorraine. 
Quaond cils d’ Aussay, qui se tenoient pour le duc de Lucem- 
‚ burg et de Brabant, en virent la maniere, si se deutärent. 
de ces males gens que ils ne leur fissent d souffrir, et se 
 deyrent. Et manderent les barons d’Aussey au seigneur de 
ucʒ et aus barons de Bourgogne qui avec lui dtoient, le 
igneur de Vergy et autres, que point ne passeroient parmı 
: leur pays au. cas que ils se voudroient ainsi maintenir. Le 
ure de Coneg mit son conseil ensemble, car il avoit ld grand 
 feison de bonne chevalerie de France, monseigneur Raoul de 
| Osucy son oncle, le vicomte de Meaus, le seigneur de Roye,. 


4 * 


1 Be Eugers. 


monseigueur Raoul de Raineval, te seigneur de Hangest, mor- 
sire Hus de Roussi et plusleurs autres. Si que, eur con- 
sesllde, ils regarderent que les seigneurs et le pays d’ Aussay 
avoient droit. Si priörent moult doucement aus capitaines 
des Compagnies et aur Bretous et Buurguignons, que ils 
voulsissent courtoisement passer et faire passer leurs gens' 
parmi Aussay, parquoi le pays leur fit ouvert, et qu'ils pus- 
sert faire leur fuit et leur emprise. Ils leurent tout en 
convent volontiers, mais depuis ils n’en tinrent rien. Toutes 
fois au passer et à lentrer en Adussay ils furent assez courtois. 

„Or revenons au seigneur de Couey qui dtoit en Aussay 
et avoit fait defier le duc d’Osteriche et tous ses aidans et 
lui cuidoit fuire une grand’ guerre; et moult s’en deutoient 
les Ostrisiens. Nequedent, comme trös vaillans gens d’armes 
et bons guerroyeurs qu’ils sont, ils allörent au devant et ob- 
vierent: grandement d lencontre de ces besognes; car quand 
ils sentirent le seigneur de Coucy et ses gens, et ces com- 
pagnies approcher, eus-memes ardirent et detruisirent ax- 
devant deuz bien trois journdes de pays. 

„Quand cils Breions et ves compagnies furent outre Aus- 
say et sur la riviere du Rhin, et ils durent approcher les 
montagnes qui departent Aussay et Osteriche, et ils virent 
un paudre pays, ei trouverent tout ars et derobe, non pas 
pays de telle ordonnance comme il est sur la riviere de Marne 
et Eoire, et ne trouvvient que genestres et broussis, et plus 
allvient avant et plus trouveient povre pays et derode d’eus- 
memes, que. ils avoient apres ces beaus vignobles et ce gras’ 
pays de France, de Berry et de Bretagne, et ils ne savoient 
que donner à leurs chevaus, si furent tout ebahis. Si s’ar- 
reterent sur la riviere du Rhin ensemble pour savoir com- 
ment: ils se maintiendrosent. ‚,,Et comment! disent-ils, est 
telle chose la duche de Osteriche? Le sire de Coucy nous 
avoit donne èô entendre que c’dtoit ! un des gras pays du 
monde et nous le trouvons le plus povre: il nous a decu Lai- 
dement. Si nous etions de la cette riviere du Rhin; jamais 
. ne le pourrions repasser que ne fussions tous morts et „pris, 
ei en la volonid des Allemands, qui‘ sont gens sans pitie, 


Juagelram ven Couey. 


" Beiournons, retournons en France ; ce sont mieuz nos mar- 
ches; mal-de-hait ait qui ira plus avani l““ Ainsi furent- 
üs daccord d’eur loger, et se logärent tout contreval le Hkhin, 
st firent le seigneur de Coucy loger tout emmy eur; lequel, 
iautöt quand il vit ceite ordonnance, se oommenca à douter 
qWil n’y edit trahison. 85 laur dit: „‚‚Seigneurs, vous aves 
pris mon or et mon argent, dont je suis grandement endette, 
st Targent du roi de France, et vaus &tes obliges, par foi et 
par serment, que de vous acquitter loyaument en ce voyage. 
Si vous vous en acquitiez autrement, je suis le plus deskonore 
komme du monde.“ — „‚‚Sire de Coucy, repondirent à ce: 
premier les capitaines des Compagnies et les Bourguignons, 
la riviere du Rhin est encore moult grosse, on ne lu peut 
passer a gud sans navire. Nous sejournerons ci; entrues 
viendra le beau temps. Nous ne savons les chemins en ce 
pays; passez devant, nous vous suivrons. On ne met mie 
gens darmes hors du bon pays comme mis nous avez: vous 
nous disiez et affiez que Osteriche est un des bons et gras 
pays du monde, et nous trouvons lout le contraire.“‘“ — 
„„Par ma foi! repondit le sire de Coucy, c’est mon, mais 
co n’est mie Q@ l’enirde: par deläa cette riviere et outre ces 
montagnes que nous veons, trouverons nous le bon pays.“““ 
— „„Or, passes donc devant et nous vous Susvrons.‘“ ““ 

„Ce fut la plus courloise reponse que il put @ cette heure 
woir deur, mais se logörent, et le seigneur de Coucy emmy 
eus, par tel maniere que, si il sen voulsit adonc dire parti, 
il ne put, tant dioit-il adonc pres gueitd; de laquelle chose 
il avoit grand doute; et aussi auoient tous les Picards, les 
Anglois et les Frangois desquels il y avoit bien irois vents 
lances. Or vinrent nouvelles en lost que le duc d’Osteriche se 
voulost accorder et composer au seigneur de Coucy, et lui vouloit 
donner une moult belle terre qui vaut bien vingt mille franes 
par an, que on clame la comtd de Bujr ; et voirement en furent- 
ils aucuns traites, mais ils ne continuerent point; car ce sem- 
bioient au seigneur de Coucy et à son conseiltrop petites offres. 

„Quand le sire de Coucy vit que ces gens que il avoit 
la amenes ne voudroient aller plus avant, et qu'ils ne faisoient 





54 | Engers, 


que se rdpandre d ia traverse du pays, ei fut durement mö- 
rencolieuz ; et s’avlsa de soi-m&me, come sage et imaginatif 
chevalier, que ces Compagnies le pourroient deskonerer, car 
si de force ils le prenoient ils le pourroient dehivrer au due 
dOsteriche -et vendre pour la eause de leurs saulddes ; car 
voirement demandoient-ils argent sur le temps upenir, si Wi 
"vouloit que ils allassent plus avant; et si uinsi êtoit qu’ils le 
delivrasseni par celle manidre aus Allemands, jamais ne s’en 
verroit delivrde. Si eut conseil secret @ aucuns de ses amis, 
d irop de gens ne fut ce pas, que il sembleroit d’eur et se 
meitroit au retour. Tout ainsi que il le pensn et imagina 
ii le fit; et se partit de nuit en habit deconnu, et chevaucha 
lui troisiöme tunt seulemert. Toutes manidres de gens darmes 
et de Bretons et ses gens aussi, except6 cing ou siz, cuidoient 
quwil füt encore en son logis; et il dtoit ja dloigned et hors 
du peril bien deux journedes, et ne tenoit nul droit chemin; 
mais il fit tant qu'il s’en revint en France. Si fut durement 
le roi de France dmerveille, aussi furent le duc d’Anjou, le 
duc de Berry et le duc de Bourgogne, quand ils se virent 
en ce parti que le seigneur de Coucy revenu et ils le cwidoient 
en Osteriche : ce leur sembla un droit fantöme ; et lui deman- 
derent de ses besognes comment il enalloit, et au duc d’Osteriche, 
son cousin, quel chöre il lui avoit faite. Le sire de Coucy, 
qui ne fut mie ebahi de remontrer son affaire, car il etoit 
richement enlangage et avoit ercusance veritable, si fit con- 
noitre au roi et Aa ces ducs toute weritd; et leur conta de 
point en poini [dtat des Compagnies, ei comment ils s’dtoient 
‚maintenus et quel chose ils avoient répondu; et tant fit, et 
de voir, qu'il demeura sur son droit, et les Compagnies en 
leur tort ei bldme; et se tint en France dalez le roi et ses 
freres. Et tantöt apres Pdques il eut conge du roi de France 
daller Thiver en Augleterre, et d’y mener sa femme, la file 
du roid’Angleterre; et eyt adenc auouns traites secrets entre 
lui et le roi de France, qui ne furent mie sitdt ouverts; et 
fut adonc regardeE en France des plus sages que c’eteit un 
sire de grand’ prudence et bien tailld de traiter pair et ao- 
cord entire les deur rois, ei que on n’aveit vu en lui fors 


Ingelrem von Coucy. | 85 


que tout bien et toute loyautd. Si lui fut dit: „‚‚Sire de 
Couoy, c’est lintention du roi et de son conseil que vous de- 
meuries dalez nous en France; si nous-y aideres @ conseiller 
ei à traiter devers ces Anglois, et encore vous prions-nous 
que en ce voyage que vaus Jerez couvertemeni ei sagement, 
eins) que bien faire saurez, vous substancies du roi d’ Angle- 
terre et de son conseil sur quel état on pourroit trouver pais 
ni accord entre eus et nous.““‘“‘ Le sire de Coucy leur eut 
ainsi en convent. Si se appareilla du plus töt qu'il put et 
partit de France, et madame sa femme, et tout leur arroy. 
Si exploiterent tant que ils vinrent en Angleterre. 

„Or parlons de ces Compagnies qui se tinrent pour trop 
decus quand ils sgurent que le sire de Coucy leur dtoit &chappe 
et retournd en France. Si disoient les aucuns qu’il avoit bien 
feit, et les autres disoient qu'il s’dtoit fait et porte grand 
bldme. Si se mirent au relour et relournerent en France, 
en ce bon pays, que ils ne appeloient mie Osteriche, mais 
leur chambre.“ 

Die Befchaffenheit des Heeres, den Gang des Feldzuges hat 
Froiſſart, wie man ſieht, nicht behandelt; ich will nad) Mög⸗ 
lichfeit die Lüde in dem Bericht ergänzen. Die Hauptarmee 308 
durch das nörbliche Lothringen, die trierifhe Grenze berührend, 
durd die Päffe bei Zabern nad) dem Unterelſaß, deffen Lands 
vogtei unlängft an den Herzog Wenzel von Luremburg gegeben 
worden. Die Eolonne, zu welcher der von Eoucy felbft fich hielt, 
zählte 1500 Helme, eine andere führte Jevan ap Eynion ap 
Griffith, „mit fim guldinen Hut“, der hochgeſinnte trogige gaelifche 
Held, in dem nicht felten König Arthurs fabelhafte Thaten ſich zu 
verrwirffichen frhienen. Niemals der Gewalt oder dem Gluͤck K. 
Eduards LAT. weichend, hatte er den Baſtard von Traftamara, 
dem ſchwarzen Prinzen zu Trog, auf dem Throne von Caſtilien 
erhalten ; zu Waffer und zu Land ein gefürchteter Namen, Ne⸗ 
ben ihm glänzten der große Hauptmann von Frant, Jevan von 
Velcaib, Sir Hugh Calverley, der Chroniken Graf Salver, hun- 
dert vornehme muthvolle Anführer, von deren edlem Stamm auch 
der Namen ihren Keinden unbefannt. Das Heer, nachdem ed über 
Mömpelgarb die Burgunder an fich gezogen, zählte mehr denn 


86 Engers, L 


49,000 Streiter, in 25 Divifionen, beren eine zumal Aufſehen 
erregte ; 6000 wohlgerüftete Engländer, fhimmernd von vergol⸗ 
beten Helmen und hoben eifernen Gugelhüten, mit Panzer und 
Beinfchienen wohl verwahrt, woBl beritten, in Iangen fchönen 
Kleidern, die foftbaren Zelte voll Silbergeſchirr. Auch hundert 
Ritter beutfcher Zunge, vornehmlich wohl in den Rheingegenden 
heimifch, hatten fi den Abenteurern angefchloffen. 

Ordnung zu erhalten in dem bunten Haufen verfuchten bie 
Anführer, daher au Froiffart rühmen fann, daß es im Anfang 
ziemlich courtoisement hergegangen ; was fie nicht brauchten, 
ließen bie Fremdlinge unverderbt Tiegen, mit freigebiger Hand 
wurben Salvaguardien ausgetheilt, „wen fie troftend, dem hiltend 
fie eg auch”, aber ſchnell erfihlafften von Zudt und Gehorfam 
bie Schwachen Bande, und e8 wurden unter ben Augen der Bes 
fehlshaber die ärgften Frevel perübt. Um Gulden und Franken, 


um Hengfle, goldene und feidene Tücher, um Schuhe, Hufeifen _ 


und Nägel haben fie reiche und arme Leute gepeiniget, fie ger 
bunden, daß die Stride in das Fleifch fraßen, „Frowen und 
Töchtern bie fie begriffent, fie werend alt oder jung, mit den 
beginget ſy allſo ungewohnliche Unfüfchefeit, daß es ſchämeliche 
were ze fchriben.” Junge Knaben behielten fie zu Dienern und 
Rennern. Wem es möglich, der flüchtete in Stabt oder Schloß. 
In Breiſach Tag Herzog Leopold II. verfchloffen, aus ber Furcht 
vor ber überlegenen Zahl, vor ben fremden und ruhmoollen 
Waffen des feindlichen Heeres, Zum Widerftand nicht gerüftet, 
hatte er das Land wüft gelegt, und dadurch, behauptete man, 
feinen Untertbanen mehr Uebel gethan, als der Coucy ſelbſt. 
Belagerungen vorzunehmen, war der gleich wenig geſonnen und 
gerüſtet, zog daher zu St. Katharinen Tag hinauf gen Baſel. 
Drei Tag lang ſah man von den Mauern die endloſen Ge⸗ 
ſchwader vorüberbraufen, 

In dieſer Zeit erging des Herzogs Leopold Aufgebot an alle 
Mannſchaft von Thur⸗ und Aargau, ſeine Mahnung um Beiſtand 


an die Herren von Zürich und Bern, Peter von Thorberg, der 


vorderen Erblande Pfleger, mit dem Bolfe, fo um ihn fi ges 
ſchart, bezog eine Stellung bei Herzogenbuchſee: dort fehloffen 


| 
| 


Ingelram von Concy, 87 


die Berner fih ihm an. Die Züricher. kamen bis nad Sur, 
füdlih von Aarau. Als aber die Nachricht gebracht wurde, es 
fei Die beabfichtigte Behauptung des Pafles im obern Hauenflein 
von des Landes Herren, von ben Grafen zu Kyburg und. Nidan 
buch fchnelle Flucht aufgegeben worden, und es fei der von 
Coucy den Sifgau hinauf nad Zerftörung der Wallenburg ohne 
allen Widerſtand über bie Höhen durch bie Clauſen unter Fal⸗ 
fenflein und bei Balftatt hervor bis an die Aar gebrungen, ba 
fiel auf die Aargauer ein Schreien fonder Gleichen, Aus allen 
Dörfern war eilende Flucht, von feinen eigenen Leuten verlaffen, 
beurlanubte der von Thorberg die Hülfsvoͤlker, in Verzweiflung 
ſſoh der Fürfl. Mittlerweile zogen bie Feinde an Solothurn 
vorbei, Coucy legte ſich in das Kloſter zu St. Urban, das Krieges 
volf durchzog, plünderte und brandfchagte das ganze Land vom 
Sura bis an die Grenzmarfen von Zurich. Der Verwüſtung 
folgte Hungersnoth und ſolche Erödung, daß Fleine Stäbte kaum 
vor den Wölfen ſicher. 

Unter allen Unterthanen der Herzoge waren die Entlibucher 
die einzigen, entſchloſſenen Muth den Plackern entgegenzuſtellen. 
Ihre Erfolge entflammten die von Luzern und Unterwalden, ſie 
fanden ſich in großer Zahl zu den Entlibuchern, daß dieſe ſich an 
eine feindliche Partei von 3000, die von Williſau ſtreifend aus⸗ 
gegangen, wagen durften. Sechshundert Männer, mit Weg und 
Steg wohl befannt, überrafihten Die Engländer im Büttisholz, 
und jagten, bie nicht unter dem Engländerhubel begraben liegen, 
aus dem Land. GSiegeprangend, in erbeuteten Waffen, auf er⸗ 
beuteten Pferden, trabten fie der Heimath zu. Des wurde ats 
fihtig Herr Peter von Dorrenberg, und er beffagte ber Bauern 
Sieg, ſprechend: „o ebler Herr von edlem Blut, wie daß ein 
Bauer beine Rüftung trägt !” Darauf antwortet ein Entlibucher: 
„Sunfer, das ift jo gefommen; wir haben edles Blut und Pferdes 
blut heute unter einander gegoffen.” Auch in und um Bern 
eiuigte ſich das Volk, allgemach der Beiinnung wiedergegeben, zu 
Angriffen auf den in ausgedehnten Quartieren zerftreuten, forg- 
Iofen Feind, als wobei bie Partifane der langen Winternächte fig 
:gebrauchten, wenn viele vor wenigen erfchreden. Am Chriſttag 


SB. Engers. 


Abends wurde der Herr von Frant, welcher zu Gottſtatt lag, 
son ben Bernern und von dem Landvolk aus Laupen, Aarberg 
und Nidau, bei Ins mit heftigem Geſchrei überfallen und ge⸗ 
ſchlagen. An St. Johanns des Zwölfboten Feſt wurde Herr 
Sevan ap Eynion ap. Griffith, ber im Klofler zu Sraubrunnen 
Duartier genommen, während feine 3000 Reifige in ber. um- 
liegenden Ebene zerfireuet, zwei Stunden vor Tag durch mör- 
berifches Geſchrei gewedt. Ihn heimzufuchen, hatten in der Nacht 
bei grimmiger Kälte die Berner fih aufgemadt, Solchen Bes 
fuches feineswegs gewärtig, empfing ihn Jevan in der Weiſe, 
bie feiner würdig : fchredlich wie an dieſem Tage iſt er niemals 
feinen Feinden geworben. Ihm zur Seite firitt Velcaib, es fielen 
viele Ritter, dee Berner nicht wenig. Aber das Kloſter gerieth 
in Flammen; als Rau den Streit verhüflte, und mehre hun 
dert Engländer erfchlagen, begab ſich, nicht ungerächt, Herr 
Jevan in die Flucht. 

Der Sire de Coucy, von allen Seiten angefochten, von 
Hunger und Kälte gebrüdt, wid über den Hauenflein in das 
mildere Elſaß zurüd. Diefe rüdgängige Bewegung, die Unge⸗ 
wißheit und Planlofigfeit in den Anordnungen ber fünf und 
zwanzig Köpfe, ald welde, ber Divifionen Anführer , einen das 
Heer leitenden Generalftab vorftellten, Ioderten vollends den 
Zufammenhang ber verfchiedenen darin vereinigten Nationen. 
Coucy war ein unerfchrodener Mann, in Unterhandlungen fchlau, 
ebelmüthig dabei, faft mehr, ale man von menfchlicher Schwach⸗ 
heit fordern zu bürfen glaubt, aber ein Feldherr, befähigt, den 
Gebrechen der kaum noch in der Wiege fich dehnenden Kriegsfunft 
abzuhelfen, ein Chandos, Duguesclin, Kuno von Falfenflein war 
er nicht. Bei Naht und Nebel mußte er-dem Bereich feiner ent⸗ 
muthigten Scharen entfliehen, und mit geößerm Kriegövolf, denn 
Alexander über den Hellespont geführt, erwarb er Büren und 
Nidau, die Herrihaften, weiche Herzog Leopold III. 1387 aus 
Gnaden ihm überließ. Der ferne, für ihn werthloſe Befts ging 
bald, wieder verloren, nur den Engländern blieb das Andenken 
der Ungebundenheit jenes Krieges, ber fetten im Elſaß gefun- 
denen Quartiere unvergeglih. Die Alsatia in London ift ein 


Ingelsam von Couch. 89 


Monument jenes Kriegszugs geworben, in mancher Beziehung dem 
Pavillon d’Hannoure za Paris nit ungleih. Hingegen bat 
Eoucys Anfehen weder in Frankreich noch in England unter bem 
verfehlten Unternehmen geltiten. „Zi voult le roi de France 
que le sire de Coucy füt regard de toute Picardie; et adonc 
ini donna-t-il toute la terre de Mortaigne, qui est un bei 
keritage seant entre Tournay et Valenciennes: si en fut de- 
boutd messire Jacquömes de Werchin le jeune, sendchal de 
Hainaut, qui le tenoit de la succession de son pere, qui en 
fut sire un grand temps. Ei vous dis que ce sire de Couey 
dtoit grandement en la gräce du roi de France, et vouloit 
te roi qu'il füt conndtable. Mais le gentil chevalier s’excusoit 
par plusieurs raisons, et ne vouloit mie encore entreptendre 
si grand fair, comme de la conndtablie; muis disoit que 
messire Olivier de Clicon &oit mieus tailld de letre que nul.“ 

Zu ber für das J. 13836 yrofectirten Landung in England 
follte Coucy wirken, und beiheiligte er fich bei den unermeßlichen, 
koſtſpieligen und fruchtloſen Rüflungen zu Sluis. Le sire de 
Coucy n’y eut point de dommage, car toutes ses pourvdances 
il les fit par la riviere de T’Escaut retourner d Mortagne de 
les Tournay, dont pour lors il étoit seigneur. Et avoit em- 
prunté & Tabbe de Saint-Pierre de Gand bien deur cens muids 
de bild et avoine, et aulant d Tabbé de Saint-Bavon, de leurs 
maisons que ils ont en Tournesis et en France. Je ouis bien 
parler des pourchas que les abbes en faisoient, mais oncques 
je n’ouis dire que rien leur en fät rendu.“ Diefe Vergeßlich⸗ 
feit für übernommene Verpflichtungen bleibt aber’ ohne Einfluß 
auf des Geſchichtsſchreibers Urtheil; von den 1388 mit dem Herzog 
son Bretagne in Betreff des Conmetable von Eliffon gepflogenen 
Unterhandlungen berichtend, fchreibt Froiffart: „„Za y eut grand 
approchement et grandes accointances damour; et les mena 
le due (de Bretagne) en sa chambre, tout janglant et riant 
de plusieurs oiseuses puroles, ainsi que seigneurs, qui ne se 
sont vus de grand temps sentr'accointent, et comme tous 
quatre, Yun parmi lautre, le savoient bien faire, autant bien, 
04 mieur, que seigneurs que je visse oncques ; et par espedeilal 
is sire de Coucy en toutes ces choses, en #toit tant qu’d mon 





60 Angers, 


muis le souperain mafkre, et celle gräce lui porioient seigneurs 
et dames par tout, füt en France, en Angileterre, en. Alle- 
magne, en Lombardie, et en tous lieur ob il avoit converse; 
si avoit-il en son temps moult travaslid et vu du monde ;- et. 
de nature il y etoit aussi introduit et enclin.“ Gelegentlich 
des Zuges nad) ben Küften der Berberei, 1390, für melden er 
fih dem Herzog von Bourbon angefchloffen, beißt e8: „Ze aire 
de Coucy par espdcial avoit tout le relour des gentilskommes ; 
et bien savoit dire et doucement entre eur et avecques eur, 
trop mieuz sans comparaison ‚que le duc de Bourbon ne fai- 
soit; car ce duc e&toit haut de coeur, et de maniere orgueil- 
leuse et prdsomptueuse, et point ne parloit si doucement ni 
si humblement uur chevaliers et dcuyers dtranges que.le sire 
de Coucy faisvoit. Et seoit le dit duc de Bourbon par usage 
le plus du jour au dehors de son pavillon, jambes croisdes, et 
cpuvenoit parler a lus par procureur et lu faire grand’ re- 
verence, et ne consideroit pas si bien letat ni affaire des 
pelits compagnons que le sire de Coucy faisoit ; pourquoi il 
etoit le mieur en leur gräce, et le duc de Bourbon le moins. 
It me fut dit des chevuliers et edcuyers &iranges que, si le 
sire de Covucy eüt seulement empris le voyage souverainement 
.et-EieE capitaine de tous les autres, leur imagination et parole 
etoit telle que on eüt fait autre chose que on ne fit, et de- 
meurerent, par celle defjaute et par Forgueil de ce duc Lauis 
de Bourbon, plusieurs belles emprises & non €ire faites, .et la 
ville d’Auffrique, ce fut le propos de plusieurs, àû non dire 
prie“ 
. Nur eben von einer Unternehmung oder vielmehr Recognos⸗ 
eirung ‚gegen Genua. heimgefehrt,. wurbe Coucy zu dem ‚Herzog 
von Burgund, zu Philipp dem Kühnen geforbert, und der ſprach 
zu ihm, die Herzogin gegenwärtig : „Sire de Coucy, nous con- 
Jions grandement en vous et en votre sens. Nous faisons 
Jean notre fils et heritier entreprendre un voyage. A Uhon- 
neur de Dieu et de toute chretientd puisse &tre! Nous sauons 
bien que sur tous les chevaliers de Frrance vous dies le plus 
usile et coutumier en toules choses. Si vous prions cherement 
et feablement que en ce voyage vous veuilles €ire.compaing 








Ingelram von Cauıy. 61 


el conseiller d notre fs} et nous vous en.saurons erd, et d 
desservir & vous et aur oötres.“ Erwibert ber Geſchmeichelte: 
„Monseigneur, et vous madame,. votre regudte et parole me 
doivent bien &tre commandement. En ce voyage, Sil plaft d 
Dieu, je iral doublement. Premiörement par devotion, pour 
döfendre la foi Jesus-Christ, secondement puisque tant de. 
honneur vous me voulez churger que jeniende d Jean, mon- 
seigneur votre file, je m'en tiens your tout charge, et m’en 
acquilierai en toutes choses & mon loyal peuvoir. Mais, cher. 
sire, et vous ma très chere dame, de ce faiæ vous me pourriea 
bien ezcuser et deporter, et en charger especialement &@ son. 
cousin moult prochain, messire Philippe d’Artois, comte d’ Eu 
et conndiable de. France, et ô son autre cousin le comte de 
iz Marche. Tous deus en ce voyage ils y doivent aller, car 
cäls lu sont mouli prochains de sang et d’armes.““ Dem ents 
gegnet der Herzog: „Sirs de Coucy, vous avos trop plus vu 
que ces. deus nont, et saves trop mieux ob on peut aller 
aval le pays que nos cousina d.ku et de la Marche. Si vous 
chargez de ce dont vous dies requis, et nous vous en prions.“ 
Darauf hat der Couey fih ergeben, folgendermaßen ſich aus⸗ 
brüdend : „Monseigneur , votre priöre m’est commandement 
et je le ferai, puisgwil vous plait, anecques Taide de messire. 
Guy de la Tremoille, de messire Guillaume son frere, et de 
lamiral de France, messire Jean de Vienne“ Des empfan⸗ 
ben Herzog und Herzogin große Freude. 

Das ftattlihe Heer, von den. Baronen Frankreichs ausgeruͤſtet, 
ſetzte fih im April 1396 in Bewegung, und zwar zog Die eine Co⸗ 
Ionne, bet welcher der von Coucy, durch die Lombardei ben Ufern 
ber Donau zu, während die Hanpteolonne langſamen Schrittes 
über Deutfhland.anrüdte, Bei Ofen, wo König Sigismund ihrer 
erwartete, trafen fie zufammeen, und erfolgte gegen Ende Juni ber 
weitere. Auszug. Widin und Rako wurden. mit Leichtigkeit genoms 
men, ernfllichen Widerſtand that Nifopoli, Die Belagerung hatte 
nur eben begonnen, und Eoucy führte zu einem Streifzug in das 
Innere der Bulgarei 500 Lanzen und fo viel veitende Schügen, 
fam zu Gefecht mit einem türfifchen Heerhaufen von 15,000' 
Mann und richtete arge Niederlage darin an. Großes Lob ers 


69 Engers. 


warb ihm bie fühne That ab Seiten des Heeres, nur nicht ab 
Seiten des Gonndtable Grafen von Eu. Der, „pourtant qu il 
vdoit que le sire de Coucy aveit tout le retour, Tamour et 
la compagnie des chevaliers de France et des dtrangers,“ 
beneidete den Glücklichen. „Ainsi se nourrisseit une haine 
couverte du comte d’Eu devers ce gentil chevalier, le sire de 
Coucy, laquelle haine ne se put depuis cdler que elle ne se 
montrdt clairement. Dont grands meschefs avinrent en celle 
saison sur les Chrdtiens.““ 

Es war mır ein Bortrab, den Coucy beftritten, das Haupts 
heer der Türken folgte auf dem Fuße, und dem zu wiberfiehen, 
ſchickten die Franzoſen fih an. Da kam Botfchaft von dem König 
von Ungern, das Treffen nidyt zu beginnen, er habe fi denn 
Gewißheit um der Feinde Stärke und Anordnung verfchafft. „Fe 
les seigneurs demourerent, et se mirent ensemble pour savoir 
quelle chuse ils feroient. La fut demande au seigneur de 
Coucy 'quelle chose étoit bonne à faire, il repondit: „„Le 
ro! de Honguerie a cause de nous miander ce qu'il veut que 
nous fassions, et lordonnance du marechal est bonne.““ Or 
me fut dit que messire Philippe d’Artois, comte d’Eu et 
conndtable de France, se felonna de ce que on ne lui avoit 
demande premiörement lavis de sa reponse, et que le sire de 
Coucy s’etoit avance de parler; et dit, par orgueil et par 
depit, tout le contraire que le sire de Couoy avoit dit et 
remontre, et dit: ,,Oil, oil, le roi de Honguerie veut avoir 
la fleur et Ühonneur de la journde. Nous avons Tavantgarde, 
et ja le naus a-t-il donné; si le nous veut retollir d’avoir la 
premiöre bataille; et qui qui Ten croye je ne len croirai 
ja““ Et puis dit au chevalier qui portoit sa banniöre: 
„Au nom de Dieu et de Saint George, va, car on me verra 
hai bon chevalier‘““ Quand le sire de Coucy eut oui le 
connetable de France ainsi parler, si tint la parole à grand 
‚presomption; et regarda sur messire Jean de Vienne qui 
tenoit et portoit la banniöre Notre-Dame, la souveraine de 
toutes les auires, et leur rallianee. Si lui demanda quelle 
chose etoit bonne a faire: „,,‚Sire de Coucy, repondit-il, la ou 
veritd ei raison ne peut dire ouie, il convient que oultre- 


Ingelram von Couci. 68 


csidance rögne. Et puisque le comte d’ Eu se veut combaitre 
et assembler auz ennemis, sl faut que nous le suivions; mais 
nous serions plus forts si nous éêtions tous ensemble, que nous 
ne serons la oü nous assemblerons sans le roi de Honguerie.“ 
. Die Schladht wurde am 28. Sept, 1396 geliefert und ging 
für die Ehriften verloren, wie außerorbentlich auch bie Anſtren⸗ 
gungen einzelner franzöfiichen Ritter. So enählt . DB. Bourls 
cat: „La estoit le vaillant sire de Coucy, chevalier esprouod, 
qui toule sa vie n’avolt fine darmes suivre, et moult estoit 
de grand vertu. Si d&monstroit la sa prouesse, et bien besoing 
en estoit; car Sarrasins ü grand massues de cuivre que ile 
portent en bataille, et ô gisarmes, souvent luy esioyent sur 
le col. Mais leurs coldes cher leur faisoit acheter. Car luy, 
qui estolt grand et corsu et de grand force, leur langoit si 
tirès grand coups que tous les destranchoit.“ Der Franzoſen 
entfamen wenige, denn audy die Gefangenen, gegen 10,000, ließ 
Bajazeth am andern Tage niederhauen: einzig der vornehmften 
Herren, von denen ein hohes Löfegelb zu erwarten, wurbe ver» 
fhont. Darunter befand fi ber Sire de Eoucy, ber jedoch 
feineswegs, gleich Boncicaut oder dem Erben von Burgund, in 
Standbhaftigfeit fein Unglüd ertrug. „Mais le sire de Coucy 


le prenoit en trop grand’ deplaisance; dont d’dtoit merveille, 


car devant celle aventure il avoit toujours did un sire pourvu 
et plein de grand reconfort; ni oncques il ne fat ebahi. 
Mais en celle prison os il etoit d Burse en Turquie, il se 
deconfortoit et ebahissoit de lui-me&me plus que nul des autres, 
et se merencolioit, et avoit le coeur trdp pesant ; et disoit 
bien que jamais il ne retourneroit en France, car il dtoit issu 
de tant de grand perils et de dures aventures que celle serolt 
la derniere. Messire Henry de Bar le reconfortoit si acertes 
comme il pouvoit, et lui bldmoit les deconforts, lesquels sans 
cause il prenoit, et que c’dtoit folie de dire et faire ainsi; et 
que en lui il devoit avoir plus de reconfort qu’en tous les 
autres. Mais nonobslant ce, il s’ebahissoit de soi-meme; et 
lui souvenoit trop durement de sa femme, el regrettoit moult 
souvent ; et aussi faisoit messire Philippe d’Artois, comte d’Eu 
et conndtable de France. Messire Guy de la Tremotille se 


64 Engers, 


reconfortoit asses bien. Aussi faissoit le comle de la Marche: 


| 


L'_Amorath-Baquin (Bujazeth) vouloit bien quils eussent au- - 


cunes gräces et dbattemens de leurs delits, et les vouloit voir 
& la fois, et gengler et bourder ä eus; et leur dtoit asses 
gratieus et debonnaire ; et vouloit bien quils vissent son elat 


‚ et une parlie de sa puissance. Partout ou il alloit ei se. 


traioit les prisonniere de France dioient mends, reserved le 
sire de Coucy qui demeura toujoure d Burse d lenirde de la 
Turquie, car il ne pouvoit souffrir la peine de chevaucher, 
pourtant quil n’dtoit point bien hailie; et aussi il dloit recru 


et replege, et dtoit demeured pour lui un sien cousin de Grece, | 


nomme le sire de Matelin.“ 
. Während dem waren der Gefangenen Angehörige in aller 
- Weife bedacht, fie ihrer Bande zu entledigen. „La dame de 


Coucy, par especial, ne pouvoit oublier son mari, et pleuroit . 


et lamentoit nuit et jour, ni on ne la pouvoit reconforter. 
Le duc de Lorraine et messire Ferry de Lorraine ses deuz 
freres, la vinrent voir d Saint-Gobain oà elle se tenoit, et la 
. reconforterent tant qu'ils purent, et Taviserent quelle voulsist 
envoyer en Turquie et en Honguerie a savoir comment il lui 
etoit, car ils avoient entendu qu’il avoit plus douce. et cour- 
toise prison que nuls des autres. La dame sgut ü son frere 
le duc et à messire Ferry son second frere bon gre de cet 
avis, et manda messire Robert d’Esne, un chevalier de Cam- 


bresis; et lus pria doucement qu'il voulsist tant traveiller - 


pour lamour delle, d’aller en Honguerie et en Turquie voir 
en quel etat son sire et mari le sire de Coucy etoit. Le cheva- 
lier descendit legerement la priöre de la dame de Coucy, 
et repondit que volontiers feroit le message et iroit si avant 
quil en rapporteroit certaines nouvelles. Adonc .s’ordonna 
. messire Robert de tous points; et quand il eut sa delivrance 
il se mit au chemin, lui cinqui&me tant seulement. 

„Em ce temps que je recorde (18, Febr. 1397) trepassa 
de ce siecle & Burse en Turquie ce gentil et vaillant cheva- 


lier messire Enguerran sire de Coucy, comte de Soissons et 


mouli grand seigneur en France; et ne put oncques messire 
Robert d’Esne parvenir jusques @ lui qu'il ne füt sur son 


Ingelram von Concy. 63 


chemin signifid de sa mort; et lui fut dit à Vienne en Osteriche. 
Si relourna sur ces nouvelles en France, et les signifla @ 
aucuns da lignage du seigneur .de Coucy, non d la dame de 
Cowcy; ni point ne se montra si très töt d elle jusques d 
tant que le chastelain de Saint-Gobain. y fut envoyd pour 
gquerre le corps, lequel dtoit embaume, et apporid en France 
et recueilli, en l'abbaye de Nogent empr&s Coucy, de la du- 
chesse de Bar, de leu@que de Laon ei de plusieurs abbes. 
Et la fut, ei est, le gentil chevalier ensepveli.““ Und fügt dem 
allen Boucicaut hinzu: „La bonne et belle baronnesse de Coucy 
tant plora et plaignit la mort de son bon seigneur, que d peu 
que coeur et vie ne luy partoit; ne oncques puis, qui que lait 
requise, murier ne se vouli, ne celuy deuil de son coeur ne 
pertit. La fille au seigneur de Coucy, qui perdu y avoit 
son pere et son mari messire Henry de Bar, dont elle avoit 
deuz beaur file, avoit cause de deusl avoir; et croy bien que 
elle n’y faillit mie; et tant d’autres dames et damoiselles du 
reyaume de France, que grand pitid estoit d’ouir leurs 
plaintes et regreis, lesqueis ne sont mie @ plusieurs d’elles, 
gquoy que il y alt ja grand’ piäce, encore finis, ne à leur vie 
eroy que ils ne finiront; car le coeur qui bien aime de löger 
pas n’oublie. Si firent tous nosseigneurs faire le service 
 solemnellement en leurs chappelles pour les bons seigneurs, 
cheväliers et escuyers, et tous les chrestiens qui la estoient 
morts. Le roy en fit faire solemnel service à Nostre- Dame 
de Paris, ou il fut, et tous nosseigneurs avec luy. Et estoit 
grand pitie @ ouir les cloches sonner de par toutes les dglises 
de Paris, oà lon chüntoit et faisoit prieres pour euls, et 
chascun & larmes et plainies s’en alloit priant. Mais peult 
bien esitre que mieulr eussions besoing que ils priassent pour 
nous, comme ceulx qui sont, si Dieu plaist, saincts en paradis.“ 

Der Sire de Coucy farb in dem fernen Afien, ein Ges 
fangener, auf bem Bett; auch ber glängendfte feiner Waffenbrüder 
in dem Zuge nach der Aar, Herr Jevan ap Eynion ap Griffith 
jollte nicht auf dem Schlachtfelde den Tod finden, fondern von 
ber Hand eines Meuchelmörbers ihn empfangen, 1378. Er bes 
lagerte Mortagne an ber Gironde und hatte Mit vier Baſtillen 


Rhein. Antiquarius 3, Abth. 2. Bd. 5 


66 Eungers. 


ben Ort umfchloffen, daß ſede Hoffnung eines Entfages den Bes 
Yagerten benommen. ‚Ce sidge diant devant Mortaigne, issit 
hors du royaume d’Angleterre et de la marche de Galles un 
dcuyer @allois: peu fut-il gentilkomme, et bien le montra, 
ear oncques gentil coeur ne pensa ni ne fit trahison, et se 
appeloit Jacques Lambe. A son departement il fut fondd 
sur male entente; et veulent les aucuns dire, en Angleterre 
meme, que a son departement il fut charge et informe d’au- 
euns chevaliers d’ Angleterre de faire la trahison et mauvaisetid 
que il fit; car Yvain de Galles dtoit grandement hai en 
Angleterre et en Gascogne pour la cause du captal de Buch, 
gue il prit et ulda a prendre ei ruer jus devant Soubise. en 
Poitou: de laquelle prise on ne le put ravoir ni pour dehange 
du comte de Saint- Pol, ni pour autre, ni pour or, ni pour 
argent que on en stut offrir; et le convint mourir par me- 
lancolie en la tour du Temple a Paris, dont grandement de- 
plaisoit @ ses amis. 

„Ce Jacques Lambe en ce temps arriva en Bretagne, et 
fit tant pur son exploit que il vint en Poitou; et partout 
passott, car il se disoit &ire des gens @ cet Yvain de Galles, 
pourtant que il parloit assez bon Frangois, et savoit Gallois. 
Et disoit que il venoit de la terre de Galles pour parler & 
Yvain. De ce il e&toit legerement cru, et fut des gentils- 
hommes du pays, pour Famour et honneur de Yvain, acon- 
voy&d jusques @ Mortaigne ou le siege se tenoit et ld laisse. 
Adonc se trait sagement ce Jacques Lambe devers Yvain, 
quand il vit que heure fut, et se agenouilla devant lu, et “ 
ui dit en son langage que il dtoit yssu hors de Galles pour 
lui voir et servir. Yvain, qui nul mal y pensoit, le crut 
legerement et lui sgut grand gre; et lui dit taniöt que son 
service il vouloit bien avvir; et puis lui demanda des now- 
velles du pays. Il en dit ussez, fusseni vraies ou non vraies; 
et Iui fit acroire que toute la terre de Galles le desiroit 
mouli @ ravoir d seigneur. Cetle parole enamoura moult 
Yvain de ce Jacques; car chacun par droit revient volontiers | 
au sien; et en fit tantöt son chambellan. Ce Jacques de plus 
en plus s’accointa si bien de Yvain de Galles, que Yvain 





Jevan ap Eynion ap Griffith. 67 


savoit en nul si grand’ fance comme il avoit en lui. Tant 
seramoura Yvaln de Jacques et tant le crut que il lui en 
meschey, dont ce fut dommage; car il etoit grand et haut 
gentilkomme et vaillant aus armes, et fut jadis Als d’un prince 
qui avoit did en Galles, lequel le roi Edouard d’ Angleterre - 
avoit fait mourir et d6ouller. La cause pourquoi je la ignore; 
ei avoit le roi d’ Angleterre saisi toute la pringautd de Galles, 
oppartenant audit: Yvain, lequel en sa jeunesse s’en int er 
France et remontra ses besognes-au roi Philippe de Ryance, 
gas volontiers y ontendit et le retint de lez-lui; et fut, tant 
que il voequi, des enfans de sa chambre avecques ses neveuz 
dAlengon ei autres. Et aussi fit le roi Jean; et s’arma toudie 
du temps du roi Jean, et fut & la bataille de Poitiers; mais 
pas n'y fut pris; mieux eu autant lui vaulsist ld @tre mort. 
Et quand la yaiz fut faite entre le roi de France et le roi 
d’Angleierre, il s’en alla en Lombardie et lò continua ses 
armes. Et quand la guerre fut renouvelde, il retourna en 
France et sy comporta si bien. qu'il dtoit grandement alosd 
et moult aime du roi de France et de tous les seigneurs. . 
„Or parlerons de sa fin dont je parle envis, fors tant 
que pour savoir au temps avenir que il devint. Yovain de 
QNalles avoit un usage, lui étant au sidge devant Mortaigne, 
que volontiers au mutin quand il etoit levd, mais que il fit 
bel, il den venoit devant le chdtel seoir sus une tronche qui 
la avoit did du temps passe amende pour ouvrer au chdtel; 
et lü se faisoit pigner et galonner le chef une longue espace, 
en regardant ‚le chdtel et le pays denviron; et n’dioit en 
nulle doute de nul cöte. Et par usage nul n’alloit la avecques 
Is si soigneusement que ce Jucques Lambe. Et moult souvent 
Isi avenoit que il se parvestoit et appareilloit la de tous 
points. Ei quand on vouleit parler d lui ou, besogner, on le 
veneit ld querre. Avint que le derrain jour que il y vint, ce 
fut asses matin, et. faisoit bel et clair, ei avoit fast toute la 
nuit si chaud que il n’avoit pu dormir. Tout deboutonne, en 
une simple cote et sa chemise, affuble d’un mantel, il sen vint 
id et se assit. Toutes gens en son logis dormoient, ni on n’y 
‚ faisoit point de gait, car ils tenoient ainsi comme pour conquis 


5 * 


68 Engers. 


le chätel de Mortaigne. Quand Yvain fut assis sur cette 
tronche de bois que nous appelons souche en Frangois, il dit 
a Jacques Lambe : ,, „.Alles- mei querir mon pigne, je me venstlle 
ci un petit rafraichir.“““ — „„Monseigneur, dit-ıl, velon- 
tiers.“““ Em allant querir ce pigne et en l’emportant,, le 
diable alla entrer au corps de ce Jacques; avec ce pigne # 
apporta une petite courte dague espaignole à un large fer 
pour accomplir sa mauvaiseie. Si tres tôt que il fut venu 
devant son maltre, sans rien dire il Tentoise et avise et las 
lance cette darde au corps, qu'il avoit tout nu, et lui passa 
outre, ei tant qu'il ohut tout mort. Quand il eut ce fait, sl 
dui laisse la darde au corps et se part, et se trait tout le 
pas à la couverte devers le chdtel, et fit tant que il vint d 
la barriere. Si fut mis ens et recueilli des gardes, car il 
"sen fit connoissable, et fut amend devant le souldich de 
V’Estrade. „„Sire, dit-il au souldich, je vous ai de un des 
plus grands ennemis que vous eussiez .delivre.““ — „„De 
qui,‘ dit le souldich. „,„De Yvain de Galles “‘“ repondit 
Jacques. „Et comment?“ “ dit le souldich. „,„Lar telle 
. voie,“““ röpondit Jacyues. Adone lui recita de point en point 
toute Thistoire ainsi que vous avez ou. Quand le souldich 
leut entendu, si crola la tete et le. regarda fellement et dit: 
„»„Au Fas murdry! et saches certainement, tout considere, 
que si je ne weois notre très grand profit en ce fait, je te 
jerois trancher la tete et jeter corps et i&te dedans les fossds ; 
mais puisquil est fait, il ne se peut defaire, mais c’est 
dommage du gentilhomme, quand il est ainsi mort; et plus y 
aurons de bldme que de louange.““‘““‘ 

„Ainsi alla de la fin Yvain de Galles, et fut occis par 
grand mesavenue et trahison, dont ceur de Fost furent 
durement courrouces quand ils le sgurent, et aussi toretes 
manitres de bonnes gens, et par especial le roi Charles de 
France; ei moult le plaignit, mais amender ne le put. Si 
fut Yvain de Galles ensepveli en Feglise de Saint- Leger ou 
on avoit fait une bastide, demi lieue pres du chdtel de 
Mortaigne; et la furent tous les gentilshommes de lost d son 
obsöque qui lui fut faite moult reueremment.““ 


Erzbifhof Auns von Trier. 8 


Deen Krieg mit dem Coucy, minder nicht mit dem Erzpriefter, 
beſchreiben die Gesta Trevirorum in kurzen Worten. „Provin- 
| ciam vero Trevirensem (Ouno) universaliter ab insultu et in- 
 festatione diversorum malorum "salis praemunivit cum exer- . 
‚ eilihus et espensis: primo contra quendam capitaneum, nomine 
 Silsestrum (Cervoles) ; secundo contra dominum de Üossine 
eum suo esercitu, quibus si non reslitissei cum potenti et 
| valida manu, totam patriam cum violentia devastassent, sicut 
abis provinctis fecerunt.“ 
Am 24, Der, 1375 verglich ih Kuno mit Erzbiſchof Friedrich 
von Coͤln, in Betreff ſeiner vordem geführten Verwaltung des Erz⸗ 
ſtiftes. Am 24. Febr. 1376 excommunicirte er den Herzog: Wences⸗ 
| Ins von Luxemburg, hierzu veranlaßt durch die gewaltfame Pfäns 
‚ dung trierifcher Güter. Am 31. Mai 1376 gibt Katfer Karl feinen 
Willen zur Incorporation der Abtei Prüm in des Erzſtiftes Trier 
-Rafelgüter, bie auch unter päpftlicher Autorität vollzogen, aber 
Thon im 3, 1399 von Papft Bonifacius IX. aufgelöfet wurde, 
An demſelben 3I. Mat 1376, zu Bacharach hat Kaiſer Karl 
die fämtlichen Privilegien der trierifihen Kirche erneuert, beftäs 
Kt und erweitert; an ber Urkunde Schluß heißt es: „ego Ni- 
colaus Cameracensis praepositus vice et nomine reverendissimi 
in Christo patris et domini domini Cunonis archiepiscopi Tre- 
virensis S. R. I. per Galliam et regnum Arolatense archican- 
cellarii, imperialis aulae prothonotarius recognovi,“ und tft 
das vielleicht der Iegte Fall, daß des Erzbifhofs von Trier Erz⸗ 
kanzleramt durch Gallien und: das Königreich Arelat zur Aus⸗ 
übung gefommen. Daraus, daß die Recognition in einer zu dem - 
ieriihen Sprengel gehörigen Stadt vorgenommen worben, fols 
‚get Struve, daß bie trierifche Provinz als zu Gallien gehörig 
betrachtet worden. 
Am 12, Zuni 1376 gelobt Kaifer Karl, daß König Wenzel 
Reis mit Kuno fein und bleiben fol, wogegen diefer verfpricht, 
ben römifchen König und bereinftigen Kaifer Wenceslaus als 
ſolchen fein Lebentag zu balten, zu ehren und bei ihm zu ftehen. 
Vom 28. Juni 1376 iſt Kunos endliche Abrechnung und Gene: 
ralquittung für Erzbifchof Friedrich von Cöln, in Betreff der 


70 Eusgero. 


Verwaltung bes Erzſtiftes Coͤn, und der darum innegehabten 
Pfandſchaften. Am 26. Der, 1376 läßt Kuno ein neues Pri⸗ 
pilegium zu Gunften der in Wefel anfäffigen Lombarden, bie 
Gebrüder Thomas und Michael, auch Moniclas de Aſinara, 
dann Afbertin de Montafia ausfertigen, Am 7. Bebr, 1377 ver⸗ 
gleicht er fiy mit dem Herzog Johann von Lothringen um ſämt⸗ 
fihe bis dahin waltende Grenz, Jurisdietions⸗ und fonflige 
Irrungen, infonderheit wegen dem Haus zur Motten, wegen 
Schwarzendurg,, St. Wendel und Büfchfeld, und geht er unter 
demfelben Datum mit befagtem Herzog zu gegenfeitigem Fries 
densſtand ein Bündniß ein. Am 16. Febr. unterferkigte er zu 
Eöln den zwifchen dem daſigen Erzbifchof und der Bürgerfchaft 
errichteten Friedensvertrag, deffen Bedingungen er als erbetener 
Schiedsrichter feftgeftellt hatte, nachdem er in ber Fehde felbft 
Sriedrihs von Saarwerben überaus thätiger Helfer gewefen, 
In Gefolge des von Kaifer Karl empfangenen Privilegiums 
hatte er zu Pfalzel einen neuen Zoll angelegt, als welcher ber 
Bevölkerung von Trier gar läſtig. Das Mißvergnügen bedurfte 
nur eines Vorwandes, um in Gewaltthat fih zu Außern, Den 
Vorwand bat Hr. Godemann von Grimberg , der Amimann zu 
Saarburg, Dem war in Trier oder von Trierern irgenb eine 
Beleidigung angethban worden, ſich zu rächen, Tieß er eines an⸗ 
gefehenen Rathsherren, des Arnold Triftan Hausfrau Sophie, 
die in einer Mofelfahrt begriffen, aufheben und gefänglich vers 
wahren. Als ein Dann erhob fih, ob folder Vergewaltigung 
bie ganze Stabt, und gingen, dafür Genugthuung zu forbern, 
ihre Abgeordnete nad) Berncaftel zu dem Kurfünften, Der vers 
fprach, des nächften nach Pfalzel firh zu erheben, und yon bprt 
ans den Handel zu unterfuchen. 

Wenig befriedigt mit folhem Befcheid famen die Abgeords 
neten nad Haufe, und es vernahmen Rath und Bürgerfhaft in 
fteigendem Grimme der Sendung NRefultat, Ste äußerten fich 
in der bedrohlichſten Weife, daß doch felbfi dem eifernen Kuno 
einige Beforgnig um feines Amtmannes raſche That auffommen 
wollte, Er entfendete den Chorbifchof, fit. S, Lubentü, Theo⸗ 
berih von Güls, und feinen Hofmarſchalk, den Johann von 


Erzbiſchof Anne von arier. 71 


Keſſelſtatt, um. zunächſt in Saarburg ben Thatbeſtand zu un⸗ 
terfuhen. Das Gefhäft wurde noch an demfelben Tage er» 
ledigt, Frau Triſtan dem Gefängnig entführt und nad Trier 
gebracht, am folgenden Zage aber vollfommen unfchuldig befims 
ben, und allee Verpflichtung ledig, entlaſſen. Das gefchab im 
dem Raume zwiſchen St. Martins Klofterpforte ‚und dem 
Stadtthor, in Gegenwart bes Dompropftien Robert von ber 
Saarbrüden, des Chorbifchofs Theoderich von Güls und bes 
Palaſtkellners. Der Marfchalf bemerkte nicht, daß von allen 
Seiten Bolf ihn umſchließe, bis dag ihm angekündigt worben, 
er fei ein Gefangner. Er wurde ergriffen, obne daß er den 
Degen ziehen fönnen, und bas Gleiche geſchah allen - feinen 
Begleitern. Das Bolf aber, weit entfernt, in ben Geiſeln, die 
es fi) genommen, eine Bürgfchaft des Friedens zu erbliden, 
brach in wilder Empörung aus, Es wurden mehre dem Erz⸗ 
Rift feindliche Ritter mit ihrem bewaffneten Gefolge der Stadt 
eingeführt, die Vorſtädte theils gefchleift, theils in Brand ges 
ftedt, die der Vertheidigung binderlichen Bäume außerhalb der 
Mauern gefället. - Des h. Simeong Kirche gebrandten die Auf» 
sührer als Bollwert und als Warte zugleich, das Mofelufer 
wurbe durch eingerammte Pfähle oder ausgefpannte Ketten un⸗ 
zugaͤnglich gemacht , die Geiftlichfeit theils vertrieben, theils in 
Banden gelegt. Einen Monat und darüber blieben bie Thore 
der Stadt geſperrt, alle Verſuche Kunos, eine Unterhaudlung 
anzufnüpfen, ungehört, denn Gewalt zu brauchen gegen bie Des 
thörten,, feiner Kirche Eigenthum zu ſchaͤdigen, fonnte ber frie- 
gerifche Fürſt fich nicht entfchließen. Keiner feiner Friedensboten 
wurde in die Stadt aufgenommen, einzig eng ihm befreundete 
Nachbarn, Herzog Johann von Lothringen und der Bifchof von 
Meg, Theoderich Bayer von Boppard, .erfahen die Möglichkeit, 
bie Wüthenden zu befchwichtigen. Unter dem Einfluffe dieſer 
Bermittlung kam der Kriedensvertrag von Pfalzel, 14. Juni 1377, 
zu Stande, Die Bermittler feheinen zu Werk gegangen zu fein 
etwan wie England, wenn es die Streitigfeiten zwifchen Oeſt⸗ 
seid und Sapoyen auszugleichen unternahm. Alle ihre For⸗ 
derungen wurben den Trierern bewilfigt, woburd Kuno bergeftalt 


70 C 


Verwaltung des Erzfliftes C 
Pfandſchaften. Am 26. Di 
pilegium zu Gunften ber i 
Gebrüder Thomas und 2 
bann Albertin de Montafi.. 
gleicht er ſich mit dem H 
fihe bis dahin walten: 
Irrungen, infonderheit 
Schwarzendurg, St. 2 
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2 Erzbifchof Auns von Trier. 73 


zw culichem Einlager. Am 13. Sept. 1381 verleihet 
' Ze ieffen zu Coblenz, Heinemann Snabel, auf Lebens⸗ 
‚ 8 Xdochdeckeramt zu Chrenbreitftein und Coblenz. Am 
True. gebietet er den Einwohnern von Koblenz, der 
zer erund Florin fefllihe Tage zu feiern, zugleich für die⸗ 
em Ablaß bewilligend, Am 17, Nov. 1384 fühnt er ſich 
un Wilhelm von Derg in Betreff. der Schäden und Nah⸗ 
> ‚nerzogs Landen Blanfenberg und Windel, Die hatten 
rzbiihors Fehde mit den Herren von Wildenberg und - 
i Biden zu leiden gehabt. Hingegen betraf ſchweres 
v8 Erzſtift, als der felige Peter von Luxemburg, 
vu) ein Jüngling von 15 Jahren, zu dem bifchöflichen 
.... Meg dur Papſt Clemens ernannt worden, bie Ein 
„a Meg aber, Urbans VE Anhänger, ihn anzuerkennen 
‚en. Des Bruders Recht zu verfechten, führte Johann 
‚am von Luremburg A000 Gleven vor Meg, die ohne 
Anftrengung eine vollfländige Ummälzung in den Ges 
ber Benölferung hervorbrachten, gelegentlich aber auch) 
Jdarten Territorien, unter dem Vorwande ihrer Obe⸗ 
Urban VI. heimſuchten. Namentlich zeigten fie fig um 
'3 1384 in der Umgebung der Stadt Trier, und haben 
durch Raub, Mord und Brand viel Unheil angerichtet, 
ndere bie. frommen Karthäufer aus ihrer fiillen Wohnung 
ben. Augenblicklich wurden die Väter in den furfürftlichen 
+ aufgenommen. Daß die Räuber ungezüdtigt von bannen 
‚ ift- wohl eine Folge von Kunos abnehmender Gefundheit, 
denn auch Browerus den Zug gegen den Herren yon Ra⸗ 
tein zu Unrecht in das. J. 1387 verſetzt; ohne Zweifel wal- 
in der Jahrzahl ein Druckfehler. Wenigftend haben Kuno 
d der Herzog Wenceslaus von Luxemburg „op der Bettauwe“, 
n 31. Det. 1378 ihre Zwiftigfeiten in den Entfiheid des. Erz⸗ 
iſchofs Friedrich von Coln gegeben. . 
Am 20. Nov. 1384 bekundet Erzbifchof Kuno, daß Kaifer 
Menceslaus als Herzog von Luremburg ihm Feſte, Schloß und 
Gerrſchaft Schöneck in der Eifel um 30,000 Gulden zu Pfand 
ben babe, Durch eine fpätere Urkunde, d. d. Eoblenz, 11. 






72 Enugers. 


ſich gekraͤnkt fühlte, daß er von dem an feinen duß mehr in 
die Stadt ſetzte. 

In zwei verſchiedenen Schreiben, vom 16. Det, und 8. Roy, 
1378, gebietet Kuno dem Grafen Wilhelm von Kagenellenbogen, 
ben nen angelegten Zoll vor dem Schloß Haufen, St. Goar 
gegenüber , fofort abzuftellen. Am -16. Nov. 1378 hebt er bie 
Abgabe von Würfeln, fo durchreiſende Juden an bie Zöllner zu 
entrichten hatten, auf. Am 31. Januar 1379 Iegt er fi einen 
Hofſchüſſelmacher bei. Bom 11. Mat 1379 datirt ift das Schreis 
ben, worin Papſt Urban VL die ihm bezeigte Anhänglichfeit 
dankbar erfennt und zugleich dem Kurfürften die Nachricht von 
dem bei Marino durch St. Georgen Geſellſchaft über bie Bri⸗ 
tonen und Gascogner erfochtenen Siege mittheilt. „Da man 
fchrieb 1379, da lag Herr Cuno von Faldenftein, Ersbifchoff zu 
Trier, vor Hapftein mit Hülff der Städte Mapntz, Franckfurt 
und Limpurg. Und gewann Herr. Euno das bey vierzehen Tas 
gen, alfo, daß ſie fih aufgaben, und giengen in ihre Hand, und 
das zu ewigen Tagen bes vorgenannten Stifftes und die Unter: 
fafien des offenen Haußes vorgenannt.” Die Sühne mit ben 
Gemeinern von Hattftein iſt vom 17. Aug. 1379. Am 8. März 


1380 erfaufte Kuno yon Arnold von Pittingen das Drittel ber 


Herrſchaft Eovern, um die Summe von 2900 Gulden Mainzer 
Währung. Am 10. April 1380 verglich er fi mit Arnold von 
Dlanfenheim um das Opfer, im Betrag von 1050 Gulden, fo 
von den mit ber Tanzfucht ober dem Beitstanz Befallenen in St. 
Johannis Eapelle, oberhalb des Kloftere St, Thomas bei Kylburg, 
dargebracht worden. Jene Kapelle hatte von wegen der wunder⸗ 
baren Heilungen diefes Uebels ungemein zahlreiche Verehrer. Am 
12. Juni 1381 verpfändet Abt Dietrich von Prüm dem Erzbifchof 
gegen ein Darlehen von 3000 Gulden bie Herrſchaft St. Spar, 
dann zur Hälfte die Herrſchaft Schweih und Mähring; am 
14. Juni verfpricht er, ohne des Erzbifchofs Bewilligung Feine 
Veräußerung vorzunehmen, demfelben auch ſtets dabei den Ver⸗ 
kauf zu gewähren. Am 24. Juni 1381 ſtellt Erzbiſchof Adolf 
von Mainz zu Handen Kunos eine Schulbverfchreibung über 
1000 Gulden aus, beftellt zugleich Burgſchaft, und nerpflichtet 








Erzbifchof Auns von Trier. 73 


> 


fih zu perfönlihem Einlager. Am 13. Sept. 1381 verleihet 
Kuno dem Scheffen zu Eoblenz, Heinemann Snabel, auf Lebens 
zeit, das Dachbederamt zu Ehrenbreitftein und Coblenz. Am 
W. Det. 1383 gebietet er den Einwohnern von Coblenz, bee 
bb. Eaftor und Florin fefllihe Tage zu feiern, zugleich für die⸗ 
felben einen Ablaß bewilligend., Am 17. Nov. 1384 fühnt er fih 
mit Herzog Wilhelm von Berg in Betreff. der Schäden und Nah⸗ 
men in des Herzogs Landen Blanfenberg und Windel. Die hatten 
über des Erzbiſchofs Fehde mit den Herren von Wildenherg und - 
denen von Biden zu leiden gehabt. Hingegen betraf fehweres 
Ungemach das Erafiift, als ber felige Peter von Luxemburg, 
damals noch ein Yüngling von 15 Jahren, zu dem biſchöflichen 
Stuhle von Mes durch Papſt Clemens ernannt worden, die Eins 
wohner von Mes aber, Urbans VE. Anhänger, ihn anzuerfennen 
fih weigerten. Des Bruders Recht zu verfechten, führte Johann 
oder Walram von Luremburg 4000 Gleven vor Mies, die ohne 
fonderlihe Anftrengung eine vollfländige Ummwälzung in ben ‚Ges 
finnungen der Bevölkerung hervorbrachten, gelegentlich aber auch 
die benachbarten Territorien, unter dem Borwande ihrer Ober 
bienz zu Urban VIE. heimfuchten. Namentlich zeigten fie fih um 
Johannis 1384 in der Umgebung der Stadt Trier, und haben 
fie dort dur Raub, Mord und Brand viel Unheil angerichtet, 
tnsbefondere bie. frommen Karthäuſer aus ihrer ftillen Wohnung 
vertrieben. Augenblicklich wurden bie Väter in ben Furfürftlichen 
Palaſt aufgenommen. Daß die Räuber ungezüdtigt von bannen 
zogen, iſt wohl eine Folge von Kunos abnehmender Gefundheit, 
wie denn auch Browerus den Zug gegen den Herren. you Ras 
venftein zu Unrecht in das. %. 1387 verfegt; ohne Zweifel wal- 
tet in ber Jahrzahl ein Druckfehler. Wenigftend haben Kuno 
und der Herzog Wenreslaus von Luremburg „ep der Bettauwe”, 
am 31. Det. 1378 ihre Zwiftigfeiten in ben Entfcheid des. Erz⸗ 
biſchofs Friedrich von Eöln gegeben, . 

Am 20. Nov. 1384 bekundet Erzbifchof Kuno, daß Kaiſer 
Wenceslaus als Herzog von Luxemburg ihm Feſte, Schloß und 
Herrſchaft Schöne in der Eifel um 30,000 Gulden zu Pfand 
gegeben habe. Durch eine fpätere Urkunde, d. d. Eoblenz, 11. 


— 


74 Engers. 


Dec. 1384 erhoͤhet der Kaiſer den Pfandſchilling um A000 Gul⸗ 
den, und iſt aus der Herrſchaft ein bedeutendes trieriſches Amt 
erwachſen. Am 3. Sept. 1385 ſühnet ſich Simon. Herr von 
Besftein (Baflompierre) mit Erzbiſchof Kunen und dem Dom⸗ 
apitel, von wegen ber zeither in Betreff Des Jakemin von Orve 
und Eonforten geführten Fehde, verzichtet auf alle Gefangene und 
Anfprachen, und gelobt friedliches Stehen. Am 28, Juni 1386 
: erfolgt die Sühne der Fehde, fo Jacob von Montelar mit dem 
Erzſtift gehabt, und treten Jacobs Erben ben Berg zu Montelar 
ab, entfagen auch alfem Anſpruch und Schadenserſatz. Am 
31. Januar 1387 verpflichtet fi die Abtet Altenberg bei Cöln, 
ein Anniverfarium für Exrzbifchof Kuno abzuhalten, und die gleiche 
Berpflichtung übernimmt, Namens ihres Convents, die Aebtiffin 
zu Altenberg an der Lahn, Wilburgis, 8. Non. 1387. Es will 
Abend werden um ben gewaltigen Fürften. Schreibt doch an 
ihn den 6. Januar 1388 Papft Urban VE, dag fein Drängen 
um die Bergünftigung, feine Würde nieberlegen zu dürfen, end« 
lich Erhörung gefunden habe, und eine Commiffion niedergeſetzt 
fei, um bie Refignation zu empfangen. Am 31. März 1388 
fielen bie namentlih aufgeführten Edlen von Deutfch-lothringen 
Bürgichaft über 3000 Gulden, welche Herzog Johann dem Erz« 
bifchof ſchuldig geblieben, und iſt Das wohl die legte Verhandlung, 
in welder Kunos Namen genannt. Denn Er dankte gleich darauf 
ab, nachdem er noch Sorge getragen, feinem Better Werner 
von Falfenftein oder Königftein, der zugleich, durch feine Mutter, 
Kunos Großneffe, die Nachfolge in dem Erzſtift zu verfichern. 
Schon am 3. April 1388 empfing Werner bie Huldigung zu 
Trier, am 8. zu Coblenz. Das Ergzſtift hinterlieg Kuno im 
Frieden mit allen Nachbarn, außerordentlich vergrößert, durch 
die Erwerbung einer zahlreichen Lehensmannſchaft auch für Die 
Zufunft gefihert. Alle Schulden waren getilgt, alle herrfchaft- 
lichen Speicher und Keller gefüllt, große Summen in der Schatz⸗ 
kammer niedergelegt. 

Der Süßigfeit des unabhängigen, ſorgenloſen Lebens hat 
Kuno nicht lange genoſſen. Er ſtarb in ber Pfingſtoctave, 21. 
Mai 1388 auf der Burg zu Welmich, die von feinem Borfahr 


Erzbiſchof Auns von Trier. 7 


Boemund begonnen, durch ihn vollendet, zu einem Ruheſitz er 
ſich ausetſehen. Seine Eingeweide wurden in der Pfarrkirche 
zu Welmich beigeſetzt, den Leichnam ließ Erzbiſchof Werner nach 


Coblenz bringen und dort vor dem Hochaltar von St. Caſtors 


Kirche feierlich beſtatten, wie das bezeuget durch des Monumen⸗ 
tes Inſchrift: 

Praesulis éximii jacet hic Corpus venerandum 

Cunonis, geniti per Falkenstein decorandum. 

Grande genus. Superis hunc pie junge Deus. 

Obiit anno Domini MCCCLXXAVIII. die XAI. Maji. 

„Den porgenannten Herrn Cunen vergleiche ich (Hasti TLim- 
burg.) ber Tugend, die da heiſſet Stärde. Als da fehreibet Ari⸗ 
fioteles Zidr. 3. Hihicor.: fortitudo est, agressus terribilium, 
ubi mors videtur perimere. Das folt bu alfo verfiehn:. 

Der Tugend eine heiſt Stärd, 
Die pfleget flärdliche Werd, 


Daß fie erlöß das gemeine Guth, 
Darum fo ftillt fie ihren Muth. 


Mehr follt du wiffen die Phyfionomie und Gehalt Herrn Cunen 
vorgenannt. Dann ich ihn offt geſehen und geprüfet habe, in 
feinem Wefen, und in mancher feiner Manirung, daß er war 
ein herrlich flarder Mann von Leib, von Perfon und von allem 
Gebeine, und hatte ein groß Haupt mit einer Straube, eine 
weite braune Grelle, ein weit breit Antlig mit baufenden Baden, 
ein fcharff männlich Geficht, einen befcheidenen Mund mit Gleffe 
etliher Maßen did, die Nafe war breit mit gerunden Nafen- 
löhern, die Naſe war in ber Mitten niedergebrudt, mit. einem 
groffen Kinn und mit einer hohen Stirn, und hatte auch eine 
sroffe Bruſt, und Röthel-Karb unter feinen Augen, und ſtund 
auff feinen Beinen als ein Löw, und hatte gütliche Geberben 
gegen feine Freunde, und wann er zornig war, fo baufeten und 
floderten ihm feine Baden, und flunden ihm herrlich und weiß 
ih, und nit übel, Daun Arifivteles fpricht ib. 4. Eihicor: 
non irasci quos oportet, insipientiae est. Das heiflet alſo: 


Wer nicht um Roth Born bat, 
Das en iſt nicht eines Meißen Rath.” 


Daß nicht nur ein großer Herrſcher, bag auch ein Schrifts 
fteller Kuno geweſen, lehret Brower, ohne zwar ber Alten Aus- 


— 
— — 


u 4 


XXX 


— ⸗ 


1} 





Der Bell. | | 77 


überhanpt 77 Münzen, fümtli aus des Kurfürflen Münzsfätten 
hervorgegangen. 
Kunos Nachfolger, Werner erfaufte am 25. Juni 1388 bed 

Burggrafen Ludwig von Hammerftein Antheil C/) an dem 
Zehnten zu Kunenengers und zu Sayn, und an dem Kirchenſatz 
zu Sunenengers, dann ben halben Dinghof zu Weiß zufamt '/,, 
des bafigen Frucht: und Weinzehnten um 650 gute ſchwere Gul⸗ 
ben. Werner bat auch Tängere Zeit zu Engers in ber Burg 
refidirt, und dahin den vordem zu Capellen erhobenen Rhein⸗ 
zoll verlegt, „Weilem aber die Anfahrt alldort zu unbequemlich 
und gefährlich war, fo ift er nacher Eoblenz übertragen worden. 
Die Schiffe, welche unten herauf fommen, wenn fie auch zu 
Bendorf oder Ballendar bleiben, und Engers nur paffiren, müßen 
ben Zoll zu Coblenz zahlen, bie hingegen herunter fahren und 
Engers nicht paſſiren, find zollfrey.“ Am Sonntag nad St. 
Lucastag 1479 pergönnet Erzbifhof Johann II. Hermann Pop« 
pen, Bürgern zu Engers, baß er einen Salmenfang anlegen 
möge in dem Rhein zwifchen der Sayn „und dem nidderften 
Thorne unferer Veſtenunge und Stetiges zu Engers, und nems 
lich vor Engers in Dem Strudel gegen Conrad Reubers Gehupffe”. 
Die Berleibung ift auf die Dauer von AO Jahren befchränkt, 
und fol jedesmal :der fünfte Salmen dem Zollfehreiber zu Engers 
eingeliefert werben. Am Sonntag nad) Corporis Christi 1493 
beſtimmen die erwählten Schiedsrichter, daß Dietrich: von Staffel 
und Philipp Hilgen von Lorch, und ebenfo ihre Erben hinfüro 
zu ewigen Zeiten das Patronat der Kirche zu Engers, nad Laut 
ber ihnen yon Erzbifhof Jacob ertheilten Lehenbriefe haben und 
ausüben follen.. Befagtes Patronat hatte Erzbifchof Johann ih⸗ 
nen beftritten. Ä 

Am 21. Jun. 1588 überträgt Graf Heinrih von Sayn 
das Präfentationsreht und Patronat zu der Pfarre oder dem 
Yerfonat in Engers, gegen Empfang von 1000 Goldgulden an 
Kurfürft Johann VII. „Jedoch dieweil die Kirch Bedendorf in 
unferm Gebiett und Gravefchafft gelegen, bafelbfi die Religion 
ber Augspurgifchen Eonfeffion in ublichem Prauch herbracht if, 
als haben wir und und unfern Erben jederzeit einen Pfarheren, 


76 Engers. 


foruch über des erſten Imperators literariſches Verdienſt, als von 
welchem geſagt, daß er der Schriftſteller erſter geweſen ſein wuͤrde, 
fo er nicht der erſte ber Feldherren wäre, ihm anwenden zu wollen. 
Im Gegentheil äußert Brower: Kunos Werl, Gesta Trevirorum 
betitelt, ift mit fabelhaften Berichten in guter Anzahl erfüllet, 
und durch weitläuftige Eitate aus alten Schriften beſchwert; bei⸗ 
gefügt ift ein Verzeichniß der Päpfte und Kaifer, das Ganze in 
Form einer Chronik abgefaßt, an deren Eingang ber Autor in 
folgenden Worten ſich anfündigt: Cuno de Falconis petra magni- _ 
fiea Dei providentia sanctus sanctae Ecclesiae Trevirensis 
‚Archiepiscopus, Sacri Imperii per Galliam regnumque Are- 
latense Archicancellarius, et totius Galliae et Germaniae, 
autoritate Apostolica, primus Patriarcha et Patronus. Uni- 
versis historiarum studiis insudanlibus salutem in Domino 
omnium Salvatore sempiternam, de radice ordinatissimae cha- 
ritatis. In dem Verkehr mit den hiftorifihen Schriften der Afs 
ten mag Kuno Anfichten über dag Kriegswefen, die geeignet, 
feine Siege zu erllären, gewonnen haben. Sn den Feldopera- 
tionen, nach den befchräntten Verhältniſſen ber Zeit, in dem Be⸗ 
Iagerungsfrieg feinen Gegnern gleich fürchterlich, fcheint er biefe 
Ueberlegenheit einer. ben Zeitgenoffen durchaus fremben Sorg⸗ 
falt für die Bildung feiner Fleinen Armeen, für bie Disciplin 
und bie Anwendung der Infanterie verdankt zu haben, daß er 
bemnad, gleichwie fein Zeitgenoffe Bertrand Duguesclin, gleich⸗ 
wie Robert Bruce, der König. von Schotland, als- einer der 
MWiederherfteller der Kriegsfunft betrachtet: werben müßte, wenn 
nicht Entdeckungen, fo dem Geifte ber Zeit vorauseilen, regel- 
mäßig mit dem Entdeder untergingen, 

In einer andern Wiffenfchaft hingegen fol Kuno blindlings 
dem Geift der Zeit gehulbigt haben. Daß er ein eifriger Al- 
chymiſt geweſen, wird behauptet, und einzig durch feine Erfolge 
in der Auffindung und Benugung bes Stein ber Weifen wuß⸗ 
ten bie Zeitgenoffen fich zu erklären, wie er bei ben immerwaͤh⸗ 
renden Fehden und ben vielen Foftfpieligen Erwerbungen Schäge 
häufen, Münzen in feltenem Ueberfluffe prägen laffen Eonnte, 
Bohls Münzwerk, ohne die Zufäte, befchreibt 24 Goldgulden, 


Der Bel. | 77 


überhaupt 77 Müngen, ſamtlich aus bes Kurfürſten Munzſtätten 
hervorgegangen. 

Kunos Nachfolger, Werner erfaufte am 25. Juni 1388 des 
Burggrafen Ludwig von Hammerftein Antheil C/) an dem 
Zehnten zu Kunenengers und zu Sayn, und an dem Kirchenſatz 
zu Runenengers, dann ben halben Dinghof zu Weiß zufamt ’/,, 
bes bafigen Frucht: und Weinzehnten um 650 gute ſchwere Gul⸗ 
ben. Werner bat auch längere Zeit zu Engers in der Burg 
reſidirt, und babin den vordem zu Capellen erhobenen Rhein 
z0lf verlegt. „Weilem aber die Anfahrt allbort zu unbequemlich 
und gefährlich war, fo ift er nacher Coblenz übertragen worden. 
Die Schiffe, welche unten herauf kommen, wenn fie auch zu 
Bendorf oder Vallendar bleiben, und Engers nur paffiren, müßen 
ben Zoll zu Coblenz zahlen, bie hingegen herunter fahren und 
Engers nicht paſſiren, find zofffrey.” Am Sonntag nad St. 
ucastag 1479 pergönnet Erzbiſchof Johann II. Hermann Pop⸗ 
ven, Bürgern zu Engers, daß er einen Salmenfang anlegen 
möge in dem Rhein zwifchen der Sayn „und dem nibberften 
Thorne unferer Veſtenunge und Stetiges zu Engers, und nems 
fich vor Engers in dem Strudel gegen Conrad Reubers Gehuyffe”. 
Die Berleibung ift auf die Dauer von AO Jahren befchränft, 
und ſoll jedesmal der fünfte Salmen dem Zolffchreiber zu Engers 
eingeliefert werben. Am Sonntag nad) Corporis Christi 1493 
beflimmen bie erwählten Schiebsrichter, daß Dietrich von Staffel 
und Philipp Hilgen von Lorch, und ebenfo ihre Erben hinfüro 
zu ewigen Zeiten das Patronat der Kirche zu Engers, nad) Laut 
der ihnen von Erzbifchof Jacob ertheilten Lehenbriefe haben und 
ausüben follen. Befagtes Patronat hatte Erzbifchof Johann the 
nen beftritten. 

Am 21. Sun. 1588 überträgt Graf Heinrih von Sayn 
das Präfentationsrecht und Patronat zu der Pfarre oder dem 
Herfonat in Engers, gegen Empfang von 1000 Goldgulden an 
Kurfürft Johann VII. „Jedoch dieweil die Kirch Bedendorf in 
unferm Gebiett und Gravefchafft gelegen, daſelbſt die Religion 
der Augspurgifchen Eonfeffion in ublihem Prauch herbracht iſt, 
als haben wir uns und unfern Erben jederzeit einen Pfarheren, 


78 Engers. 


ber unfer. Religion iſt, dahin zu verorbnen vorbehalten, welchem 
 jerlichs ein Fuder Weins aus bemelter Kirchenzebenden und dero⸗ 
ſelben zugehorig dritte. Theil des ganzen Fruchtzehendes bafelbft 
zu feinem, Underhalt gefolgt werben follen.” 

Im März 1633 wurde Engers, gleichzeitig mit Say, nad 
furzer Belagerung son den Schweden eingenommen, und: hatte 
der Ort überhaupt ſchwer an ben Laften bes 30fährigen Krieges 
zu tragen. Als eine leichte Entfehädigung für die während des⸗ 
felben erlittenen Drangfale mag e8 gelten, daß eine ber Berühmts 
heiten biefes Krieges, Graf Meldior von Hapfeldt, nachdem 
endlich die Ruhe wiederhergeftelt, in Engers feinen bleibenden 
Wohnfis auffchlagen wollen. Melchior befaß daſelbſt einen bes 
beutenden Hof, der nachmalen an bie Grafen von Hillesheim 
und deren Erben, die Grafen von Spee gefommen iſt, letzlich 
son bem Fürften von Naffau- Weilburg um 12,000 fl. erfauft 
wurde, und gegenwärtig dem Föniglichen Garteninſpector als 
Dienfiwohnung angemwiefen ift, 

Die von Hapfeldt, im Mittelalter Hapesveld, Hatswelt, 
Haisfelt, Holzfelt, halten als ihr Stammhaus das in Ruinen 
liegende Bergſchloß Hasfeldt, bei dem gleichnamigen Städtchen 
in dem Umfange bes großherzoglich heffifchen Landgerichtsbezirkes 
Battenberg. Gottfried von Hasfeldt befand ſich im Gefolge bes 
Grafen Heinrich von Ziegenhain, als diefer um 1214 im Buß⸗ 
Beide vor das Generalcapitel yon Gifterz trat, um fein Gut 
Aulesberg zu einem Klofter zu widmen. Ekkehardus de Hapes- 
veld wird als Zeuge genannt in einem Bertrage der Grafen 
Gottfried und Bertold von Ziegenhain mit dem Landgrafen Konrad 
von Thüringen, 25, Nov, 1233, und abermals 1245. Crato von 
Hapesvelt nimmt die Güter in Harprepteshufen und Herteshufen, 
bie fein verftorbener Bruder Eberhard (Edard) an das Klofter 
Haina verfauft hatte, in Anfpruch, bis Graf Gottfried von Ziegen- 
hain ihn beftimmt, am 12, April 1264 diefen Gntern zu verzichten. 
Craffto von Hapisfeld und Denhard von Hembach werden am 5. 
Mai 1272 von dem Grafen Ludwig von Ziegenhain mit Gütern 
zu Neilshaufen, fo Denhard yon Gerlach von Rulekirch erfauft 
hatte, belehnt. Crafto von Hatswelt fchenft die ihm lehenbaren 


Die on Hatzfeldt. 79 


Güter in Hulsbach an dus Kiofter Altenberg, 14. Nov. 1284, 
wie das u. a, durch Eckard von Hatswelt bekundet. Ein anderer, 
vielleicht auch der nämliche Crafto wird als ber Stammvater 
aller ſpaͤtern Hatzfeldt betrachtet. Gottfried von Hapfelt lebte 
1312 und 1315, Crafft son Haitfelt, .der kurmainziſche Amt⸗ 
mann zu Amönehburg, 1324 und 1325. Gostfrieb und Krafı 
haben auch 1311 das Schloß Hatzfeldt dem. Bandgrafen Otto von 
Heffen zu Lehen aufgetragen. Den 7. Sept. 1333 befannten 
Johann von Habfeldt, zugleich in feiner- Brüder Krafto und 
Gottfried Namen, dann Guntram von Hapfelbt, daß fie die Burg 
Hapfeldt, gelegen unter Mainzifcher Hoheit, fe wie auch ihre 
Burgieben zu Elenhog, Melnan, von Erzbiſchof Balduin von 
Trier, als Stiftöverwefer in Mainz, zu Lehen empfangen haben, 
und 1338, Donnerſtag nach Johannis Bapt., empfangen Erafft, 
Guntram und Crafft Gebrüder, weiland Gottfrieds von Hapfeldt 
Söhne, und Crafft, etwan Herren Graffts von Hatzfeldt Sohn, 
ihr Haus Hatzfeldt von Landgraf Heinrich von Heflen zu rechtem 
Lehen, gleicher Weife, wie das ihre Vorältern von bes Lands 
grafen Borältern gehabt, „und fo dieſes Haus den Landgrafen 
von Heſſen ewiglich offen fein, ohne allein gegen das Ersftift 
Mainz und ihre nächſten Freunde”. Den nämlichen vergönnet 
Raifer Ludwig, 1340, bei ihrer Fefte Hasfelbt eine Stadt anzu⸗ 
legen, die alfe Rechte der Stadt Frankfurt haben fol, 

Im 3. 1347, Dienftag nad Lucien, verfegen Hermann von 
Lisberg und feine Hausfrau Eliſabeth ein Drittel der Gülte zu 
Battenberg, „Haus, Stadt, Land und Leute”, um 1000 Fleine 
Guſden an Johann v. Habfeldt, Adolf von Biedenfeld und Wol- 
prahten von Terfe, Burgmannen des Stiftes Mainz. Sm J. 
1349 verſetzt Graf Otto I. von Naſſau⸗Dillenburg Ibernthal, 
Eiershauſen, Hirzenhain und Nanzenbach an die von Hatzfeldt. 
Im J. 1351 geriethen dieſe mit dem Grafen Johann von Naſſau⸗ 
Hadamar und den Limburgern, ſeinen Verbündeten, zu Fehde. 
Die zurnenden Scharen trafen. einander bei Löhnberg, und wurde 
Graf Johann gefangen mit viel fein Dienern. Und berexr 
von Limburg bfieben vier tobt, die Mächtigften in ber Stadt, 
und wurde viel gefangen (zu Kreuzerböhung 1351). „Davon 


80 Engers. 


waren die von Hatzfeld fo reich und muthig, daß fie auch balb 
Landgraf Heinrichs Feinde worden,” fagt die Riedeſeliſche Ehronif, 
eine Urfunde vom 20. Mai 1351 beweifet jedoch, daß bie von 
Hatzfeldt fchon früher an dem Landgrafen ihre Kräfte verfuchten. 
Sn derſelben verfchreibt Kuno von Falfenflein, Dompropft und 
GStiftsyormund zu Mainz, dem firengen Manne, Herrn Crafft 
von Hotsfeldt, Rittern, dem Jungen, 1325 Pfund Heller, „das 
er uns und unferm Stift zu Menge getrumweliche geholffen und. 
‚geraten hat in dem Kriege ben wir gehapt han mit dem Landts 
graven von Heffen, alſo als hernach gefchrieben flehet. Zu dem 
erſten, daz er gewunnen hat uf unfrm Hauß zu dem Efenhoge 
funffzehen Mann mit Helmen, und funffzehen mit Pantern wol 
erzeugter Rüte ein vierteil Jars zu dem vorgenanten Kriege, und 
er bat den iren Solte gegeben und bezolt yn dem Helme zwanzig 
Dfunt Heller, und yn dem Panzerer, zehen Pfunt Heller, das 
wirt zufammen fünfftehalbhundert Pfunt Heller. Auch hat er den 
Horgenanten Lüten Koft gewonnen, Bodenlone, Huffßlag, unbe 
muglih Phantlofe getan an fechshalbhundert Pfunt und funff 
und zwanzig Pfunt Heller. Auch han wir ime für fein Dienft 
gegeben zweihundert Pfunt Heller.... Dieß vorgenant Geld 
flahen wir ime uf unfer Hus zu bem Elenhoge, und bas barzu 
horet, zu deme andern Gelt, da im das Hus vor ſtehet, das ſein 
Bruder Herr Gunteram und er Brieffe hent.“ 

- Die Landgrafen empfanden höchlich der Hatzfeldt Anhang⸗ 
lichkeit zu Mainz, und fanden darin die Veranlaſſung zu einer 
Reihe von Fehden, 1351 —1360: in einer ſolchen wurde Graf Jos 
hann I. von Naſſau⸗Dillenburg, der Hatzſeldt wichtigſter Verbüns 
deter, bei Hohen⸗Solms auf das Haupt geſchlagen, der Landgraf 
gewann ihm an 70 geſattelte Pferde ab, und drang unter greu⸗ 
Yichen Verwüſtungen bis Siegen vor. Zu ſchwach, feinem Zorn 
zu wiberftehen, fuchten und fanden die von Hatzfeldt Schug in ber 
ritterlichen Gefelfhaft vom Löwen, und der Landgrafen breißigs 
jährige Fehde mit ben Löwenrittern wurde vornehmlich geführt, 
um bie Gefellfhaft für dieſen Schus zu beftrafen. Wenigflens 
eröffnete fie Landgraf Hermann 1379 mit einem Angriff auf bie 
son Hatzfeldt, als welche er eines Treubruches beſchuldigte, in 


.— m — — — — — —— 


Pie von Hatzfeldt. 81 


Betracht fle in ben vorigen Zeiten dem Grafen von Naſſau⸗ 
Dillenburg ihr Schloß geöffnet. In dem Laufe biefer Fehde be⸗ 
lagerte Landgraf Hermann unter andern die Burg Meltau, des 
ven Burgmänner durch mancherlei Pladereien den Einwohnern 
son Marburg läſtig fielen, fie wurde aber durch Guntram von 
Hapfeldt fo tapfer vertheibigt, Daß die Gevettern von Hatzfeldt unb 
die von Löwenftein Zeit fanden zum Entfag, ben fie am Montag 
nah Palmarum 1381 bewerkſtelligten. „Anno 1357 wurden bie 
von Warburg, in dem Stifft von Paderborn, bie zwey gute 
Städte (die alte und Die neue) niedergeworffen. Das thäten 
bie vom Hatzfeld, die Ritterfchafft. Und wurden gefangen bey 
hundert Mann, und bey vierkig getödtet. Die Gefangenen 
wurden log um 4000 Marf Silberd.” Den 16. Oct. 1387 ver« 
feßte Landgraf Hermann von Heffen an Krafft von Hapfeldt, 
Ritter, Guntram, Krafft und Wigand, beffen Söhne, um 130 
Pfund Heller, dag Amt Wetter, ausgefchieden fein Theil Schlof« 
fes, die Steuer und Hülfe, die er etwa von Schloß und Land 
fordern möchte, und den Burgwald, Am Sonntag nach Pfing« 
fen 1390 traten die von Hapfeldt mit Landgraf Hermann von 
Heften, mit Graf Johann I. von Naffaus-Dillendurg und mit 
denen von Breidenbach in ein Bündniß wider Graf Johann IM. 
von Wittgenflein, der auch, nach zwetiährigem hartnädigen Wider⸗ 
fand, vollftändig überwältigt wurde (Abth. AIL Bd. 1. ©. 291 
—293). „Da man fohrieb 1396, acht Tag nach Johannis Bap⸗ 
tiä, zu mitten im Sommer, ba.warff der Hertzog von dem Berg 
nieder den Herrn von Limburg, der in dem Land zu Weftphalen 
wohnet, alfo daß der von Limburg ward gefangen mehr dann. 
mit vier und achttzig Rittern und Knechten. Und das geſchahe 
in Weftphalen bey Wipperführt. Da lag nieder die befie Rit⸗ 
terfchafft, die auff der Ober Löhn gefeflen waren zwiſchen Mars 
yurg und Weplar, mit Nahmen die von Hasfeld, die Breiten- 
bad, bie Milchling und die von Bufed und andere ihre Genoffen.” 

Acht Sahre früher, 1388, Hatte Johann ber Aeltere von 
Hapfeldt fi mit Jutta, Johanns, bes Testen Herren von Wils 
denberg (geft. vor 1418) Schweſter verheurathet, und hiermit 
den Grund zur Erwerbung der wichtigen Herrichaft Wildenberg 


Rhein Antiquarius, 3, Abth. 3. Bd. 6 


8 Enger. 


gefegt, wie dann fein Enkel Gotthard, genannt ber Ruwe, ſchon 
am 28. Der. 1420 dem Erzbifchof Dietrih von Cöln die Deff- 
nung des Schloffes Wildenberg verfchreiben konnte. Die Er⸗ 
werbung war aber noch jo unvollländig, daß Simon von Birgel, 
der fic) ebenfalls einen Herren von Wüldenberg nennt, dem naͤm⸗ 
Eichen Erzbifchof das Deffnungsreht auf Wildenberg zuſicherte. 
Nur allmälig gelangten Gotthard und feine Nachfommenfchaft 
zum Befige der Wildenbergifchen Leben; fo wurde er felbft, 1420, 
Freitag nah Weihnachten, von Erzbiſchof Dietrich von Coͤln mit 
dem „Dalficheit des Dorps, Kirfpeld ind Geryhts zn Wiffen, 
mit dem Dorpe Meertin, mit deme Wyntzienden zo Blanken⸗ 
berg ind alle andere Leenen, as die adel wilen Zohan ind Her⸗ 
man Heren zo Wyldenberg 30 Leene gehalden hant“, und 1435, 
Sreitag nach Jubilate, famt feinen Brüdern Johann und Henne, 
von den Grafen Dietrich und Gerhard von Sayn mit Schloß 
und Thal Wildendberg und allem Zugehör belehnt. Manche 
Wildenbergifche Befigung ging auch ganz verloren: fo waren 
3. B. die Wildenbergifchen Leibeigenen in dem Stegenifchen. nur 
pfandweife an Raffau gefommen, und vermeinten die Haßfeldt, 
fie einföfen zu fönnen. Davon wollten aber die Grafen von 
Raffau nicht hören, und faben Johann und Gotthard von Hatz⸗ 
feldt fi gemäffigt, durch Vertrag vom 21. Januar 1448 ihrem 
Einlsſungsrechte zu verzichten, und als eine Abfindung 60 Gul- 
den Manngeld, ein Haus zu Siegen, und einige Freiheiten für 
‚ihre Höfe Achenbach, Unterthan und Oberndorf im Siegeniſchen, 
zu Lehen anzunehmen. 

Johann und Gotthard von Hatzfeldt ſtifteten die beiden Haupt⸗ 
linien des Hauſes. Gotthard, der Ahnherr der im J. 1794 ers 
fofehenen Wildenberg⸗Heſſiſchen Hauptlinie, erzeugte den Georg 
von Hapfeldt, einen Bater von vier Söhnen, beren zwei, Johann 
und Gotthard, den zwei Linien dieſes Hauptzweiges ben Urfprung 
gaben. Die Wildenberg » Heffifhe Speriallinie, aus Johannes 

Ehe mit Margaretha von Fledenbühl genannt Bürgel ſtammend, 
| befaß die Güter Hatzfeldt, Bübinghauſen und Allendorf, diefe 
beiden in der Nähe von Hatzfeldt belegen, und erlofh, Mai 1783, 
in der Perfon des Heffen-Darmfädtifpen Landrathes Friedrich 


Die von Hatfeldt. | 83 


Keil Laſimir, der ein Sohn des Freiherrn Heintich Friedrich 


Philipp von Hatzfeldt, Samt⸗Obervorſteher der adelichen Stif⸗ 


tungen in Heſſen, geſt. 3. Nov. 1766. Was von den Gütern 
dieſer Linie nicht verkauft, wurde von den Lehenhöfen eingezogen, 


Bähinghaufen insbefondere fiel der Grafihaft Sapn anheim. Im 
31407 hatte nämlih Graf Gerhard von Sayn ben Ganerben 


von Hadfeldt, zur Förderung des bafigen Burgbaues 50 Gulden 
Manngeld verfihrieben. Diefe 50 Gulden wurben 1435 mit 
' 500 Gulden abgelöfet, daher die Hatzfeldt genöthigt, folde auf 
ihre Güter zu beweifen, und ihre eigenthümlichen Höfe zu Nie⸗ 
der⸗Hatzfeldt und Bübinghaufen den Grafen von Sayn zu Lehen 
| aufzutragen. Es haben auch, als die Hatzfeldtiſche Seitenlinie 


in Rieder⸗Hatzfeldt gegen Ende des 16. Jahrhunderts erloſch, 


beſagtes Gut die Grafen als vermannt einziehen wollen, wogegen 
jedoch Heffen Einfpruch erhob, auch 1572 die Grafen von Sayn 





| befimmte, gegen Einpfang von 250 Gulden ihr Recht an Nieder 
| Hapfefbt dem Landgrafen zu überlaffen. 

Die Wildenberg-HeflensErottorfifhe, oder, nad ihrer ſpa⸗ 
tern Bezeichnung, die Trachenberg⸗Roſenbergiſche Speciallinie, 


wurde von Gotthard, dem Bruder Johanns, des Stifters der 


Wildenberg⸗Heſſiſchen Speciallinie, gegründet: er war mit Mars 


garetha von Schlig genannt Görz verheurathet und lebte 1490. 
Sein Enfel Sebaftian,: Wilhelms älterer Sohn, war Mainzifcher 
Vicedom auf dem Eichsfeld, vom Montag nad Michaelis 1605 
bis April 1616, und hinterließ von vier Frauen (die vierte, 
Anna von Neuhof, beſaß das Gut Rhade in dem Kirchipiel 
Kierspe ber. Grafſchaft Marf, welches indefien 1656 verfauft 
wurde) eine gute Anzahl von Kindern, worunter vornehmlich 
Franz, Melchior, Hermann und Lucia zu bemerken. Franz, 
geb. 13, Sept. 1596, war Domfänger und Propft zu St. Gans 


golf in Bamberg, feines Hodfliftes -Vicedom zu Wolfsberg in 


Kaͤrnthen, Domherr in Mainz und Würzburg, als bie Capitus 
laren des Hochſtiftes Würzburg ihn am 7. Aug. 1631 zu ihrem 
Biſchof erwaͤhlten, wie denn auch, nad) Johann George II. (Buchs 
von Dornheim) Ableben das Bisthum Bamberg ihm zugetheift 
worden, A. Aug. 1633. Man rühmt feine Gefchäftsfeuntniß, feine 


6 * 


a 


84 j Engers. 


Geduld in den ſchweren Leiden, welche mit den Schweden auf 
die fränkiſchen Bisthümer gekommen, ſeine Bemühungen für die 
Herſtellung des Wohlſtandes ſeiner Unterthanen. Das Waiſen⸗ 
haus zu Würzburg verehrt ihn als feinen erſten Begründer, obs 
gleich er feine mehrften Regierungsjahre ald Emigrant zu Cöln, 
in den Niederlanden und in Frankreich zubringen müffen. Er 
farb an den Folgen eines Schlagfluffes, zu Würzburg, 30. Zul | 
1642. Unter feiner Regierung erlofh mit Albrecht Chriftoph 
son Rofenberg, 1632, eines der reichften Bafallengefchlechter Des 
Hodflifies Würzburg (die yon Nofenberg entrichteten in einer 
Schasung, laut der Rechnung von 1605—1606 an den Ritters 
canton Odenwald 1435 fl.), und der Bifchof verlieh ſogleich 
befieh heimgefallene Befisungen, HaltenbergsStetten, Rofenberg, 
Schüpf und Waldmannshofen, als ein Mannlehen, mit Einnebs 
mung von vier Agnaten, feinem Bruder Melchior. 

Melchior, geb. zu Erostorf, 10. Det. 1593, trat als Jüng⸗ 
ling in fatferlihe Dienfte, in denen rafche Beförderung ihm bes 
ſchieden. Generafmajor, wurde er nach dem Prager Frieden 
mit einem nicht unbedeutenden Corps den Sachſen zu Hülfe ges 
ſchickt, und hat er mit ihnen vereinigt, bei Wittſtock gefchlagen, 
24. Sept. 1636. Die Streitenden wurden durch die Nacht ges 
ſchieden, „und weil die Kayf. und Chur⸗Sächſiſche von unter- 
fhiedenen gefangenen Obriſten, auch andern hohen und niebern 
Officieren in Erfahrung gebracht, auch felbft gefehen, daß der 
Schwedischen Referve noch nicht zum Treffen kommen, die Macht 
berfelben auch noch dermaſſen befhhaffen, daß fie mit ihren er⸗ 
müdeten Regimentern fich faft nicht mehr Baftant erachtet, bat 
ber Kayſerliche Gen. Graff von Hapfeldt in Eyl etliche Generaln 
und Obriften zufammen gefordert, und Rath gehalten, ob es 
rathſamb, den Morgen zu erwarten, oder abzuziehen: fih auch 
“ erfundigt, wie e8 mit ihrer (der Kayf. und Chur⸗Sächſiſch.) 
Artollerey und Fußvolk bewant: und als von dem Generaln der 
Artollerey berichtet, daß die Munition-Pferde faſt alle enritten, 
und dahero alle Artollerey im Feld ftehen blieben wäre, aud zu 
der KRayf. und Chur-Sächſiſchen Bortheil wider die Schweden 
gank nicht gebraucht werden Fönte: dag aud ferner die meiften 


Graf Melchior von Hatzfeldt. 85 


| Brigaden von dem Fußvolck groffen Schaden und Nieberlag ers 


‚ Titten hätten, iſt endlich für gut befunden worden, vom Plag 
abzuziehen, und fi gegen Werben zu wenden, bahin fie aud) 


felhige Nacht fortgangen, und ba fie bafelbft anfommen, bie 
ruinirte Iufantery mit Bramen über die Elb fegen laſſen, „die 


übrige Cavallery aber iſt durch die Havel gelegt, und Ihre 
Churf. Durchl. von Sachſen mit 400 Pferden naher Magde⸗ 
burg und furters nacher Leipzig kommen. Es iſt aber in ſo eyl⸗ 
fertigen Aufbruch der Kayſeriſch. und Chur⸗Sächſiſchen alle dero 
(wie auch der Churfürſtl. Durchl. Cantzley und Silber⸗Waͤgen, 
ſodann der andern beyder Kayſerlicher Gener. Graffen von Hatz⸗ 


ſeldt und Marazins) Paggagy und Artollerey (ſo in etlich taus 
ſend Wägen beſtanden) wie gemelt, im Feldt ſtehen blieben, und 
erſtlich theils von denſelben ſelbſt, ſo viel ſie rapps davon bringen 
koͤnnen, geplündert: theils aber, und das übrige alles, von den 


Schwediſchen außſpoliert worden.“ 


Hatzfeldten wurde weder am kaiſerlichen, noch am kurſächſi⸗ 
ſchen Hofe der unerwünſchte Ausgang der Schlacht beigemeſſen, 
vielmehr durch kaiſerliches Schreiben, d. d. Regensburg, 28./18. 


. Oct. 1636, ihm die Stelle eines General-Lieutenants ber faifer- 


lichen und ſächſiſchen Armee angeboten, zu deren Uebernahme er 


Sofort fi willig erklärte. Während er den Sachfen die Hut 
von Magdeburg, Wittenberg, Torgau überließ, fürchte er von 
Halberſtadt aus der Schweden fernere Fortfchritte zu hemmen, 
als wofür die flandhafte Vertheidigung der Werbener Schanze 
Am von nicht geringem Bortheil. Als diefe jedoch verloren, 


bie feindliche Hauptmacht Thüringen überfchwennmte, wich Hab» 
felbt zurüd, um im halben Nov. bei Trefurt feine Bereinigung 
mit Gößens Armee zu bewerfftelligen. Er bat hierauf den ganzen 


Winter hindurch feine Quartiere in Heffen und der Wetterau 


nicht nur behauptet, fondern auch im Febr. 1637 die Schweden 
genöthigt, die weit vorgerüdte Belagerung von Leipzig aufzu= 
heben, wovon eine Folge, daß fie Sachſen vollſtändig räum— 
ten, und gebrängt durch drei Faiferliche Heere, unter tau= 


ſend Mühfeligfeiten und Gefahren nah Hinterpoinmern ent« 
ſflohen. Der Schweden Untergang ſchien unvermeidlich, als 


86 Engers. 


Herzog Bernhards Siege am Ober⸗Rhein, eine über die Oſtſee 
gefommene VBerftärfung von 14,000. Dann, und vor Allem ber 
faiferfihen Generale Unerfahrenheit in ber Kunft, ihre Scharen 
gu verpflegen, diejenigen, welche kaum mehr fich vertheidigen Fön- 
nen, in den Stand feste, auf das Neue angriffsmweife zu verfahren. 
Hatzfeldt ſelbſt hatte früher Pommern verlaffen, um ſich dem Pfalz⸗ 
grafen Karl ludwig entgegenzuftellen, der mitteld englifcher Subfidien 
in Weftphalen ein Heer zu errichten unternommen. Die Pfälzer 
wurden bei Lemgo, 1638, auf das Haupt gefchlagen, und ließen ° 
an 2000 Todte, viele Gefangene und ihre Bagage zuräd. Einer 
ber Gefangenen, Pfalzgraf Rupert wurde dem Kaifer zugefchidt. 
Kloppenburg, Vechte und mehre Orte fielen in Hatzfeldts Ges 
walt, ganz Weftphalen ſchien beflimmt, feine Beute zu werden, 
da überſchwemmten Banners zuchtlofe Scharen das, unbewachte 
Böhmen, und mußte, vor dem gleihen Schidfal Mähren und 
Deftreich zu bewahren, Hatzfeldt eilends nach Sachſen ziehen, 
1640. Im folgenden Jahre verließ er, um nicht unter Gallag 
zu fiehen, ben faiferlichen Dienft ; als furbayerifcher Generals 
major nahm er Dorfen an der Lippe, dann in. Thüringen 
Heldrungen, Mansfeld u. |. wm. Er befand fih im Anzug, feine- 
Bereinigung mit Lamboy zu bewerfitelligen, als dieſen fein Uns 
fern in die Schladht auf der Kempener Heide verwidelte, 
7. Januar 1642. Mit ihr ging beinahe das ganze Erzftift 
Eöln verloren, bag Hasfeldt des Sommers beften Theil ver⸗ 
wenden mußte, um ben Weimarifchen ihre Eroberungen, we⸗ 
nigftens dem größten Theile nach zu entreißen. Im J. 1643 
fland er den Franzofen unter Guebriant entgegen, und nahm er 
wefentlihen Antheil an dem gewaltigen Siege bei Duttlingen. 
Halberfiadt und Ofterwied hatte er 1644 erobert, da wurbe 
er durch Mercys Niederlage bei Freiburg zum Rheine gefordert, 
obne Doch zeitig genug eintreffen au fönnen, um Philippsburg 
oder Mainz zu retten. 

Wie Galas abermals ein Heer zu Grund gerichtet, und 
bierauf der furchtbare Torftenfon Böhmen heimfuchte, wurde 
Hapfeldt von dem Kaiſer zurüdgerufen, um die neu gefammelten 
Streitkräfte, die letzte Hoffnung, zu befehligen. Hasfeldt fland 


Graf Meldisr son Hapfelht. 87 


im Lager bei Pifek, nur durch die Watiawa von ben Schiveben 
getrennt, als dieſe, Angefichts feiner, zwifchen Worlif und Klin« 
genberg über die Moldau festen, und bie Hauptitadt Prag mit 
Schrecken erfüllten. Der Katfer gebot feinem unvorfichtigen oder 
allzu worfichtigen Feldherren zu fchlagen, und Hapfeldt, der nun 
ebenfalls die Moldau überfchritten hatte, ereilte feinen Gegner, 


ber zunähft nur den Entfa von Ollmütz zu bezweden fchien, 


bei Zanfau im Kaurzimer Kreife. Es fam den 6. März 1645 
zu der Abth. I. Bd. 1. ©. 150 — 151 beſchriebenen Schlacht. 
Hagfeldt felbft gerieth in Gefangenfchaft, das gleihe Schickſal 
erlitten 3000, 2000 Dann geriethen in Gefangenfhaft. Als 
endlich der Frieden wiebergefehrt, Hatzfeldt feinen ländlichen 
Aufenthalt in Engers bezogen, wirkte er fehr thätig zu ber Coad⸗ 
jutorwahl in Trier, zu der Revolution, welche die Gewalt in 
des Coadiutors Hände gab, dann wurde er nochmals an bie 
Epige der Faiferlichen Heere berufen. Er befehligte die 1657 
ben Polen gegen Karl Guſtav zugefendete Hülfsarmee, und be— 
ſchloß feine militairifche Laufbahn in der glänzendſten Weife 
durch die Einnahme yon Krakau. Daß damals Polen durch 
die bewaffnete Faiferliche Intervention gerettet worden , ift eine 
unläugbare, wenn auch durch Deutfhe und Polen; wetteifernd 
ſecretirte Thatſache. Um. ſo größerer Lärm wirb von wegen bes 
Wiener Entfates 1683 geſchlagen. Bei jeder Gelegenheit müffen 
wir davon hören, obgleich die paar taufend Dann, über welche 
Johann Sobieski verfügte, von fehr mäßigem Einfluffe auf den 
Bang der Dinge geweſen fein werben, obgleich fie gleich nach 
dem 12. Sept., alfo im vollen Siegesraufhe, am 7. Det. 1683 
bei Parkan die ſchwere Niederlage erlitten. „Befagten Tag ließ 
der König in Pohlen dero Avantgarde fehr früh unter Com⸗ 
mando des Grafens Denhoff, Woywode von Pomerellen, den 
Feind recognosciren, und folgte ſelbſt noch vor Ankunfft der 
Rayferlichen Armee, weil er etwa alleins ohne der Teutſchen 
Beyhülffe denen Türden gewachſen zu feyn vermepnte, benfelben 
nah. Es ftieffen aber die Bohlen, aus Begierde zur Beute 
eiliher Ochſen, fo ihnen die Türden als eine Lock⸗Speiß aufs 
geſetzt, auf einen bey einem Gebüfch verftedten Hinterhalt von 





88 wu Engers. 


viertaufend. Mann ; und weil befagte Avantgarde eilfertig mar⸗ 
fhlerte, und in lauter Unordnung auf die Beute zueifte, gieng 
felßiger auf fie Toß, und ſchlug fie mit Berluft des Gtaffens 
Denhofs und heynahe zweytaufend Mann, zurück. Mit dem Reſt 
giengen die Türcken den Pohlen in die Slanquen, und bradten 
die gante Armee, die in lauter. Confusion war, in bie Flucht. 
Der König ſelbſt war mit feinem Pringen in gröfter Lebens⸗ 
©efahr, und mufte fih nur mit etlichen Perfonen salviren. Es 
würde ber Schade noch gröffer gewefen feyn, fo ber Hertzog von 
Lothringen denen voraus eilenden Pohlen nicht wäre zu Hülffe 
gefommen, und in gefchloffener Ordnung die Türden mit eigen 
Salven bewillfommet, und fie zurue gejagt.” 

Melchior von Habfeldt ftarb als Faiferlicher Geheim⸗ und 
Kriegsrath und General⸗Lieutenant zu Powitzko bei Trachenberg, 
unverheurathet, den 9. Januar 1658, und wurde zu Prausnitz 
beigeſetzt. Sein eigentliches Grabmonument aber befindet ſich in 
der Wallfahrtskirche zu Laudenbach, unweit Mergentheim. Der 
Verſtorbene, in vollem Harniſch, ruhet auf einem Parabes 
betie, an deſſen Seiten die Schlachten abgebildet, fo er ben 
Schmeden geliefert hat. Sn der Hölung des Grabmalg werden 
fein Herz und Bart aufbewahrt; das Monument, in Alas 
bafter ausgeführt, ift in hohem Grade fehenswerth. Melchior 
befaß nicht die glänzenden Eigenſchaften feiner Vorgänger im 
Commando, aber auch nicht ihre Laſter: unnütze Graufamfeiten, 
unmenfhliche Erpreffungen ließ er niemals fih zu Schulden 
kommen. Der Erpreffungen bedurfte er um fo weniger, da feine 
Stellung, als Bruder eines der mächtigften Reichsfürſten, und 
die Gabe, ſich allerwärts beliebt zu machen, ihn auf leichtere, 
auf minder gehaſſige Art Reichthümer finden ließen. Bon vielen 
Seiten ber flrömten ihm die Gnaden zu. Sein Bruder, der 
Fürfibifchof, verlieh ihm nicht nur die Herrfchaften Haltenbergs 
Stetten und Rofenberg, dann das frhöne Waldmannshofen, ſon⸗ 
bern verpfändete ihm auch 1641 um 30,000 Rthlr. den mit dem 
Abſterben derer von Finfterlohe an das Hochſtift Würzburg ges 
diehenen Markifleden Laudenbach, mit den dazu gehörigen Ort⸗ 
haften Dungendorf, Hagen und Steigerbach. Kurfürk Anfelm 





— — — — ——— — — — — 


Graf Melchier von Habfelbt. 89 


Kaſimir von Mainz beiehnte ihn und- feinen Bruber Hermann 
am 30. Zul. 1639 mit allem demjenigen, fo durch ber Grafen 
yon Gleichen Ausfterben dem Erzftift anheimgefallen, mit der 


Burg Gleichen felbft, und mit den Herrſchaften Blanfenhain und’ 


NiedersKranichfeld. Von dem Gefamthaufe Sadıfen wurde er 
mit dem 1637 beimgefallenen Lehen Maßbach, wozu außer dem 
Marktfleden biefes Namens, bei Lauringen indem Würzburgifchen, 
auch theifweife Die Dörfer Voͤlkershauſen, Poppenlauer, Weich- 
thängen, und ein Antheil an bem wichtigen Getreides und Wein 
jehnten zu Zeil gehörten, beſchenkt. Bon dem Kaifer endlich wurde 
er 1641 mit der bedeutenden Herrfchaft Trachenberg in Schleſien 
begnadigt, auch am 6. Aug. 1641 zufamt feinen Brüdern in bes 
ER R. Grafenftand, mit dem Prädicat Graf von Bleichen 
und Hagfeldt erhoben: die 1641 und 1654 angeftellten Berfuche, 
auf dem KReichstage, wegen Gleihen Sig und Stimme zu neh⸗ 
men, fiheiterten jedoch an dem Widerſpruche von Sacfen- Weis 
mar. Dagegen erhielt der Graf 1654 von bem Kaifer das 
Recht, goldene und filberne Münzen zu prägen. 

Melchior, ber ſelbſt noch fein Gut Burgfried, in dem bayeri⸗ 


(hen Gericht Neuen-Detting an bie von Richel verkauft hatte, 


Rarb ohne Teftament, und maßte fein Bruder, Graf. Hermann, 
geb. 12. Zul. 1603, fih der ganzen Berlaffenfchaft an, wogegen 
aber, in Bezug auf Trachenberg, lebhaften Widerfprud erhob 
ſeine an Bertram von Neffelrode feit 1634 verheurathete Schwefter 
Lucia (geft. 1670). Sie gründete fi darauf, daß ber Faifer- 
liche Donationsbrief ausdrücklich den weiblihen Agnaten bie 


Lehensfolge zugefichert hatte, und es entflanden meitläuftige 


Nehtshändel,, in deren Verfolge Hermann , Faiferlicher Reichs⸗ 
bofratp und Obriſt, im Det. 1677 mit Tode abging. Vier 
Yahre fpäter, 1681, erfolgte der von dem ſchleſiſchen Fürften« 


techt beftätigte Ausfpruc des Neichöfammergerichtes zu Speier, 


vermöge deſſen die Herrſchaft Trachenberg getheilt, und zur 
Hälfte denen von Neffelrode zuerkannt wurde, während bie an⸗ 
dere Hälfte Hermanns Söhnen, Heinrich und Sebaftian blieb. 
Der jüngere, Sebaftian, gefl. 1696, fliftete‘ die Rofenbergifche 
oder fränfifche Linie, die fhon mit deffen Söhnen Johann Hugo, 


0 Engers. 


Domherr zu Trier, geſt. 1718, Karl Kaspar, ber als k. k. Haupt⸗ 
mann in Ungern blieb 1716, und Lothar Franz, geſt. 1722, 
als kurpfälziſcher Geheimrath, erloſchen iſt. Die Herrſchaft Ro⸗ 
ſenberg, zuerſt an den deutſchen Orden verpfändet, wurde nach⸗ 
malen an das fürſtliche Haus Löwenſtein verkauft. 

Heinrich, Sebaftians älterer Bruder, erhielt in der Erbs 
theilung die Herrſchaft Trachenberg, daher feine Linie bie 
Trachenbergifche heißt, und farb zu Raczlow in Polen, den 15. 
Aug. 1683. Seine Wittwe, Katharina Elifabeth yon Schönborn, 
erfaufte 1698, im vormundichaftlichen Namen, den aus bem 
Städihen Prausnig und 14 Dörfern beſtehenden Neſſelrodiſchen 
Untheil der Herrfchaft Trachenberg, wogegen fie 1699 das Lehen 
Maßbach an die von Roſenbach veräußerte; fie Harb 1707. Ihr 
äftefter Sohn Franz, k. k. Geheimrath, geb. 1676, erbte 1722, 
nad Abgang der Rofenbergifchen. Linie, die Herrfchaft Halten 
berg⸗Stetten, erfaufte 1731 die wichtige Herrfchaft Diafchfowig, 
in dem Leitmeriger Kreife von Böhmen, und flarb zu Breslau, 
ben 21. Febr. 1738. Sein füngerer Sohn, Karl Friedrich Anton 
Graf von Hagfeldt, geb. den 14. Sept. 1718, war Domberr zu 
Mainz, refignirte, trat inf. k. Civildienſte und flarb den 5. Sept. 
1793, als wirklicher Geheimrath, geweſener birigirender Staates 
minifter der inländifchen Angelegenheiten, des goldenen Vlieſes 
Ritter und des St. Stephansordend Großkreuz. Außer dem 
Schloffe Ersttorf und dem dazu gehörigen Antbeil von der Herrs 
ſchaft Wildenberg befaß er auch Diafchfowis, auf deſſen Gebiete 
zu Podſedieze er 1770 zu beflerer Benugung eines der inters 
effanteften Erzeugnifje feiner Herrfchaft eine Granatenfabrif an- 
legte, daneben erfaufte er den 21. Det. 1780 von dem Grafen 
von Morzin die Herrſchaft Unter-Tufawerz, Klattauer Kreifes, 
um 425,000 fl. Er wurde von feinem Brudersfohne, dem Fürs 
fien Friedrich Karl, feine Wittwe, bie Gräfin Johanne Charlotte 
Sriderife son Oftein, verm. 16. Nov. 1755, von dem Grafen 
von Baffenheim beerbt. Franz Philipp Adrian, des Grafen 
Franz ältefler Sohn, geb. 2. März 1717, wurde von König 
Friedrich II. von Preuffen, unmittelbar nad) ber Eroberung von 
Schleſien in den fchlefifchen Fürftenftand (31. Ort. oder 7. Nov. 





Pie FSürften von Hatzfeldt. gi 


1741) und bie biöherige Stanbesherrfchaft Trachenberg zu einem 
Fürftenthum erhoben, erhielt auch am 25. Mat 1748 von Kaifer 
Franz I. die veichsfürflihe Würde. In dem fiebenjährigen 
Kriege mußte er Vieles leiden: das Schloß zu Tradhenberg, auf 
deſſen Berfehönerung er große Summen verwendete, wurbe mehr⸗ 
mals geplündert, er felbft im J. 1758 von den Ruſſen aufges 
hoben und nach Preuffen geführt; das Laudonifche Bombarbement, 
1760, vernicdhtete den Hatzfeldtiſchen Palaft in Breslau, und mit 
bemfelben ein fehr wichtiges Archiv, eine der reichſten fchlefifchen 
Bibliotheken, eine noch vorzüglichere Gemäldefammlung und eine 
biefer an Werth gleihfommende Gewehrfammer. Dafür erbaute 
der Fürft den neuen Hasfeldtiichen Palaſt, eines der ausgezeich⸗ 
neteften Gebäude jener Zeit, in erhabenem Styl. Er ftarb den 
6. Nov. 1779, von Bernhardine Maria Terefa, des Grafen 
Johann Franz Bonaventura von SchönbornsWiefentheid Tochter, 
verm. 22. Nov. 1764, geſt. 7. April 1780, einen einzigen Sohn 
binterlaffend. Diefer, Friedrich Karl Franz, geb. 7. Aug. 1773, 
Band unter der Bormundfhaft des Weihbifhofs von Rothlirch, 
als welcher ſich durch die Aufräumung der Bartich, mit Aufwand 
von mehr denn 40,000. Rthlr., unvergängliches Berbienft um dag 
Fürſtenthum Zrachenberg erwarb. Nach dem Ausfterben ber 
heſſiſchen Linie wurde von Seiten bes Fürften das Stammgut 
Hapfeldt in Anfpruch genommen, die ihn darüber 1783 ertheilte 
Belehnung blieb aber ohne Folgen, weil eigentliche Lehensobjecte 
nit mehr vorhanden, wohl aber beerbte er 1793 feinen Vaters⸗ 
bruder, den Grafen Friedrih Karl. Der Fürft felbft farb uns 
vermäblt, 23. Mai 1794. Gleichen, famt ben Herrfchaften 
Blanfenhain und Nieder⸗Kranichfeld, zufammen damals jährkich 
ungefähr 20,000 Rthlr. eintragend, fielen an dag Erzſtift Mainz, 
Haltenberg-Stetten, welches ein reines Einkommen von 30,000 fl. 
abwarf, an das Hochſtift Würzburg, der Antheil Wildenberg an 
die Betteen von ber andern Hauptlinie zurüd. Die Pfandfchaft 
Laudenbach wurde von Würzburg eingelöfe. Alles Uebrige, 
Trachenberg, Dlaſchkowitz, Unter-Rufawerz, gab des Fürften Tefta- 
ment feinem Oheim, dem Grafen Damian Hugo Erwin Franz 
von Schönborn Wiefentheib, 


92 Engers. 


Gotthard, der Stifter ber Wildenberg-Heffen-Erottorfifhen 
Speciallinie, hatte, außer Wilhelm, noch einen jüngern Sohn, 
Georg, der es in verfchtedener Herren Dienfte bis zum Obriften 
brachte, und von zwei Frauen, Anna von Steinbach und Urfula 
yon Neuhof, neun Kinder hinterließ. Die ältefle Tochter zweiter 
Ehe, Maria, geb. 15. Nov. 1561, wurde im J. 1580 mit Luds 
wig von Hirſchhorn verheurathet, und iſt jene Frau von Hirſch⸗ 
born, deren geboppelte, ungewöhnliche Fruchtbarkeit Abth. L 
Bd. 2. S. 209 beſprochen. Ihr füngerer Bruder, Bernhard 
yon Hapfeldt, erzeugte in der Ehe mit Barbara yon bem Broel 
genannt Pater, neben andern Kindern, einen Sohn, Heinrich 
Ludwig, der 1630 als Faiferlicher Obrift und Commandant in 
Noftod ftand. Dahin folgte ihm ein Advocat aus Osnabrück, 
Jacob Barmayer, früher ein wohlhabender Dann, beffen Eigen 
thum aber von des Obriften Regiment beinahe gänzlich verwüflet 
worden. Barmayer fuchte mit dem von Habfelbt einen Verkehr 
anzufnüpfen, ging unter manderlei Vorwand bei ihn aus und 
ein, und mwurbe leglih als ein Hausfreund betrachtet. Eines 
Tages follte der Obrift den für ihn ausgefertigten Pag unter- 
fhreiben, Barmayer trat hinter feinen Stuhl, hieb ihm, ber fi 
zum Schreibtifch beugte, mit einem. Beile den Kopf ab, padte 
benfelben in ein Tuch und trug ihn nach eines. Rathsherren. Haus, 
wo er das Corpus delieti hinter einen Kaſten warf, Unterbeffen 
wurde ber Mörder verfolgt, ergriffen, auf bie Folter gelegt, 
und hat er, Allen unvermuthet, auf- folcher. ben Geift aufge- 
geben. Heinrid Ludwig war feit 1603 mit Philippa von Eis 
verheurathet 5 fein einziger Sohn Wolf Heinrich fand den Top 
auf dem Schlacdhtfelde, fein Bruder Georg farb als Dechant au 
- Fulda und Propft auf dem Neuenberg. 

Johann I., ber Ahnherr der Wildenberg- Wildenbergifchen 
noch beftehenden Hauptlinie, kureölniſcher Marſchalk in Weſt⸗ 
phalen, vermählte fi 1441 mit Katharina von Dradenfels, 
Sein Sohn, Johann IT, geft. 1508, wurde in der Ehe mit 
Maria von Nefelrode ein Bater son fieben Söhnen, wovon 
Johann TIL. die Speriallinie in Weisweiler, Franz jene in Mer« 
ten und Hermann jene in Werther begründeten. Sohann II. 


Pie heutigen Grafen von Hahfeldt, 25 


erheurathete mit Johanna von Harff die vordem in bem Gefchlecht 


— — —— — — — —— 


derer von Palland geweſene, ſehr bedeutende Herrlichkeit Weiß⸗ 
weiler, zwiſchen Düren und Eſchweiler. Seines Urenkels Johann 
Wilhelm Söhne Wilhelm Heinrich, Herr zu Weißweiler, und 
Johann Adrian, Domberr zu Trier 1634 , erhielten den gräf- 
lichen Charakter. Wilhelm Heinrichs Sohn, Adolf Alexander, 
ftarb ben 2. Det. 1721, als Furpfälzifcher Kanzler, von Amalia 
Maria Barbara von Palland drei Söhne hinterlaſſend. Der 
ältete, Edmund Florentius Cornelius, Herr zu Wildenberg, 
Weißweiler und Palland, geb. 1674, war k. k. Generalfeldmar⸗ 
fhallsLieutenant , ſodann Furpfälzifcher General der Cavalerie, 
Generalfriegsceommiflarius, Gouverneur von Düffeldorf, bes St. 
Hubertusordens Großcommandeur, und ſtarb den 27. Januar 
1757, feine Wittwe, die Gräfin Iſabella Maria Anna von Wins 
felhaufen, mit welcher die ausgedehnten Befigungen ihres Haufes 
an die Hasfeldt gefommen find, den 25. Jun. 1762, fein älteſter 
Sohn, Karl Eugen Innocentius, Turpfälziicher Geheimrath, 
Dberhofmeifter der Kurfürſtin, SJülichifcher Landmarſchall, auch 
Oberamtmann zu Däffeldorf, Efchweiler und Wilhelmftein, den 
21. Januar 1785. Diefes Sohn, Edmund Gottfried Wilhelm 
Enrnelius, Graf von Hapfeldt .zu Weißweiler, Herr zu Calcum, 
Binfelbaufen, Morz, Heiligendonf, Rhemberg, Kaldenberg, 
Haſſelrath, Bovenberg und Bongarden, auch zu Wildenberg, 
Waldmannshofen, Mierlo und Tinray in Gelderland, zu Kings 
weiler Ceine fehr bedeutende Befigung unweit Efchweiler), Land» 
marſchall in Zülih und Berg, Amtmann zu Düffelborf, Eſch⸗ 
weiler und Wilhelmftein, bat, fo ich genau berichtet bin, das 
herrliche -Weißweiler und Palland an den Fürften von Bretzen⸗ 
heim verkauft, dagegen auf Erlöfchen der alten fürftlichen Linie, 
Baldinannehofen in Franken, unweit Kreglingen und der Tauber, 
famt anderen Lehenftüden geerbt. Sein Sohn, Graf Edmund, 
Standesherr auf Wildenberg-Schönftein, kön. preuffifcher Kam⸗ 
merherr, geb. 28. Dec. 1798, ift in der Ehe mit des Fürften 
Franz Ludwig von Hapfeldbt Tochter Sophie, verm. 10. Augufl 
1822, ein Vater von drei Kindern geworden. 


94 Engers. 


Die Speciallinie in Merten, von Franz, dem mitilern ber 
Söhne Johanns U. abftammend, erloſch in beffen Urenfeln, 
Daniel, gefl..1681, und Franz Ludwig, ein Franziscanermoͤnch. 
"Der beiden Schwefter, Lucia Ehriftina, vermählte Scheiffarb von 
Merode, betrachtete fich als Yniverfalerbin, gerieth aber darüber 
mit den Bettern von der Linie in Werther in einen weitläuftis 
gen Proceß, und mußte diefen durch Vergleich die in dem Ber⸗ 
gifhen Amt Blanfenberg belegenen Güter Merten und Allner 
abtreten. Hermann von Hapfeldt, Johanns IE. dritter Sohn, 
Droft zu Bilftein und Waldenburg, geft. vor 1546, erheurathete 
mit Anna Drofte von Weghaufen das Rittergut Werther, in bem 
Ravensbergifchen Amt Sparenderg. Seiner Söhne ältefter, Jo⸗ 
hann Iebte 1546 ala Gogreve zu Bielefeld, Kaspar war Deutfch- 
ordens Ritter und Comthur zu Zwägen, Sebaftian Domherr zu 
Osnabrück, Wilhelm Domberr zu Paderborn, Heinrich Chorherr 
zu St. Alban in Mainz; Hermann, kurcoͤlniſcher Rath und Droft 
zu Balve, wurde 1585 von dem Kurfürften Erneſt von Eöln, 
ex nova gratia, wie es in bem Lehenbriefe heißt, mit Schön«- 
fein, in dem Umfange des cölnifchen Amtes Neuerburg (das 
dazu gehörige Kirchfpiel Wiffen war indeffen vorlängft Hatz⸗ 
feldtifch gewefen) belehnt. Hermann, dreimal verheurathet, 
hinterließ von Eliſabeth von Rollingen zwei Söhne; ber eine, 
Dietrich, wurde nah Winolts von Plettenberg Tod, zum Propft 
von Scheda erwählt 1599, in der Nacht vom 26./27. Aug. 1601 
durch bolländifche Freibeuter aufgehoben und mit ſchwerem Gelde 
eingelöſet, erkrankte aber in Folge ber erfittenen Mißhandlung 

und ftarb den 12. Mär; 1602. Indem fein Bruder Daniel 
ebenfalls unbemweibt, fiel Schönftein an Johanns, des Gogreven 
zu Bielefeld Sohn Adrian, der mit einer von Schüngel verheu⸗ 
vathet. Adrians Enfel, Melchior Friedrich Gottfried, auf Wers 
ther, Schönftein und. Wildenberg, der feit 1671 mit Marta Bars 
bara von Fürftenberg verheurathet, erwarb burch Vergleich Mer⸗ 
ten und Allner. Diefes Enfel, Karl Ferdinand, geb. 17. Det. 
1712, kurcölniſcher Geheimrath und Oberhofmarfhall , des St. 
Michaelordens Großkreuz, geft. den 25. Aug. 1766, wurde in 
feiner Ehe mit Maria Anna von Benningen (verm. 1754, geft. 


Die Gräfin von Eondenhoven. | 05 


31. Maͤrz 179) ein Vater von zehn Kindern, darunter bie 
' &öhne Clemens Auguft, Hugo Franz und Lothar Franz, dann 


ime Sophie, geb. 21. Jan. 1747, welche mit dem Freiherren 


Ludwig von Eoudenhoven, bem furmainzifchen Feldmarſchall⸗Lieu⸗ 


— —— — — — — — — — — — —— — — —— — 


tenant und Capitain der reitenden Leibgarde verheurathet, am 
13. Jul. 1786 Wittwe geworden iſt. Den 13. Oct. 1790 wurde 
fie famt ihren Söhnen in den Reichsgrafenſtand erhoben, es if 
auch von ihr mehrmalen in dem Antiquarius Rede gewejen, 
„BD. Abth. I. Bd. 1. S. 99 und 101. Im 3. 1791 fol über 
der Tafel Kurfürſt Friedrich Karl von Mainz einen franzöfifchen 
Emigranten gefragt haben: ‚‚avez vous vu ma Favorite ? 
worauf der Fremdling erwiderte: ‚j’ai soupe avec elle hier.“ 
Der Kurfürft, welcher fein Luſtſchloß, die feitbem von der Erbe 
verihiwundene Favorite, an dem Sübende yon Mainz im Sinne . 
gehabt, fing eine andere Rede an. 

Auch gelegentlich eines Studentenaufruhrs hatte die Gräfin 
son Eondenhoven zu leiden, aus welchem Grunde weiß ich nicht. 
Der Aufruhr ſelbſt galt einer Berlegung ber afademifchen Frei⸗ 
beiten. Das fogenannte "Paradies oder die Gallerie im Thea⸗ 
ter war von jeher unbeleuchtet geblieben, und wurde daher, und 
auch aus öconomiſchen Gründen, vorzugsweife von Studenten 


beſucht, die dann nicht verfehlten, einen magnetifchen Einfluß 


auf die Töchter des Landes, die fehönen Bürgersmäddhen zu 
üben. Einſtens, daß es etwas unruhig an ber dunfeln Stelle 


zugegangen, fiel ein Stod von der Gallerie hinab in das Par- 
tere. Er wurde aufgehoben, und erregte durch feine Befchaffen« 


beit großes Auffehen : bis zum Kurfärften gelangte die Meldung 
von dem Arrolithen, und der Herr. empfand nicht geringe Ber 
wunderung,, daß unter dem Publicum der Gallerie dergleichen 
fofibare Stöde, ein ſpaniſches Rohr mit ſchwerem goldenem 


| Knopfe, gäng und gäbe. Es wurde eine förmliche Inquifition 


um den Eigentbümer des Stodes angeordnet, und als folcher 
ber reiche Hr. Hermes von Trier ermittelt. Daß ein junger 
Mann diefes Gepräges die Gallerie befuchte, ſchien dem Kur⸗ 


 fürflen in hohem Grade verdächtig, ein Uebel, deſſen Dafein 
er argwöhnte, mit der Wurzel auszurotten, verorbnete er, ins⸗ 


96 Ä Engers, 


fünftige bie Gallerie zu beleuchten. Dem beſtimmten Gebot 
war nicht auszumeichen, aber buch die Beleuchtung ließ ſich 
Bruder Studio in feinem hergebrachten Recht nicht ſtören. Er 
behielt, der Anmwefenheit des Kurfürften zu Trotz, während der 
ganzen Borftellung den Hut auf dem Kopf. Das nahm als 
perfönlihe Beleidigung Friedrich Karl, und es wurde bei Strafe 
geboten, daß männiglich, fobald. der Kurfürft feine Loge beireten 
würde, den Hut abzunehmen und barhäuptig zu bleiben habe, 
bis dahin berfelbe den Saal verlaffen werde... Diefe zweite 
Neuerung wurde noch ungünftiger denn bie erſte von ben durch 
fie Betroffenen aufgenommen , doch fchienen fie dem Unabwend- 
baren fih zu fügen. Hell beleuchtet. war die Gallerie, zue Stelfe 
gelangt die gefamte afademifche Bevölferung : eg öffnete fich die 
Thüre ber furfürftlicden Loge, und im Augenblif wurden alle 
Hüte gezogen, daß fi offenbarten die Darunter geborgenen Schlaf⸗ 
mützen. In unbefihreiblicher Aufregung verließ Friedrih Karl 
das Theater, und es wurden bie. firengfiien Maasregeln gegen 
die Rebellen verfügt , viele Studenten verhaftet, welde zu bes 
freien ihre Commilitonen wiederholte gewaltfame Berfuhe an⸗ 
ſtellten, auch, wenn ich mich recht erinnere, bie Gräfin von Cou⸗ 
benhoven aufzufangen unternahmen,. um durch fie der Gefange⸗ 
nen Entlaffung zu erhalten. Die Gräfin flarb zu Paris, Den 
21. Mai 1825. Sie befaß zu Rübesheim ein ſchoͤnes Gut, 
insbefondere der Brömfer eigentliches Wohnhaus, mit dem mans 
cherlei alterthümlichen Hausrath, auch Hornau, bei Epftein, alles 
wohl Bettendorfifhes Erbe. Des von Coudenhoven Mutter wird 
eine Bettendorf gewefen fein, gleihwie Maria Eva von Betten 
dorf des Kurfürften Friedrich. Karl Mutter gewefen if. Die 
hieraus entfpringende Berwandifchaft. erklärt der Gräfin Bes 
giehungen zu dem Kurfuͤrſten, auch den Umftand, daß. die Ehr⸗ 
thalfchen Stammgüter, namentlid das fchöne Leuzendorf im Can 
ton Baunach, an die Coudenhoven fielen. Es find die Erniture 
de Eoudenhoven von Herkunft Xüttiher oder Brabänter. 

Siemens Auguft Graf von Habfeldt, geb. 9. Jun. 1743, 
k. k. und furcöfnifcher Geheimrath, Generalstieutenant und Haupt⸗ 
mann ber Trabanten-Leibgarde, farb zu Bonn, 16. Sept, 1794, 


Für Stanz Sarnig son Gahfeldt, 97 


Ja der Ehe mit einer Gräfin von Zierotin, verm. 1773, geh. 


31. Dec. 1813, war ihm bie einzige Tochter Maria Terefa, 


nachmalen vermählte Gräfn von Salm⸗Dyck, geboren worden, 


Hugo Franz, geb. 17. Nov. 1755, Domfcholafter zu Worms, 
Domherr zu Hildesheim, Großherzoglich Frankfurtifcher Ges 


heimrath, außerordentlicher Gefandter und bevollmächtigter Mis 


uiſter zu Berlin und Dresden, farb den 6. Der. 1830. Los 


— — — — 0... 


— — — — —— — — — — — — — — — — 


thar Franz, geb. 18. Mai 1759, kurmainziſcher Kämmerer, Ges 


neralmaivr und Gardehauptmann, mußte reſigniren und ſtarb 
den A. Dec. 1798, aus feiner Ehe mit einer Gräfin von War⸗ 
tendleben bie einzige Tochter Marin Anna Louife binterlaffend. 
Geb. 1784, Hat diefelbe den Baron von Anthes, auf Blatz⸗ 
beim im Oberelfaß geheurathet. Franz Ludwig, Herr zu Schön« 
fein, Wildenderg, Merten und Allner, Mitherr bes Stuhls 
gerichtes zu Debingen, geb. 23. Nov. 1756, befehligte als kur⸗ 


nainziſcher Generalmajor das der Reichsererutionsarmee im Lüt« 


tihifchen zugefendete Contingent, um deffen Berrichtungen N. 
Müller in feiner gewöhnlichen Wuth gegen Alle, die nicht mit 
ihm gleicher Gefinnung , folgendermaßen fih ausläßt: „Das 
Ganze war der Schandpfahl eines niederträchtigen Fürftbifchofe 
von Lüttich, Das unverdiente Unglück braver Patrioten ; die uns 
menfchliche Hundehetze zufgmmengeprügelter Exefutionstruppen ; 
offenbare Ungerechtigkeit der großen Zwingheren des Reichskam⸗ 


mergerichts, dabei ein wahres Schmachbild der verfauften Mains 


zer Soldatesfa (1600 ſtark) unter dem Kommando bes Helden 
Hatzfeld und eines ihm ähnlichen, fo unwiflenden als feigen Ge⸗ 
neralſtaabs. — Ein Held if ja in allem groß und folglih auch 
im Schreden! — Diefes ift die Devife, welche bie Fahnen ber. 
Mainzer Exefutionstruppen hätte ſchmücken müſſen.“ 

Durch das Ableben feines Bruders Clemens Augufl zum 


Bes der Stammgüter berufen, refignirte Graf Franz Ludwig 
179, jest furmainzifcher Geheimrath und Feldmarfchallstieutes 


want, um als Generalmajor in preuffifhe Dienfte überzugehen, 
Diefe hat er vermuthlich gefucht, damit er den Rechtsſtreit mit 
dem Grafen.von Schönborn um fo bequemer überwachen könne. 


Allerdings war ber im J. 1794 verfiorbene Zürft von Hatzfeldt 


Rhein, Antiquarius 3. Abth. 2. Bd. 7 


98 ’ Engers, 


nicht berechtigt, über Das Fuͤrſtenthum Trachenberg durch Teftament 
zu verfügen, allein es ſchien Das Erbfolgerecht der Linie in Mer⸗ 
ten doch ebenfalls manchem Zweifel ausgefest, und der von dem 
Grafen Franz Ludwig erhobene Proceg wollte Teinen Fortgang 
gewinnen, bis dahin ihm am 1. Dec. 1799 des Staatsminifters 
Grafen von der SchulenburgsKähnert jüngſte Tochter Friderike 
Karoline angetrauet worden. Am 20. Aug. 1802 nahm er in 
Gefolge des. ergangenen Erfenntniffes Befig von Trachenberg, 
tm 5%. 1803 wurde er von R, Friedrih Wilhelm LEE. in den 
Fuͤrſtenſtand erhoben. General-Lieutenant 1802, erhielt er 1806 
das Gouvernement von Berlin, mit weldem bis dahin fein 
Schwiegervater beffeidet geweien. Ald Converneur. hatte er bie 
fchmerzliche Pflicht, das bei Jena über die Armee gefommene 
Unglüf zu verfündigen, und that er das in einer Proclama⸗ 
tion, deren Schlagworte: „Ruhe ift die erfie Pflicht bes Bür⸗ 
gers”, feitdem fo oft angerufen worden. Er biieb auch nad 
dem Einzug der Franzofen auf feinem Poften, unterhielt aber 
mit dem Fürften von HohenlohesIngelfingen einen in ben Augen 
bes Eroberers gar fehr ihn compromittirenden Briefwechfel. Auf 
die Anficht eines feiner Briefe wurde er von dem franzöfifehen 
Kriegsgericht zum Tode verurtheilt. Seine Begnadigung zu er⸗ 
bitten, warf die Kürftin fi dem Kaifer zu Süßen, er reichte 
ihr den unglüdlichen Brief zum Lefen dar, ob fie in dem Augen⸗ 
bit zum Leſen vermögend, weiß ich nicht, daß fie Iefe, ſcheint 
auch nicht eigentlich Napoleons Abficht geweſen zu fein, wohl 
aber gab er ihr, die mechaniſch das Papier zwilchen den Fingern 
zerfnitterte, ein Zeichen, was damit zu thun. Sie warf, Den 
Wink verfiebend,, das Document in das Kaminfeuer, und bie 
Begnadigung war, da fein Corpus delicti mehr vorhanden, facz 
tiſch ausgeſprochen. Im J. 1807 quittirte der Fürſt den Mili⸗ 
tairdienſt, um ſich der Diplomatie zu widmen. Er ging 1818 
als Geſandter nach dem Haag, 1822 nach Wien, und daſelbſt 
iſt er den 3. Febr. 1827 mit Tod abgegangen. Seine Wittwe 
ſtarb den 21. Der. 1832. Sie war eine Mutter von nenn Kin⸗ 
bern geworden, darunter doch nur bie Söhne Friedrih Her⸗ 
mann Anton und Maximilian; von den Töchtern wurde Die 


Die Hatzfeldtiſchen Befltungen. 9 


äalteſte, Louiſe, an den aus dem unruhigen Jahr 1848 dm Rhein 
vortheifhaft bekannt gerworbenen General Roth von Schreien» 
Rein, eine andere, Sophie, an den Grafen Edmund von Haß» 


feldt verheurathet. Graf Maximilian, geb. 7. Zun. 1813, außers 


ordentlicher Gefandter und bevollmächtigter Miniſter zu Paris, 


iR in der. Ehe mit dev Gräfin Pauline von Caftellane der Vater 


des einzigen Sohnes Franz geworden. Hingegen bat Friedrich 


 sermann Anton, Zürft von Hatzfeldt, geb. 2. Oet. 1808, Beſitzer 
des Fuͤrſtenthums Trachenberg, auch der Güter Baͤrsdorf und 
Guſchwitz, Mitbeſitzer der Standesherrſchaft Wildenberg und 


Schoͤnſtein, aus zwei Ehen vier Kinder, 
Die Herrfchaft Wildenberg, an der Sieg, zwifchen Alten- 


lirchen, Blanfenberg und Siegen gelegen, enthält auf 1'/, 


DMeife mit 2730. Einwohnern, die Schlöffer Wildenberg (das 


Ober⸗, Mittel⸗ und Unterſchloß) und Erottorf, die Dörfer Thal« 


Bildenberg, Frieſenhagen und Birken, 239 Höfe (im 3. 1785 


me 146, nämlich 123 einfpännige und zu Handdienſten vers 
bundene, und 23. boppelfpännige Pachthöfe), 9 Mühlen, 3 Hütten, 
8 Bergwerfe, Bon ben 239 Höfen gehören 188 der regierenden 
Familie, die auch von den 5356 Morgen Wald 5263 eigenthümfich 
 befigt, die übrigen 51 Höfe und 93 Morgen Wald befinden fich 


im Privatbefise. Die Einwohner find beinahe durchaus herrs 
ſchaftliche Temporals oder Erbbeftänder, ein Berhältniß, das in 


ber neneften Zeit zu einer Maffe von Proceſſen, theitweife noch 


ſchwebend, geführt hat. Seit dem 3. 1491 ift die Herrſchaft, 
ven Grundflüden nach, getbeilt, früher unter die drei Linien, 
jest nur mehr unter die Linien Werther-Schönftein und Weiß⸗ 


Weiler. Laut der Erbeinigung von 1598 bilden Wildenberg und 
Schoͤnſtein für ewige Zeiten ein untheilbares agnatiſch⸗cognati⸗ 
ſches Familienfiveicommig, mit Vorzug des Mannsſtammes, und 


gilt dabei Das Recht der Erfigeburt, nach der Ordnung der Li⸗ 
nealfolge. Zu alfolhem Fideicommiß gehören überdies zwei 
Fideicommißcapitalien, yon 100,000 Gulden fränfifch das eine, 
von 30,000 Rtihlr. bas andere. Die Herrſchaft Schönftein, 
dem Zürften allein zuftändig, und beffen Antheil Wildenberg 
hat die Tönigliche Cabinetsordre som 9. Juni 1821 zu einer 


7* 


200 . Eugers. 


Standesherrſchaft Wildenberg-Schönftein vereinigt, und auf ſolche 
die föniglichen Berorbnungen vom 21. Jun. 1815 und 30. Mal, 
den Zuftand der Standesherren, im Sinne ber deutſchen Bundes⸗ 
arte, betreffend, anwendbar erflärt, doch mit Ausnahme beffen, 
‚was barin feflgefegt in Abſicht auf Ehenbürtigfeit, Hoffnung zu 
Eurialftimmrecht in dem Plenum der Bunbesverfammlung, Ber 
freiung ber ftandesherrlichen Domainen von der Grundſteuer, Ers 
bebung und Verwendung ber directen Steuern, bürgerliche Rechts⸗ 
pflege in zweiter Inftanz, Ehrenwache, das Prädicat Wir, und 
den Aufträgal-Gerichtsftand in peinlichen Sachen der Familien- 
häupter. Sene Regel und die Ausnahme begründen für Wildens 
berg- Schönftein eine abfonderliche Art von Standesherrlichfeit. 
Durch Befimmung som 15. März 1825 hat der Fürft eine Viril⸗ 
fiimme bei dem erften Stand der rheinifchen Provinzialſtände er- 
halten. Die Herrſchaft Schönftein an ſich enthält auf °/, Meile 
1634 Einwohner, das Schloß und Dorf Schönftein, das Pfarr 
dorf Wiffen, das Dorf Seelbach (Kaiſer Ferdinand TIE. beſtä⸗ 
tigte 1655 denen von Hasfelbt das Reichsprotertorium in Seele 
bad), 52 Höfe, 3 Rupferbergwerfe. Das Fürftentbum Traden- 
berg, etwan 61/, DMeilen groß, und durch fruchtbaren Boden 
ausgezeichnet, umfaßt, außer den Städtchen Trachenberg und 
Prausnig, 47 Dörfer. Der Hatzfeldt Stammmwappen ift ein 
gedoppelter Hausanfer im goldenen Felde, | 

Zu Zeiten des Kurfürften Franz Georg wurbe Engers, we⸗ 
niger zwar bie Bevölkerung als die daſelbſt waltende Behörde, 
vielfältig durch ein Unternehmen der Nachbaren in Neumieb be 
unruhigt. Engers war nämlich der Sig bes Amtes Bergpfleg, 
welchem, außer Kunen⸗ oder Zolls-Engers, auch die auf dem 

linken Rheinufer belegenen Ortfchaften Sebaftian-Engers, Kahl 
Engers, Urmüg, Weißenthurm, Kettig, Kärlih, Mülheim, Bu⸗ 
benheim, Ruͤbenach, Metternich, Güls, Keffelheim, Wallersheim 
zugetheilt. Auf dem Rhein erftredte ſich des Amtes ober des 
Kurfürftentbums Gebiet noch etwas über die Landgrenze hinaus, 
„maßen gleich unter dem Weißenthurm das Kurcöolniſche Terri⸗ 
torium feinen. Anfang nimmt, . die Hoheit auf dem Rhein aber 
bis an die Nette, auf dem Rhein felbft ganz bis auf das Neu⸗ 


Die fliegende Prüche bei Weuwied. 308: 


wiebifche Ufer bis an ben Weißen Stein unterhalb dem Neu⸗ 
wiediſchen Ort Fahr, derhalb auch die Hoheit auf beyden auf 
dem Rhein gelegenen Infulen, deren eine gegen Urmig, welche 
zue Halbfcheid zu ber Kellerey Engers, zur andern Halbfcheid 
dem Flecken zugehörig ifl, auf der andern, fo gegen dem Wei⸗ 
Benthurm gelegen, und dem Grafen von Hillesheim zugehörig 
iR, ganz behauptet wird. 

„Wegen der Hoheit auf dem Rheinfluß find verſchiedene 
Strittigfeiten zwifchen dem Ersftift Trier und Cöln entflanden, 
jo dag dieſe Sache enblih an den Reichshofrath gebiehen iſt. 
Die Brude gab den Anlaß hierzu: der Graf von Neuwied er⸗ 
richtete Diefe, und Tiefe fogar felbte an einen auf der Spike des 
Hillesheimiſchen Werth eingefchlagenen Pfahl anhangen, welcher 
auf die von dem Amt gemachte Anzeige, aus befonderm gnädig« 
ſtem Befehl hinweggeriffen wurde. Man fahe, daß dieſe Brude 
der Stadt Coblenz nicht nur, fondern dem ganzen Land fhädlich 
ware, benn die Fuhren aus dem Niederland faſt alle dort über« 
‚ giengen, und das hohe Erzſtift meibeten. Es iſt dahero alles 
angewendet worben, gedachte Brude hinweg zu. bringen, es ſetzte 
bie größte Berbitterung zwifchen Kurtrier und Cöln ab, fo daß 
die Communication gänzlich abgefihnitten worben iſt. In dem 
Sahre 1744 flunde die damalige öfterreichifche Armee hinter ber 
Veſtung, dieſe mufte, weilen theils die Franzoſen oben herunter 
ruckten, theils weilen Ihro Kurfürftl. Gnaden Franz Georg hödft- 
feeligen Andenkens die Neutralität nicht zu brechen, unter ben 
Kanonen der Beftung fie nicht Länger dulden Fonnte, einen fihern 
Drt hinter der Wiedbach bei Jrlich juchen, bis endlich Die Eng⸗ 
linder am Weißenthurm über eine gefchlagene ftehende Brude 
giengen, ſich mit der öfterreichifchen Armee vereinbarten , und 
anf Dettingen zurudten, fo wurde von dem Kurfürft Franz Georg 
der gnädigfte Befehl ertheilet, daß die Neuwiediſche Brude fort⸗ 
geſchaffet würde. Alles wurbe angewendet, und man flellte end⸗ 
ih dem Herzog von Aremberg vor, daß die Franzofen Teiche 
von Meß herunter fallen, und über biefe Brude gehen, fort der 
Armee in den Ruden fallen könnten. Auf diefes wurde ber Bes 
fehl ertheifet, die Brude hinweg zu nehmen, und auf Mainz zu 


10% — Engers. 


führen; Hiermit ware der Proceſſ auf einmal aufgehoben, und 
genieget nicht nur die Hofrentkammer, fondern aud Stadt Cob⸗ 
fen, fa viele Unterthbanen den gröflen Nuten.” 

Wichtigeres hat fih für Engers unter ber Regierung bes 
Kurfürften Johann Philipp ergeben. Kine Feueröbrunft Tegte 
einen großen Theil bes Ortes in die Afıhe, daß der Kurfärft, 
neben den reidhlichen, den VBerunglüdten gefpendeten Unterflügun- 
gen, fih veranlagt ſah, die Vorkehrungen zu dem Umbau bes 
ganzen Ortes zu treffen. Außerdem lieg er den präcdtigen, von 
Kuno von Falfenftein erbauten Thurm, diefes ſtattliche Monu⸗ 
ment, zufamt dem ihm angeflebten burglichen Bau :abreißen, um 
an die Stelle, von 1753 an, das im franzöfifchen Geſchmack 
aufgeführte Schloß zu fegen. Es trägt daffelde an mehren Stel« 
Ien bis auf den heutigen Tag des Erbauerd Wappen. 

Abth. II. Bd. 3. S. 478 ff. babe ich umſtändlich von 
bes Kurfürften Geſchlecht, von dem reichsgräfliden Haufe von 
Walderdorf berichtet, Abth. I. Bd. 1. S. 610-646 eine von 
Meifterband entworfene Skizze feines Privatlebens gegeben, ich 
mag mic daher bier auf des Kurfürften Sffentlihe Wirkſamkeit 
befchränfen. Den 24. Mai 1701 geboren, war er von der Wiege 
an, und nach dem Gang feiner Erziehung dem geiftlichen Stande 
befimmt. Domberr zu Trier 1718, Capitular in St, Albans 
Ritterſtift zu Mainz 1730, Propſt zu St. Paulin bei Trier 17. 
Aug. 1736, Generalvicarius 1739, wurde er 1742 zum Doms 
dechant erwählt, und leiftete er als folder im April befagten 
Jahres das Jurament. Zugleich wurde er mit der Statthalter 
ſchaft zu Trier beffeivet. „Bey dem herannahenden Alter bes 
Ehurfürftens Franz Georg, gebohrnen Grafens von Schönborn; 
wurde auf deſſen Beranlaffung eine Coadjutor⸗Wahl zu Trier 
angeftellt, und hierzu der 11. Zul. 1754 angelegt. ALS diefer 
Tag angebrochen, hatte ber Baron von Walderborf das Glück, 
von dem hochwürdigen DomsCapitul einmüthig zum Coadjutor 
bes Erz⸗Biſthums Trier mit der bamit verbundenen Succeffion 
in ber Churfürftl. Würde erwählt zu werben. Diefe Wahl fand 
bey allem Bolfe Beyfall, weil er während den 12 Jahren, da 
er die Stadthalterfchaft verwaltet, durch feine Huld und rühm⸗ 


Aurfürſt Johann Philipp von Trier. 103 


| Ken Juſtiz⸗Eyfer fi) bey jederman Liebe und Hochachtung er⸗ 


worben. Den 24. Aug. erhub ihn der Kaifer zum Fürften und 


Ast zu Prüm und den 13. Det. ber Pabft zum Erzbifchof von 
Jatraſſo. Den 15. Jun. 1755 ließ er fi Erzbifchöfliche Weyhe 


geben, und da ber alte Churfürft den 18. Jan. 1756 bag zeit⸗ 


ige verließ, trat er fogleih bie Churfürftliche Regierung an, 
Er veifete den 21. Febr. von Eoblenz nad Trier.” 
„Anheut den 24. Februarii 1756 (welcher Monat fi in 


ben Viebreichfien Dionat May verändert hatte, jo fröhlig war 





ber Himmel, fo günftig die Sonne, fo zart bie Lufft) if Johann 
Philipp Morgens eitff Uhren zu Schweich an der Moſel, in 
Begleitung des Freyherrn von Beyſſel, Dhom-Stiffts Capitularn 
und Vicarii Generalis, ſodann bes Oberftallmeifters Freyh. von 
Boos zu Waldeck und Montfort, bes Freyh. von Spangenberg 


Geheimden Rathten, Herrn HoffeGanglern yon Münch zu Bel» 


lingshauſen, angelanget, wofelbften der Sit in ber Behaufung 


ber Abtey St. Marimin durch den Prälafen empfangen, und 
wit einem prächtigen Mittagmahl regaliret wurde, Nach wels 
dem Er über eine von den Trierifchen Stadt-Schiffleuthen ges 
ſchlagene Schiffbrücke hinüber paſſiret, fort anhero die Reyß 
ſorigeſetzt hat. Auf gedachter Schiffbruͤcke haben die Schiffer⸗ 
geſellen und Knechte ganz weiß gekleydet geſtanden, in ihren 
Haͤnden blau und weiß angeſtrichene Haacken habend, mittelſt 
welchen fie ein gantzes Gelender zu beypden Seithen ausgemachet. 


Die Bauren aus denen dahier angrenzenden Aembtern waren 


den gantzen Weeg hindurch, faſt drey Stunden ausmachend, auf 


lepyden Seithen der Landſtraßen geſtellt, jo allerhand Spielwerke 


vor und bey ſich gehabt. Zu Schweich, auf der Quint, einer 
Eiſeuſchmitt, zu Ruwer und Thiesburg, zu Pfalzel und hinter 
ver Abtey St. Marimin waren Stüde und Böllern gepflanzt, 


fort von felben beftändig canoniret worben, wobey fidh aber hies 


ſiges Stadtgeſchütze von ben Bollwerfen beftändig hören laſſen. 

„Bor der Feld-Pfort, wo die Bauren abgelaffen, waren 
die Studiosi mit ihren fliegenden Fahnen poſtiret; hernächſt drey 
hiefiger Junggeſellen Compagnien, worunter eine Grenadiers 
Compagnie war; bemmächft bie hiefige Stadt⸗Freyſchuͤtzen Com⸗ 


N 


104 | Engers. 
pagnie mit fliegenden Fahnen, Trommeln und Pfeiffen und 
Muſik. Hernacher flunden immediate vor der St. Simeons⸗ 
Pforte die Bürgermeiftere mit dem Stabt-Magiftrat in Män- 
teln; fofort binnen der Stadt bie übrige Burgerfchafft mit ihren 
fliegenden Fahnen, Trommeln und Pfeifen, ECompagnieenweis 
im Gewehr zu beyden Seithen rangiret — bis zum Pallaft, in 
weldhem die Churfürftl, Leib-Garde mit Pauden und Trompeten, 
und die übrige Soldatesca paradirte. Der Wagen des Chur⸗ 
fürflen wurde von zwey Burger-Compagnien zu Pferd (wovon 
eine Hufaren-Compagnie) begleitet, alle ftattlich equipiret und 
uniformiret mit koſtbaren geſtickten Zstandarts. Diefer beyder 
Eompagnien Officiers waren Severini, des Raths und Wollen« 
webermeifter, und zwar der blau und roth montirten Nenter 5 
der Hufaren aber Cramer, des Raths und Obermebgermeifter. 
Die Juriften der Univerfität hatten fih alle en Couriers gekley⸗ 
det mit vor ſich blafenden ſechs Poftilliong ; diefe feynd ‚mit den 
beyben Reuter Eompagnien Morgens mit dem biefigen Statt 
halter und Ober-Chorbifchoffen Freyh. von Quadt zu Buſchfeld, 
als Deputirter des Dohm⸗Capitels, nach Schweich abgegangen. 
„Demnach iſt der Ehurfürft in folgender Drbnung dahier 
gegen Abend fünf Uhren angelanget. Erfilih Fam die erfte 
Burger Reuter-Compagnie; dann drey Churf. Wagen mit ben 
&avaliers und Officianten, bernacher der Wagen, worin ber 
Ehurfürft faß, welchem immediate zuvor die Zuriften. als Couriers 
mit den ſechs biafenden Poſtillons vorritten; auf beyden Seithen 
giengen bie Schiffs⸗Knechte in obbefchriebener Montur; glei 
hinter dem Wagen folgte bie Burger Hufaren-Eompagnie. An 
der St. Simenns-Pfort wurde der Churfürft durch Stadt⸗Syn- 
dieum Severini, Nahmens bes Stadt-Magiftratd und der Bur⸗ 
gerfchafft complimentiret, und dann die Stadt-Schlüffelen prä 
-fentiret — und zwar auf einer großen, flarf vergoldeten ſilber⸗ 
nen Schüffel, welche die Stadt-Weinröder trugen. Der Fürft 
übergab die Schlüffelen wieder mit folgenden Worten: „„Die 
Ung zu feberzeit von Unferm Stabt-Magiftrat und Burgerichafft 
ber Stadt Trier bezeigte befondere Devstion und Liebe veran⸗ 
laffet Uns, Burgermeifteren, Scheffen und Rath dia Stadt -Schläfs 


Aurfürk Ichaun Yhilipp von Geier. 205 


felen anzuvertrauen in ber gänglichen Zuverſicht, biefelben wer« 
den, gleichwie bey unfera Vorfahren am Erzftifft rühmlich ges 
ſchehen, fortfahren, ihre aufrechte Treue zu dem gemeinen Stabte 
Wohlſeyn fortfegen. Wir verfiheren, daß Uns dieſes Wohlſeyn 
befonders zu Hergen gehe und. lieb feye.”” Worauf der Magis 
frat und alle anwefende Bewohner der Stadt mit heller Stimme 
und ans Herzensgrund ihr Yivat riefen, und damit continuirten, 
bis der Ehurfürft im Pallaft angelommen war, wo er vom Dhom⸗ 
Capitel beneventirt wurde. | 

„Donnerſtag den 26. Februarii erfihienen im Pallaſt ber 
Dhom⸗Dechant von Boos, und ber Ober-Chorbifhoff von Duabt, 
als des Dhom⸗Capitels Deputirte in habitu clericali. Auch er⸗ 
fhienen der Dhom-Syndicus Counet, und der Secretarius Staabt, 
und im verſchloſſenen AudienzeZimmer wurde die Gapitulation 
verlefen, vom Churfürften unterzeichnet, auch vor Crucifix und 
Lichteren beſchworen. Hierauf verfammelte fih der Stadt⸗Ma⸗ 
giftrat in der Dhom⸗Kirche, fo wie alle hiefige Abteyen, Stiffter 
und Clöſter Ordinum Mendicantium. Rad dem feyerlichen Ambt 
der heiligen Meß, erfchienen bie genannten Deputirte des Dhom⸗ 
Sapitels im Pallaft, um den Fürften ad actum inthronisationis 
einzuladen. Bey diefem feyerlichen Zug in feinem Staatswagen 
zur Dhom⸗Kirche war der Erzbifhof mit einem ſchwarzen Talar 
und Chor⸗Rock von Spiten befleidet, ein fchwarz ſammet Biret 
in der Hand haltend. Als man an ben Dhom gekommen war, 
warteten bafelbft vor ber Kirhen-Thür der Suffraganeus ab 
Hontheim in Pontificalibus, mit gefambtem Dhom⸗Capitel in 
habitu chorali, ben Aebten von St. Marimin, Echternad, St. 
Matthias, St. Martin, Mettlach, Tholey und Himmerod in ha- 
bitu ordinario, fambt dem gantzen Stadt⸗Trieriſchen Glero_sae- 
eulari et regulari.” Der Weihbiſchof trug eine wohl gehaltene 
Inteinifche Rede vor, die mit ber Trage ſchloß: Num Populus 
magis salvum velit Principem, an Princeps Populum ? 

„Hoc dicto, trat der Erzbifcheff in den Dom. Binnen 
der Kirche an ber Thüre veichete der Decanus das Aspergillum, 
und der Archidiaconus major incenfixte hierauf. Dann wurde 
Eminentissimo per Thesaurarium L. B. Breidbach de Bürres- 


108 . Gagers, 


heim, Welter Praebendato et Subeustode ministranie, angelegt 
mit einem Vesper⸗Mantel ober Pluvial von Goldſtück. Der 
Decanus reichete eine brennende weiße Wachs⸗Kertze. Nun 
wurde ber Exzbifchoff unter einem Baldachin, welches die vier 
ältefte Rathsſcheffen Coels, von Bodden, Hartman und Helling 
in rothen Mäntelen trugen, geführet durch die Kirche zum hoben 
Chor, und bis zum hoben Altar. Ohmmittelbar voran giengen 
brey Domicellaren in habıtu chorali neben einander, als nembs 
lich Freyh. von Keffelftatt das Erzbifchäflihe Creutz, Graf von 
Baſſenheim die Mitre, Freyh. von Wareberg dag Pedum tra⸗ 
gend, vor biefen aber gieng Freyh. von Wiltperg, Hoff⸗Mar⸗ 
ſchall, mit dem Schwerd in der Scheide. Nach einigen Ceremo⸗ 
nien intonixte ber Suffraganeus ab Hontheim den Ambrosiani- 
fhen Lobgeſang. Te Deum finito gieng der ganze Zug zu Fuß 
— der Erzbifchoff unter dem Baldachin mit der Kerze in der 
Sand — zum Pallaſt zurück. 
„Der Churfürft hatte den 27. Februarii beftimmt als Hul⸗ 
digungs⸗Tag. Die Steipe, ein fo genanntes Stadt⸗Hauß auf 
dem Mare gelegen, war vom Piedestal bis oben mit einer 
Architectur-mäffiger Mahlerey und fonfligen fchönen und Eofts 
baren Drnaten verfeben, worvor eine Bühne aufgerichtet war 
mit einer breit Ovalsrunden Stiegen in ber Mitten und mit 
zweyen an denen Seithen. Die Bühne und Stiegen waren mit 
rothem Tuch belegt, fofort mit koſtbaren Tapeten gezieret, und 
befeget mit einem Baldachin zwey Stappel bach, unter welchem 
ein koſtbarer Lehn⸗Seſſel pro Hminentissimo. Die Burgermei⸗ 
ftere, Scheffen und Rath hatten ſich pofliret vor ber mittel Sties 
gen, binter ihnen und umher bie Burgerſchafft Zunfftweiß mit 
ihren Stangen und Schilder. Die Freyfchügen Compagnie pas 
rabirte hinter dem Marck⸗Brunnen. Alles war fill und in feis 
ner Ordnung.” Der Kanzler ſprach zu der Berfammlung, „und 
zwar in befter Redensarth. Der Aydt wurde verlefen und in 
die Hände des Fürften geleiftet, und zwar zuerft yon den Bur⸗ 
germeifteren und dem Rathe, worauf die Zünfte, die Bruder⸗ 


fchafften, und zufegt die Dlivianer , heiligen Creuz und Löwen- 


brüder Heimburgere. Der Churfürft ließ der Burgerſchafft ein 


KAurfürf Johaun Philipp von Grier. 197 


Geſchenk von drey Fuder Wein und fünfzig rihlr. reichen. Hier⸗ 
auf fuhr Johann. Philipp zum Pallaſt zurüd. Der Stadt-Ma- 
giſtrat folgte in corpore bem Wagen, und an bem Schlage rech⸗ 
ter Sand gieng der ältere Burgermeifter Hermes, und ber Consul 
Helling Linker Hand, fort ihre Hände an gedachte Schläge hals 
tend, Und biefes gefchahe unter befländigem Pauden- und Trom⸗ 
petenfchall, Sanoniren und Fivatrufen von fung und alt. Des 
Abends war Illumination. Um diefe zu fehen, begab fi der 
Churfürft zur Steipen, und nahm das daſelbſt vom Stadt- Mas 
giſtrat angeftellte Soupe. Auch ließ der Magifirat unter dem 
Bold ein Fuder weißen und ein Fuder rothen Weins Tauffen, 
wodurch die Burgerfchafft ganz Freudenvoll wurde,” Schließlich 
beichloß der Magiftrat: „Obgleich es ein alter Gebrauch fey, 
dem neuen Ehurfürften bey feiner Ankunft in Trier zwey Fuder 
Bein zu verehren; ba der Churfürftl. Keller aber bermalen mit 
Bein wohl verfehen fey, fo wolle er flatt des Ehrenweins bem 
Ehurfürften hundert Dufaten in Gold verehren.” 

Den 7: März empfing der Kurfürft das von Rom übers 
ſchikte Pallium, den 15. März die Hulbigung der obererzſtifti⸗ 
fhen Aemter, den 29. März verließ er bie alte Hauptflabt, um 
Kh zu Waffer wiederum nach Coblenz zu begeben. Die erfte 
Nacht brachte er in Exröff zu, wo er am folgenden Tage bie Huls 
bigung einnahm; den 1. Aprif hielt er zu Eoblenz feinen feiers 
lichen Einzug. Den 18. Mai ließ er ſich von ber bafigen Bürs 
gerfhaft, und den 20. im Thal, auch von ben Aemtern des 
Untererzftiftes die Huldigung leiften. Den 10. Juni traf er zu 
Limburg ein, wo bes Empfanges Herzlichfeit- beinahe die Feier 
überbot, fintemalen die von Walderborf yon Alters her den Lim⸗ 
busgern, unter deren Augen ber Kurfärft aufgewachfen, ein Gegen⸗ 
‚ Rand der Verehrung. Alſolcher Einzug und ebenfo jener zu Eoblenz 
werben in eigenen Druckſchriften beichrieben. Am 11. Juni ging 
die Huldigung vor fich, bis zum 22. verweilte der Kurfürft, unter 
befändiger Abwechslung von Luftbarkeiten, in feiner Bäter Haufe, 
ben 26. traf er wiederum zu Ehrenbreitflein ein. Bereits am 
23, Sehr. 1756 hatte er verordnet, „daß in Dero gantzem Eruftifft 
offentlich⸗ allgemeines Gebett forderfamft ausgefehrieben, und in 


208 Engers. 


jeglicher Stiffis⸗ Pfarr⸗ und Cloſter⸗Kirchen ein hohes Ambt mits 

tels ausfegung bes Hochwuͤrdigſten Guths abgehalten, forth bie 
unerfchöpffliche Göttliche Güte um langiährig⸗ und fegenvolle Ertze 
Biſchof⸗ und Landes = Herrliche Regierung Ihro Ehurfürftlichen 
Gnaden, mithin um reiche Berleyhung des darzu erforderlichen 
Gnaben-Beyftands unabläßig angeflehet werde.” Am 27. Nov. 
1756 führte der Kurfürft feinem Erzſtift das fogenannte Ewige 
Gebet ein, mittels im Drud erlaflener Verfügung, bie betitelt: 
Gelobt feye alle Zeit, aller Orthen und ohne End 
Christus Jesus im Hochwürdigſten Sarrament, 
Ewige durch alle Tags» und Nahts- Stunden des 
ganzen Jahre fortdauernd immerwährende Berehrung 
und Anbettung des Göttlichen unbefledten Lamm uns 
feres Liebreihen Herrn und Heylands Jesu Christi 
im Allerheiligfien Altar8sSacrament burd das ganze 
Land, Belagte ewige Anbetung kommt bereits in ber älteften 
Kirche vor, namentlich in den Klöftern der Thebais und der 
Wuͤſte vom Todten Meer, Sie nad Eonftantinopel, in St. 
Sophienkirche zu übertragen, erließ Kaifer Juſtinian mehre Vor⸗ 
fohriften. Im Deeident waren um ihrentwillen das Klofter 
Agaunum, St. Moriz, im Wallis, dann Remiremont, unweit 
ber Quellen der Mofel, berühmt; dort aber, wie zu Agaunum, 
befchränfte fie fich auf bie Flöfterliche Gemeinde. Zu Remiremont 
waren die 84 Ehorfchweftern in fieben an Zahl gleiche Banden 
geordnet, und biefe Banden Löfeten einander regelmäßig ab, fo 
bag feinen Augenblid, weder bei Tag nod bei Nacht der Gots 
tesbienft unterbrochen. Eine ähnliche Einrichtung Ternte der große 
Fürftsifchof von Würzburg und Bamberg, Friedrih Karl von 
Schönborn, in Rom Iennen, und hat er fie von bannen nach 
Würzburg gebradt. Das in Würzburg gegebene Beifpiel wurde 
ſehr bald zu Mainz nachgeahmt, fpäter zu Trier, niemals zu 
Coln. Laut der von Johann Philipp erlafienen Befimmung 
nimmt dad Ewige Gebet feinen Anfang im Dom zu Trier den 
* 4. Januar, Morgens um 5, und mwähret. bei offener Thüre big 
Abends 6 Uhr. Bon 5 Uhr Abends bis 6 Uhr Morgens wirb 
es bei verfchlofienen Thüren in dem Klofter St. Irminen fort« 


e Aurſürſt IJs haun Yhitipp son Grier. 4109 


geſetzßt. Am’2. Januar kommt es nach ber Riebfrauenfirche, für 
die 13 Tagſtunden, und für die Nacht nach der Abtei St. Maris 
min, und fo macht es vom. Neufahrs- bis zum Silveſtertage bie 
Runde durch das ganze Erzftift, Luxemburg und Lothringen aus⸗ 
genommen, fo daß jede Pfarrkirche. einmal an die Reihe kommt, 
während bie Klöfter viermal im Jahr den nächtlichen Dienft abe 
zubalten haben. Am 31. Dec. wird es in Anfehung der Tagftunden 
zu Bickenbach und Halzenbach, für die Nachtſtunden in dem Hospital 
zu Limburg befchlofien. Zu Coblenz war Dienft am 1. Auguft, 
von Morgens A bis Abends 7 Uhr, in ber Liebfrauenkirche Cin den 
Nachtſtunden zu Prüm in ber Abteilirhe), am 2. Aug. zu St; 
Caſtor, am 3. zu St. Florin, am 4. in der Hoffirhe, am 5. 
in der Seftungspfarre auf Ehrenbreitftein, am 6. im Thal Ehrens 
breitftein. Die Klöfler zu Coblenz, Dominicaner, Franziscaners, 
Jefniten, Sarmeliten, St. Barbara, St. Martin, St. Katharina 
son Senis, Karthaufe, Capuziner im Thal wurben betroffen im 
Februar, Mai, Auguf und November. Seit Aufhebung ber 
Klöfer ift der Andacht eigentliche Abſicht, daß Jahr aus Jahr 
ein, ohne Unterbrechung eines Augenblids, das Alterheiligfte 
Sacrament des Altars verehrt werde, nicht mehr zu erreichen, 
und follte Das noch heute in den Pfarrkirchen abgehaltene Ewige 
Gebet eigentlich das 1Aflündige Gebet heißen. Bei ber Eins 
führung hatte Johann Philipp einige Schwierigkeiten zu bes 
feitigen, „daher das Werk etwas verzögert geblieben,” heißt es 
in bem Refeript vom 4. Dec. 1760, „fo gereichet Uns jeboch 
nunmehro zu wahrem Trofte, die Anordnung biefer Heil und 
Seegen bringenden Andacht fo weit bermahlen gediehen zu fehen, 
daß damit der Anfang in dem einflehenden Neuen Jahre in Uns 
ſerer Dohm⸗Kirchen zu Trier gemachet, und fo weiter nach ber 
zum Druck beförbderten Eintheilung im ganzen &rz- Stift mit 
dem feften Vertrauen fortgefahren werben Tünne, daß hierdurch 
bie jegt eine geraume Zeit über bie Ehriftenheit, infonders bag 
heilige Reich Teutſcher Nation gezüdte göttliche Straf-Ruthe 
abgewendet, und bie bey fo lang nun andaurenden bitteren Krieges 
Läuften getrennte Friedens⸗Ruhe rucderworben und fürderhin er⸗ 
halten werde.“ | 


110 Engers. 24 


Dem folgerecht ſchreibt ber Staatskalender von 1763: „Den 
1. Augusti wird feyerlich gehalten der, zur immerwahren⸗ 
den Anbettung des Hochwürdigſten in ber Churfürflichen 
Hof⸗Kirchen beftimmte Bettag. Nach dem Tags vorher mit 
Läutung deren Glocken in der Stadt Coblentz, und dem Thal 
Ehrenbreitftein hierzu gegebenen Zeichen, wird morgens um A Uhr 
mit dem facramentalifchen Seegen, und einer muftcalifchen Meſſe 
der Anfang gemacht. Um 10 Uhr if das hohe Amt, welchem 
Seine Churfürftliche Gnaden mit gefammten Hof-Staat bey⸗ 
wohnen. Währendem morgen werden bie bh. Meſſen gehalten, 
den gangen Tag .aber hindurd die befonders angeordnete Beit⸗ 
flunden von denen Ehurfürftlihen Herrn Ministris, Cämmereren 
und HofsCavaliers, ſodann dem Hof-Staat, und denen Dicasterüs, 
von morgens früh bis abends 7 Uhr ohnabläßig fortgefegt, und 
mit dem Ambrofianifchen Lobgeſang, und farramentalifchen Seegen 
biefe feyerliche Andacht befchloflen.” 

Durd Verordnung vom 15. Januar 1757 werben „die auf 
Kirchweyhen, Jahr⸗Meſſen, Marckt⸗Tägen, fowohl in Städten, 
als auff dem Land nur allzuviel‘ eingeriffene offentlihe Wag⸗ 
Spiel mit Würffelen, Dräh-Bretteren oder wie fie fonft immer 
nahmen haben, fernerhin unterfagt, und wollen Churf. Gn. Diefes 
durchgehende nichts ald nur DBetrügereyen, fort andere Gemein» 
ſchaͤdliche viele ohnanftändigfeiten mit fich führendes Unweeſen 
von nun an platterdings, und ein für alemahl abgefchafft wiſſen.“ 
Eine gleich ernſte Sprache führt die Verorbnung vom 3. Febr. 
1757: „Unſerm Gnädigften Herrn iſt höchſt misliebig zu ver 
nehmen gewefen, welcher geftalten “ein oder anderer dero Unters 
thanen fih ohnlängft vermeflen dörfen, ohne vorherige Kirchen⸗ 
Berfündigung oder darüber erhaltene vechtmäßige Dispensation, 
auch ohne Wiffen und wenigft gebührfamb nachgefuchte Verwil⸗ 
ligung beren Eltern, Bormunden oder näheften Anverwanbten, 
ja fogar bey anderwärtig-vorwaltenden Canonifchen Hinders 
nüffen fih ins ober auffer der Kirchen vor bem’ nichts weniger 
verfehenben ober bendenden Pastore und einigen Zeugen vermig 
offentlicher Erflärung des zum Sacrament ber Ehe erforderlichen 
Gonsens Gott⸗ und Gefäß -vergeflener Weiß per verba de prae- 


Aurſürſt Zohann Yhilipp von Trier. 1 


senti zu verehligen; wie nun J. Ehurf. En. ſolchem gottlofen 
Unwefen und die Kirchen⸗ fowohl, als Staats« Berfaffungen 


aͤuſſerſt kraͤnkenden Uinternehmungen mit gehörendem Nachtruck 


vorgebogen wiſſen wollen, alfo verbietben Hoͤchſt⸗Diefelbe hier- 
duch aus Erzbiſchof⸗ und Landtaherrlicher Macht und Gewalt 
folhe verwwegene That» Handlung (nebſt Vorbehalt einer offent- 
lichen Kirchen Buß) unter ohnnadläßiger Straf ber Landts⸗ 


Verweiſung und Confiscation alles Bermögens liegend und fahrend 
fir beyde folches unteruehmende Theile fo Mann, als Weib.“ 
ı Die fomit verpönte Handlung Tiefert Die Orundibse zu Manzonis 


Dihtung, die Verlobten. 

Benig fehlte, und der Kurfürſt mußte in Gefolge ber Schlacht - 
bei Erefeld, 23. Zuni 1758, einen feindlichen Einfall erleben. 
Schon hatte der Prinz von Elermont, def Hauptauartier am 
3, nach dem Nippes bei Coln gefommen, „Ordre gegeben mit 
der Armee bis Koblenz zu weichen, woburd die Stadt Cöln 
ſtarden Hannöverifchen Brandfchagungen ausgefeßt gewefen wäre. 
Doch eben, da alles verzweifeln wollen, wurde bem General von 
Garis der Befehl zugefchict, Halt zu machen. Die Armee cam 
pirte indeffen in einem Diftrict von zwey Stunden um Coͤln. 
Die liebe Früchte, ſowohl zeitige als unzeitige, wurben von ben 
Perbten zertreten, theils fouragiret, und das Gemüs in den 
Gärten von den Soldaten gang aufgezehret, wobey was Närtis 


ſches fi zugetragen: befannt ift es dag die Franzoſen gern was 
 Gemäs in die Soupe haben; bahero einige friſche Tabadsblätter, 
da ſie vielleicht das Kraut nicht gelannt, in ber Soupe gekocht, 





wodurch fie fehr kranck wurden.” Die Furcht einer Invafion 
wollte man in dem franzöfifhen Hauptquartier benugen, um 
der Stadt Koblenz franzöflfche Beſatzung einzuführen. Der 
Rurfürft wie ſedoch das an ihn deshalb geſtellte Anfinnen 
zurück, und ließ gleich in der folgenden Nacht 800 Dann von 
feinen eigenen Völkern, die in des Eile aus Trier gelommen, 
der Stadt einrüden. Am 21. Aug. 1758 wurbe der mit dem 
Herzog von Aremberg waltende Streit um bie Collectation in 


den gemeinfchaftlichen Orten Neulirhen, Putzfeld und Gmünd 


verglichen, 


418 Engers. 


Das Jahr 1760 Fünbigt ſich durch eine bebeutenbe Neuerung 
an. Es erſchien, zum erftenmal: Des hohen Erg-Stiffts 
und Churfürſtenthums Trier Hof⸗Staats⸗ und Standes 
Calender auf das Jahr nad unfers Herrn, und Hey⸗ 
Sands JEſu Chriſti Gnadenreicher Geburt MDCCLX. 
fo ein Schalt⸗Jahr von 366 Tägen ifl, worinnen bie 
feyerligen Kirden- und Hof⸗Gala⸗Täge, eine kurtze 
Chronologifhe Befchreibung beren Trierifgen Bis 
fhöffen, Ertz-Biſchöffen und Ehurfürften, ein ders 
mahliges Eru-Hohes Dom-Eapitul, der Geifl- und 
MWeltlihe Staat, fammt denen Dicasteriis, beren 
Sessionen und Ferien, auch Erg-Stifftifhen Aemter⸗ 
und Kellereyen, nebſt mehrerem Anhang Mit Chur 
fürſtlichBnädigſtem Privilegio. Augustae Trevir. 
Typis Joan. Christoph. Eschermann, 8, ©, LIX. 
und 132, Es hebt diefer Schematismus an mit der Ders 
wahrung, „baß bie in felbigem gehaltene Einrichtung, und 
fonftiges Anführen Niemanden zum mindeflen Nachtheil ges 
reihen folle”, er bittet, etwaige Irrthuͤmer und Veränderungen 
bis zum kommenden September dem Herausgeber, dem kur⸗ 
fürftlichen Archivarius, Hrn. Lothar Joſeph Hammer anzeigen 
gu wollen, gibt dann den Kalender mit forgfältiger Einſchaltung 
ber Kirchen⸗ und Hoffefte, und die Kolge der. Bilchöfe, Erz⸗ 
bifhöfe und KHurfürften zu Trier, vom h. Eudarius an. Dem 
folgen der Kurfürft, Die Suffraganbifchöfe, das Domcapitel, die 
Geiſtlichkeit, mit Inbegriff fämtlicher Pfarreien. Der weltliche 
Stand reicht von S. 56 bis 122. Bon 1761 bis 1794 hat bes 
fagter Kalender 33 Kortfegungen erlebt (wegen ber Feindesgefahr 
iſt 1793 feiner erfchienen), und im Ganzen die 1760 beliebte Aus 
ordnung und Form beibehalten, wiewohl er von 1779 an nicht 
mehr in Trier, fondern in Coblenz, bei Krabben gebrudt. Durch 
feine. Form hat er bedeutende Vorzüge im Vergleich zu dem kur⸗ 
eölnifhen Staatskalender, als in welchem die Geiftlichfeit, das 
einzige Domcapitel ausgenommen, durchaus unberüdfichtigt bleibt. 
Ohne Zweifel ſchämten ſich die bayerifchen Prinzen, unter deren 
Herrſchaft biefer Staatskalender entfiand, ihrer geiftlichen Würbe, 


Kurfürft Johaun Philipp von Trier. 115 


Er wurde zum erſtenmal 1717 in gar compenbiöfer Form heraus 
gegeben; die Einrichtung felbft mag. Joſeph Clemens in Frank⸗ 
veih Tennen gelernt haben... Siebenzehn Jahre fpäter folgte man 
zu Mainz dem von Bonn ausgegangenen Beifpiel, es hat aber 
in dem Laufe der vielen Jahre der Mainzer Staatsfalender mande 


und wichtige Verbeſſerungen angenommen, fo baß er den brauch⸗ 


baren Büchern biefer Art verglichen werden mag. Zum letzten⸗ 
mal erihien er 1796. 
Das J. 1760 wurde zu Eoblenz burch einen zweiten Kort« 


ſchritt bezeichnet. Ein bis dahin unbefanntes, wohl nur buch 
ben vieffältigen Berfehr mit franzdfifhen Officieren erzeugtes 


Bebürfnig zu befriedigen, ertheilte der Kurfürſt am 15. Dec. 
1760 dem Gottfried Bell Eonceffion zur Errichtung einer Kaffees 
ſchenke ſamt Billard, „wie dergleichen in andern vornehmen 


Reichs⸗ und Hauptfläbten fi) befinden, und hat der Bell hier- 


bey denen fih auf demſelben einfindenden Billartifchen den Caffee, 


Thee, Chocolade, Lemonade, Mandelen-Mikh, und dergleichen 


Getränks gegen ein billiges und Leydentliches tax-weis auszu⸗ 
ſchenken.“ Umftändlih if das im 3. 1760, den 6. Febr. im 
Schloſſe zu Ehrenbreitftein erfolgte Ableben des Kurfürften Cle⸗ 
mens Auguft von Cöln befprocden, Abth. MU. Bd. 1. S. 3—6. 

Am 19. Sept. 1761 beftätigte Johann Philipp bie von 
Chriſtoph Theodor. Edler von Antivari, k. k. Reſident zu Stock⸗ 
heim, gemachten Stiftungen. Es Hatte derſelbe fein ganzes Ver⸗ 
mögen, 50,000 fl. dem katholiſchen Kirchenweſen in der Nieder- 
grafſchaft Katzenellenbogen zum Beſten vermacht, dabei aber bes 
fimmt, dag alle Capitalien jederzeit auf dem rechten Rheinufer 
anzulegen. In Folge diefer Anordnung haben St. Goar und bie 
Bogtei Pfalzfeld, nachdem durch den Luneviller Frieden die Grafs 
haft Katzenellenbogen zerriffen worden, jeder Theilnahme bei 
des Antivari Stiftungen verzichten müffen. Sollte der Mann, 
nachdem er fein ganzes Leben in der Betrachtung und Behands 
lung politifcher Verwicklungen zugebracht, im Geifte gejehen ha⸗ 
ben, was dreißig Jahre fpäter in Erfüllung gegangen? Der- 
gleichen Seher find K. Ludwig XV. von Sranfreih und ber Her- 
308 von Mobena, der letzte Efte. geweſen; in dem Schreden ber 


Rhein, Antiquarius, 3, Abth. 2. Bb. 8 


314 Engers. 


Zukunft ſuchten beide durch Thefaurifiven fo viel möglich dag 
Schickſal ihrer Töchter zu fihern. Bon Antivari, der im 
Naſtätten zu Haufe, finde ich noch die folgende kurze Notiz: 
„Der Defterreichifche Obrift- Lieutenant, Baron von Rab, der 
1761 dem Feldzuge der Ruffen beygewohnet, Tangte den 28. Nov. 
1762 zu Stodholm an, um den Herrn Chriſtoph Theodor von 
Antivart, welcher ſchon von einem fehr hoben Alter ift, in den 
Berrichtungen eines Nefidenten des Wienerifhen Hofes beyzus 
fteben.” Am 1. Dee. 1761 bewilligte Johann Philipp dem 
Städtchen Engers fünf Vieh⸗ und Jahrmärkte. 
Das Jahr 1762 beginnt mit einer abermaligen fulminanten 
Verfügung gegen „bie fo ärgerlich- als verderbliche Glücks⸗ oder 
Hazard-Spiele mit Karten und Würfelen, als da find unter 
andern das alfo genannte Pass- ad Dix, Cing ou neuf, Quindici, 
Pharo , Trenta- Quaranta, Tredici, Lands-Knecht, Häuffeln. 
Wer diefem. Verbot insfünftige, freventlich entgegen handlet, 
fol, wann es der Gewinner, in die Straf des Doppelten, was 
er gewonnen hat, und wann es ber. Verlierer, in bie Straf des 
Einfachen, was er verloren hat,. und noch babeyneben, wie jeder 
Spielender in hundert Goldgulden Straf, Unferm Fisco ver⸗ 
fallen feygn, wider ben aber, fo dieſe verbammliche Spiele in 
feinem Gafts Wirths⸗- oder auch Privat-Haus wiſſentlich duldet, 
als den Haupt⸗Urſächern alles daraus entſtehenden Uebels, mit 
eben biefer hundert Goldgulden und bewandten Umftänden nad 
einer noch weit empfindlichern Straf, ohne alle Ruds oder Nach⸗ 
fiht, fürgefahren werden” (23. März). In Betreff der Frei⸗ 
maurer fagt die Verordnung vom 25. April 1762: „I. Churf. 
Gn. haben nicht ohne gröften Verdruß und Mipfallen in Er 
fahrung gebracht, welcher geftalten die fo genannte Frep⸗ 
Maurer⸗Geſellſchaft in Dero Erz⸗Stift fih habe ausbreiten wol- 
len, und in der Kedheit fo weit geftiegen, daß felbigefin Dero 
Reſidenz⸗Stadt Coblenz mehrere Zufammenfänfften abzuhalten 
fich erfrechet.” Damit diefes fih nicht wiederhofe, „fo wollen 
forderfamft 3. Ehurf. On. den gegen deren Frey⸗Maurer-Geſell⸗ 
ſchaft, und ihrer Aufnahm .ergangnen Kirhen-Bann zu eines 
Jeden Nachricht und Wiffenfchaft gebracht haben, und follen das 


Kurfürfi Johaun Philipp von Trier. | 115 


hero die hierunter  erlaffene beyde Päpſtliche Bullen (Clementis 
; XII. In Eminenti, 28, April 1738 und Benedicti XIV. Pro- 
vidas Romanorum pontificum , 28. Mai 1751) in Dero Erzs 
Stifft in offenslichem Druck befördert, und neuerlich verfündiget 
| werden. Ueberdem aber verorbnen J. Churf. On, durch gegen 
waoͤrliges Ediet ernfigemeffen, daß, falß diefe Geiſtliche Beſtraf⸗ 
fung feinen Eindruck erwurcken, und gleichwohlen ein oder meh⸗ 
re in Dero Erz⸗Stifft ſich in mehrerwehnte Frey⸗Maurer⸗Ge⸗ 
fellſchaft einlaſſen, darbey Zufammenfünfften beſuchen, oder auch 
derſelben Aufnahm und Unterfchleif verſtatten würden, ſelbige 
nict nur deren etwa wurklich beſitzenden Churfuͤrſtlichen Dien⸗ 
fen und Stellen entſetzet, ſondern auch außer Landes verwießen 
| werden follen.” 

Im Herbſt 1762 begannen die Durchmärfche ber franzöfifhen 
| Armee, die nach erfolgtem Friedensſchluß vollends ber Heimath 
zueilte. Die Truppen drängten fi dergeſtalten, daß un vielen 
‚ Orten Brobmangel verfpürt, und ein gutes Fuder Wein für 
| anderthalb Malter Korn gegeben wurde. Einen klaͤglichen Ans 
hi boten im Gefolge der Armee die vielen Pferde, welche auf 
| Iter Seite einen großen Korb, mit den Hüten der im Felde 
gebliebenen Mannfchaften gefüllt, trugen. Bei der am 7. Febr. 
1763 zu Hildesheim vorgenommenen Biſchofswahl gab Johann 
‚Philipp, als welcher von dem Papſt ein Breve elegibilitatis 
erhalten. hatte, einen. flarfen Eompetenten ab, ohne doch feinen 
Zwed erreichen zu fönnen, wogegen er am 20. Jul. 1763 zum 
Firſtbiſchoff in Worms erwählt wurde, „Immittelſt war ben 
4, Juni dee Churfürft zu Maynz geftorben, da er dann durch 
‚ finen Legations⸗Secretair zu Negenfpurg bie Declaration thun 
ließ, daß er während ber. Bacanz des Stuhls zu Maynz bag 
offenſtehende Reichs⸗Directorialamt fih unb feinem hohen Erz- 
Etift auf die bündigfte Weife vorbehielte, und ſich ein⸗ vor alle 
mal wider alles, was bargegen gefhehen möchte, beflens vers 
wahrt haben wollte.” Bom 11. April 1763 iſt die erzbiſchöfliche 
Ordination, laut welcher Fein Ordensmann die Priefterweihe 
‚empfangen fol, er habe dann zweijährige theologifhe Studien 
nachgewieſen. Am 10. Mai 1763 erließ Johann Philipp bie 
| g * 


N 14. Engers. 


Zukunft ſuchten beide durch Thefauriflen fo viel möglih dag 
Schickſal ihrer Töchter zu ſicher. Don Antivari, der in 
Naſtätten zu Haufe, finde ich noch die folgende kurze Notiz: 
„Der Defterreihifche Obriſt-Lieutenant, Baron son Rab, der 
1761 dem Feldzuge der Ruffen beygewohnet, Tangte den 28. Nov. 
1762 zu. Stodholm an, um ben Herrn Chriftoph Theodor von 
Antivari, welcher fehon von einem fehr hoben Alter ift, in den 
Berrichtungen eines Nefidenten des Wienerifhen Hofes beyzus. 
fieben.” Am 1. Der. 1761 bewilligte Johann Philipp dem 
Städtchen Engers fünf Vieh» und Jahrmärkte. 
Das Jahr 1762 beginnt mit einer. abermaligen- fulminanten 
Verfügung gegen „bie fo ärgerlich- als verderbliche Glücks⸗ ober 
Hazard-Spiele mit Karten und Würfelen, als da find unter 
andern das alfo genannte Pass- ad Dix, Cing ou neuf, Quindici, 
Pharo , Trenta- Quarauta, Trediei, Lands-Knecht, Häuffeln. 
Wer diefem. Verbot insfünftige,, freventlid entgegen banblet, 
foll, wann es der Gewinner, in die Straf des Doppelten, was 
er gewonnen hat, und wann es ber Berlierer,. in bie Straf.bes 
Einfachen, was er verloren hat, und nod) dabeyneben, wie jeder 
Spielender in hundert Goldgulden Straf, Unſerm Fisco vers 
fallen feyn, wider den aber, fo dieſe verbammliche Spiele in 
feinem Gaſt⸗ Wirths⸗ oder auch Privat-Haus wiffentlich buldet, 
als den Haupt-Urfächern alles daraus entftehenden Uebels, mit 
eben diefer hundert Goldgulden und bewandten Umfländen nad 
einer noch weit empfindlichern Straf, ohne alle Rud» oder Nach⸗ 
fiht, fürgefahren werben” (23. März). In Betreff der Freis 
maurer fagt die Berordnung vom 25. April 1762: „I. Churf. 
Gn. haben nicht ohne gröften Verdruß und Mißfallen in Ers 
fahrung gebracht, welcher geftalten bie fo genannte Frey⸗ 
Maurer-Gefellfehaft in Dero Erz-Stift fih habe ausbreiten wol- 
len, und in der Keckheit fo weit gefliegen, daß felbigejin Dero 
Reſidenz⸗Stadt Koblenz mehrere Zufammenfänfften abzuhalten 
ſich erfrechet.“ Damit diefes fih nicht wiederhole, „fo wollen 
forderfamft 3. Churf. On. den gegen deren Frey-Maurer-Gefell- 
haft, und ihrer Aufnahm ergangnen Kirchen⸗Bann zu eines 
Seven Nachricht und Wiftenfchaft gebracht haben, und follen das 


2: Kurfürſt Johann Philipp von Trier. 4117 


die bervir Fehrftühle mit andern Lehrern, und fonberfich mit 
. In Emern beſetzt, und beshalben die oben angeführte Verord⸗ 
Bsonegegeben. Den 21. Aug. Tangte er ſelbſt zu Trier 
weefich aber nicht lange bafelbft auf, fondern Tehrte bald 
lach feiner Reſidenz zuräd, nachdem er ſich einige Tage 
ae ich mit ber Jagd erluftiget hatte.” Am 5. Januar 1764 
Zar an Philipp die Inftruction für die zu Coblenz neu ein« 
u zoterfie PolizeisDirertion ausfertigen. Es follte befagte 
 ..n bag Puhlicum gegen Wucher und menopofiftifche Machi⸗ 
„..hüsen, In dem nämlichen Jahre vefignirte der Kurs 
in. ne von ihm beibehaltene Propftei zu St. Stmeon, zum 
Ir jenes Neffen, des nachmaligen Fürfibifhofs von Speier. 
.. 23. Sehr, 1765 if die für das Erzftift gegebene pein- 
Aachtsordnung, und folgte berfelben am 11. April n. 3. 
‚.nent für den Silberhandel. Am 7. Sept. 1765 wurde 

„n von Baffenheim, gegen Abtretung feiner Jagdrechte 
‚rgpflege, die Amtmannsſtelle zu Münfter, Covern und 

‚ih übertragen. Bon ber Ausfegung des h. Rockes, 

so, iſt Abth. k. Bd. 1. S. 634— 636 gehandelt. Auf 

8 Propfles Michael Joſeph Otgens gelangte der Kur⸗ 

. Befig der Propftei St. Paulin, Sn demfelben Jahre 

‚er mit Chur⸗Pfalz wegen des Zolls zu Norath in einige 
die ſich vermehrte, da man bey Chur-Pfälzifcher Unter⸗ 

_ einer neuentdeckten Rupfer-Mine in der Graffhaft Spons 

it der Arbeit in das Trierifhe gefommen, und diefelbe 

nige Trierifche Artillerie» Officiers zernichtet worden. Je⸗ 

.r Ehurfürft von Maynz legte ſich ins Mittel, und vers 

‚te, daß es zwilchen beyden Churfürften zu feinen weitern 
ichfeiten gekommen. Der Churfürft fuchte auch im März 

‚ ein Memorial bey der Neichs-Berfammlung um Moderas 

des Matrieul-Anfchlags der gefürfteten Abtey Prüm an, und 
chen bis auf den Aten Theil zu feben. Im Nov. ftarb 
if yon Leiningen⸗Heidesheim ohne männliche Erben, worauf 
= einige hundert Mann von bein Schloffe, Flecken und Herr⸗ 
AM Oberftein Beſitz nehmen und fi) huldigen ließ. Er mäds 
it: auch des fogenannten Winterhauchs, als eines zu ber 








L 


4116 Engers. 


das Baumrecht erläuternde und feſtſtellende Verordnung. Beſag⸗ 
tes Baumrecht war eine Eigenthümlichkeit des Landes; man 
konnte auf fremdem Boden Fruchtbäume anpflanzen, erwerben, 
beſitzen. Clemens Wenceslaus hat das Baumrecht abgeſchafft. 
Am 28. Aug. 1763 gab der Kurfürft in feinem neuerbauten Luſt⸗ 
fchloffe zu Wittlih ein großes Fefteffen, und wurde bei Diefer 
Gelegenheit „ver fo prächtig als gefehwinde hergeſtellte“ Bau mit 
dem Namen Philippsfreude beehrt. Den ſüdlichen Theil des Pa⸗ 
laſtes zu Trier hat Johann Philipp ebenfalls neu erbauetz der 
Baumeifler war der Major Johann Seiz. Im Sept. 1763 Tieß 
ber Weihbifchof von Hontheim feinen Febronius veröffentlichen. 
Der Wein dieſes Jahres mißrieth gänzlich, und zeigten fih fogar 
Würmer in demfelben, 

Am 26. Febr. 1764 wurde die Ordination für die neue Ein- 
richtung bes theologifchen Stublums an der Univerfität Trier 
erlaſſen, auch diefelbe durch weitere Borfchriften vom 27. Gebr. 
erläutert, „Sm J. 1764 wurde der Ehurfürft von Chur⸗Mapnz 
auf den Churfürftlihen Collegial-Tag nach Frankfurt eingeladen, 
als der Kaifer feinen älteften Prinzen, Erzherzog Joſephen, zum 
Römifchen Könige erwählen laſſen wollte, Er fihidte einige Be⸗ 
vollmächtigte dahin ab, die mit den Chur⸗Cöllniſchen in eine 
Rang-Streitigfeit geriethben, welche durch dag Churfürkliche Col⸗ 
legium bahin verglichen wurde, daß beyde Churfürften fünftig 
alterniven follten. Ehe es zur wirkliden Wahl Fam, langte er 
felbR den 24. März zu Frankfurt an, und mohnte den 27. in 
eigener Perfon der wirklichen Wahl, und den 3. April der Krö⸗ 
nung des neuen Römifhen Könige bey, wobey er nebft dem 
Ehurfürften von Edffn und dem Churfürften von Maynz, ber 
biefelbe verrichtete, aſſiſtirte. Den 11. April reifete er von Frank⸗ 
furt wieder ab, nachdem er den 7. vorher nebfl ben andern 
Churfürften die Chur⸗Verein beſchworen hatte. Er ließ hierauf 
ben Jeſuiten bey der Univerfität zu Trier, die allda die Theos 
logiſchen Lehrftühle inne gehabt, ihr Collegium fchließen und ihnen 
anbefehlen, nicht weiter einigen. Yinterricht zu geben, weil fie, 
ihrem Instituto gemäß, bey ihren Lehrfägen blieben und gewal⸗ 
tig gegen bie Sranzöfifchen Parlamenter loßzogen. Schon vorher 


- 


Aurfürfi Ichann Philipp von Trier. 417 


hatte er die Lehrftühle mit andern Lehrern, und fonderficd, mit ' 
Benedictinern befegt, und beshalben die oben angeführte Verord⸗ 
nung herausgegeben. Den 21. Aug. langte er ſelbſt zu Trier 
an, hielt fich aber nicht lange dafelbft auf, fondern kehrte bald 
wieder nach feiner Neftdenz zuräd, nachdem er fich einige Tage 
zu Wittlich mit der Jagd erluſtiget hatte.” Am 5. Januar 1764 
ließ Johann Philipp die Inftruction für die zu Coblenz neu ein« 
geieste oberſte Polizei-Direction ausfertigen. Es follte befagte 
Dirertion das Publicum gegen Wucher und monopoliſtiſche Machi⸗ 
mationen fhüsen. In dem nämlichen Jahre refignirte der Kur⸗ 
für die von ihm beibehaltene Propftei zu St. Simeon, zum 
Vortiheil feines Neffen, bes nachmaligen Fürſtbiſchofs von Speier. 
Vom 23. Febr. 1765 iſt' die für das Erzſtift gegebene pein⸗ 
liqhe Gerichtsordnung, und folgte derſelben am 11. Aprilen. J. 
das Reglement für den Silberhandel. Am 7. Sept. 1765 wurde 
‚dem Grafen von Baffenheim, gegen Abtretung feiner Jagdrechte 
in der Bergpflege, die Amtmannsſtelle zu Münfter, Covern und 
' Afen erblih- übertragen. Bon ber Ausfegung bes h. Rockes, 
| Mai 1765, ift Abth. I. Bd, 1. S. 634—636 gehandelt. Auf 
Ableben. des Propftes Michael Joſeph Digens gelangte der Kurs 
| fit zum Befis der Propftei St. Paulin. Sn demfelben Sahre 
gerieth er mit Chur Pfalz wegen des Zolls zu Norath in einige 
Strung, bie fich vermehrte, da man bey Chur-Pfälzifcher Unter» 
fahung einer neuentdedten Kupfer⸗Mine in der Grafſchaft Spons 
heim mit der Arbeit in das Trierifche gefommen , und diefelbe 
durch einige Trierifche Artillerie⸗Officiers zernichtet worden. es 
doch der Ehurfürft von Maynz legte fih ins Mittel, und vers 
Pabete, daß es zwifchen beyden Churfürften zu feinen weitern 
ı Thätlichfeiten gefommen. Der Churfürft fuchte auch im März 
durch ein Memorial bey der Reichs-Verſammlung um Modera⸗ 
Son des Matricul⸗Anſchlags ber gefürfteten Abtey Prüm an, und 
dat, folhen bis auf den Aten Theil zu fegen. Im Nov. ftarb 
‚der Graf von Reiningen-Heibesheim ohne männliche Erben, worauf 
er durch einige hundert Dann von dem Schloffe, Flecken und Herr⸗ 
ſchaft Operftein Beſitz nehmen und ſich huldigen ließ. Er mäch— 
igte fi auch des fogenannten Winterhauchs, als eines zu ber 


4118 Engers. 


jetztgedachten Herrſchaft gehoͤrigen Theils, darwider aber die 
Gräflich Heidesheimiſchen Töchter bey dem Koͤnigl. Conſeil in 
Frankreich, weil dieſer Winterhauch ein Lothringiſches Lehn ſeyn 
ſollte, Klagen erhuben.“ 

Im J. 1767 wurde durch Vertrag mit Frankreich das dreit 
d’aubaine wechſelſeitig aufgehoben. In dem Ediet vom 27. Juni 
1767 beißt es: „S. Churf. Gn. haben mit äußerftem Mißfallen 
zu vernehmen gehabt, daß in Dero Erz.Stift allerhand Auffäge, 
welche ber Heiligen Religion fowohl, als guten Sitten den uns 
vermeiblihen Umſturz androhen, in groß- und kleiner Geftalt 
verbreitet werben; da Dero Oberhirten-Amt vorzüglich erheifchet, 
gegen. derlei einfchleichende Verführungen unermühet zu wachen, 
und alle jene Maaß⸗Regulen zu drgreiffen, welche bem bierab 
erwachfenden nicht zu erfegenden Schaden vorzubiegen hinreichig 
fegn mögen, ald wollen und befehlen Höchftdiefelbe Dero nad» 
gefegten Geifllihen Curüs zu Ausrottung berley dem Seelen: 
Heil, und der Wohlfahrt des ganzen Staats widrigen Werderen, 
welche bereits ins Erz⸗Stift eingeführet feynd, und wovon eine 
Verzeichnuß zu machen ift, alle binlängliche Mittel vorzukehren, 
und bes Endes nach Guibefinden in Häuferen und privat Bib- 
liothequen genaue Unterfuchung vorzunehmen , diejenige , wobey 
deriey Werde nach Berfündigung gegenwärtigen Zdieti werben 
vorfindlich feyn, zu empfindlicher Beftraffung zu ziehen, folde 
aber, die gegenwärtigem Befehl zuwider entweder bergleiche Büs 
cher und Brochuren neuerlich ing Erz⸗Stift einzubringen und 
anderen mitzutheilen,, oder zu leſen fich erfrechen folten, mit fo 
geihärft- als auffichtlicher Ahndung anzufehen, um mittels Bors 
fehrung abfchredender Züchtigungen gegen folche Ehr⸗ und ihres 
eigenen Seelen=-Heild vergeffene Freweler bey anderen bie Be⸗ 
gierd zu Eintrettung folher unbefonnenen Fußftafen zu erftiden.” 
Durch Kaufvertrag vom 6. Nos. 1767 hat der Kurfürft bie bis 
dahin ben Grafen von Wittgenftein gebliebene Hälfte der Herrfchaft 
Ballendar um den Preis von einhunderttaufend Gulden für das 
Erzftift erworben. Am 22. Dec. wurde die erneuerte und vers 
befierte Badorbnung , bem wucherlichen Treiben der Bäcker zu 
ſteuern, gegeben. 


Aurfürſt Johaun Philipp von Trier. 119 


„Den 25. Nov; 1767 wurde Sohann-Philipp von einem 
Fieber überfallen, und ob man gleich jezuweilen mit einiger Hofs 
nung fich fchmeichelte, es würde der Himmel dieſem liebenswür⸗ 
digen Fürften noch ferner das Leben fchenfen, ſo nahm doc die 
Krankheit fe mehr und mehr überhand, Es wurbe inbeffen alles 
veranftaltet, auf den 19. Jan. 1768 eine Coadintor-Wahl, wo⸗ 
rauf der Prinz Clemens von Sachſen ein Breve elegibilitatis 
von Rom erhalten hatte, vorzunehmen, Allein ehe dieſer Tag 
berbey Fam, verließ der Churfürft den 12. Januar Abends nach 


- 7 Uhr das Zeitliche. Den 14. wurbe das Herz und Eingeweide, 
jedes in einem befondern Sarge in der Pfarrkirche des Thale 
Eßhrenbreitſtein beygefegt. Den 15. feste man den Körper in 


der Hofficche auf einem prächtigen ParadesBette bis den 21. 


Öffentlich aus, worauf er in die Särge gelegt und fo lange in 
der Capurinerfirhe im Thal Ehrenbreitftein beygefegt wurde, 


bis er in die Domkirche zu Trier abgeführet werben würde. Das 


Domeapitul hat bis zur Wahl eines neuen Churfürftens den 
beyden Sapitularen, als: 4. Ludwig Wolfgang Joſeph Freyherrn 


Schenk von Schmidtburg, und 2. Ehrift. Ad. Carln Grafen von 
Jugelheim genannt Echter von Mespelbrunn die Regierung aufs 
getragen.” Johann Philipp , der ſchönſte Mann feiner Zeit, 
gleich liebenswuͤrdig und geliebt, gütig und gerecht, bat feinen 


Unterthanen ein gefegnetes Andenken hinterlaſſen. Eine goldene 
Zeit mag, den Drangfalen bes fiebenjährigen Krieges. unbefchas 


del, feine Regierung genannt werden. Was ihr zumal daraf- 


teriftifch,, if der außerordentliche Flor der Finanzen; groß war 
der Aufwand bei Hof, freigebig und mildthätig im höchſten 


Grade der Regent, kaum nennenswerth der Steuern Beitrag, 


und dennoch hinterließ der Kurfürft ein fhuldenfreies Land, ge⸗ 


füllte Caſſen, Speicher und Keller. Befonders thätig war unter 





ihm bie Münze, was vielleicht eine Folge der vielen Fluctuatio⸗ 
nen im Werthe bes ausgeprägten Metalls, und ber ſchlechten 
Geldſorten, die ber Tjährige Krieg dem Lande eingeführt. In 
ber bedeutenden Zahl der nach dem neuen Conventionsfuß ge⸗ 
prägten Münzen jeder Art, der vielen Thaler namentlich, hat 
Johann Philipp beinahe feinen Vorgänger Johann Hugo er⸗ 


120° Engers. 


reicht, Daß er jedem Nepotismus fremd blieb, darf nicht vers 
geffen werben. 

Im Tode noch if Johann Philipp für Engers ein Wohl 
thäter gewefen. Zum zweitenmal in dem Jahrhundert wurde 
der Drt von einem zerflörenden Brande heimgefucht. „In dem 
Jahre 1778, den 14. Auguſt, als alle Früchten eingeerndtet 
waren, brache, man weiß nicht wie, in dem obern Theil gegen 
5 Uhr Nachmittags Feuer aus, in Zeit einer halben Biertels 
ftund war faft der ganze Theil ergriffen, und ohngeachtet ber 
vielen Hülfe wurde faſt alles auffer etlichen Häußer von den 
Flammen aufgezehret, fo daß das Pfarr», gemeine Hauß und 
Kirch ein Raub der Flammen wurden, wovon, was feltfam if, 
ber Thurm, ohngeachtet er von den Häußeren entfernt war, in 
ber Spige zu brennen anfienge. Bieles hat verurfachet, daß der 
Drt mit einer Mauer umgeben, und alfo eingefihloffen ware, 
auch die Häußer und Scheuer ſchlecht gebauet, und mit Strohe 
gebedet waren. Diefer Theil ift nach dem Riff, welchen Kurfürft 
Johann Philipp von Walderborff verfertigen laſſen, wiederum 
aufgebauet. Es find nunmehro fhöne Häußer alldort, alfe von 
Stein gebauet und mit Ziegel und Leyen gededt, hierzu hat man 
die Steine von den Ringmauern hergenommen , ohngeachtet der 
damalige Kellner v. Steig fih dem Riff, und nach diefem ber 
Erbauung der Häußer widerfeget hat. Seine Abfihten waren 
Feine Hütten zu bauen, und bie Mauern flehen zu laſſen, förch⸗ 
tend, daß er beftohlen werden könnte.“ 

Alfo aus der Afche wieder erflanden, ift Engers ein ungemein 
freundlicher, wohlgebauter Ort, vollfommen anpaffend der reizen» 
den Umgebung und der fruchtbaren Markung, bie bis auf eine 
halbe Stunde von Neuwied ſich ausbehnt. Mit Necht rühmt bie 
auf Befehl des Kurfürften Clemens Wenceslaus gefertigte Amts⸗ 
bejehreibung : „Diefer Ort hat bie fchönfte Nahrung, ihren Acker⸗ 
bau, Weinwachs, Wiefen und die Sandflein, welche vermehret 
werden Tönnte, wenn die Gemeinere nicht allzuwiderfpänftig 
wären. Auffer biefem iſt eine große Nieberlag von verfchiedenen 
Handelsleuten an Wein alldort, welcher auf den Wald geführt 
wird. Die Gemeinde hat viele gemeine Nußbarfeiten, welche 








ee —nn — — ” — 


Oertliches. 421 


feither dem Brand ſehr vermehret werben find, maßen man ben 
um den Sleden herum Yaufenden und mit Dorn bepflanzet ge⸗ 
weienen Graben, wie auch andere dergleichen Pläg urbar ges 
macht, wogegen fi ebenmäßig gebachter Kellner v. Steig wider⸗ 
feget, weilen es der Jagd ſchaͤdlich zu feyn er vorgegeben hat.“ 
Im 3. 1784 wurden bier gezählt, Bürger 92, Wittwen 21, 
Beifaff 1, überhaupt 542 Menfchen, 108 Häufer, 3 Pferde, 
39 Ochſen, 124 Kühe. Im J. 1817 hatte fich die Volks⸗ 
menge bis zu dem Belaufe von 757 Köpfen vermehrt. Die 
Weinberge, die theild ober, theild unter Dem Ort gelegen, und 
einen guten, mehrentheils rothen Wein trugen, find in Aderland 
oder Semüfefeld verwandelt, und finden bie Gartengewäche in 
dem nahen Neuwied. fletd Abſatz. „Das Erdreich um die Ges 
gend ift voller Materialien für Sandflein zu machen, diefer wer« 
den auch in der Menge alldort gehauen und. hin und wieder 
verführet,, fo daß vieles Geld dadurch in den. Fleden gebracht 
wird. Die Fiſcherey if frey aufler dem Salmenfang, welcher 
von der Hofrent:Kammer verpfadhtet wirb und bie CaltenEnger⸗ 
fher mehrentheils pfachten, die Salmen werden ſchier alle nacher 
Ftandreich verführet. Die Jagd’ hat der Kurfürft und Graf 
von Boos: diejem hat man fie widerfprocden, fo er aber, als 
Reifenbergifcher Miterbe, durch einen Proceff evinciret hat. Er 
bezieht auch von dem Zehnten ,, anbere */, erhebt ber Paflor, 
s/, der Kurfürft und 2/, der Graf von Sayn, oder feit bem 
Heimfall der Kurfürft von Trier,” | 
Die Pfarrei war vordem ein Perfonat, deß Inhaber für 
bie Abhaltung des Ricchendienftes einen Vicarius zu beftellen, 
und folhem eine möglichft geringe Kompetenz auszuwerfen pflegte, 
Seitdem Perfonat und Frühmeſſe der Pfarrei einnerleibt worden, 
iR fie, unbefchadet der Abgabe an den Pfarrer in Bendorf, 
eine ber befigeftellten ber Imgegenb geworben. In dem großen 
Brande von 1778 wurden Kirche und Pfarrhaus eingeäfhert, 
bie Kirche, zu St. Martin, ward bis zum 3. 1784 neu erbauet, 
mit Ausnahme des Thurms, „welchen bie Gemeinde bauen muß“, 
ber Paſtor bewohnte aber noch längere Zeit das FTurfürftliche 
Schloß, wo auch während dem Bau ber Kirche ein Saal im 


393 Engers. 


Erdgeſchoß Behufs bes öffentlichen Gottesdienſtes eingerichtet 
war. Die Schule hatte der Kurfürſt ebenfalls in dag Schloß 
aufgenommen. „Ein Hospital ift vorhanden, welches jehr ſchmahl 
if, und vielmehr ein Steinhaufen genannt werben kann, dieſes 
ift auf Anordnung des Kammerraths v. Steig fo gebauet wor⸗ 
den, beffer wäre es, daß dieſes nicht erbauet worden wäre, in⸗ 
dem dadurch allerhand Liederliches Geſindel fih borthin ziehet.” 

Außerhalb Engers, Mühlhofen zu, wo die Wege na Ben⸗ 
dorf und Sayn fich fcheiden, ſtehet ein zierliches Capellchen zu 
U. 8 Frauen, in der Umgebung befannt burch dasjenige , fo 
fih mit dem noch Tebenden Zidgen, weiland Schultheiß in 
Mühlhofen, zugetragen hat, Ueber dem Holzbauen war Dem 
Mann ein Splitter in das Auge gefahren, Er fuchte alsbald 
ärztliche Hülfe, wurde längere Zeit von Berfchiebenen behandelt, 
aber das fehmerzhafte Uebel wollte nicht weichen, nahm vielmehr 
den bedrohlichſten Charakter an. An der Menſchen Kunft ver- 
gweifelnd, fuchte Zisgen Zuflucht und Hülfe im Gebet, oder um 
genauer die Sache wiederzugeben, in einer Novan; an neun ver» 
fihiedenen Tagen jedesmal 50 VBaterunfer der h. Jungfrau in 
der Capelle bei Engers zu opfern, verpflidtete er ſich mittels 
Gelühde. Die Novan wurde angefangen, zu Ende geführt, 
ohne das mindefle Zeichen von Beflerung zu bringen, in Trauer 
und Schmerz verfunfen, verweilte der Beter noch einige Augen⸗ 
biide vor dem Bild der Gebenebeiten, und es trat ein alter 
Mann, gebüdt unter der Laſt einer Kig oder Hott, der Capelle 
ein: „Was macht Ihr denn da 2” fragt der Fremdling, und 
ber. Beier, von der Laſt feines Rummers Äberwältigt, erzählt, 
was fih mit ihm zugeiragen, das Unglück mit dem Splitter, 
die Experimente der Aerzte, die umfonft dargebracdte Novan. 
„Die koͤnnt Ihr noch zehnmal wiederholen, die wird Euch nicht 
helfen,“ fpöttelt der mit der, Kig, „das wird aber ungezweifelt 
thun, was ich hiermit Euch vorfchreiben will. Wann Ihr dag 
nächſtemal buttert, dann merft anf. bie einzelnen Tropfen But⸗ 
ter, die fih im Anfang der Arbeit dem Stößer anfeten. Dan 
nennt fie bei uns die Schlimmbutter. Die nehmet, ſchmieret 
Euch damit drei Tage bintereinander das Franke Auge, und her⸗ 


Das Schlof. 123 


aus muß der Splitter.” Dem Rathgeber zu banfen, wendet 
Ziſsgen dem Bilde die-Augen ab, er befindet fi allein in ber 
Eapelle, er ſchaut ind Freie, blidt nach allen Seiten hin, nirgends 
ber Dann mit der Kig fihtbar. Gedankenſchwer geht Zisgen nach 
Haufe, die Schlimmbutter vergißt er nit, und als herum die 
vorgefchriebenen drei Tage, fällt der Splitter ihm in die Hand, 
vollkommen geheilt ift ber ſcheinbar Unheilbare, wer aber der Heifs 
fünftfer gewefen, wo er ber», wo er bingefommen, hat man nie» 
malen erfahren, daher Frau Zisgen Zeitlebens dabei geblieben 
if, der Heiland felbft, gekleidet in das Gewand ber Demuth, habe 
dem Befchädigten die Gefundheit, ihr den Mann wiedergegeben. 

Ein anderes Capellchen, vielmehr ein Heiligenftod, fleht 
nad Bendorf zu, gleih am Rhein, unweit der unter dem Nas 
men des Heidenmäuerchen befannten Ruinen von der Wiberlage 
einer Römerbrüde. Bon dem Orte 218 Schritte entlegen, neh⸗ 
men fie in der Breite einen Raum von beiläufig 150 Zuß ein, 
Noch weiter aufwärts bat der penfionixte & E Hauptmann Neus 
mann eine anmuthige Billa, womit bie Einrichtung zu einer 
Magnanerie verbunden , fih erbauet, in ber Abficht, die Ges 
heimniffe der Seidenzücdhterei, wie er ben Lombarden fie abges 
laufcht, der Heimath einzuführen. Der Garten, von etwa fünf 
Morgen, ift daher größtentheils mit Maulbeerbäumen bepflanzt. 
Nah des Hauptmanns Ableben hat Hr. Pland von Elberfeld 
das Tiebliche Beſitzthum an ſich gebracht, und in beffen Auftrag 
führt Hr. Camphaus die Magnanerie, mit einem Erfolge, wel 
dem ab Seiten des Iandwirtbfchaftlichen Vereins eine Prämie 
guerfannt worden. An dem nördlichen Ende von, Engers erhebt 
fih , weithin fihtbar und der ganzen Umgegendb eine Zier, das 
königliche Schloß, von Kurfürft Johann Philipp mit einem Aufs 
wande von 90,000 fl. als ein Jagdſchloß erbauet, 1758—1762, 
von dem Fürſten Friedrich Wilhelm von Naffau- Weilburg aber 
vielfältig in feinem Innern gebeflert, fo daß es zu einer bes 
quemen fürftlichen Sommerrefidenz fich gefaltet. Der Plafond 
des Hauptſaales tft eine der gelungenften Frescoarbeiten des mit 
Recht gepriefenen Künftlers Januar Zi, und darum ber genauen 
Beſchreibung würdig. 


194 Engers. 


I. Das Hauptgemälde. In Mitten der Dede ruhet Diana 
auf einer Wolfe, mit der Rechten einen neben ihr bingeftredten 
Hirſch umfaffend, in der Linken einen Pfeil aus dem zur Seite 
liegenden Köcher erhebend : zu beiden Seiten bie Nymphen ihres 
Gefolges. Hoc über ihr ſchwebt der befränzte Bacchus, ben 
Thyrſus in der Linken, mit der Rechten eine Kanne, woraus er 
Wein in die von einem Liebesgott dargereichte Schale gießt. 
Ihm zur Seite fprubelt aus einem Kaffe rother und weißer 
Wein. Drei Paar Liebesgötter umfchweben ihn, fie tragen 
Becher und Trauben in ben Händen und auf den Köpfen. Diana 
bat hinter fih, nad) der Süpfeite des Saales, Die Attribute der 
Jagd; ein verendeter Hirſch, ein erlegter Eber, drei Jagdhunde 
Cein Windhund, ein Saufanger, ein Hühnerhund), Spieße, 
Dfeile, Zagbnege und Jagdhorn. Diefen Emblemen rechts fteht 
ein dem Bachus geweihter Altar, neben ben zwei Satyre fi 
gelagert haben, zwei Winzerinen tragen Trauben; links, im 
fhattigen Gebüfche, ruhet Sylvan, die Schläfe mit Epheu ums 
fränzt, in Gefellichaft eines lüſternen Satyrs. 

11. Diefes Dedengemälde ift unten von zwölf, auf die Jahres 
zeiten bezüglichen Gemälden umgeben, wovon vier auf der Süd⸗ 
feite, vier auf der Nord», zwei auf der Weſt⸗ und zwei auf der. 
Oftfeite des Saales angebracht. 1. Auf der Weftfeite, im erſten 
Felde: Flora, mit Blumen befränzt, Rofen in der Linfen hal⸗ 
tend, von drei Genien umfchwebt. Im zweiten Felde zwei Gärts 
nerinen, wovon bie eine, im blauen Untergewand, fnieend Waſſer 
fchöpft, die andere flehend, in der Rechten eine Gießkanne, in 
der Linfen einen Rechen trägt. 2. Auf der Nordfeite, erftes 
Feld: ein Schäfer, der Länge nach hingeftredt, flügt ſich auf die 
rechte Hand, in der Linken hält er die Schalmei, fein Hund 
neben ihm. In dem zweiten Felde ruhet Pan mit den Bocks⸗ 
fügen, feine Robrflöte (Syrinx) neben ihm, in feiner Linken 
ber Hirtenftab ; vor ihm weiden zwei Ochſen. Im dritten Felde 
eine Schäferin mit zwei Schafen, neben ihr ein ruhender Faun, 
Im vierten Felde eine jugendliche Schäferin, mit einem Lamme 
fpielend. 3. Auf der Oftfeite, erſtes Selb: Drei in Kübeln 
fiehende Obftbäume mit reifen Srüchten, von denen eine fugends 


N 





Jannar ich. 433 


liche Gärtnerin bricht, um fie den Rebenperfonen, zwei Knaben 
auszutheilen. Der eine, ſchwer beladen, geht mit feinem Korbe 
hinweg, dem andern wird fein Körbchen erft gefüllt. Im zwei⸗ 
ten Felde Pomona ſitzend; ihr überreichen zwei Genien Früchte. 
4. Der Sübfeite erſtes Feld: ein Fifcher mit einem Fifche in 
ber Linken, eine Fifcherin, ebenfalls in der Tinfen einen KRäfcher 
haltend. Zweites Feld: Neptun, den Dreisad in der Hand, 
fährt, von zwei Roffen gezogen, über die Fluten bin. Drittes 
geld: Benus Aphrodite auf einem Delphin, Amor und ein auf 
dem Muſchelhorn blafender Triton begleiten fie. Biertes Feld: 
ein Fifcher, mit den Füßen im Waffer, firengt fi an, aus der 
Tiefe ein Neg zu erheben. Im Hintergrunde ein Schiff mit Netzen. 

„Die Mannichfaltigkeit der Bildungen, die Friſche der Far⸗ 
ben, die Schönheit der Draperie, die herrlichen Gruppirungen 
der graziöfen und üppigen Geftalten, fo wie der edle fprechende 
Ausdruck fo vieler Schöner Gefihter find höchſt anziehend, die 
meifterhaften Berfürgungen in den Figuren bewundernswerth. 
Auch die übrigen Heinen phantaftereichen Zeichnungen und Skizzen 
an den Wänden und in den Senfternifchen auf Gipsmarmor ab- 
wechfelnd in Garmin und Berlinerblau find vortrefflih. Schade, 
daß die Skizzen in Blau fo fehr verbleicht find!“ 

Januar Zick war ganz eigentlich in einer Künftlerfamitie 
geboren, Sein Bater, Johann Zid, wuchs ald Hirtenfuabe in 
dem ſchwäbiſchen Allgau oder dem bayerifchen Pfaffenwinkel auf. 
Gewoͤhnliche Naturen werden dur die unbefchäftigte Einfamteit 
abrutirt, in begabteren Gemüthern wedt und fpornt fie dag 
Selbftgefühl. Der Savoyarde Peter Te Teure, groß geworben bei 
des Vaters Herden, widmete fich bei Nacht, unter freiem Hims 
mel, in einem jener Augenblide, die für eines Menfchenfebens 
Zukunft entfcheidend, dem Dienfte des Herren und den Studien, 
wurde des h. Ignatius Nepetitor und erfter Schüler. Minder 
raſch hat Johann Zi ſich entwideltz von den Biehtriften ging 
er zur Eifenfchmiede, dann .auf Die Wanderfchaft. Steinhauer 
burch fpätere Wahl, gewann er in diefem Beruf allgemeine Be⸗ 
griffe von der Baukunſt; fie wurde ihm eine Liebhaberei, führte 
ihn zur Meifterfihaft. Im reifen Alter wendete er über dem 


4936 Engers. 


Umgang mit ausgezeichneten Kanſtlern ber Malerei fih zu; ein 
Schüler von Piacetta, übte er die im Sturm gewonnene Kunſt 
zu Würzburg neben einem Tiepolo und Holzer, dort hat er feine 
beiden Meifterftüde, einen Plafond in Fresco in der Kirche des 
Damenftiftes zu St. Anna, und einen andern Plafond in dem 
Gartenſalett der fürftlichen Reſidenz, auch mehre Gemälde für 
bie Capelle auf dem Nicolausberg gefchaffen, Die von Neßt« 
fell‘ angefertigte Darftellung bes Sonnenſyſtems nad) Copernicug 
wurde für Ziel eine Einladung, auch in die Aftvonomie fich zu 
pertiefen. Das Nachahmen verſchmähend, erforfchte er mit Fern» 
röhren und Telescopen feiner eigenen Erfindung das Sonnen» 
ſyſtem, und feine Entdedungen hat er in einer neuen Mafchine, 
allen Kennern zur Bewunderung niedergelegt. Sie wurbe vor⸗ 
dem in der Bibliothef der Abtei St. Stephan in Würzburg aufe _ 
bewahrt, ruhet vertikal, ift zufammengezogen, und ein Tleines 
Uhrwerk, welches 8 Tage lang gebet, fest das Ganze in Bes 
wegung. Zi, der Reihe nach Hirt, Eiſenſchmied, Steinhauer, 
Mathematiker, Bauverfländiger, Maler, Aftronom, farb zu Würz⸗ 
burg 1762, in dem 60ten Jahre feines Alters. Zwei von Jos 
hanns Söhnen find Maler geworden, der minder berühmte, beffen 
Andenken eine Glorie, Frescogemälbe, in einer der Kirchen von 
" Mainz bewahrt, flürzte bei einer ähnlichen Arbeit von dem Ges 
rüfte auf das Pflaſter und brach in der Mitte des Leibes aus 
einander. 

Der andere von Johanns Söhnen, Januar gie, geboren 
zu Münden, 1732, machte feine erſten Studien zu Paris, und 
nachmalen zu Rom, wo er ein Schüler von Raphael Menges 
geworben if. Bereits Maler von Bedeutung wurde er burch eine 
Kunftreife nad) Ehrenbreitftein geführt. Dort lernte er die prae- 
nobilis virgo, wie das Kirchenbuch fid) ausdruckt, Anna Maria 
Gruber kennen, fie wurde ihm den 25. Nov. 1762 angetrauet, und 
gab Die Heurath dem Künftler Beranlaffung, fih im Thal⸗Ehren⸗ 
breitftein häuslich niederzulaffen. Er war demnach beinahe bet 
nächſte Nachbar des in dem fogenannten Dicafterialbau reſidiren⸗ 
den Kurfürften Johann Philipp geworben, ats diefer, Behufs ber 
Decoration feines Schloßbaues in Engersan Papſt Clemens XIII. 
ſchrieb, um ſich deſſen Rath für die Wahl eines ausgezeichneten 


Januar Dich, 437 


Kunſtlers zu erbitten. Clemens erwiderte, einen ſolchen wiſſe er 
für jept in ganz Italien nicht aufzufinden, glei arm feien bie 
Malerſchulen in Franfreih und Spanien, aber Ruͤhmliches, Uns 
gewohnliches habe er von einem gewiflen Zi, Deutſcher von Ders 
‚ funft, vernommen, den wolle er hiermit empfohlen haben. Darauf 
wurden, von Ehrenbreitftein aus, Nachforſchungen durch ganz 
Deutſchland angeftellt, um den großen Unbefannten zu ermitteln, 
und berfelbe am Ende-in der Hofftraße zu Ehrenbreitflein aufs 


gefunden. Ich theife dieſe Hiftorie mit, wie fie mir zugefommen, 
‚ohne die Gewähr dafür zu übernehmen; unwahrſcheinlich ift fie 


in feinem Falle, denn die herrlihen Bilder für die Abtei Wib⸗ 


lingen in Schwaben: hatte Januar Damals nody nicht gefertigt. 


Das Deckengemälde in Engers gehört dem 5. 1764 an. Für 


das Schloß zu Eoblenz malte Zid den Plafond im Audienzfaal: 
eine Juſtitia, mit ihren Attributen, und zwei Genien, welche die 


Laſter austreiben, ferner 1784, in des Kurfürften Schlafzimmer, 
die von Lueifer verfcheuchte Göttin der Nacht, wie fie, im Sternen 
gewande, die Mondfihel und zwei Eulen über bem Haupt, ihren 


Schleier Lüfter, Neben ihr Liegt, im tiefen Schlaf verfunfen, 
ein geflügelter Knabe, Lucifer, deffen Phaeton von einem ges 
 flägeften weißen Roſſe gezogen, und von zwei Rofen ftreuenden 


Genien begleitet, fährt, die Tadel in der Linken, am Horizont 


hinauf, über welchen bereits einzelne Lichtflreifen ſchießen. Auch 
. die vier Evangeliften in der Schloßcapelle, unter der transparent 
gemalten Glorie in der Kuppel find von Zick, minder nicht die 


andere Gforie mit Engelsföpfen und Strahlen, welche die ganze 


Wand hinter dem Altar einnehmen und bis zum Boden, big zu den 
Fügen des in Stucco ausgeführten Engels herabgehen. Diefe ſämt⸗ 
lichen Bilder wurden von, des Meifters Enkel, Guſtav Zid, in den 
3.1845 und 1846 retoudirt, mit Ausnahme ber den Schlaf vorſtel⸗ 
lenden Alfegorie, als deren Herſtellung Hr. Bachta Vater übernahm. 


Der Kirche zu St. Caſtor hat Januar vier gute Bilder ges 
geben, zwei auf bie Bifchofswahl, das dritte auf den Bau der 


Kirche bezüglihd. Das vierte flellt den h. Caſtor dar, wie er 
ein mit dem Sturme Tämpfendes Schiff vom Untergang rettet. 
Für die Florinskirche malte Januar zwei Frescobifder , das 
eine, dem Hochaltar zur Rechten, bie Fußwaſchung, bas andere, 


neun ein Ann zum u u ur Wer er’ 


128 Euaugers. 
zur Linken die Hochzeit zu Cana, die Verwandlung des Waſſers 


in Wein vorſtellend, dann die 14 Stationen, Staffeleibilder, die 


zur Zeit der Verwüſtung der Kirche in des Canonicus von Umb⸗ 
ſcheiden Verwahr, dann 1806 nach Liebfrauen gegeben wurben, 
Arg befhädigt, find fie gegenwärtig auf den Speicher relegirt. 
Ein Dedengemälde, Allegorie, im Gräflih Booſiſchen Haufe, 


iſt zur Zeit bes Oberpräfldenten von Ingersleben übertündt, ein 


anderes Frescobild, bie bh. Jungfrau, einem Ritter die Feldbinde 
reichend, zugleich mit ber Deutfchordensfirche, der ſämtlichen 
Kirchen von Eoblenz fchönfte, im reinften gothifhen Styl, vers 
nichtet worden. Was aus einem Dedengemälde im Rotben 
Haus zu Frankfurt, eine allegorifhe VBorftellung bes Handels, 
geworden, kann ich nicht fagen, eben fo wenig Rechenſchaft ge- 
ben von Zicks herrlichen Schöpfungen zu Wiblingen, Ueber 
haupt ift er ein ungemein fruchtbarer Kuͤnſtler geweſen: noch in 
der neuern Zeit befaß Hr. Bachta yon ihm mehr denn 200 Skiz⸗ 
zen. Januars Staffeleigemälde: Mercur im Atelier eines Bild⸗ 
bauers, erhielt zu Prag den zweiten Preis. In der fläbtifchen 
Sammlung befinden fi von ihm die h. Maria mit dem Sefufind- - 
Iein, Knieſtück; ein Heiner Chriftusfopf, Profil; Timon im Ges 
fängniß, wie die Tochter ihn erquidt; Mercur im Atelier eines 
Bildhauers, verfihieden yon dem Prager Bild, und als beffen 
Gegenftüd ein Zaun mit Bauern zu Tiſch ſitzend; Kopf eines 
alten Mannes mit der Brille in der Hand, und als Gegenflüd 
eine firidende Frau; drei Liebesgötter, der eine brüdt den Pfeil ab, 
ber andere ſchrabt Rübchen, auf einem Poftament Voltaires Vers: 


Qui que tu sois, voilà ton malitre, 
Il Vest, le füt ou doit l’etre. 


In feiner erſten Zeit arbeitete Zi! in Rembrands Manier, fpä« 
ter änderte er fein Eolorit, um ein eigenthümliches fich zuzulegen. 
Er ftarb in dem Alter von 65 Jahren im Thal-Ehrenbreitfiein, 
ben 14. Nov, 1797, feine Wittwe den 30, Jun. 1811. Bon 
ihren Kindern find zu Jahren gefommen drei Söhne und vier 
Töchter. Ein Sohn, Konrad glaubte des Vaters Tußftapfen 
verfolgen zu können, er hat fleißig gemalt, vorzüglich Rhein⸗ 
Iandichaften geliefert, auch bei dem Gymnafium in Coblenz bie 


Stelle des Zeichenlehrers bekleidet, aber feinen eigentlichen Beruf 


Die Paumſchule. 129 


| hätte er in bee Muſik finden follen. Ein ausgezeichneter Pianiſt 


wärbe er, dem Inftrument ungetheilte Kraft zumendend, zu hohem 
Ruhm gelangt fein. Ein Sohn von ihm ift Hr. Guſtav Zid, 


als Thier⸗ und Portraitmaler rühmlichft bekannt. 


Dem Scioffe, für deffen Beauffühtigung ein Caſtellan er⸗ 


| ‚nannt, ſchließt fi der Garten an, welcher 16 Morgen groß, zu 
einer Baumfchule für den Regierungsbezirk gewidmet, nachdem 
der Schloßgarten zu Koblenz meiſt zu den Feſtungswerken ges 


zogen worden. Die Baumfchule, wie fie in Koblenz beftand, 
war eine Anlage des Präferten Lezay⸗Marneſia, als welchem 
Behufs berfelben der ausgedehnte, dem FTurfürftlichen Schloffe 


anliegende Gemüfegarten von der Regierung überlaffen worben, 
Wichtige Refultate find aber dort nicht erzielet worden, wenn 
auch der Vorſteher der Anflalt ein in feinem Face Borzügliches 


leitender Ehrenmann, Er mußte gefchehen lafien, daß die bedeu⸗ 


tenden, von dem Departement für die Einrichtung und die Unter- 


haltung der Banmfchule aufzubringenden Summen, anftatt ihrer 


tigentlichen Beftimmung zugufließen, nad den Launen und Lieb⸗ 
habereien der Präfeeten, für Blumen- und Ananaszucht, für bie 


Beſchaffung und Pflege einer Foftfpieligen Orangerie u. f. w. ver« 
wendet wurden. Dergleichen Misbrauch hat in Engers ſicherlich 
nicht fi wiederholt. In ber Orangerie, wie fie noch zu Koblenz 


beſtand, beiwunderte man vorzüglich zwölf aus Bonn dahin ges 


brachte Stämme: fie waren ein Geſchenk von König Franz I. 
von Frankreich dem Kurfürften von Eöln gemacht, ald er durch 
befien Vermittlung bie Kaiferfrone zu erlangen boffte (Abth. IE. 


23.1. S. 601-606). Die Ausdauer und Longänität des Po⸗ 


meranzenbaums, bei angemeflener Pflege freilich, iſt in der That 
bewundernswärbig. So zeigt man zu Dresden in dem koͤnig⸗ 
lichen Garten einige hundert Orangenflämme, die, in Höhe und 
Stärke kaum ihres Gleichen in Deutſchland findend, unmittelbar 
ans Africa herſtammen. Im 3. 1731 hatten im Auftrage K. 
Augufis II. von Polen die D. Hebenftreit und Lubwig eine 
wiſſenſchaftliche Reife nach Africa gemacht, und follten fie neben- 
bei wilde Thiere für die königliche Menagerie anſchaffen. Sie 
ließen es aber bei den Thieren nicht bewenben, fammelten auch 


Rhein. Antiquarius, 3. Abth. 2. Bb. 9 


4150 J Engers. 


Pflanzen und bei die 400 in den Wäldern von Tunis und Tri⸗ 
poli gefällte Orangenſtämme, denen die Wurzeln und Aeſte ab⸗ 
gehauen, und die als Ballaſt in den Schiffen untergebracht, be⸗ 
ſtimmt waren, dem König ſchönes Holz für feine Drechſeleiſen zu 
tiefern. Allein zu ſolchem Zwecke fand Auguft IT. die Stämme zu 
fhön und zu friſch, beftand vielmehr auf der Möglichkeit, fie 
wiederum ind Treiben zu bringen, Verſuche wurden deshalb 
angeſtellt, mühſame Berfuche, und Teglich gelang es der Gartens 
funft, an die 300 biefer Stämme neu zu beleben, und fie in die 
noch fortdauernde Vegetation zu verfegen. In dem Garten -zu 
Engers find hauptſächlich die Glass und Treibhäufer ſehens⸗ 
werth, Pflanzungen. im Styl der modernen Gartenkunft hat der 
ernftern Zwecken vorbehaltene Raum nicht erlaubt, 

Dofür aber gehört zu dem königlichen Schloffe eine Park⸗ 
anlage, bergleichen kaum eine ähnliche in Europa zu finden. Es 
ift das der Renner⸗ oder Friedrichsberg, der in geringem Abſtand 
von Enger, über die Saynbach und die Saynerhütte ſich erhebt. 
Fürſt Friedrich Wilhelm von Raffaus Weilburg ward der Schöpfer 
biefer Anlage, die zu begründen, er 98 Eigenthümer ausfaufen 
mußte. Um fo weniger Schwierigfeiten ergaben fi) für das Be⸗ 
fiteben, bier und dort der Natur eine leichte Hülfe. zu geben. Sie 
hatte auf dem Rennerberg ein Meifterwerf gefchaffen, für deſſen 
Vervollſtändigung nur Wege anzulegen, hin und wieder eine Stelle 
bloß zu legen, eine Ausficht Durch das Gebüfch zu öffnen. Denn die 
Ausficht wird, trotz allem Neiz des Parks, ftets das Borzüglichfe 
an ihm bleiben. Es ift unmöglich, fih einen Blick zu benfen, 
grandiofer und zauberifcher nach allen Richtungen hin, als ders 
jenige, fo dee Rennerberg gewährt. Am liebften fleigt man zu 
ihm von Enger auf, und war vordem in ben Pfingfktagen das 
Gedräng auf dem Berge unglaublich : die gefamte Bevölferung 
ber Umgegend fchien da zu einem Bolfefeft vereinigt. Dem 
Schloß Engerd gegenüber, beinahe in der Mitte des Rheines 
befindet fih eine Sandbanf, die Frachtſchiffen und Flößen leicht 
gefährlich wird. 

Gegen zweitaufend Schritte unterhalb Engers, etwas höher 
benn bie Urmüger Inſel fand noch zu Anfang bes 17. Jahr 


Bas Heulerfeld. .431 


— 


hunderts das Dörfchen Reol oder Reul, deſſen letztes Haus ber 
Geſchichtſchreiber Reifenberg abbrechen und nach einer andern 
Sielle übertragen ſah; er ſah dort, ober in dem Reulerfeld, 
wie fortan die Debung hieß, die Fundamente und die Keller von 
mehren andern Häufern, deren eines mit ben dazu gehörigen 
Ardern fein Eigenthbum geweſen. Weil aber, erzählt er ferner, 
in Engers an Banfleinen Mangel, hat man fich gemüffigt ger 
fehen, dieſe Ruinen vollends abzutragen, und das barin vorfind⸗ 
fihe Baumaterial zu benugen, Sn diefem Reul glaubt Reifen- 


. berg, aus erheblichen Gründen, das bei Ammian, lib. VI. pag. 
GE mihl, und &d. XVI. cap. 2. et 3. pag. 79 genannte Rigo- 


dulum zu finden. „Audiens,‘“ fagt ber große Geſchichtſchreiber 
ber finfenden römischen Welt, „audiens itaque (Julianus Im- 
perator) Argenltoratum, Brocomagum, Tabernas, Salisonem, 
Nemetas et Vangionas ei Magontiacum civitales barbaros 
possidentes territoria eorum habitare (nam ipsa oppida ut 
circumdata retibus lüsira declinant), primum omnium Broco- 
magum occupavit , eique adventanti Germanorum manus 

pugnam intenlans occurrit; quumque in bicornem figuram 
acie divisa collato pede res agi coepisset , ezitiogüue hosted 
urguerentur ancipiti, caplis nonnullis, aliis in ipso proelii 
furore truncatis, residui discessere celeritatis praesidio tecti. 
nullo itayue posthac repugnante ad recuperandam ire placuit 
Agrippinam, ante Caesarie in Galliam adventum excisam ; 
per quos tractus nec civitas ulla visitur nec castellum, nici 
quod apud Confluentes locum ita cognominatum, ubi amnis 


- Mosella confunditur Rheno, Rigodulum oppidum est et una 
prope ipsam coloniam turris“ Des Öuten thut aber unfreitig 


Reifenberg zu viel, wenn er auch das von Tacitus beſprochene 
Nigodulum hierhinzieht, da doc ſolches ungezweifelt der obern 
Mofet angehört und noch heute unter dem Namen Riol beſteht. 


Luſtig ift die von unferm Landsmann gegebene Etymologie von 


NRigodufum: ihm zufolge fland da eine Feſte, von des Julius 
Eäfar General C. Bolsatius Tullus erbauet, und darum ſcherz⸗ 
weile in der Landesſprache Righ Tulli genannt, 





4153 


‘ 


Das linke Nbeinunfer von Eoblenz 
| bis zur Nette, 


hun 


An dem äußerſten Oftende von Coblenz tritt die Mofel in den 
Rhein. In dem Winfel durch die beiden Flüffe gemadt, am Fuß 
ber Mofelbrüde, Tag weiland Lügel-Cobfenz, das, als eine Depen- 
benz der eigentlichen Stadt, einer andern Abtheilung vorbehalten 
bleiben muß. Bon dem Standpunft bes alten Lützel⸗Coblenz 
gehen zwei Hauptfiragen aus, bie eine nad Trier, bie andere 
gegen Cöln gerichtet. Jene darf uns bier nicht befchäftigen. 
Die Cölner Straße zieht fih am Fuße des fogenannten Peterd« 
berges hin, eines leichten Hügel, den zuerk bie Franzoſen be 
feftigten, und nad dem darin angebrachten Monument eines tap⸗ 
fern Generals Fort Marceau nannten, Die leichten Feſtungswerke 
geriethben fehr. bald in Berfall, und der Abth. I. Bd. 2. S. 386 
beſprochene Hofrath Joh. Adam von Laſſaulx, geft. 13. April 1813, 
benuste zu einer Gartenanlage bie zeither wenig beachtete, gleich 
wohl den reichfien Prospect beberrfchende Loralität. Nur war eins 
ſtens davon Rede gewefen, das Eurfürftliche Schloß, ftatt in den 
Diftriet Kalkofen, auf diefe Höhe zu fegen, und yon bannen zur 
Mofelbrüde die Reuſtadt auszubehnen. Das der Stadt Eoblenz 
feineswegs zuträgliche Profert wurbe zeitig aufgegeben, gleichwie 
des von Laffaulr Anlage, und minder nicht Marceaus Grab dem 
Seftungsbau weichen mußten. Wo der alte Herr feine Freude gehabt, 
da ſtehet für jest die Fefte Franz mit ihren beiden Flügeln, deren 
einer, die Mofelfleche, den Strom beftreicht, während bie Buben- 
heimer Fleche dem gleichnamigen Dorf zugerichtet. Das Ganze 
ift von herrlichen Pflanzungen und Promenaden umhegt. Rechts 
ber Landſtraße, in der Tiefe, zwifchen der Feſte Franz und dem 
Dorfe Neuendorf, hat es noch eine dritte, die Neuendorfer Fleche. 
Bevor man von Coblenz dahin gelangt, trifft man zuerſt das 


Der Bubenheimer Berg. 4135 


Schrautenfreuz, Abth. I. Bd. 1. S. 318, fo laut der demfelben 
eingegrabenen Infchrift eine Stiftung der Eheleute Schraut aus 
Neuendorf, dann folgt, ebenfalls links der Landſtraße, aber in 
einigem Abftande zu derfelben, Marceaus Dionument, wie es auf 
Befehl Sr. Maj. 8. Friedrich Wilhelms III. hergeftellt worden, 
Abth. J. Bd, 1. S. 315, mit den S. 311—313 mitgetheilten 
Yufchriften. 0 | n 

Weiter bin fenft fih der Bubenheimer Berg bis zur Land⸗ 
firaße hinab: indem er bewaldet, und mit größeren Waldftrichen, 
bie auf der. einen Seite bis zur Mofel, auf der andern bis zur 


. Nette reichen, zufammenhängt, war bieje Stelle vormals der 


Raubs und Mordanfälle halber übel berüdtigt. Da hatten fi 
einft Zigeuner angebaut, und die nahmen wohl auch Reiſende 
auf. Nun wurde zufällig der eine oder der andere von biefen 
Reifenden vermißt, es dauerte indefien lange, bevor ein auf den 


Bewohnern der Hütte Taftender Verdacht genugfame Confiftenz 


gewann, um bas Amt DBergpfleg zu einer Hausfuchung zu ver⸗ 
anlaffen. Mehrmalen wiederholt, gab fie fein Nefultat, bis end 
lich ein nafenweifer Actuar den im Innern der Hütte angebrad)s 


ten, Subfellien vorftellenden Rafenbänfen feine Aufmerkfamfeit 


zuwendete. Sie wurden durchſtochen, und man fand in der Tiefe 


| zwei oder drei Leichen. In der hierauf fortgefegten peinlichen 
Inquiſition Fam eine ganze Reihe von Verbrechen zu Tage, 
| welche Die Familie, mit Ausnahme eines Kindes, am Galgen oder 
unter bem Rade zu büßen hatte. Dazu ergab fich die Gelegenheit 


vor der Thüre, maßen am Bubenheimer Berg ber Eoblenzer 


Gerichtsplatz fih befand. Das Kind, fo jener Execution über 


Iebte, war noch zu Anfang diefes Jahrhunderts eine in Coblenz 


- wohl befannte Perfon, und eniſprach der Heidin bräunlice 
Faͤrbung volffommen der ſüdlichen Herkunft. Auf der Höhe felbft 


bat Hr. Bongeheur weitlänftige Pflanzungen von Maulbeerbäus 
men angelegt, und fteht bie von ihm erzielte Seide der piemon⸗ 
tefifhen in Güte und Preis nicht nah. Maulbeerbäume find 
an die Stelle der Weingärten getreten, als deren Anbau ben 


Einwohnern son Bubenheim durch Wildfraß verleidet worden, 


454 


Bubenheim, Mülheim, Kärlic, Kettig. 


Der Höhe feitwärts, am Eingange bes Thales, fo der yon 
Rübenach herablommende Bach bildet, da, wo der Bach nad 
einftündigem Lauf in den Wieſen verſchwindet, Tiegt Bubenheim, 
das Dörfchen, fo 1784 nur 11 Häufer zählte, darunter die fünf 
Höfe, der Deutſchordens⸗Comthurei, der Abteten Himmeroth und 
Marienfatt, der Karthaufe auf dem Beatusberg und ber Erben 
Burius, Durd das Zerfchlagen biefer Höfe, von denen jener ber 
Eomthurei, 28714, Morgen, 1520 Franken Pacht, eines ber 
herrlichſten Güter des Landes gewefen, wie er denn auch jetzt 
noch eine beneidenswerthe Befigung, fanden die Infaffen Gelegen= 
beit, Eigenthum zu erwerben, davon bie Folge erhöhter Wohle 
fland und die fortwährende Vergrößerung des Ortes. Die Ca⸗ 
pelfe ift dem h. Maternus geweihet, ald welcder hier auf einer 
feiner Wanderungen geruhet haben fol. Der Tradition zufolge 
war Maternus der hh. Eucharius und Balerius Nachfolger, und 
folglich der Ordnung nad) der dritte ber trierifchen Bifchöfe, 
Während der Detave feines Titularfeftes, 17. Sept., fanden ſich 
Proceſſionen in großer Menge ein, den Ort zu verehren, welcher 
durch die perfönliche Anmefenheit des Apoftel der Kirchen von 
Edln und Tongern geheiligt worden. Wie abewbes h. Maternus 
Namen auf das Genauefte mit dem Urfprunge der trierifchen 
Kiche verflochten, fo flieht er auch in einer geheimnißvolfen 
Beziehung zu ihren legten Tagen: am 23, Det. feiert fie Das 
Teft von Materni Erhebung, am 23, Det. 1794 zogen bie Frans 
zofen zu Coblenz ein. Bon alten Zeiten her pfarrt Bubenheim 
nah Ruͤbenach, und verdankt dem dafigen Eapellengut der Paftor 
in Ruͤbenach fein beftes Einfommen. 

Hingegen befand fih Bubenheim in Gerichtsverband mit 
Metternih, daher zu vermuthen, daß es urfprünglich nur 
ein nad Metternich gehöriger Hof geweſen. Diefen Hof bat 
Bubo, Propft des Caflorftiftes ao 1153, feinem Stifte zuge- 
wendet, und wird des Wohlthäters Namen dem Dörfchen,, das 
mit der Zeit um fein Gut ſich bildete, Zeblieben fein. Bon dem 
Zehnten. bezog Ef: Rodendorf bie eine, der Paſtor zu Rübenach 


Mülheim. _ 438 


bie andere Hälfte. Die Jagb unterhafb bes Ortes gehörte zu 
dem furfürftlichen Gehege von Schönborneluft, „oberhalb Buben 
heim faget der Freiherr von Eltz und der Jäger von Kärlih”. 
Der Steinbrud, im Bubenheimer Berge, hat das vortreffliche 
Materiale zu dem Schloßbau in Schörnbornsiuft geliefert, und 
auch die nächſten Ortfchaften, ſelbſt die Rheindörfer, beziehen 
von da ihren Bedarf. 

Bon Bubenheim führt über die Höhe mehrentheils durch 
Gehoͤlz ein fehr romantifcher Fahrweg nach dem in dem Abhang 
ber Höhe gelagerten Mülheim, bag, obgleich bedeutend größer. 
und volfreicher als das eine Viertelſtunde weiter belegene Kärs 
lich, flets in Abhängigfeit Davon ſich befunden hat, fo zwar, daß 
die Marfung, 6600 Morgen, gemeinichaftlih. Im I. 1784 zählte 

Mülheim 93 Bürger und 4 Wittwen, in 89 Häufern, gegens 
wuaͤrtig erreicht bie Bevölkerung die Zahl von 1500 Köpfen. Die 
Aarthäuſer befaßen bier zwei Höfe, Bermächtniß des Johann von 
: Mülheim, welcher den Drden des h. Bruno angenommen hatte. 
Zu dem einen dieſer Höfe gehörte ein großes Kelterhaus, denn 
Mülheim und Kärlich bauten vordem einen mittelmäßigen Wein, 
. weißen und rothen. Unweit bes Hofes fiehet die von ben Kar⸗ 
thäuſern erbaute Eapelle. 

Kärtich, firherlich eine der älteften Anſiedelungen Des Landes, 
wird, gleichwie Kirn und Kern, den Namen entlehnen von dem über 
bem Grabe eines verfchollenen Helden errichteten Kairn oder Steins 
haufen. Am 8. Nov. 1277 gibt Friedrich‘ von Covern zu der 
Reuerburg dem Erzbifchof Heinrih von Trier zu Pfand für die 
Summe von 1330 Mark Pfennige feinen Hof zu Kerliche. In des 
Raifers Karl IV. Beftätigungsbrief von 1346 wird Kärlich unter 
den Trierifhen Ortfchaften aufgezählt. Am Dienflag nach In- 
voesvit 1365 einigt fih Simon von dem Burgthor mit dem 
Stifte St. Florin von wegen besienigen, fo er als Vogt des 
Stiftshofes zu Kärlich fordern mag. Zum erften fol der Päch⸗ 
ter des Hofes ihm alljährlich nach Oftern geben ı/, Mite, Weis 
zen, '/, Mltr. Korn, 1 Mitr. Hafer zu Futter. Der Hofſchul⸗ 
theiß hat zu geben alte Jahr einen Eimer Wein den Kittern zu 
Schank, nicht von bem beften, nicht von dem fchlechteften , ben 


—’ 


1368 Aãrlich. 


Knechten einen Eimer Wein und einen Eimer Bier, dieß das 
Viertel eines trieriſchen Pfennigs werth, zwei Schillinge für ein 
Schwein, 2 Hühner, 1 Pfund Wachs, 1 Pfund Pfeffer, 1 Trieris 
fihen Pfennig. Und auch der Hof ift ſchuldig zu dienen ein Fu⸗ 
ber Holz, das man hauen foll im Kettiger Buſch, des jungen 
Arnold von Kettig Eigenthum. Daffelbe Recht iſt man ſchuldig 
alljährlich zu St. Johannis Meffen, nur dag man ſtatt des 
Schweines ein Schaf gibt, und dazu 2 trierifche Pfennige für 
Speck. Endlich foll der Bogt haben yon dem Stift jährlich zwi⸗ 
fhen den zweien Unfer Frauen Meflen, dag fie zu Himmel fuhr 
und geboren warb, gelegen vor Herb, 7 Mitr. Weizen und 
7 Mltr. Korn. Diefe Vogtei hat nachmalen das Stift an Georg 


von Ela, von wegen beffen Gemahlin Anna, die legte Tochter 


zu Burgthor, übertragen, 17. Aug. 1554. Die Ortsvogtei, auch 
über Mülheim ſich erfiredend, war zu Anfang bes 16. Jahre 
hunderts getheilt: die eine Hälfte empfingen die von Helfenflein 
von dem Erzftift Trier, als eine Zubehör des Erbmarichallamteg, 
die andere Hälfte befaßen die von Eltz, zu Lehen von ber Graf⸗ 
fhaft Sayn. Zum legtenmal wurben fie von Sayn belehnt 1660, 
und gleich im folgenden Jahre erhielten fie den erflen trierifchen 
Lehenbrief. Vorher, 1653, Hatte Anton von Eltz deren von 
Helfenftein Theil an ber Vogtei um 3450 fl. angelfauft. 

: Das Schloß wurde von Karl Kaſpar erbauet, von mehren 
feiner Nachfolger verfchiedentlich erweitert, häufig von Clemens 
Wenceslaus bewohnt, als welcher auch die Oartenanlagen uns 
gemein. verfehönerte und ihnen bie Form eines Parks gab. Hierzu 
wurden die Eurfürftfichen Wiefen und Felder bis nad Mülheim hin 
verwendet, Grundſtücke demnach, welche früher zu Erblehen aus⸗ 
gethan gewefen. Der Garten, infoweit er mit Mauern umgeben, 
enthielt 62 Morgen. Durch den Park ging ber oberhalb Baſſen⸗ 
heim entfpringende Bach. Klemens Wenceslaus ließ auch den 
Waffergraben, von welchem das Schloß umgeben, ausfüllen. Dies 
ſes konnte um fo leichter beiwerfftelligt werden, da die Unterthanen 
bes Amtes Bergpfleg zu ungemeffenen Frohnen für Schloß und 
Garten verpflichtet. Die Handfrohnen wurden nachmalen abges 
Fauft, fo daß flatt ihrer jährlich 100 Rthlr. zu entrichten, was 


Sas Scqloß. 137 


aber in Anſehung ber Spannfrohnen nicht der Fall, und ſcheint 


dieſes boͤſes Blut im Ort und in der Nachbarſchaft geſetzt zu 


| haben. Wenigſtens wurden zur Zeit der Invaſion das Schloß 


und ber reizende Park arg, zuerfi von den Franzofen, mißhan⸗ 
beit, endlich ganz und gar vernichtet. Viele Mobilien aus dem 
Schloſſe haben fi Iange im Dorfe erhalten, Als eine Depen⸗ 
benz des Schloffes Eonnte ber kurfürftliche Hof betrachtet werben, 
eines ber ſchwerſten Güter des Landes, 200 Morgen groß, und 


fit Tanger Zeit an mehre Familien zu Erblehen ausgethan. 


Unter dem Einfluffe der franzöfifhen Gefeugebung ift das Erb⸗ 


lehen um einen fehr mäßigen Preis, 1900 Rihlr., abgelauft wor« 


7 


den. Die beiden Stifte in Coblenz befaßen ebenfalls Höfe im Ort. 
St. Florins Stift übte das Patronat über die Kirche zu 


St. Mauritius, und war dahin nicht nur Mülheim, fondern auch 





ber über der Landftraße dem Rhein zu gelegene Theil von Weis 
ßenthurm eingepfarrt. Bei alioicher Kirche beftand Die unter dem 


: Namen der Liebesbund befannte Bruberfchaft, als melde von 


München hierhin verpflanzt worden, Die Frühmefle, laut ber 
von dem Paſtor Dötfch, dem Stifter, gemachten Anordnung: 


einen Sonntag zu Kärlih, den andern zu Mülheim in ber Ca⸗ 


pelle der Karthäufer zu leſen, war ein Familienbeneficium, fo 


. aber, im Falle kein Candidat aus der Familie vorhanden, ber 
Landdechant zu vergeben hatte. Die vormalige Elaufe 309 Erz- 
biſchof Raban zu der Stiftung des Auguſtinerkloſters auf dem 


Niederwerth, 1437. Den Zehnten, bier wie zu Mülheim, ers 


hob das Stift St. Florin. Die Jagd gehörte zum Furfürftfichen 


Leibgeheg, und war um fo bedeutender, ba bie Markung bis an 
den Rhein unterhalb Weigenthurm, und zu dem Andernacher Ge⸗ 
biet reichte, fo daß die dem Rhein zu gelegene Hälfte von Weis 
ßenthurm noch in die Gemeinde Kärlich gehört hat, bis in 
neuerer Zeit dieſer Verband aufgehoben wurde. In den Wiefen, 
an: ber Baffenheimifchen Grenze, quillt ein Sauerbrunnen, deß 
Bafler von ausgezeichnet lieblichem Geſchmack; die Anlagen um 
benfelben waren bes legten Kurfürften Werk, Spielereien in dem 
fogenannten englifchen Gefhmad, 3.2. eine Klappermähle, ber 
Innern Einrichtung nach ein Sommerfaal, ein Heuwagen, in bem 


3358 Aãrlich. 


ebenfalls ein Zimmer geborgen, eine Eremitage, mit einem Ere⸗ 
mit, der, Befuche zu empfangen, fi mit einer VBerbeugung von 
feinem Sie erhob. Bon der Quelle aus führte eine nur bier 
und da unterbrochene Kaſtanienallee nach Baffenheim zu dem Park. 
„Vor Zeiten wurde zu Kärlich ein Landgericht gehalten und traten 
nebft dem Beamten alle Heimburger alldort zufammen, welche 
bie Frevelthaten angeben muften, fo dort abgemachet wurden, es 
ware auch ein Landfchreiber angeordnet, weicher alkfährlich, ſtatt 
ber Befoldung, 3 rthlr. Holzgeld bezog.” Kärlich zählte im J. 
1784 in 70 Häufern 67 Bürger, 7 Wittwen, 2 Beiſaſſen, in 
allem 414 Menfchen, deren find gegenwärtig an die taufend. Im 


16.. Jahrhundert hatten ſich dort Wiedertäufer eingeſchlichen und. 


manderlei Unorbnungen veranlaßt; man wurde ihrer zuletzt 
mächtig, und mußten die Widerfpenftigfien das Weite fuchen, 
während die Zahmern ihre Irrthümer aufgaben. Berfchiedene, 
im Laufe jener Unruhen vorfommende Namen haben ſich bis auf 
bie neuefle Zeit in der Gemeinde vererbt. Im J. 1791 fol der 
Graf von Artois von Schönbornsluft aus einen Fleinen Liebes 
handel mit einem netten Bauernweibchen aus Kärlich eingefädelt 
haben. Vielleicht hat man ihm nur angedichtet, weilen man ihn 
wohl fähig glaubte, wie das auch der Fall mit Göthes angeb- 
lichen Liebesabentener in der Mühle bei Vallendar fein wird. 
Bon Kärlih aus trat Kurfürft Clemens Wenceslaus die erfte 
Emigration an den 21. Det. 1792. 

Immer noch im Abhang der Höhe, doch dem Rhein ſich 
nähernd, Tiegt das bedeutende Kettig, wo die Amtsbefchreibung 
100 Bürger, 19 Wittwen, 1 Beifaß zählte. Wie die eigentliche 
Dergpflege, oder dis zwifchen der Höhe und dem Rhein fich 
ausdehnende Ebene im Allgemeinen, hat auch Kettig eine fehr 
fruchtbare Markung. „Das Aderland ertragt gute Früdte von 
allerhand Sorten, befonders werden viele Bohnen (Phaſeolen) 
hier gezogen, fo nad) den Niederlanden, wie bie Nüffe, verfaufi 
werden, fie haben auch viel eigenthümliches Gut im Andernacher 
Flohr. Die wenigen, aber jehr guten Wiefen werben durch Die 
Bach gewäflert, welche , Stunde ober Kettig entfpringt, und 
unten gleich in ben Wieſen fih verlieret. Die parallel laufen 


Vas Nittergeſchlecht son Kettig. 130 


ben Bäche von Ruͤbenach, Muͤlheim und Kettig verſiegen alle 
drei im Sande, ohne den Rhein zu erreichen. Von Keitig bis an 
den Weißenthurm lauft eine Anhöhe: der weiße Wein, ſo dort 
wachſet, iſt in guten Jahren vortrefflich, der rothe hingegen 
mittelmäßig, bie Weinberge in den Boͤden find faſt alle ausge⸗ 
voltet, weilen fie dem Froſt allzu viel ausgefebet waren. Die 
Drittel und Zinfen feynd auf Geld geſetzt. Die Gemeind hat 
nur einen Fleinen Difirift au Eichenwald: bie Heden find bie 
fhönfte im Amt Dergpfleg und die gröfle, fo eine Gemeinde 
hat, fie werden mit dem Vieh zu feiner Zeit betrieben, den Sag 
haben die Gemeinere vor 40 Jahren gemacht, als fie gefehen, 
daß fie an Holz Mangel hatten, Die Unterthanen tragen. mehrens 
theils ihre Producten, als Mil, Obft, Gemäß alle Tag faft 
nachher Neuwied, auch Andernach, auf den Mard, und find meh⸗ 
rentheils wohlhabend, denn weil fie fehr fparfam leben und fi 
nicht überfleiden, anbey find ihre Abgaben fehr gering, und bie 
Bäter gehören mehrentheild den Gemeinern zu.” Einzig bie 
Grafen von Baſſenheim befaßen bier ein verfallenes, nur mehr 
als Scheuer gebrauchtes Burghaus, famt bedeutenden Ländereien, 
die doch in der neueften Zeit veräußert worden find, 

Jenes Burgbaus mag wohl der Stammfig eines ritterlichen 
Geſchlechtes von Rettig fein, aus weldhem Reinfridus de Retteche 
1189 als Zeuge genannt wird. Wilhelm von Kettig und feines 
- Bruders Arnold Söhne, Arnold und Wilhelm, befennen ihr 
Haus in Kettig, den fogenannten Thurm, von ber trierifhen 
Kirche zu Leben zu tragen, 25. Aug. 1318. Am 25. Junius 
1416 verfauft Arnold von Kettig, Wäpeling, an Johann von: 
Raflätten, Bürger zu Koblenz, die Bogtei zu Ober⸗ oder St. 
Sebaſtian⸗Engers, um 400 gute ſchwere rheinifhe Gulden. Un⸗ 
ter den Zeugen befindet fich Brumo von Kettig, Wäpeling. Den 
N. Mai 1419 wird Arnold von Kettig zu einem Amtmann für 
Kaiſerseſch und Cochem beftellt, und in benfelben Tagen, Freitag. 
nach Chriſti Himmelfahrt, veverfirt fih Johann von Kettig, weiland 
Johanns, eines Ritters Sohn, gegen Erzbiſchof Dito von wegen 
feines Lebens, ein Haus zu Kettig gelegen bei der Kirche mit 
Garten und Graben dazu gehörig, und ein Weingarten über dem 


1408 Aettig. 


Graben. „Auch ſo hait mir der vorg. myn Herre eyn ſonderlich 
Genade getaen alſo abe Sache were, das ich ain Lybslehenserben 
abegienge und Dochtere lieſe, das dan myn eldeſte Dochter, und 
yr Lybslehenserben die vurg. Lehenne und Gutere zu Mannlehen 
haben unde beſitzen ſullent, und die entphaen, vermannen und 
verdienen mit Truwen und Hulden als des Stiffts von Trier 
Recht und Gewonheit iſt.“ Am Sonntag nach St. Antonien 1443 
more Trev. reverſirt ſich Nicolaus von Kettig gegen Erzbiſchof 
Jacob von wegen der auf ihn von Bater und Voreltern ver⸗ 
fallenen Lehen, der Thurm zu Kettig gelegen (der weiße Thurm?) 
mit den dazu gehörigen Gütern und ein Hof zu St. Sebaftian= 
Engers. Am Gubdistag nach St. Severind Tag 1464 wird Jo⸗ 
hann von Kettig von Erzbifhof Ruprecht von Coln mit dem 
Haufe Kray famt Zubehdrungen, bei Andernach belegen, belehnt, 
wie damit feine Boreltern beiehnt gewefen und wie das auch 
nachmalen 1488 fein Sohn Dietrich empfangen bat. Derfelbe 
Dietrich) vertaufcht feinen Hof zu Ochtendung gegen ber Abtei 
Laach Hof Walemper bei Kray, in Eicher Gericht, auf des hei⸗ 
ligen Sacraments Abend 1493. Am 26. Januar 1544 vergönnt 
Erzbifhof Johann Ludwig dem Anton von Kettig, daß er feine 
Hausfrau Genofeva von Buches auf ben von dem Erzbifchof 
zu Lehen tragenden Hof in St. Sebaftian-Engers bewitthbumen 
möge, als wozu Tags vorher Antond Brüder Konrad und Sons 
him von Kettig zu Baſſenheim ihren Willen gegeben hatten. 
Die von Kettig beſaßen nämlich die Nieberburg zu Baſſenheim. 
Antons Sohn Johann Konrad, verm. 1598 mit Barbara Eli⸗ 
ſabeth von Rüdingen, hinterließ nur Töchter, von denen bie 
eine, Maria Dorothea , als des Friedrich Edarb von Bellers⸗ 
heim Wittwe, einen Better, N. N. von Kettig, und zum britten= 
mal den Wilhelm Gottfried von Holdingshaufen heurathete. Mit 
ihrem Ehemann, oder aber mit ihrem Baker ift der Mannsſtamm 
derer von Kettig erlofchen. 

Kettig, das Dorf, wo in früherer Zeit noch mehre adeliche Ge⸗ 
ſchlechter begütert gewefen, wie bann Heinrich von Mendig, Ritter, 
feine Weingüter dafelbft an bie Abtei Himmeroth vergabte, Freitag 
vor Laurentien 1266, Reitig, das Dorf mar niemals der davon bes 


Die chlnifhe Strafe. 141 


nannten Zunfer, fondern der Herren von Iſenburg Eigenthum, von 

denen e3 nach und nad an Trier gefommen iſt. Vollſtaͤndig hatte 
biefer Wechfel in ber Herrfchaft vor dem J. 1409 ſich ergeben. 
Kirchenſatz, Zehnten und mehre Güter blieben aber noch lange 
Zeit Iſenburgiſch, laut ber Lehenbriefe von 1401 und 1544, 

Die Kirche ift dem h. Bartholomäus geweihet, und war darauf 
ein Perfonat vadieirt, fo bie yon Sohlern bei Kurpfalz zu Lehen 

nahmen. Der lebte von denen von Sohlern ernannte Perſona⸗ 
sit war der Domherr von Hobenfeld : er hatte den Paflor zu 

beſtellen. Bon dem Zehnten erhob Graf Baflenheim ?/,, ber 

Paſtor "/,, der von Wald '/,, welches von der Abtei Mariens 

soth herrührend, der von Sohlern /,. In ben naflen Zehnten 

theilten ſich Graf Baflfenheim, Sohlern und ber Perfonatifl. Die 

Jagd gehörte zum kurfürſtlichen Gehege, nachdem Graf Baffen- 

beim der von ihm geübten Mitjagd durch Vertrag entjagt hatte. 

Als eine Dependenz von Kettig if die am Ausgang der Höhe 

belegene Ortſchaſt Weißenthurm entflanden ; da fie zugleich ein 

Rheindorf, wirb von ihr auf anderer Stelle gehandelt werden. — 

Die cölnifche Straße, welche vom Bubenheimer Berg an in gleichem 

Abſtand vom Rhein und von ber Höhe fortläuft, berührt bie zum 

Weißenthurm Fein Dorf, fondern nur einzelne Wirthshäuſer, am 

grünen Jäger, neben welchem bie Barriereftlätte angebracht, zum 

Hufar, zur fohönen Ausfiht. Nicht fo Furz wird die Rheinlinie, 

anhebend mit der Mündung der Mofel, ſich abfinden laſſen. 


Henendorf, W allersheim. 


Gärten, Gafthäufer, Holzhöfe nehmen den Raum bes vor⸗ 
maligen Lützel⸗Coblenz ein. Unmittelbar an ber Brüde fteht bag 
vormalige Barrierehaus, des Bombenfeften Weinwirthichaft. Es 
folgt die Halbinfel, eine Gartenanlage, innerhalb deren Grenzen 
man die Fundamente bes Thurmes der yormaligen Petersfirche 
gefunden hat. Auf diefer Stelle haben die alten Lügel-Coblenzer 
gebetet, da tanzen ihre Nachfolger. Es folgt der Sicherheits⸗ 
hafen, abgeſehen von feiner Nüstlichkeit, ein Monument der Angft 


442 .  Menendorf. 


und Noth bes 3. 1848, zugleich eine Schutzwehr für die benach⸗ 
barten Gärten, die bis. dahin faft alljährlich von Ueberſchwem⸗ 
mung und Eisgang zu leiden hatten. Der nädhfte biefer Gär⸗ 
ten, famt der vormals von ber Mofelbräde dahin führenden 
Dappelallee, son dem Grafen Wenzel Joſeph von Leiningen=Heis 
desheim, dem Zurfürftlichen Hofmarſchall, angelegt, gelangte 
durch Kauf an den Grafen von Metternich, wurde von ber fran⸗ 
zöftfehen Domainenverwaltung als Emigrantengut eingezogen, 
und darauf an den Banquier Joh. Peter Reuter verkauft. Der 
bat ihn durd legten Willen dem Hospital hinterlaffen. Wie bie 
Sage gebt, hätten die frommen Hospitalfchweftern täglich betend 
den Garten umfreifet, auf daß ber Herr den Eigenthümer bes 
ftimmen möge, das ihnen gleich nothwendige und gleich bequem 
gelegene Grundftüd zum Beſten der Armen zu widmen. Ihr 
Gebet hat Erhörung gefunden, Bel Dewalds Garten gehet bie. 
gelbe Mofel in den grünen Rhein, und hat deshalb vordem ber 
Garten ald Schild den Rhein und bie Mofel, diefe in herkoͤmm⸗ 
ficher, etwas defecter Toilette, zufamt dem Namen Rhein⸗ und 
Mofelgarten geführt. Das Bild gab zu mandhem Mißverftänds 
niß ab Seiten der franzöfifhen Soldaten VBeranlaffung, und 
mußte darum entfernt werden. Die anliegende Schariwiefe, fel« 
ten von Spaziergängern befucht, war in den Sommermonaten 
bes 5.1794 ungemein belebt. Da nahm die ftreitbare Bürger- 
fhaft täglih ihre Waffenübungen vor, um fich für den Kampf 
auf Leben und Tod, den fie den Franzoſen geſchworen, zu bes 
fähigen. Ungefähr daſſelbe haben die Söhne und Enfel 1815 
und 1848 verſucht, jedesmal mit dem gleichen Erfolg. Auf die 
Nachricht von der Aranzofen Einzug zu Trier, 9, Aug, 1794, 
firedte das Gewehr die Eoblenzer Bürgerwehr, 

Bon Dewalds Garten bis zu den legten Häufern von Neuen 
borf bleibt die Ausſicht auf die über bem Rhein gelegenen Berge 
höchſt monoton, die Ebene felbft, zwar forgfältig angebauet, ent 
behrt aller Abwechslung, Neuendorf Hingegen ift ein luſtiger, 
freundlicher, fortwaͤhrend im Wachsthum begriffener Ort, mit 
einer Bevölkerung von 2130 Köpfen, in 257 Häufern. Unge⸗ 
zweifelt ſtehet dexfelbe auf der Stadt Coblenz Grund und Boden, 


Des Ortes Wichtigkeit für Coblenz. 145 


baber er niemald einem Amt zugetheilt, fondern ftetd als ber 
Stadt mitleidender Ort behandelt worden. Die Anfiedelung 
biieb jedoch unbedeutend, fo lange ganz in ihrer Nähe ein klei⸗ 
nes Eoblenz beſtand; erft mit deſſen Zerftörung , 1688 beginnt 
eine Periode des Wahsthums für Neuendorf, Es wendete fich 
dahin ein Theil der Bevölkerung von Luͤtzel⸗TCoblenz, und iſt 
mit ihr Die ganze Gemarkung von Luͤtzel⸗Coblenz an Neuendorf 
gebiehen. Das ließen bie Goblenzer ruhig gefchehen, wie fie 
dann zu allen Zeiten höchſt gleichgültig für Die Erhaltung ihrer 
Grenzen gewefen find; als bei Anfertigung bes Cadaſters die 
ganze Strede von der Brüdbach bis zur Laubad ber Marfung 
entzogen, an Capellen gegeben wurbe, erhob fih in Coblenz auch 
nit eine Stimme zu Widerſpruch. In das Gebiet yon Luͤtzel⸗ 
Coblenz haben fich vornehmlich die drei Höfe, ber Deutfchordengs 
Comthurei, der Abtei Himmeroth und der Familie von Gfrz ges ' 
theilt. Diefer wurde 1803 um 20,000 Rthlr. ftüdweife ver⸗ 
äußert, und hat vornehmlich den Boden für die Feftungsanlagen 
geliefert. Ihnen mußte ein großer Theil der fruchtbarften Läns 
dereien geopfert werden, gleichwohl: iſt Neuendorf nad) wie vor 
der Gemüfegarten für Coblenz geblieben. Nirgends im Lande 
wird ber Ader-, richtiger Gemüfebau emflger betrieben denn hier, 
Dazu hat der lebhafte Berfehr mit Holland wefentlich beigetragen. 
Neuendorf ift nämlich einer der Hauptanlegepunfte für die 


| Floͤße, bier werden die größern Maffen zufammengefegt, und die 


hiefige Bevölkerung Liefert ihnen vorzüglich Die Bemannung. Die 
Neuendorfer Flößer fehen manches Neue in ihren Fahrten, haben 
insbefondere viele im Lande unbefannte Sämereien nad) der Hei⸗ 
math gebracht. Die Feine, unanfehntiche Pfarrkirche, dem h. Pes 
tus geweihet, wurde fonft von Coblenz aus bebient, und haben 
die Capläne, gewöhnlich junge Leute, den Brauch, die Kirmes 
am 9. Mai zu begeben, eingeführt. Wollten fie vielleicht in ber 
Wahl des fanften, ergebenen Dulders Job ihre Lage, einem 
grämlichen Pfarrherren gegenüber, andeuten? ob fehreibe ich als 
schtgläubiger Katholik, in der proteftantifchen Kirche heißt der 
arabifche Emir, wie Voltaire flets, in fihtlihem Hochgefühl ob 
feines wichtigen Entdeckung ihn bezeichnet, Hiob, und if das 


144 Heuendorf, 


nicht der einzige altteflamentarifhe Namen, in befien Recht⸗ 
ſchreibung und Ausfprache Katholifen und Proteftanten fidh fcheis 
ben. Ich will nur Kapharnaum, Kapernaum, Samfon, Simſon, 
Ezechiel, Hefefil, Nabuchodonoſor, Nebufabnezar anmelden. 
Alterthümer wird man in Neuendorf nicht fuchen, felbft das Haus 
mit der in ber neueften Zeit zum öftern befprochenen Infchrift ges 
hört dem 18. Jahrhundert an. Der Erbauer,-der E. k. Major 
Nell, hatte, als ein weitgereifeter Dann, fi in den Kopf ges 
fest, an des Rheines Strand ein polnifches Haus zu bewohnen. 
Daher manches Auffallende in dem Bauſtyl, ein Balcon 5. B. 
über dem Thor, ein anderer in dem Hof über dem Düngerhaus _ 
fen, ein Frescogemälde in der Façade, in welchem weniger bie 
Kunft des Meifters, als des Erbauers Prunfen mit feinen 
eynifchen Neigungen zu bewundern, eine Treppe, die er zu Efel 
. hinanzureiten gewohnt, ein Eſelſtall. Mit dem polnifhen Haufe 
bat Major Nell eine polnifche Wirthfchaft verbunden, und dar⸗ 
über, gleihwie durch einen ſchweren, mit dem f. k. Aerarium um 
einen Soldrückſtand geführten und verunglüdten Proceß, fein Vers 
mögen großentheils eingebüßt. Das Publicum, nach feiner Weife, 
vergrößerte ben Schaden über alle Gebür, und bie in der Gegend 
rireulirenden Gerüchte Lügen zu firafen, lieg Nell die oben bes 
ſprochene Infchrift gleih unter dem äußern Balcon, und zwar 
um fein vierfeldiges Wappen — 1. und A, ein rechter Schräg- 
balfen, 2. und 3, eine Blume, oder aber der Schnörfel, der nicht 
felten Silber andeutet — fegen. Dann heißt es: Dieses Haus und 
1732 

Hofe ist frei, was Alles fehr deutlich zu leſen. Verſchwun⸗ 
ben iſt dagegen die Fortſetzung: wer es nicht glauben will, und 
zumalen der Schluß, welchen mitzutheilen, ich überflüffig finde, 
ba er höchſtens einen Wunfch, Teineswegs ein Gebot, ausprüdt. 
Auch die Balcons, die Malereien u. f. w. haben dem Schicdlich⸗ 
feitgefühl eines fpätern Befigers weichen müſſen. Noch zeigt 
man in Neuendorf das Haus, wo Geheimrath Milz einftens 
den Kurfürften Johann Philipp bewirthete, dann ein Haus, fo 
feit Tangen Jahren durch Poltergeifter beunruhigt wird, Die 
Fühne That eines Schiffers, deſſen Namen doch, nach altem loͤb⸗ 


Per hüdne Sdiffer. 0. 448 


lichen Brauche, bie: Zeitgenoſſen unbeachtet ließen, brf bier nicht 
vergeffen werben. 

. „Die Allürten hatten indeflen einen Anſchlag, die Fran. 
Shiffsrüde bey Bonn, zu rwiniren, welcher ihnen auch glücklich 
von flatten gieng, und folgender maffen ausgefonnen war, auch 
zur Bollfiredung gebracht wurde. Sie Lieffen nehmlich ein groß 
und ſtarck Floß von mächtigen Bäumen und Balden, zu Neuen» 
borff unterhalb Coblentz machen, und befegten es mit einem ers 
fahrnen und geſchickten Schiffer, jelbiges zu regieren, und ben 
Strom fo hinunter treiben zu laſſen, daß es durch einen gewalt- 
famen Anlauff die Schiffbrüde auseinander riffe, In der Nacht 
swifchen den 1. und 2, Decemb. 1702. fuhr er damit von ge⸗ 
mieldetem Ort ab, und war fehr früh bey Bonn, ließ das Floß 
mit Gewalt wieder ben Ausleger, den die Frantzoſen vor ber 
Schiffbrücke hatten, dergeftalt anlauffen, daß biefer gleich zu 
ſcheitern, das Floß hernach, mit gleicher Macht, und ohne auffs 
gehalten, wider die Schiffbrüden gieng, woburd biefe zerriffen, 
und ber mehrere Theil derer Schiffe, auff welchen fie rubete, 
| dur den Strom mit fort genommen worben, bag 13 davon für 
Coͤlln ſchwommen, andre für Rodenkirchen und an andern Orten, 
da man fie aufffifchete, und weiter hinab, an das Mühlheim 
grab über angelegte Fort führete. Die Frangofen in Bonn 
(welhe hernach fliegende Brüden anrichteten) famen barüber in 
groffen Schrecken, und hätten beynahe etliche neuangelegte Werde 
ſelbſt wider demoliret, weil fie meinten, die Alliicten werden 
nun gleich Darfeyn, den Play zu belagern, und weil die Guar- 
aison aus A500 Mann beftehende, in einem gehaltenen Krieges 
Rath, nicht zulänglich geachtet wurde, alle Poften zu befegen.” 

Bon Neuendorf wird das Fleine Dorf Wallersheim, Wars 
ſchem im gemeinen Leben, durch einen Raum yon 350 Schrit- 
ten getrennt. In Wallersheim beftand ein Cifterzienfer-Nonnen- 
Hofer, zu U. 8, F., deffen nettes Kicchlein bes Dorfes einzige 
Zierde, deſſen Geſchichte die gewöhnliche der Nonnenflöfter in 
unfern Gegenden. Zwei Schweflern aus dem Dorfe, gerührt. 
von den Worten und Werfen des h. Kirchenvaters Bernhard, 
ſollen fich, unmittelbar nach feiner legten Reife durch das rheis 


Mhein, Katiquarius 3. Abth. 2. Bd. 10 


446 Wallersheim. 


nifche Frankenland, dem Himmel verlobt, und ihre bemüthige 

Wohnung in eine Claufe verwandelt haben, Die von ihnen 
gegründete Gefellfchaft vermehrte ſich allgemach, weshalb Erz⸗ 
bifhof Sohann I. oder Theoderih II. den Clausnerinen eine 
beftimmte Regel, die von Eifterz, vorfchrieb, auch erlaubte, für 
ihre Andacht in der ihrer Clauſe anftoßenden Pfarrkirche ein Ora⸗ 
torium zu bauen. Erzbiſchof Arnold EI. unterwarf das Klofter 
der Aufficht des Abtes von Marienftatt, an deſſen Stelle feit 
1278 der Prälat- von Himmerstb trat, Laut dem Viſitations⸗ 
protokoll von 1738 Tebten bier, unter der würdigen Mutter Ma⸗ 
ria Heurftett, 15 Yelatae und 2 Layenfchweftern. Die britte 
Layenfchwefter war incarcerirt. Sie hatte vorgegeben, einen in 
dent Kloſter wandelnden Geift zu erlöfen, fei ihr auferlegt. Als 
Betrügerin erkannt und von dem Prälaten von Himmeroth .bes 
Araft, wollte fie Rache nehmen an zwei Layenſchweſtern, durd 
welche vielleicht der Betrug aufgededt worben. Sie kaufte zu 
Coblenz für einen Kreuzer Müdenpulver, das in ber beiden 
Schweftern Trinfgefchire zu werfen ihre Abficht. Bald aber eines 
andern ſich befinnend, „warf fie das Pulver in die gemeine 
Suppe, wornad mehrere Geiftliche ſich s. v. gebrochen haben, 
Der Prälat zu Himmeroth , hiervon inftruirt,, unterfucdhte, mit 
Zuziehung zweier Gapuziner , ald Zeugen, und bes Probftes zu 
Andernach, ald Secretarü, dag Werd, und verurtheilte gedachte 
Layenſchweſter zu ewigem Carcer“. Kurfürft Johann Phis 
fipp verorbnete, dag fortan die Borfteherin nicht mehr Priorin, 
fondern Aebtiffin heiße, In den legten Zeiten hatten bie Klo- 
ſterfranen fi eine eigene Kirche erbauet, fie waren ber beftäns 
digen Zänfereien mit des Gemeinde, um ben Gebrauch der Pfarr 
fire, müde, „Es werden verfchiedene Meflen in der Klofters 
tirche, welche fundirt feyn, Sonntage gehalten, wozu die Ge- 
meinde den Oehl hergeben muß, auch gehet täglih ein Welt- 
geiftlicher von Eoblenz hinunter, welcher in ber Kloſterkirch Meſſ 
fefet, welchen die Nonnen aber zahlen müßen.” Die Jahrhun⸗ 
derte hindurch fortgefegten Zänfereien der Gemeinde mit dem Klo⸗ 
fer hat die franzöfifche Revolution gründlich gefchlichtet: Kloſter 
und Pfarrkirche find verſchwunden. Diefe, eine der älteften des 


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Das Honnenhlofler. 447 


Landes, wurde im J. 1808 abgetragen, und pfarrt ſeitdem Wal⸗ 
lersheim nad Neuendorf, Die Kloſterkirche bient ber Gemeinde 
als Capelle, wie einft die Dorflirche den Nonnen, und das Klo⸗ 
ſtergebäude als Bauernhof. 

Das Klofter war ziemlich wohlhabend, wie die Charta cha- 
ritatis ſolches gewöhnlich mit ſich brachte. „Es erhaltet alle 
Jahr 10 Mitr. Korn von der Carthaus bey Koblenz zum Inter: 
balt der Armen, welches aber mehrentheils an der Pforth aus⸗ 
gegeben wird, auch erhaltet das Klofler alle quartal yon ber 
Carthaus 6 Brod und bey Hof 10 rihlr. Plegergeld , welches 
Ahnen der Kurfürft Johann Hugo gnäbigft zugebacht, nunmehr, 
weilen fe nicht mehr benöthiget feynd, ift dieſes ihnen entzogen.” 
Wohlfeileres wie Pleger, Caldaunen, konnte faum dem Tifch bes 
Kloſters aufgefegt werden. Es mochte, eben nicht zum Vortheil 
der Disciplin, ben in eigenen Weinbergen gewonnenen Wein 
ſelbſt ausſchenken, mußte hierbei aber größeres Maas geben. 
Diefes fogenannte Bönnifche Hofmaas, und die berühmten Pfann⸗ 


kuchen der Klofterfühe, an benen jeboch Kenner und Berehrer 


bes Pfannkuchens den Aufguß von Zuder mißbilligten, zogen 


siele Gäfte herbei, zum großen Aerger des Amtes, welches, nach» 


bem es fich die erhabenen Grundſätze der neuern Staatswirth⸗ 
fhaft eigen gemacht, den Schaden ber Dorfwirthe als feinen 
eigenen betrachten mußte. Alles Klagen war aber vergeblich. 


Indem Wallersheim in der Ebene, Niederwerth auf der Rhein- 


infel, Beffelich auf der Höhe belegen, hat, die Bewohner zu bes 
zeichnen, der Klofterwig die Worte des Pfalmiften angerufen, 
als volucres coeli, pisces maris, reptilia terrae bie brei Klö⸗ 
Rer unterfchieden. Sie waren einander fo nahe, daß man in 
einem jeden der beiden Nachbarn Ehorgefang vernehmen fonnte, 

Die ſchwache Bevölferung — 1784 wurden in 30 Häufern 
32 Bürger und 6 Beifaffen gezählt — die ſchwache Bevölkerung 
beſitzt vortreffliches Aderland, „und werben befonders viele Ges 
müßer und alle Sorten von Früdten hierin gezogen.” Die Wein⸗ 
gärten find vorlängft ausgerottet, und demnach bie Weinzinfe, fo 
der Graf von Baſſenheim zu erheben berechtigt, in einen Geld⸗ 
benag, 3 Alb. für die Maas umgewandelt worden. „Vorhero 


10 * 


148 Aeſſelheim. 


hat auch das Ronnenkloſter Weinzins gezogen, welchen dermalen 
der zeitliche Paſtor ziehet, wofür er den Meſſenwein hergeben 
muß. Der Graf von Baſſenheim ſetzet zwar einen Vogt, wel⸗ 
cher aber am Gericht nichts zu thun hat, ſondern nur ein Höfer⸗ 
vogt iſt, und nur beyfiget, wenn bie Zinſen verleſen werden. 
Das Stift zu St. Eaftor hat das Gericht anzuordnen, welches 
aber nur ein Grundgericht ift, und die actus voluntariae Juris- 
dictionis ausübet, contenfiosa gehören and Amt. Den-Dienftag 
nach Dreifönigtag haltet es Hofgeding, allwo bie Hofgüter ver⸗ 
lefen werden,” Das St. Caftorftift beſaß auch einen anſehn⸗ 
lichen Hof im Orte, erhob den Zehnten, und befeste die Pfarre 
mit einem Bicarius, „welcher aufs und abgehet, und von dem 
Stift jährlih 12 Malter Kom und 2 Ohmen Wein befommt. 
Die Jagd gehörte zum Turfürftlihen Geheg, die Fifcherey iſt 
zwarn frey, hingegen tft der Salmenfang von ber Hofrentfammer 
verpfachtet und fehr ergiebig. Die Salmen werden theild zu 
Coblenz verkauft, aber mehrentheils, wie zu Galtenengers und 
Urmitz nacher Frankreich verführet,” und ſchließe ich aus dieſem 
Berführen, daß bie Erzählungen von dem geringen Preiſe des 
Salmens, 3 Petermännden das Pfund, und von ber Stipulation, 
fo einen Dienft antretend, Knechte oder Mägde zu machen pfleg- 
‚sen, bag ihnen nur dreimal die Woche Salmen gereicht werde, 
hier wie aller Orten Tediglih Mähren find. Das einft nad 
Wallersheim eingepfarrte Dorf Voſenhauſen, in der Nähe von 
Schönbornsluſt, iſt vorlängft eingegangen. 


— 


Keſſelheim, Schönbornsluſt. 


Von Wallersheim führet der Rhein hinunter nach Keſſelheim, 
das uralte Dorf, ſo zweifelsohn ſeinen Namen den Trümmern 
römiſcher Feſtungswerke, dergleichen ſich noch von Zeit zu Zeit 
in der Markung aufthun, verdankt. Von dieſer Markung heißt 
.e8 zu allem Recht, „das Feld iſt vortrefflich und traget alle 
Sorten von Früchten, befonders guten Kappes und fonftiges 
Gemüſe.“ Eine im Lande wohl befannte Nepfelart, in ber 


\ 


Monasterium puellarum Rescelenheim nominatum. 149 


Färbung dem Paradiesapfel ähnlich, führt von Keſſelheim den 


Namen. Im J. 1784 wurden daſelbſt 95 Bürger, bann-11 
Wittwen gezählt. Zinfen erhoben das Liebfrauenftift zu Aachen, 
Graf Baffenheim, die Deutfhordenscomthurei Koblenz, die von 
Umbfcheiden, der Nonnenberger Hof zu Eoblenz, bie Abtei Alten 
berg im Bergifchen. Das Liebfrauenftift beſaß auch einen fehr be⸗ 
beutenden Hof, bezog Rurmuthen und den Zehnten, vergab. die 
Pfarrei, beftellte das Grundgericht. Der Hof, 121 Morgen haltend, 
und für 24 Malt. Korn und 24 Rthlr. verpachtet, wurde den 
2. Frimaire X. um 35,400 Franken perfteigert. „Der Schultheiß 
wohnt gewöhnlich auf der Abtey Hof. Dieſe Gerichtöbarfeit 
wurde vor vielen Jahren dem Crönungsftifi ftrittig gemacht, und 
exercirte damals durch befondere Regierungs⸗Aufträg verfchiebene 
Actus, bis dahin das gedachte ECrönungsftift per processum bie 
Gerichtsbarfeit evinciret hat; noch würdlih wird jedesmal ein 
Scheffen vom Amt angeordnet, welcher feinen Sig bei dem Ge» 
richt hat; zwar hat biefes concurrentem Jurisdictionem in con- 
tentiosis behaupten wollen, allein es bat von biefer Anforderung 
abgeftanden, fo daß, fobald eine Sache contentios wird, biefelbe 
and Amt verweifer.” Die Kirche. ift zu Ehren des h. Martinus 
geweihet. Die Marfung machte den Mittelpunft von dem fur- 
fürftlichen Gehege aus, wie denn das furfürftliche Jagd» und 
Luſtſchloß Schönbornsluſt von Keflelheim feine 10 Minuten abs 
gelegen. 

Jahre lang hatte ich gegrübelt, wo zu fuchen monasterium 
puellarum Rescelenheim nominatum, welches Kaifer Dito 1. am 
24. Det. 966 ber Kirche des h. Mauritius in Magdeburg zus 
wendete, nachdem befagtes Frauenkloſter den bisherigen Befigern, 
den Saliern Konrad und Eberhard, als exheredes et inlegales 
abgefprocdhen worden, alle meine Forſchungen hatten in Keſſelheim 
ſelbſt kein Refultat auffinden wollen. Eine der fchmerzlichften 
Stunden eines fohmerzenreichen Lebens führte mich nah Schön 
bornsluſt, und in ber trüben Stimmung wurde mir deutlich, daß 
der Schloßgarten ein Kirchhof einſt gewefen fein müffe. Die 
Entdeckung verfolgend, Eonnte ich ferner feinen Zweifel um jenes 
Srauenflofters Standort hegen, es ergab fich weiter, daß es von 


150 Schönbsrusinfl, 


dem Erztift Magdeburg an bes h. Servatius Stift zu Maaſt⸗ 
richt, und im Laufe bes 17. Jahrhunderts an die Grafen von 
Metternich gefommen. Bon dem Klofter felhft war indeſſen vor⸗ 
längft jede Spur verfchwunden, aus feinem Beſitzthum der Pacht⸗ 
hof Darienfeld erwachſen. Bon diefem heißt es in der Amts⸗ 
beiehreibung: „vor Erbauung des Schloffes Schönbornsluft war 
ein Hofhauß an dem allport gelegenen Wäldgen, fo dem Grafen 
von Metternich famt vielen umliegenden Gütern zugehörte, dieſe 
mwurben gegen andere Cameralgüter , befonders auf dem Dieb 
licher Berg vertaufchet, nunmehro find diefe Guter an verfchiedene 
Unterthanen zu Keffelheim und Wallersheim verpfachtet. Nicht 
weit von dem alten Hofhaus ab ware eine Windmühle, vor AO 
Jahren konnte man nod die Rudera fehen, und noch würdfich 
wird der Ort an ber Windmühle genennet. Das Schloß Hat 
fein Erbauer, Kurfürft Franz Georg, 1752 bezogen, auf dieſem 

bielte er fich zu Sommergzeiten fo lang auf, ale die Feldhühner⸗ 
jagd dauerte.” Vom Juni bis zum halben November 1791 wurde. 
baffelbe von den franzöftfchen Prinzen, den Brüdern Ludwigs XVL, 
im Zul. 1792 während einiger Tage von König, Friedrich Wil⸗ 
beim IE. von Preuffen bewohnt, Zwei Jahre fpäter mußte bag 
Schloß geräumt werben, indem es zur Aufnahme eines k. k. Feld⸗ 
fpitals beflimmt. Darauf famen die Franzofen, und arg haben 
biefe in ber Bourbonen Wohnftätte, zu Chambreloup, wie e8 ben 
Emigranten hieß, gehauſet. Was der Wuth der Soldaten ent⸗ 
gangen, das vernichteten bie Nachbarn, namentlich wurde bie herr⸗ 
liche, eine halbe Stunde Yang bis zur Mofelbrüde fortgefegte Allee, 
dann bes Ortes eigenthümliche Zier, das Wäldchen, fo man in 
ben Zeiten des Grafen von Artois wohl: dem bezauberten Birfen- 
wäldchen der Königin Zaura hätte vergleichen mögen, gefället. 
Das verfallene Schloß, famt Garten, Hofhaus und Wäldchen, zu- 
fammen 4 Morgen, wurde am 15. Meſſidor XIII. für Die Summe 
von 19,000 Franken, und der Marienfelder Hof, 200 Dlorgen, 
um 90 Malter Korn und den Zehnten verpachtet, am 23. Sept. 
1806 für 43,500 Franken von der franzöfifhen Domainenvers 
waltung veräußert; des Echloffes Ruinen haben hierauf bie 
Anfleigerer weggeräumt, daß von aller Herrlichkeit, außer bem 


Des Achloſſes poetiſche Peſchreibung. 181 


eigentlichen Garten, nur mehr ein Stallgebäube, für jebt im 
einen Pachthof verwandelt, übrig. 

Dem fogenannten Dicafterialbau unter dem Ehrenbreitftein 
gleichzeitig, und gleich biefem nad den Riſſen des Obriften 
Baltd. Neumann erbauet,- zeigte das Schloß mit jenem Gebäude 
eine auffallende Familienähnlichkeit. Die Befchreibung könnte ich 
daher füglich erfparen. Indeſſen bietet Schönbornsluſt, be= 


- fungen als ein furtrierifhes Tempe von einem rheinifchen 
Dichter, dermaßen ausgezeichnete poetifhe Schönheiten, daß ich 
mir ein Gewiffen daraus machen müßte, die Seltenheit meinen 


Leſern vorzubalten. Folgt alſo: 


Das Hoc) » Berühmte 
Eh u * »Fürſthich⸗Neu ⸗erbaute 
Scho enborus⸗-⸗Lu ſi 
Schlo ß 
wurde 
Bey dem hoben und prächtigen Einzug 
Ihre Ehur- Fürflliden Gnaden von Srier 
Befungen 
Als ein Chur⸗Trieriſches 
TEMPE, 
' id est 
Trevirensis Episcopi Mansio Pulchra Electoralis 
Esstructa Prope Moselle Effiuentis Terminum 
1752, 


1, 

Wo bin ih! Wo befind ich mich! 
Wo hat mein Glück mid hingeführet ! 
Wie iſt der Orth bier ausgezieret ! 

Wie kommt mirs vor! was fehe ih? 
Hier, wo fih Rhein und Mofell grüßen 
Bier, zwiſchen den berühmten flüſſen, 

Hat's neulich nicht fo ausgefehn 

Ward Kürglid nicht fo wunder⸗ſchön. 


2. 
Wer fagt mir's? Wem iſt es bewuft? 
Was ich vor angenehme Stüde 
Erſeh' Hier von der Moſell⸗Brücke. 
Iſt e8 vielleicht des Schenborns-Lust? (a) 


(a) qud nulla beatior ora. 


Tractus in amoenum vergens patriaegue decorem 
epitomen vonustatis, ridentis, genioque indulgentis naturae opus absolutum. 


152 


Schönbornsluſt. 


Wo von ich ſchon fo Viel gehöret, 

Wo von die Zeitung uns belehret. 
Ja Ja! es iſts! Ich bin beglückt, 
Daß ich den ſchönen Orth erblickt. 


8. 
Nun weis ich erſt was Tempo heiſt, (b) 
und will nicht nad, Thessalien reifen, 
Wo Griechen foldhe Örter weiffen, 
Die Aelian als herrlich preift, 
Nein! Wo der Vatter unf'rer flüffe 
Albier der Rhein die naffen Küffe 
Empfängt von feiner MofellsBraut, 
Da ift ein Tempe angebaut, 


4. 

Mic deucht, ed vuff mir Jemand zu: 
Der Orth ift heylig, da du ſteheſt, 
Das Land geweyhet, wo du geheft, 

Leg ab wie Moses beine fchuh’! (eo) 
Und in der That ben Luft-plag borten, 
Bewohnt auch einer aus bem Orben 

Der ird'ſchen Götter biefer Welt, (d) 

Die Gott an feine flatt geftellt. 


5. - 
Der Sig zu Trier bleibt im Werth! 
Es wär gemwis ein kühnes Dichten, 
Wan ich hiermit jest wolt vernichten 
Der alten Ehriften rohte Erd. (e) 
Der Breite Stein fteht auch in Ehren, 
Die wird wohl Eeine Zeit verzehren, 
Ob ich gleich jeso mein Geſtcht, 
Dort hin auff Sekenborns Lust gericht, 


(b) vide_graphicam tüv Teunav descripiionem apud Aelianum Var. 
Hist. Lib. III. Cp. I. Strab. Lab, IX. Plin. Lib. IV. 

Aelianus de Tempe Thessaliae itas o'x aAvIgmnivn; xsıpds 
seya, all& P’asag aurönuara, sis zahAog Törs Hılorsumsausıns, 
örs EAduıBavs yEvaoın 6 XKg0g. 

(c) Exodi, III. Solve calceamentum de pedibus tuis: locus enim, in quo 
stas, terra sancta est. 


(d) Psalm. 81. Ego disi, Dii estis et ſilii excelsionie. 


(e) Vide annotationes Marquardi Freheri in Ausenii Mosell. fol. 185 
et 126. In hac crypta jacent corpora Sanctorum &e. 
Martyrum sunt: D. Paulinus. Tirsus. Palmatius. Maxentius. Con- 
stantius. Crescentius. Justinus. Leander. Alerander. Soter: Hor- 
misda. Papinus. Constans. Jovianus. &c. yc. Lo. 


Des Schlofes | poetiſche Veſchreibung. 183 


6. 

Ach ſeht doch wie bee Himmel lacht! 
Ad, feht das aug ber weit! Die Sonne 
Belebt die Erd’ mit fchein und Wonne, (f) 

Seit dem ber Fuͤrſt ſich auffgemadt, 

Den Stuhl in Schenborns Lust zu ſetzen, 
um ſich dafelbften zu ergögen, 

Das maht: ee ſpricht fein Ja darzu, 

Daß Schenborns Lasst hab Thöne Ruh, 


7. 
Die Gegend und das Lufl-revier 
Gibt mir floff zu moralisiren 
und wie im Gleichnüs anzuführen 
Das inn’re Bild des Herrn von Trier. 
Das feld umher fo plan und eben, 
Wil und den Flaren Zuruff geben: 
Die Gegend, wo das Luſt⸗ſchloß fleht, 
Beigt feine equanimität ! 


8. 
Bon Schenborns Lust grab nach dem Rhein 
Bind Bäume durch bie art gefället, 
Weil fie des Fürften aug verftellet, 
Was mag doch die Bedeutung ſeyn? 
Wer Ihm ein Blendwerck will vormahlen, 
Den wird Er wie die Bäum bezahlen. (g) 
Mid) deucht, fie fchrey’n : Ach feht uns an! 
Die ihr fo falfeh wie wir gethan. 


9. 
‚Dingegen wie ber Rhein albier 
Die trübe Moſell zu fich Läffet, 
Und gar nichts davon rückwerts ftöffet, 
Und diefes immer für und für; 
So feh’ ich unfern Landes-Fürften, 
Im Bild, nad) unferm wohlſeyn bürften, 
Und wie Er in die arme faflt 
Betrübte unfchuld in der Laſt. Ch) 


(f) Te terrarum mihi praeter omnes | 
Angulus ridet, — Horatius. Od. 6. 
Ver ubi longum tepidasque praebet f Lib. II. 


Jupiter brumas. &c. &c. 


Ditat rura Ceres, almaque Faustitas. Hor. Od. 5. L. IV. 

(g) Psalm: 100. Non ponebam ante oculos meos rem injustam. Fa- 
cientes praevaricationes odivi. Oculi mei ad fideles terrae ut $e- 
deant mecum. In matutino interficiebam omnes peccatores &c. 

(h) Espi. 49. Et erunt Reges nutritii tui et Reginae nutrices tuae. 


134 


Schönbernsinfl. 


10; 0 
Run mus ich etwas näher gehn, 
3u fehn wie Schenborns Luft gezieret 
Wie prädtig es fey auffgeführet, (i) 
Hier mus ich aber flaunend ftehn! 
Ach Eönt ich mahlen und nicht fchreiben! 
Doch wer wolt mir die farben reiben? 
Wo fang id) diefes werd wohl an? 
Sch merck daß ichs nicht leiſten Tan! 


11. 

Dan, ber erhabene Altan, 
Mit Kunft und Laubwerd ausgezieret 
Bat mir das aug ſchon fo verführet 

Daß ih mi nicht befinnen Tan, 
Wo ich den anfang und das Ende (k) 
Anjetzo im Abſchildern fände, 

- Dan welder Pinfell ift fo kühn 
Den Lauff und Bieraht nach zu zieh’n? 


12. 

Bom Grund:Riß fag ich dis allein, 
Wer foldhen auffs papier wolt legen, 
Muß fürftlicde Gedancken heegen, 

Muß in der Kunft bewandert feyn, 
Die Archimedes hoc, getrieben, 
Stasierates aud pflegt’ zu üben, 

Worinnen dan den Preis bebällt, 

Der biefen Abriß ſich erwählt. 


13, 

Das Fundament an Schenborns Lust 
Iſt nicht (wie wir gar ſchön erblicken) 
Gebeugter untertbanen Rüden 

Ach nein! Dis ift uns wohl bewuft! 
Die gröfite Zierd die man hier findet 
Iſt diefe, daß es felbft ſich gründet, (1) 

Mic dbeucht die Pfeiler ruffen mir: 

Bir flehn zur Last nicht Laſt alhier! 





Gi) Horatius. Epist. X. Ib. L Laudaturque Domus $c. Par do- 


(k) 


M 


mus est coelo, sed minor est domino. 
Non mihi si linguae centum sint oraque centum 


Plurague cum linguis pluribus ora forent 


Non tamen ideirco complecterer omnia verbis 


Materid vires essuperante meas. 


— — —  quae nec ventura silebunt 
Lustra neo ignotd rapiet sub nube velustas. 


LBG. 


Des Sqloſſes poetiſche Yeſchreibung. 188 


14. 

Sept faͤllt mir gar bie feber Hin! 
Bor Angft, vor Bangigkeit und ſchrecken, 
Ich ch’ den Löw bie Zähne blaͤcken, 

Mehr rohte Löwen? Ad! wohin! (m) 
Doch nein fie find von ftein gehauen, 
Mir foll davor nicht weiter grauen, 

Sie zeigen nur die Groß⸗muht an, 

Die man am Fürften finden kan. 


45. 
Sie zeigen and) gleichwie im Wild, 
Wie ſich der Fürft in gnaden kehret, 
Zu dem der Ihn in Demuht ehret, 
Ihn zu bedecken mit dem Schild, 
Dan, ob ber Löw zwar grauſam brüllet 
Und niemand feinen Zorn Veicht flillet, 
So wird er doch zur Güt bewegt, 
Wan man fih vor Ihm nieder legt, (m) 


16. 

Die höchſte Pracht die man hier ſchaut 
Iſt diefe: daß ber Fürft zugegen, 

Den wir nit g’nug verehren mögen, 

Der Schanborne Lust ſchloß felbft gebaut; 
Dan, fagt mir: Was vor Luft und Freude 
Steckt ohn den Fürſten im Gebäude ? 

Nur Er bringt die Vollkommenheit, 

Indem Er’s felbften eingeweyht. 


17. 

Wer möcht wohl gern im Himmel feyn, 
Ban man Gott ſelbſt nicht drinnen fände? 
&o Tönmen die gezierdten Wänbe, 

An Schenborns Lust uns nicht erfreu'n. 
Run aber, da der Bottheit ſchimmer, 

Ich meyn’ der Fuͤrſt, beſtrahlt die Zimmer 

So fehlet gar nichts mehr daran 

Das uns Vergnügen ſchaffen kann. 


18, 
Dis wär mein kurtzes ſchatten⸗ſpiel; 
Wiewohl ich Lönte vielmehr fegen 
Den edlen Lefer zu ergögen, 
Wer aber mehrers wiffen will, 


(m) Obetupuii varia confusus Imagine rerum. 
Virgil. Aeneid. Lib. XIL vers. 66%. 


(n) Corpora magnanimeo salis cat prostrasse leoni. 


156 Ä - Schönbsrnslufl. 


Mag felbft nach Schenborns Luſtſchloß fragen. 
Bor dismahl hab ich noch zu fagen, 
Was mir ſtarck brennt in meiner Bruſt, 
Den Wunſch vor biefes Schenborns Lust. (0) 


49. 

O Himmel! Laß doch immer fort (p) 
Des Schenborns Lust im feegen bleiben! 
Laß Den fi hier bie Zeit vertreiben, 

Ben dem ben nahmen trägt der Orth, 
Biß in die allerfpät’ftien Jahre, (Q) 

Biß er im frieden endlich fahre 
3u der Bei, wan es dir bewuſt, 
Aus Schenborns Lust zur Himmels-Luft. 


Den Namen entlehnt das Haus, welchem der Erbauer von 
Schönbornsluſt entiproffen, von dem Kirchdorf Schönborn, uns 
weit der Lahn, zwifchen Naffau und Diez gelegen, und vormals 
in die Grafſchaft und das Gericht Kagenellendogen gehörig. 
Dafelbfi befagen die von Schönborn ben Fronhof, das Huben- 
gericht, den Zehnten und Kirchenſatz, bis im J. 1640 dieſes 
Eigenthum durch Heurath an die von Wonsheim überging. 
Konrad von Schönborn kommt 1284, Gilbrecht, Amtmann auf 
Lahneck, 1428 und 1439 urkundlich vor. Gilbrechts Nachkom⸗ 
menſchaft iſt in Johann Wilhelms Söhnen zu Anfang des 17. 
Jahrhunderts erloſchen. Ein Bruder Johann Wilhelms, Johann 
Georg, Malteſerritter, nachdem er häufig die Türken beſtritten, 


(0) Papin. Stat. in laudata Villa Surrent. Poll, Felic. (Silv. II, II, 103.) 
Sis felis tellus dominis ambobys in annos Mygdonä. 
(p) Sua sol diei donec effundet, sua luna donec lumina nocti. 
(g) Hoc erat in votis: modus agri non ita magnus. Horat. Sat. 6. 
Lib. II et Od. 6. Lib. II. 
Tibur Argeo positum colono 
- Sit meae sedes utinam senechee, 
[Lib. III. Od. 80] Sit aere perennius 
Regalique situ pyramidum altius, 
quod non imber edax, non aquilo impotens 
possit diruere, aut innumerabilis 
Annorum series, fugaque temporum,. 

Ocellum hune, sic dietum, quod in: ejus aspecetu blandissime 
omnis acquiescit oculus, habitatorem Eminentissimum, cujus a spi- 
ritu paterno pendemus ut pupillam oculi seros in -annos sanum 
sospitemque omnipotens tustodiat dominus. 


Pie Grafen von Schönborn. 157 


ftarb als Großbaillif yon Deutfchland und Comthur von Mainz, 
zu Mainz, 28. San. 1587, Johann von Schönborn, Ritter, der 
mit Eulalia von Winnenburg verbeutathet, erhielt 1466 von 
Graf Philipp von Naffau-Weilburg die Feſte Freienfels, ſamt 
Dorf, Leuten und Gütern pfandweife, und ift bie Pfanpfchaft 


feinen Nachkommen geblieben, auch häufig von ihnen bie Zefte. . 


bewohnt worden, bis fie 1687 durch Kauf an den bänifchen Ob⸗ 
riften Srießenfee überging. Johanns Bruder Gerharb, als wel 


“der mit einer Schweiter Johanns Rödel von Reifenberg, bes 


Iesten Mannes feines Gefchlechtes verheurathet, nahm auf Abs 
fierben Frau Hennen, ber Wittwe von Neifenberg, 1522, bie 
Hinterlaſſenſchaft in Anſpruch, erfiritt auch, gegen feine Compe⸗ 
tenten, die von Heppenberg und Rheinberg, den Burgfig zu 
Hanflätten, famt ?/, von dem bafigen Zehnten. In befagtem 
Sanflätten waren bereits 1378 bie Strofien von Schönborn an⸗ 
ſäſſig geweſen. Johann, ber Erwerber von Freienfels, wurde 
eines Johanns Bater und Großvater, und hat des jüngften Jo⸗ 
hann Sohn Philipp, in ber Ehe mit Agatha Donner von Lor⸗ 
heim, verm. 1572, drei Söhne gewonnen, Davon blieb der 
ältefte, Johann, Domherr zu Würzburg, 1567, vor Maaſtricht, 


der füngfte, Georg, Amtmann zu Amdneburg und Neuſtadt, 


1622—1625 , verm. mit Maria Barbara von bes Leyen, bes 
wohnte regelmäßig die Burg zu Eſchbach, als welche famt der 


_ Hersfopaft die Schönborn feit 1504 befaßen, nachdem fie früher 


son wegen derfelben mit denen von Heiger und Mudersbach, 
fümtlich derer von Elkerhauſen Miterben, in Gemeinfhaft ges 
fanden, Zu der: Herrichaft gehörten der Haupthof zu Laubus⸗ 
Eſchbach, unweit Elkerhauſen (Abth. IL Bd. 3. ©, 661) Höfe, 
Huben, Leute, Zehnten, Herberge, der Kirchenſatz zu Bleſſenbach 
und Eſchbach, der Wald Gladebuſch u. f. w. Ein bedeutender 
Wohlſtand war alfo bereits Damals vorhanden, wie ſich Das 
nicht minder aus ber den beiden Söhnen, Johann Philipp und 
Philipp Erwin geworbenen Erziehung folgern Yäßt. 

Johann Philipp, geb. zu Eſchbach, 6. Aug. 1605, Cleriker 


den 28, Det. 1619, Domicellar zu Würzburg den 2, Det. 1621, 


und zu Mainz 1625, versollfländigte feine Studien zu Orleans, 


138 Achonboruolauſt. 


auf der Univerfität, und trat ſodann bei Melchiors von Hatz⸗ 
feldt Reiterregiment ein. In jenen Friegerifchen Zeiten war es 
nichts Ungewöhnliches, Domicellaren und ſelbſt Capitularen, 
und das war Johann Philipp zu Würzburg feit 25. Sept. 1629, 
im Taiferlihen Kriegebienft zu ſehen. Er führte eine Reiter- 
compagnie, als er aus unbefannten Gründen den Degen ablegte, 
um fi fortan ber Kirche zu weihen. Den beiden früher befef- 
fenen Pfründen fügte er 1630 eine Dompräbende in Worms 
und den 15. Nov. 1635 die -Propflei zu St. Burkard in Würz⸗ 
burg hinzu, und feine Einfihten, feine Betterfchaften, feine Ges 
wandtheit für coflegialifchen Verkehr ficherten ihm bedeutenden 
Einfluß in den drei Domcapiteln. Auf Abflerben des Fürſtbiſchofs 
‚Franz von Habfeldt wurde er am 19. Nov. 1642 in Würzburg 
zum Bifchof erwählt. Puffendorf rühmt von ihm, er fei bei 
Katholiten und Proteflanten gleich gefchägt und beliebt geweſen, 
weber dem Kaiſer noch Baiern entgegen, über Alles aber bas 
Wohl des Baterlandes ftellend, Daher auch die Franzoſen feiner Er⸗ 
hebung ſich gefreuet hätten. Die uneigennügige Freude wird zeitig 
ihren Lohn gefunden haben: das finfende Gluͤck der Taiferlichen 
Waffen wahrnehmend ſchickte Johann Philipp 1646 den von 
Borburg nach Paris, um dort feine Unterwerfung und bie Vers 
einigung feiner Kriegsmacht mit der franzöfifhen anzutragen, 
sorausgefegt, daß für folches Beginnen Baiern das Beifpiel geben 
werde. Den Zumuthungen der afrancesados, yon denen der Hof 
in Münden wimmelte, ftellte ſich jedoch Kurfürſt Maximilian 
entgegen, und die Würzburger haben nicht gemeine Sache gemacht 
mit ben Reichsfeinden, wenn auch in feiner Verkehrtheit der Fürſt⸗ 
bifchof verharrte. Sie ift ihm einftweilen fehr förderlich gewefen. 

m 19. Nov. 1647 wurde er in Mainz zum Kurfürften 
erwählt, als wozu der Sranzofen Unterhandlungen und Bes 
ftehungen das mehrfte beitrugen. Philipp Ludwig von Rei⸗ 
fenberg , der in der Wahl einen flarfen Eoncurrenten abges 
geben, erhielt für feinen Abſtand und feine Stimme 10,000, ein 
anderer Domherr 5000 Rthlr. Fortan einer der märhtigften 
Reichsfürften und als Erzlanzler auf die allgemeinen Angelegene | 
heiten bes Baterlandes ben wichtigſten Einfluß übend, wähnte 


Pie Grafen von Schönbsrn, 4159 


Johann Philipp fih vor Allem verpflichtet, biefen Einfſuß im 
JIntereſſe des Reichsfriedens zu verwenden. Doc mag, benfelben 
herbeizuführen, ungleich mehr die Ermüdung der im Streit bes 
griffenen Mächte, als die künſtlichſte Unterhandlung gedient haben. 
Dagegen bat er fih im Laufe der Tractation um einen fein 
Erzſtift weſentlich berührenden Punkt hohes Verdienſt erworben. 
Ab Seiten des proteſtantiſchen Reichstheils waren die Schweden 
dtingend erſucht worden, die untere Pfalz unzertrennt, ohne Aus⸗ 
loͤſung der Pfandſchaften, wovon bie wichtigſte die von Dieter 
son Ifenburg an den Pfakzgrafen Friedrich I. verpfändeie Berg⸗ 
firaße, ober das Oberamt Starfenburg, ben Kindern Friedrichs V. 
zu erhalten. Starr beflanden auch, fo lange in Mainz Kurfürfl . 
Anfelm Kafımir regierte, die Schweden auf diefer vollſtändigen 
Reftauration. Johann Philipp aber, beffer denn fein Borfahrer 
mit ben Zeitläuften befannt, machte vor der ſchwediſchen Dicta⸗ 
tur Gründe geltend, die hoͤchſt felten ihres Zieles verfehlen. 
„L’eveque de Wirzbourg ayant et6 nommd archeveque de 
Mayence, les Suedois furent aussitöt gagnes par des raisons 
peutötre, que les ambassadeurs de France n’ont point pra- 
tiqudes en Allemagne, et la faculte lui füt donnde de retirer 
Ja Bergstrass, comme il a fait depuis“ Daß die Landgräfin 
son Heflen dem Erzſtift Mainz feinen Antheil von den Satis⸗ 
fartionsgeldern erließ, verbanfte Johann Philipp ohne Zweifel 
feinen Verbindungen an dem franzöfiihen Hofe. Im Uebrigen 
wurde er durch der Schweden und Franzofen ungemeffenes Zu⸗ 
greifen nach Abichluß des Friedens, durch das Syflem ber Er⸗ 
preſſung, welches fie jest über ganz Deutichland ausbehnten, 
dahin gebracht, Daß er zu Zeiten fein übermäßiges Drängen nad 
Sarification bereute und entfchuldigte, indem er die eben jegt in 
Franfreich zum Ausbruch gekommenen Unruhen gleich wenig habe 
vorherfehen Fönnen, als den Mißbraud ber den Schweden zuge⸗ 
fandenen Cantonirungsquartiere. 

Nach und nah wurde doch das Reich feiner unheimlichen 
Bäfte ledig, es Fam auch im J. 1651 die Einlöfung der Berg⸗ 
frage zu Stande, und die mühfam erzielte Ruhe wünjchte der 
Kaiſer durch die Wahl eines vömifchen Königs für die Zukunft 


100 Shönbsrnsinf, 


gefichert äu fehen. Zu dem Ende wurbe die Eröffnung bes für 
ben 31. Det. 1652 ausgefchriebenen Reichstags bis. zum 10. 
März 1653 verfchoben, und bie hiermit gewonnene Frift benugt, 
um zu Prag, wohin der Kaifer ſich erhoben hatte, mit den Kurs 
fürften einzeln zu unterhandeln und ihre Stimmen für ben Erz- 
herzog Ferdinand zu gewinnen. Dance Berheigungen erleich- 
terten das Gefchäft, namentlich fol dem Kurfürkten oder viel⸗ 
mehr dem Fürftenthbum Würzburg Hoffnung auf die Erwerbung 
des brandenburgifchen Antheils von Kigingen gemacht worben 
fein. Der Erzherzog wurde am 31. Mai 1653 gewählt, am 
18. Sunius als römiſcher König, Ferdinand IV., von dem Erz⸗ 
biſchof von Mainz zu Regensburg gefrönt, wobei der alte Streit 
mit Eöln in großer Tebhaftigfeit fi erneuerte. Er gebieh fo 
weit, daß beide Theile Vorkehrungen irafen, um die Gerechtſame 
ihres Amtes in der Kirche felbft mit gewaffneter Hand zu bes. 
baupten. Der Kurfürfi von Eöln, des Kaifers Parteilichfeit 
fürchtend, zog ſich indeffen zurüd, nachdem er während. dem Krö⸗ 
nungsact vor Notar und Zeugen eine Proteflation eingelegt, 
yerlieg auch auf der Stelle die Stadt, Er kam bald wieder, 
und neuer Zwift ergab ſich gelegentlich der von Johann Philipp 
am 4. Aug. vorgenommenen Krönung der Kaiferin Eleonore, 
Doch wurde der Zwift nicht in ber frühern Bitterfeit geführt, 
auch von dem Pfalzgrafen von Neuburg infoweit vermittelt, daß 
bie eiferfüchtigen Fürften wenigftens bei Banketen zufammentrafen. 
Es bildete fih fogar unter ihnen eine gewifle Vertraulichkeit, wie 
dann ber Kurfürft von Cöln einft im verfammelten Reichsrath 
ben Collegen bat, er möge während feiner Abweſenheit feine 
Stelle vertreten. Das, entgegnete in nachdrüdlicher Betonung 
Johann Philipp, würde er Teineswegs in Gefolge diefer Ein» 
ladung, fondern laut Recht und Herkommen thun. Er durch⸗ 
ſchaute nämlich. des Gegners Abficht, mittels der angeblichen 
Reiſe und der Vertretung feine Rechte zu wahren. Am 17. Mai 
1654 wurde ber jüngfte Reichsabſchied veröffentlicht, am 30. 
April hatte Johann Philipp das Privilegium de non appellando, 


am 6. Mai in eigener Perfon die Regalien von dem Monars 


hen empfangen, 


Aurfurſt Ichann Philipp von Mainz. 461 


Zu Haufe beichäftigte fih Johann Phifipp mit einer nad 
den Zeitverhäftniffen durchaus hoffnungsloſen Angelegenheit; eine 
unermeßliche Aufgabe, die Bereinigung der Religionsparteien zu er- 
zielen, wähnte er ſich auderfehen, und follte Dabei der große Leibnig 
ihm zur Seite ſtehen. Der Philofoph wurde nah Mainz berufen 


. und angewieſen, mit den berühmteftien Gelehrten, mit Bifchöfen 


und Theologen Briefwechfel und Unterhandlungen anzufnüpfen, 
die Gemüther vorzubereiten, zu gewinnen, zu überzeugen. Dabei 
mußte ihn der Weihbifchof von Wallenburg mit feinen gründlichen 


theologiſchen Kenntniffen unterflügen, während bie Testen Unters 


bandlungen in Rom und mit den Höfen zu führen, Dem Generals 


vicarius von Walberborf vorbehalten. Indeſſen ergab ſich alle auf 
das Geſchäft verwendete Sorgfalt und Gelehrfamfeit fchlieglich ale 


geiftige Verſchwendung. Befler fruchteten die bedeutenden Sums 


mien, buch ben Kurfürften für die reguläre Befeftigung feiner 


Hauptſtadt gefpendet. Die Arbeiten wurden durch einen italieni« 
fhen Ingenieur, den er fi von dem Kaifer erbeten hatte, durch 
Georg Joſeph Spalla, viele Jahre hindurch geleitet, und waren 
noch lange nicht beendigt, als mit dem Ableben Kaifer Ferdis 
nands III., 2. April 1657, eine neue Erife dem Reiche fi ans 
fündigte. Es hatte diefer feinem Sohne, dem römischen König - 
Serdinand IV. (geft: 29. Zun. 1654) überleben müſſen, und bes 
fand volftändig das Reich ſich verwaifet, indem bes Kaiſers 
Bemühungen, feinem andern Sohne die Nachfolge zu verfchaffen, 
zu feinem Ziele führen fonnten. Johann Philipp ſchloß fich mehr 
deun zuvor den Franzofen an, Kurcöln fchmollte wegen dem in 
ber Rrönungsangelegenheit dem Kurfürften von Mainz gegebenen 
Borzug, Trier zeigte ſich Disguftirt, Daß man es in den Händeln 
mit der lothringiſchen Soldatesca hülflos gelaſſen. 

Hingegen operirien die beiden Kronen Frankreich und Schwe⸗ 
den vollklommen einſtimmig in dem Beſtreben, die Kaiſerkrone 
dem Hauſe Oeſtreich zu entfremden. Schweden ließ darum mit 
den fämtlichen Kurhöfen unterhandeln, Frankreich ſchickte eine 
glänzende Geſandtſchaft nach Frankfurt zum Wahltag, nicht etwa, 
hieß es, als wolle der König auf die Wahl einwirken, ſondern 
lediglich um den Kurfürflen gerechte Befchwerden gegen das Erz⸗ 

Rhein, Antiquarius, 3. Abth. 2, Bd. 11 


41623 Schönbarnsiufl, 


haus, welches durch Theilnahme an dem ſpaniſch⸗franzöſiſchen 
Krieg offenbar den weftphälifchen Frieden verlegt habe, vorzulegen, 
und diefer Befchwerden Abftellung zu fordern. An die Spite der 
Geſandtſchaft wurde der Marfchall Herzog von Gramont geftellt, 
für die Behandlung der Gefchäfte der Marquis. von Lyonne ihm 
beigeorbnet. Allgemein durch Franfreich verbreitet war die An⸗ 
ficht, es würde die Gefandtfchaft gleiches Schickſal mit jener haben, 
fo Franz I. einft nad Frankfurt zum Wahltag entfendet, ihr 
würde der Einlaß verfagt werden, fie hatte aber Heidelberg noch 
nicht erreicht, und Gravel, ber franzöfifche Refident in Frankfurt, 
überreichte ihr ein Schreiben des Kurfürften von Mainz, „qui 
les assuroit qu’ils y seroient recus malgre les cabales et les 
effjorts de Vollmar ambassadeur du roi de Hongrie, qui avoit 
remue ciel et terre pour l’empecher; mais l’autorite et le cre- 
dit que l’electeur de Mayence avoit dans cette assemblee, l’em- 
porterent sur les briques de Vollmar ; et ce ne fut qu’a ses 
fortes sollicitations que l’on dut la reception des ambassadeurs 
du Roi a Francfort, car il avoit éêté arrete qu’on leur fer- 
meroit la porte au nez. Ce Vollmar etoit un docteur que 
l’empereur avoit fait baron: mais l’on peut dire que son grand 
nombre d’annees ne lui auoit pus tempere le sang, etant, par 
ses discours et par ses Ecrits en faveur de la maison d’Au- 
triche , autant emporte et sans bornes qu’on le puisse Etre. 
Lorsque le duc Bernard de Weimar prit Brisach, il se trouva 
dedans malheureusement pour lui, et U’on eut bien de la peine 
d’empecher ce duc, qui n’entendoit pas raillerie, de le faire 
pendre, a cause d’un écrit injurieux qu’il avoit fait contre lui.““ 

Zu Heidelberg wurde mit bem Kurfürſten Karl Ludwig unters 
handelt. „Gravel avoit eu plusieurs conversations avec Felec- 
teur, dans lesquelles il s’etait fait plusieurs propositions sans 
rien conclure: et comme il etoit impossible de faire quelque 
chose d’avantageux en Allemagne saus etre assure de sa per- 
sonne, le marechal et M. de Lyonne resolurent, & quelque prix 
que ce füt, de traiter avec lui avant d’entamer aucune autre 
affuire; et pour avoir un commencement bien favorable et 
esperer une bonne issue de celte negocialion, il étoit necessaire 


Aurfũrſt Fchann Philipp von Meinz. 463 


d’une defiance reciproque. Ils se persundoient qu’il vouloit 
seulement leur argent et qu’il ne leur tiendroit point sa pa- 
role; et lui de son cöte ne doutoit nullement qu’ils n’eussent 
grande envie de Vescroquer. Enfin, apr&s deux jours de con- 
ference, d’alldees et de venues d’un appartement à Tautre, ils 
conclurent et signerent un traite par lequel ils lui promettoient 
60,000 ecus arrivant a Francfort, et 50,000 le premier jour 
de Van (n’estimant pas que la diete püt aller plus loin); puis 
trois anndes de suite 40,000 écus. 

„Mais, pour querir les defiances mutuelles, les ambassa- 
deurs du Roi consignerent largent entre les mains du pleni- 
potentiaire suedois , duquel ils tirerent un ecrit par lequel ıl 
leur promettoit de ne le delivrer que de leur consentement: et 
quant & leur sürete, l’electeur leur donna un papier signed de 
sa main et scelle de ses armes, par lequel il promettoit dans 
toutes les affaires de la diete de faire tout ce que lesdits am- 
bassadeurs demandoient de lui au nom du Roi. Il n’en falloit 
pas davantage ni moins aussi pour s’assurer d’un homme, 
comme je Tai deja dit, duquel la parole parfois n’eloit pas 
süre. De plus, etant porte expressement dans la bulle d’or 
que tout electeur qui engagera sa voix , pour quelgue consi- 
deration que ce puisse &tre, sera chasse du college electoral, 
is ne croyoient pas qu'il voulüt manquer & des gens qui 
avoient un tel gage entre leurs mains. 

„De leur cöte, ıl desira aussi un écrit par lequel ils s’en- 
gageoient, la diète finie, et’ayant pleinement satisfait a sa 
parole, de lui rendre. le sien; ce qui fut fait avec exactitude: 
et apres lelection, Vargent du Roi et l’ecrit de l’electeur 
furent echanges avec toutes les precautions qu’on peut prendre 
entre gens persuades que chacun d’eux seroit bien aise d’en 
dönner à tdter à son compagnon. 

„Ils depöcherent un courrier au Roi le lendemain de leur 
arrivee & Francfort, pour lui rendre compte de cet heureux 
commencement, qui faisoit concevoir de grandes esperances de 
Favenir. La depeche etoit fort simple, et touchoit nombre de 
personnes qu'ils estimoient gagndes ou qu'ils avoient raison de 


11 * 


164 — | Scyönbsrustofl. 


ienir pour suspectes: le tout en chiffres, comme on le peut 
croire. Mais ils pouvoient se passer de prendre cette peine: 
car un parti du prince de Condèé ayant pris le courrier, un 
de ses: secretaires, tres-habile, dechiffra la depeche d’un bout 
a Uautre; et l’ayant mise en fort bon et intelligible francois, 
elle fut envoyece dans l’instant aux ambassadeurs d’Espagne, 
qui ne manquerent pas d’en faire part & toutes les personnes 
interessdes. L’on peut s’imaginer l’effet que cela leur fit: ils 
s’en plaignirent; le marechal de Gramont et M. de Lyonne 
zvouerent ingenument qu’il n’y aveit rien d’ajoute, et la seule 
verile fut leur excuse; car ils les prierent de voir si dans 
eette depeche ils avoient augmente, exagere ou altere la moindre 
' des particularites qui s’etoient passees ; que du reste il n’etoit 
pas possible, qu’ils se persuadassent que les ambassadeurs du 
Roi pussent s’empecher d’avertir leur maitre de la distribution 
de son argent, de la situation dans laquelle ils trouveient 
les esprits, de leurs soupcons et de leurs esperances; et qu’en- 
fin ils croyoient qu’il ne leur faudroit pas jurer pour persuader 
que leur intention n’etoit point du tout que leurs lettres fussent 
vues par d’autres que par le Roi, a qui elles etoient adressees; 
mais qu’un malheur et un accident imprevu, que nulle precau- 
tion peut parer, en avoit autrement decide, Enfin la fran- 
chise du marechal de Gramont, celle de M. de Lyonne, leur 
bonheur, ou l’envie que les parties interessces avoient d’avoir 
leur argent, qui etoit considerable, firent que ce que les enne- 
mis croyoient pour la France un coup mortel ne fut pas seu- 
lement une legere blessure.““ 

In Frankfurt fanden die Gefandten vorläufig den einzigen 
Kurfürften von Mainz, und follen die erften Zufammenfünfte 
mit ihm einzig durch wechfelfeitige Complimente ausgefüllt wor⸗ 
den fein. Es führte der Kurfürft ſtets den Lieblingsfpruch: inquire 
pacem, et persequere eam, im Munde, dem unbefchadet, mag 
aber auch das Project, dem Kurfürften von Baiern die Kaifer- 
Trone zuzuwenden, fleißig zwifchen Johann Philipp und den Ge- 
fandten verhandelt worden fein. - Gramonts Reife nad) Mün- 
"hen, die Anträge, welche er dort an Ferdinand Marin flellte, 


Karfürſt Johaun Philipp von Mainz. | | 163 


find ungezweifelt das Refultat diefer Berathungen. Sohann Phi⸗ 
lipp hatte niemals fich überzeugen können, daß der Kurfürft von 
Bayern ernſtlich den Kaiſerthron begehre. Diefer Zweifel fcheint 
fein Zerwürfnig mit Lyonne veranlaßt zu haben. ‚Le maré- 
chal de Gramont, de retour a Francfert, y trouva, pour adou- 
cissement à In faligue d’un long et penible voyage, une rup- 
ture presque ouverte entre Ü’electeur de Mayence et M. de 
Lyonne. Le premier etoit fort aigri de tous les discours qu’on 
tui mandoit de Paris qui s’y tenoient de lui, l’autre persuade 
qu’ls m’etoient point sans fondement. Et sur toutes choses 
le depart fort secret du comte d’Oettingen, qu’on publioit por» 
ter au roi de Hongrie l’assurance et la parole que l’electeur 
seroit dans ses intereis, mettoit nos affaires en grand des- 
ordre et quasi hors d’esperance de bon succes. Les prepara:; 
tıfs du voyage du roi de Hongrie pour Francfort, et son ap: 
proche a Prague, faisoient croire qu'il ne P’entreprendroit ja- 
mais sans éêtre assure dudit electeur; ce qui autrement eüt 
etE se commettre fort hors de propos ; mais le coup du plus 
habile komme du monde fut celui que fit le cardinal Mazarin, 


qui etant informe de tout ce que je viens de dire, tant par les 


lettres de M. de Lyonne que par une infinite d’autres parti- 
eularites qui n’eloient pas sans apparence, envoya en toule dili- 
gence Rousseleau, son secretaire favori, à Pélecteur de Mayence, 
charge de lettres les plus obligeantes qu’elles pouvoient étre, 
qui assura l’electeur de la confmnce entiere que le Roi avoit 
en son amitié. L’on peut dire avec verite que c’est un trait de 
la prudence et de la raflınde politique de ce ministre eclaire. 

sL’on ne peut s’imaginer le bon effet que produisit cette 
ouverture de coeur et cet abandon apparent ; car, quoiqu’ü 
füt certain que l’electeur ne s’etoit pas encore engage, il etoit 
neanmoins veritable qu’il avoit donne de bonnes paroles au 
eomte d’Oettingen, sur lesquelles le voyage du roi de Hongrie 
sctoit principalement fonde. Et il est & croire que l’electeur, 
persuad& que le Roi se defioit de lui, avoit un peu plus que 
de raison voulu menager la maison d’Autriche, et avoit, par 


ce moyen, plus. d’une corde & son arc. — 


4166 Schönbsruslufl, 


“ „Enfin Pan n’oublia rien de tout ce qu’il falloit faire pour 
regagner ce que l’on avait perdu de crödit aupres de lui, Les 
memoires qu’on envoya à la cour sont remplis des moyens dont 
on se servit auprès de ses parens et de ses amis les plus in- 
times, qui furent assez proportionnes & leur humeur pour n’etre 
pas inutiles. Un grand repas qu’on fit ensuite chez lelec- 
teur, qui dura depuis midi jusques a neuf heures du soir (car 
rien ne se rapatrie bien et solidement avec les Allemands que 
dans la chaleur du vin, oü is appellent les convives qui boivent 
le mieux et le plus long-temps leurs chers fröres) renou- 
vela toute l’ancienne tendresse de l'electeur et des ambassa- 
deurs de France. Ce ne furent que protestations d’une amitid 
veritable, et detestations de tout ce qui avoit pu causer la 
moindre defiance de part et d’autre. Et le marechal de Gra- 
mont prit a fort bon augure lorsqu’au premier verre de vin 
V’electeur lui dit, avec une mine ouverte et gaillarde: Non 
sit jurgium inter fratres. Le marechal lui rendit un 
compte fort exact de toute sa negaciation de Baviere, et ü 
fut transport de joie que ledit marechal eüt connu par lui- 
meme qu'il ne s’eloit jamais mecompte sur ce qu’on avoit dü 
attendre de la foiblesse et du peu de solidite de cet electeur, 
que ses ministres tenoient en brassiere, dinsi quil Favoit tou- 
jours dit. 

IE fallut donc tourner ailleyrs ses pas, suivre une autre 
route, et poser pour un fondement solide que, par un nombre 
infini de raisons invincibles, il n’y pouvoit avoir d’autre em- 
pereur que celui dont il s’agissoit; ce qui obligea, sans plus 
perdre de temps, a jeter ceux de la capitulation et de la lique, 
qui etoient si solides qu’ils subsisteroient encore en leur entier, 
si l’on avoit bien voulu suivre les memes 'erremens.*“ 

Durch dieſe veränderte Richtung der franzöfifchen Politik 
mag fich nicht wenig erleichtert gefunden haben Johann Philipp, 
ber bei der entſchiedenen Vorliebe für Franfreih doch noch eif- 
viger in feiner Anhänglichfeit zu dem unfeligen Schaufelfoftem, 
eine Anhänglichfeit, welche ex, wie in allen Dingen, fo aud in 
der Wahl feiner vornehmflen Rathgeber befannte. Hang Chri⸗ 


Aaurfürſt Ichann Philipp von Mainz. 167 


flian von Boyneburg, der Mainzifche Minifter, war ber erklärte 
Bertreter der franzöfifchen Allianz, während Mehl, der Würz« 
burgifche Kanzler, einzig yon Deftreich Heil erwartete, bei jeder 
Gelegenheit den Kurfürften mahnend, daß einftens das Erzftift 
Mainz und dag Reichserzfanzleramt an den Schweden Oxenſtjerna, 
ein Derzogthum Franken, wovon das Hodflift Würzburg ben 
fhönften Theil ausmachen follte, an den Herzog Bernhard von 
Sachſen⸗Weimar vergeben geweſen, und daß 16 Jahre lang Oeſt⸗ 
reich fireiten, fein theuerftes Herzblut vergießen müffen, um bie 
Eriftenz diefer und fo vieler andern geiftlichen Staaten zu reis 
ten. Dergleihen Erinnerungen vermocten aber nichts auf den 
Geift des Gebieters, im Vergleich zu feiner Anbetung und feiner 
Furcht für Frankreich, zu den Lodungen, die man von bort aus 
unabläffig feiner Eitelfeit vorzuhalten wußte. Mazarin hatte das 
Sriedensgefchäft mit Spanien, wenigftens dem Aeußerlichen nad, 
fo ganz feiner Willfür anvertrauet, und freudig unterzog ſich 
Johann Philipp einer Aufgabe, die wie Feine andere feinen 
Neigungen zufagend. 

Die Friedensbedingungen, durch ihn dem fpanifchen Ge- 
fandten, dem Grafen von Penaranda, Kaspar von Bracamonte, 
vorgelegt, waren an fich ziemlich befcheiden, zumal wenn man 
fie vergleicht mit denjenigen , fo ein Jahr fpäter das von allen 
Seiten umgarnte Spanien einzugeben genöthigt, doch aber im 
Grunde nur eine Wiederholung derjenigen, fo Frankreich unlängft 
durch Lyonne in Madrid bieten laſſen, welche man aber unzuläffig 
befunden hatte. Diefes gab Penaranda dem Kurfürften zu bes 
benfen, hinzufügend, daß Frankreichs einzige Abficht, die Kaifer- 
wahl zu verzögern; außerdem habe er felbft jo wenig als ber 
Kurfürft Vollmacht für dergleihen Tractation. Johann Philipp 
wollte hierauf die Vollmachten zu Madrid durch feinen Rath 
Blum, zu Paris durch den Grafen von Fürftenberg begehren 
Vofien. ‚‚Penaranda refusa tout net le passeport pour aller en 
Espagne , et comme il prevoyoit a merveilles les suites d’un 
tel refus , et qu’un homme qui se noie se prendroit a des ra- 
soirs pour se sauver , il dit que Blum, qui avoit traitd avec 
Ini de la. part des electeurs,, leur avoit rapporte faux; et, se 


168  Schönbernslafl. 


mit ensuite en un tel exces de rage et de füureur, que, sans 
consulter son collegue,, il resolut, lorsque Blum retourneroit 
chez lui, de le faire jeter par les fenetres.““ Das unterblieb 
jedoch, nachdem Blum, durch den andern fpanifchen Gefandten, 
den Marques von Fuentes gewarnt, das gefährlihe Haus nicht 
ferner betrat. 

„Peüaranda vint ensuite 4 une rupture ouverle avec l’elec- 
teur de Mayence, qui fut precedee de paroles fort aigres entre 
eux , que Son Excellence espagnole et fanfaronne accom- 
pagnoit de certaines demonstrations auxquelles PElecteur grave 
et serieux , dtoit peu accoutumd ; car, negociant avec lui, il 
frondoit son chapeau dans la chambre, mettoit souvent la main 
sur la garde de son epede, lempetoit et menacoit extrömement, 
et a un tel point, que l’electeur fatiqué et outre de tant d’im- 
pertinences , sortit de son naturel doux et patient, et conclut 
par lui dire que, comme il savoit qu'il etoit president des 
Indes, il pouvoit sortir de chez lui pour aller au Mexique 
gouverner des Indiens à sa mode; et qu’il lui donnoit parole 
d’honneur que quant aux Allemands , il n’en gouverneroit ja- 
mais aucun, parce qu'ils dtoient nes trop sages pour éêtre di- 
riges par un Espagnol qui l’etoit aussi peu que lui.“ Unter 
anderm hatte Peüaranda auch geäußert, ber Kurfuͤrſt nehme fich 
weit mehr in Anfehung der Könige heraus, ald man von einem 
Manne, der ein fehlichter Edelmann gewefen, dulden könne, wos 
gegen Johann Philipp erinnerte, es würben nimmermehr die Kurs 
fürften zugeben, daß ein fpanifcher Deinifter den Kaifer vorſtelle. 
„Cette conversation finie, Peüaranda debita dans le public 
mille choses injurieuses contre Pelecteur. L’on peut croire que 
le marechal de Gramont et M. de Lyonne ne les laissoient pas 
tomber a terre; et ils avoient des gens d’esprit et de confiance 
chez Penaranda et chez l’electeur qui ne leur edtoient point 
suspects, et dont ils se servoient habilement pour les echauffer 
et entretenir leur mesintelligence. Ce petit manege dura tout 
le temps de la diete, sans qu’aucun d'enx s’en doutdt jamais: 
ce qui reussit si bien, qu’on trouva le secret de les rendre 
irreconciliables.“‘ 


Anrfürk Johaun Philipp von ‚Mainz. 169 
Perkaranda mußte ſchließlich gefchehen Taffen, bag Blum 


nach Madrid, der Graf von Fürftenberg nah Paris gehe, aber 
der Zwed, ben Johann Philipp hierbei im Auge gehabt, ergab 


ſich als gänzlich verfehlt. Die Abgeordneten, indem fie über 


ihre Miffion Bericht zu erflatten verfuchten, wurden von bem 
kurfürſtlichen Collegium nicht angehört, fondern an denjenigen 


verwiefen, der fie abgefhidt habe. Anftatt das befagte Colle⸗ 
gium zur Theilnahme zu beivegen, entdedte der Kurfürft zu fei- 
nem empfindlichen Verdruſſe bei der Mehrzahl der Eollegen eine 


entſchiedene Abneigung für die ihnen zum Schein aufgetragene 
Vermittlung, und eine befto größere Begierde, das Wahlgefchäft 
endlich zu Stande zu bringen. Gramont und fein Kurfürft wa⸗ 
ren aber auch für diefen Fall gerüftet. Leopold follte Durch bie 


Bahlcapitulation verpflichtet werben, ſich in feiner Weife bei 


dem Kriege ber Franzofen und Spanier, fei ed in den Nieder- 
; Ianden, fei ed in Stalien, zu betheiligen: weder als Kaifer noch 


als Erzherzog follte er dem Better einigen Beiftand gegen Frank 
reich oder deſſen Verbündete Teiften, und haben einige Publiciſten 


aus dem Eifer, womit die franzöſiſche Gefandtichaft diefen Gegen» 
Rand auffagte, ſchließen wollen, daß Mazarin es fehr ungern 
geſehen haben würde, fo Leopold den Kaiferthron nicht beftiegen 
hätte, weil er in diefem Kalle durch nichts gebunden werben 
konnte. Kür Ludwigs XIV. Großvezier war es von ber höchften 


Wichtigkeit, den König von Spanien, ber es nicht mehr mit ber 
überlegenen Macht von Frankreich allein, fondern auch mit dem 
von Erommell gebotenen Seeräuberfrieg zu ſchaffen haben follte, 
sollends zu ifoliren, um von ihm bie Gewährung beffen zu er: 


- zwingen, fo eigentlich der Gegenſtand der Begehrlichkeit ſeines 
Gegners. Bon den aht Kindern aus Philipps IV. erſter Ehe 
lebte die einzige Infantin Maria Terefa, ber Sohn der zweiten 


Ehe, der Infant Philipp Prosper, geb. 18. Dec. 1657, war 
ein ſchwächliches Kind, fernere männliche Nachkommenſchaft zwei⸗ 
felhaft, fo dag Maria Terefa, geb. 20. Sept. 1638, allgemein 
als die Erbin der fpantfchen Monarchie betrachtet wurde, Diefe 
reihe Erbin hatte Philipp IV. dem Better in Wien zugedacht; 
ihm alſolches Vorhaben zu verleiden , ihn zu nöthigen, daß er 


170 Schönbarusiufl. 


feine Tochter dem Feinde hingebe, biefes war ber Zwed bes 
fo lange fortgefegten Krieges, und diefer Zwed blieb unerreid- 
bar, wenn Leopold Macht behielt, die fpanifchen Heere zu er 
ganzen, wie biefes Kaifer Ferdinand III. gethan. 

Aus diefem Gefichtspunft betrachtet, ift dag Verfahren des 
franzöfifchen Diinifteriumg durchaus vernünftig, im hüchften Grade 
unvernünftig das Gebaren der Fraction des kurfürſtlichen Colle⸗ 
giums, welche fich nicht entblöbete, die Abfihten des Erbfeindes 
zu fördern. Selten und mangelhaft waren ſtatiſtiſche Kenntniſſe, 
gewöhnlicher Menfchenverfiand hätte aber doch hinreichen Fönnen, 
zu begreifen, daß der Anfall der ſpaniſchen Monardie Leopolds 
Einfluß auf Deutfchland um fein Gran erhöhen, er felbft noch 
die Unmöglichkeit einfehen, werde, das Reich Karls V. mit dem 
Befig der Erblande, der noch unbequemer geworden durch Die 
Zugabe der blutigen Feen von Ungern, zu verbinden, wie jolche 
Unmöglichkeit von Karl V. felbft anerfannt worden, Daß daher 
abermals, fpätefteng in der nächften Generation, eine Theilung, - 
die Sonderung einer neuen fpanifchen Linie von der deutſchen 
nothwendig werben müſſe. Daneben. gab man den Galliae mer- 
cenarüs — als foldhe hat in einer feiner Deductionen Bollmar 
" die Schweden fogar bezeichnet — daneben gab man den Galliae 
mercenarüs zu bedenken, ob ruhig zugefehen werden bürfe, daß 
Frankreich fo anfehnliche Theile des Reiches, als den burgundts 
fhen Kreis und das Herzogthum Mailand verfchlinge: ob man 
bem Kaiſer nicht verbunden fein müfle, wenn er aus eigenen 
Mitteln diefes hindere * Beide feien als VBormauern des Reiches 
zu betrachten, und ber Fall der Niederlande werde auch den Fall 
wenigſtens besjerigen Theiles bes deutfchen Reiches, welcher jen⸗ 
feitö des Nheins gelegen, und die Eroberung von Mailand den 
Berluft aller übrigen Reichslehen in Italien nach fich ziehen, bie 
boch der Kaiſer vermöge der nämlichen Kapitulation zu erhalten 
verbunden ſei. Aber alle Gründe waren verloren bei Leuten, bie 
ergriffen von derfelben Manie, fo 1848 alle Schwäger bes h. R. 
Reichs deutſcher Ration heimſuchte. Damals auch follte alles 
Fremde weggeworfen werben, Italiener, Böhmen, Ungern, Pola⸗ 
fen, nur bie Juden nicht. Die Kurfürften. von Mainz, Cöln und 


Aurfũrſt Johann Philipp von Mainz. 4741 


Pfalz erklärten Taut, fie würden dem Erzherzog⸗König ihre Stims 
men nicht geben, fo er nicht den Forderungen der Franzoſen gerecht 
werde, und er mußte, um nicht der Bäter Krone zu verlieren, 


bie Bahlcapitulation mit allen ihren Clauſeln ſich gefallen laffen. 


In dem auf Frankreich bezüglichen Art. 13 heißt es, nad der 


von Gramont gegebenen Ueberfegung: „C'est pourguoi, pour 


une plus grande assurance de ladite paix, nous ne fournirons 


' uucunes armes, argent, soldats, vivres ou autres commodiles aux 


— — — PAR 


. £trangers ennemis de la couronne de Frauce presens ou à venir, 


sous quelque couleur ou pretexte que ce puisse éêtre, soit pour 


; quelque demele ou sujet de qguerre contre ladite couronne ; ni 
ı ne donnerons logemens, quartiers d’hiver ou passage 4 aucunes 
‚ troupes qui seront conduites par d’autres contre ceux qui sont 


— — — — — ·— — — — — 


eompris dans ledit traitéé d’Osnabruck et Munster.“ Weiter 
befagt Art. 14; „‚pour eviter que notre chöre patrie la nation 
germanique , ou nous-memes, ne relombions en de nouveaux 
embarras, nous ne nous melerons en facon quelconque dans les 
guerres qui se font presentement dans PItalie et le cercle de 
Bourgogne, ni n’enverrons, soit en notre nom conune empereur, 
ps pour raison de ‚notre maison, aucun secours de soldais, 
d’argent, d’armes, ou autre chose, contre la couronne de France 
et ses allies dans ladite Italie, ni cercle de Bourgogne, pour 
aucan sujet de dispute ou de guerre, et ne donnerons faveur 
ni assistance en aycune autre maniere.‘“ 

Am 18. Zul, erwählt, empfing Leopold die Kaiferfrone am 
18. Aug. 1658. Vorher hatten fämtliche Gefandte, wie es 
duch Die goldene Bulle vorgefchrieben, die Wahlftadt verlaffen. 
„Le marechal de Gramont et M, de Lyonne se retirerent 4 
Mayence. Ils pouvoient jusque la se vanter d’avoir obtenu 
beaucoup; mais ce n’etoit pourtant qu’en papier que consistoient 
lurs avantages. La lique n’avoit pu éêtre conclue avant lelec- 
tion, et ils decouvroient tous les jours de nouvelles dificultes, 
dont les plus epineuses leur venoient du cöte des Suddois. HL 
ya une pelite ville situee entre Francfort et Mayence, qu'on 
nomme Hoechst, ou ils s’assembloient souvent avec Biörnklow, 
le baron de Boyneburg,, le comte Egon de Furstemberg, son 


172 Schönbsruslufl. 


frere le comte Guillaume , et les ministres des princes de 
la lique , laquelle ils eurent enfin le bonheur de signer @ 
Mayence,, le 15. d’aoüt de l’annde 1658. Ils firent aussi 


l’accomodement des electeurs de Mayence et Palatin: ce qui 
ne leur donna pas une peine mediocre, etant deux personnages, | 
chacun dans son.espece, d’aussi dificile convention qu’il s’en 
put trouver. Et comme le sceau des reconciliations en Alle- 


magne est d’ordinaire un grand repas, quoique entre gens fort | 


sobres, l’electeur de Mayence en fit un a l’electeur Palatin 


"audit lieu de Hoechst, ou les ambassadeurs de France se trou- 


verent, comme garans de la sincere amitie que les deux elec- 
teurs se promirent dans la chaleur du vin.““ 

Als des hiermit zu Stande gebrachten rheinifchen Bundes vor« 
züglichiter Beförberer erzeigte fich der Kurfürft von Mainz, in ber 
Könige von Frankreich und Schweden Händen ein fügfames Werks 
zeug. Dabei Fam ihm höchlich zu Statten das Gefchrei um angebs 
liche gefährliche Abfichten des Erzhaufes, fo durd die franzöfifchen 
und fchwedifchen Gefandten zu Frankfurt angeftimmt, durch ganz 


Deutfchland widerhallte, Des Bündniffes Theilnehmer waren 


Schweden und Frankreich, die Kurfürften von Mainz und Cöln, 
Pfalz⸗Neuburg, die drei Herzoge von Braunfchiweig-Rüneburg 
und der Landgraf von Heflen, als Zweck wurde die Aufrechts 
haltung des weftphälifchen Friedens, gegenfeitiger Beiftand im 
Fall eines feindlichen Angriffs, Berbot und Hinderung aller 
Durchmärſche, Einquartierung und Contributionen angemeldet. 


Das Wort in That zu verwandeln, follten 10,000 Mann in - 


Dereitfchaft gehalten werden. Es war zum erfienmal, daß ka⸗ 
tholifche und dazu geiftliche FZürften mit Proteftanten, und na⸗ 
mentlih mit den eben noch ihnen fo fürchterlichen Schweden, 
fih einigten, daß deutſche Kürften, abfichtlich, fich in Die Gewalt 
von Frankreich begaben. Gtüdficherweife haben Ludwigs XEV. 
Minifter die ihnen hiermit verliehene Gewalt nicht auszubeuten 
verfianden, wie ein fpäterer Machthaber mittel$ des zweiten 
Nheinbundes gethan hat, aber ſchwer mußten Deutfchland, Europa 
unter diefem Bündniffe leiden. Die unfelige Bourbonenherr⸗ 
Schaft in Spanien ift von ihm eine Folge. on 


Aurfürſt Johaun Philipp von Mainz. 473 


Wenn aber des Kurfürftlen Politif dem Reiche im Allges 
meinen verberblich geworden iſt, fo verbanfte das Kurfürftenthum 
ihr mitunter wefentlihe Vortheile. Die von alten Zeiten her⸗ 
gebrachte Zwitterherrfchaft über Erfurt war nachgerade dem no⸗ 
minellen Herrfcher und feinen angeblichen Unterthanen Täftig ges 
_ worden. Seine Befugniffe auszudehnen ftrebte Johann Philipp, 
bie volle Unabhängigfeit zu erringen fuchten die Erfurter, dieſe 
in dem wirren Getreide eines zur Erfenntniß feiner Stärke ges 
langten Pöbelgrimmed, Die Aufrührer zu bezähmen, forderte 
der Kurfürft Beiftand von dem zu Regensburg verfammelten 
Reichstag umd von dem Kaifer. Leopolds Kriegsmacht war in 
Ungern befchäftig. Darauf ‘wendete ber Kurfürft fih an den 
theinifhen Bund, an den König von Franfrei vorzüglich und 
an den Herzog von Lothringen. Der friegerifche Karl IV. war 
in der mit dem Kurfürften von der Pfalz von wegen bes Wildfang- 
rechtes zu führenden Fehde der Mainzer wichtigfter Bundesgenoffe, 
und hatten in Gefolge diefer Verbindung Lothringer häufig die 


| Reichsgrenze überfchritten. Sranzofen dem Herzen von Deutfchland 


einzuführen, fuchte Johann Philipp des Kaifers Einwilligung. 
Eie zu geben, ſchien den Faiferlihen. Räthen bevenflih. Schon 
befänden füch, hieß es, 10,000 Franzoſen bei der Armee in Ungern, 
die könnten ſich auf dem Rüdmarfch leicht in oder um Erfurt ein- 
niſten, und dann follte es wohl fchwer fallen, fie von dannen aus⸗ 
zutreiben. Durch ähnlichen Mißgriff fei Metz verloren gegangen, 
‚ für das Reich eine keineswegs vernarbte Wunde, für bie fpäteften 
Nachkommen eine Warnung um der Franzofen Treu und Glau⸗ 
ben. Dagegen erinnerte der Kurfürft: die Rechtlichkeit des Koö⸗ 
nigs von Franfreih bürge für Alles, zudem fei er keineswegs 
auf die franzöfifhen Waffen befchränft, die Verbündeten würden 
das Ihrige thun, und im Nothfall auch der Franzoſen Abzug 
erzwingen. 

Von dieſer Anſicht ausgehend, entſendete Johann Philipp 
den von Reifenberg, um des Königs von Frankreich Hülfe zu 
erbitten gegen die Erfurter, welche den Berträgen, dem Frieden 
von Münfter, den Entfheidungen des Kaifers zuwider, ihrem 
Eandesherren den Gehorſam verfagten. Als des Nheinbundes 


174 ». Schönbornslufl. 


Glied ertheilte Ludwig XIV. Befehl, daß General Pradel mit 
feinen Truppen aus der Picardie nad dem Rhein ziehe, das 
ſelbſt dem Kurfürften von Mainz zur Verfügung ſtehe und bie 
Ordre zu weiterm Vorgehen erwarte. Sie wurde gegeben, und 
gingen unweit Philippsburg die Franzofen, 2000 Reiter und 
4000 Mann Infanterie, zu Mainz bie Lothringer über den 
Rhein, und weiter nad Thüringen, wo fich die Hülfstruppen 
von Eöln, Trier und den weftphälifchen Hocftiften mit ihnen 
vereinigen follten. Das Obercommando der Armee, die in ihrer 
©efamtheit zu 15,000 Mann berechnet, wurde dem Generals 
major von Sommerfeld verlieben, doch daß er nichts von Bedeu⸗ 
tung ohne den Rath der ihm beigegebenen Domberren yon Reifen- 
berg und von Greifenflau vornehme. Den Operationen um fo 
“näher zu fein, erhob fich der Kurfürft nach Königshofen: die daſige 
Feſtung, dann Würzbung lieferten das für eine Belagerung erfor- 
berliche grobe Sefhüg. Am 6. Sept. 1664 erfchien die Armee 
im Angeficht von Erfurt, am 7. bezog fie Das Lager bei Gispers⸗ 
leben, und es nahmen die Feinbjeligkeiten ihren Anfang. Site 
wurden durch mehre Wochen fortgefegt, dann erfolgte, nach einem 
Dreitägigen Bombardement, die Uebergabe. Die Unterwerfungs« 
arte trugen Deputirte der Stadt nah Königshofen, um fie 
Enieend, nach geſchehener Abbitte, dem Kurfürften zu überreichen. 
Johann Philipp genehmigte alle der Stadt gemachte Zufagen, 
verhieß den Abgeordneten feine Huld, und verſprach, fich bei Dem 
Kaifer zu verwenden, auf daß Erfurt wiederum zu Gnaden auf 
genommen werde, 16. Det. 1664. 

Dann erhob fih der Kurfürſt, in Begleitung feines Hofe 
ſtaates, um die gemachte Eroberung zu fihauen. In der Nähe 
der Stadt wurde er yon fämtlihen, in Parade aufgeftellten 
Truppen mit einer dreimaligen Salve empfangen ; die Bürger, 
unbewaffnet, begrüßten den Landesherren mit lautem Jubel. An 
den Stufen der Liebfrauenkirche wurde er von der Geiſtlichkeit ehr⸗ 
erbietigft aufgenommen, in die Kirche geführt und mit dem Am⸗ 
beofianifchen Lobgefang begrüßt. Als der Gottesdienſt zu Ende, 
verfügte er fih nach St. Peters Abtei, der Kurfürften von Mainz 
gewöhnliches Abſteigequartier, daſelbſt einpfing er die von dem 


KAurfürfi Iohann Philipp von Maiuz. 175 


Magiftrat dargebrachten Stadiſchlüſſel. Dem folgte die Huldi⸗ 
gung, und eine Reihe von Anorbnungen, in weldhen Johann 
Philipps verföhnlicher. Geift, zufamt einem feltenen Gefchid für 
die Behandlung fchwieriger Gemüther fi fund gibt. An des 
h. Martinus Feſt erhob er fi, der Hofſtaat in feinem Gefolge, 
nach der Stiftöfirche zu U. L. Frauen, um dafelbft das feierliche 
Sohamt abzuhalten, und dem Allerhöchſten für die empfangene 
Gnade feinen Danf abzuftatten. Der Bürgerfchaft wurden die 
Baffen zurüdgegeben, hingegen wefentliche Veränderungen dem 
Stabtregiment eingeführt. Den Petersberg. ließ Johann Philipp 
beffer befeftigen und durch Hinzufügung neuer Werke verflärken, 
Den Bätern von ber Geſellſchaft Jeſu, welche bisher ohne eigene 
Wohnung geweien, ſchenkte er den für fie angefauften Stuttern- 
beimer Hof, und follte die benachbarte St. Laurentiencapelle 
ihren Firchlichen Uebungen dienen, bis dahin fie eine eigene Kirche 
ſich erbauen würden. Im Begriffe, Erfurt zu verlaffen, ver« 
einigte Johann Philipp an feiner Tafel die Geiftlichfeit der beiden 
Eonfeffionen, und vernahm fie aus feinem Munde den Rath, nies 
mals im Predigen, den wefentlihften Borfchriften Des Chriſtenthums 
entgegen, zur Bezüchtigung oder gar Täfterung der Lehrer eines 
andern Belenntniffes ſich verleiten zu laſſen, benn die Wahr- 
heit erhärte fich durch ihre Reinheit; zu Berläumdungen nähmen 
nur ihre Zuflucht die nichts Gutes ſich bewußt. Darin fänden bie 
Zuhörer weder Aufmunterung zur Frömmigkeit nod zum Glau⸗ 
bengeifer, dergleichen Ausfälle dienten bloß, unzeitige Aufregung 
und gegenfeitige verberbliche Eiferfucht zu erweden. Als Vicedom 
biieb der von Reifenberg in Erfurt, das Commando der Trup⸗ 
pen übernahm ein verfuchter Kriegsmann, der Generalmajor 
Hand Eberhard von Leyen. Vorher fhon waren bie franzöfis 
fhen Hülfsvölker, reichlich beſchenkt, entlaffen worden. Auch 
dem König Ludwig XIV. war ein Geſchenk zugedacht, fo er nicht 
verihmähte, wie unangenehm ihm aud) der eigentliche Geber ges 
weien fein mag. | Ä 

Der Pfarrer an St, Brietien Kirche zu Tournay ließ einige 
alte Häufer abbrechen, um an deren Stelle eine bequemere Woh⸗ 
nung zu ſetzen. Weber dem Auswerfen ber Fundamente, 27. 


4176 Schönberüsiufl. 


Mai 1655, fanden die Werfleute in der Tiefe von 7 Buß eine 
goldene Spange, und etwas weiter einen beinahe verfaulten 
Tedernen Sad, in dem mehr denn hundert goldene Medaillen 
geborgen. Der Arbeiter, welcher zuerft den Schag wahrges 
nommen, fonnte einen Schrei freudigen Erflaunens nicht unters 
brüden, und rief dadurch den Domdechant und andere Geiftliche - 
zur Stelle. Das Graben wurde in größerer Vorſicht fortges 
fest, und förderte zunächſt an die 200 filberne Medaillen zu 
Tage, auch zwei menfchliche Schädel, der eine ungleich dicker als 
der andere, einige Knochen von einem menfchlichen Skelett, die 
Knochen, die Zähne und den Kinnbaden, aud das Hufeifen 
eines Pferdes, wiewohl das Eifen bei der erfien Berührung in 
Stüden ging. Weiter ergab fi, in einem Umfreis von 5 Fuß, 
1) ein Degen, deſſen Klinge ebenfalls über dem Aufheben brach; 
2) einige Stüdfein Gold, die vermuthlih an dem Degen» 
griff oder dem Wehrgehäng als Zierrathen angebradht geweſen; 
3) die Eifen einer Francica und eines Wurffpießes, beide vom 
Roft beinahe verzehrt; 4) ein goldenes Buͤchschen ſamt Schreib» 
griffel; 5) zwei Feine goldene Ruthen, vieredt und roth email- 
lirt, famt ihren goldenen Haltern, die vermuthlich beftimmt ges 
wefen, eine Schreibtafel, zwei Effenbeinblättchen, zufammenzuhal« 
ten; 6) ein Fleiner Stierfopf, von Gold und emaillirt; 7) mehre . 
Bienen, in Gold und Email ausgeführt ; 8) andere Stüde Gold 
und Email, Zierrathen vieleicht für Gebiß, Zaum und Sattelzeüg 
eines Pferdes; 9) ein großer goldener Ring, ohne’ Ringfaften 
und ohne Siegelgepräge; 10) vier große goldene Spangen, ver- 
muthlich beſtimmt, das Wehrgehäng oder den Gürtel des Königs 
zu halten; 11) eine Kryftallfugel, nicht völlig in der Größe 
einer Ballfugel; 12) ein goldener Siegelring, mit eines Könige 
Bild und der Umſchrift: Childeriei regis. Der ganze Fund 
wurde dem Generalgouverneur ber Niederlande, dem kunſtlieben⸗ 
ben Erzherzog Leopold Wilhelm überreicht, und beauftragte dies 
fer feinen erften Leibarzt, den berühmten Jacob Chifflet, die 
einzelnen Gegenftände zu fichten, zu orbnen, zu befchreiben. Sie 
blieben die Hauptzier von bes Erzherzogs reihem Cabinet, ale 
welches, nach deſſen Ableben, an den Kaifer gelangte, 


 Kurfürf Johann Philipp von Mainz. 477 


Der Schmud eines Frankenkoͤnigs, in welchem man allge- 
mein den 481 verftorbenen Vater Chlodwigs zu erfennen glaubt, 
mußte für Ludwig XIV. unendlichen Werth haben, und ers 
ſuchte, dieſes erwägend, Johann Philipp den Kaifer, daß er 
ihm jene Alterthbämer überlaffen möge, indem es feine Abficht, 
dem König von Franfreich fie zu. verehren. Dazu fand Leos 
pold ſich willig, und wanderte der ganze Fund, bis auf wenige 
Bienen, von Wien nad Mainz und von bannen nach Paris, 
‚ wo in ber Töniglichen Biblisthef ein Standort ihm angewieſen 
wurde, Minder willfährig bat Johann Philipp in einer andern 
Angelegenheit den Kaifer gefunden. Während beide noch zu 
Regensburg wellten, wurde der Kurfürft nicht müde, dem Kaifer 
die Bortheile, fo er in der Freundfchaft mit Franfreich finden 
fönnte, anzupreifen, mit feinen Borftellungen den Rath verbindend, 
fih, da es noch an der Zeit, mit dem mächtigen Nachbar um bie 
Nachfolge in der fpanifhen Monarchie, denn das Ausfterben ber 
männlichen Nachkommenſchaft Karls V. fland nicht undeutlih in 
Ausfiht, zu verfländigen. Sollte der Kaifer Bedenfen tragen, 
einer folchen Unterhbandlung ſich zu unterziehen, dann war Johann 
Philipp erbötig, das Geſchaͤft zur Zufriedenheit der beiden Monars 
hen, wie ex hoffte, zu übernehmen. Den Antrag lehnte ber Kaiſer 
ab, mit der Neußerung, die Sache ſcheine ihm über die Maßen ge» 
fährlih. Gleichwohl gab der Kurfürft feine Lieblingsidee, zwifchen 
Sranfreich und dem deutfcheöftreichifchen Haufe eine ewige Freunds 
fchaft zu fliften, nicht auf, fie erwachte vielmehr in verboppelter 
 Stärfe über ber Betrachtung der außerordentlichen Rüftungen, 
mittels deren Ludwig XIV. feinen. vermeintlichen Anſpruch an 
einen großen Theil der Niederlande, das abgeſchmackte Devolus 
tionsrecht, durchzuſetzen Willens. | on 

Unangefehen der Weigerung bes Kaifers hatte Johann Phi⸗ 
lipp eine Unterhandlung mit dem König von Frankreich einges 
leitet, auch für feine Anträge defien Genehmigung und Vollmacht 
erhalten, zugleich aber auch Drohungen vernommen, falls der 
Kaiſer in dem Borhaben, die Spanier mit Truppen zu unters 
fügen, verharren würde, Das veranlaßte ihn zu einem eigens 
bändigen Brief an den Kaifer: „Er babe nicht umhingefonnt, 


Rhein, Antiquarius, 3. Abth. 2. Bd. . 12 


278 Shönbernsluf, 


wohlmeinend vorzuftellen, ‚wie fehr aus biefer Vollsſchickung ein 
gefährlicher unzeitiger Krieg, aufs neue Jammer und Elend, 
und große Erbitterung erfolgen, wie bie mächtigften Potentaten 
fih dadurch entfräften, auch der Erbfeind felbft neue Anfchläge 
auf des Kaiſers Erblande richten, nicht weniger England, Schwer 
ben, Holland und andere ſich deſſen bedienen, und fowohl in 
Europa als in denen Indien um fich greifen würden; welcher 
große Vortheil aber dem Kaifer und feinem Haufe andermwärtd 
zumachfen könne, wenn ſolche Bolksfchidung unterlaffen,, die 
Sade in den Niederlanden in statu quo gehalten, und biefelbe 
auf andere Art mit Volk verfehen und bedeckt, und mithin bes 
rührte und mehr andere daraus entfpringende höchſt gefährliche 
Folgen verhütet, und unterbefien vielmehr dahin getrachtet werde, 
wie zwifchen des Kaiferd Haus und der Krone Franfreich für 
jeven Fall auf Abgang der männlichen Fönigl. fpanifchen Des— 
cendenz , der, wenn Gott will, ſich vielleicht nimmer begeben 
werde, ber Theilung halber ein Bergleid getroffen werden fönnte: 
inzwifchen fönnte man, ehe ein Fall geſchieht, in Frieden und 
Ruhe bleiben, hernach auch der Kaifer, wenn der Fall wirklich 
eintreten follte, mehr Bortheil dur eine eventuelle Theilung, 
ald durch einen zweifelhaften biutigen Krieg gewinnen. Und 
weil Sranfreich bereitö beliebt habe, daß er hierin negoziren 
möchte, wolle er fich gern, wenn es dem Kaifer gefällig , ber 
Handlung unterziehen, und dabei zu deſſen Beſten fein Aeußers 
fles thun, und gedenfe die Krone Frankreich fo zu flimmen, daß 
verboffentlich eine gute Wirkung erfolgen foll, wie er dann bie 
dem Haufe Deftreih und gemeinen Fatholifchen Wefen zum Beften 
erwachſende Nutzbarkeit, und die im widrigen Fall zu beforgenbe 


Gefahr dem Kaifer zu Regensburg mit mehreren dargethan habe, 
worauf er fih hiermit noch einmal beziehe,’ Diefes Schreiben zu 


übergeben, fchiete Johann Philipp den Rath Jodoei nach Wien, und 


war berfelbe noch befonberd beauftragt, Borftellungen zu thun wegen _ 


der üblen Folgen, die der Marfch eines Hülfscorps für die Nies 


derlande, abfonderlich in Betracht der aus Frankreich vernommenen 


Drohungen haben fönne, Die Abfendung der Truppen unterblieb, 
da die Mitglieder des Rheinbundes, in ihrer Berblendung verhar⸗ 


Kurfürf Ichenn Philipp von Mainz. 479 


send, bem Durchmarfch und dem Heberfchreiten bes Rheine unäber- 
fleigliche Hinderniffe enigegengefett haben würden, eigenhändig 
aber fhrieb der Kaiſer an den Kurfürften zurüd, 20. März 1665: 
„Den Truppenmarfch betreffend, berufe er fich auf Jodoci, dem 
er feine desfallſige mündliche Erklärung ertheilet; in Anfehung 
bes zweiten Punkts werde ber Kurfuͤrſt ohne Zweifel fi erinnern, 
was er zu Regensburg darauf geantwortet, und wie gefährlich 
er das bamit gemeinte Werk gefunden habe.” 

König Philipp IV. farb den 17. Sept. 1665, mit dem 
Ausbruch des Sturmes aber, momit bie fpanifche Monardie unter 
dem Borwande des Devolutiongrechtes bedroht, verzog es ſich 
bis zum Frühjahr 1667. Vorher, 7. Febr. 1667, fühnte Lud⸗ 
wig XIV, durch gebieterifches Machtwort die feit 1664 von dem 
Aurfürfen von Mainz, dem Herzog von Lothringen und ihren 
Berbündeten gegen Kurpfalz geführte Fehde, dann, 24. Mai 1667, 
ging er perfönlich, an der Spige von 35,000 Mann, zu Felde, 
während zwei andere Armeecorps feine Operationen, benen zwar 
nirgends eigentlicher Widerftand entgegengefegt, unterſtützen würs 
ben. Der in Regensburg verfammelte Reichstag befchränfte ſich auf 
ein Schreiben, worin er den König von Franfreich zum Frieden 
esmahnte. „Der Kurfürſt von Mainz, der ohnehin außer feinem 
Profecte eines beftändigen Friedens feinem andern Gedanken einen 
Pay in feinem Kopfe geflattete, trug, ale ihm Caſtel⸗Rodrigo, 
Statihalter in den fpanifchen Niederlanden, den Einfall der Frans 
zoſen in dieſelben berichtete, und um den Beifland des Reiches 
anfuchte, nur darauf an, daß die Streitigfeit durch Vermittlung 
einiger Kurfürfen und Fürften beigelegt werben möchte. Bon ben 
übrigen Reichsſtaͤnden war noch weniger thätige Theilnahme zu 
erwarten. Den einen ber Kurfürften machte eine jährliche Pen⸗ 
fon von 80,000 Rthlr. der Sache feines Vaterlandes abwendig; 
ber andere war ohnehin den Deftreichern abgeneigt, und hoffte die 
polniſche Krone aus der Hand des Königs Ludwig zu erhalten; 
wieber ein anderer verlor ſich fo weit, daß er fi) für einige 
tanfend Gulden wohl gar in den Schuß, und gleichfam unter 
bie Bormundfchaft des Könige von Frankreich begab; er vers 
ſprach, nur folche Räthe zu halten, welche dem König anftändig, 


12 * 


180 Schönberusiufl. 
und biefenigen , die ihm mißfielen, zu entlaffen. Der Kurfürft 
von Brandenburg, welcher eine Zeit Tang den VBerführungen der 


Franzoſen herzhaft widerftanden hatte, trat nun felbk in den 


rheiniſchen Bund, gegen welchen er zuvor fo fehr geeifert hatte, 
und verfprach, feinem Bewaffneten den Durchmarfch durch feine 
Länder zu geflatten. Der Landgraf Ernft von Heffen-Rheinfels 
begnügte fich nicht, bei der Gefahr des burgundifchen Kreifes 
-gleichgüftig zu bleiben , fondern bot dem Könige von Frankreich 
in einem befondern Schreiben feine beiden Feflungen, die er am 
Rhein zwifhen Mainz und Hermannftein hatte, Rheinfels und 
bie Rat an. Der König von Dänemarf, die Herzoge von Tünes 
burg und mehre andere beeiferten fich gleichfam um die Wette, 
fih bei dem Könige von Frankreich beliebt zu machen, und dem 
franzöfifhen Golde den Zufluß in ihre Chatoulle zu öffnen. Die 
geiftlichen Kurfürften, anftatt ihrem Nachbar, auch nur um ihrer 
ſelbſt willen, in feiner Gefahr beizufpringen, fammelten vielmehr, 
ber Borfhrift des rheinifchen Bundes zufolge, eine Anzahl Trup⸗ 
pen, um fie einem jeden’ entgegen zu fegen, der nach Flandern 
Hülfstruppen ſchicken würde.“ Unter diefen Umftänden mag es 
beinahe ein Wunder genannt werden, dag Ludwig XIV. fich den 


Srieden von Aachen, 2. Mai 1668, gefallen ließ. „Webrigens - 


ging die Sache doch gewiſſermaßen nad) dem Wunfche des Kurs 
fürften von Mainz hinaus; denn nicht nur er, fondern auch der 
Kurfürft von Cöln und der Bifchof von Münfter Hatten Antheil 
an der Schließung diefes Friedens und unterzeichneten ihn.’ 
NeusBeimburg,, das Schloß, gab Veranlaffung zu neuen 
Zwiftigfeiten mit Rurpfalz. Auf der Reife nach Kreuznach wollte 
Karl Ludwig, in Gemäßheit althergebrachten Oeffnungsrechtes 
auf Neu-Beimburg einfehren, fo aber der Mainzifche Kellner ihm 


verweigerte. Da Tieß der Pfalzgraf gewaltfam die Thore bres 


hen, die Mauern fällen, die innern Räume durch feine Soldaten 
plündern. Johann Philipps Friedensliebe wurde dadurch auf 


eine harte Probe geſtellt. Er hat darin beftanden, Tediglich den 
Katfer und das Kammergericht. um Beiftand angerufen, und 


nad) deren Anordnung den Handel gütlich durch die beiden Mark⸗ 


grafen von Baden als Bermittler fchlichten Iaffen. Des Pfalzs 


Anrfürft Johann Philipp von Mainz. as 


grafen Trotz und Uebermuth wurde aber vollends Durch ben Herzog 


von Lothringen, in der frühern Fehde Johann Philipps Berbündeter, 
gebrochen. In dem durch den Aachener Frieden beendigten Kriege 


- hatten die Lothringer für Frankreich, fireiten müſſen. Als die Ruhe 
hergeſtellt, wurden fie in die Heimath zurückgeſchickt; dafelbft foll- 
. ten bie Regimenter aufgelöfet und entlaffen werden, alfo gebot 
* König Ludwig. Eine Zeitlang wußte der Herzog bie Sache hin⸗ 
zuhalten unter dem Vorwand, daß er eine Hülfsleiftung für das 
: zum Aeußeriten bedrängte Candia beabſi chtige; letzlich mußte er 


dem Gebot ſich unterwerfen. 
Gleich dachte der Pfalzgraf für vormalige Unbild Rache zu 


nehmen an dem entwaffneten Feind; verſtärkt durch dienſtlos 
gewordenes franzöſiſches und lüneburgiſches Volk, führte Karl 
Ludwig im Zul. 1668 ein Heer von beinahe 8000. Dann nach 


— bog — 


der lothringiſchen Grenze, zunächſt um des Herzogs Beſatzungen 
aus Landſtuhl, Hoheneck und Homburg zu vertreiben. Landſtuhl 
wurde nach kurzem Widerſtand am 14., Hoheneck am 19. Aug. 
genommen, aber der Kurfürſt verlor eine koſtbare Zeit, ſich dieſer 
Erfolge zu freuen, auch dieſelben in Druckſchriften zu rechtfer⸗ 
tigen, und die Iothringifchen nur ſcheinbar entlaffenen Völker konn⸗ 
ten ſich nochmals um den alten Feldherren foharen. Die Gräfe 


haft Falfenftein am Donnersberg war ber eigentliche Zanfapfel 
' geworden, und vom Donnersberg aus führte der Lothringifche 


Prinz von Lillebonne fein Heer den Pfälzern allgemah in bie 
Slanfe, fo dag im halben September bie beiden Lager einander 
anf Kanonenſchußweite gegenühberflanden, die Pfälzer zwiſchen 


Dromersheim und Ockenheim, beide Mainzifchen Gebietes, Hoch 
ie den Weinbergen, die Lothringer am Fuß biefer Weinberge, 


ver Nabe und dem Dorfe Büdesheim zu. Tägliche und blutige 


Scharmützel ergaben ſich als folder Annäherung unvermeidliche 


Folge, und die Iothringifche Armada, nachdem fie in zwedlofem 
Treiben Mundvorrath und Ammunition erfchöpft, wollte fi zum 


Aufbruch anfchiden, als am 26 /16. Sept. ihre Pofition von ben 


Pälzern angegriffen wurde. 
Der rechte Flügel der Lothringer, von dem Prinzen von 


Vaudemont geführt, Fam zuerſt zum Gefecht, und befand mit 


"> 


182 Saönbsrnsiufi, 


Vortheil, während Lillebonne mit dem Tinten Fluügel dem feind⸗ 
lichen rechten Flügel in bie Flanke fiel, deſſen erſte und zweite 
Linie durchbrach, und ohne eine Piftole zu loͤſen, mit blankem 
Pallaſch die Keinde vor fi her in die Weinberge trieb. Das 
Gehölz hinter Dromersheim war aber undurchdringlich für bie 
lothringiſche Neiterei, deren Ordnung noch dazu in ber Hige ber 
Berfolgung ſich gebrochen hatte; das gewahrend, vereinigten bie 
Pfälzer ihre Macht gegen die tfolixte Infanterie der Lothringer, 
und gegen bie von berfelben befegten zwei Redouten. Die eine Res 
boute, mit ihren zwei Kanonen, wurde genommen, auch das Res 
giment Baffompierre, obgleich mannhaft unterflügt von den Muss 
fetieren der Garde, zu übereiltem Rüdzuge gendthigt, als ber 
Prinz von Lillebonne die mübfam wieder zu gefchloffener Ord⸗ 
nung vereinigte Neiterei noch einmal dem Punkt, von welchem 
des Tages Schickſal abhängig, zuführte. „Nachdem er ſich als 
ein anderer Mars vor die Mußgquetiver und das Fußvolck ges 
ftellet hatte, jagte er die Feinde wieder aus der Redoute heraus, 
und verfolgte fie mit bloßem Degen bis zu dem Berge, welchen 
ſie zu erreichen vermeinten, da ed dann an ein unglaubliches 
Metzeln gienge, biß zu dem Orte, wo fie unfer Gefchüß binge- 
führt hatten, welches wieder erobert und in die Redoute gebracht 
wurbe, und bat einig und allein die Nacht und die beſchwerliche 
unwegfame Derter dem Feind Zeit verurfachet, fein Gefhüg auff 
bie Höhe des Berges zu bringen, denn weder die Bäume noch 
Weinberge, weder die Heden oder Graben die Unferigen ver: 
hindern können, daß fie nicht alles, was ihnen vorkommen, in 
Stüde gehauen hätten.” Nicht Teicht iſt ein Treffen beffer aus» 
gefochten worden, als dieſes, mo der Pfälzer nicht über 6500, 
ber Lothringer nicht über 5000 gewefen : wie fene ber Zahl nad 
ben flärkiten Berluft, an Todten etwan 1200 Mann, erlitten, 
fo hatten diefe vornehmlich eine Menge ausgezeichneter Officiere 
verloren, gleihwohl aber fo vollfändig gefiegt, daß von dem an 
ber Kurfürft mit allen feinen Nachbarn Frieden fuchte, 

Ludwigs XEV. Haltung in den um das Wildfangsrecht ges 
führten Fehden, fein ungerechter Krieg gegen einen wehrlofen 
Knaben, ber noch dazu fein Schwager, der Uebermuth, ben er bei 


Aurfürſt Johaun Philipp von Mainz. 183 


jeber Belegenheit Die übrigen Staaten empfinden ließ, blieben nicht 
ohne Einfluß auf Johann Philipps Gefinnung. Es wurde ihm 
beutlich, wohin die Freundſchaft mit Frankreich führen müfle, er 
wagte eine Berwendung bei dem König zu Gunften der yon ihm 
bedrohten Holländer, und ermahnte ben Kaiſer, die Wohlfahrt und 
Integrität des Reiches in Schuß zu nehmen, damit nicht bei dem 
bevorftehenden Kriege in den Rheinprovinzen füch wiederhole, was 
unlängft, 1670, über den Herzog von Lothringen verhängt wors 
den. Auch Schloß er am 10. Febr. 1672 ein enges Bündnig mit 
bem Kaifer-, mit Trier, Sachſen, Munſter und Ansbach , ohne 
doch von feiner vorfichtigen Handelsweife im mindeften abzugeben. 
Und da dieſe ängftliche felbftfüchtige Politif an den mehrften 
Höfen Deutfchlande Eingang gefunden, verging noch ein volles 
Menfchenalter, bis dahin eine Gelegenheit ſich ergab, die Ketten, 
welche zu Schmieden, Johann Philipp die unfelige Thätigfeit ent⸗ 
widelt hatte, zu brechen. 

Wenn aber des Kurfürflen auswärtige Politik dem Reiche im 
Allgemeinen höchſt nachtheilig geworben, feinem Kurftaat hat fie, 
für die Zeit feines Lebens, wefentliche Vortheile gebracht, wie er 
denn auch in jeglicher abminiftrativen Beziehung als ein ver— 
fändiger, wohlmwollender Regent zu preifen, Allerdings fand er 
hierbei wirkſame Unterſtuͤtzung von Seiten feiner vortreffliden 
Minifter, v. Boyneburg und Mehl, aber fhon in dem Ermitteln 
folder Männer und der ihnen angemefjenen Sphäre gibt fid 
Scharffinn und Taft zu erfennen. Auch der große Leibnig, der 
als Kanzleirath angeftellt worden, verbreitet eigenthümlichen 
Glanz über diefe Regierung. Er follte, in Verbindung mit bem 
geihäftsfundigen Geheimrath von Laffer, einen Eoder, ein Land» 
recht ausarbeiten. Die Grenzftreitigfeiten mit den Nachbarn fans 
den fi durch eine Reihe von Verträgen gefchlichtet. Der Ors 
ganismus ber Berwaltung wurde verbeffert und in eine gehörige 
Richtung gebracht. Die genaue Abtheilung der Aemter und vers 
fhiedenen Behörden, die Erhebung der Hoffammer und bes Res 
vifionsgerichtes, ben geregelten Gang des Juſtiz⸗, Polizei und 
Finanzweſens hat Mainz diefem Kurfürften zu verdanken. Das 
Generalvicariat wurbe durch ihn angeordnet, die Kirchenzucht in 


184 Schänberusiuf, 


forgfältigen Viſitationen gehandhabt, in weldher Beziehung ber 
fromme und gelehrte Bartholomäus Holzhaufer dem KRurfürften 
ungemein nüglich geworden. Johann Philipp Yernte ihn waͤh⸗ 
rend der Brunnenfur zu Gaftein 1653 fennen, und überzeugte ſich 
fehr bald von der Zwedmäßigfeit des durch Holzbaufer begrün⸗ 
deten Inſtituts der in Gemeinfchaft lebenden Weltpriefler. Er 
führte daffelbe feinen beiden Diöcefen ein, zog den Stifter nad 
Mainz und bebiente fich feines Rathes, um angehenden Geiftlichen 
jene Bildung zu verfchaffen, welche der in dem Laufe eines ſchreck⸗ 
lichen Krieges verwilderten Generation fo ungemein nothwendig 
geworben. Die wahre Frömmigkeit diefes "würdigen Seelforgers 
follte Vielen ein Leitfiern zum Guten werden. Holzhaufer, letz⸗ 
lich Pfarrer und Dechant zu Bingen, flarb daſelbſt den 29, Mai 
1658 im Nufe der Heiligkeit: die von ihm binterlaffenen Pros 
phezeiungen ſtehen bis auf ben heutigen Tag in Anfehen, fein 
Inſtitut aber, das. eine Flöfterliche Form annehmen zu wollen 
fhien, wurde nachmalen in manden Didcefen aufgehoben, in 
andern modificirt. Bleibendes Verdienſt hat der fromme Stifter 
fih jedenfalls erworben durch) den von ihm ausgehenden Impuls 
für die Errichtung von Seminarien, die, obgleich durch das Tris 
bentinum verordnet, big dahin noch nirgend ind Leben getreten 
waren. Im %. 1662 errichtete Johann Philipp, hierbei burch 
den Domdehant Johann Saal von Heppenheim unterflügt, in 
Mainz das Seminarium zum h. Bonifacius, 

Daß Johann Philipp die Stadt Erfurt vollfländig dem 
Ersftift erworben, und daß er in weiſer Mäßigung feines Vor⸗ 
theils gegen bie beftegte Freiheitsliebe der Bürger fih gebrauchte, 
iſt oben erzählt worden. - Er löſete am 23. Mai 1665 das wäh« 
rend des Kurftreites von Adolf II. von Naffau verpfändete Drit« 
tel von NeusBeimburg mit 10,000 Gulden von dem Herzog von 
Lothringen. Schon vorher, 1663, hatte er das Gleiche zu bes 
werffielligen verfucht in Anfehung des ebenfalls von Erzbifchof 
Adolf um 40,000 Gulden verpfändeten Amtes Bedelnheim. Der 
Pfandbeſitzer, Pfalzgraf Ludwig Heinrich zu Simmern, gefchredt, 
wie es nachmalen hieß, durch die von Mainz ausgehenden Dro⸗ 
pungen, bequemte fih auch, befagtes Amt. nad dem Schieds⸗ 


Aurfũrſt Ichenn Yhilipp son Mainz. 185 


ſpruche des Kurfürften von Brandenburg für fi und feine Lei- 
beserben vom Erzſtift Mainz als ein vechtes Mannlehen zu 
empfangen, wobei bie Beamten, Bürger und Unterthanen zur 
Leiftung einer Huldigungspflicht an gebachtes Erzſtift angewiefen 
wurden, ber Kurfürft zu Pfalz, Karl Ludwig, aber legte nicht 
nur damals, fondern auch 1673, da der neue Erzbifchof, Lothar 
Friedrich von Metternich, die gleiche Hulbdigung einnehmen ließ, 
Proteſtation ein, und als bald darauf mit Ludwig Heinrich Die 
Linie in Simmern zu Grabe getragen, auch von Seiten bes 
Erzfiiftes Beftg von dem erledigten Mannlehen ergriffen worben, 
bemädhtigte fih Karl Ludwig gewaltfam fämtlicher Dazu gehöri⸗ 
gen Drifchaften, und find fie durch den Dertrag von 1714 bei 
Kurpfalz geblieben, 

Dagegen hat Johann Philipp der Stadt Mainz eine baus 
ernde Wohlthat verfchafft, mittels ber fiehenden, auf den Rhein 
gelegten Brücke. Am 12. Mat 1661 ging er ber erfle, von 
feinem ganzen Hofftaat gefolgt, über diefe Brüde, nachdem er 
vorher den Zoll entrichtet hatte, denn für folde Abgabe follte 
feine Befreiung, die Bettelmoͤnche allein ausgenommen , gelten. 
Bei allem Verdienſt um das Erzftift hatte der Kurfürft doch 
zum öftern mit einer in dem Domcapitel, ja in feiner Fas 
milie auftauchenden Oppofition zu Fämpfen. Deren Führer find 
fein eigener Bruder Philipp Erwin Freiherr von Schönborn, 
dann Philipp Ludwig von Reifenberg, Domherr zu Mainz, Trier 
und Halberfiadt, Chorherr zu St. Alban, Bleidenftatt und St, 
Bictor zu Mainz, auch Propft zu U. 8, Frauen daſelbſt, Kämmerer 
am Stabigeriht Mainz, Vicedom zu Erfurt, Abth. II. Bd. 1. ©, 
434, geworben. Shnen war befonders anflößig die ausgezeichnete 
Gunft, deren nach Berdienft ber v. Boyneburg bei dem Kurfürften 
genog. AU ihre Bemühen zielte dahin, den Beneideten, ben Gehaß⸗ 
ten zu verbächtigen, und das gelang ihnen vollfländig. Boyneburg 
fel in Ungnade und mußte eine fünfmonatlide Gefangenfchaft 
aushalten. Neifenberg wurde in das Cabinet gezogen, fand aber 
damit nicht volle Befriedigung für feinen Ehrgeiz. Aller Ges 
walt vollends fih zu bemächtigen, nahm er Zuflucht zu einem 
Mittel, das in ben nenern Zeiten häufig angewendet worden, 


1086 Schöubsrusiafl, 


nm den fogenannten Vollswillen zu verlündigen ; ein fanatifirter 
Haufen drang dem Schloßhof ein, und brüflte unter des Kurfürften 
Fenftern ein drohendes: vivat Reifenberg, und noch Bedenklicheres. 
Das Mittel verfehlte aber für jetzt feine Wirkung; die Schreier 
wurden verjagt, Johann Philipp, von feinem Schreden zurüds 
gefoinmen , ließ den VBertrauensmann, den vorgeblichen Liebling 
des Bolfes greifen und ihm den Proceg maden. Er wurde am 
18. Mai 1668 des geiftlichen Standes und aller feiner Pfrüns 
ben verluftig erflärt, und zu Tebenslänglicher Gefangenfhaft auf 
Königftein verurtbeilt. Den vollfommen gerechtfertigten Boynes 
burg nahm der Kurfürft wieder zu Gnaden auf, alfe feine Stel« 
Ien wurden ihm gurüdgegeben, und die Ausföhnung mit dem 
unentbehrlichen Bufenfreund zu befiegeln, vermählte er feinen 
Neffen, Melchior Friedrich 9. Schönborn mit des Minifters älte⸗ 
ser Toter, Maria Sophia von Boyneburg. 

Nicht minder wohlthätig denn feinem Kurfürftentbum, tft Jo⸗ 
hann Philipp auch dem Hochſtift Würzburg geworden. Die Burg 
Marienberg ob Würzburg verflärfte er durch neue Feſtungswerke, 
gleichwie er fie zu feinem Wohnfig für die Zufunft einrichten 
lieg, die unter der Laſt des Krieges herabgefommene Univerfität 
wiederum zu dem alten Flor zu erheben, traf er verfchiedene 
Einrichtungen, an die Stelle des baufälligen Waifenhaufes feste er 
ein neues Gebäude von größerm Umfang, die beiden Prieſter⸗ 
häufer vereinigte er zu einem Seminar, welches er mit Prieftern 
aus Holzhaufers Inftitut befeste. Im J. 1660 berief er aus 
Meg die Urfulinerinen nach Kigingen, er errichtete auch, Dem 
Oberland zu Gute, in Münnerftatt ein Gymnaſium. Ein eif- 
iger Gönner bes Capuzinerordens beförberte er bie Stiftung 
ber Klöfter zu Lohr 1649, zu Rodenftein 1652, zu Wallthüren 
1658, zu Königshofen 1665, zu Ochfenfurt 1667, zu Karlſtadt 
1670, außerdem erbaute er das Franziscanerflofter zu Milten- 
berg, und den unbeſchuhten Karmeliten ober Reuerern zu Würzburg 
eine Kirche, deren Grundſtein er am 19. März 1662 legte. Auch 
zwei andere ber dafigen Kirchen, zu St. Johann im Haug bie 
fhöne Stiftslirche, und die des Benebictiner-Nonnenfloflers zu 
St. Afra hat er wenigflens theilweife aufgeführt. 


Aurfürſt Johann Philipp von Mainz. | 187 


Die Betrachtung befien, fo er für Mainz und Würzburg 
gethan, feheint ein drittes Domcapitel beftimmt zu haben; auf. 
Ableben des Fürftbifhofs von Worms, Hugo. Eberhard Cratz 
von Scharfenftein, März 1663, gelangte Johann Philipp durch. 
Poftulation zum Befige des Bisthums Worms, und ift er vors 
nehmlich durch das DBeftreben, des Hochſtiftes Gerechtfame gegen 
Kurpfalz zu verteidigen, in die oben befprochene Fehde vers 
widelt worden. Die Stadt Ladenburg , uraltes Wormſiſches 
Stiftsgut, wurde bei dieſer Gelegenheit von bes Kurfürften Bolf 
ben Pfälzern entrifien. 

Zu Ausgang des %. 1672 unternahm Johann Philipp eine 
Reife nah Würzburg. Dort befuchte er, in den erfien Tagen 
des Februars, die Kirchen, in der Abficht, den von dem Papft 
ausgefchriebenen Jubelablaß zu gewinnen. Damit z0g er fid, 
bei der rauhen Falten Witterung, einen Kathar zu, durch den 
er fih zwar in feinen Geſchäften nit flören Tief. Um fo 
raſchern Fortfihritt gewann das Uebel, dag ſchon am 12. Febr. 
1673 der Fürft eine Leihe, Er ruhet, zufolge feiner Verord⸗ 
nung, zu Würzburg im Dom, das Herz wurde nad) Mainz ges 
geben, und in dem dafigen Dom, nächſt dem Hochaltar beigeſetzt. 

„Er war ein Fürft von ben vortrefflichften Eigenfhaften, 
und feine Regierung eine ber ruhmwuͤrdigſten und fegenreichften 
für das Erzſtift. Auf das eifrigfte hatte er für Deutfchlande 
Frieden gearbeitet, und bie Einigkeit unter ben Fürſten von Eu⸗ 
ropa aus allen Kräften zu bewirfen geſucht; die innere Berfafs 
fung feines Staates durch Errichtung neuer Kollegien verbeffert, 
für deſſen Schug durch Anlegung neuer Befeftigungen geforgt, 
zur Berfchönerung der Stadt dur Anlegung drei neuer Stra⸗ 
gen, fo wie durch theilweife Wiederaufbauung der während der 
ſchwediſchen Decupation niebergeriffenen Gebäude beigetragen, 
und durch zweckmäßige Verorbnungen, Schul- und Kirchen⸗Viſi⸗ 
tationen das Wohl der Religion befördert, Er felbfi gab das 
Beifpiel ächter ungeheuchelter Religiofität. Nie unterließ er das 
tägliche Gebet, wozu ihn fein Stand verpflichtete. In Ausübung 
feiner bifchöflichen Verrichtungen war er unverdrofien thätig, und 
beſuchte bei Buß- und Bittgängen öfters die Kirchen barfuß. 


[2 


188. —ER 


Aeußerß beſcheiden hegte er von ſich eine geringe Meinung; Sf« 
ters pflegte er zu ſagen: was ſoll ich armer weſterwälder Edel⸗ 
mann vermögen zu verrichten $ ift etwas zu des römifchen Reichs 
und meiner Stifter. Nugen verrichtet worden, fo hats Gott ges 
tban ; deffen ich allein, gleichwie ein jedweder anderer bat fein 
fönnen,, ein Werkzeug bin. Er war ein Feind von Schmeiche⸗ 
feien und eitlem Rob, verachtete die Unbifden, war nicht voreilig 
im Sprechen und fo einfach und von allem eitlen Gepränge ent- 
fernt, daß man ihn meiflend in einer geringen Kutfche mit uns 
gleichen Pferden befpannt fahren fah. Und doch war nicht: ein 
- Fürft im deutfchen Reiche, der ihn an Thätigfeit, Weisheit und 
klugen Ratbfchlägen übertraf, fo daß ein berühmter Mann feiner 
Zeit von ihm fagte: „„wenn ich mir diefen Fürften denfe, fo 
fallt mir immer das Bild eines gerechten, kordaten und Fugen 
Reichsdirektors ein, wie feit mehreren Jahrhunderten das Churs 
kollegium feinen gehabt.” Gegen Arme und Nothleivende er⸗ 
zeigte er fi fehr freigebigz außer mehreren außerordentlichen 
Unterftügungen foll er täglih den Bebürftigen drei. Joachims⸗ 
thaler verabreicht Haben. Groß und hochgeehrt von Zeitgenoffen, 
wird fein Andenfen als Friedensftifter bei der Nachwelt unauss 
töfchlich bleiben.” Der Bergleihung halber möge bier aud 
Pag finden, was Gramont, Franffurt und Mainz verlaſſend, von 
dem Kurfurſten ſchrieb: 

„Comme toutes les choses qui avoient did commises @ la 
ndgociation du marechal de Gramont et de M. de Lyonne 
s’etoient heureusement termindes, et que la ligue mettoit en 
siürete les articles de la capitulation, ils resolurent leur de- 
part. M. de Lyonne voulant voir la Hollande, prit cette 
route, et le marechal de Gramont celle du comte de Bour- 
gogne, pour repasser en France. Partant de Mayence, Te- 
lecteur voulut lui continuer les memes .civilites et les hon- 
neurs qu'il lui avoit fait rendre ci-devant. Il fit mettre la 
garnison en bataille, ei tout le canon de la ville sur le bord 
du Rhin, dont on le salua de trois salves. L’edlecteur le vint 
conduire jusques au-delä de la riviere, et ce fut là qu'il prit 
congé dun prince, qui lui avoit paru doué de trös-grandes 


Aurfürſt Johann Philipp von Mainz. 180 


qualités. Sa naissance dtoit d’une bonne et ancienne noblesse, 
nommed Schönborn; Vestime qu’on fit de son merite le fit 
dlire du@que de Wurtzbourg, et par consequent duc de Fran- 
conie. Ensuite il devint le premier electeur de Ü Empire, tra- 
villa avec grand succes & donner le repos d sa patrie par 
le trait& de Munster, et personne ne se peut attribuer @ plus 
juste titre que lui la gloire d’avoir contribud d celui des Py- 
rendes entire la France et Ü Espagne. 

„Il est certain que rien ne Tengagea davantage d se 
tourner du cöteE du Roi que la connoissance qu'il eut des 
bounes et droites intentions de Sa Majesie: en quoi il ne 
sest pas trompe, puisque lon les a vues depuis confirmdes 
par les oeuvres. 

„La physionomie cemoignoit ia douceur de son nalurel; 
son parler &toit un peu lent, en allemand comme en frangois, 
et donnost dans les commencemens quelque peine : mais pour 
peu qu’on le pratiqudi, Ton lui demeloit tant de bon sens, 
quon ne pouvoit s’empecher de concevoir pour lui beaucoup 
destime. Ä 
„Il avoit une grande lendresse pour ses parens, et lon 
ne se brouilloit point avec lui pour leur faire du bien: aussi 
leur en procurvit-il autant que les voies houndtes et licites 
Iui pouvoient permettre. Il avoit träs-bien fait ses dtudes, 
et sa conversation gaie et libre ne tenoit rien du pedant. Il 
étoit sobre dans ses repas, mais ne laissant pas de boire au- 
tonl qu’il dtait ndcessaire pour tre agreable & ses convives, 
qui ne se paient pas de mediocrit&E en ce pays-lä, et pour 
lesquels il avort la complaisance qui est indispensable en Alle- 
magne, lorsqu’au lieu d’un compliment Ton ne veut pas faire 
une injure à ceuz qu’on a convies. Il se mettoit reguliäre- 
ment d.table & midi, et n’en sortoil guöre qua six heures 
du soir. Sa table dtoit longue et de trente cowverts. Il ne - 
buvoit jamais que trois doigts de vin dans son verre, el 
buvoit reguliörement a la santd de tout ce qui etoit à Lable, 
puis passoit aux forestiöres, qui alloient bien encore d une 
quarantaine d’augmentation; de sorte que, par une supputa- 
tion asses juste, sl se trouvoit quen ne buvant que trois 


190 Schönburnslaſt. 


doigts de vin à la fois, il me sortoit jamais de table qu il 
n’en edt sis pintes dans le corps; le tout sans se ddcomposer 
jamais ni sortir de son sang-froid, ni des rägles de la mo- 
destie affectes d son caractöre d’archevdque. 

„dl etoit tres-bon chretien sans avoir rien de bigot, ex- 
act observateur des fonctions dpiscopales, d.un travail quasi 
continuel, et d’une applicalion si grande aux affeires, que 
nul plaisir dans la vie n’dtoit capable de len divertir. Eiant 
aussi bon catholique qu'il étoit, il ne pouvoit quavoir de 
Vaversion pour la religion lutherienne: cependant couæ qui 
la professoient ne laissoient pas d’&tre bien vouus pres de lui; 
sl avoit meme plusieurs de ses domestiques qui en &toient, et 
sl tdchoit de les tirer de leur erreur plutöt par de savantes 
instructions et de bons exemples que par autoritd qu’il s’dtoit 
acquise à un tel point qu'il n’y avoit point de prince luthe- 
rien en Allemagne, à commencer par le roi de Suede, qui 
ne le fit avec joie larbitre de ses differens pour les choses 
seculieres. 

„Je finis par dire de Telecteur de Mayence que c’dtait 
un homme veritablement attache à la personne du Roi, et & 
qui Sa Majeste avoit seul Fobligalion du succes favorable de 
la negociation de la diöte, et que sans lui le murdckal de 
Gramont et M. de Lyonne ne fussent jamais enires dans 
Francfort. 

„il seroit bien à desirer, pour les interdts de la France, 
que lelecteur de Mayence qui vit mainienant ressembldt à 
son oncle, dont je viens de parler; la ligue avec les princes 
d’ Allemagne subsisieroit encore, Ü Empereur seroit moins des- 
poliquement le maltre en Allemagne qu'il ne Test d present, 
et nous le verrions assez docile pour ne pas refuser les avan- 
tageuses et justes propositions de pair que la reine d’ Angle- 
terre lui a ofjertes; mais altri tempi, altri ouri.“ 

Des Kurfürften Streben, feine Familie zu erhöhen und zu 
bereichern, hat Gramoni angedeutet, auch Imhof weiß davon zu 
fprechen: „incrementis familiae suae, dum vixit, velificalus est, 
quantum honeste potuit,““ heißt e8 bei dem fleißigen Manne. 
Indeſſen hat Johann Philipp von ber Herrfchaft Reichelsberg 


KAurfürfl Ichaun Philipp von Mainz, 4901 


nur ben Titel, keineswegs das Eigenthum feinem Bruder ver⸗ 


lichen - daher auch, als die von Schönborn 1684 bei dem 
fränfifchen Kreife wegen Reichelsberg zu Kreisfländen aufgenom⸗ 
men zu werben verlangten, diefes nur unter ber Bedingung ge⸗ 
fhah, daß fie ſich reichsunmittelbare Güter anfchaffen, und ſolche 


mit einem verhältnigmäßigen Anfchlag belegen laffen follten. Es 
führten daher bie Schönborn lediglich Die Reichelsbergifche Stimme 
auf Reichs⸗ und Kreistagen, famt dem Titel, ohne die Herrfchaft 
ſelbſt zu befigen, oder von wegen berfelben Römermonate und 
Kammerzieler zu entrichten, Solidere Erwerbungen waren bie 
Herrſchaft Heufenffamm, Behufs deren Johann Philipp ohne 
Zweifel die Mittel befchaffte, dann das Gut in Geifenpeim, fo 
des Kurfürften Lieblingsaufenthalt geworden war. 


Außer der an Georg Anton Walbott von Baffenheim zu 


| Dibrüd verheuratheten Schwefter Agatha Maria, hatte Johann 


Philipp auch einen Bruder, den bereits beſprochenen Philipn 
Erwin. Geb. 1607, Turmainzifcher Geheimrath und Oberamt⸗ 
mann zu Steinheim, wurde biefer 1663 in des h. R. Reiche 
Frei- und Edlerpanner-Herrenftand erhoben, und mit den herrlichs 
Ben Privilegien begnadigt, wie das weitläuftige Faiferlihe Dis 
plom ausweiſet. Neben der Herrfchaft Reichelsberg wurde ihm 
von feinem Bruder das Erbfchenfenamt des Erzfiftes Mainz 
verlieben, er hat 1661 die bedeutende Herrichaft Heuffenftamm, 
bei Frankfurt, und den Antheil Dornaflfenheim 1667 erfauft. 
Er farb den A. Nov. 1668. In der Ehe mit Maria Urfula 
Greifenffan von Vollraths, verm. 19. Nov. 1635, hatte er fünf 
Soͤhne, Franz Georg, Johann Philipp, Melchior Friedrich, Jo⸗ 
Bann Erwin und Lothar Franz, dann fieben Töchter gefehen, 
Sechs von den Töchtern wurden verheurathet, die einzige Eva 
Katharina farb als Klofterfrau auf Marienberg bei Boppard, 
im Jun. 1689. Franz Georg, Domeufios zu Mainz, Domherr 
zu Bamberg und Würzburg, wurde Kämmerer des weltlichen 
Gerichtes zu Mainz den 8. Zum, 1668 und ftarb den 16. Sul. 
1674, Johann Philipp im April 1703. Es war diefer Maltefers 
ritter, Comthur zu Würzburg, Großprior von Darien (Dänes 
warf), kurmainziſcher Geheimrath, Obrift und Gouverneur ber 








190 Sqnbornolaſt. 
doigts de vin ä la fois, il ne sortoit 
n’en eüt sis pintes dans le corps; le 
jamais ni sortir de son sang-froid ; 
destie affeetee ä son caractere d’archev£i 
„I etoit tres-bon chreiien sam® avoli 
act observateur des fonctions episcopales 
continuel, et d’une application si gran 
nul plaisir dans la vie n'etoit capable le 
aussi bon catholique quil etoit, U 
Faversion pour la religion lutherienume # 
la professoient n® Iaissoient pas deire 
il avoit m&me plusieurs de ses domestis 
il tächoit de les tirer de leur erreuf pi 
instructions el de bons exemples que P% 
ucquise d um tel point qu il n'y avoit 
rien en Allemagne; d commencer par 
ne le fit avec joie larbitre de ses di) 
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„Il seroit bien 4 desirer, pour % 
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Die Gabeinngen. — 4107 


gehalten werden follen: allermafen Wir Diefelbe für null und 
nichtig und von ganz keiner Berbinblichfeit zu feyn, Kraft diefes 
berlariren, wornad ihr euch in judieando zu richten.“ 

Der in der Verordnung beſprochene Weinmarkt zu Rüdesheim 
iR fonder Zweifel das Meberbleibfel einer Jahrhunderte lang den 
Beinhandel an Rhein und Mofel beherrfehenden Sitte, der Gabe⸗ 
hing, deren Urfprung man nicht ohne Grund den vielen reichbegüter« 
ten Collegiatftiften an den Ufern befagter Ströme zufchreiben will. 
Die Stifte fanden barin dag Mittel, die guten wie die fchlechten 
Beine ihren Mitgliedern auszutheilen, ohne daß dieſe eine Klage 
um die Qualität der Weine erheben konnten. Schon im 12. Jahr⸗ 
hundert gedenft das Präfenzlagerbuch des St. Victorſtiftes in Mainz 
ſolcher Gabelungen, fie waren auch bei Dem Dom und in St. Peters 
Stift üblich, und gabelte man bald im Rheingau, bald zu Mainz, 
wie die Weine angeflommen , oder aber nach dem Abſtich, und 
zwar dergeftalten, daß zu Zeiten einzig rheingauifche Weine der 
Operation unterworfen, zu Zeiten auch Gewächs anderer Ge- 
genden herangezogen wurde, Bon einer Gabelung zu Lorch zeugt 
des Dompropftien zu Mainz, des Andreas von Braune Ber: 
maͤchtniß vom 30. Nov. 1380. Bon den Oabelungen zu Oeſt⸗ 
rich klagt Das Kapitularprotofoll von St. Victor, 1. Nov. 1544: 
„Nachdem bis anher ein alter, Doch unnützer und böfer Gebrauch 
gewefen,. daß meine Herren allwegen nach dem Herbſt, welder 
gewollt, mit gen Oeſtrich uf die Kabelung gefaren, bieweil aber 
diefe Zeit etwas gefchwinde, und ohne bag großer Unfoften uff» 
gangen, iſt dieſe obgedachte Kabelung von wegen großen Koftens 
in vermeiden, uff diesmal abgefchafft worden.” Biel Tängern 
Beſtand haben bie nach dem Muſter der Stifte für die Gemein 
den eingeführten Gabelungen gehabt. Der fleigende Lurus, ins 
den er den beffern Gewächfen höhere Preife beilegte, verurtheilte 


die geringen Weine zu verhältnigmäßigem Unwerth. Ein Mittel 
; gegen dieſen, vorzugsweife den ärmern Producenten treffenden 


Uebelftand folkte die Gabelung geben, in Folge deren der Kauf⸗ 
mann aus jedem Orte fo viele Weine von der geringen, denn 
von ber beffern Qualität beziehen mußte. Nach der Trauben 


leſe, wenn die vergohrnen Weine fich eben -Foften ließen, wurde 


| EEE SEE 


49% Schönboruslafl. 


Seftung Mainz. Johann Erwin, Fatferlicher Kammerherr und 
Reichshofrath, kurmainziſcher Geheim⸗ und Hofrath, Oberhof⸗ 
marſchall, Oberjägermeiſter und Oberamtmann zu Steinheim, ſtarb 
den 29. Nov. 1705, kinderlos, obgleich er zwei Frauen, bed Ges 
ſchlechtes der Walbott von Baſſenheim gehabt. 

Lothar Franz Graf und Herr von Schönborn, Pucheim und 
Wolfsthal, geb. 4. Det. 1655, gelangte fehr früh zu Dompräs 
benden in Würzburg, Bamberg und Mainz, wurde in Bamberg 
zum Domfcholafter, bald darauf, 16. Nov. 1693 zum Fürſtbiſchof, 
und am 3. Sept. 1694 zum Eoadjutor des Kurfürften Anfelm 
Franz von Mainz erwählt. Anfelm Franz flarb den 30, März 
1695, und fäumte der Coadjutor nicht, von dem erledigten Erz⸗ 
ftift Befig zu nehmen. Am 30. April 1695 bielt er zu Mainz, 
unter dem Geläute aller Gloden, feinen Einzug. Den Zug ers 
öffneten Hundert Pferde mit den Bebdienten, es folgten die Leib- 
garde, dreißig Caroſſen, fämtlihe Domherren, die Trabanten, 
endlich einige Schwadronen Hufaren. Der Fürft flieg im Schön- 
borner Hof bei feinem Bruder ab, und daſelbſt wurbe er von 
dem Officiercorps der drei in der Stadt garnifonirenden Regi⸗ 
menter, Kaiferliche und Mainzer empfangen; Bürgerfchaft und 
Garnifon äußerten ihre Freude in einer breimaligen Salve. Am 
2. Mai wurde die Inthronifation vorgenommen, Den Fürften 
abzuholen Fam das Domcapitel zum Schönborner Hof; unter 
Bortragung des erzbifchöflihen Kreuzes und des Kurfchwerteg, 
yon fämtlihem Hofftant zu Fuß begleitet, begab fi) Lothar Franz 
nach dem Dom, wo er während des Hochamtes einen ſchwarz über- 
zogenen Thron einnahm. Nach dem Amt wurde er zum Hoch⸗ 
altar geführt, er ließ fich nieder in ben davor aufgeftellten präch⸗ 
tigen Seffel und. empfing ſitzend des Domcapiteld Huldigung. 
Hierauf verfügte er fih zu Fuß, in. zahlreicher Begleitung nad) 
der Martinsburg, wo nad altem Brauch die Zugbrüde aufs 
gezogen, das eiferne Gitterthor von der Mannſchaft des Rheins 
gaues befegt. Einlaß zu erhalten, mußte der Kurfürft anklopfen, 
und es fragte der Rheingauiſche Vicedom, wohin Se. Kurfürft« 
liche Gnaden wollten? In das Schloß, antwortete der Fürft, 
Das, entgegnete der Bicebom, koͤnne nicht geöffnet werben, er habe 


Aurfürft Lothar Franz son Main. Ä 195 


ne mm 001 
{ 


dann zuvor den Rheingauer Bürgern ihre Gerechtfame und Pri- 
vilegien beflätigt. Daß es daran nicht fehlen folle, wurde ver- 
ſprochen, es öffnete fich das Thor, und Lothar, zum großen Saal 
gelangt, empfing die Glückwünſche der Miniſter und anderer 
Großen, und feste ſich Ieglich nieder zum Banfet, weldes bis 
8 Uhr Abends fortgefest, den Beweis erbrachte, dag die Sitten, 
| durch Oramont befchrieben, in manden Dingen ſich unverändert 
 fortgeerbt hatten. Die Poſſe mit den Rheingauern bietet eine 


gewiſſe Aepnlichkeit mit bem, fo von ber Kaiferfrönung 1790 


der Ritter von Lang erzählt: „Am poſſirlichſten war es, als 
eine Bifchofsmäge im lieblichſten Nafentone und Iateinifch zur 
Orgel hinauf intonirte, ob fie da oben nun wirklich den Sere- 
rissimum Dominum, Dominum Leopoldum wollten in regem sunm 
 habere, worauf der bejahende Chorregent gewaltig mit bem Kopfe 
 fhüttelte, feinen Fidelbogen greulich auf und nieder ſchwenkte, 
die Ehorjungfern und Singfnaben aber im höchften Discant her 
‚ unter riefen: fiat! fiat! fiat! So wie alfo von Seiten biefer 
' Heinen Herrſchaft nichts mehr entgegenzuſtehen ſchien, ging's nun 
‚mit der Krone eilends auf das kaiſerliche Haupt, vom Empor 
aber mit Heerpaufen und Trompeten donnernd herab: Haberis 
‚pump! Haberipump! Pump! Pump!” 


Unmittelbar nad der Inthroniſation befuchte Lothar den- 


Rheingau, und der Reihe nach die übrigen Aemter, um aller Orten 
die Huldigung einzunehmen. Für eine von der Univerfität Era 
furt ausgehende Aufmerffamfeit. erzeigte er ſich ungemein bank 
"bar; die ihm angetragene Würde eines Rector magnificus hat 
er nit nur angetreten, fondern aud) durch eine Medaille das 
Ereigniß verewigen laſſen. Den Kurfürſtentag zu Ehrenbreitſtein, 
deſen Zweck die genaueſte Vereinbarung der Kurfurſten, beſuchte 
Lothar Philipp in Perſon, und legte er in die Hände des Kur⸗ 
fürſten von Trier, als des Seniors des kurfürſtlichen Collegiums, 
‚den Eid auf den Kurverein ab. Zu Anfang Novembers empfing 
er im Dom zu Mainz, unter großem Pomp, die bifchöfliche Weihe; 
‚als die Feierlichkeiten. zu Ende, begab er fih auf die Reife nach 
‚Bamberg, wo alljährlich während einiger Monate zu refibiren, 
‚fein Vorſatz. Im f. 3% 1696 bereifete er Thüringen, um von 


Rhein. Antiquarius, 3. Abth, 2. WB, 13 


1992 Schönberusiufl, 


Seftung Mainz. Sohann Erwin, kaiſerlicher Kammerherr und 
Reichshofrath, Furmainzifcher Geheims und Hofrath, Oberhof⸗ 
marſchall, Oberfägermeifter und Oberamtmann zu Steinheim, farb 
den 29. Nov. 1705, Tinderlos, obgleih er zwei Frauen, des Ges 
fchlechtes der Walbott von Baſſenheim gehabt. 

Lothar Franz Graf und Herr von Schönborn, Püchelm und 
Wolfsthal, geb. 4. Det. 1655, gelangte fehr früh zu Dompräs 
benden in Würzburg, Bamberg und Mainz, wurde in Bamberg 
zum Domfcholafter, bald darauf, 16. Nov. 1693 zum Fürftbifchof, 
und am 3. Sept. 1694 zum Coadfutor des Kurfürften Anfelm 
Franz von Mainz erwählt. Anfelm Franz farb den 30. März 
1695, und fäumte der Coadjutor nicht, von dem erledigten Erz⸗ 
ftift Befig zu nehmen, Am 30. April 1695 bielt er zu Mainz, 
unter dem Geläute aller Gloden, feinen Einzug. Den Zug er- 
öffneten hundert Pferde mit den Bedienten, es folgten die Leib⸗ 
garde, dreißig Caroſſen, fämtlihe Domberren, die Trabanten, 
endlich einige Schwadronen Hufaren. Der Fürft flieg im Schön- 
borner Hof bei feinem Bruder ab, und dafelbft wurde er von 
dem Officiercorps der drei in ber Stadt garnifonirenden Regi⸗ 
menter, Raiferliche und Mainzer empfangen; Bürgerfchaft und 
Garniſon äußerten ihre Freude in einer breimaligen Salve. Am 
2. Mai wurde die Inthronifation vorgenommen. Den Fürften 
abzuholen kam das Domcapitel zum Schönborner Hof; unter 
Bortragung bes erzbifchöflichen Kreuzes und des Kurfchwerteg, 
yon ſämtlichem Hofftaat zu Fuß begleitet, begab fi) Lothar Franz 
nach dem Dom, mo er während des Hochamtes einen ſchwarz übers 
zogenen Thron einnahm Nach dem Amt wurde er zum Hoch» 
altar geführt, er ließ ſich nieder in ben bavor aufgeftellten präch- 
tigen Seffel und. empfing fitend bes Domcapiteld Huldigung. 
Hierauf verfügte er fich zu Fuß, in zahlreicher Begleitung nad 
der Martinsburg, wo nad altem Braud die Zugbrüde aufs 
gezogen, das eiferne ©itterthor von der Mannſchaft des Rheins 
gaues befegt. Einlaß zu erhalten, mußte der Kurfuͤrſt anflopfen, 
und es fragte der Rheingauiſche Vicedom, wohin Se. Kurfürft- 
liche Gnaden wollten? In das Schloß, antiwortete ber Fürft, 
Das, entgegnete ber Vicebom, Fönne nicht geöffnet werben, er habe 


Aurfürſt Lothat Franz son Main. Ä 195 


dann zuvor den Rheingauer Bürgern ihre Gerechtfame und Prise 


vilegien beflätigt, Daß es daran nicht fehlen folle, wurde ver- 


ſprochen, es öffnete fi) das Thor, und Lothar, zum großen Saal 
gelangt, empfing die Glückwünſche der Miniſter und anderer 
Großen, und feste fich Teglich nieder zum Banfer, welches big 


8 Uhr Abends fortgefegt, den Beweis erbrachte, daß die Sitten, 


durch: Gramont befchrieben, in manden Dingen fich unverändert 


 fortgeerbt hatten. Die Poſſe mit den Rheingauern bietet eine 


gewiſſe Achnlichkeit mit dem, fo von der Kaiferfrönung 1790. 
ber Ritter von Lang erzählt: „Am poſſirlichſten war es, ald 


eine Bifhofsmüge im Tieblihften Nafentone und Tateinifch zur 


Orgel hinauf intonirte, ob fie da oben nun wirklich den Sere- 


 aissinum Dominum, Dominum Leopoldum wollten in regem suum 


kabere, worauf der bejahende Chorregent gewaltig mit bem Kopfe 


ſchüttelte, feinen Fidelbogen greulic auf und nieder ſchwenkte, 
die. Ehorfungfern und Singfnaben aber im höchſten Discant her» 
‚unter riefen: fiat! fiat! fiat! So wie alfo von Seiten biefer 
Heinen Herrſchaft nichts mehr entgegenzuſtehen ſchien, ging's nun 
mit der Krone eilends auf das Ffaiferlihe Haupt, vom Empor 
aber mit Heerpaufen und Trompeten donnerndb herab: Haberis 


pump! Haberipump! Pump! Pump!“ 
Unmittelbar nach der Inthroniſation befuchte Lothar den 


‚Rheingau, und der Reihe nach bie übrigen Aemter, um aller Orten 
‘die Huldigung einzunehmen. Für eine von der Univerfität Er⸗ 
furt ausgehende Aufmerffamfeit. erzeigte er ſich ungemein dank⸗ 


bar; die ihm angetragene Würde eines Rector magnificus hat 
er nit nur angetreten, fondern auch durch eine Mebaille das 
Ereigniß verewigen laffen. Den Kurfürftentag zu Ehrenbreitftein, 
‚deffen Zwed die genauefte Vereinbarung der Kurfürften, befuchte 
Lothar Philipp in Perfon, und Tegte er in die Hände bes Kurs 
fürſten von Trier, als des Seniors des Turfürftlihen Collegiums, 
‚ben Eid auf den Kurverein ab. Zu Anfang Novembers empfing 
er im Dom zu Mainz, unter großem Pomp, die bifchöfliche Weihe; 
als die Feierlichkeiten zu Ende, begab er ſich auf bie Reife nach 
Bamberg , wo alljährlich während einiger Monate zu refidiren, 
fein Vorſatz. Im f. 3; 1696 bereifete er Thüringen, um von 


Rhein. Antiquarius, 3. Abth. 3. Bd. 13 


194 Schönberuslaf. 


ben ersfliftifchen Unterthanen die Hulbigung einzunehmen. m: 
Sul. befand er fih zu Erfurt, deffen Bevölkerung große Freude 
ob feiner Anmefenheit äußerte, auch ihre Danfbarfeit für den 
hoben Befuh in einer Denkmünze befundete. Dem Kurfürfen 
war eine lebhafte Neigung für Medaillen, bie feine Thaten ver⸗ 
ewigen Tonnten, für Kirchen und Hoffeierlichkeiten angeboren, 
ohne bag er folhen Formen die Pflichten gegen feine Unter 
thanen oder gegen das Reich hintangeſetzt hätte. Großentheils 
durch feine Bemühungen Fam die Affociation bes ober» und nieder 
theinifchen, des fräntifhen, ſchwäbiſchen, bayeriichen und weſt⸗ 
phäfifchen Kreifes, 23, Januar 1697, zu Stande, und verpflide 
tete fi die Affociation, in Kriegszeiten 60,000, im Frieden⸗ 
40,000 Mann in Bereitichaft zu halten. - Unverfennbar-ift der. 
Einflug diefer Verbindung anf den in der Nacht vom 30.—31. 
Det. 1697. erfolgten Friedensſchluß zwifhen Kaifer und Neid, 
eines, und dem König von Frankreich andern Theile. Der Krieg 
häufig bis zu den Wällen von Mainz ſich ausdehnend, war demj 
Kurfürftenthum ungemein verberblich geworden. Seiner Refidenz« 
ſtadt zu beſſerm Schug, ließ Lothar Franz vor dem Neuthor, img 
3. 1699 durch ihn erbauet, mehre Baftionen anlegen. Den voy 
dem Neuthor belegenen Garten des verftorbenen Dompropfleug 
Grafen von Stadion, bie Favorita, nachdem er ihn für das Erzg 
Rift erworben, hat er durch neue Anlagen und Gebäude verfhäg 
nert. Der Stadt Erfurt Feftungswerfe ließ er im 3. 1700 beag 
deutend erweitern und verſtärken. ü 
In der für den Frieden des Reiche: fo wichtigen Angelegen« 
heit ber neunten Kur verfuhr der Kurfürft, an welchen der Kal 
ſer unterm 14. Sept. 1699 derenthalben ein beſonderes Schreiben, 
erlaffen hatte, genau nad) den Anfichten bes Faiferlichen Hofes 
und wurden durch feine Bemühungen bie Kurfürkten von Tri 
Eöln und Pfalz, als diejenigen, welde bisher bie neue Kin 
nicht anerfennen wollen, vermocht, ihren Widerſpruch fallen 3 
laſſen, worauf dann zum Vortheil des Kurfürften von Braun 
ſchweig⸗-Hannover in dem kurfürſtlichen Collegium der Schu 
vom 18. Nov. 1699 erfolgte, Auch in den Unterhandlungeng 
welche dem neuen Reichöfriege vorbergingen, bewährte Lothar 







Aurfürſt Sotha: Kranz von AMaeinz. 205 


gnädigft verordnet, als auch fonften in verfchiebenen gnädigſte 
Rettung angebeihen laſſen, vor mich bei andern gnädigft inter⸗ 
eedirt, dadurch von ſchweren Progeffen, darauf gewiß erfolgten 
Erecutionen und- dergleichen liberiret, und mich in allem bei 
meinem miferabeln Zuftande gnädigft confideriret ; alfo fege auch 
iu untertbänigfter Dankbarkeit obhoͤchſtgedacht Ihro Churfürfts 
liche Gnaben in privato zu meinem völligen und rechtmäßigen 
Erben aller meiner eigenthümlichen beweglich« und unbeweglichen, 
liegenden und fahrenden Hab und Güter, ohne Unterſchied ber 
Ankunft, fie mögen Namen haben, wie aud gelegen und zu 
finden feyn, wo fie wollen, nicht das geringfte Davon ausges 
fhloffen, Hiermit und in der allerbeſten und beftändigften Form 
Rechtens ein, dergeftalten und alfo, daß Ihro Churf. Gnaben 
zugleich Ders gefamten Herren Bettern, bie Hochgebornen Gras 
fen von Schönborn hiermit fubflituirt ſeyn follen.” Der werths 
vollſte Theil der Erbſchaft, die Herrihaft Pommersfefden in dem 
Ritterort Steigerwald, war theild Bambergifches , theils Bai⸗ 
reuthiſches Lehen, und mußte für bie Veränderung in der Perfon 
des Lehenträgers der lehensherrliche Eonfens gefucht werden. 
Am 1. Det. 1711 legte Lothar Kranz zu Pommersfelden 
den Grunbflein zu dem neuen Schloffe Weipenftein, defien Baus 
meifter der franzöfifche Zefuit Loifon geworben if. Das präch⸗ 
tige Gebäude zeugt bie auf diefen Tag von dem Kunſtſinn und 
ber Prachtliebe des Bauherren. Am 5. Nov. 1710 hatte ber 
Kurfürft fih in Bezug auf bag Erzflift einen Coadjutor gefucht, 
in der Perfon des Pfalzgrafen Franz Ludwig von Neuburg. 
Das Katharinenkloſter zu Fritzlar, nachdem es feit Tängerer 
Zeit verlaffen geftanden und fogar zu weltlichen Zweden vers 
wendet worden, gab er an bie aus Meg berufenen Urfuliners 
nonnen, hiermit eine ber wohlthätigften Anftalten begründend. 
Am 22. Der. 1711 empfing Kaiſer Karl Vi. aus feinen Häns 
den die Kaiferkrone. „Sein fülbernes Haupthaar verlieh ihm das 
ebrwürdige Auſehen eines alten Patriarchen, feine Gebärben 
wären voll Anftand, bie Stimme fanft vernehmbar, auch Laut, 
fe nachdem die Umfände es erforderten, jebod Immer volltönend, 
daß jiedes Wort von ben Zuhörern verfkanden werben Fonnte, 


196 Schönbprneiufl, 


Bielfältig und fehmerzlich durch bie kriegeriſchen Ercigniſt 
berührt, erlebte Lothar auch noch einen Federkrieg im Reichen 
kammergericht, wo bie Erbitterung der Parteien ihn nöthigte, 
bie Kanzlei und Leferet fchließen zu laſſen, 1704. Kine vol 
fländige Stodung in der Rechtspflege war davon die Folge, und 
fonnte erfi am 28. Sanuar 1711 die Wiedereröffnung des Ge 
richts bewirkt werben, Als einen Erſatz für die damit ihm ev 
wachfenen Sorgen mochte der Kurfürft Die Belehrung der Prin 
zeflin Eliſabeth Chriſtina von Braunſchweig betrachten. In feine 
Hände legte fie, des Königs Kart IIL von Spanien Braut, zy 
Bamberg im Dom, den 1. Mai 1707, das Glaubenshefenntnig 
ab, vermöge beffen fie in den Schoos ‚der katholiſchen Kirche 
aufgenommen wurde: Am 6. Zuni 1707 erließ Lothar eine fur 
ten Weinhandel im Rheingau ungemein wichtige Verordnung, 
folgenden Inhalts: „Demnad Uns mißfällig zu vernehmen vor⸗ 
kommen, daß eine Zeithero in Unferm Erzftift zwifchen Chriſten 
und Juden verſchiedentlich nachtheilige und hinterlifiige Contratt 
ten. oder Handlungen vorgangen, vermöge deren geringe im Lau 
herum erwachfene Weine, auf dem fügenannten Rüdesheimey 
Markt gegen andere Waaren und Effecten vertaufht worbemg 
in dem Erfolge aber bie chriftlihe und befonders die einfältige 
Gontrahenten erftens wahrzunehmen und zu erfahren gehabt, daf 
fie. wegen des ihnen ohnbefannten hohen Marfts zu Ruͤdeshein 
und differenten Preiſes des in geringeren Pflegen erwachſenen 
Weins nicht nur ihrer Waaren und Effecten gänzlich verluſtig 
würden, ſondern noch dazu an Geld ein mehreres, als der ex 
tauſchie Wein an ſich ſelbſten werth, ihrem. Gegentheil hinauq 
zugeben hätten, mithin dieſelben ſothaner enormen Läſion halbe 
in koſtbare und beſchwerliche Prozeß ſich verwidelt und. einge 
flochten ſehen müſſen; Wir aber ſothanen wuderlih und ohm 
zuläſigen Handlungen nachdrücklich zu ſteuern eine Rothdurft gg 
ſeyn erachtet haben; als iſt Unſer gnädigſter und ernſtlicher Be 
felch hiermit, daß wann führohin ſolche und dergleichen Com 
traeten bei Unfern Ober» und Untergerichten auch Aemtern ul 
Kellereyen vorkommen. würden, darauf im geringften nicht refleg 
tirt, fondern felbige für allerdings kraftlos und unverbindläd 


Die Gabelungen. 0 4107 


‚gehalten werden ſollen: allermafen Wir biefelbe für null und 
nichtig und von ganz Feiner Berbinblichfeit zu feyn, Kraft biefes 
derlariren, wornach ihr euch in judieando zu richten.” 
Der in der Verordnung befprodene Weinmarkt zu Rüdesheim 
iR fonder Zweifel das Meberbleibfel einer Jahrhunderte lang dem 
Weinhandel an Rhein und Mofel beberrfchenden Sitte, der Gabes 
ling, deren Urfprung man nicht ohne Grund den vielen reichbegüter- 
ten Eollegiatftiften an ben Ufern befagter Ströme zufchreiben will. 
' Die Stifte fanden darin dag Mittel, die guten wie bie ſchlechten 
Weine ihren Mitgliedern auszutheilen, ohne daß diefe eine Klage 
am die Qualität der Weine erheben konnten. Schon im 12. Jahr 
| handert gedenft das Präfenzlagerbuc des St. Victorfliftes in Mainz 
"folder Gabelungen, fie waren auch bei dem Dom und in St. Peters 
"Stift üblich, und gabelte man bald im Rheingau, bald zu Mainz, 
wie die Weine angelommen, oder aber nach dem Abſtich, und 
‚jwar dergeftalten, daß zu Zeiten einzig rheingauifche Weine der 
Operation unterworfen, zu Zeiten auch Gewächs anderer Ge⸗ 
genden herangezogen wurde, Bon einer Gabelung zu Lorch zeugt 
des Dompropften zu Mainz, des Andreas von Brauned Ber- 
maͤchtniß vom 30, Nov. 1380. Von den Gabelungen zu Deft- 
flagt das Capitularprotokoll von St. Victor, 1. Nov. 1544: 
„Nachdem bis anher ein alter, doch unnüger und böfer Gebrauch 
eſen, daß meine Herrn allmegen nad) dem Herbſt, welcher 
gewollt, mit gen Deftrich uf die Kabelung gefaren, dieweil aber 
dieſe Zeit etwas geſchwinde, und ohne das großer Unkoſten uff⸗ 
gangen, iſt dieſe obgedachte Kabelung von wegen großen Koſtens 
"in vermeiden, uff diesmal abgeſchafft worden.” Biel Tängern 
Beſtand haben die nach dem Muſter der Stifte fuͤr die Gemein⸗ 
Fyen eingeführten Gabelungen gehabt. Der fteigende Luxus, ins 
"dem er ben beffern Gewächfen höhere Preife beilegte, verurtheilte 
die geringen Weine zu verhältnigmäßigem Unwerth. Ein Mittel 
zegen dieſen, vorzugsweiſe den ärmern Producenten treffenden 
Uebelſtand ſollte die Gabelung geben, in Folge deren der Kauf⸗ 
mann aus jedem Orte fo viele Weine von ber geringen, denn 
von dee beffern Qualität beziehen mußte. Nach der Traubens 
leſe, wenn bie vergohrnen Weine fich eben koſten Tießen, wurde 


196 S”choönborneluſt. 


Vielfaͤltig und ſchmerzlich durch bie kriegeriſchen Ereiguiſſt 
berührt, erlebte Lothar auch noch einen Federkrieg im Reiches: 
fammergericht, wo bie Erbitterung der Parteien ihn nöthigte, 
bie Kanzlei und Leferei fchließen zu laffen, 1704. Kine voll 
fländige Stodung in der Rechtspflege war davon die Folge, und 
fonnte erſt am 28. Januar 1711 die Wiedereröffnung des Ges 
richts bewirkt werben. Als einen Erfag für die damit ihm erw 
wachfenen Sorgen machte der Kurfürft Die Bekehrung der Prim 
zeffin Eliſabeth Chriſtina von Braunſchweig betrachten. In feine: 
Hände Yegte fie, des Königs Karl IIL von. Spanien Braut, zu: 
Bamberg im Dom, den 1. Mai 1707, das Glaubensbekenntniß 
ab, vermöge beffen fie in den Schoos der katholiſchen Kirche 
aufgenommen wurde, Am 6. Zuni 1707 erließ Lothar eine für, 
den Weinhandel im Rheingau ungemein wichtige Verordnung, 
folgenden Inhalts: „Demnad) Uns mißfällig zu vernehmen vore; 
fommen, daß -eine Zeithero in Unferm Erzftift zwifchen Chriſten 
und Juden verſchiedentlich nachtheilige und hinterliſtige Contrae 
ten. oder Handlungen vorgangen, vermöge deren geringe im Laı 
herum erwachfene Weine, auf dem fügenannten Rüdesheimgg 
Markt gegen andere Waaren und Effecten vertaufcht worden 
in dem Erfolge aber die chriſtliche und beſonders die einfältigg 
Sontrahenten erftens wahrzunehmen und zu erfahren gehabt, de 
ſie wegen des ihnen ohnbekannten hohen Markts zu Rüdes 
und differenten Preiſes des in geringeren Pflegen —28* 
Weins nicht nur ihrer Waaren und Effecten gänzlich verluſtigh 
würden, ſondern noch dazu an Geld ein mehreres, als der ea 
taufchie Wein an ſich felbften werth, ihrem. Gegentheil binangg 
zugeben hätten, mithin biefelben ſothaner enormen Laͤſion ha 
in koſtbare und befchwerliche Prozeß füh verwidelt und. Fa 
flochten ſehen müſſen; Wir aber fothanen wucherlich und ohth 
zuläſigen Handlungen nachdrücklich zu ſteuern eine Nothdurft gg 
ſeyn erachtet haben; als iſt Unſer gnädigſter und ernſtlicher Bd 
felh hiermit, dag wann führohin folhe und dergleichen Cam 
tracten bei Unſern Ober- und Untergerichten auch Aemtern 
Kellereyen vorkommen. würden, darauf im geringften nicht: veßegg 
tirt, fondern felbige für allerdings kraftlos und unverbindiä 





Die Gabelungen. W 107 


gehalten werben ſollen: allermaſen Wir dieſelbe für null und 
nichtig und von ganz keiner Verbindlichkeit zu ſeyn, Kraft dieſes 
declariren, wornach ihr euch in judieando zu richten.“ 
Der in der Verordnung befprochene Weinmarft zu Rüdesheim 
iR fonder Zweifel das Ueberbleibſel einer Jahrhunderte lang dem 
Reinhandel an Rhein und Mofel beherrſchenden Sitte, der Gabe⸗ 
hing, deren Urfprung man nicht ohne Grund den vielen reichbegüter⸗ 
ten Collegiatſtiften an den Ufern befagter Ströme zufchreiben will. 
Die Stifte fanden darin das Mittel, Die guten wie die ſchlechten 
Beine ihren Mitgliedern auszutheilen, ohne daß dieſe eine Klage 
am die Qualität der Weine erheben fonnten. Schon im 12. Jahr 
hundert gedenkt das Präfenzlagerbuch des St. Bictorfiftes in Mainz 
ſolcher Gabelungen, fie waren auch bei dem Dom und in St. Peters 
Stift üblich, und gabelte man bald im Rheingau, bald zu Mainz, 
‚wie die Weine angefommen, oder aber nach dem Abftih, und 
— dergeſtalten, daß zu Zeiten einzig rheingauiſche Weine der 
Operation unterworfen, zu Zeiten auch Gewächs anderer Ge— 
genden herangezogen wurde, Bon einer Gabelung zu Lorch zeugt 
his Dompropften zu Mainz, des Andreas von Brauned Ber- 
maͤchtniß vom 30. Nov. 1380. Bon den Oabelungen zu Deft- 
heit klagt das Capitularprotofol von St. Victor, 1. Nov. 1544: 
FRahbem bis anher ein alter, doch unnüter und böfer Gebraud 
eweſen, daß meine Herrn allwegen nach dem Herbſt, welcher 
gewollt, mit gen Oeſtrich uf die Kabelung gefaren, dieweil aber 
dieſe Zeit etwas geſchwinde, und ohne das großer Unkoſten uff⸗ 
gangen, iſt dieſe obgedachte Kabelung von wegen großen Koſtens 
his vermeiden, uff diesmal abgeſchafft worden.” Biel längern 
Veſtand haben bie nach dem Mufter der Stifte für die Gemein- 
den eingeführten Gabelungen gehabt. Der ſteigende Luxus, in⸗ 

em er den beſſern Gewächſen höhere Preiſe beilegte, verurtheilte 
die geringen Weine zu verhältnigmäßigem Unwerth. Ein Mittel 
Hgegen dieſen, vorzugsweife- den ärmern Producenten treffenden 
NUebelſtand ſollte die Gabelung geben, in Folge deren der Kauf⸗ 
mann aus jedem Orte fo viele Weine von der geringen, denn 
von der beſſern Qualität beziehen mußte. Nach der Trauben 
leſe, wenn bie vergohrnen Weine ſich eben often ließen, wurde 


188 Schönbsrusiafl. 


der ganze Ertrag eined Ortes aufgenommen, Faß um Faß nadp 
feiner Güte numerirt, unb ber ganze Herbft in Lonfe, je von 
2 Faß, getheilt, fo daß immer ein Stüd von der beften Quali⸗ 
tät mit einem in gleichem Verhältniß ſchlechten Städ zufammen- 
gefügt. Wenn 3. B. irgendwo A400 Stüd zu gabeln,: fo machter 
Nr. 1. und Nr. 400, Nr. 2 und 399, Nr. 3 und 398 u. ſ. w. 
je ein Loos aus, und trafen in der Mitte Nr. 200 und 201. 
zufammen, Niemand war mit feinem Gewächs von der Gabe 
fung ausgenommen, nur einige ber geringfien Weine, im Rheins 
gau die Kreyer genannt, blieben, weil fie nicht für Kaufmannsgut 
zu halten, ausgefchloffen,, und wurden nicht in das Verzeichniß 
aufgenommen. Diefer Kreyer waren aber aller Orten nur we⸗ 
nige, und mußten mit ihnen des Ories Trinfer ſich begnügen. 
Die Mufterung felbft warb von beflellten Weinflehern, mit 
Zuziehung der Kaufleute, die fi eingefunden haben mochten, 
vorgenommen, demnaͤchſt um den Preis gehandelt, und es folgte, 
fobald diefer durch das Meiftgebot beftimmt, die. Verlofung, wenn 
„ anders bie Käufer nicht vorzogen, die ganze Summe der Gabes 
- ung zu übernehmen. Diefe üffentlihe Art der Veräußerung 
war nicht nur allgemein im Rheingau, fondern auch in vielen 
andern Ortfchaften des Rhein» und Mofelthals eingeführt, und 
befand theilweife bis in das 18. Jahrhundert, wenn fie auch der 
Gegenftand einer fortwährend im Wachfen begriffenen Oppofition 
geworben. Die Ortsvorſteher, Schultheiß, Rath oder Gericht, 
betrachteten das Weinmarktsrecht, die Befugniß, für ihre und 
ihrer Mitbürger Weine den Preis zu beftiimmen, als die wefent- 
Lichfte ihrer Prärogativen. Andere Gutsbeſitzer aber, beſonders 
Ausmärfer oder Forenſen, bie nit im Orte wohnhaft, erblickten 
in den Weinmärkten eine Ungerechtigkeit, durch welche fie genöthigt, 
ihre beften Weine gleih nach dem Herbfl, um einen Preis, zu deſ⸗ 
fen Beftimmung fie nicht concurrirten, wegzugeben. Sie Hagten, 
1) daß fie ihre Weine weber zum eigenen Gebrauch, noch zum 
Lagern und vorteilhaften Berfauf verwenden könnten, 2) daß 
im Widerfpruh zu den eigentlichen Beweggründen der Einrich⸗ 
tung bie guten Weine ausgezogen würden, die geringfien ihnen 
blieben, 3) daß fie mit bem gemachten Preife zufrieden fein müß⸗ 


Pie Gabelungen. 189 


ten, und 4) daß der beſte Wein nicht beffer , als der geringere 
bezahlt werde. Wer follte ih wohl bemühen, einen beffern und 
J feinern Wein zu produciren, wenn ex nicht befler, als des Nach⸗ 
bars geringes Gewaͤchs bezahlt würde? Die Sucht, viele, wenn 
auch ſchlechte Brühe zu gewinnen, wurde durch die Weinmärfte 
befoördert, indem es feinem Eigentbümer einfallen fonnte, beffere 
Heben einzuführen, oder durch flärfere Düngung und forgfältigern 
Bau der Natur zu Hülfe zu kommen. Dane Eigenthümer 
ſuchten fih durch landesherrliche Privilegien der Laſt der Gabe» 
lung zu entziehen, und find, wie herkömmlich, Adel und Stifte 
bie erfien geweien, eine exceptionelle Stellung zu ſuchen. Das 
durch wurden bie Gabelungen für bie Käufer fehr mangelhaft, 
indem bie beften Weine meift bei Probucenten, bie nicht mehr 
in die Gabelung ſich einfießen, zu ſuchen. 

| Die vielen Gebrechen der Anftalt erfennend, Tieß Kurfürſt 
Anſelm Franz von Mainz durch Regierungsbefehl von 1682 die 
 Beinmärfte geradezu aufheben. Der freie Handel war aber 
nicht von Defland, und die Weinmärkte blieben fortwährend im 
Bange, beun die Ortsbehörden, die Dabei ein wichtiges und eins 
| tägliches Recht ausübten, und ebenfo Die meiften Gemeinbeleute, 
bie gewöhnlich mit dem Verkauf nicht lange zurüdhalten konn⸗ 
ten, auch burchgehends nur Mittelgut herbfteten, glaubten ihren 
Vohlſtand, ihr Glück von diefen Weinmärften abhängig, und 
wvollten fie fchlechterdings nicht eingehen laſſen. Sie führten 
deshalb einige Jahre nach dem Verbot die Weinmärfte wieder 
ein, anfänglich durch freiwillige Uebereinfunft, Die Doch unvermerft 
in Zwang überging. Hiermit feineswegs befriedigt, mußten bie 
Anhänger bes alten Syſtems auch höhern Ortes ihre Anfichten gel⸗ 
tend gu machen, und referibirt die Eurfürftliche Regierung zu Mainz 
an das Vicedomamt im Rheingau, 23. Sept. 1699: „Die bishero 
in Abgang gerathene Weinmärkte belangend, ba hättet ihr nicht 
weniger ſammt und fonders nach aller Möglichkeit dahin zu als 
laboriren, damit diefe fat abgefommene Weinmärkte dem alten 
Herkommen gemäß wieder eingeführt, bie bisherige Unterhände 
lerey fo viel möglich abgeftellt, die gemeine Weinmärkte, befon- 
ders in benen Hauptmarktflecken, und zwar anderft nicht als in 


200 Schönbornoluſt. 


Verſammlung des ganzen Gerichts und Raths, auch einiger Aus⸗ 
ſchüſſen aus der Gemeinde geſchloſſen, ſolcher Schluß auch ehen⸗ 
der nicht vor verbindlich gehalten werden ſolle, er ſeye dann 
vorher von dem Vicedomamt der Gebühr ratificirt und appro⸗ 
birt worden.“ Nachdem ſolchergeſtalten, „aus beſonderer Lan⸗ 
desväterlicher Kurfürſtl. gnädigſter hoher Vorſorge ſolch üblich 
Gablungsrecht zu reſtabiliren, dem Vicedomamt gemeſſener Be⸗ 
felch zugekommen,“ hat daſſelbe am 27. Oct. 1699 eine Rhein⸗ 
gauer Weinmarkts⸗Ordnung erlaſſen, welche zwar ſo vielfältigen 
Einwendungen begegnete, daß der Kurfürft unmittelbar einzu⸗ 
ſchreiten genoͤthigt, mittels ber Kurfürſtlich Mainziſchen 
Verordnung, wie es künftig bey Kauf und Verkauf 
der neuen Weine, bey Schließung der Weinmärfte, 
Zeihnung und Gabelung, Borlaß x. im Rheingau 
gehalten werden folle, 8. Oct. 1700, 0 
Wiewohl nun durch biefe legte Anordnung ben Unterthas 
nen. einige Erleichterung verfchafft worden, fanden dennoch die 
Ausmärfer und: auch andere Gutsbeſitzer den Zwang dergeftalt 
brüdend, daß fie deſſen theils durch kurfürſtliche Freiheitsbriefe, 
theils durch Regiminalbefehle ſich zu entlebigen fuchten, und wur⸗ 
den dergleichen mit freigebiger Hand ertheilt. Den Augmärfern 
su Rauenthal und Hattenheim fhien es zumal abgeſchmackt, 
daß ihnen ihre beften Weine Durch die Kaufleute nad) dem Markt⸗ 
preis ausgezogen und bloß bie fchlechten zurüdgelaffen wurden. 
Zu NRauenthal follten aus den vorhandenen 137 Stüd 74 an 
11 Raufherren, 5 von Münfter, A von Frankfurt, an Johann 
Birkenftod von Erbach und Peter Kirn von Nieder-Walluf, das 
Stück zu 90 Rthlr. abgegeben werben. Die Ausmärfer, auf 
ben Negierungsbefehl vom 9. Nov. 1704 ſich berufend, verlang- 
ten, daß die ihnen zufländigen 37 Stüd unberührt bleiben, von 
den übrigen 100 Stüd nur 50 Berausgezogen werben follten. 
Dagegen operirte.der eben genannte Birkenſtock, und die Statt 
bafterfchaft verfügte am 19. Nov. 1714, daß auf die Weinmarkts⸗ 
ordnung de anno 1700 ſteif und feft zu halten, worauf dann 
bie allgemeine Gabelung und der Auszug ber 74 Stück erfolgten. 
Die Gemeinde Rauenthal feierte ihren Triumph durch Aufrich— 


Pie Gabelungen. 201 


tung eines, leider im 3. 1788. zuſammengeſtürzten Kraus, | in - 
deſen Fußgeſtell beigehende Jnſchrift zu leſen: 
Im 1714 Jahr 
Als zwytracht wegen des Weinmarks war, 
Schicket Gott Hilf von Münsterland : 
Durch weisen Rath von. grosser Hand 
Dem gantzen Rheingauw zuwegen 
Durch Gottes Kraft bracht Heil und Segen 
Herr Birckenstock zuwegen bracht 
Das dem zu Ehren dis Creutz gemacht 
Der uns den lieben Frieden bracht. Amen, 
EffIgles IsthaeC: auno. Pno post 
paCeM DeI honorI ponebatVr. 

Indeſſen follte die Freude über den Weinmarft son (714 
nur vorübergehend ausfallen, denn es ift biefer der Teste zu 
Rauenthal abgehaltene und von Kaufleuten aus enifergtern 
Gegenden befuchte Markt geweſen. Zwar wurde noch einiges 
mal Achnliches zu Rauenthal, Hochheim, Bodenheim u. f. m. 
mit- einheimifchen und benachbarten Kaufleuten zu Stande ges 
bracht, allein es gerieth die Anftalt von Jahr zu Zahr- in grös 
fere Beratung, nicht allein: durch die Bemühungen der Aug 
maͤrker, ſondern auch durch die Schuld der bemittelten Gemeinde⸗ 
leute, deren Weinberge eine beſſere Lage hatten, oder mit mehr 
Fleiß und Koſtenaufwand gebauet wurden. Endlich bezeigten die 
Kaufleute ſelbſt wenig Luft mehr zu den Weinmärkten, weil fie 
ihre Weine in der gewünfcten Duantität und Qualität lieber 
einzeln anfaufen , ale unter dem Zwange ber Gabelung be⸗ 
ziehen wollten. 

Die bedeutendſten Weinmaͤrkte der ungebung⸗ von Mainz 
wurden zu Hochheim und Bodenheim, im Rheingau zu Rüdes⸗ 
heim, Rauenthal und Hattenheim gehalten, als welcher fünf 
Drte Gewächs befonders werth gehalten. Biele andere Drte, 
Caſtel, Koftheim, Flörsheim, Laubenheim, Weißenau, Eltvill, 
Neudorf, Erbach, Geiſenheim u. a. hatten ebenfalls zü Zeiten 
ihre Weinmärkte , richteten ſich aber, wenn dergleichen nicht zu 
Stande kamen, nach den Preiſen der Hauptmärkte. Das Ende 


200 Aqaboruelaſi. 


der Weinmärkte iſt nicht gleichzeitig eingetreten. Zu Eltvill 
wurde ber letzte 1678 abgehalten, zu Oeſtrich 1726 die letzte 
Gabelung vorgenommen, in dem Jahr alfo, Daß auch zu Hochs 
heim und Rauenthal die Testen Weinmärkte flattfanden. Mit 
dem Abfterben der Weinmärkte hörte jedoch nicht aller Zwang 
für den Weinhandel auf, denn. e8 waren bie Ortöfchultheißen und 
Gerichte durch die Berorbnung vom 8. Det. 1700 ermächtigt wor⸗ 
ben, in Ermanglung des Weinmarfts einen: Preis fefzuftellen, 
unter weldhem zu verfaufen unterfagt fein follte. Dieje Taxe 
wurde feit 1700 beinahe in allen Orten, bie feinen Weinmarkt 
hatten, feſtgeſetzt, und währte das bis zum %..1753, da durch 
furmainzifchen Regierungsbefehl die Weinmärfte und Weintaxen 
völlig aufgehoben wurden. In bem einzigen Hochheim, das vor⸗ 
bem wegen feines Weinmarkts ungleich berühmter, als es. fpäter 
durch feine VBiehmärkte geworden, erhielt fich beinahe bis zu Ende 
bes 18. Jahrhunderts der Gebraud, bei Gelegenheit des Vieh⸗ 
marktes den Taufenden Weinpreis zu beflimmen und befannt zu 
machen, An der Mofel hatte Wehlen den Hauptweinmarlt, bort 
wurde er, mit allen feinen Folgen, am längften feflgehalten. 
Am 26. März 1710 teftirte „Friedrich Exnſt Truchſeß von 
und zu Pommersfelden, auf Oberföft, Hirfchbrunn, Weyer, 
Dberndorf ıc., des kaiſerlichen Domiftiftes Bamberg Erbtruchfeß 
und churfuͤrſtl. mainzifher Cammerherr,“ und heißt es in ber 
Urkunde: „Weiten ich Feine Notterben habe, meine Schweflern 
auch mir wenig Gutes nebft den ihrigen geihan, vielmehr durch 
allerhand Zudringlichkeiten mir das Leben fauer gemacht, hier⸗ 
nächſt meine Ehefrau Sabina Elifabetha, geborne von Wapdorf 
zu Lichtenthan ıc. mir meiftens Feindfeligfeiten vor Lieb bewies 
fen, und endlih gar von. mir gewidhen . . . babe bieß Teſta⸗ 
ment binterlaffen wollen . . . Anderns. Dieweilen die Erbein⸗ 
fegung das Hauptflüd eines jeden Teftamentes if, und dann 
ich mit höchſtem Ruhm zu erheben habe, daß der Hochmürbigfie 
Fürft und Herr, Lotharius Franziscus, des heil. Stuhls zu Mainz 
Erzbifchof ze, ꝛc., mein gnädigſter Herr, meinem Bater feligen . 
und mir ſelbſt jedesmal mit befondern Chur⸗ und Hochfürſtlichen 
Gnaden beigethan geweſen, mich ſowohl zu beren Cammerherrn 


Aurfürſt Sother Kranz von Meainz. 205 


gnädigft verordnet, als auch fonflen in verfchiebenen gnädigfe 
Rettung angebeihen laffen, vor mic, bei andern gnädigft inters 
cedirt, dadurch von ſchweren Prozeflen, darauf gewiß erfolgten 
Executionen und- bergleichen liberiret, und mich in allem bei 
meinem miferabeln Zuſtande gnäbdigft confideriret ; alfo fege au 
zu unteribänigfier Dankbarkeit obhoͤchſtgedacht Ihro Churfürfts 
liche Gnaden in privato zu meinem völligen und rechtmaͤßigen 
Erben aller meiner eigenthümlichen beweglich« und unbeweglichen, 
liegenden und fahrenden Hab und Güter, ohne Unterfchied der 
Anfunft, fie mögen Namen haben, wie auch gelegen und zu 
finden ſeyn, wo fie wollen, nicht das geringfte davon ausge⸗ 
föloffen, hiermit und in ber allerbeflen und beftändigften Form 
Rechtens ein, bergeflalten und alfo, bag Ihro Churf. Gnaden 
zugleih Dero gefamten Herren Beitern, bie Hocgebornen Gras 
fen von Schönborn hiermit fubflituirt ſeyn follen.” Der werth⸗ 
vollſte Theil der Erbſchaft, die Herrichaft Pommersfefden in dem 
Ritterort Steigerwald, war theils Bambergifches , theild Bais 
venthifches Lehen, und mußte für bie Veränderung in der Perfon 
des Lehenträgers ber Iehensherrliche Conſens gefucht werden. 
Am 1. Ort, 1711 legte Lothar Franz zu Pommersfelden 
den Grunbflein zu dem neuen Schloffe Weißenflein, deffen Baus 
meiſter der franzöfifche Jeſuit Loifon geworben if. Das praͤch⸗ 
tige Gebäude zeugt bis auf diefen Tag von dem Kunſtſinn und 
ber Grachtliebe des Bauherren. Am 5. Nov. 1710 hatte ber 
Kurfürſt fi in Bezug auf das Erzſtift einen Coabjutor gefucht, 
in der Perfon des Pfalzgrafen Franz Ludwig von Neuburg. 
Das Katharinenkflofter zu Fritzlar, nachdem es feit längerer 
Zeit verlaffen geſtanden und fogar zu weltlichen Zweden vers 
wendet worden, gab er an bie aus Meg berufenen Urfuliners 
nonnen,, hiermit eine ber wohlthätigften Anftalten begründend, 
Am 22. Der. 1711 empfing Kaiſer Karl Vi. aus feinen Häns 
ben die Kaiſerkrone. „Sein fülbernes Haupthaar verlieh ihm das . 
ebrwärbige Anfehen eines alten Patriarchen, feine Gebärben 
waren voll Anftand, bie Stimme fanft vernehmbar, auch laut, 
fe nachdem die Umſtände ed erforberten, jedoch immer volltönend, 
daB jedes Wort von den Zuhörern verſtanden werden konnte. 


204 | „ SHönbsrnslafl. 


‚Die oorgefchriebenen Geremonien verrichtete er mit wolcher Fer⸗ 
tigkeit, daß man glauben ſollte, ſie gingen von ihm aus. Die 
heiligen Worte, die Gebetsformeln las er nicht von dem Buche 
ab, ſondern er ſprach ſie aus dem Gedächtniß, mit ſo viel Sal⸗ 
bung und Würde, dag Alle, auch jene, die eines andern Glau⸗ 
bens, von heiliger Ehrfurcht ergriffen wurden.“ Am 13. Der, 
1712 feierte Lothar zu Würzburg in der Domlirche fein Jubi⸗ 
läum als Capitular, unter dem freubigen Zuruf- der Menge. 
Nach der Sitte der Zeit trug er auf dem Haupt einen. vergol 
beten Kranz von Rosmarin. Zum Andenfen des Tages wurde 
eine Medaille ausgegeben ; dergleichen bat Lothar auch auf das 
Ableben Kaifer Jofephs I, auf Die Krönung Karls VI., auf 
die durch ihn feinem Neffen, dem Fürſtbiſchof zu Würzburg, 
Johann Philipp Franz am 20, Nov, 1720 extheifte biſchöſliche 
Conſecration prägen laſſen. 

Der Univerſität in Mainz aufzuhelfen, erwirkte Lothar von 
Papſt Clemens XI. die Bulle vom A, Sept, 1713, wodurch bie 
bereits von Kurfürft Dieter von Iſenburg ber Univerfität vers 
Tiehenen 14 Canonicate ihr endlich einverleibt wurden. Er bes 
mühte ſich ferner, eine beffere Lehrmethode einzuführen, beftellte 
"einen Lehrer der Gefhichte, und bereicherte die Bibliothek mit 
vielen werthvollen Büchern. Den Abt Beffel von Göttweid, 
der früher fein italienifcher Serretair, dann geiftlicher Rath und 
Official gewefen, confecrirte er in eigener Perfon. Durch Ber 
ordnung vom 16. Der. 1721 führte er feinem Sprengel bie 
Abth. III. Bd, 2. S. 108 befprocdhene Andacht der ewigen Ans 
betung bes heil; Altarsfacramentes ein. Zum Gedächtniß biefer 
Stiftung wurde eine Medaille ausgegeben. Am 15. Nov. 172% 
hatte der Kurfürft den Grundftein zu dem noch in Mainz be 
fiehenden Rochushospital legen laffen, im 3. 1716 eine Domas 
Emeritorum für alte und gebrechliche Priefter hergeftellt. Webers 
haupt wurde durch ihn bie Stadt Mainz manichfach verfchör 
nert. Die yon feinem Oheim ‚herrührende Anlage der großen, 
mittlern und hintern DBleihe bat er vollendet. Im J. 1724 
begann, 1728 beendigte er den Bau bes neuen Brunnens, für 
deffen Speifung er eine bei Bregenheim entfpringende Quelle 


Aurfürfi Lothar Franz son Mainz. 203 


nad ber Stabt leiten ließ. Duck den 1713 angefangnen, in 
den nächften Jahren fortgefegten Bau der vier Hauptfhanzen, 
Hauptftein, Joſephs⸗, Philipps» und Karlsſchanze, verlieh er dem 
Befeftigungsfpftem feiner Reſidenz neue Stärke. Zu Schlangen» 
bad ließ er ein. anfehnliches Gebäude für die Aufnahme der Kurs 
gäfte aufführen. Das Schloß zu Bamberg, die Klöfter zu Göß⸗ 
weinftein ‚und Höchftatt hat er erbaut. Zu Erfurt wurde 1716 
eine. Wollenmanufaktur, zu Lohr die Spiegel- und Glasfabrif 
angelegt. Das Erlöfchen der Grafen von Kronberg, 1704, vers 
half dem Erzftifi zur Erwerbung des ihm wohl gelegenen Am- 
tes Kronberg. . Ueberhaupt bat baffelbe unter feinem fanften, 
wohlmollenden und verftändigen Regiment glüdliche Zeiten er» 
lebt, über welchen-die Drangfale des Durch den Ryswyker Frieden 
beendigten Krieges, wie auch jene des ſpaniſchen Succeffionsfrieges 
bald in Vergeſſenheit gerieben. Gegen Gelehrte erzeigte Lothar 
fih ungemein huldreich und freigebig. Hohe Gunſt genoß bei ihm 
Ivo Salzinger ; vegulirter Chorherr zu. Reichersberg , im nach⸗ 
maligen Innviertel, wurde berfelbe von dem Kurfürften zu feinem 
geiſtlichen Rath ernannt und mit einer lebhaften Correspondenz 
beebet. Salzinger und der Kurfürft fhwärmten nämlich beide für 
des Raimund Lullus Philofophie und Arcane, Vornehmlich durch 
des Rurfürften Unterſtützung fonnte Salzinger von feiner zu 60 
Bänden projectirten Gefamtausgabe der Werke des Lullus bie 
brei erften Bände bei Maier in Mainz, 1721—1722, gr. Fol. 
erfcheinen laſſen. Salzinger farb zu Mainz, 30. April 1728. 
Eine eigens niedergefegte furfürftliche Commiſſion beforgte hierauf, 
bis: zum 3, 1742, die weitere Ausgabe von fieben Bänden. | 
Dabei hatte es fein Bewenden, da. der Abfat des Foflbaren, 
ungemein prächtig ausgeftatteten Werfes nur gering. Der größte 
Theil der 500 Exemplare blieb unverfauft in dem erzbifchöfs 
lichen. Seminarium liegen, und ging. wahricheinlich in dem Bom⸗ 
barbement von 1793 zu Grunde. „Ein Verluſt, der übri— 
gens ‚nicht zu bedauern iſt.“ Nicht nur. auf ein werthlofes Wert 
hat Kurfürft Lothar. bedeutende Summen verwendet, die von 
Salzinger angegebenen hemifchen Procefje haben ihn noch mehr 
gefoftet, ohne Laß er den Stein der Weifen.oder das erhaltende 


208 Siyänbornsiufl. 


Lebenselixir hätte finden koͤnnen. Lothar flarb zu Mainz, den 
30. Januar 1729, in dem Alter von 75 Jahren, 

Melchior Friedrich, des Kurfürften älterer Bruder, geb. 1640, 
Graf und Herr von Schönborn, Buchheim und Wolffsthal, ward 
Faiferlicher wirklicher Geheimrath und Kämmerer, Reihshofrath, 
kurmainziſcher Staatsminifter, Geheimrath, Oberhofmarfchall und 
Statthalter zu Afchaffenburg, auch Plenipotentiariugs bei dem Fries 
denscongreß zu Ryswyk. „Er bekleidete auf dem Friedenskongreſſe zu 
Riswid,” ſchreibt Domdechant Werner, „die Stelle eines Präfidenten 
der von den Ständen abgefchidten Sefandtfchaften, welche in feiner 
Wohnung zufammenfamen. Er fammelte die Stimmen und beforgie 
bie vorfommenden Geſchaͤfte fehr gemwiflenhaft. Der gelehrte Kanzs 
fer Ludwig, der auch dem Kongreſſe beiwohnte, fpricht ihn von 
aller Schuld der im IV. Artifel eingefchalteten Klaufel gänzlich 
frei.” Diefe Anficht von ber berühmten Claufel hat ab Seiten 
eines Fatholiihen Geiftlihen fürwahr etwas befremdliches, das 
einzig durch das gebanfenlofe Abfchreiben erflärbar wird. Mel⸗ 
chior Friedrich wurde von feinem Bruder mit dem Erzſcheukenamt 
bes Eraftiftes Mainz beiehnt, am 5. Aug. 1701 mit feiner gan⸗ 
zen Familie in bes h. R. R. Grafenftand erhoben, und fofort 
dem fränfifchen Grafencollegium introducirt. Er. farb den 19. 
März 1717. Vermählt hatte er fih 1668 mit Sophia von 
Boineburg, der Tochter des großen Furmainzifchen Miniſters und 
Dbermarfchalls, Johann Ehriftian Freiherr von Boineburg, als 
welche Ehe, nach dem Willen des Kurfürften Johann Philipp 
von Mainz, das Pfand der Verföhnung feines Bruders Philipp 
Erwin und des Minifters fein follte. In fothaner Ehe if Mel- 
chior Friedrich ein Vater von fieben Söhnen und fieben Töch⸗ 
tern ‚geworben. Bon den Töchtern heurathete Maria Anna den 
Grafen Zohann Philipp von Stadion, Maria Sophia ben Gra⸗ 
fen Karl Kaspar von ber Leyen, Anna Charlotte Maria den 
Sreiheren Johann Franz Sebaftian yon Oftein, Anna Philippina 
Maria den Grafen Marimilian Paul Marin von Seinsheim, 
Amalia Elifabeth den Grafen Dtto Ernſt von Limburg⸗Styrum, 
Eleonora den Grafen Erato Anton Wilhelm yon Dettingen-Bals 
dern, Katharina Elifabeth den Grafen Stanz Wenceslaus von 


v 


Joehann pyiliyy Stanz, Faärſtbiſchof zu Würzburg. 207 


Nofis und Rieneck. Bon den Söhnen haben fünf ber Kirche 
fih zugewendet, und in berfelben die höchften Würben beffeibet. 

Johann Philipp Franz, geb. 15. Febr. 1673, und ein Zög« 
ling des deutſchen Collegiums zu Rom, wurde am 22. Febr. 
1682 Domicellar, und am 3. April 1698 Capitular zu Würzburg, 
gleichivie er auch Domherr zu Mainz, des bafigen Ritterfliftes zu 
St. Alban Ehorherr, und 1699 Propft des St. Bartholomäuss 
fiftes zu Frankfurt geworben if. Dompropft zu Würzburg 10. 
Sul. 1704, Vicedom zu Erfurt, Dompropfl zu Mainz 4. Aprif 
{714, wurde er am 18. Sept. 1719 zum Fürftbifchof von Würz« 
burg erwählt. Er empfing gleich beim Antritt feiner Würbe bie 
Diaconats⸗ und priefterlihe, dann am 10. Nov, 1720 die bis 
Ihöflihe Weihe. In feiner auf kurze Jahre beſchränkten Herr⸗ 
fhaft bat er gleichwohl in allen feinen Handlungen bie ber Fa⸗ 
milie angeborne Prachtliebe und minder nicht ihre Befähigung 
zu großartigem Gefchäftsbetrieb, zu adminiſtrativer Thätigfeit 
entwidelt. Im Nov. 1719 nahm er die von feinem Vorgänger 
angeordnete Befchränfung für das Halten und Beſuchen von 
Tanzmufif zurück, im Dec. n. J. verfügte er in Anfehung ber 
von ben Untertbanen bei dem Hofrath angebrachten Klagen und 
Befchwerben, die ohne vorgängige Befragung der Unterbehörben 
abgethan werden follten. Im J. 1720 wurden bie Fälle, wo 
eine Berufung von den Unterbehörben an den Hofrath zuläffig, 


- näher beflimmt, vom 10. April 1720 iſt die neue Zunft» und 


Handwerksordnung. Die Befiimmung vom 30. April 1720 eifert 
gegen diejenigen, welde ben Staats⸗ und Stabtlaften ſich zu 
entziehen fuchen, im Mat wurbe eine neue Almofenorbnung, auch 
bie Lifte von 48 Mitgliedern einer Räuberbande, unter Beis 
fügung der Perfonen-Befchreibung veröffentlicht; eine umfländ« 
liche Berorbnung ift gegen Räuber, Zigeuner und abgebanfte 
Soldaten, jene vom A, Nov, gegen bie Wildfrevler gerichtet, 
endlich wurde bie Anſiedelung unbemittelter Individuen erfchwert. 
Die Hppothefenorbnung erfchien den 28. Januar 1721, die Ads 
voratenordnung den 19. Febr., die Walborbnung den 28. März, 
bie Feuerordnung den 5. April 1721. Zur Abwehr der in Mar» 
feille ausgebrochenen Pet wurden die firengfien Maasregeln 


208 . Schöndornsluſt. 


vorgeſchrieben. Auch die Polizeiorduung vom 8. Mai 1722 
zeichnet. ſich durch ben Ernſt ihrer Tendenzen aus, Im Aug. 
1722 erließ der Fürft eine Bauordnung; den Flor der Univer- 
fität zu befördern, beftellte er eigene Lehrer für Gefchichte, Mas 
thematif und Anatomie, e8 wurde ben Profefforen der juridifchen 
und medicinifhen Facultäten der Rathstitel beigelegt, der bota> 
nifehe Garten angelegt. Den mehrmalen erneuerten Streit mit 
Fulda, um die geiftliche Gerichtsbarfeit, fchlichtete er durch den 
Bertrag von 1722, worin biefe Gerichtsbarfeit vollftändig, der 
Abtei überlaffen, Johann Philipp. bat, wie es ſcheint von allen 
Fürſten Deutſchlands der erfle, feinem Staate das Lotto einge- 
führt, 24. März 1724, am 6. April 1724 die Amtstarorbnung 
erlaffen, am 15. April 1724 allen Beamten den Beſitz bürger⸗ 
licher Güter in ihrem Amtsbezirk unterfagt. Zu dem Bau des 
berrlihen Nefivenzichloffes in Würzburg legte er den Grunpftein 
im 3. 1720, die Ausführung mußte er feinem Bruder überlaffen. 
Statt der alten Reſidenz auf dem Marienberg bewohnte er den 
Rofenbadhifhen Hof am Rennweger Thor. Die Pfarrfirhe zu 
St. Peter in Würzburg wurde durch ihn verfchönert und ges 
weihet, die Mariencapelle in dem daſigen .Schönbornifchen Hofe, 
und eben fo der Bibliotheffaal in dem Seminarium zum h. Ki⸗ 
lian augelegt; der durch ihn namhaft bereicherten Bibliothef gab 
er in dem Gefchichtfchreiber Johann Georg von Edhart den 
würbdigften Vorfteher. Er. ftarb den 18. Aug. 1724 auf der 
Reife von Mergentheim nad Würzburg, und wurde die Leiche. 
einftweilen im Dom beigefegt, nachmalen aber in die feheng- 
wärdige, son dem Fürften erbaute Schönbornifche Begräbniß- 
copen⸗ bei dem Neuen Münfter übertragen. 

Friedrich Karl, geb. zu Mainz 3. März 1674, empfing 
feine erfte Bifdung daſelbſt und zu Afchaffenburg, und vollendete 
. feine theologiſchen Studien. im. Collegio germanico zu Rom, wo 
er auch die feltene Fertigkeit für die Handhabung der lateiniſchen, 
franzöſiſchen, italieniſchen und ſpaniſchen Sprache ſich angeeignet 
zu haben ſcheint. Domicellar zu Wuͤrzburg den 27. Jul. 1683, 
Capitular 10. März 1704, Dompropſt 28. Zul. 1727, Domi⸗ 
cellar zu Bamberg 3. Jun. 1685, Capitular 2. Maͤrz 1705, 


Friedrich Karl, Fürſtbiſchof —* Würzburg und Bamberg. 200 


auch Domberr zu Mainz, Chorherr zu St. Burfard in Würz- 
burg 21. März 1696, melde Pfründe er jedoch 1701 aufgab, 
Propft zu St. Alban in Mainz feit 1700, wurde er von feinem 
Oheim, dem Kurfürften von Mainz, den Reichsvicefanzler, den 
am 11. Januar 1705 mit Tod abgegangenen Grafen Dominicus 
Andreas von Kaunitz zu erfegen, präfentirt. Dem zeitlichen Reichs 
erztanzler fand vermöge Herkommens und Faiferlicher Wahlcapis 
tufation das Recht zu, biefe einflugreihe Stelle zu vergeben. 
Einen Candidaten, der burch Klugheit, Kenntniffe, Fleiß in ho⸗ 
ben Grade empfohlen, ließ Kaiſer Joſeph I. fehr gerne ſich 
gefallen, und wurde Friedrih Karl am 11. Sept. 1705 von 
dem Zürften von Salm feierlich. introducirt. Kine der erflen 
und zugleich der wichtigſten Handlungen, bei welder ber Reiche» 
vicefanzler zu concurriven hatte, war bie Achtserklärung ber 
Kurfürften von Cöln und Bayern, 29. Aprit 1706; fein An⸗ 
theil bei diefem Gefchäfte wurde ihm mit ber Verleihung ber 
bayeriichen Gerichte Dietfurt und Niedenburg, bie er als reiches 
unmittelbare Herrſchaft befigen follte, gelohnt. Die Erwerbung 
war nur vorübergehend. Am 13. Dec. 1708 wurde Friedrich 
Karl in Bamberg zum Eondjutor feines Oheims, des Fürſt⸗ 
biſchofs und Kurfürften Lothar Sram erwähl. Im J. 1710 
erfaufte er von Franz Anton Grafen von Pücheim, bem Bifchof zu 
Reuftant und legten Dann eines berühmten, weiland vor andern 
mächtigen Gefchlechtes, dig Kleine Feſte Mühlberg famt der Herr 
fhaft Göllersdorf, im Biertel unter Manhardsberg in Niederöftreich 
gelegen. Zugleich übertrug der Biſchof das ben Puͤcheim erbliche 


: sberfle Truchſeſſenamt in Ober und Niederöſtreich an die Gra⸗ 


fen von Schönborn, welchen es „ber Kaiſer Joſephus confirmiret, 
wobey das Puchaimiſche Wapen dem. Schönbornifchen einverleibet 
werben, und haben die Sirafen von Schönborn ben Zunamen 
ven Puchaim, gleichwie. der Bifchoff von der Neuftadt den yon 
Schönborn angenommen, fo daß dieſer fi anjetzo Graf von 
Yuchaim⸗Schoͤnborn, jene Grafen von Schönborn-Puhaim nen⸗ 
nen. E83. bat auch der Reichsvicelanzler, Fridericus Carl von 
Schoͤnborn⸗Puchaim fein nenerlangtes obriften Erbtruchſeſſenamt 
bey der Defterreichifchen Huldigung des Kayſers Caroli VI. an. 
Nhein. Antiquarius, 3. Abth. 2. Bd. 14 


210 Schonboruoluſt. 


1712 den 8. Nov. verwaltet, da der Biſchoff von Neuftabt 
e+ 13. Det. 1718) in geiftlichen Verrichtungen gegenwärtig ges 
wefen.” An die Stelfe der Feſte Mühlberg fegte Friedrich Karl 
in den Jahren 1715—1719 das prächtige Schloß Schönborn, 
fo unweit der von Wien nad) Prag führenden Pofiftraße gelegen, 
zu den anfehnlichften des Landes gehört, 136 Wohnftuben, dann 
eine 1726 von beim Erbauer zu Ehren bed h. Karl Borromäus 
ennfecrirte Capelle enthält, und von ausgedehnten und geſchmack⸗ 
vollen Gartenanlagen begleitet ifl. Die Herrfhaft Göllersdorf, 
oder Schönborn, wie fie feit der Erbauung des neuen Schloſſes 
beißt, hat Friedrich Karl dur ben Anfauf benachbarter Güter 
bedeutend vergrößert. 

Am 20. Zuni 1720 wurde Sriedrih Karl ale Biſchof von 
Arcadiopolis geweihet, damit er feinen Oheim, den Kurfürſten 
von Mainz, in den biſchöflichen Functionen erſetzen könne, das 
gegen ſcheiterten ſeine Bemühungen um die Würzburgiſche In- 
ful, in deren Beſitz feinem Bruder Johann Philipp folgen zu 
fönnen, er hoffte. Wohl aber fiel ihm das Bisthum Bamberg 
duch das Ableben feines Oheims, des .Kurfürften, anheim, und 
auf den am 21. März befielben Jahrs 1729 erfolgten Todes⸗ 
fall des Fürftbifhofs Chriftogh Franz von Hutten wurde er am 
18. Mai von dem Domcapitel in Würzburg zum Nachfolger exe 
wählt. Im Juli reifete hierauf. der Fürftbifhof von Bamberg 
und Würzburg nah Wien, um die Lehen zu empfangen, und 
das Amt eines Reichsvicekanzlers niederzulegen. Daß er baffelbe 
‚noch eine Reihe von Jahren beibehalten möge, wünfchte ber kai⸗ 
ferliche Hof, und hat er dem ehrenden Bertrauen füch nicht zu 
verfagen vermodt. Das Jahr vorher war bie, prächtige Reiches 
kanzlei, welche die ganze Norbdfeite des großen Burgplages in 
Wien einnimmt, zur Vollendung gebracht worden, nad dem yon 
Fiſcher von Erlad gegebenen Plan. Die Ausführung hatte der 
Reichsvicefanzler unter feine unmittelbare Auffiht genommen, 
und verbankt feiner gefhmadvollen Prachtliebe, Behufs deren 
freilich, wie billig, das Reich in feiner Gefamtheit fich befteuern 
mußte, die Kaiferfiadt eine ihrer Zierden. Am 3. Juni 1730 
legte Friedrich Karl den Grundftein zu der mafeflätifchen, im 


Friedrich Sarl, Fürfibifchof ze Würsburg und Bamberg. 241 


3. 1739 eingeweihten Wallfahrtsfirche in Gößweinſtein. Sein 
Streben nach Unabhängigfeit von dem Domcapitel verwidelte 
ihn zeitig in einen Streit über die vogteiliche Gerichtsbarkeit 
oder die Immunität im Bezirke des Gollegiatftiftes St. Stephan 
zu Bamberg, welcher über fein Leben hinaus vor dem Reichs⸗ 
fammergericht fortgefegt, zu vielen Drudfchriften Anlaß gegeben 
bat. Sm 3. 1731 ging er mit ben Nitterorten Baunach und 
Gebirg einen Bergleich ein, bezüglich der dem Hochſtift Bam⸗ 
berg heimgefallenen Lehen: Im J. 1732 bewilligte ex die Er⸗ 
tihtung eines großen Zucht⸗ und Arbeitshaufes zu Bamberg, bie 


Erbauung des ſtattlichen Prieferhaufes und des gegenüber ſtehen⸗ 


den Bürgerfpitald und fpdter den Bau der fteinernen Brüde 


mmterhalb des Ratbhaufes mit ihren drei Bogen. Priefterhaus 


. and Spital wurden in dem Laufe von fünf Jahren, mit einem 
‚ Koftenaufwand von mehr denn einer Million Gulden, zu Stande 


gebracht. Im Mai 1734 unternahm Friedri Karl von Wien 
aus eine Reife nad) Kärnthen, um die ausgebehnten Befigungen 
des Hochſtiftes Bamberg in Augenfchein zu nehmen. Bon bannen 


zurüuckgekehrt, refignirte er das Reichsvicefanzleramt , worauf er 
am 22. Zul. an dem Faiferlichen Hofe ſich beurfaubte, und im 


Aug. zu Bamberg, fo er für die Zukunft als feine Reſidenz aus⸗ 
erſehen, eintraf. 
Im J. 1735 erweiterte Friedrich Karl die feit 1648 in 


- Bamberg beftebende Uniwerfität durch bie Beflellung von Pros 


fefforen für Jurisprudenz und Mediein, Behufs deren er eine 
Stiftung aus feinem Privatvermögen machte; nad) Aufhebung der 
Univerfität, 1804, mußte das Stifiungscapital an die Familie 
von Schönborn zurädbezahlt werben. Im f. J. 1736 eonfecrirte 
er feierlich die von feinem Bruder zu Würzburg erbaute Schoͤn⸗ 
bernifche Familiengruft. Die Heilquellen zu Kiffingen und Bock⸗ 
fet dem Publicum zu empfehlen, Tieß er eigene Drudichriften 
veröffentlichen. in gewaltiger Jäger erbaute er 1737 zu Bam⸗ 
berg das große Jagdzeughaus. Der Herzog Karl Alerander 
von Würtemberg, geft. 12. März 1737, batte ihn durch Tefla- 
ment dem Herzog Karl Rudolf von Würtemberg-Reuftadt , dem 
nähften Agnaten, zum Coadminiſtrator beigegeben. Darüber 


14 * 


919 Shönbornslufl. 


erhoben fih weitläuftige Irrungen, abfonderlich zwiſchen der her⸗ 
zöglichen Wittwe und bem Adminiſtrator, die doc dur Ver⸗ 
gleich beigelegt worden find. „Die Zürftl, Frau Wittwe behäft 
frafft dieſes Vergleichs nebſt dem Bifchoff von Bamberg und 
Würzburg die Obervormundfchafft über die Erziehung ber Prin⸗ 
zen und Prinzeffinen, wobey Ihre Königl, Majeftät von Polen 
zugleih zum Tutore honorario und Assistenten in der Ober⸗ 
vormundfchafft. erbeten worden.” Im J. 1738 erlaufte er zum 
Vortheil feiner Familie von denen son Stiebar das Rittergut 
Aiſch um 98,000 fl.; in demfelben Jahre beiehnte ihn Kurfürſt 
Kari Philipp zu Pfalz mit der im Neuburgifchen belegenen 
Herrfchaft Parsberg. Im 3. 1739 vereinigte er die beiden bürs 
gerlichen Verforgungshäufer zu St. Katharinen und St. Elifas 
. betb in Bamberg, und iſt Daraus eine Anftalt erwachſen, Deren 
Einkommen gegenwärtig die Summe von 50,000 fl.. überfteigt, 
In demfelben Jahre wird von ihm geſchrieben: „Er iſt vormals 
viele Jahre Kayſerl. Eonferenzminifter und Reichsvicecantzler ges 
—weſen, in welcher Qualität er zu Wien in dem höchſten Anſehen 
geftanden. Auch noch jetzo iſt ev .ein treuer Reiche: Patriote. 
Seine Hofhaltung ift eine der prächtigſten in Deutſchland; und 
feine Lande gehören unter die ergiebigften und volfreichfien im 
ganzen Reihe. Er hält beftändig einige Negimenter Soldaten 


auf den Beinen, und liebt alle Fürſtlichen Divertissements. Er | 


ift ein Herr von 66 Jahren, befigt aber noch viel Munterfett 
und Leibesfräffte.” Den deutſchen Fleury ihn nennend, glaubte 
der Ränfefchmied Bellisle ihn hoch zu ehren. Im J. 1740 Tieß 
Friedrich Karl zu Bamberg und zu Würzburg durch die Facul⸗ 
täten ber beiden Univerfitäten Das dritte Jubelfeſt der Buch⸗ 
druderfunft feiern. In demjelben Jahre bezog er die Reſidenz 
zu Würzburg, nachdem der Prahtbau durch ihn zu Stande ges 
bracht worden. Am 11.Nov. 1741 beging er dafelbft das tau- 
fendjährige Jubelfeft der Stiftung des Bisthums Würzburg. Am 
19. Mai 1742 ftarb Peter Johann Albrecht von Rabenftein zu 
Rabenftein, Rabeneck, Weier, Kichahorn und Adlitz, als der 
legte feines Namens, Geſchlechtes, Schilded und Helms, Adlig 
blieb feinen Töchtern, das übrige fehr bedeutende Beſitzthum 


Friedrich Marl, Fürſtbiſchof zu Würzburg und Bamberg. 215 


folte an die Lehenhöfe, Bamberg und Brandenburg, fallen. 
Friedrich Karl reichte aber MWeier und Kirchahorn zu neuem 
Lehen feinen Neffen, und denen hat auch Marfgraf Friedrich 
von Brandenburg-Baireuth das höchſt romantifch an der Wiefent 
gelegene Rabeneck, ‚Rabenflein und anderes in der Lehengeigen- 
ſchaft überlaffen. Am 8. Sept. 1742 weihete Friedrih Karl in 
eigener Perfon die neue prächtige Abteifirche zu Schwarzach, und 
im 5. 1745 die Hoffirche zu Würzburg, wie er dann in feinen 


beiden Hochftiften mehr als 100 Kirchen und Capellen theils ein⸗ 
weihete, theils erbaute. In feiner ftets regen Sorgfalt für das 


Wohl des Baterlandes erwarb er ſich vorzügliches Berdienft um 


— —— — — — — — — on 


e- 


des fränfifchen Kreifes Verſammlung zu Schweinfurt, 18. Der. 
1744. „Der Bifhoff von Bamberg und Würzburg bat dieſe 


| Krayfverfammlung meiftens veranlaflet, als welcher aus patrios 


tiſchem Eifer bereits im Mart. a. e. den Herren von Habendang 
an den Marggrafen von Bayreuth abgefhidt, und ihm ale 
Krayß ausfchreibenden Zürften die Nothwendigkeit vorgeftellet, 
bald einen Krayßtag auszufchreiben, um ſich in eine gute Kriegs⸗ 
verfaffung zu fegen, damit man fich in ber bisherigen, dem 
Krayſe wohl zu flatten gefommenen Neutralität länger fand» 
und wahrhafft erhalten könne.” Als Biſchof, als Reichsſtand und 
als Landesherr gleich exemplarifch, hat Friedrich Karl feine beiden 
Fürftenthümer 17 Jahre lang in feltener Weisheit regiert, daß 


hoͤchſtens Leidenfchaft für die Jagd, Prachtliebe und eine Selbſt⸗ 


ſtäändigkeit, die zu Zeiten in Eigenfinn überzugehen ſchien, an 
ihm getabelt werben konnten. Er flarb zu Würzburg, 25. Jul. 
1746 , und wurde in ber dafigen Familiengruft beigefegt. Als 
ein Euriofum kann angemerkt werden, daß er noch 1737 Inhaber 
des Infanterieregiments Bamberg im k. k. Dienft geweſen. Pars⸗ 
berg wurde nad) feinem Tod von dem Kurfürften Karl Theodor 
zu Pfalz eingezogen, nachdem biefer bereits 1744 gegen bie 
Beräußerung der Herrſchaft proteftirt hatte. 

Damian Hugo, geb. 19. Sept. 1676, fiudirte Anfangs zu 
Rom in dem Collegio germanico, unter ber Anführung bes P. 
Tolomei, des nachmaligen Cardinals, und Teglich zu Löwen auf 
ber Ilniverfität, wo er vornehmlich mit ber Hechtswiffenfchaft 


-g14 Shönberuslafl. 


fi befaßte. Als Jüngling no in den Deutfchorben aufgenem« 
men, wurde er zu ben Zeiten bes Papſtes Innocentius XII. von 
dem Deutfchmeifter an ben päpftlihden Hof entiendet, bamit er 
des Ordens Intereffen wahrnehme. Im 3. 1701 wurde er zum 
Landromthur der Ballei Heſſen ernannt, und erhielt er, außer 
Marburg auch die Comthurei Flörsheim. Gelegentlich einer im 
Wien verrichteten Sendung, wo er Namens des Deutſchmeiſters 
die Reichglehen zu empfangen hatte, trat er in kaiſerliche Dienfte, 
zunähft als bevollmächtigter Miniſter für Ober⸗ und Nieders 
Sachſen. In biefer Eigenſchaft half er 1708 die in Hamburg 
ausgebrochenen Unruhen beilegen, aud übernahm er die Seque⸗ 
firation des Landes Hadeln. Landeomthur der Ballei Altenbiefen 
1709, wurde er von Kaifer Joſeph, Furz vor feinem Ende, zum 
Grheimrath ernannt, auch in folder Würbe von Kaiſer Karl VI. 
beftätigt. Zu bem projectirten Sriedenscongreg zu Braunfchweig, 
1713, ſollte ex als erſter if, Bevollmächtigter gehen, es ift aber 
„der Eongreß nicht zu Stande gefommen. Den 29. Mai 1713 wurde 
er auf Nomination bes Königs Auguft II. von Polen zum Cardi⸗ 
nalsDiaron creirt, nachdem er bereits den 30. Januar 1713 im 
petto dazu ernannt worden. Am 1. Dec, n, J. wurde ihm bag 
Biret von dem Kaifer zu Wien aufgefest, Im 3. 1716 übers 
nahm er das Protertorat der nördlichen Mifftonen, und wurde 
er, damals bereits Domdechant zu Speier, am 21. Zul. 1716 
zum Goadfutor des Fürfihifhofs yon Speier, Heinrich Hartard 
von Rollingen, erwählt, brei Jahre fpäter aber, 30, Nov. 1719, 
nad Hartards Ableben zur Regierung des: Bisthums berufen. 
Damian Hugo fand eine Schuldenlaft von 400,000 fl., vers 
wickelte Prozeffe, vornehmlich, gegen die Stadt Speier zu führen, 
und ein durch die vielen Kriege tief herabgebradjtes Land. Für Diefe 
mancherlei Uebelſtände fchaffte er Rath: die Prozeffe entfchliefen 
allgemach, hauptſächlich weil der Fuürſtbiſchof das Beifpiel feiner 
beiden nächften Vorgänger ſcheuend, es. vermied, das Fürſten⸗ 
baus zu Speyer, fo den Bürgern ald eine Zwingburg ver- 
haßt, zu bewohnen, die Schulden wurden getilgt, die Krieges 
fehäden durch eine milde und einſichtsvolle Regierung geheilt. 
3m 3. 1720 empfing Damian von feinem Oheim, dem Kurs 


Damian Hugs, Fürſtbiſchof von Speier. 218 


fuͤrſten von Mainz, die prieſterliche Weihe. Im J. 1721 rei⸗ 
ſete er nah Rom, zum Conclave: er half den Papſt Innocen⸗ 
ug XLII. wählen, und empfing aus deſſen Händen am 10. Jun. 
den Cardinalshut, famt dem Priefertitel von San Pancratio. 


Richt Eine Wohnung fand er bei feiner Rüdfehr in dem Fürfien- 
thum, denn das Schloß zu Philippsburg lag no in Trümmern, 
und die alte Pfalz zu Speier ftand unvollendet, darum befchloß er 


in Bruchſal, wohin vordem die romantifch-[höne Lage, am Fuße 


des Michelberges, fo viele feiner Borfahren, feit Biſchof Ulrich, 
Bezogen, feinen Sig zu nehmen, Dort legte er am 27. Mai 
1722 mit eigener Hand den Grundflein zu dem ſchönen Schloffe, 
das noch jest in feiner Pracht und Größe die herabgefommene 


' Stadt ſchmückt, und zu Zeiten ald fürfilihe Wohnung be> 


ee en de _ ame 


unst wird. Auch legte er auf einer Stelle, die bie dahin nur 
niedrige Hütten trug, eine Fleine nette Stadt an, beren Na⸗ 
men, Damiansftadbt fein Andenfen bewahrt. Dort baute er 
in der neuen St. Petersfirhe eine Gruft für fih und feine 
unmittelbaren Nachfolger, in ber jedoch nur für brei Leichen ein 
gewölbter Raum. Befragt, warum er es dabei bewenden laffe, 
toll er geäußert haben : „Mehr wirb nicht erforderlich fein,” Die 
Ahnung oder die durch Die Zeichen der Zeit ihm beigebrachte 
Anfiht hat fich bewährt. Sein zweiter Nachfolger, ein Graf 
von Limburg⸗Stirum, ‚fand fein Grab außerhalb der Grenzen 
des Bisthums, und des britten Leiche ſchloß, füllte für allezeit 
jene Gruft. 

Auch die Schlöſſer zu Hanhofen, Dudenhofen, Deidesheim, 
Lirweiler, Kißlau und Waghänſel zeugen von des Fürſibiſchofs 


Banluſt. Borzüglihe Sorgfalt hatte er ſchon als Domdechant 


dem immer noch in Trümmern liegenden Münfler zu Speier ans 
gedeihen laſſen, und zu deſſen Wiedererbauung aus eigenem Ber- 
mögen eine bedeutende Summe hergefchoffen, jetzt, als Regent, 
betrieb er dieſe große Angelegenheit des Bisthums mit verdop⸗ 


peltem Eifer, Allein die ausgebrannten Mauern des Langhauſes 
und die gebrochenen Thürme follten noch lange als Malzeichen 
Reben von der thörichten Zerſtörungswuth Ludwigs XIV. oder 
‚ feiner Selbherren, Am 18. Mai 1722 wurde Damian Hugo 


2316 Schonbornoluſt. 


zum Coadjutor des Fürſtbiſchofs von Conſtanz, Johann Franz 
Schenk von Staufenberg erwählt, zur Nachfolge in dem Bis⸗ 
thum gelangte er am 12. Jun, 1740. Dem Conclave von 
1724 bat er nicht beigewohnt, Dagegen wurde des Herzogs von 
Orléans Ehe mit der Prinzeifin von Baden zu Raſtadt, 18. 
Juni 1724, durch ihn eingefegnet, Auf Ableben bes Papftes 
Benedirt XIII., 21. Febr. 1730, wurde er abermals zum Con⸗ 
clave gefordert, und hat er demnad) zu der Wahl des Papſtes 
Clemens XII., Laurenting Corfini, gewirkt. Der Krieg um bie 
polnifche Königswahl kam im Det. 1733 zum Ausbruch. Im Mat 
1734 führte der Marſchall Herzog von Berwid die franzöſiſche 
Hauptarmee bei Kehl und Fort⸗Louis über den Rhein. Nach 
einigen dem Schwarzwald zugerichteten Demonftrationen wendete. 
er ſich Rheinabwärts. Er occupirte Bruchſal, bezog das fürft« 
liche Schloß, da der Cardinal bei Zeiten in Sicherheit ſich be⸗ 
geben hatte, und hauſete als Sieger in Gemächern und Keller. 
Nach ſeinem Abzug wurde die Stadt, vornehmlich aber das 
Schloß, rein ausgeplündert. Des tapfern Wutgenau ſtandhafte 
Vertheidigung von Philippsburg forderte den franzöſiſchen Feld⸗ 
herrn dahin, auf daß er in die Angriffe größere Lebhaftigkeit 
bringe, Am 12. Yun. wurde ihm durch eine aus der Feftung 
gefommene Stüdfugel der Kopf weggeriffen, daß nur drei Zähne 
im Unterkiefer ftehen blieben, ‚Get homme-la a toujours eid 
heuroux,“ ſprach, hiervon die Zeitung vernehmend, Billarg, in 
einem neidifchen, Doch einem Kriegsmann wohl anfländigen Ges 
fühl. Die Belagerung feste fort, als äftefter Generalstieutenant, 
Claudius Franz Bidal, Marquis von Agfeld — corrumpirt aus 
Harſefeld, diefe im Herzogthum Bremen befegene Abtei, Dann 
die Herrſchaft Wildenbruch in Pommern, hatte die Königin Chris 
ftina von Schweden ihrem Generalagent Peter Bidal geſchenkt. 
Nach dreizehn Stürmen fah. Wutgenau. fü genöthigt zu capitu⸗ 
liven. Sranzöfifche Beſatzung wurbe der Seftung eingolegt und bag 
Land durd fie in Schreden erhalten. 
Am 11. Febr. 1737 zugen die Franzofen ab, und wurde bie 
Stadt yon Reichstruppen übernommen , welche auch in Beifein 
eines Faiferfihen Generalfeldzeugmeifters, als des Reiches Bevoll⸗ 





Damian Huge, Faärſtdiſchof von Apeier. 917 


mächtigier, ingletchen des bifchöflichen Stattbalters, Freiherten von 
Eig-Uettingen und zweier Domberren, als des Capitels Macht⸗ 
boten, dem ‚römifchen Reiche, der Eatferlihen Majeflät und dem 
Hochſtift Speier, den Treueid auf dem Plage vor dem Schloffe 
ablegten. Es wurde außerdem der Stadt Wiederkehr zu bes 
Reiches und des Bifchofs Handen mit einem Te Deum und 
einem fröhlichen Mahl gefeiert. Am 11. März 1737 traf auch 
der Fürft wieder in feiner Refidenz ein. either hatte ex fi 
meiftens zu Gaibach bei feinem Neffen aufgehalten. Dort fehrieb 
er an feinen Bruder, den Kurfürften von Trier, 24, Mai 1735: 
„Sonften ift freyfich mehr als jammervoll der übergroße welt 
befannte Drud, den Ew. Liebden in dero Ehurfürftl. Landen 
bereitd härteſt erlitten haben, und immerhin ertragen müffen, es 


iſt reichsfündig, mit was innerfter Verbitterung die Franzofen 


gegen Uns Gebrüdere und Unfer Haug find, weilen wir treue 
deutſche Patrioten fepnb, und pro causa bona: justa et communi 
Heben. Ich muß ed leider in meinem nun gänzlich- ruimirten 
Biſchthum und Fürftl. Speyer. Yanden mehr als zu viel erfahs 
ven. Da nun würdli ab utraque parte Rheni yon Freund 
und Feind der Bedruck ohnendlich if, Gott wolle ſich erbarmen: 
Ew. Liebden haben freylich Urfach ſich vor andern Dingen zw 
Herzen dringen zu laſſen die harte Verderb⸗ und Erpreflungen, 
fo die in dero Ehurlanden gelegene preuſſiſche Auxiliarvölfer 
unter allerhand betitulten feltfamen Anforderungen ausgeübet, 
mithin viel ärger als der Feind felbften gehaufet und verfahren 
haben.” Sn einem fpätern Schreiben vom 23. Sept. 1735 
heißt es: „Denken Em. Liebd. daß mein armer Brurhein, ohne 
gefähr in etlich und 30 Drt beſtehend, nur denen Kayferlichen 
18,117°/, deipannte Wägen, 7951 leere Pferd und Ochſen, und 
189,309 Schanzer und Hanbfröhner bat geben mäffen. Alte 
meine Wälder ſeynd ruiniret, und fragt man nicht mehr an, 
fondern hauet alles nur nad) Belieben um, nimbt hinweg was 
man will, und bleiben weder Trauben, weder Kraut, weder Nü« 
ben, noch Welſchkorn oder Grundbihren über, alfo Daß nicht 
fehe, wo der arme Mann wird von leben Fönnen, und biefes 
alles von Freunden.” Auch der öftreichifche Succeffionsfrieg bes 


318 Schünboruoluſt. | 


veitete von 1741 an ben Stiftslanden viele und ſchwere Unrubr; 
obgleich in benfelben, wegen der Neutralität feine Keindfeligfeiten 
vorgenommen wurden, fp hatten fie doch durch die vielen Durch⸗ 
märfche unendliche Drangfal zu erleiden. Damian Hugo „hat das 
Ende diefer Kriegsunruhe nicht erlebt, fich aber der von bem jegigen 
Kaifer Carolo VII. dem Reiche angetragenen Friedensvermittfung”, 
mit welcher die Säcularifation von mehren geiſtlichen Staaten. 
verbunden werden follte, „Reichs⸗Patriotiſch, obwohl mit aller 
Beicheivenheit, widerfeget, Er war im übrigen ein fehr anfehn- 
licher Herr, von großer Staatserfahrung und fonderbarer Ges 
Schicklichkeit, der. aber ben Jeſuiten zu viel Gehör gab, und die 
Jagdluſt mehr liebte, ale e8 feinen Unterthanen, denen dadurch 
viel Schaden an den Feldfrüchten zugezogen wurde, nüglic war.” 
Er ftarb den 20. Aug. 1743. Zum Behuf des Dombaues hat er. 
50,000, zur Berbefferung der Dompfründen 30,000 fl. vermadht. 

Franz Georg, geb. 15. Jun. 1682, und in der gleichen 
Sorgfalt wie feine Brüder erzogen, wurde durd feinen Oheim, 
ben Kurfürften Lothar Kranz von Mainz den Gefchäften und ber 
Politif eingeführt, befuchte auch. daneben fleißig die benachbarten. 
Höfe, allenthalben das Lob einer feltenen Brauchbarfeit für welt⸗ 
liche Aemter und Befchäftigungen erntend. Er war aber von 
der Wiege an dem geiftlihen Stande befiimmt, und demzu⸗ 
folge mit Dompräbenden zu Trier, Ein, Speier, Worms und 
Münfter, dann mit ber einträglichen Propflei zu St. Moriz in. 
Augsburg ausgefiattet. Als Furmainzifcher Gefandter wurde er 
bei Papft Clemens XI. accreditirt, als des kurfürſtlichen Col⸗ 
legiums Abgeorbneter ging er nach Barcelona, um dem König 
Karl 1II. die Nachricht von feiner Wahl zum römifchen König 
zu überbringen, und empfing er in der Freude für Diefe willfoms 
mente Meldung ben Orden von S. Jago. Bei der Kaiſerkrönung 
zu Frankfurt, 1711, vertrat Franz Georg bie Stelle des abwe⸗ 
fenden Reichserbfämmerers, eine Bemühung, in deren Betracht 
er von Kaifer Karl VL am 10. Jan, 1712 den Kammerherren⸗ 
ſchlüſſel, und am 29. Det. 1712 eine NReichshofrathsftelle em⸗ 
pfing. Im J. 1713 befuchte er als des fränkiſchen Kreifes Ge« 
fandter den Friedenscongreß zu Utrecht, 1714 wurbe-er in das 


Aurfürfi Sen; Gesrg von Srier. 219 


Reichshofrathscollegium eingeführt, am 3. Zul. 1717 .zum FE. f. 
Geheimvrath ernannt, am 9. Det. zum Domſcholaſticus in Köln, 
am 10. Yun. 1722 zum Domdehant in Speier, im Mai 1723 
zum Dompropft in Trier ermählt, Noch regierte daſelbſt Kur⸗ 
fürft Sranz Ludivig, ein geborner Pfalzgraf von Neuburg ; als 
biefee der mainzifchen Inful den Vorzug gab 1729, erfolgte von 
Seiten des verwaifeten Domrapitels eine neue Wahl, und ents 
ſchied dieſelbe fih am 2, Mai 1729 zu Franz Georges Gunflen, 
wiewohl er in den Domherren von Elg, von Gymnich und von 
Warsberg furchtbare Nebenbuhler gefunden hatte; um fo größer 
war die Freude im Lande, nachdem ber neue Kurfürft fi) als 
Dompropft- die allgemeine Achtung und Zuneigung erworben hatte. 
Seine Wahlcapitulation, ebenfalls vom 2. Mai datirt, ift in 64 
Artifein abgefaßt; am 7. Sept, 1729 erfolgte die Beftätigung 
von Seiten bes h. Stuhls. 

Border war unter bed Kurfürften Aufpicien eine für das 
Stantsrecht des Erzftiftes hochwichtige Verhaudlung zum Schluſſe 
gefommen. Bon der Eonftituirung ber Reichsritterſchaft an hatte 
die im Umfange des Erzſtiftes begüterte Ritterfchaft ſich als ber 
Landeshoheit keineswegs unterworfen betrachtet, zwar zum öftern 
die Landtage befucht, niemals jedoch zu Bewilligungen ſich ver- 
Banden, wie fehr auch bie beiden andern Stände befliffen ges 
weien, fie zur Landesmitleidenheit heranzuziehen. Der hieraus 
ſich ergebende zweifelhafte Zuſtand war vielleicht nirgends fo 
drüdend, ala eben im Trierifchen,, wo bie ritterfchaftlichen Be⸗ 
fitungen felten gefihloffene Herrfchaften ausmachen, fondern meift 
auf einzefnen Gütern und Höfen beruhen. Der definitive Vers 
trag, am 2. Zul. 1729 von dem Domrapitel mit ber im Erz⸗ 
Rift anfäffigen Ritterfchaft abgefhloflen, ſprach, was längſt fait 
aecompli geworden, ber Form nad) aus, indem er dieſe Ritters 
haft als bes Reiches frei immediate, von Kaifer und Reich 
alleinig dependirend anerfannte, und ihre, minder. nicht ihrer 
Untertbanen Unabhängigkeit von dem Kurflagt ausfprad. Viel⸗ 
fältig ift diefer auf des Kurfürften Anſuchen am 5. Sept. 1729 
von dem Kaiſer beftätigte Vertrag als Das nec plus ultra aris 
Rofratifcher Anmapung, als das Zeichen einer knechtiſchen blin⸗ 


230 Schonboruoluſt. 


den Deferenz des Landesherren für feine vormaligen Standes; 
genoffen getadelt, angefochten worden; er conftatirte ſedoch Tedig- 
lich, ich muß das wiederholen, einen Stand ber Dinge, ber in 
allen von Saliern und Alemanniern bewohnten Landſtrichen ge 
ſetzlich, weil er auf bie urfprünglichen ‚Freiheiten der Krieger⸗ 
fafte gegründet iſt; einzig die Weife, der Landflände Einwilli⸗ 
gung herbeizuführen, verdient bittern Tadel. Sie wurden eins 
geſperrt gehalten, durh Hunger und Durft gequält, bis fie uns 
terzeichneten,, was man ihnen vorlegte. Den Vätern des Trier 
rifhen Volkes die Lebensmittel abfehneiden, konnte eine himmel» 
fihreiende Gewaltthat heißen. 

Im Det, reifete der Kurfürft nach Bamberg, und wurbe er 
dafelbft am 25. Det, von dem Fürftbifchof, feinem Bruder, zum 
Priefter geweibet, und ben Sonntag darauf, in Gegenwart und 
Affiftenz feines andern Bruders, des Cardinals von Speier, im 
Dom als Erzbifchof confecrirt, ‚‚tanta solemnitate ac pompa, 
ut parem in Franconia a saeculis non visam,“ ſchreibt Gropp. 


Der feierlichen Handlung folgte nach wenigen Monaten bie Ins 


thronifation zu Trier, „Der 18. Jan. 1730 war ein beiterer - 


und fihöner, denen Trierifchen aber ein erfreulicher Tag, indem 
unfer Churfürft, nunmehro confeerirter Erzbifchof, von Koblenz 
zu Trier, zwifchen 2 und 3 Uhr Nachmittags, nachdem er vors 
hero von der hiefigen Juriftenfacultät in fhöner Equipage und 
Ordnung, zwei Stunden weit jenfeits der Stadt bei Erarig bes 
neventiret und eingeholet worben, bei der Mofeldruden glücklich 
angelanget. Woſelbſt derfelbe unter einem prädjtigen Gezelte 
von dahiefigem Stabtmagiftrat durch den Stadtfchreiber Joh. Zar. 
Seyerini mit einer zierlichen Oration falutiret, und Magiftratus 
hinwiederumb die Ertzbiſchöfliche Benediction Inyend empfangen 
hatte, wurde der Einzug über gedachte Mofelbruden (deren beybe 
Thürn, der erftere zwar mit dem Churfürſtl. Wappen, der an 
dere aber mit des Churfürften Portrait, und beyde mit fchönen 
Tapeten und Fichtenbäumen behänget waren, und mit finnreichen . 
Snferiptionen verzieret) die Brüder und Fleiſchgaß hindurch über 
den Mardt, in ſchönſter Ordnung, zwifchen ber auf beyden Sei» 
ten der Stragen im Gewehr ſtehender Burgerſchafft auf das 


— — Pa 


Aurfürfi Stanz Georg non Trier. 291 


prächtigfte vollzogen. (Solcher Einzug iſt orbentlih in Drud 
ansgangen,) Als nun. der Ehurfürf bey ber aufm Marckt aufs 
gerichteter Ehrenpforten angefommen ware (das Stabthauß ware 
mit dem Portrait des Churfürften, mit Fichtenhäumen und grüs 
nem Laubwerck, auch fchönen Zapeten gezieret)- wurde er von 
dem Prälaten zu St. Marimin, ald Primario Cleri mit einem 
zierlihen Sermon complimentiret, folgendes vom Dhumb⸗Capitul, 
auf dero Capitular⸗Frepheit, mit Präfentirung des Weyhwaſſers 
bey verfammeltem Clero, aud mit vorher getragenen Ersftiffti- 
ſchen Insignibus, empfangen, und gleich einem Aaron ins Sanc- 
tuarium , in. die. hobe Dhumb- Kirchen eingeführet. Nachdem 
daſelbſt das Te Deum, und vom Erztzbiſchoffen die Collect ges 
fungen worden, hat Desfelbe nicht allein bie Denediction mit 
bem böchften Gut, fondern and) das Weyhwaſſer vom Chor an 
bis zur Kirchthür in Pontificalibus ertheilet, und if fofort in 
den Pallaſt aufs prächtigfte eingezogen. Worbey diefen und ben 
folgenden Abend allerhand herrliche Zlluminationes (die an ber 
Ehrenpforten auf dem Mard, unterm Stern zum Dhumb zu, fo 
in etlich 1000 Lampen beftunden, waren anmuthig. zu fehen) mit 
allgemeinem Sroloden der gangen Stadt gehalten worden, welde 
ber EChurfürft den erften Abend mit höchſtem GOnügen anzufeben 
fih belieben laſſen. u 

„Den 2. Februarü, am heiligen Lichtmeß⸗Feſt, hat der 
Churfürft, nachdem vorher der -Archidiaconus tit. S. Mauritü 
und Ficarius generalis yon Eltz⸗Kempenich in hiefiger Dhumb⸗ 
Kirhen dag War: gefegnet, und der Umgang mit der ganzen 
Cleriſey gehalten worden, nach gegebenem Asperges ſich zu ges 
meldter Dhumb⸗Kirchen erhoben, Nach vorhin in dem mit den 
fokbarfien Tapeten behangenen Chor, unter einem Baldachin, 
verrichteten Gebett, hat er, beyfeyng Des geſammten Adels, bag 
hohe Ambt, und zwar zum erftenmal. (jo etwa in 140 Jahren 
von feinem Trierifhen Ertzbiſchoff geſchehen) höchſt auferbaulich 
mit erhobener klaxer Stimm, und mit dermaſſen großen Cere⸗ 
monien gehalten, daß er nicht allein vom Dfficialen Nalbach, 
ald würdlich deſignirtem Suffraganeo, in Pluviali assistixt, von 
beyden Archidiaconis von Warsberg und Eltz⸗Kempenich mi- 


224 Schondornoluſt. 


nistrirt, fondern auch von denen 4 Erb⸗Aembtern, Erb⸗Marſchall, 
Erb⸗Schenck, ErbsCänmerer und ErbsTruchfeff, bedienet worden; 
wobey ber mit vielen Reliquien und hochſchätzbaren Silberwerck 
und Kleynodien aufs präätigfte ausgezierter Altar, die auf zwey 
Chören gehaltene zierliche Muſik, und auf dem Dhumbhof unter 
vielmaligem Pauden- und Trompetenſchall oft wiederholtes Ka⸗ 
nonieren, die Feflivität um ein merdfiched vergrößerte. Darauf 
bat der Churfärft im Pallaſt offentliche Tafel gehalten; mit ben 
Stüden ift den gantzen Tag beſtändig gefeuert, und bie Illumi- 
nationes aufm Mardt und an denen Häufern, zu Bezeugung 
allgemeiner Freude, von neuem angezündet worden. 

„Den 26. Martii, Dominica Passionis, hat der Churfuͤrſt, 
ald Praeses Sodalitatis majoris sub titulo Annunciationis B. 
M.V. Radmittags umb 4 Uhren, die Sodalität mit Ders Gegen, 
wart condecoriret, auch formulam juramenti Mariani vor⸗ und 
abgelefen. Den 6. Aprilis, anf grünen Donnerftag, hat berfelbe 
im Dhumb sacrum oleum benediciret, solenniter pontifieiret, 
und darauf im Pallaf zwölf armen Männern die Fuͤß ges 
waschen. Den 7, auf Charfreytag bat Derfelbe den Gottesdienft 
im Dhumb verrichtet, Nachmittags die Proceffion nacher heiligen 
Creutz begleitet, hernach die heilige Gräber in der Stabt bes 
fuchet. Den 13. Maji hat der Churfürft ſich belieben Laffen, bie 
Huldigung mit großem Pomp und Solennifät vom Magiſtrat 
und Burgerfchafft zu Trier einzunehmen. Um 10 Uhren vers 
fügte Derfelbe ſich im Leibwagen, mit ſechs apfelgrauen ſchönen 
Pferden befpannet, allein figend, mit einem ſchwartzen Kleid und 
Mantel angethan, ein Foftbares Ereug anhangend, aus dem 
Pallaſt durch die in der Pallafigaffen zum Mardt zu aufgerich . 
tete Ehrenpforten zum Marckt. Vorhero marfchirte eine Grena⸗ 
diercompagnie mit fpielenden Hautbois, Waldbörnern und Troms 
meln, fodann die Laquayen, Edelfnaben und Hefcavaliers , der 
Erbmarfhall mit dem Schwert, alle zu Fuß; dem Leibwagen 
folgte die Leibgarde zu Pferd mit Pauden und Trompeten, fo 
ale auf dem Markt fih rangiret, auf weldem die Burgerfchafft 
Zunftweife ſich befunden. Sodann. verfügte der Churfürft fi 
auf den vorm Stadthauß, vulgo der Steipen (fo mit fhönem 


Aurfürſt Franz Gestg ven Trier. 993 


Teppich behangen, mit grünem Laubwerck und Kichtenbäumen, 
und in dee Mitte mit bes Churfürken Portrait, worunter dieſes 
Distichon zu leſen ware: 
Juramus duplici digito, non duplice lingua : 
Bex coeli vindex duplicitatis erit, 

gejieret war) anfgerichteten Theatro, in den zubereiteten Thron, _ 
allwo nach offentlich geleiftetem Huldigungseydt, unter Paucken⸗ 
und Trompetenſchall, und Abfeurung zwölff metallner Stücken, 
fo man die zwölff Apoſtlen zu nennen pfleget, hat ber Churfuͤrſt 
den Magiftrat und ſämmtliche Burgerfhafft zum Handkuß ges 
faflen. Hier ift noch beyzufügen, daß zu oberft des Stabthaußes 
eff Brünnlein vom Mardibrunnen: geleitet, beyderfeits Staffel» 
meife curios Wafler gefprungen. Dieſer Huldigungstag ware 
ein ſchöner, dabey freudiger Tag; dann der Churfürſt hat die 


Burgerſchafft in ihren Zunffthäufern mit Wein und fonften res 
galiren laſſen. 


„Den 19. Maji iſt der Churfürſt nacher Prüm verreiſet, 
und hat allda die neu auferbaute Benedictiner-Kiche in Augen» 


ſchein genommen, auch bie Hufdigung von ſammtlichen Unter⸗ 
thanen, und im Rudweg zu Welihbillig von dafigem Ambte ein« 
genommen. Den 2%. ift Derfelbe zu Trier wiederum frifch und 


gefund angelangt, und fofort zu Pfalzel, Saarburg und übrigen 


| Oberertzſtifftiſchen Aembtern die Huldigung eingenommen. Den 
2%. Maji, auf Pfingfitag bat Derfelbe im Dhumb pontificiret, 


Den 30. auf Pfingfidienftag hat Derjelbe im Dhumb, inter pon- 
tificandum unter Trompeten⸗ und Pauckenſchall und einer anges 


nehmen Mufif, und Abfeurung der Stüde, den neu erwählten 


und confirmirten Prälaten zu St. Mergen, Benedictum Scholer 
solenniter benediciret, fobann das Mittagsmahl mit den Dhumb⸗ 


herren und Hofcavalieren zu St. Mergen eingenommen, Den 


8. Junü, festo Corporis Christi, hat ber Ehurfürft bey der ſo⸗ 
Iennen Proceffion das Venerabile um den Dhumb getragen; vier 
Cammerherren trugen den Himmel, und die anwefende Geſand⸗ 
ten, der Kayſerl. Graf von Kuffflein, der Lotharingifcher und 
Bamberg » Würgburgifcher,, haben biefe Proceſſion mit weißen 
Flambeaux in Händen begleitet. Den 2. Juli, ware Sonntags, 


234 Br Scyänbsrusiufl. 


feste Visitationis B. M. V. hat der Churfuͤrſt dahier im Dhumb, 
poͤchſt auferbaufich und ohmermüdet, von 10 Uhren an bie 2 Uhr 
Nachmittags gefirmet. Den 3. Julii iſt Derfelbe Morgens frühe 
von Trier zu Waſſer nacher Eoblenz abgefahren, unterwegs aber 
hat Derfelbe hin und wieder, wie auch nachgehends in den Nies 
dereraftifftifchen Aembtern Die Huldigung eingenommen.” 

Schon vorher Hatte der Kurfürft verfucht, ein vielfältig 
verfanntes Recht feiner Kirche zur Anerfennung zu bringen. Rad 
Abfterben feines Oheims, des betagten Kurfürften Lothar Franz 
von Mainz, ergaben ſich Zwißtigfeiten wegen.bes Reichsdirecto⸗ 
riums, indem.der bisherige Coadjutor nit fofort in feinem Kur⸗ 
fürſtenthum Befiß ergriffen, Kurſachſen während des. Interims 
befagtes Directorium ‚führen, das Domrapitel in Mainz aber 
feine Sedisvacanz ‚gelten Laffen wollte, und fand in dieſen Ber 
wicklungen Kurfürft Franz Georg Beranlaffung, feinen Anfprug 
anzumelden, wmitteld der Behauptung, daß in folhem Falle ihm, 
nicht aber Kurſachſen, das Reichebivectorium gebüre, wie er dann 
auch die feinem Erzftift. zufommenden Reichedirertorialgerechtfame 
feierfichit contradicendo et protestando yerwahren ließ. Main 
und Sachſen reproteflirten aber, erflärten das Furtrierifche Bor 
bringen für unftotthaft und ungegründet, ‚und damit war für 
jegt und immerdar die Angelegenheit erledigt. Am 17. Juni 
1730 unterfagte Franz Georg ang erzbifhöflicher ‚und Tandess 
herrlicher Macht, bei drei Goldgulden Strafe die „von kurzen 
Jahren her erſt dahier aufigelommene Tracht der Regentüder 
ober Failles, nachdemalen Uns. gu unferm höchſten Mißvergnügen 
unterthänigfi angezeigt worden, wie fish einige leichtgefinnete 
Weibsbilder zu Bedeckung ihres. Unkeuſch⸗ und liederlichen Les 
benswandel dieſer Tracht allzuſträfflich mißbrauchen thun.“ Es 
war das gleichſam die Einleitung zu der Verordnung vom 20. 
Juni 1730: „Nachdemalen Ihro Churf. Gnaden allſchons zu 
mehrmalen mit beſonderer Gemuͤthsbeſtürzung hören und wahr⸗ 
nehmen müſſen, wie tieff von geraumer Zeit ber in, dero Ne 
denzſtadt Trier das gräuliche Lafter der Unzucht und Geilheit 
ſich eingewurzelt Habe, und zwarn auf Art und Weife, dag dato 
Ehebruch, Blutſchand und derley mehrere Rah vom Himmel 






Aurfürſt Srunz Georg von Trier. 295 


färegende Lafer gleich einer freyen Kunft ohngeſcheut börffen 
ausgenbet werben, welches viehifches Betragen hauptfächlich dar⸗ 
durch veranlaffet und unterhalten wird, weilen babier ohne bie 
mindefte Einfiht unter allerhand hoͤchſt ftraffbarlichen Nebenab- 
fihten Tiederlichs und Herrenlofes Geftndel in greßer Menge 
geduldet, die in andern requlivten Stätten zum öfftern vorneh⸗ 
mende Haus⸗ und Familien⸗Unterſuchung unterlaffen, und bie 
Rund werdende Unthaten allerdings unbeflrafft gelaffen werben, 
hoͤchſtbemelte Ihre Churf. Gn. aber derley Unrath und verbäd- 
tiges Gefindel ohnverweilt von hier ausgeführt, die H....windel 
abgeihafft, und bem eingeflagten Unheyl für das gegenwärtig 
und zufünfftige vorgebogen gnädigft wiffen wollen; als wird von 
wegen höchfigedachter Ihro Churf. Gn. dero Stadt- Magistrat 
babiex hiemit befohlen 20.” Wie ernftlich es auch mit dergleichen 
Berfügungen gemeint, ergibt fih aus dem Gefchid eines Witt- 
licher Bürgers, der. von wegen geboppelten Ehebruchs am 16. 
Januar 1731 durch das Conſiſtorium zu Trier verurtheift wurde, 
am nächſten Sonntag zu Wittlich die Rafterfleine zu tragen, und 
demnächſt, eine Wachsferze in der einen, in der andern Hand 
‚ eine Ruthe dem Pfarramt beizumohnen, 
Ä Am 9. Zul. 1731 veferibirte Franz Georg nach Trier: 
„Es iſt uns ohnlängſt angezeiget worden, weßgeftalten verfchies 
dentwibriger Religiong-Berwanten ſich vor geraumer Zeit in der 
 Haupt-Refidenzfladt Trier häußlich und bürgerlich ntederzufaflen 
 wördtic angefangen haben. Wann nun aber Wir derfey Unter- 
unehmen zware manierlich, jedoch aud und zugleich hinlänglich 
; um fo ebender vorgebogen, fort das würdlich geſchehene aller» 
dings redreſſiret wiffen wollen, je gefährlicher die Folgerungen 
in derley, experientia teste, über fur; oder lang ſich zu äußern 
| pflegen; alſo fegen wir bag feſte Bertrauen zu Unferm Bicedom, 
Bürgermeifteren und Rath der Stadt Trier hierdurch, es werden 
ie insgeſambt fi dahin gehorfamft beeyfferen, wohemit ein fo 
udered ohmverzäglich beforgt und in beffere Ordnung fernerweit 
halten werden möge.” Am 2, Det. 1731 erließ der Kurfürft 
ine verbefierte Zehentordnung, und am 26. San. 1732 eine 
ant» oder Concursordnung. Am 9. Juni 1732 wurde er zum 


Rhein. Antiquarius, 3. Abth. 3. Br. 15 





2936 - Schönbornsiufl, 


gefürfteten Propſt in Ellwangen, acht Tage fpäter, den 17. Juni, 
zum Bifhof von Worms erwählt. Im nächſten Jahre Fam zum 
Ausbruch der Krieg um die polnifche Königswahl, der für die 
Trierifhen und Wormfifhen Stiftslande gleich verderbliche Krieg, 
Dem Kurfürften wurde nämlich meiftentbeild der am 9. Nov, 
1733 bei den afforiisten Kreifen durchgeſetzte Receß, von wels 
chem die Erflärung eines gegen Frankreich gerichteten Reiche 
frieges gewiflermaßen die Folge, zugefchrieben, und follte er des⸗ 
halb der erfte den Zorn des Königs von Frankreich empfinden. 
Ein zu Saarlouis garnifonirendes Hufarenregiment erhielt Bes 
fehl, den Kurfürften aufzuheben und todt oder lebendig nad 
Franfreich zu liefern, Er war auf einer Jagdluſt in den weis 
ten Forften des Amtes Grimberg begriffen, dahin richteten die 
Hufaren, truppweife verteilt, um möglichſt Auffehen zu ver 
meiden, auf einfamen Waldpfaden ihren Marih. Ein Trupp 
wurde im Moment kurzer Raft von einem Pofthalter belauſcht; 
mit Entfegen vernahm der Mann, was feinem Herren zugedacht. 
Unbemerft war er geblieben, fchnell eilte er nach Haufe, und den 
beiten Renner feined Stalles zu Tode jagend, erreichte, warnte 
er den Kurfürften. Es verftummen die Hörner, im Munde er 
ſtirbt das fröhliche Wort, und fonder Verzug begibt ber Fürfl 
fid auf die Flucht. Unabläffig und bis Kaifersefch verfolgt, 
erreichte. er den fihern Ehrenbreitftein, und ift er Zeitlebend des 
empfangenen Dienfted eingeben? geblieben. Der getreue Poſt⸗ 
meifter erhielt Die Befugniß, fo oft Gefchäfte ihn nad) der Re 
fivenz führen würden, auf Koften von Hoffüche und Keller fih 
gütlich zu thun, eine Belohnung, dergeftalten dem Geift von 
Zeit und Land zufagend, daß fie fogar Neider fand. 

War der Kurfürft glüdlich der Gefahr entgangen, fo hatten 
das feine Untertbanen zu enigelten. Bellisle, der Gouvernent 
von Meg, überſchritt Die Grenze an der Spige eines Armen 
corps von mehr benn 15,000 Mann, befegte Trier am 8. April 
1734, und ferner das ganze Obererzftift,. nahm am 2. Mal, 
nach einer Vertheidigung von 14 Tagen, das fefle Trarbach 
Sofort wurde die Gräfenburg bis auf den Grund gefchleift, eine 
Arbeit, Behufs deren das Erzfiift 300,000 Livres zu entrichten 


Aurſurſt Frans Gesıg von Trier. 227 


hatte, unbeſchadet den anderweitigen und vielen Laſten und Lei⸗ 
Rungen. Gleich zum Willfommen fchrieb der franzöftfche Feldherr 
eine ieferung von 800,000 Rationen Fonrage aus, zugleich ver⸗ 
fügend, daß ‚„„Messieurs les etats de l’electorat de Treves tant 
ecclesiastiques que seculiers, fourniront, des le 8. du present 
nois d’avril, soixante vaches par jour, pour la subsistance des 
troupes du roi, jasqu’@ nouvel ordre.““ Vermöge Uebereinkunft 
vom 6. Mai hatte das Erzftift, einfehließlich der Stadt Coblenz, 
deren Deputirte unter den Contrahenten aufgeführt, eine Con⸗ 
tibution von 340,000 Livres, andere 150,000 als Surrogat für 
eine Lieferung von 100,000 Rationen Fourage, 10,000 als Bei⸗ 
trag zu dem Bau der Sciffbrüden, 5000 ſtatt Holz und Licht 
für die Soldaten zu entrichten, und wurden im September wie» 
derum 400,000 und abermals 400,000 Rationen Kourage in 
den Faften gefordert, alles doch nur Kleinigkeit im Vergleich zu 
ben unerfchwinglichen Einquartierungslaften. Der einzigen Abtei 
St. Matibias bei Trier koſteten acht Compagnien, fo bei ihr im 
Binterquartier Tagen, 18,000 Rthlr. 

Der Kurfürft fuchte bei Kaifer und Reich Hülfe: der Kai⸗ 
ker, in den unglüdlichflen Krieg gegen Spanien, Frankreich und 
Sardinien verwidelt,, that mehr beinahe als in feinen Kräften, 
erböhte die Anfangs dem Kurfürflen verheißenen Subfidien von 
25,000 fl. auf das Bierfache, und fihickte, was nur immer von 
Truppen zu entbehren, freilich nach dem damaligen befcheidenen 
Maasſtab der öftreihifihen Armee, an den Rhein, die Reiche» 
fände im Allgemeinen genügten nur fehr unsollfländig den über- 
sonmenen Verpflichtungen, laut deren fie eine Armee von 120,000 
Dann aufftellen, und durch Einzahlung von 30 Römermonaten 
‚sine Reichsfriegs-Dperationscaffe bilden follten. Prinz Eugen, 
‚der Sieger von Zenta, Höchſtätt, Turin, Malplaquet, Peterwar- 
dein, Belgrad, befchränfte ſich jet auf eine vorſichtige Defen- 
five, durch welche aller Orten den Feinden freies Spiel gelaffen. 
Das und feiner Unterthanen Leiden empfand, beklagte Kurfürft 
Franz Georg bitterlih. Den 29. Mai 1735 fehrieb er an feinen 
Bruder den Eardinal: „Dir gereicht billig in meinem bedrang⸗ 
teen jammernollen Nothſtand zur troftreicher Ermunterung, daß 


15 * 


224 | Schönbornusiufl, 


Ew. Liebden die mir und meinem unglädfeligen Ersfifft Trier 
und Bifchthumb Worms an allen Orten und Ender her big hie 
bin zugefügte unfägliche Beflemmungen und Zudringlichkeiten 
aus treusfreundbrüderlihem Hergen bemitleyden, und mit Dero- 
felben eine gleichmäßige Gelaffenheit und Aushaltung der Götts 
lichen Verhängnus mir wohlmeynend haben einreben wollen; td 
verfichere bündigft, in den Willen Gottes vorhin bereits ergebenft 
and ftandhafteft verfenfet gewefen und noch zu feyn, fo Daß bie 
feindliche Wuth- und Rachgierigkeit, wie ohnmenſchlich und ty: 
rannifch felbte auch immer ausgebofet werden mögen, mich von 
bannen abzubringen im mindeften nicht vermögen follen nod 
werden, zumalen ich mit Ew. Liebden in meinem Gewiſſen ganz 
fiher und berubiget bin, den geringfien Anlaß zu derley unchriſt⸗ 
lichen Berbitterungen feineswegs erwedet zu haben, und eben 
diefes, daß wir und unfer Gräfliches Hauß auf das härtefte 
unſchuldig gedrudet und gleichfam unterbrudet werden wollen, 
indeffen kann ich nicht verhalten, mir natürlicher Weiß fehr em— 
pfindlich zu Herten zu geben, daß meine Gott⸗, treus und ehr» 
vergeffene eygene Unterthanen ohnverantwortlich die ehrenrühs 
rigite Berleumbdungen gegen mid; ausgeftoffen, und dadurch von 
ſelbſten mein ohnverfchuldetes Erzftifft in den erbärmlichſten Umb⸗ 
flurg zu werffen trachten, maffen diefelbe fich feiner Sünd ge 
fürchtet, bey dem franzöftfehen General Grafen von Bellisle er⸗ 
bichteter auszuftreuen und anzugeben, als wann ich Die aus— 
gefehriebene franzöfifche Utensilles und andere Gelder zu meinem 
eygenen Gebrauch und Nusen hinterrucks eingezogen, mithin der 
Eron Franckreich gleihfam abgezwadet hätte, wodurd da es ber 
fo leichtglaubige, als ohnedem gehäffige Comte de Belleisle auf 
das härteſte aufzumwerfen und vorzumalen gewuft, erwehnte Eron 
Srandreich ohnverſöhnlich ergrimmet worden, fort befagtes mein 
Ersftifft in den Grund zu verderben und- zu verbergen ent⸗ 
ſchloſſen hat.” 
| Auch der Feldzug von 1735 verging der Faiferlichen und 
Reichsarmee in ſchmählicher Unthätigfeit, nur daß Eugen, durch 
10,000 Ruffen verftärft , ein aus Katferlichen, Hannoveranern, 
Sachſen und Preuffen zufammengefegtes Corps unter bes Feld⸗ 


Aurfürfi Sans Georg von Trier. 928 


zeugmeiſters Grafen von Sedendorf Befehlen eine Bewegung 


gegen den Hundsrüden vornehmen Tieß. Wie daffelbe im Ge- 
rauer Lande fi auszubreiten begann, hoben die Franzofen ihre 
Lager bei Weinheim, Staded und Algesheim auf, um fidh bei 


Worms zufammenzuziehen, Den 30. Aug. ging das Seden- 


dorfiſche Corps bei Weiffenau über den Rhein, und bezog ein 


Lager zwifchen Heiligfreug und der Mainzer Kartbaufe. Sm, 
Unthätigfeit verging beinahe ein ganzer Monat, dann, am 26. 
Sept. wurden die Preuffen, welche man bei ber Hauptarmee 
vermißte, abgerufen, und durch Des Prinzen Ferdinand von 
Bayern Corps, Dänen, Braunſchweiger, weftphälifche Kreisvölker 
und einige Faiferliche Regimenter erfegt, Den 30, Sept. brach das 
Armeecorps in 6 Colonnen auf, und campirte baffelbe oberhalb 
Bingen, zwiſchen Kempten und Algesheim, während bie bei 
Bingen über den Rhein gefommenen Heflen fi in der Inſel, 
welhe bei Münfter durch die Nahe gebildet wird, lagerten. Den 
1. Det. wurde der Generalmajor von Stain mit 1000 Reitern 
und einer gleichen Anzahl Infanterie nach Stromberg detadhirt, 
die Fourage , die man bort aufbäufte, zu beden. Den 3. Okt. 
kam die gefamte Armee in das Lager bei Bregenheim an ber 
Nabe zu ſtehen. Den 4. Oct. wurde Generalmajor Chanclos 
mit 3 Bataillonen und 5 Schwadronen nad Stromberg deta⸗ 


Hirt, um den von Stain abzulöfen. Diefer ging mit feinem 


Sommando bis Simmern vor. Den 5. Det. rüdte die Armee 
in drei Colonnen weiter in das Lager bei Dürrenbad, vor ber 
Soon, und den 6, durch ben Soonwald in das Lager zwiſchen 
Simmern und Oblweiler. Ebenfalls den 6. erreichte das Stain⸗ 
ige Commando das Städtchen Kirchberg, wo es am folgenden 
Tage ein Gefecht mit den Frangofen beſtand: dieſe Tießen 17 
Dfficiere, 218 Gemeine als Gefangene zurüd, Den 8. brachen 
die Artillerie und Bagage unter Bedeckung von 6 Bataillonen, 
4 Schwadronen und einem ganzen Hufarenregiment, welches alles 
der Generalmajor von Bord befehligte, and dem Lager bei Sim- 
mern auf, um bei Kirchberg der Armee zu erwarten; benfelben 
Tag traf das Stainfhe Detachement in Hirfchfeld ein. Den 
9. marfehirte die Armee in.6 Colonnen in das Lager bei Hirfch« 


230 Shönbsrnsiafl, 


feld, oder genauer bei dem Kragerhof; den rechten Flägel bis 
Irmenach, den linken bis Hochfcheid ausbehnend, das Stain 
fhe Commando aber ging. über den Stumpfenthurm nah Mon⸗ 
zelfeld. 

Den 10. Det., mittlerweile das franzöfifhe Corps unter 
General-Lieutenant d'Aubigny fih von Andel auf Trier zurüds 
309, etablirte man die Communication mit Trarbach, die Gorge 
von Montroyal wurde in der Eile fortificirt, Berncaftel und 
das Hospital Cues von dem Stainfhen Corps occupirt. Den 
12. wurde Generaf Mörner mit 10 Bataillonen, 10 Schmwas 
dronen und zwei Hufarenregimentern nah Haag, nördlich des 
Thronbaches, detachirt, die Schiffbrüde über die Moſel bei Bern» 
caftel vollendet, und das Stainfche Detachement über die Moſel, 
nach Wehlen pouffirt. Den 14. Oct. marfhirte die Armee in 
zwei Colonnen in das Lager bei Monzelfeld ; die Communica- 
tion mit dem Mörnerfchen Detachement zu ſichern, wurde eine 
Hoftenfette länge des Hartwaldes bis nad) Haag gelegt. Den 
15. wurde die Wagenburg über Trarbah, wo eine Brüde ge 
fhlagen war, auf den Montroyal gefhidt. Den 16. poflirte 
das Stainfche Corps fih bei Siebenborn an ber Liefer. Den 
17. ließ man die Artillerie und Feine Bagage nad) Andel geben, 
das Stainfhe Commando Fam nah laufen. Den 18. rüdite 
die Armee dem Lager bei Mülheim ein; auf die Moſel, Liefer 
gegenüber, wurde eine Schiffbrüde gelegt, und der Generafmajor 
Fürft von Waldeck, das Stainfhe Corps zu verftärfen, mit 16 
Örenadierceompagnien nah laufen beordert. Den 19. Det. 
führte der General von der Cavalerie Prinz Ferdinand von 
Bayern die Reiterei des rechten Flügels über die Mofel, und 
campirte biefelbe längs der Salın, bid nah Klaufen hin. Den 
20. Det. vor Tag ging die übrige Armee über zwei Brüden 
nach dem linken Mofelufer, in der Meinung, das Lager bei 
Dfan zu beziehen, es fam aber, fehr unerwartet, die Dieldung, 
bag die Franzoſen, die man unbeweglich hinter den Mauern 
von Trier glaubte, ebenfalls die Mofel paffirt hätten und im 
Anzug gegen die Salm fi befänden. Es war nämlich auf des 
Aubigny Hülfruf zuerft Bellisle mit feinem fliegenden Corps, 


Sourfürfl Stanz Georg von Trier. 251 


deſſen Staͤrke man zu 18,000 Mann angab, herbeigekommen, 


15. Oct., und hatte ſich durch zwei, hei Pfalzel und bei St. Joſt 
geſchlagene Brücken des Ueberganges der Moſel verſichert, dann 


war auch Coigny mit der Hauptarmee, die er vom Rhein herge⸗ 


j 


- führt, in der nächften Umgebung von Trier eingetroffen, 17. Det. 


„Im Detober feynd eine foldhe Menge Franzofen ankommen, 
dag man gemeint hat, fie werden: nit allein Trier auffreſſen, 
fonder auch ganz Deutfchland. Die groffe Officier haben hur 


- in der Stadt gelegen, die gemeine Dfficier und Soldaten haben 
rund umb die Stadt gelegen, als aufm Franzenknipchen, auf 
Paulinsflor und auf dem h. Kreuzberg. Ste haben mit höchſtem 
. Schaden alle Bäum rund umb bie Stadt, wie aud in den umb⸗ 


| 
| 
| 


liegenden Dörffern, als Cürenz, Lonquih, Kenn und andere 
abgehauen.“ 


Den 19. Det. war die ganze franzoͤſiſche Armee auf der 
Heterotber Heide vereinigt, umd febte fie den folgenden Tag 


| fh in Bewegung gegen die Brüde bei Eſch und die Rivenicher 
' Mühle, daher Sedendorf die Infanterie ohne Verzug nad 


Clauſen forträden ließ. Schon am Mittag war fie dafelbft eins 


| 
) 


getroffen, während bie Cavalerie erft ſpät Abende folgen Fonnte. 


‚ Den nämlichen Abend rüdte das Mörnerfhe Corps dem Lager 


. bei Mülheim ein, von dannen es aber fofort wieder aufbrechen 


und die Nacht durchmarfchiren mußte, da es dann am andern 


| Tage noch zu rechter Zeit bei Rivenich anlangte. Dort fiel näm⸗ 
lich am 20. Det. gegen 2 Uhr Nachmittags die Action vor, bie 


noch häufiger von Claufen benannt wird. Ein feindliches Des 


- tahement von 2000 Grenabieren machte Miene, den Uebergang 


der Salm zu forciren; es wurde von 20 Bataillonen und eini« 
gen Schwadronen, die zwifhen Heßeroihb und der Salm ma⸗ 


noeuvrirten, ſoutenirt; hinter dieſen Colonnen, von Becond ber, 
entwickelte ſich die übrige franzöfifhe Armee. Die Faiferliche und 


Reichsarmee, in der Ordnung wie fie zur Stelle gelangte, nahm 
Poſition auf dem linken Ufer der Salm, und e8 ergab ſich eine 
lebhafte Kanonade, die zwar wegen der eingefallenen Nacht nicht 
zu einem Treffen erwachfen fonnte, die aber bod die Franzoſen 
noͤthigte, mit Verluſt von einigen Hundert Todten und Verwun⸗ 


2333 Schönbsruslafl, 


4 

deten, das Schlachtfeld zu räumen. Um diefe unbedeutende Aetion 
yon. Claufen wurde der ungeheuerfte Siegesjubel erhoben, Nur 
18 Zahre waren verftrihen, daß der Streit um die fpanifche 
Erbfolge den Krieg in feinen grandiofeften Formen gezeigt, daß 
Eugen die wunderbaren Schlachten von Peterwarbein und Bel 
grad gekämpft hatte, und jest fonnte das Scharmügel yon Clau⸗ 
fen als eine Bietorie gelten. Wahrlich, die Völker ſollten er- 
ſchrecken bei der Betrachtung, wie fohnell fie im Frieden verweich⸗ 
lichen und verbauern. 

Den 21. Det, rüdte das Mörnerifche Detadement ein, es 
ſtießen 6 Bataillone und 5 Schwabronen, von Luxemburg herr 
kommend, zur Armee, imgleichen feste fi der Feind-in Maid, 
daß eine zweite Action zu erwarten fland, Allein gegen Mittag 
zogen die Sranzofen fih auf Becond und weiter zurüd. Der 
Seldinarfchallstieutenant yon Diemar wurde mit einigen Grena⸗ 
biereompagnien, 1000 Reitern und allen Hufaren commandirt, 
ihrer Arrieregarde einzufalfen, er hatte auch bei Hegeroth eini> 
gen Erfolg, weil aber die Defilds mit vieler Infanterie beſetzt, 
die Straßen durch den Regen verborben waren, fihien eine wei« 
tere Ausdehnung der Verfolgung nicht rathfam. Den 26. wurde 
der Feldzeugmeiſter Prinz Georg von Heffen mit 16 Grenadier⸗ 
compagnien, 10 Bataillonen, 7 Schwadronen, allen Hufaren 
und vier Kanonen detadhirt, um ben Feind von ber Duint zu 
belogiren und bie Höhe von Ehrang einzunehmen, Die imprac⸗ 
ticablen Wege Tießen ihn aber an jenem Tage nur bis Föhr 
fommen. Den 27. Det. folgte die Armee in 6 Colonnen, fie 
ocrupirte dag Lager von Becond, an Föhr deu rechten, den lin⸗ 
fen Flügel an Schweich gelehnt, des Prinzen von Heflen Des 
tachement vertrieb den Feind von der Duint und verupirte bie 
Höhe bei Ehrang. Der Feind fchien das rechte Ufer der Kill 
behaupten zu wollen, zerftörte. aber. bei einbrechender Nacht bie. 
Brücke über die Kill, und zog fich zwifchen Pfalzel und Trier 
über die Moſel, worauf er die Schiffbrücke, fp er unterhalb Pfal⸗ 
zel gehabt, abfragen ließ. Den 28. wurde die Killbrüde wie 
der hergeſtellt, und lagerte fih der größte Theil der Infanterie 
jenjeitd Ehrang, das Stainfche Korps aber Tieß fi auf den ber 


Kurfürſt Sanı Georg von Trier. 333 


Stadt Trier gegenüber gelegenen Höhen nieder. Den 30. wurde 
das Fort St. Marr an diefer Höhe occupirt, und das Lager in 
den Grund hinter Biever verlegt. Den 1. Nov. marfchirte die 
Savalerie des rechten Flügeld in der Gegend von Trier weiter, 
indem fie das Lager bei Wafferbillic) beziehen follte; eine An⸗ 
ordnung, welche aber am 3. Nov. zu Pfalzel im Hauptquartier 
abgeändert wurde. Die Cavalerie des linken Flügels campirte ' 
bei Euren, indeflen die Infanterie einige Tage in der Gegend 
von Biever verweilte. Den 5. Nov. fing Die Armee an, aus⸗ 
einanderzugehen, den 10. Nov. verftändigten ſich die beiderfeiti- 
gen Generale um einen Waffenſtillſtand, als die Einleitung zu 
einem allgemeinen rieden. 

In der Familie Reuland zu Trier Hat ſich eine denkwür⸗ 
dige Tradition, das Gefecht bei Clauſen betreffend, beinahe ein 
Jahrhundert lang fortgeerbt. Bei ihr war ein franzöfifcher Offi⸗ 
eier einquartiert, und nad feiner Landsleute Weife bald heimiſch 
geworden. Sein Regiment marjchirte am 19. Det. in der Rich 
tung von laufen ab, er felbit vertändelte noch einige Stunden im 
Kreife feiner freundlichen Wirthe. Ueber dem Abendefjen wurbe 
vielfältig befprochen, was an der Salm vorfallen fünne; des Er⸗ 
folges gewiß, vermaß fich der Franzmann, am andern Tage ben 
rechten Arm des wunberthätigen Marienbildes zu laufen. als 
Siegesbeute mitzubringen, und hat er diefe Berheißung wieder⸗ 
holt, indem er den Wagen beftieg, Am andern Abend fpät rollte 
ber nämlihe Magen langſam durh St. Simeonspforte dem 
Reulandſchen Haufe zu; nicht lebensfroh, wie er geflern einge» 
fiegen,, Jeiihenblaß wurde des. Wagens Eigenthümer, dann ein 
Arm, den er neben fich Liegen gehabt, berausgehoben. Es war 
nicht des Gnadenbildes, es war des Dfficierd rechter Arm, den 
der erfte Kanonenſchuß zerfchmetterte, den er in Föhr ſich abneh⸗ 
men ließ, und den er mit nach Trier brachte, auf daß er zugleich 
mit ihm begraben werde. Und fein Willen geichab. 

Der Waffenftillftand, weit entfernt, bie Leiden des. Trieri⸗ 
hen Landes zu mildern, feheint vielmehr zum Höchften fie 
gefleigert zu haben. In Wahrheit mochte feinem Kaifer ber 
Kurfürft Magen: „Nun werben 800,000 Rationes Heu, Haber 


y 


254 Schönbsrnsiufl. 


und Strob, und die über 100,000 Rtihlr. fi weit hinaus fire- 
dende Contributions- und Confiscations-Rudftände, fo alles in 
£oto zufammengetragen, fi) über eine Million Gulden, wo nicht 


Reichsthaler belauffet, unbarmherzig und unabwendig gefordert, 


ba ja alles ohnedem bereits .verherget und in den elendeften 
Stand gefett worben if, wo annoch zum Lieberfluß aller Schmer- 


"gen, durch die Zufammenftoßung fo. vieler Fayferlicher und auxi- 


liar-Bölder, da 6000 Ehurfächfifhe Trouppen in ihrem Durchs 
marche übel und über übel gehaufet, fofort das Seherifche, 
Walseggifche, Savoyfche, Sachfen-Weimarifche, die A Regimen- 
ter Heffen, die Wolffenbütelifche, das Kayferlihe, Bambergifche 
und Illyriſche Negimenter (diefe „wilden Illyrier“, denen im 
Pande Winterquartiere angewiefen, machten dem Kurfürften die 
mehrfie Sorge), alles in das Trierifche geflogen, und in bie 
Länge und zwerg folches arme Land burchmarchiret, viele Unters 
thanen und Gemeinfhafften von Hauß und Hof zu laufen, in 
jammervoller Armfeligfett gezwungen worden.” Während alfo 
ber größere Theil des Kurfürftentbums durch die Freunde 
geplagt, biieben Trier und bie umliegende Landichaft in ber 
Franzoſen Befis, bis am 8. Febr. 1737 in Gefolge ber alfges 
meinen Pacification ber neuernannte Furtrierifhe Commandant 
son Hohenfeld mit einigen Gompagnien ſich einfand, die fremden 
Säfte abzulöfen. „Die Franzoſen haben die Churfürftl. Solda⸗ 
ten mit großer Höflichkeit an der Simeonspforten empfangen, 


- und haben fie geführt auff den Marckt vor die Hauptwacht, all- 


wo die Franzöfifhe Schildwacht von den Deutfhen ift abgeloͤſt 
worben, und haben alfo die Deutfche mit dem fchönften Spiels 


- werd, wie auch mit. allen Stabtherren,. Die Franzoſen bis an bie 


Reupforten begleit, allwo die Sranzofen mit großen Compli- 
menten die Schlüffeln der. Stadt Trier ‚übergeben, und ſeynd 
wieder in Frandreich gezogen. Man bat zum: öftern hören fa- 
gen, daß bey Menſchengedencken fein fonderbarlicherer Krieg fey 
gewefen. Eben alfo ift auch Das End deſſelben; dann es ift 
fein Srieden zu Trier. erflärt worden, und ift fein Freudenfeuer 


- gemacht: worden. Doch hat das gante Land Gott Dand gefagt 


vor Die güttige Erledigung des Feindes.“ 


Aurfürfi Sranz Georg won Srier. 255 


Eine Folge ohne Zweifel der Taum überftandenen Drang⸗ 
fale ift die am 18. Det. 1736 von dem Kurfürften erlaffene: Als 
moſen⸗ und Bettelordnung gewefen. Ihr folgte, 28. Sun. 1737, 
bie Berordnung, wie e8 bey Trauer-Fällen, Begräbnüffen, Eres 
quien und fonften fürohin gehalten werden folle. Am 24, Zul. 
1738 wurden die hin und wieder noch vorfommenden festa toni- 
trualia, als abergläubifches Unweſen, auf das ſtrengſte unterfagt. 
Bon dem Winter 1740 wird gefehrieben: „Man -fagt, dag im 
vorigen saecalo eine foldhe Ausgiefung des Waffers gewefen, 
bag die Mofel in der Stadt Trier bis obent der Novitiatspforten 
geftanden,, almo noch ein @reuglein in der Mauer pro termino 
it ausgehauen. Diefes Jahr hat fie geftanden 10 Schritt uns 
gefehr geringer. Zu Coblenz hat fie in der Stadt zur Korn 
pforten obert dem Wirthshauß, zum wilden Dann genannt, ge- 
fanden, imgleichen der Rhein fich fo weit ausgegoffen, daß man 
geförcht, Rhein und Moſel würden in der Stadt zuſammenkom⸗ 
men und das meifte Theil der Stadt überfihwenmen und vers 
berben. Die gante Caflorsgaffe fambt ber Stiftsfirchen haben 
im Waffer über 3 Wochen geflanden, mit gröftem Schaden ber 
Häufern und Ihnwohneren. Allhier zu Trier: ware alles er⸗ 
fhrödtich anzufehen,, wie eine .andere Sünbfiut; St. Barbern, 
St. Medart, St. Martin, St. Mergen ıc. haben im Waffer 
geſtanden; die Moſel hat fi bis an den Fuß vom Polg- oder 
Marxberg als wie ein Meer ausgegoffen, und tft nit ohne Schreden 
anzufehen geweſen, mit graufamen und ungewöhnlichen Sturm» 
winden. Es hat diefe Ueberſchwemmung bis zu End des De- 
cember ‘gedauert. Was ein foldyes bedeute, wird ung die Zeit 
lehren, dieitur: aquae multae, populi multi. Gott wende alles. 
Nebel von ung ab. Amen.“ Der fromme Wunſch follte keines⸗ 
wege in Erfüllung geben. " 

Kaifer Karl VI., der legte Habsburger, war den 20. Det. 
1740 mit Tod abgegangen. Dieſes Ereigniß zu benugen, rüftes 
ten fih Sranfreih, Spanien, Sardinien, Preufien, Sachſen, 
Bayern. Der König von Preuffen unternahm, vollführte Die 
Eroberung von Schleften. Ihrem Sohne Don Philipp die Krone 
der Lombardei zu verfchaffen, wie fie für Don Carlos, ihren 


236 Schönbarnslufl,e 


Erfigebornen, das Königreich beider Sieilien erftritten hatte, be« 
abfichtigte die ehrgeizige Eliſabeth Farneſe, ald welche in ihres 
Gemahls, KR. Philippe V. Namen Spanien beberrfchte, und fand 
fie, für die Ausführung ihrer hochftrebenden Entwürfe in dem 
Sabinet von Berfailles an Karl Ludwig Auguft Fouquet Graf 
von Bellisle einen Gehülfen, wie er geeigneter nicht zu er» 
mitteln. Bon deſſen Herfommen fihreibt Saint-Simon : „Ces 
Feuquet sont de Bretagne, originairement de robe, et ont dte 
conseillers et presidents au parlement de Bretagne, jusyu’au 
père du surintendant. Je fus plus tard comnissaire de Bell- 
isle avec le Marechal de Berwick quand il fut chevalier de 
Vordre, 1. janvier 1755, il ne farda rien, et ne se donna 
point pour meilleur qu'il n’est.“ Kranz Fouquet, „le premier 
Fouquet, etabli a Paris, devint conseiller d’etat, et il acquit 
tellement l’estime de Louis XIII. et du cardinal de Richelieu 
par sa probite et sa capacite, qu'ils le voulurent faire surin- 
tendant des finances , ce qu’il refusa par delicatesse de con- 
seience.““ Er wurde in feiner Ehe mit Maria von Maupevu ein 
Bater von fehs Söhnen und ſechs Töchtern, die alle ſechs den 
Schleier nahmen. Ein Sohn, Franz, der Erzbifhof von Nar⸗ 
bonne, wurde in den Kal feines Bruders verwidelt, und ftarb 
1675, nachdem er viele Jahre im Exilium zugebracht. Nicolaus 
ift der berühmte Surintendant des finances.. Bafiliug, der Abbe 
Souquet, Staatsrath und Abt zu Barbeaur und. Rigny, wett 
eiferte mit feinem Bruder, dem Surintendant, in dem Beftreben, 
alle weibliche Herzen zu erobern, „Grand important , galant, 
depensier , extravagant , il contribua le plus, de jalousie de 
femmes, & la perte de son frere, et en fut perdu lui-meme.“ 
Bon dem gegenfeitigen Haffe der beiden Brüder fehreibt die Se 
vigne, 5. April 1680: „Les deux freres sont alles bien pres 
Vun de lautre; leur haine a ete le faux endroit de tous les 
deux , mais bien plus de labbe, qui avoit passe jusqu’a la 
rage.““ Der Abbe ftarb den 30, Januar 1680. Bon einem 
andern Bruder, von Ludwig, dem Bifchof zu Agde, heißt es 
bei St. Simon: „L’eveque d’Agde mourut vers ce temps-ci 
(1702), fort riche en benefices. Il etait frere du surinten- 


Die Souguets. 237 


dunt Fouquet, de l’archeväque de Nurbonne et de l’abbe Fou- 
quet si connu en son temps, mort deux mois avant son frere, 
a la disgräce duquel ses imprudences et ses folies avaient eu 
grande part. Il fut, en 1656, chancelier de Vordre, et en 
meme temp Guenegaud, secretaire d’etat, fut garde des sceaux- 
de-l’ordre, qu’on desunit de la charge de chancelier qu'ils 
acheterent de M. Servien. La disgrdce du surintendant, leur 
frere, les depouilla des marques de l’ordre, fit reunir la charge 
de chancelier aux sceaux de lordre, entre les mains de Guene- 
gaud, en 1661, et confina ses freres dans un exil. M. d’Agde 
changen souvent de lieu, et eut enfin permission de demeurer 
a Agde, sans en sortir le reste de ses jeurs.“ 

Nicolaus Fouquet, geb. 1615, wurde in dem Alter von 20 
Jahren mnitre des requetes, und zählte nur 35 Jahre, als er 
zu bem wichtigen Amt eines procureur-general bei dem Parlas 
ment von Paris auffieg. In den Unruhen jener Zeit un« 
verbrüchlih der Königin Mutter ergeben, gewann er in ihr 
eine eifrige, eine einflußreihe Gönnerin. Auf ihren Betrich 
wurde Fouquet zu Anfang des %. 1653 als Surintendant des 
finances mit einer unbefchränften Herrfchaft über des König- 
reihe Einnahme und Ausgabe befleidet. Von jeher waren 
biefe Surintendants gewohnt, die Finanzen des Staates als 
ihr Eigenthum zu behandeln, von Fouquet fonnte man am 
wenigften erwarten, daß er ein fo nügliches Herfommen auf- 
geben werde. Freilich mußte er zu Zeiten mit feinem perföns 
lihen Sredit den DVerlegenheiten des Staates abbelfen, aber 
daß Capital und Zinfen nicht verloren, dafür wird er geforgt 
haben, wie er aud die zum öftern von Mazarin empfangenen 
Vorſchüſſe pünktlich zu erftatten wußte. Ueberhaupt beftand zwis 
fhen ihm und dem Cardinal die engfte Vertraufichfeit, und 
fhreibt St. Simon nicht ohne Grund: „Nicolas Fouquet, ce- 
lebre par ses malheurs, qui, apres avoir ete huit ans surinten- 
dant des finunces, paya les millions que le cardinal Mazarin 
avait pris, la jalousie de MA. le Tellier et Colbert, un pen 
irop de galanterie et de splendeur, de trente-quatre (?) ans de 
prison a Pignerol, parce qu’on ne put pis lui faire par tout 


2358 Schanbornoluſt. 


le credit des ministres et Pautoritéè du roi, dent ils abuserent 
jusqu’a avoir mis tout en oeuvre pour le faire perir.“ 

Sid felbft hat der Intendant aber auch nicht vergeffen, 
Unter den vielen durch ihn erfauften Gütern ftehet oben an die 
an ben Küften der Bretagne gelegene Inſel Belle-Isle, fo der 
Herzog von Res ihm um die Summe von 1,369,935 Livres 
überließ 16585 auf den Bau und die innere Verzierung bes 
Schloſſes zu Baur, bei Melun, verwendete er, von 1653 an, die 
ungeheure Summe yon achtzehn Millionen Livres. Noch größer 
war fein Aufwand in Haushalt, Tafel, Maitreffen, deren er 
unzählige, und darunter fehr vornehme unterhielt. Sogar fo 
er es verfucht haben, dem König den Befiß der fhönen la Bas 
live ftreitig zu machen. Bet feinen feierlichen Gaftereien er« 
fhienen mehr denn einmal, zugleich mit dem Deſſert, bedeckte 
Schüffeln, mit Goldftüden gefüllt, und war es ihm die höchfle 
Luft, wenn, fobald die Dedel abgehoben, der Inhalt der Schüfs 
feln preisgegeben, die Anwefenden, die vornehmften Damen bes 
Hofes, die Großen mit beiden Händen zufuhren, um die Beute 
ſtritten, in Haft einftedten, was ihnen davon zugefallen, und 
eiligft das Weite fuchten. Deutlich ift aber auch auf des Mannes 
Zügen ein eigenthümlicdher Zug der Verachtung für das gefamte 
Menfchengefchlecht zu lefen. Um fo erfreuficher iſt die Achtung, 
die er, ungern vielleicht, der berühmten Seoigne, zu bezeugen 
genöthigt. „Un ministre qui, dans Padversite la plus affreuse, 
eut des amis dont le courage lui sauva peut-Etre la vie, et 
certainement lui donna l’immortalite , le somptueux Fouguet, 
au comble de la faveur, rechercha vivement pendant des .an- 
nees les bonnes gräces de madame de Sevigne. Sa figure 
n’etoit pas seduisante; mais ses brillantes qualites, sa perse- 
verance et ses largesses surmontoient presque tous les obsta- 
cles. La publicite de ses nombreux sueces a fait dire a Boileau: 

Jamais surintendant n’a trouve de ceruelles. 
Il est incontestable que ce ministre corrupleur en Irouva 
du moins une, dont il finit par ambitionner , au defaut d’un 
senliment plus vif, les temoignages d’une simple amitie. Grou- 
velle pense que madame de Sevigne fit oublier a Fouquet ses 


v 


Wicslaus Songaet. 239 


pretenlions, en ne paroissant pas les voir. Un tel expedient 
seroit moins propre àâ consoler la vanite blessee qu’a l’aigrir. 
Tout le secret de l’aimable veuve fut dans l’ascendant de la 
vertu et dans le charme, du caractere. Grouvelle est d’ail- 
kurs refute par ce qu’elle dit en confideuce du surintendant: 
„dal foujours avec lui les memes precautions et les memes 
crainles ; de sorte que cela retarde notablement les progres 
qu'il voudroit faire. Je crois qu'il se lassera enfin de vouloir 
reconmencer toujours inulilement la meme chose.‘“ t 

Am 17. Aug. 1661 gab Fouquet zu Baur dem König eine 
Fete, bie an Pracht alles, wa bis dahin gefehen worden, über» 
bot. Dei biefer. Gelegenheit wurden Molieres Fächeux zum 
erfienmal aufgeführt, famt einem zum Lobe des Könige von Pes 
Iiffon gedichteten Prolog. Bereit aber war Ludwig XIV. im 
hoͤchſten Grade eingenommen gegen den Berwegenen, ber big zu 
ber föniglichen Geliebten feine Wünfche auszubehnen wagte, ſelbſt 
des Hausherren Wappen, ein Eichhörnchen, oder vielmehr die 
beigefügte Devife, quo non ascendam, wurde ihm anftößig, ins 
bem er darin dag Bekenntniß ungemeflenen Ehrgeizes zu finden 
glaubte. Einzig den Borftellungen und Bitten ber Königin Mut⸗ 
ter verdankte Fouquet, daß er nicht im Laufe der Feftlichfeit 
verhaftet wurde. Vermuthlich hatte Ludwig XAV. den prophe⸗ 
tiihen Einfall eines Malers nicht bemerkt: in einer Arabesfe 
des dem Hauptfanl angebauten Cabinets iſt Fouquets Eichhörn⸗ 
lein dargefiellt, wie es von einer Eibechfe, Colberts Wappen, 
verfolgt wird, Colbert vornehmlich war befliffen geweſen, bes 
Surintendant Unterſchleife aufzudeden. Wie dem auch fei, der 
König meifterte feinen Unwillen, und bezeigte fi beim Abfchied 
fo gnädig, dag Fouquet fih der Hoffnung hingeben fonnte, er 
werde als Premier-Minifter den am 9. März 1661 verftorbenen 
Cardinal Mazarin erfegen, oder wenigftens zu dem Amte eines 
Siegelbewahrers gelangen. Il imporlunoit, a ce qu’on dit,, 
S. M. de luy donner les seaux, atiendu le trop grand äge de 
M. le chancelier , qui le rendoit desormais incapable de va- 
quer à cette charge: ‚,Ve. vous en mettez pas en peine; 
an retour du voyage de Bretagne je vous asseure que les 


240 Schonbornsluſt. 


seaux seront dans votre maison ,‘“““ avoit respondu le roy, ce 
qui fut veritable, car tout fut scelle chez luy.“ Die Bewerbung 
um das Siegleramt fcheint hauptſächlich Beranlaffung geworden 
zu fein dem ungemeffenen Haß gegen Bouquet, den der Kanzler 
Stguier im Laufe der Procedur an Tag legte. 

In feinen Hoffnungen den Surintendant zu beflärfen, wurde 
ihm beigebracht, der König fei des Willens, ihm den h. Geift- 
orden zu verleihen, der aber freilich mit der Generalprocuratur 
unverträglich, er wütde daher wohl thun, diefe Stelle abzugeben. 
Durch Eitelfeit bethört, verkaufte er um 1,400,000 Livres ein 
Amt, in welchem er beinahe unverleglih. inzig vor der Ges 
neralverfammlung der Kammern des Parlaments konnte der 
©eneralprocurator belangt werden. Die 1,400,000 Livres flofs 
fen, nach der Beftimmung des Betrogenen, in den Staatsfchag. 
Einige Tage fpäter erhob ſich der König nach der Bretagne, um, 
falls das nöthig fein follte, die Inſel Bellisle mit Gewalt 
einzunehmen; Kouquet, obgleich fieberfranf, befand fich in feis 
nem Gefolge. Unterwegs empfing der Surintendant wiederholte 
Warnungen in Betreff der Machinationen feiner Feinde, er 
wollte nicht daran glauben. Den Tag nad feiner Anfunft zu 
Nantes wohnte er, wie gewöhnlich, dem Cabinetsrath bei, er hatte 
aud eine zweiftündige Unterredung mit dem König. Er wollte 
nad feinem Quartier fahren, und D’Artagnan, der Capitaine yon 
den Mousquetaires, erfaßte ihn auf der Straße, und fündigte ihm 
Arreft an, 5. Sept. 1661. Er wurde nad Angers, nach Amboife, 
Bincennes, Moret, endlich in die Baftille gebracht, und erhielt 
eine Commiffion den Auftrag, über feine Vergehen zu urtheilen. 
Die Motteviffe nennt ihn einen großen Dieb. Bei dem Abbe be 
Choify heit ed: „C'étoit le plus grand, le plus hardi des dis- 
sipateurs, ce qu’on nomme vulgairement un bourreau d’ar- 
gent. Nicolas Fouquet avoit beaucoup de facilité auz af- 
faires, et encore plus de negligence. Savant dans le droit et 
meme dans les belles-letires, sa conversation dloit legöre, ses 
maniöres assez nobles; tl Ecrtvoit bien, et ordinairement la 
nuit, à la bougie, dans son lit, sur son sdant, les rideaus 
fermes. Il disoit que le grand jour lui donnoit de perpe- 


\ 


N 


Wicalaus Fonquet. 241 


iuelles distractions. Il se flatloit aisement, et des qu'il avoit 
fait un petit plaisir d un komme il le metloit sur le röje de 
ses amis, et le croyoit prei A se sacrifier pour sen service. 
Celte pensde le rendoit fort indiscrei. Il écoutoit paisible- 
ment et repondoit toujours des choses agreables, en sorle que 
sans ouvrir sa bourse il renvoyoit à demi coniens lous ceus 
qui venvient à son audience. Il vivolt au jour la journde; 
nulle mesure pour Favenir, se fiant aus promesses de quelques 
parlisans qui, pour se reudre necessaires, lui faisoient filer 
les traites, et tant quil fut surintendunt, il ne vit jamais 
deux millions ensemble. Il se chargeoit de’iout, et preien- 
doit dire premier minisire, sans perdre un moment de ses 
plaisirs. Il faisoit semblant de travailler seul dans son cabi- 
net à Saint-Mande, et pendant que toute la cour, prevenue 
de sa future grandeur, etoit dans son antichambre, louant d 
kaute voir le travall infatigable de ce grand homme, il de- 
scendoit par un escalier derob& dans un petit jardin oü ses 
uymphes, que je nommervis bien si je voulois, et meme les 
plus cachedes, lui venvient. tenir compagnie au poids de For. 
I crut &tre le maitre apres la mort du cardinal Muzarin, 
ne sachant pas loul ce que le cardinal mourant avoil dit au 
roi sur son chapitre. Il se flatleit d’amuser un jeune komme 
par des bagalelles, et ne lui proposoit que des parties de 
plaisir, se voulant meme donner le soin de ses nouvelles 
amours; ce qui deplut fort au roi qui, n’ayant alors de 
confident que lui-meme, se faisoit un plaisir du mysiöre, et 
qui d’ailleurs, allant au solide, vouloit commencer tout de 
bon à être roi“ Man glaubt die Schilderung eines Galonne, 
pder eines ähnlichen Taſchenſpielers aus der Neuzeit vor fich 
zu haben. j 

Tiefer denn ber Abbe geht ein fpäterer Schrififteller dem 
eigentlichen Sachverhältnig ein, „Louis XIV. eut d’abord beau- 
euop d’indulgence pour lui. Il lu fit entendre qu'il n’igno- 
roit pas ce qui #’dtoit pussd, mais qu'il ezigeoit de la fldelitd 
pour lavenir, et qu'il vouleit connaitre au juste ldiat des 
finances. Fougüei ne put se persuader qu'un prince de vingt 


ans se capliveroit pendant plusieurs heures de la journde pour 


Rhein. Antiquarius, 3. Abt). 2. Bd. 16 


949 Schänbernslufl, 


verifier des comptes, Il promit tout, et remit assez reguliere- 
'ment les dials au roi; mais le jeune monargue les communi- 
quoit le soir d Colbert, qui lui en montroit les vices et lui 
Jeisoit voir que parlout la depense dtoit exagerde et la re- 
‘cette diminude, afin de conserver les moyens de continuer la 
profusion. Le lendemain, le roi faisoit au surintendant de 
ces observations d’un home @ demi instruit, tant pour lui 
montrer qu'il ne perdoit pas son objet de vue que pour es- 
'sayer si @ force de tentatives il ne Tamöneroit pas d £ire 
'sincere; et toujours il le trouvoit fidele a son deguisement. 
:Celte epreuve dura plusieurs mois, Fouquet trompant, Louis 
'paraissant trompe, et Colbert Tempechant de Fetre. Dès que 
Fouquet fut arrete, tout le monde Fabandonna, et ceur memes 
‘qui avoient jusque-lä vecu de ses liberaliles eurent peine d 
'convenir quils leussent jamais connu. Il faut en escepter 
quelques-uns des gens de leitres et distinguer parmi eur la 
Fontaine et Pelisson; ce dernier fit pour lui d’excellens plai- 
doyers, et le premier la belle elegie qui commence par ces vers: 
Remplissez Pair de cris dans vos grottes profondes, 
Pleurez nymphes de Vaux &e. 

‘On bldmoit devant Turenne Temportement de Colbert contre 
Fouquet et on louoit la moderation qu’affectoit le Tellier. 
n „Zffectivement, dit Turenne, je crois que M. Colbert a plus 
d’envie qu'il soit pendu, et que M. le Tellier a plus de peur 
qu'il ne le soit pas.“ “ 

Höchſt lakoniſch drückt Ludwig XIV. fih aus, in ben an 
feinen Sohn gerichteten Memoiren, „Pour Fouquet Ton pourra 
trouver Elrange que, jai voulu me servir de lui quand on 
saura que des ce temps-lü ses voleries m’etoient connues; 
‚mais je savois qu'il avoit de lesprit et une grande connois- 
sance du dedans de I! Etat, ce qui me faisoit imaginer que, 
pourvu qu'il avoudt ses fautes passdes et qu'il me promit de 
se corriger, il pourroit me rendre de bons services. Mais ce- 
pendant, pour prendre avec lui mes süretes, je lul donnal 
‘dans les finances Colbert pour contröleur, homme en qui ja- 
vois toute la confiance possible, parce que je savois qu’il avoit 
beaucoup d’application, dintelligence et de probite.“ An Grün 


Nicolaus Fonquet. 243 


den, den Surintendant als einen ungetreuen Beamten in An⸗ 
klageſtand zu verſetzen, ſcheint es demnach nicht gefehlt zu haben, 
man zog es aber vor, als Hochverräther, als Rebell ihn zu bes 
handeln. Ein Aufſatz, worin er vor 45 Jahren bie Mittel 
beiprohen, wie er allenfalls gegen des Cardinals Mazarin 
Zorn fi vertheibigen könne, wurde das Fundament bes gegen 


ihn erhobenen Proceffes, der ganzer drei Jahre fich fortfpann. 


Das Urtheil Tautete auf Confiscation und Verbannung; neun 
yon den 22 commifjarifchen Richtern flimmten für den Tod; der 


- König verwandelte die Verbannung in ewiges Gefängniß, in 


der Citadelle Pignerol abzufisen. Im Laufe des Proceffes, im 
Lerker bewahrte der Gefangene die würdigfte Haltung, in wel⸗ 


her ihn zu beflärfen, die Tröftungen ber Religion fi vorzüglich 
wirkſam erwiefen. In mehren Schriften hat er die durch fie erweck⸗ 
‚ ten andächtigen Gefühle ausgefprochen, eine berfelben, Conseils de 
| In sagesse, ou Recueil des maximes de Salomon, Paris, 1685, 


‚2 Bde in 12°, wurde nach des Berfaffers Tod veröffentlicht, 


Er ſtarb, nachdem er 19 Jahre im Kerfer gefhmachtet, zu Pigne- 
tl, den 23. März 1680. Diefes Datum gibt namentlich die 
Sevigné; auf das genauefte mit der Familie befreundet, ihr 
unendlich werth durch die feltene Hingebung, mit welcher fie bie 
Verteidigung des von allen verlaffenen Mannes führte, mußte 
fie zuverläffige Wiffenfhaft um ein Ereignig haben, bas au 
damals noch für fie von der höchſten Bedeutung. Aller Begrüns 
dung entbehrend feheint mir Daher Die Angabe, es fer Fouquet der 
Mann mit der eifernen Masfe geweſen, vorausgeſetzt ‚daß es 
einen ſolchen gegeben habe. 

In den Portraits de la Cour wird Fouquet folgendermaßen 


geſchildert: „Il est de famille beurgeoise et pretend que TVori- 


gine en est noble. Il est parvenu dä la fortune par le moyen 
de son frere, Tabbe Fouquet, qui estoit dans les bonnes gräces 
du cardinal Mazarin. Il avoit emprunte de largent pour 
ücheter la charge de procureur general, et en cette qualitd 
il arendu quantite de bons services au cardinal dans le parle- 
ment, et mesme pour tenir la main a la police de Paris. II 
estoit fort ezact â poursuivre ceux qui escrivoient contre ce 


16 * 


g44, Schanbornslufl. 


ministre. Il n’a pu ndantmoins, par tous ses services, 8 @s- 
empier de ses soupgons, ce qui lobligea ä escrire le projet 
guw'il a laise de se defendre de luy, sl en estoit attaque. 
La faveur du cardinal luy avoit procurd la charge de sur- 
intendant, dans laquelle il demeura seul apres la mort de 
monsieur Servien, avee qui il Tavoit parlagee un temps. 
VIIII u lesprit grand et vaste, et le eoeur le plus magni- 
fique du royaume ; sa haute ambition luy avoit fait prendre 
pour devise: Quo non ascendam? Et on a creu que sa pen- 
see estoit de s’elever au ministere; mais le roy, ne voulant 
point souffrir qu’un sujet s’eleve d tant d’auturitd durant son 
regne, et.se la reservant très justement d luy, le fist arrester 
il y a quelques anndes aux voyages de Bretagne, ei le fit 
emmener & Vincennes et dela d la Bastille. Il estoit liberal 
“avec profusion, et on laccuse d’avoir depense une grande 
quantite d.argent pour ses plaisirs et pour regaler ses mais- 
tresses. Om laaecuse encore d’avoir donne beaucoup de pen- 
sions sur grands de la cour pour les gagner à son party, et 
qu’il avoit une epinion qu'il n’y avoit aucune fidelite à Ves- 
preuve de cinquanid mille escus. On a veu encore un luse 
ercessif duns ses bastimens,' ses meubles, ses curiosites et ses 
carrosses, et une espouvaniable profusion dans ses banqueis; 
tesmoin la collation qu'il fit au roy dä Vauz-le-Vicomte, ou 
il employa qguarante mille escus au dire de tout le monde. 
Il a fait encore de grandes liberalites aux Jesuites, aurquels 
il æ donnd une bibliotheque, mille livres de rente annuelle 
pour lentretenir, ei quatre-vingt mille livres pour un basti- 
ment dans leur college“ 

In einer erften Ehe mit Louife Fourchée, Frau auf Due 
hillae, gewann Nicolaus Fouquet die einzige Tochter Maria, 
nachmalen vermählte Herzogin von Charoſt, in der zweiten Che 
mit Maria Magdalena be Eaftille-Billemareuil wurden ihm drei 
Söhne und eine Tochter geboren. Die Tochter heurathete den 
Marquis von Montfalez, 1683. Die Söhne hatten alle drei 
unter des Vaters Unglück zu leiden, wie das auch ber Fall mit 
ihrer Mutter, mit ihren Oheimen, mit ihrer Großmutter, mit 
der ganzen Familie. „Ce matin,“ 21. Dec, 1664, fihreibt die 


Nicolaus ouquet. | 945 


Stvigne, „ce matin le roi a envoyé son chevalier du Guet a 
mesdames Fouquet, leur recommander de sen aller toutes 
deur @ Montlucon en Auvergne ; le marquis ei la marquise 
de Charost & Ancenis, et le jeune Fouquet a Joinville en 
Champagne. La bonne femme a mandd au roi qu’elle avoit 
72 ans, qu’elle supplioit S. M. de lui donner son dernier fils 
pour l’assister sur la fin de sa vie, qui apparemment ne se- 
roit pas longue. On a obtenu que la mere n’iroit qu’au Parc, 
chez sa fille qui en est abbesse.“‘ — ‚‚Elle,““ berichtet St. Simon, 
„est encore celebre @ Paris par sa piété et ses bonnes veu- 
vres, et par le courage et la resignation avec. laquelle elle 
supporia la chute du surintendant son fils, et la disgrdce de 
toute sa famille. Elle faisait des remedes, pansait les pau- 
vres, et on a encore des onguents tr&s-uliles de son inven- 
tion, et qui porient son nom. Klle mourut en 1681, d 91 
ans, dans les dehors du Val-de-Grdce oü elle etait relirde, 
aimée el respectde gendralement.“. Auch ihre Schwiegertochter, 
die Surintendante, hat fi durch die Weife, in welcher fie bes 
Gemahls, der Familie Geſchick trug, geheiligt. In ihrem flilfen 
Aufenthalt zu Pomé, unweit Moulins, wurde fie von der Se⸗ 
vigné beſucht (1676). „Toute la saintetE du monde est ici; 
cette maison est agreable, la chapelle est ornde. J'ai laisse 
à Pom& les deux saintes,“ Mutter und Tochter. Jene farb zu 
Paris, Ende Der. 1716, „duns une grande retraite et dans 
un ezercice continuel de bonnes oeuvres loute sa vie. 

„Les trois fils furent M.de Vauæ, fort honnete et brave 
komme, qui a servi volontaire, d qui le roi permettait d’aller 
a la cour, mais qui jamais n’a pu Elre admis û aucune sorte 
demploi. Je lai vu estime et considere dans le monde. II 
avait Epousd la fille de la celebre Madame Guyon (die tiefe 
Myftiferin, Fendlens geiftreihe Freundin), ei mourut sans en- 
fants en 170%. Le chevalier de Sully, devenu duc et pair 
par la mort de son frère, Eepousa la veuve par amour, et ne 
declara son mariage que Jort tard, & cause de la duchesse 
du Lude, sa tante, qui en fut outrde, principalement parce 
qu’elle n’dialt pas en etat d’avoir des enfants. Elle etait fort 
delle (wie ihre Mutter), vertueuse et avait beaucoup d’esprit 


246 Schönboraslafl. | 
. ) 
et d’amis. Le second flls fut le pöre Fouquet, grand direc- | 
teur. ‘et: cölebre preire de l’Oratoire ; le tröisiöme, M.de Bell- | 
isle qui, non plus que son frere, n’a jamais pu obtenir aucune 
sorte d’emploi, qui n’a jamais paru à la cour, et presque aussi 

peu dans le monde, fort connu @ cause de son fils. Il etait 
sauvage au dernier point, et ndanmoins de bonne compagnie, | 
mais battu de ses malheurs. | 

„Je ne sais oü ıl vit une fille de M. de Charlus, père du 
duc de Levi. Ils se plurent peut-@tre un peu trop; on les 
it marier, on ne leur donna rien, et oh ne les voulut point 
voir. Ils s’en allerent vivre ü Agde, oà ils ont passe nombre 
d’anndes au pain et au pot de l’eväque, leur oncle. Ils re- 
vinrent enfin & Paris ches madame Fouquet, leur mere, dans 
ces me@mes dehors du Val-de-Gräce, qui les nourrit tant quelle 
vecut, apres quoi ils eurent quelqgue peu de bien. Longlemps 
apres ils recueillirent Bellisle, et tout ce qui avait été sauvd 
des debris du surintendant, par la mort de M. de Vaus, laind 
des irois, et du pere Fouquet, le second. Ils eurent deux 
fils et une fille qui, aprös Tavoir did longtemps, epousa enfin 
le fils aind de M. de la Vieuville et de.la soeur du comte de 
la Mothe-Houdancourt, Ce la Vieuville etait un néant obscur, 
qui bientöt apres la laissa veuve avec deux füs. 

„Les deux fils, freres de cetie dame de la Vieuville, por- 
terent le nom de comte et de chevalier de Bellisle. Jamais 
le concours ensemble de tant d’ambition, d’esprit, d’art, de 
‚souplesse, de moyens de s’instruire, d’application, de travail, 
dindustrie, derpedients, d’insinuation, de suite, de projeis, 
dindomptable. courage, d’esprit et de coeur, ne s’est si com- 
pldiement rencontre que dans ces deus freres, avec une union 
de senliments et de volontes, c’est trop peu dire, une iden- 
titéâ entre eux inebranlable: voilä ce qu'ils eurent de com- 
mun. Liaine, de la douceur, de la figure, toutes sortes de 
langages, de la gräce a tout, un eniregent, une facilite, une 
liberte à se relourner, un air nalurel a tout, de la gaield, 
de la legerete, aimable avec les dames et en bagatelles, pre- 
nant Uunisson avec hommes et femmes, et le decouvrant 
d’abord.. he cadet étuit plus froid, plus sec, plus serieus, 


\ 


Per Maerſchall von Bellisle, 247 


beaucoup moins agreable, se permetiant plus, se ooniruiguans 
moins, ei paraissant moins aussi, peut-Eire encore plus <a- 
pable d’affaires et de details domestiques, qu'il prit plus parti- 
culierement, tandis que lalnd se jeta plus au dehors: haineus 
en dessous et implacable, laind glissant aisement et pardon- 
nant par temperament; tous deux solides en tout, marchant 
dun pas egal à la grandeur, au commandement, a la pleine 
domination, aus richesses, à surmonler tout obstacle, en un 
mot, à regner sur. le plus de creatures qu'ils sappliquerent 
sans reldche d se devouer, et à dominer despotiquement sur 


' gens, choses et pays que leurs emplois leur soumirent, et à 


gouverner gendraus, seigneurs, magistrats, ministres dont ıls 


. pouvaient avoir besoin, toutes parties en quoi is reussirent 


et excellörent jusqu’a arriver @ leurs fins par les puissances 


qui les craignaient et qui me&me les haissaient. 


„Cet aine, grand, bien fait, poll, respectueuz, entrant, 
insinuaut, et aussi honnete homme que le peut permeltre 


_ Tambition quand elle est effrende, et telle dtait la sienne, 


' wait precisement la sorte d’esprit dont il avait besoin pour 


de servir. Il n’en voulait point montrer, il ne lui en parais- 


sait que pour plaire, jamais pour embarasser, encore moins 
pour effrayer ; un fonds nalurel de douceur et de complal- 
sance, une juste mesure entre l’aisance dans toutes les ma- 
niöres et la retenue, un art infini, mais loujours cache dans 
ses propos et ses demarches, une insinuation delicate el rare- 


ment apergue; une attention et une precaulion continuelle 
' duns tous ses pas et dans ses discours, jusqu’au langage des 


femmes et au badinuge leger, lui ouvrirent une iufinite de 
portes. Il ne negligea ni les cocheres, ni les carrees, ni les rondes. 
U voulait plaire aur mältres et aux valets, à la bourgeoise et 
au pretre de paroisse ou de sdminaire quand le hasard lui en 
Jaisait renconirer, @ plus forte raison au general et à son 
dcuyer, aus ministires et aux derniers commis. Une accor- 
tise qui coulait de source, un langage loujours pret et des 
langages de toutes les sortes, mais tous pards d’une naturelle 
umplicite, affable aux officiers, essentiellement officieux, mais 
avec choix et relativemeut ô soi, et. beaucoup de valeur sans 


248 Shönbsrnsiufl. 


aucune ostentation: tel fut Bellisle tant qu'il demeura in 
minoribus; sans se dementir en rien de ce caraciere, il le 
deploya davantage d mesure que la Jortune Televa. Ce quil 
pratiqua dans tous les tems de sa vle Jut une application 
infatigable & discerner ceuz dont il pouvalt avoir besoin, d 
ne rien oublier pour les gagner et apr&s les infatuer de lui 
avec les plus simples et les plus douz contöurs, a en lirer 
tous les avantages qu’ü put, et äne jamais faire un pas, une 
visite meme, une partie ou un voyage de plaisir que par 
choir rdflechi, pour lavancement de ses vues et de sa for- 
tune, et chemin faisant, appliyue sans cesse d s’instruire de 
tout sans qu'il y part le moins du monde. 

„Le chevalier de Bellisle avast bien des conformitds aree 
son frere, et encore plus de dissemblances. Sa figure n'dtail 
pas si bien, et Fuir ouvert et naturellemeni simple et libre 
dans Taine, manquait au cadet. Il avait toutefois Ventrant 
et Finsinuant de son frere, mais il ne s’annongail pas dans 
son maintien comme dans laine- Tl fallait qu'il commengdt 
ä parler pour le sentir, encore lorsyu'il s’agissait ou d.affaires 
ou de gens & qui il importait de ne pas deplaire, car pour 
le gros, il edtait naturellement cynique, peu complaisant, 
contredisant, mordant; mais avec ceur qu'il croyait desoir 
menager, et il savait enmenager beaucoup, il etait ausst 
maniable et aussi complaisunt et mesure que son fröre, sans 
toutefois que cela parüt couler de source, ni aussi naturel 
qu’a laine, beaucoup plus d’esprit et d’Etendue que lui, peut- 
Etre aussi Tesprit et les vues plus indigestes et nulle douceur 
dans les moeurs que forcee, et on lapercevait ; plus de jus- 
tesse neanmoins et de discernement que son frere et incom- 
“ parablement plus difficile à tromper, peut-@ire aussi moins 
parfaltement honnete homme, mais beaucoup plus capable et 
intelligent en touies sortes d’afjaires, et rancunier implacable, 
ce que le frere n’avait pas. Le chevalier avatt aussi le jar- 
gon des femmes, mais point de liant, quoique plus de tour 
et d’adresse ô decouvrir ce qu'il voulait savoir et toute Fap- 
plication possible à sinstruire et de toutes, et des differentes 
parties de la guerre;; il ne voulait que rien lui dchappdt, et 


Per Marſchall von Velliole. 348 


comme son fröre, ni pas ni discours, qui n'eit sa vue parti- 
culiöre, et toules les vues tourndes ü une ambition plus vaste, 
et, s'ıl était possible, plus effrende que celle de son frere et 
tous deux d’une suile que rien ne derangeait et d’un courage 
desprit invincible. Celwi-ci avast plus de ruse et de profondeur 
que Tautre, ei moins capable que lui encore de se rebuter et 
de demordre. Il avait un froid de glace, muis qui en dedans 
eachait une disposilion toute contraire, et un air compasse 
et de sagesse arrangee qui nattirailt pas. Avec aulant de 
valeur que son frere et possedant comme lui tous les details 
militaires et de subsistance ei de depöt, il le surpassait peut- 
&tre en celui de toule espece d’arrangemenis; personne n'a 
eu comme eus lart imperceptible d’amener de loin et de pres 
les hommes et les choses d leurs fins, et de savoir profiter de 
tout. Le cadet avec un phlegme plus obstind que son frere, 
dtait bien plus propre que lui @ gouverner et @ regler les de- 
penses et l’economie domestique, d dresser des memoires d’af- 
faires d’iinteret, @ conduire dans les tribunaux celles quil y 
fellait porter, et @ leur donner le tour et la subtilitd dont 
elles pouwvaient avoir besoin ; enfin la presence d’esprit et la 
souplesse & l’altaque et a la defense judiciaires, avec le style 
eloguent, coulant et net. Tous deur enfin sans cesse occupds 
et parmi cette application conlinuelle, vivement et continuel- 
lement les yeux ouverls d se faire des prutecteurs, des amis 
et des crealures avec choiz et tr&s-mesures dans leurs parolea 
et ne se lächant jamais dans les entreliens qu’avec grande 
mesure et grand choir. 

„Lunion de ces deux freres ne fit des deur qu'un coeur 
et une dme sans la plus legere lacune, ei dans la plus parfaite 
dndivisibilitd et tout commun entre eus, bien, secrels, conseils, 
sans parlage ni reserve, m@me volonte en tout, mêmo auto- 
ril& domestique sans partage, loute leur vie. Le cadet, moins 
à portée que lalne, ne songea qu'ò sa forltune, et soccupa 
principalement du domestique et des uffaires de la maison, et 
Vaind du dehors; mais tout se röfera toujours de l’un a lauire, 
et tout fut conduit comme par un seul. On ne saurait ajou- 
ter au respect, a lamitie, aux söoins, à laltachement qu'ils 


280 ° Schöubsensisl; -- 


eurent toujours pour leur pöre, et d la confiauce qu’ils eurent 
pour. leur mere, qui trouverent enfin le bonheur par eus. 
Loaine, fort sobre; le cadet aimait d souper et à boire le 
petit coup, mais sans eroes et sans prejudice aur occupations 
serieuses auxquelles il avast. toujours l’esprit bande. 

„Ils se truuvaient cousins germains des ducs de Charost 
ei de Levi, issus de germains de la comtesse d’ Harcourt, mere 
de M. de Guise et des duchesses de Bouillon et de Richelieu, 
et cousins germains de MM. de Crussol-Montsalez. Leur möre 
dtait une femme qui avast plus d’esprit qu'elle n’en paraissait, 
et encore plus de sens, avec beaucoup de douceur et de mo- 
destie. Lille et son mari vecurent toujours intimement, et 
leurs enfants leur furent loujours enlierement allaches. M. 
de Leri qui au fond etait bon homme, eut pilie de sa tante; 
madame de Levi encore plus. L’un et lautre la prirent en 
amitie, ei par elle sa famille. Cette affection alla toujours 
croissant, en sorte que madame de Levi, qui dtait vive et 
ardente, se serait mise au feu pour eus. On a vu souvent 
dans quelles liaisons madame de Saint-Simon et moi vivions 
avec lui et avec madame de Levi, et c’est ce qui la forma 
entire les Bellisle et nous, qui de la devint apres directe. 
L’aine avait epouse une Durfort-Sidrac, avec qui ils vecurent 
tous & merveille et avec une paltience surprenante. Ü'etait 
une maniere de folle, qui mourut heureusement ‚wur eu 
(1721), et n’eut point d’enfants. 

„Il servit quelgue tems capitaine en Italie. La et par- 
tout oü il servit depuis, il sappliqua @ connailre ce qui va- 
lait le mieur en chaque partie militaire: troupes, partisans, 
officiers gendraur, arlillerie, genie, jusyqw aus vivres, aux de- 
pöts, aux munitions, à faire sa cour a ces meilleurs-la de 
chaque espece, et @ les suivre pour sen faire aimer el in- 
siruire. Le rot, qui connaissait encore yuelyque mesure enire 
les gens, ne put refuser enfin un regiment a Bellisle; mais 
el lui en refusa diinfanterie et de cavalerie. Il lui permit 
den acheter un de dragons (1708), o& les gens d’une certaine 
qualitd ne voulaient pas entrer alors, si ce n’etait tout d com 
dans les deux charges superieures. Bellisle, yui avast dejä 





— — — — — — — 


Ber Marſchal von Pellisle. 251 


capt6 des gendraus, non content de faire les campagnes en 
komme qui ne menage rien pour voir tout et apprendre, pas- 
sult apres les hivers @ visiter les differentes frontiöres, ceus 
qui y commandaient, & 8'y instruire de tout ce qu’il pouvait; 
ei sil y avait en Italie ou ailleurs un reste de campagne 
plus longue, il y allait Üachever, volentaire, toujours eher- 
chant @ apprendre tout et de tous. Cette volonie linstrussit 
en effet beaucoup, le fit connaltre @ toutes les iroupes, et lui 
donna de la reputation. On a vu qu'il en acquit beaucoup 
à la defense de Lillo, sous le marechal de Boufflers qui le 
vanta fort, et qu'il en sortit brigadier, fort dangereusemenut 
blesse. La blessure se rouvrit la campagne suivante en Alle- 
magne. Il fut porid a Saverne. Il y fut longtemps, il sut 
en profiter, et il devint intime du cardinal de Rohan et de 
tous les Rohan, et lest toujours demeure depuis. Son frere 
en sa maniere se conduisit et s’instruisit avec le m&me soin, 
ei eut ä la fin un brevet de colonel de dragons. Laine fit 
pourtani si bien qu'il oblint Tagrement du feu roi d’acheter, 
en 1709, d’Hautefeuille, la charge de mestre de camp des 
dragons, qui a die le premier pas de sa forlune.“ 
Geboren zu Billefranhe in Rouergue, 22. Sept. 1684, bes 
warb fi) Ludwig Karl Auguft Fouquet nach längeren Dienftjahren 
um ein Cavalerieregiment. „Al fut refuse avec aigreur. Le roi 
dit que ce serait beaucoup encore s’il lui accordait ,„ avec 
le temps, l’agrement d’un regiment de dragons.“ Obriſt eis 
ned Dragonerregiments erhielt er, auf des Marfchalls von 
Boufflers Empfehlung, die Erlaubnig zum Anfauf der Stelle 
eines Mestre general des dragons. Sie koſtete ihn 280,000 
Livres. Marechal.de-camp ven 8. März 1718, erfaufte er ben 
31. März 1719 das Gouvernement von Hüningen. Am 2. Oct. 
1718 hatte er eine für ihn ungemein wichtige und vortheilhafte 
Angelegenheit, den Austaufch der Infel Belle⸗-Isle, fo Tediglich 
der Suzerainität von Frankreich unterworfen, durchgeſetzt, in 
einer Weile, die eben fo charakteriftifch für fein Gefhi in der 
Behandlung folder Gegenftände, als für bie Leichtfertigfeit, 
mit welcher dergleichen zu Zeiten in Frankreich zum Abſchluß 
gebracht werden. „Bellisle avait fait en Flandres Connais-. 


252 " Schönbsrnstufl, 


sance avec le Blanc, qui se tourna en la plus intime amitie 
et confiance. Le Bianc l'introduisit aupres de l’abbe Dubois 
chez lequel il fut bientöt en privance et en apparence de con- 
fiance. Il fut bien aussi avec le garde des sceaux et peu à 
peu avec beaucoup d’autres. M. le Duc (de Bourbon) le prit 
en grande amitie, tellement que Bellisle profita de cette situn- 
tion pour reveiller les anciens projets de l’echange de Bell- 
isle. Avant de rien proposer la-dessus, ü s’etait assure de 
Law par labbe Dubois et le Blanc, et du garde des sceaux 
par les memes. Il pouvait compter sur M. le Duc et sur le 
comte de Toulouse, qui furent toujours de ses amis declares. 
Il se saisit de Fagon qui avait une autorite dans les finances, 
qui alla toujours en croissant, et qui toute sa vie lui fut 
totalement devoue; ul s’assura encore de plusieurs autres. Il 
pvintait des lors assez pour attirer les yeux, et il se trouva 
gens du plus haut parage qui trouverent qu'il croissait trop 
vite, qui voulurent l’arreler de bonne heure, et que ses hom- 
mages ne purent emousser. Je ne sais par oü la vieille cour 
Vavait pris en grippe de si bonne heure, et si loin de pouvoir 
meme esperer d’offusquer. Les marechaux de Villeroy, Villars 
et Huxelles furent les principaux a le traverser , quoique la 
marechale de Villars emoussät quelquefois son mari sur cet 
eloignement sans cause. Neanmoins l’echange parut utile au 
roi, et Bellisle fit si bien, qwil se le rendit prodigieusement 
avantageux. Al eut le comte de Gisors, Vernon et tous les 
domaines du roi qui en dependent, en sorte qu’il' eut pour le 
moins autant de terres que M. de Bouillon en avait par les 
comtes dÜEvreux et de Beaumont, mais avec un revenu beau- 
coup moindre, parce que les forets d’Evreux etc. avaient eid 
donnees a M. de Bouillun, et que Bellisle n’eut pas celles de 
ce qui lui fut cédé ; ce fut pour quelque sorte de compensa- 
tion qu’on lui donna beaucoup de domaines en Languedoc et 
de grands revenus. 

„‚Cet echange ne se conclut pas tout d’une voix des com- 
missaires charges de le regler. Les dificultes que quelques 
uns firent, arreterent ; le monde cria qu’on lui donnait de 


-- _ — — — — — | 1 


Per Serial von Pellisle. 255 


vrais elats pour une Ile comme deserte et inutile au roi qui y 
avalt un gouverneur, un ciat-major et une garnison. Il ne, 
fallut pas peu de temps, de patience et d’adresse pour vain- 
ere ces difhcultes. Une autre s’eleva encore par les mouve- 
ments que se donnerent un grand nombre de gens distinqgues 
de la noblesse et de la robe qui relevaient du roi, et qui se 
trouverent tres-offenses d’avoir a relever desormais de Bellisle 
qui exercerait sur eux tous les droits du roi et avec une ri- 
gueur en usage entre particuliers en tout genre ulile, de chasse- 
et honorifique, qui sont peu perceplibles avec le roi. Ces 
nouveaux cris arreterent encore, on Irouvait Bellisle bien le- 
ger pour &ire seigneur d’un domaine aussi etendu, aussi bril- 
lant, aussi noble, et pour l’exercer en plein sur tant et de tels 
vassaux. Le detroit fut encore long et dificile a passer. Mais 
Vadresse des Bellisle en vint encore à bout sans le plus leger 
retranchement ni modification. 

„La chose passee vint au conseil de regence. Les mard- 
chanx, soutenus du duc de Noailles et de Canillac, s’eleverent; 
le prince de Conti les appuya. Quoique les contradicteurs 
fissent le moindre nombre, leur poids arreta M. le duc d’Or- 
léans: il dit qu'il fallait remeitre la decision a une autre 
fois. Bellisle, en homme avise, ne voulut pas presser l’afjaire, 
pour laisser refroidir les esprits ; mais six semaines apres, en 
entrant au conseil de regence, et auparavant averti par Bell- 
isle, M. le Duc me douna le mot et je le donnai tout bas au 
comte de Toulouse pendant le conseil. On n’y dit pas un 
mot de l’affaire. Comme il se levait, M. le Duc dit « M. la 


| due d’Orleans, deja debout, s’il ne voulait pas finir l’echange 


de Bellisle ; et, me regardant, ajouta: „‚‚Les commissaires 
en sont d’avis, presque tout le monde en a Ele d’avis ic.“ 


‚ de repondis que ce n’etait pas la peine de se rasseoir, puisque 


ia chose avait passe ici deja a la pluralite. Le comte de 


Toulouse ajouta : ‚Mais cela est vrai.“““«“ M. le Duc re- 


pri, en regardant en riant M. le. duc d’Orleans: „,,,Mon- 


sieur, vous voulez aller a l’opera et moi aussi. Il est plus de 
cing heures ; prononcez done, et allons-nous-en.“‘* Tout.cela 


254 Schönbarnsinfl. 


‘se fit debout, à la surprise de tout le monde, sans que les 
contradieteurs dans l’autre conseil eussent le temps de reprendre 
leurs espriis, on osassent se prendre de bec avec M. le Due 
et le eomte de Toulouse, et cruyant peut-Eire que cela se fai- 
sait de eoncert avec Äl. le duc d’Orleans, qui n’en suvait pas 
un mot, et qui dans sı surprise se laissa entrainer: „,‚Oui, 
dit-il, il me semble que cela a passe,‘““‘ regarda le conseil tout 
autour, qui ne souffla pas, et ordonna a la Vrilliöre d’ecrire 
sur le registre du conseil que cela passait, et de faire expe- 
dier l’echange et s’on alla. M.le Duc et moi en rimes en sor- 
tunt du conseil; j’en avams deja ri avec le comte de Toulouse. 
Un jugement si leste ne plut a persorine du conseil, moins en- 
core aux contradicteurs, qui grommelerent et dirent que c’dtait 
une moquerie. 

„Bellisle fut aussi bien servi dans la promptitude de l’ex- 
pedition. Il s’etait fait des amis au parlement qui ne laissa 
pas de se rendre difhielle a l’enregistrement pur et simple; mais 
il le fit sans trop de delais. La chambre des comptes fut plus 
lonque ; mais Bellisle a la fin en vint a bout: toutefois, Ü 
etait bien loin d’etre au bout de ses peines, malgre cette con- 
sommation.““ Behufs des Austauſches wurde die Infel fünfmal 
abgefhägt, und in dem böchften Anfehlage ihr jährliher Ertrag 
zu 81,450 Livres berechnet, während die Chambre des comptes 
nur 59,382 Livres zugeben wollte. In dem Feldzug bes 3. 
1719 diente Bellisle unter den Befehlen des Herzogs von Berwick 
gegen die Spanter, namentlich bei der Belagerung von Fuen⸗ 
terabia. Bereits war er fo bedeutend geworden, daß Duboig, 
der Carbinal, ihn zu fürchten begann, und. feiner Beforgniß 
fh zu entledigen, mit der Marquiſe von Prie, der Mais 
treffe bes Herzogs von Bourbon, fi) zum Verderben bes aufs 
firebenden Mannes einigte. Der waren Bellisle und der mit 
ibm auf das innigfte befreundete Staatsfecretair fe Blanc, von 
"wegen ber Anhänglichkeit, die fie ihrer Mutter bezeigten, auf 
ben Tod verhaßt geworden. Als den Grund der Feindfchaft der 
Marquife gegen Le Blanc, bie ſich zeitig auf feinen Freund 
ausbehnte, berichtet Mathieu Marais von einem Liebeskummer, 


" Der Marſchal von Belisle. ass 


„Madame de Prie, aimee de M. le Duc, Fétait aussi et Pavait 


ete de M. le marquis d’Alincourt. Elle voulait raveir ses let- 
tres au marquis, et pria M. le Blanc de faire en. sorte de les 
retirer ; il le lui promit, et les retira effectivement avec bien 
de la peine, puis les porta avec d’autres papiers dans son 
chupeau chez madame de Pleneuf (mere de madame de Prie) 
avee qui il était tres bien. Madame de Pleneuf, curieuse 


. comme une femne, se jette sur les papiers. Le ministre amou- 


reux les liche, elle voit les leltres de sa fille avec qui elle 


. etatt brouillee, s’en saisit, paie ce vol & son amant en femme 


galante, et par une trahison abominable elle porte ces lettres 
aM. le Duc, qui voit clairement l'infidelite de sa maitresse 


et la lui reproche. La maitresse furieuse jure de perdre le 


ministre. Le prince pardonne. @ sa maitresse, entre dans sa 
eolere, et tous deux, joints ensemble, le vont faire perir s’il 
pewvent.““ Man benugte die Fritifche Lage, in welche la Jon⸗ 


chere, der Tresorier de lextraordinaire des querres, gerar 
ten, um gegen die beiden Freunde eine Anklage vorzubes 
‚reiten, „La Jonchere etait dans la confiance de le Blanc, 
qui Favait pousse et protege, et qui s’en etait servi, lui et 


Bellisie, en bien des choses. Bellisle passait pour avoir 


trop utilement profit& de l’amiti de le Blanc, et pour avoir 
 infiniment tire. des mandges qui se pratiquent dans les choses 
 financieres de la querre, et en particulier de la Jonchere, 


dans les comptes, les affuires et le credit duquel cela avait 


cause le plus grand: desordre sous les yeux et par l’autorite 


de le Blanc.“ 


Die fi für Bellisle intereffirten, wünſchten, er möge ſich 
buch Flucht nad) dem Ausland dem Bereiche feiner Gegner 
enbiehen. Er verfchmähte den mwohlgemeinten Rath. „Pubois 


 ponssait donc l’affaire de la Jonchere a son gre, sous le pre- 
texte de V’ardeur de M. le Duc a perdre le Blanc et Bellisle; 
et Bellisle s’y trouva embarrasse par les depositions de la 


Jonchtre et de ses commis arreies avec lui. Conches et Se- 
chelles, maltre des requötes, fort distingue dans son metier, 
ami intime de le Blanc et Bellisie, y furent aussi compris. 


2356 Schonbornoluſt. 


Il furent tous trois obliges de comparaltre devant les com- 
missaires des malversations, puis devant la chambre de l’Ar- 
senal. Als y-furent interroges plusieurs. fois. Bellisle y de- 
elara qu'allant servir sous le marechal de Berwick dans le 
Guipuscoa et dans la Navarre espagnole, il avait donnd ses 
billets de banque et ses actions a la Jonchere pour s’en ser- 
vir, et les lui rendre apres en divers temps. Bien n’etait 
moins reprehensible: on ne trouva rien de plus mal dans les 
deux autres. Cela piqua, mais ne fit qu’encourager la haine 
a chercher, & tücher a ne se point rebuter,. et à les tenir oe- 
pendant dans des filets, mais sans pauvoir encore aller plus 
loin ni les arreter.“ Dafür hat man jedoch ebenfalls Mittel 
gefunden, „Le comte de Belle-Isle,““ heißt es. in des Mathieu 
Maraid Journal de Paris, März 1724, „qui se croyait im- 
pr enable, a ete aussi pris comme les autres, il a.ete arretie 
avec grand nombre d’archers pour lui faire plus d’konneur,.“ 
Ferner Tieft man daſelbſt, 10, April 1724: Le bruit s’est uni- 
versellement r&pandu que le proces de la Jonchere elait juge. | 
Il est admoneste, condamne a payer au Roi deux millions kait 
sent mille livres; liendra prison jusqu’au paiement et en cas 
d’insufisance de ses biens, le comte de Belle-Isle paiera six 
cent mille livres: le chevalier. de Belle-Isle et Castanier hors 
de cour; les Päris, bien loin de leurs 18 millions, et tous les 
auires crimes evanouis. Ce qui produit la condamnalion des 
six cent mülle livres contre le sieur de. Belle-Jsle, c’est que 
‘des douze cent mille livres pretees a la Jonchere, il en avait 
emprunté six cent mille livres, et paye a Castanier, et son 
memoire mäme le dit. Ce jugement s’est trouvd vrai, mais. 
personne pour cela n’est sorti de la Bastille. M. le Blanc et 
M. de Belle-Isle y restent toujours, et on cherche toujeurs 
sous main la preuve des assassinats. Le sieur Moreau de | 
Sechelles ,: s. maitre des requéêtes, a seulement etE rendu a s@ 
famille, qui en repond.‘““ 
Am Ende mußte Bellisle der Haft in der Bafile ent⸗ | 
laſſen werden 1726, doch war bie Gabale mächtig genug, um ihn 
auf feine Güter ins Exil zu fhiden, und ihn, fo ange der 


Der Miarſchall von Pellisle. 887 


Herzog von Bourbon premier ministre, in aller Weife zu neden. 
„Muis enfin M. le Duc fut deplace, et les ennemis de M. de 
Belliste enfermes et exiles a leur tour.“ Bellislę felbft wurde 
durch feinen alten Freund, den Gardinal von Fleury zurüdges 
rufen. Fleury, von jeher mit ber Herzogin von Levi, Tante vor 
Bellisle, eng befreundet, hatte diefe Freundfchaft auch dem Nef⸗ 
fen zugewendet, wie fih das in des Cardinals Flucht ergab. 
„Der batte fih aus Mißvergnügen den 10. Aug. 1722 heims 
ih vom Hofe entfernt, da man nun Niemanden wufte, der 
deffien Aufenthalt beffer ausfundfchaften würde, als den Staats⸗ 
rath Te Pelletier des Forts und den Grafen von Bellisle, wurs 
den fie von dem Hofe abgeorbnet, ihn zu fuchen. Sie fanden 
ihn bey feinem alten Sreunde, dem Herrn von Basville, auf 
deſſen Luſtſchloſſe Courfon, Fonnten ihn aber nicht eher bewegen, 
nad) Berjailles zurüde zu Fehren, als bis der König felbft einen 
zaͤrtlichen Brief an ihn ſchrieb, worauf er fi wieter bey Hofe 
einfand.” Auf den Cardinal-Miniſter gewann Bellisle allgemach 
grenzenloſen Einfluß, als welder ſich abfonderlich in der Anges 
‚ legenheit des Chevalier Folard offenbarte. Der fcharffinnige 
Commentator der Kriege des Altertbums war als einer bey An⸗ 
beter des wunderwirkenden Diaconus Päris in die Baſtille ge- 
ſchickt worden, und verdanfte einzig der Vermittlung von Bells 
isle feine Freiheit. Auch der andern Freunde vergaß diefer nicht. 
Namentlich wurde durch feinen Credit Te Blanc in das ihm ent- 
jögene Amt wieder eingefegt, wogegen Bellisle bis zu le Blanes 
Tod, 1728, das Kriegsdepartement beherrſchte. Ä 
Wittwer ſeit 1721, vermählte Belliste fih den 15. Det. 1729 
mit des Marquis von Granceg Wittwe, Maria Kafimire Terefa 
von Bethune; Generalstieutenant den 23. Der. 1731, erhielt 
er den 17. März 1733 das Gpuvernement von Stadt und Kitas 
delle Meg und dem Lande Meffin. In Folge biefer Stellung 
wurde ihm, nachdem die Kriegserflärung gegen ben Kaiſer erfolgt, 
der Auftrag, das Herzogtbum Lothringen zu befegen. Er occus 
pirte Nancy ben 13. Det. 1733 umd erhielt im Winter dag 
Commando in den drei Bisthümern. Bei Eröffnung des Keld- 
zuges von 1734 fiel er an dev Spige eines Corps von -15,000 


Rpsin. Antiquarius, 3. Abth. 2. Bd: 17 


258 Sqonbornsluſt. 


Mann dem Trieriſchen ein. Am 8. April wurde die Stadt Trier 
beſetzt, und das ganze Erzbisthum, bie auf Coblenz und Ehren⸗ 
breitſtein mit Contribution belegt. Am 9. in der Nacht wurde 
Trarbach angegriffen und das Thor mittels einer Petarde ge⸗ 
ſprengt, worauf die Beſatzung, nach zweiſtündigem Widerſtand, 
mit Zurücklaſſung von 42 Gefangenen, ſich in die Gräfenburg 
warf. Dort Teiftete fie entfchloffene Grgenwehr, bis fie ges 
nöthigt, am 2, Mai eine ehrenvolle Kapitulation einzugehen. 
Bellisle fchloß fi) demnächft der Hauptarmee an, um zu der 
Belagerung und Eroberung von Philippsburg zu wirken, hierauf 
die Vortruppen am Niederrhein zu führen, Seine Negimenter bes 
zogen die Winterquartiere im Zrierifchen, auf dem Hundsrüden, 
und in den drei Bisthümern, bei welcher Gelegenheit aber die 
faiferlichen Hufaren einen Theil von feiner Bagage erhafchten. 
Ald er zu Ende des Jahres nad Paris Fam, erhielt er vor an- 
dern Generalen großes Lob, während auf feinen Vorgefegten, den 
Marſchall von Noailles, ben Marechal de la colonne, wie man ihn 
nannte, die Spottgedichte regneten; der König insbefondere empfing 
den Grafen von Bellisle ſehr gnädig und inftalliete ihn am 1. Jan. 
1735 als Nitter des h. Geiſtordens, nachdem er ihm bereits am 
13. Suni 1734 den befugten Orden verliehen hatte, Bellisle, der 
General a la mode, wie er dem Publicum bieg, weil er mit allen 
feinen Entwürfen Beifall fand, und alle übrigen Generale vers 
dunfelte, hatte in bem Testen Feldzuge zu feinem Schaden die 
Brauchbarfeit der Hufaren fennen gelernt, und fuchte fie in der 
Armee zu vervielfältigen. Dad damals durch ihn errichtete, von 
dem Grafen Eszterhazy befehligte Regiment erreichte jedoch nur 
bie Stärke von 100 Dann, Außerdem waren zwei andere Hu« 
farenvegimenter, Berchiny und Ratzky vorbafden. Die erften 
Hufaren hatte man 1692 in Sranfreich gefehen. Es waren ungs 
riſche Ausreißer, die auf des Marfchalls von Luremburg Betrieb 
zu einem Regiment formirt wurden. Diefes Regiment diente in 
dem Feldzug von 1693 unter den Augen des Dauphin, am 
Nedar, „mais on en. fut mal-content.“ Es vecrutirte ſich mei 
durch Veberläufer, deren berühmtefter gewefen Paul Deaf, wenn 
‚er anders als Weberläufer zu betrachten. Des Prinzen Eugen 


Der Marſchall von Belisle. 259 


verwegenſter und glüdtichfter Partifan in den erften Feldzuügen des 
18. Jahrhunderts, gerieth Deaf endlich in franzöfifhe Gefangen- 
Haft. Es wurde feine Ranzion nicht augenblicklich erlegt; ob 
ſolcher Bernachläffigung ergrimmt, vielleicht auch durch das von 
Rafopy ausgehende Fieber berührt, nahm er Dienfte bei ben 
Stanzofen, und hat er in Piemont ihre Angelegenheiten trefflich ges 
fördert. Den Moment aber der Auflöfung der franzöfifchen Armee 
vor Turin, 7. Sept. 1706, benuste er, um mit vielen feiner Offi⸗ 
tiere und 70 Hufaren hinüberzureiten zu den alten Waffenbrüdern. 
Das Regiment Nr. 8 fcheint er nicht wieder erhalten zu haben. 

In der Action bei Claufen, 20. Det. 1735, fuhr „eine Stüd« 
Ingel dem Pferde des Grafen von Bellisle zwifchen den Beinen 
bh, wodurch es fo fehen wurde, daß es fih mit ihm rück⸗ 
lings überfchlug. Er wurde bierbey von dem GSattelfnopfe an 
der Bruft fo bieffirt, daß er Blut auswarf. Er ließ ſich ſo⸗ 
gleich nach der Abtey St. Darimin bringen, allwo er ſich euriren 
ließ. Ohngeachtet nun diefer Feldzug fehr fehlecht geführt wor— 
den, ward ihm doch weder die Schuld, noch einiges Verſehen 
beygelegt, fondern er bey feiner Rückkunft von dem Könige fehr 
wohl aufgenommen. u 

„Hatte er bisher vielen Antheil an dem Kriege gehabt, fo 
war er nunmehro auch ein Beförderer des Friedens. Denn ba 
er mit dem Baron von Nieroth, der fi in den Angelegenheiten 
des Grafen von Wied-Neumwied zu Berfailles befand, vor Er- 
Öfnung des Feldzugs in Befanntfchaft gefommen, und deffen 
Friedensvorfchläge, Die er aus eigenem Gutdünfen auf die Bahn 
gebracht, angehöret, verfchafte er ihm nicht nur einen Zutritt 
bey dem Cardinal von Fleury , fondern unterflüßte auch beffen 
Borfchläge durch feinen Beyfall. Hierdurch wurde der Grund 
zu den Friedenshandlungen geleget, die hierauf zu Wien ges 
Wlogen wurden und endlich vor Ende des Jahres 1735 den 
würklichen Frieden nad fich zogen.”  ” 

Bon dem an befand fih Bellisfe mehrentheils am Hofe, 
feltener in feinem Gouvernement, denn er wollte vor allem feinen 
Einfluß auf den Cardinal ſteigern, und den alten Herren, ber: 
von Politif blutwenig, vom Auslande nichts wußte, »für feine 


17 * 


260 . Schönbornsiufl. 


Entwürfe gewinnen, Diele Entwürfe, buchſtäbliche Wieder: 
holung deffen, fo vor 150 Jahren Sully ſich ausgedacht (Abth. UI. 
Bd. 1. ©. 253-—-273), waren einem Carbinal ber römifchen 
Kirche dergeftalten ungeziemend, daß Fleury, zu ihrer Berwirfs 
lichung die Hände bietend, einzig durd feine Unzurechnungs⸗ 
fähigfeit entſchuldigt werden mag, fie find auch nur höchſt uns 
vollſtändig durehgeführt worden, gleihwohl üben fie bis auf den: 
heutigen Tag auf Deutfchland, auf Europa einen Einfluß, wie 
er faum durch die Ergebniffe der franzöfiihen Revolution übers 
troffen. Alles, was Bellisle für feine perfönliche Berherrfichung, 
für feine Familie gethan, iſt mit ihm zu Grabe getragen wor 
den, was er in Deutfchland durchgefegt, fo wenig es im Ber 
gleich zu den Zraumgebilden feines Uebermutheg, hat die ganze 
Geftaltung von Deutfchland umgefchaffen,, in ihren Grundfeſten 
die Reichsverfaffung erfchüttert, ein durchaus verändertes Syſtem 
der Politif zur Geltung gebradt. Der Urenfel eines Parla- 
mentsrathes aus der Bretagne ift für Deutfchland wichtiger ges 
worden, als ganze Generationen yon eingebornen Generalen, 
Diplomaten und Publieiſten. 

In Erwartung der Cataſtrophe, welche der allgemeinen Um⸗ 
wälzung vorherzugehen haste, beſchäftigte Bellisle ſich mit man⸗ 
cherlei Nebenarbeiten. „Er formirte eine eigene Parthey bey 
Hofe, die ſo anſehnlich wurde, daß ſie öfters die Oberhand über 
den Cardinal von Fleury erhielt.” Den Sturz des Siegel—⸗ 
bewahrers Chauvelin, dev zugleih Minifter der auswärtigen 
Angelegenheiten, bat er mehrentheilg herbeigeführt, in der Hoff 
nung, in dem Minifterium deffen Nachfolger zu werden. Das 
vereitelte Fleury. Dagegen war es Bellisle, welcher die Dienſt⸗ 
regulative vom 3. 1737, und das Project, laut deffen Preuffen 
für feine Anſprüche zu Jülich und Berg mit einem Stüde des 
Bergifhen abgefunden werden follte, ausarbeitete, Seine Bes 
werbungen um einen Gefandtfchaftspoften befeitigte Fleury in 
der verbindlichiten Weife: „Je me garderai bien de vous’ 
eloigner,‘“ ſprach der alte Herr, 'ni besoin de vous pour vous 
confier mes inquietudes; d’ailleurs, si ce malheur arrive, qui 
esit-ce qui fera la guerre.“ | 


Der Miarſchall von Beliste. 201 


Das Unglüd trat mit dem Ableben Kaifer Karls VL ein. 
Bereits im Dec, 1740 wurde Bellisle zum außerordentlichen 
Gefandten und bevollmächtigten Minifter für die Kaiſerwahl, 
und am 11. Febr. 1741 zum Marfchall von Frankreich ernannt. 
Damit er in der glänzendften Weife in Deutfchland auftrete, 
wurde ihm, unabhängig von feinen zu hunderttauſend Livres 
monatlich beftimmten Zafelgeldern, für feine Equipirung bie 
Summe von 500,000 Livres angewiefen; ungefähr eben fo viel 
fol er aug eigenen Mitteln zugefegt haben. Es begleitete ihn 
fein Bruder, der Chevalier de Bellisle; in feinem Gefolge hatte 
er 40 Cavaliers, Hausofficiere, Domeſtiken, Kivreebediente in 


großer Anzabl. In den legten Tagen des Märzes Tangte er zu 


Frankfurt an; nad kurzem Aufenthalt befuchte er die Höfe zu 
Mainz, Eobleuz, Bonn, Mannheim, Münden, Dresden und 
Berlin, aller Drten feinen, oder des franzöfifchen Hofes Wün⸗ 


ſchen für die Kaiferwahl Eingang zu verfchaffen. Das glüdte 
ihm mehrentheild, nur an Kurfürft Franz Georg von Trier hat 


er feine Gaben für Ueberredung und Bethörung vergeblih an⸗ 
gewendet, eine beftimmte Gewährung feines Geſuches nicht Davon 
getragen, wie lebhaft ihn auch der fpanifche Gefandte, Graf von 
Montifo unterſtützte. Die Intereſſen des armen deutfchen Baters 
landes bei ber bevorſtehenden Wahl um fo gründlicher zu be— 
rathen, war der Kurfürft entfchloffen, in Perfon fih nad Frank⸗ 
furt zu erheben. Bedenkend jedoch, daß fein Anfänpfen gegen 
eine allgewaltige Influenza Thorheit genannt werben Fönnte, Tieß 
er e8 bei einer Gefandtfchaft bewenden, deren formelles Ober 
haupt der. Chorbifhof Graf von Ingelheim, deren Wortführer 
Georg von Spangenberg, des Kurfürften vertrautefter Rath, 


Freund möchte ich fagen. Karl VII. wurde auch von Trierifcher 


Seite gewählt, ohne daß jedoch der Kurfürſt den geringſten An— 
theil bei den Folgen dieſer Wahl genommen hätte, Er blieb 
neutral. | 

Stet3 mit den Einleitungen zu ber Kaiferwahl fih beichäfe 
tigend, gelangte Bellisle am 15. April nad Dresden, ben 20, 
begab er ſich auf die Reife nach Schlefien, wo er den König von 
Preuffen wußte, Am. 26. traf er in bes Königs Lager bei Mole 


462 Schonbornoluſt. 


witz ein. ‚Il vint proposer un traite d’alliance, dont les ar- 
ticles principaux rouluient sur Üelection de l’electeur de Ba- 
viere, sur le partage et le demembrement des provinces de la 
reine de Hongrie, et sur la garantie que la France promeltoit 
de donner de la basse Silesie, a condition que le roi renonedt 
à la succession des duches de Juliers et de Bergue, el quil 
promit sa voix à l’electeur de Baviere. Ce traite fut ebau- 
‚che, et il fut stipule de plus que la France enverroit deux 
arınees dans "Empire, dont une iroit au secours de l’electeur 
de Baviere, et lautre s’etabliroit en Westphalie, pour en im- 
poser en même temps aux Hlauovriens et aux Saxons; et qu’en- 
fin, preferablement a tout, la Suede declareroit la guerre a 
la Russie, pour lui donner de l’oceupation sur ses propres 
frontieres. Ge traite, tout avantageux qu'il paroissoit, ne 
fut pas signe. Le roi ne vouloit rien precipiter dans des de- 
marches d’aussi grande consequence, et il se reservoit ce parli 
comme une derniere ressource. Le marcchal de Belle-Isle se 
livroit souvent trop a son imagination; on auroit dit, à len 
tendre, que toutes les provinces de la reine de Hongrie etoient 
a Pencan. Un jour qu’il se trouvoit aupres du roi, ayant un 
air plus occupe et plus reveur que d’ordinaire , ce prince lui 
demanda s’il avoit recu quelque nouvelle desagreuble? Au- 
cune , repondit le marechal ; mais ce qui m’embarasse „ Sire, 
c'est que je ne sais ce que nuus ferons de cette Morawvie.“ “ 
Le roi lui proposa de la donner a la Saxe, pour atlirer par 
cet appät le roi de Pologne dans la grande ulliunce, Le ma- 
rechal trouva Videe admirable, et l’exdcuta dans la suite,“ 
in Gedanfen nämlich, auf welche noch unlängſt Czartarysfi, 
le bon homme, ſich befchränfen mußte. Din wird fich erinnern, 
daß diefer 1848 in einem Sanhedrin von Berliner, Hamburger 
und Wiener Jurenjungen die Auflöfung der öftreihifhen Mo⸗ 
narchie becretirte. Der König von Preuffen und Belliste haben 
es an gegenfeitigen Complimenten nicht fehlen laſſen; das Lager 
von Mollwitz durchmuſternd, Außerte Bellisle gegen den gefrön« 
ten Feldherren: „Sire, je viens d’apprendre enfin l’art de cam: 
per." Dagegen befennt Friedrich II., „que ce marcchal de 


Der Marſchall von Pellisle. 203 


RBRelle-Isle est le legislateur de "Allemagne ‚““ überhaupt hatte 
er dem fremden Saft alle möglide Ehre angethan, ihm 120 
Hferde entgegengefchidt. 
| Am 7. Mat befand fi Bellisle fchon wieder in Huberts- 
burg, wo er mit dem König von Polen conferirte, dann eilte er 
zurüf nach Frankfurt. Bei feiner Ankunft, 14. Jun., vernahm 
er die Trauerbotfhaft von dem Brand, der am 17. April feine 
Küuͤche verzehrt hatte. Dagegen wurde er durch ben Beſuch feiner 
Gemahlin erfreuet, und hielt er mit ihr am 25. Jun. zu Frank⸗ 
furt feinen Einzug. „Sie war damals etwan 32 Jahr alt und 
prangte nicht nur mit allen Annehmlichkeiten ihres Geſchlechts, 
fondern hatte auch viel Wig und Berftand. Ihr Pug, ihre 
- Manieren, ihre Reutfeeligfeit gaben ihr den Vorzug vor allen 
- Damen, die damals ſich zu Frankfurt befanden. Bien faite, as- 
æes jolie, elle est telle, qu'il la fallait & un komme comme lu. 
Tantot coquette avec beaucoup d’art, d’adresse et de decence; 
tantôt devote, toujours cajoleuse sans bassesse, spirituelle sans 
. pretentions. Son mari, qui connait egalement ses vertus et 
ses defauts, afiche un grand attachement pour elle; et effec- 
_ iivement n’ayant d’autre passion que V’ambition, il n’a d’autre 
maltresse que sa femme qui seconde ses vues.“ Der Marſchall 
ſelbſt hatte kaum die unerläßlichen Viſiten abgeſtattet, und er 
wurde durch einen Courier nach Verſailles gefordert. Dort nur 
eben den 10. Jul. angelangt, mußte er noch an demſelben Tage 
einem großen Staats⸗ und Kriegsrath, der die folgenden zwei 
Tage über fortgeſetzt wurde, beiwohnen. Den 31. Jul. traf er 
wiederum zu Frankfurt ein, die benachbarten Kurhöfe befuchte 
er zu verfchiedenen Malen, vom 25.—27. Aug. feierte er auf 
das prächtigfie feines Königs Namenstag. 

Mittlerweile ging eine franzöfifche Armee yon 40,000 Diann, 
welche des Marfchalls Unterhandlungen zu unterflügen beftimmt, 
theils bei Fort⸗Louis, theild oberhalb Philippshurg über den 
Rhein; von Donauwerth aus feste fie ihren Marfch gegen bie 
untere Donau fort, bei Schärding erfolgte bie Vereinigung mit 
ben Bayern, am 7..Sept. wurde bie öftreichifehe Grenze übers 
fhritten, am 14. Sept. Linz occupirt. Die vereinigte Armee 


"304 | - Shönbernstufl. 


befehligte ber Kurfürft von Bayern, in der Eigenfchaft eines 


General⸗Lieutenants des Könige von Frankreich. Am 2. Det, 
1741 empfing er die Hufdigung ab Seiten der Stände von Ober 


öſtreich. Schon Hatten feine Vortruppen Et. Pölten erreidt, 
fchon batte er den Sommandanten von Wien, den tapfern Khe⸗ 
venhüllfer zur Uebergabe auffordern laſſen, da erregten der Sad 
jen Fortfchritte in Böhmen feine Beforgnig, es möchte dieſes 
Land, fo er bereits als fein Eigenthum betrachtete, ihm ent- 
zogen werden. Er verließ feine eigentliche Operationslinie, die 
Donau, um fih in dag Innere von Böhmen zu vertiefen. Prag 
‚wurde am 26. Roy. von den vereinigten Bayern, Sachſen und 
Sranzofen genommen. ‚Le marechal de Belle-Isle, que Ia 
scialique avoit retenu a Dresde, tant que les affaires -parurent 
critiques en Boheme, se rendit a Prague d’abord apres sa 
reddition““ (Histoire de mon temps). „Albier follte er die 
Theifung der Defterreichifchen Lande reguliven helfen. Er ver- 
fertigte auch verfhiedene Projecte, die der Königin von Ungern 
mitgetheilt wurden, machte fih aber Dadurch fo verhaßt, daß 
diefelbe fait feinen Namen nicht nennen hören Fonnte, auch ihn 
öffentlich befchuldigte , er habe fchon 1730 zu Ruremburg eine 
Eonfpiration angezeddelt und durch verfehiedene Spionen befagte 
Stadt mit ber daſigen Garnifon in Franzöfifhe Hände zu lies 
fern gefucht.” Mit der Confpiration hat es allerdings feine 
Nichtigfeit. „Gott ſey unendliher Danck,“ heißt es in den Ges- 
tis Trevirorum, „daß durch Fluge VBorforge die an der Veſtung 
Luxemburg, fo den 11, Nov, 1730 durch angelegte Lunten an 
die Magazinen hätte follen gefprenget und von den Frangofen 
überrumpelt werden, angeiponnene Berrätherey zernichtet worden. 
Den 23. Jun, 1732 ıft zu Yuremburg an denen bewuften Bers 
räthern , die Execution vorgenommen worden, Der fogenanute 
Damour, fo von Zrandreich viele Jahre Benfionen genoffen, und 
mit dem Commandanten von Meg verrärheriicher Weiß corres⸗ 
pondiret, wurde auf einem Schlitten zum Gerichtsplatz gefchleppt 
. und nebft noch einigen aufgebendt, zwey andere enthauptet, und 
Die übrige Intereffirte mit Gonftgration ihrer Güteren des Lan⸗ 
bes verwiejen,” 


Ber Marſchal von Pelliole. 268 


Le marechal de Belle-Isle, plus flatteE de la reprisen- 
tution de lambassade que du commandement des armees, manda 
au cardinal que sa sante ne lui permettant pas de fournir aux 
fatigues d’une campagne, il demandoit d’Etre relevec. Le car- 
dinal donna ce commandement au manechal de Broglio, affoibli 
par deux apoplexies. Des son arrivee, ce marechal se brouilla 
avec M. de Belle-Isle. Broglio changea toutes les dispositions 
de son predecesseur.““ Bellisle fehrte über Würzburg, wo er 
von dem Fürftbifchof viele Ehre empfing, nah Frankfurt zurüd. 
Der Donner der Kanonen begrüßte feine Anfunft, A. Jan, 1742, 
Bereits hatten die Wahlconferenzen ihren Anfang genommen. 
Am 12. Jan. empfing Bellidle von dem Kurfürften von Eöln 
einen öffentlichen Befuch, am 18. bielt er feinen feierlichen Eins 
zug, „wobey eine ſolche Pracht, Magnificenz und Koftbarfeit zu 
fehen war, als faum jemals bey foldher Gelegenheit wahrges 
nommen worden. Er faß zu Pferde und hatte ein blaufammtes 
nes Kleid an, das auf allen Näthen reich mit Golde geftict 
war. Er trug über den Schultern das Ordensband des heil. 
Geiftes, und auf der Bruft den Stern reich mit Diamanten bes 
fest. Das Pferd war auf Pohlnifch fehr prächtig aufgezäumer. 
Die Wallrappe war von Drap D’Argent, reih mit Golde ges 
fit. An den Füßen hatte er weiße feidene Strümpfe mit gol⸗ 
denen Zwideln. Seine 6 Staatskutfchen, die ihm folgten, was 
ten insgefammt von dem föftlichfien Sammet, Davon die erfte 
von rothen Sammet mit Golde, und die andere von blauen 
Sammet mit Silber geftidt war. Bor jedmweder Kutfche war 
ein befonderer Zug der fchönften Pferde, als Graufchinmel, Iſa⸗ 
bellen, Rappen, Scheden, Normänner und Braune, Die insges 
fammt aufs prächtigfte gezäumt und aufgepust waren. Alle 
vornehme franzöfifhe Herren und Edelleute waren zu Pferde. 
Es folgten 34 Kutfchen, die alle überaus nett und zierlich aus- 
faffirt waren. Dan rechnete das ganze Gefolge auf 600 Per⸗ 
fonen. Der Marfhall hatte hierbey ein überaus frifches und 
munteres Anfehen. Er grüßte jedermann mit einer fehr anſtän⸗ 
digen Freundlichkeit. Seine natürlichen Manieren gaben ihn alg 
einen Kriegsmann zu erfennen, und ein gewißer Blid von Huld 


206 0 Schönbornsufl: 


\ 


‚und Güte erwarb ihm die Gemwogenheit bes Volks. Den 3. 
San. mufte er fih nebft allen andern fremden Gefandten, Mi- 
niftris und Standsperfonen, nad alter Gewohnheit, aus ber 
Stadt begeben, weil den folgenden Tag die Kayferwahl vor fid 
gehen follte. Diefe fiel, wie ſchon längft durd die Bemühungen 
des Diarfchalls feſte gefegt worden, auf den Churfürften von 
Bayern, der unter dem Namen Caroli VII. öffentlich proclamirt 
wurde. Abends nach vollbrachter Wahl fam der Marſchall nebft 
den andern fremden Gefandten und Cavaliers wieder in die 
Stadt und Tieß fein Quartier prächtig und finnreich illuminiren. 
Der 24. Febr. that er eine Reife nach Frankreich und langte 
den 2. März in der Nacht zu Verſailles an, wo er von bem 
Könige fehr gnädig empfangen wurde. Diefer Monarche war 
mit feinen Dienften bermalen wohl zufrieden, daß er ihn ben 
15. März zum Herzog creirte. Den 21. April langte er wieder 
zu Frankfurt an, von dar er den 15. May fih mit feinem Brus 
der zur Armee in Böhmen erhub, die bisher der Marfchall von 
Broglio commandirt hatte.” 

Bellisle war faun bei der Armee eingetroffen, und ber 
Fürſt von Lobfowig überichritt in der verwegenften Weife mit 
feinen 7000 Mann die Moldau, um bie Belagerung des feften 
Schloffes Frauenberg vorzunehmen. Die franzöfifhen Marfchalle, 
denen eine Berftärfung von 10,000 Mann zugefommen, rüdten 
zum Entfag heran. „Broglio fil passer tout son corps par un 
defile tres elroit aupres de Zahay, que Lobkowitz avoit garni 
de quelque infanterie. Les premiers escadrons francois qui 
deboucherent sans ordre ni disposition, attaquerent les cui- 
rassiers de Hohenzollern et de Bernis, qui faisoient l’arriere- 
garde de Lobkuwitz et les battirent. Les Autrichiens avoient 
a dos un bois, ou is se rallierent à differentes reprises; mais 
comme le nombre des Francois augmentoit, ils enfoncerent 
enfin les ennemis, et M. de Lobkowilz ue se crut en süretd 
qu’en gagnant en häte Budweis. Les Francois firent valoir 
Uaffaire de Zahay (22. mai 1742) comme la plus grande vic- 
toire: la bataille de Pharsale ne fit pas plus de bruit a Rome 
que ce petit combat n’en fit a Paris. La foiblesse du cardi- 


— ———⸗ü ⸗ — —— — — —ñ— —— 


- Der Maiſchall son Pelisie. 287 


nal de Fleury avait besoin d’etre corroboree- par quelques 
heureux succes , et les deux marechaux qui s’etoient trouvés 
a ce choc, vouloient rajeunir la memoire de leur ancienne re- 
putation. Le marechal de Belle-Isle, ivre de ses succes, tant 
à Francfort qu’a Zahay, vain d’avoir donne un empereur & 
PAllemagne, se rendit au eamp du roi (de Prusse) pour con- 
certer avec ce prince les moyens de tirer les Saxons de leur 
paralysie. M. de Belle-Isle avoit mal choisi son temps.“ Schon 


waren Unterhandlungen mit Oeſtreich angefnüpft, welche zu den’ 


Präliminarien vom 11. Jun., zu dem Friedensfchluß vom 28, 
Jul. führten. Diefes Refultat vorausfehend, fol Bellisle fehr 
ungeberdig gegen den König fi) benommen haben. 

Immer noch verftimmt verließ der Marſchall das preuffifipe 
Lager bei Kuttenberg, um nach einem furzen Aufenthalt in Dres⸗ 
den, die Anftalten für Die Bertheidigung von Prag zu leiten. 
Denn dahin drängte allgemach die öftreichifche Armee, und von 
Pofition zu Pofition weichend, fah Broglio fi) genöthigt, unter 
den Kanonen von Prag Zuflucht zu ſuchen, während die Stadt 
völlig Durch die Oeſtreicher eingefchloffen, dieſe, eine ordentliche 
Belagerung vorzunehmen, nur mehr auf die fchwere Artillerie 
warteten. In einer Unterredung,, fo. Bellisie am 2. Jul. auf 


- Schloß Komorzan mit dem Grafen von Königseck hatte, erbot 


er fih, die Stadt ‘zu übergeben, fo man ben fämtlichen franzö⸗ 
fihen Truppen in und bei der Stadt freien Abzug gewähren 
würde. Das Anerbieten, am 20. Jul. durch einen Parlementair 
wiederholt, wurde jedesmal abgewiefen, verlangt, daß bie Des 
ſatzung, und minder nicht des Marfchalld von Broglio Corps 
fi) friegsgefangen gebe. Bereits gingen Lebensmittel und Four 
vage in ber eng blofirten Stabt auf die Neige, am 3. Aug, 
erihien Pferdeffeiih auf den Tafeln der beiden Marfchalle, an 
der Freitafel, welche Bellisie täglich den DOfficieren gab, war 
Pferdefleifch das einzige Gericht. Am 15. wurde das Corps von 
Broglio vollends in die Stadt zurüdgemworfen. Den 17. eröffs 
neten bie Deftreicher die Laufgräben, ihre Arbeiten wurden aber 
durch häufige Ausfälle gar fehr erſchwert. „On regarde comme 


’evenement la plus memorable de ce siege la grande sorlie des 


⁊ 
— —* 





968  Bchönborusiufk 


Francois (22. Aug.), dans laquelle ils tudrent et prirent 3000 
hommes aux ennemis et leur enclouerent le canon qu’ils avoient 
en batteries. Les marechaux de Belle-Isle et de Broglio ren- 
trerent triomphans dans Prague, suivis de leur prisonniers 
et des trophees quils venoient d’emporter.““ Indeſſen näherte 
fih allgemach der Entfag. Maillebois führte feine Armee aus 
Weftphalen, über den Wefterwald, durch Franfen und die Ober⸗ 
pfalz, nad) dem Egerthal; von ihrer neuen Beflimmung, den in 
Prag eingefperrten Waffenbrüdern Luft zu machen, erhielten feine 
Streiter in Paris den Beinamen les Mathurins, die Trinitarier, 
indem die Loskaufung criftlicher Öefangenen dieſer Ordensbrüder 
wefentlichfte Aufgabe. Bon der Annäherung des Entſatzes in 
Kenntniß gefegt, war man öftreichifcher Seitd nicht ungeneigt, 
den Franzofen freien Abzug zu bewilligen, vorausgefegt, daß fie 
ganz Böhmen räumen würden. In der Zufammenfunft vom 
31. Aug. erflörte jedoch Bellisle dem Grafen von Königseck, Die 
Umftäude hätten fi zu fehr verändert, als daß er dergleichen 
Anträgen Gehör geben fünne. 

Die Faiferlihen Generale befanden fih in der Nothwendig⸗ 
feit, am 14. Sept. die Belagerung aufzuheben. Während ihre 
Hauptarmee gegen Pilfen ſich wendete, blieb einzig Fefteticz mit 
einigen taufend Ungern und Kroaten zurüd, um wenigftens den 
Schein einer Blofade vorzuftellen. Da er aber viel zu ſchwach, 
um die große Stadt vollftändig einzufchließen, fonnte er die Fran— 
zoſen nicht abhalten, daß fie in ftarfen Detachements auszogen, 
und aus eutferntern Öegenden — drei Meilen um die Stadt hatte 
man alle Einwohner ſamt Vieh und Borrätben mit Gewalt aus 
den Dörfern entfernt — Lebensmittel nach Prag brachten, Noch 
weniger vermochte es Fefteticz den Bewegungen des Marſchalls 
von Broglio hinderlich zu werden ; Diefer, nachdem er mit 12,000 
Mann Prag verlaffen, feste fich bei Töplig, um dort des Anzuge 
yon Maillebois zu erwarten. Er wartete vergeblich, durch feine 
Inſtructionen gebunden vermochte Mailleboid die Mündung der 
Eger nicht zu erreichen, vielmehr zog er ſich, nach manderlei 

ütonnements nah Bayern zurüd, und Broglio, der einen 
Theil feiner Truppen zur Berflärtung der DBefagung von Prag 


Ber Marſchall von Bellisle, 2098 


abgegeben, wendete fih nah Sachſen, um durch Franken und 
die Oberpfalz die Vereinigung mit Maillebois zu erzielen. 

Prinz Karl von Lothringen mit der öſtreichiſchen Hauptarmee 
folgte den Franzoſen auf dem Fuße, während Fürſt Lobfowis, den 
er mit einem mäßigen Corps in Böhmen zurüdgelaffen, vom 2. 
Roy. an Prag neuerdings umfhloß. Der Belagerten waren nicht 
weniger als der Belagerer, gleichwohl ließen jene fi alle Drittel 
und Wege, durch weldhe dem abermals einreigenden Mangel an 
Lebensmitteln zu feuern geweſen wäre, verſchließen. Sie litten. 
gleich fehr unter der Einwirfung von Hunger und Kälte, wäh⸗ 
rend der Fürft von Lobkowitz, feinen Truppen Erleichterung zu 
verfchaffen, fie dem größern Theile nach in bie bisher mehr ges 
fhonten entferntern Gegenden verlegte, für den eigentlichen Dienft 
ber Blokade nur zerfireute Haufen von Hufaren zurüdlieg. Dies 
fer Umftand vornehmlich machte es dem Marſchall von Bellisle 
möglich , einen von dem Kriegsminifter empfangenen Befehl zu. 
volftreden. Es fol D’Argenfon diefer Minifter gewefen fein, ich 
muß fedoch erinnern, daß deffen Minifterium mit dem 1. Jan. 
1743 anbebt, während der Ausmarfd) der Franzofen in der Nacht 
vom 16.—17. Dec. erfolgte. Es fchreibt ‚von demfelben König 
Friedrich II.: 

„Quoique l’armee de Maillebois joint aux Bavarois, fut 
encore sur les frontieres de ÜAutriche, le prince de Lobko- 
wilz avec 16,000 Hongrois tenoit toujours le marechal de 
Belle-Isle bloque& dans Prague avec 16,000: Francois. Le 
corps de M. de Belle-Isle etoit presque tout compose d’infan- 
terie, et celui des Autrichiens de cavalerie. Cette situation 
inquietoit M. d’Argenson: soit par impatience, soit par hu- 
meur, soit par legerete, ce robin fit expedier au marechal de 
Belle-Isle Uordre d’evacuer Prague. et ordre etoit plus fa- 
eile @ dunner qu’a executer. Le marechal fit ses dispositions 
en consequence ; il fit sortir la garnison le 18. de decembre 
au soir par un froid tres-piquant; il gagna trois marches sur 
le prince Lobkowitz, et enfillant un chemin difiicile qui don- 
noit peu de prise a la cavalerie de Pennemi, il continua de 
longer T’Eger, et arriva le dixieme jour de sa marche a la 


270: | Schönbornslufl. 


ville X’ Eger: 4000 hommes perirent de misera et de froid par 
les marches forcees qu’on leur fit faire; et cette armee dela- 
Erde, reduite a 8000 combattans, fut partagee. Ce qui etoit 
encore en etat de servir, joignit M. de Maillebois en Baviere, 
et les corps entierement ruines furent envoyes en Alsace pour’ 
se reicruter. La Boheme fut ainsi conquise et perdue, sans 
qu’aucune victoire ni des Francois ni des Autrichiens eüt de- 
cide entr’eux du sort des empires. Dans tout autre pays que’ 
la France, une retraite comme celle de M. de Belle-Isle au- 
roit cause une consternalion generale: en France, ou les pe- 
tites choses se traitent avec dignite et les grandes. legerement, 
on ne fit qu’en rire et M. de Belle-Isle fut chansonned: des 
conplets ne meriteroient certainement pas d’entrer dans un 
ouvrage aussi grave que le nötre, mais comme ces sortes de 
traits marquent le genie de la nalion, nous croyons ne point 
devoir omeltre celui-ci: | 

Quand Belle-Isle partit une nuit 

De Prague & petit bruit, 

Il dit, voyaunt la lune: 

Lumitre de mes jours, 

Astre de ma fortune, 

Conduisez-moi touwjours. 

„En pareille occasion on auroit jeüne à Londres, expose 
le Sacrement a Rome , coupe des tetes a Vienne (?). Tl va- 
loit mieux se consoler par une epigramme. La retraite du 
marechal de Belle-Isle eut le sort de toutes les actions des 
hommes: il y eut des fanatiques qui par zele la comparerent 
a la retraite des dix mille de Xenophon ; d’autres trouvoient 
que cette fuite honteuse ne pouvoit se comparer qu'àâà la de- 
faite de Guinegast. Ils avoient tort les uns et les autres; 
16,000 hommes qui &evacuent Prague. et se retirent de la Bo- 
heme devant 16,000 hommes qui les poursuivent, n’ont ni les 
m&mes dangers a courir, ni des chemins aussi longs à traver- 
ser que les troupes de Äenophon pour retourner du fond de 
la Perse en Greoe ; mais aussi ne faut-il pas outrer les choses, 
ei comparer une marche, oü les Francois ne purent ötre en- 
tames par les ennemis, a une defaite totale. Les dispositions. 


Der Marſchall von Bellisle. 278 


de M. de Belle-Isle etoient bennes; le seul reproche qu'on 


puisse lui faire est de n’avoir pas dans sa marche assez me- 


| nage ses troupes.‘““ 


In Prag war eine Befasung von 6000 Mann, meift Kranfe 
oder Reconvalefcenten, unter Cheverts Befehl zurüdgeblieben, und 


dieſem aufgegeben, noch 8 oder 10 Tage ſich zu halten, dann 


zu capitultven. Seiner nftrnetion getreu, capitulirte Chevert 


den 26. Dec., denfelben Tag, daß Bellisfe Eger erreichte, und 
am 2. San. 1743 erfolgte der Auszug der Franzoſen, „denen,“ 


fhreibt der Prager Cornova, „konnte man das Lob der ftrengfien 
Mannszucht, der äußerfien Schonung des Bürgers, und felbfl 
der Menſchenliebe nicht abſprechen. Man erfuhr wenig von Aus⸗ 
Ihweifungen , befonders von jenen, die dem Gewerbsmann zur 
Loft fallen Tonnten, und gar nichts von Diebflählen, die bey 
einer zahfreichen Bejagung fonft fo fehwer ganz zu verhindern 
find, Sie bezahlten alles haar, oft über den Werth, und be= 
trugen ſich dabey mit fo vieler Höflichkeit, als wenn ihnen durch 
die Ueberlaffung der wöhlbezahlten Waare ein Gefallen gefchehen 
wäre. Und felbft gemeine Soldaten von ihnen vergaßen oft 


: über dem Anblick bungernder Bürger ihre eigene Noth, und 


theiften freudig ihr ausgemeſſenes Brod mit ähnen, Die einzige 
gegründete Klage der Prager war Sie, daß fie bey fieben Mil« 


lionen an Brandfteuern hatten entrichten müſſen.“ 


Am 4. Febr. bei ſpätem Abend traf Bellisle mit feinem 
Bruder und einem zahlreichen Gefolge zu Frankfurt ein, und 
noch in derfelben Nacht Fam er bei dem Kaifer zur Audienz. 
Den 12. wurde ihm yon dem Kurprinzen von Bayerh, Namens 
des Königs von Spanien, der Bließorden umgehängt: Den 18, 
Febr. reifete er von Frankfurt ab, nachdem er vorher von dem 
Raifer in des h. R. R. Fürftenftand erhoben worden. Zu Vers 
failles wurde er. ungemein gnädig empfangen, und zu den wich- 


tigftien Berathungen gezogen, doch Fonnte er ſich bald überzeugen, 


daß er in dem Gardinal von Fleury Cgeft. 29. Januar 1743) 
feine vornehmfte Stüße verloren habe. Die Aspecten richtig bes 
urtheilend, erbat er fich die Erlaubniß, in der Einfamfeit von 
Biſſy feiner allerdings wefentlich beeinträchtigten Geſundheit abs 


272 | Schönbsrusluſt. 


zuwarten. Sie wurde ſehr gern bewilligt, die Friſt aber von 
dem Patienten vornehmlich benutzt, um ſich durch neue Verbin⸗ 
dungen am Hofe und beſonders mit dem Cardinal von Tencin 
gegen weitere Folgen feines Mißgeſchickes zu ſichern. Man fors 
derte ihm Entwürfe für den Feldzug von 1744 ab, man überließ 
es ihm, die Grenzen von Lothringen gegen einen feindlichen Ans 
griff zu fihern, man defignirte ihn zu einem Commando bei ber 
Armee, welche der König nad dem Elſaß zu führen beabfichtigte. 
Indem er, für diefe Erpedition gerüftet, den Fuß dem Steige 
bügel einfegte, wurde er von. einem Schlaganfall betroffen, der 
ihn nöthigte, das ihm beſtimmte Commando vorläufig an feinen 
Druder abzugeben. | 

In Kurzem wiebderhergeftellt, folgte er dem König nad Meg, 
und genoß er der Ehre, in fein Quartier den Monarchen aufzus 
nehmen. Kaum darin eingeführt, wurde Ludwig XV. von lebens⸗ 
gefährlicher Krankheit ergriffen, ein Umftand, der für den Augen+ 
blick die oberfle Leitung der Angelegenheiten der Monardie in 
Bellisles Hände gab, nur dag er in dem ebenfalls zu Mes ans 
wejenden Kriegsminifter d'Argenſon einen Collegen fand. Gleich 
wohl fonnte er das Commando der Armee in Bayern, wie eifs 
rig er darum fich bewarb, nicht erhalten, er verlieg Straßburg 
und ging nad Münden, in der Abficht wohl, fi des. Kaifers 
Empfehlung für dasjenige, fo für jegt dev Gegenftand feines 
Ehrgeizes geworben, zu erbitten. Es eröffneten fih ihm aber 
in den Conferenzen, zu welchen er tagtäglich gezogen wurde, 
Ausſichten, die feinem Hang zur Intrigue beffer zufagten: er ent« 
warf ein Project, für deffen Ausführung des Königs von Prenfs 
fen Mitwirkung unentbebrlih. Diefer fich zu verfihern, begab 
er fih von Münden über Caffel auf den Weg nach Berlin. 
Zu Caſſel hatte man ihm den Rath gegeben, das Hannöverifche 
Gebiet zu meiden, die Straße durch das Eichsfeld nach Halber- 
fladt zu verfolgen: auf die Unverleglichfeit eines Gefandten po⸗ 
hend, flug er die Warnung in den Wind. Den 20. Dec, 
1744 Nachmittags Tangte er zu Elbingerode an, wo bereits die 
Poftpferde beftellt. Der Poftmeifter unterlieg nicht, den Amt« 
mann zu benachrichtigen, daß bei ihm zwei vornehme Herren, 


Ber Marſchal von Bellisle. 273 


bie nur frauzöſiſch redeten, und ein zahlreiches Gefolge um ſich 
hätten, abgeftiegen feien. Der Amtmann, durch das Gerücht 
von einer bevorflehenden Expedition der Franzofen gegen das 
Hannöverifche beunruhigt, fehöpfte Verdacht um die Fremden. 
Er bewaffnete in der Stille Bürger und Bauern, ließ durch fie 
bie Dienerfchaft der beiden Herren, die vereinzelt in den Stra⸗ 
fen fich berumtrieb, aufgreifen, und alle Zugänge des Pofthaufes 
befegen. | 

Nach diefer Einleitung betrat er mit einigen Landſoldaten 


- bie dem Marfchall und feinem Bruder, dem angeblichen Secretair, 


angeiwwiefene Stube. Der Marfihall ging anf und nieder. Es 
begrüßte ihn der Amtmann, der Discuffion einleitend mit ber 
Frage: „Sie find vermuthlic ein Paffagier *” Das befahte der 


Reiſende. „Wie heißen Ste denn?” Berfegte der Marfchall : 
„warum fragen Sie diefes, und wer find Sie, daß Sie alfo mid 


zur Rede fegen wollen?” Fragte der Amtmann weiter: „wer 
find Sie denn?” — „Sch glaube nicht, Ihnen weder davon, 


noch von meinem Namen Redhenichaft geben zu Dürfen.” — „Gut 
' denn,” verfegte der Amtmann, „ich weiß, Sie find ein franzöfie 


{her General, und da Franfreich dem König son England, un« 
ferm alfergnädigften Herren, auf deſſen Gebiet Sie fich befinden, 
den Krieg angekündigt hat, fo mache ich, der Amtmann hiefigen 
Drtes, Sie zum Kriegsgefangenen.” — „Mid zum Kriegsges 


fangenen!“ fuhr dee Marfhall auf. „Ja, und als folhen bitte 


ih Sie, mir Jhren Degen augzuliefern.” Sprad der Mars 
ſchall: „Ich befinde mich alfo auf dem Gebiet des Königs von 
England, biefes habe ich nicht gewußt, wo find meine Leute 2 
Daß fie in Sicherheit gebracht, verfeste der Amtmann. „Wird 
man mir niemand laffen, mich zu bedienen 2” Dafür erwarte er 
aus Hannover Berhaltungsregeln, entgegnete wiederum der Amts 
mann, und der Darfchall gab feinen Degen ab. 

Man brachte die beiden Brüder nah dem Schloß Scharz- 
fels, und weiter nad) Ofterode, und daſelbſt fie einſtweilen feſt 


zu halten, doc mit aller Achtung zu behandeln, wurde yon Hans 


nover aus befohlen. Man ſchickte die koſtbarſten Weine und 
zwei Hofföche nad) Ofterode, und ber Jägerei wurbe aufgegeben, 


Rhein. Antiquarius, 3. Abth. 2. Bd, .18 


274 Schönbarusluſt. 


die improvifirte Küche mit Wildpret zu verſorgen. Fleißig beſucht 
von dem Adel der Nachbarſchaft, ſahen die beiden Gefangenen 
nicht ſelten die vornehmſten Herren aus Hannover, die wetteifernd 
ihnen die Zeit verkürzten. Die Beſucher fanden den Marſchall 
in ruhiger, würdiger Haltung, nur daß ſein alter Feind, das 
Hüftweh, ihm mitunter traurige Stunden bereitete. Unbeſchreib⸗ 
liche Freude ergab ſich in England über des Bellisle Gefangen⸗ 
ſchaft: Hohe und Niedere nahmen dabei Antheil und leerten 
viele tauſend Oläſer auf die Geſundheit des Amtmanns von 
Elbingerode, den der König ſelbſt mit 1000 Pf. St. beſchenkie, 
ihm auch ein ungleich einträglicheres Amt verlieh. Man hielt 
es aber zweckmäßig, das englifche Volk durch den Anbli ber 
beiden Gefangenen zu ergögen, und es wurde Befehl gegeben, 
fie herüber zu bringen. Am 18. Januar 1745 verließ der Mars 
shall Ofterode, am 26. langte er, durch wiederholte Krankheits⸗ 
anfälle beunruhigt, zu Stade an, den 15. Febr. wurde er von dem 
aus England zu feiner Uebernahme commandirten Obrift Grafen 
von Douglas übernommen, am 16. verließ er Stade, um fich den 
17. Abende zu Cuxhaven an Bord des Kriegsfchiffes Wager, 
fo der Capitain, nachmalige Admiral Bing commandirte, eins 
zufhiffen. Zu mehrer Sicherheit waren dem Wager noch andere 
‚Schiffe beigegeben. Den 24. Febr. wurden bie Gefangenen zu 
Harwich ans Land geſetzt; der Marſchall theilte an den Capitain 
und die ganze Equipage fehr reiche Gefchenfe aus. Am 1. März 
verließ.er Harwich, um unter Bededung von zwei Compagnien 
Dragoner ſich nach dem Orte feiner Beftimmung, Windfor, zu 
begeben. Dafelbft wurde jedem ber beiden Brüder ein abgeſon⸗ 
dertes Appartement angewieſen; für ihre Tafel waren täglid 
50 Pf. St. bewilligt, unabhängig von 12,000 Pf. St., welde 
des franzöfifhe Hof bei dem Banquier van Ned in London ihr 
nen zur Verfügung geflellt hatte. Bewacht wurden fie von 8 Cas 
pitains und 90 Mann von der Fußgarde, als Commandant fland 
zu Windfor General Folliot. Ä 
Mittlerweile hatten der franzöfifche Hof und ber Kaifer 
alles Mögliche gethan, um bie Loslafjung des Marfchafls zu bes 
wirfen, für ihn die Unverleglichkeit eines Gefandten, oder ſub⸗ 


Der Marſchall von Bellisle. 275 


fidiarifch die Anwendbarkeit des Garteld von 1743, monad er 
mit 32,000 Gulden zu ranzioniren, geltend gemacht, doch 
wurde vorläufig nur erreicht, daß die beiden Gefangenen auf 
der Terraffe von Windfor fpazieren geben, auch an Freunde und 
Angehörige in Frankreich fehreiben mochten, nachdem fie das Ber» 
ſprechen abgegeben, mit ypolitifchen Angelegenheiten fich nicht 
. befaffen zu wollen. Den 6. April erhielten fie die Erlaubs 
niß zu Exenrfionen, bie doch den Rayon von 10 englifchen Mei« 
len nicht überfchreiten,, auch flets 5 Meilen von der Hanptflabt 
entfernt bleiben ſollten. Sie mietheten hierauf, um 200 Pf. St. 
jaͤhrlich, der Herzogin von Northumberland Haus bei Windfor, 
und bezogen foldhes den 24, April. Aber ſchon im Aug. erhiels 
ten fie ihre Freiheit wieder, unter ber einzigen Verpflichtung, 
wider England und deſſen Alfüirte nicht zu dienen, es fei denn 
in Anfehung ihrer dem Cartel von 1743 Genüge gethan. Bor 
“ihrer Abreife von dem Herzog von Nemwraftle zu Claremont, 
von dem Herzog von Grafton zu Hamptoncourt herrlich bes 
wirthet, fhifften fie am 26, zu Dover fid) ein. Der Marſchall 
wurde zu Calais, den 27. Morgens, unter Löfung der Kanonen 
empfangen, drei aus bes Königs Hauptquartier entfendete Cou⸗ 
riere warteten feiner, einige Stunden fpäter eilte and) die Mar» 
ſchallin herbei, den ſehnlich Erwarteten zu begrüßen. Reichliche 
Geſchenke empfingen der Obriſt Dury, welder des Marſchalls 
. Begleiter gewefen, wie auch fämtliche Offictere und Mannfchaften 
von dem Schiffe, fo ihn herüber gebradt. Am Morgen des 28, 
begab ex fih, von feinem Bruder begleitet, auf die Reife nad 
bem Hauptquartier, jo er noch an demfelben Tage zu Lippelo 
erreichte. Dem gnädigflen Empfang ab Seiten des Monarchen 
folgte der Befehl, fofort eine. Anzahl englifher Gefangenen , fo 
viel die Ranzion des Marſchalls betragen würde, in Freiheit zu 
- Segen. Dann wurbe fein Gutachten um bes Feldzugs bisherige 
Operationen verlangt, und tabelte er vorall, daß man ben 
Hauptzweck außer Augen geſetzt, und hierdurch dem Großherzog 
von Toscana den Weg zur Kaiſerwürde geöffnet habe. 

Ga des Könige Gefolge verließ Bellisle Anfangs Sept. 
die Armee, und wurbe er mehrentheils in bes Monarchen Ea- 


18 * 


376 Schönbsrnsiuf. 


binet befchäftigt, dann, Nov. 1746, mit dem Commando in ber 
durch die Deftreicher bedrohten Provence befleidet. Dahin eilte 
fofort fein Bruder, als welcher einftweilen den Marſchall zu 
vertreten hatte. In feiner Stellung bei Graffe war der Legat 
nicht vermögend,, den Deftreichern ben Uebergang bed Bar zu 
verwehren. Sie bewirften benfelben den 30. Nov., während ber 
Marſchall am 2, Dee. im Lager eintraf. Er ließ die fleinernen 
Drüden über die Siagne fprengen, und vetirirte big Lorgues, 
in der Meinung, in diefer Stellung des Anzuges feiner übrigen 
Truppen, wie auch der Spanier erwarten zu fönnen. Allein 
bag unglückliche Gefecht bei Draguignan nöthigte. ihn, über den 

Argensfluß bis Luc und weiter bis Puget zu weichen. Bon hier 
aus deckte er Toulon, Marfeille und Air, aber der Belage 
rung von Antibes mußte er ihren Lauf laſſen, bis dahin feine 
Bereinigung mit der Armee des Infanten und des Marques de 
la Mina ihm eine entfchiedene Weberlegenheit ficherte, der Auf⸗ 
ftand in Genua den Deftreichern eine höchft bedrohliche Diverfion 
machte. Die Dffenfive gegen die feindliche Armee unter Browne 
ergreifend, befiegte Bellisle am 21. Jan. 1747 bei Gaftellane ben 
General Neuhaus, der felbft ein Gefangner wurde. Die Oeſt⸗ 
veicher beeilten ſich, die Belagerung von Antibes aufzuheben, 
eoncentrirten fi) bei Cagnes, und bewerfftelligten am 3. Febr. 
bei St, Laurent den Rüdzug über den Bar, ohne dag die Fran 
zofen ihnen beifommen können. „Der Mangel an Fourage und 
Subfiftenz war bey beyden Armeen fo groß, daß die Pferde mit 
bürrem Laube und Fleinen Aeften von den Olivenbäumen unters 
halten werden muften. Der Marihall. von Bellisle hatte zwar 
bey dem Antritt feines Marfches alle mögliche Mittel zur Ers 
richtung hinlänglicher Magazine gebraucht, auch auffer den Fuh⸗ 
ren und Laſtthieren, die man darzu aufbringen fünnen, an ben 
Orten, wo es daran gefehlet, durch Manns⸗ und Weibesperfos 
nen Proviant und Fourage forttragen Iaffen, ja es hatte ein 
jeder, der zu Pferde gefeffen, fein Bund Heu mit ſich ſchleppen 
müffen, welches er fogar felbft getban, um andern dadurd ein 
gutes Erempel zu geben; nichtsdeſtoweniger war ber Mangel 
bey der Armee hernach fo groß, daß es ihm würde unmöglich | 


Der Graf von Bellisle. 877 


geworben feyn, die Trouppen beyfammen zu behalten, wenn der 
Feldzug nur noch etlihe Tage gewähret hätte. Er Tieß darauf 
bie Armee audeinandergehben und nahm fein Hauptquartier zu 
Graffe, der Infant aber und der Marquis von la Mina zu 
Montpellier,” - | 
Der Berfuh, den Feind aus den Lerinifchen Infeln zu ver- 
treiben, mißlang, dagegen wurde der Stadt Avignon und ber 
Graffhaft Benaiffin eine ſtarke Contribution auferlegt, und Durch 
Heranziehung der Spanier im Juni 1747 eine Macht von 70— 
80,000 Mann vereinigt. Sie theilte ſich in folder Weile, dag 
die eine Colonne, die Durance aufwärts, gegen Guilleſtre fich 
wendete, während die ftärffie Colonne, von dem Marfchall ſelbſt 
befehligt, in der Nacht vom 2. —3. Juni den Bar überfchritt, und 
die Piemonteſer nöthigte, Nizza in Eile zn verlaffen. Die Stadt 
wurbe von der Avantgarde, unter ben Befehlen des Grafen von 
Bellisle befegt, es nahm derfelbe nach Furzem Widerftand Mon 
talban und Billafranca, um demnächft als GeneralsPieutenant das 
Commando der andern Haupteolonne zu übernehmen. Sie hatte 
bie Beflimmung, über Brianeon und den Mont⸗Genevre dem Her⸗ 
zen von Piemont einzubrechen. Für fein Unternehmen waren dem 
Grafen 50 Batailfone beigegeben, im Kalle des Gelingens follte der 
Marſchallſtab ihm Iohnen. Eines folhen Sporns hätte e8 für den 
Ehrgeizigen kaum beburft. In drei Colonnen ließ er feine Bas 
taillone gegen den Col de l’Afiiette, Col della Sietta, vorrüden; 
den hielt mit 14 Bataillonen der Graf von Bricherasco beſetzt, wies 
wohl er von dem commandirenden General Grafen von San Ses 
baſtiano Befehl erhalten, die Pofition zu verlaffen, und fid) auf 
Erifes zurückzuziehen. Dem mündlichen Befehl wollte aber Bri- 
cherasco nicht gehorchen, die Ordre fchriftlich fehen. Am 18. Zul. 
war des Grafen von Bellisle Armee Angefichts des Col de l'Aſſiette 
vereinigt, am 19. mit Tagesanbruch famen die Franzoſen zum 
Sturm oder vielmehr zur Schladhtbanf. Denn in ihrer gefchüßten 
Stellung ſchoſſen die Piemontefer in einer Sicherheit, wie fie nur 
der Schiefiplag bieten mag, feine Kugel fehlte, und ſchrecklich 
war befonders ihrer Gegner Berluft an Officieren. Die franzöfi« 
fhen Deferteure, bie in großer Anzahl bei den Piemontefern 


278 Schonbarnoluſt. 


Dienſt genommen, benutzten die Gelegenheit, an den vormaligen 
Vorgeſetzten, die ihnen weh gethan, ſich zu raͤchen. In der Ber 
zweiflung um die ſchwere und vergeblihe Einbuße, um die Ents 
muthigung feiner Scharen, bildete Bellisle aus dem Reſt der 
Dfficiere eine heilige Cohorte, und an deren Spige verſuchte er 
den Testen Sturm. An beiden Händen verwundet über dem Be⸗ 
mühen, eine Paliffade auszureißen, erfaßte er fie mit den Zähnen, 
und darüber wurde er yon einem ©renabier des Regiments 
Montferat erfchoffen. In Unordnung wich Die Armee auf Briancon 
zurüd. Des Feldherren Brieftafhe wurde nah Turin gefchidt, 
und befundete ihr Inhalt eine Ehrbegierde und ‚einen Liebesprang 
ohne Gleichen. 

Geboren zu Agde, 1693, hatte Ludwig Karl Armand Fouquet 
Graf von Bellisfe fih bei allen Unternehmungen feines Bruberg, 
im Felde wie im Gabinet betheiligt, auch bei vielen andern Ger 
legenbeiten Ehre und Ruhm geerndtet. Den Rüdzug der Oeſte 
reicher auf ihre Brüde bei Beinheim zu beunruhigen, 1744, 
wurde er commandirt, das Dorf Suffelnheim an dem Hagenauer 
Forſt zu nehmen, und entledigte er ſich des Auftrages in ber 
glänzendften Weiſe. Damals jchon General-Lieutenant, wurde 
er, indeß der Marſchall von Coigny fih zur Belagerung von 
Freiburg anſchickte, mit einem Corps von 10—12,000 Mann 
detachirt, um bie öſtreichiſchen Borlande in Befig zu nehmen, 
und fie dem Kaifer huldigen zu laſſen, vermöge welcher Beftims 
mung das Corps den prächtigen Namen Faiferliche Huldigungs⸗ 
armee empfing. Den 6. Sept. 1744 occupirte fie Rothenburg am 
Nedar. Aus feinem Lager bei Zimmern entfendete Bellisle in 
ber Nacht vom 9. den Obriſten Godernaur mit 300 Dragonern, 
um Villingen zu bfofiren. Die A400 Schüsen vom Aufgebot 
ſtreckten auf die erfle Aufforderung das Gewehr, und am 10. 
Sept. empfing ber Graf von Bellisle die Schlüffel der Stadt, 
in den nächſten Tagen ein Faiferlicher Commiffarius den Treu⸗ 
eid der Bürgerfchaft und der umliegenden Landſchaft. Am 14, 
lagerte Bellisle ſich bei Stockach, den 15. bei Radolfzell, von 
wo er in ber folgenden Nacht 300 Dragoner betadirte, und 
durch fie die Stadt Conftanz auffordern Tieß; da Tagen -400 


Per Graf von RPellisle. 979 


Vorarlberger in Beſatzung, und bie ertheilten eine abfchlägige 
Antwort. Indem fie aber bei den Einwohnern eine unzuverläſſige 
Stimmung wahrzunehmen glaubten, richteten fie auf Gefhüg 
und Schießbedarf ein forgfames Auge. Ein Joch von der Rheins 
brüde war ſchon vorher abgeworfen worden. Die Behörden iu 
der Stadt feßten mehr Vertrauen in den Beiftand der Züricher, 
als in die Vorarlberger, bie verfprochene Hülfe blieb jedoch aus, 
und befchränfte man fih in Zürich auf die Verwendung an dem 
kaiſerlichen und franzöſiſchen Hofe, 

Glücklicherweiſe ließen die Franzoſen von Conſtanz ab, 
Bellisle hob am 19. Sept. das Lager bei Radolfszell auf, und 
wendete ſich Rheinaufwärts, den Waldſtädten zu. Den 20. er⸗ 
ſchienen ſeine Vortruppen Angeſichts von Waldshut, deſſen Bür⸗ 
ger dem Kaiſer buldigen, Brod und Fourage liefern mußten, 
während alles andere bar bezahlt, jeder Exceß, außer gegen bie 
veifenden Trauben, vermieden wurde. Den 21. ging der Marſch 
von Waldshut nach Lauffenburg, den 22. nah GSedingen, wo 
ebenfalls die Huldigung eingenommen wurde. Deputirte bes 
Kantons Schafhaufen hatten an der Grenze den Grafen com« 
plimentirt, und dagegen viele Ehre empfangen. Den 22, Sept. 
gegen die Nacht wurbe Rheinfelden auf dem rechten Rheinufer 
durch bie Freicompagnien eingejchloffen, inbeffen Bellisle mit 
dem rechten Flügel: feiner Armee auf dem Linfen Ufer mandeuv⸗ 
tirte. Den 23. gegen 9 Uhr Morgens langte er vor dem Plage 
an, und ließ er ohne Verweilen bas Fort Burgftall, oder den 
Stein tm Rhein, beſchießen, die Stadt aber durch Die Grena⸗ 
diere und Dragoner der Sreicompagnien einnehmen. Diefe ſetz⸗ 
ten fich in den Häufern fell, und thaten dur ihr Feuer dem 
des Feindes Einhalt, Den 24. ließ Bellisle feine drei kleinen 
Stüde aufführen, um die Schanze an der Communicationsbrüde 
zu befhießen. Das Feuer dauerte bis Abends in großer Heftigfeit. 
Den 25. bei anbrechendem Tage ſteckten Die Deftreicher die Brürfe 
in Brand, es fiel aber gegen 7 Uhr eine feindliche Kugel in eine 
Pulvertonne, und das hierdurch veranlaßte Feuer ergriff die 
Diendungen und machte jede fernere Bertheidigung unmöglich. 
Gegen 10 Uhr wurde die weiße Fahne ausgeſteckt und ergab ſich 


‘ 


280 Shönbsrnslufl. 


die Befabung zu Kriegsgefangenfchaft, nur daß der Comman⸗ 
bant und die Dfficiere auf Parole entlaffen werden follten. „Es 
ist dieſes Fort fehr anfehnlih. Man fand darinnen Borrath von 
allerhand Lebensmitteln, wie auch 20 Kanonen, 1 Mörfer, und 
viele Bomben, Kugeln, Granaten, und überhaupt alles, was zu 
einer guten Gegenwehr dienen fann.” Nach der Unterwerfung 
der Waldſtädte wollte Bellisle nochmals fein Glück vor Conſtanz 
yerfuhen. Hinlänglih diesmal mit Artillerie verfehen, bezog er 
abermals das Lager bei Radolfszell, dafelbft aber fand ſich der 
Graf von Elermont, ein Prinz aus dem Haufe Condéè ein, und 
in deffen Hände legte Bellisle das Commando nieder. Er bes 
gab fich zu ber Belagerungsarmee vor Freiburg, Clermont aber 
entwidelte fofort die glänzenden Talente, die zumal in dem Laufe 
des fiebenfährigen Krieges bewundert werden follten, während er 
den Bregenzern, den Borarlbergern überhaupt, Gelegenheit vers 
fchaffte, ihre Unerfchrodenheit, ihre treue Anhänglichfeit zu der 
Kaifertochter zu befunden. 

Unendlih viel, in feder Beziehung, verlor in feinem Bruder 
ber Marfchall von Bellisle. „Le chevalier de Belle-Isle, frere 
du comte ,“ fchrieb einftend D’Argenfon, „a, suivant les gens 
qui les ont le plus pratiques Tun et l’autre, 'plus de vues, 
detendue et de solidiiE dans les projets que son frere; mais 
sl a bien moins de liant, de souplesse et de moyens de seduire 
et de persuader. Il a peut-Etre plus de connaissance de Fart 
de la guerre, de la politique et de. ladministralion; mais il 
ne sail pas aussi bien faire valeir ce quiil fait et ce quil 
smagine. Leur ambition est en commun, et le chevalier a la 
bont€e de ne prendre dans les grands suocès qu’une part de 
cadet; mais on prelend que, toujours cache derriere son aine, 
sl lui est d’une grande utilite, et qu'il lui mangquerait beau- 
coup si quelque &evenement imprevu venait @ les separer. Le 
chevalier travaille aus memoires du comie, rectifie ses plans, 
preside dä l’arrangement des affaires domestiques; tout est 
chez eus indivis. Le chevalier, etant dune meilleure sante, 
se livre plus aux plaisirs que laine, mais il ne perd pas pour 
cela un instant dans la conduite de leur ambition et de leurs 


Der Marſchall von Bellisie. | a81 


intrigues communes. La meilleure affaire que les deus freres 
atent faile a et& Tdchange qu’ils firent, sous la regence, de 
la miserable ile de Belle-Isle contre le comte de Gisors, celui 
de Vernon, et les forets de Lions et des Andelys.“ 

Als die nächfte Folge des Unglüdes vom Col de P’Affiette 
iR das Fehlſchlagen des unter den glüdlichften Aufpicien bes 
gennenen Feldzuges zu betrachten. Die Armee in den Seealpen 
war über Sospello und Gaftiglione bis VBentimiglia vorgedrungen, 
hatte auch nach achttägigem Widerftand das daſige Schloß am 
2. Zul. mit Accord erobert. Sie breitete fih darauf bis Breglio, 
Lentosca und S. Martino eines, andern Theiles bis S. Nemo 
aus. Der Abfiht, dem belagerten Genua Luft zu machen, mußte 
der Marfchall in der Durch jenen Trauerfall wefentlicd) veränderten 
Lage der Dinge verzichten, er zog ſich, 24. Zul., in die Graffchaft 
Nizza zurüd, nahm in Nizza felbft fein Hauptquartier, Tieß 
aber eine Befagung in dem Caſtell von Bentimiglia, behauptete 
| auch durch feine Bortruppen den ganzen Landftric bis Mentone 
und Sospello, während ex. fich dergeftalten verſchanzte, daß feine 
' Stellung ald unangreifbar zu betradhten. Nachdem aber des 
Könige von Sardinien Verſuch, durch das Thal der Stura in 
Frankreich einzubringen, rüdgängig geworden, ergriff der Mar- 
fall nochmals die Dffenfive. Am 16. Det. Tieß er feine Armee 
in drei Colonnen über Turbia, Peglia und Sogpello vorgehen, 
daß er nicht nur das Caſtell von Ventimiglia entjegte, fondern 
auch den General von Leutrum und den Prinzen von Carignan 
nöthigte, ihre Pofitionen aufzugeben, und ihm die ganze Strede 
bis an Breglio und den Royafluß zu überlaffen. An der Roya, 
felen mehre Scharmügel vor, darunter jenes vom 24. Det, dag 
ernflichfte , endlich, am 5. Nov. gab der Marfchall das Lager 
bei Mentone auf, zufamt Penna und Sospello und allen Poftis 
rungen an der Roya. Bentimiglia, als der äußerſte Punkt, 
blieb ſtark befegt, das Hauptquartier kam nah Nizza. Den 
Winter brachte Bellisie in Berfailled zu, int Mat 1748 wurde, 
er zum Pair von Frankreich cereirt, den 28. Mai traf er wieder 
in Nizza ein. Laut feiner Inſtructionen follte er die Feindfelig« 
feiten nicht einftellen, e8 würden dann die Piemontefer das 


282 Schönbarns luſt. 


Beiſpiel dazu geben. Mit den Vorbereitungen eines Angriffs 
beſchäftigt, empfing er ein Schreiben von dem ſardiniſchen Ge⸗ 
neral von Leutrum, worin dieſer um die Einſtellung der Feind⸗ 
ſeligkeiten bat, angeſehen ſein König den zu Aachen verabredeten 
Präliminarien beigetreten ſei. Es wurde darauf Waffenſtillſtand 
geſchloſſen, und für die Dauer deſſelben die Roya als der beiden 
Armeen Grenze angenommen. Durch die Conventionen vom 
2. Der. und 21. Januar 1749 wurde die Räumung der im 
Friedensvertrag benannten Lande und Feflungen angeordnet, und 
die Art und Weife, wie fie zu bewerfftelligen, beftimmt. 

est endlich fonnte der Marfchall die Armee verlaffen. Am 
24. April 1749 nahm er ale Herzog und Pair von Franfreich 
feinen Sis im Parlament. An Amelots Stelfe zum Mitglied 
der Academie francaise erwählt, Tegimirte er fi, 30. Jun., 
durch eine meifterhafte Rede: „il prononea un discours remar- 
quable par l’eloyuence noble qui y regnait, et surtout par la 
maniere dont il loua le cardinal de Richelieu ,. obligation de 


rigueur, diſſicile à remplir d’une maniere neuve.““ Nicht weniger 


wurde Die Nede bewundert, fo er als Director der Afademie bei 
der Aufnahme des Grafen von Biffy vortrug, 29. Dec. 1750. 
Die Geburt des Herzogs von Burgund, geb. 13. Sept. 1751, 
ge. 22. März 1761, feierte er zu Mes in feiner Gouvernes 
mentsftadt zu zwei verfchiedenen Malen, den 26. Sept. und 
19. Det. Dergleichen Feftlichfeiten hatte Met niemals gefehen. 
„Es wurde das erftemal nicht nur ein Feuerwerk angezündet, für 


die Bürgerfchaft freye Komödie und Ball angeordnet, ein präch⸗ 


tiges Banquet, wobeyg man 12 Tafeln fervirte, gegeben, und an 
jedermann, wer es nur verlangte, Wein und Speife ausgethetlet, 
fondern auch die ganze Befatung, fo 8000 Mann ftarf war, in 
den Gafernen gefpeifet. Das anderemal wurden nicht nur 300 
Perſonen prächtig bewirthet, fondern auch auf den 5 vornehmften 
Marftplägen herrliche Triumfbögen aufgerichtet und dem Bolte 
auf jedwedem ein gebratener fetter Ochſe mit überflüffigem Brobe 


und andern Nebenfpeifen, wie auch einer Menge Wein, Preiß. 


gegeben. Des Abends ſahe man bie ganze Stadt illuminirt, 
und die Racht wurde in lauter Luft und Herrlichkeit zugebradht.” 


Per Marſchall non Rellisle. 285 


Sm 3. 1756 infpieirte der Marihall, nad dem Willen des 
Königs, die fämtlichen Feſtungen des Reihe, er entwarf. au 
den Plan für bie Eroberung von Minorca, deſſen Ausführung 
ber Herzog von Richelieu übernahm. Damals bereits Mitglied 
des Depefhen- und Commercienrathes, wurde er im Main. %. 
an des alter Marſchalls von Noailles Stelle in das Cabinet 
eingeführt, im 3. 1757 aber zum Chef des geheimen Staats⸗ 
rathes erflärt, als womit bie Direction des Miniſteriums vers 
bunden. Den 28. Febr. 1758 wurbe ihm die Verwaltung bes 
gefamten Kriegswefens mit unbefchränfter Gewalt übertragen. 
Gleichwohl konnte er nicht verhindern, daß der Graf von Cler⸗ 
mont das Commando der Armee in Deutfchland erhielt, und fol 
dieſer für die Einreben des Dinifters Rache genommen haben, indem 
er in der Schlacht bei Erefeld, 23. Jun. 1758, den einzigen Sohn 
des Marfſechalls, den Mestre-de-camp yon den Carabiniers, mit 
dieſem Prarhiregiment zu einer hoffnungslofen verberblichen Charge 
verwendete, Der junge Mann, ‚le jeune seigneur le plus beau, le 
plas brave et le plus aimable de son temps,“ empfing eine tödts 
liche Schußwunde, an welcher er den 26. Zun. zu Neuß verflarb, 
Ludwig Maria Fouquet Graf von Gifors, geb. 27. März 1732, 
war feit 1753 mit einer Mazarin-Maneini, Des Herzogs von Rivers 
nais Tochter verheurathet, ohne jedoch Kinder zu haben, „Sein 
Bater, der Marſchall, wurde durch diefen Tod ganz außerordent⸗ 
lich gerührt. Ihn einigermaßen aufzurichten, widerfuhr ihm eine 
Ehre, deren wenig. Unterthanen fich jemals zu rühmen gehabt; 
Denn e$ ftatteten bey ihm den 7. Zul. der König, die Königin, 
ber Dauphin, die Infantin-Herzogin von Parma und die Königl, 
Prinzeſſin Adelaide, den folgenden Tag aber die Daupbine und 
Die Königf, Prinzeffinen Bietoria, Sophia und Louiſe die Con 
dolenz in Perfon ab.“ 

In dem einzigen Sohne verlor der Marſchall Alles, was 
er in einem höchſt mühfamen Leben zu erbauen bemühet ges 


weſen, doch mieifterte er den Schmerz infofern, daß in feiner 


amtlichen Thätigfeit Feine Stodung bemerfbar wurde, ‚Les 
trois annees de sun administralion de la querre furent mar- 
quees par les ordonnances les plus sages et les plus uliles; 


284 Schönbsrnslufl.. 


entre autres par celle qui regla les nominations aux regi- 
ments, et arreia Tabus qui meltait a la tete d’un corps le 
fils d’un duc et pair, et m&me d’un homme de la cour un peu 
favorise, lorsqu’il n’avait encore que douze ans: le marecchal 
empEcha pour l’avenir, ces nominations de colonels a la ba- 
vette.“ Die Kriegsichule verdankte ihm ihre Erweiterung und 
Berfchönerung , auf feinen Betrieb wurde, die Verdienſte pro 
teftantifcher Dfficiere zu belohnen, im J. 1759 der Orden pour 
le merite geftiftet, er begründete zu Mes, im Jul. 1760, die 
Afademie, Behufs deren er aus eigenen Mitteln ein Capital von 
60,000 Livres augfegte. Den Krieg mit Preuffen, der allen feinen 
Antecedentien entgegen, mißbilligte er beharrlic, und könnte man 
annehmen, daß diefe Stimmung des Kriegsminifters auf den Gang 
des Krieges gewirft habe, fo anders mit feinem Abgang eine Vers 
änderung des Kriegsglüdes bemerkbar geworden wäre. Schwer er⸗ 
Tranft im Det. 1759, fo dag man an feinem Auffommen verzweis« 
felte, überließ er das Herzogthum Bellisle, das Marquiſat Giſors 
und die Bicomte Vernon um die Summe von dritihalb Millionen 
an die Kronez davon wurden ihm 900,000 Livres bar bezahlt, 
für den Reft der Kauffumme nqhm er eine Leibrente von 80,000 
Livres, deren er wenig über ein Jahr genof. Abermals erfrantt, 
ftarb er zu Paris, den 26. Jan. 1761. Bid zum Testen Augen 
biide war er im Befige aller feiner geiftigen Fähigfeiten gebfie- 
ben, daher fein erbaulihes Ende um fo Tebhaftern Eindrud 
machte. Nach feiner Berordnung wurde er zu Biffy, der Ges 
mahlin (geſt. 3. März 1755) und dem Sohne zur Seite bei⸗ 
geſetzt. Sein Univerfal-tegatar wurde der Marquis von Caſtries. 
Einer Anverwandten, der Demoifelle Berhet, verfchrieb er ein 
jährliches Einfommen von 12,000 Livres. Für die Dienerſchaft 
war eine Leibrente von 50,000 Livres ausgefest, das an Ports 
Royal, unweit den Theatinern gelegene praͤchtige Hötel für alle 
Zeit dem Kriegsminifter zu einer Dienfiwohnung gewidmet. 
Ein einziger, dem Marſchall überlebender Bruder, Bernhard 
Franz Fouquet, geb. 1705, Erzbifchof zu Embrun im Sept. 1740, 
fonnte als ein Ordensmann, Dratorianer, die Erbfchaft nicht 
anfprechen. 


Br Morſchal von Pellisle. 288 


„Frankreich hat an dem Marſchall von Bellisle einen gro⸗ 
ßen Staatsmann, einen erleuchteten Miniſter, einen trefflichen 
Negotiateur, einen guten General, einen eifrigen Patrioten, 
einen Deförberer der Wiſſenſchaften und einen getreuen und uns 
ermübeten Diener des Königs verlohren. Er war überaus muns 
tr, mäßig, wachſam und geſchickt, nicht nur große Dinge zu 
erfinden und anzugeben, fondern aud auszuführen. Er fcheuete 
keine Gefahr, und ermwieß fi) gegen den Feind eben fo herzhaft 
als vorfichtig und großmüthig. Er war ein geübter Ingenieure 
und bielte gute Mannszucht. Er Tiebte feine Soldaten eben fo, 
wie er von ihnen wieder geliebt wurde, weil er es ihnen an 
nichts fehlen ließ. Er Tiebte Magnificenz und Pracht, wenn es 
die Umftände erforderten, wuſte aber auch zu anderer Zeit ſpar⸗ 
ſam zu feyn. Sein Hofmeifter fa Pierre, den er zu Frankfurt 
bey fih hatte, brachte ihn durch feine Knickerey, die er wider 
des Marſchalls Wiffen und Willen allzu hoch trieb, in den Vers 
dacht, ale ob er geizig fey. Nebft feinem Durchdringenden Vers 
‚ Rande rühmte man an ihm eine Fähigkeit zu arbeiten, daß kaum 
10 Secretarien Tag und Nacht vermögend gewefen, feine Briefe 
auszufertigen. Diejenigen, die das Glück gehabt, fein Cabinet 
"zu betreten, verfihern, daß dieſer große Geift verfchiedene ſchöne 
Werke von dem franzöfifhen Kriegsftaate hinterfaffen habe, welche 
die Welt ohne Zweifel eben fo dankbar als die Kriegsjchriften 
des berühmten Grafens von Sachſen aufnehmen würde, mwofern 
fie gedruckt werden follten. Der berühmte Redner und Sefuite 
P. Neuville hat ihm eine Lobrede gehalten, die vor ein Meifter« 

fü der Beredſamkeit gehalten wird.” 
| Bedeutend Fühler beurtheilt D’Argenfon den Marfchall : 
„Dans un siecle ou leracte probite, le merite reel et les 
mes sages et solides ne sont point les meilleures recomman- 
dations, un homme qui sait user a la fois de sovuplesse et de 
jactance ne peut manquer de reussir. La preuve cependant 
que ses idées ne sont ni bien lumineuses ni reellement grandes, 
c'est que son style est faible et m&me plat, qu'il n’ecrit ni 
purement ni forlement, et qu'il na pas me&me d’eloquence en 
parlant ; mais il paralt loujours assurd du succes; il en ré- 


286 Schönbernsiufl. 


pond sans hesiter, et il persuade d’autant plus, qu’on croit 
‚qwil n’y met point daart. Il sait encore mieur faire valoir 
ce qu’il a fait que ce qu'il veut faire. Si M. de Belle-Isle 
parvient @ dire charge d’une grande administration, il est d 
craindre que son goüt excessif pour les details et ‚pour les 
projets de toute espece, ne le porie d en adopter beaucoup 
dont il ne pourra suivre lexdcution en entier, ei qu'il n’aura 
pus le temps de rectifier. Il aimera certainement les aven- 
luriers, letant un peu lui-meme, et ne distinguera pas tou- 
joure ceux qui peuvent lui dire veritablement utiles davec 
les auires. Il s’est fait une habitude de cacher lertravagance 
de ses plans sous un air empesd de sagesse et m&me de flegme. 
Cependant, le feu de limagination est attisd interieurement 
par la contrainte. Vous voyez une statue droite et immobile 
vous proposer la devastation des empires, lagilation des re- 
publiques, et vous conduire, par des consequences raisonndes, 
auæ troubles les plus dangereur pour l’Etat qui les poursui- 
vrait selon ses moyens. C'est le plus grand defaut de son 
caraclere de ne pas savoir sarreter ; il ne voit de perfection 
que dans linfini. J’ai quelquefois enlendu de M. de Belle- 
Isle des mots qui m’ont fait fremir. ,,Rien de si aise, di- 
sait il un jour devant moi, que de culbuter d’un trait de 
plume la puissance russe dans la mer. En verite il y a 
de quoi trembler, en voyant un peuple frivole et aventureuz 
comme le nötre se livrer ô de tels conducteurs“ Daß bie 
Ergebniffe von des Marfhalls Treiben in Deutfchland bis auf 
ben heutigen Tag wirkfam geblieben find, wurde bereits er= 
innert, von feinen Bemühungen um des Haufes Größe bietet 
das yon feinem Großvater erbaute Schloß Baur das traurigfte 
Bild, Dort ließ der vorige Befiger, der fo berüchtigt gewordene 
Herzog von Praslin, die Wafferwerfe zerftören, um bie bleier« 
nen Röhren verfilbern zu Fönnen. Er hat baraus 150,000 
Franken erlöfet, den Garten aber, und befonders die Terraffe, 
yon welcher der ſtärkſte Wafferfall ſich herabſtürzte, durch die 
Entfeffelung der Gewäffer zu einem vollftändigen Sumpf gemadt. 
Tauſende von Blindichleihen und Nattern haben diefe Terraffe 
eingenommen, um den Sieg der Natter der Colbert über das 


Das Deus Montijs. 287 


Eichhörnchen der Fouquet zu verfünbigen. Denn die Natter, 
nicht aber die Eidechfe, ift das. Wappen der Eolbert, unb dem⸗ 
nad der S. 239 vorfommende lapsus calami zu verbeffern. Ihn 
verſchulden die brei Eidechfen in dem Wappen der Ile Tellier, 
besjenigen alfo, der nach Turennes Ausdruf am mehrften bes 
fürdhtete, eö möge der Surintendant dem Galgen entgehen. Zu 
Baur gehört aud das nahe Blandy, mit der Abth. U. Bd. 2, 
6.704 befprocdhenen Pradtburg Aunoy. Dafelbft haufeten weis» 
fand die Vicomtes von Melun, abfonderlich jener Wilhelm II., 
ber von wegen der gewaltigen, die feftefle Rüftung fpaltenden 
Hiebe feiner Streitart, den Beinamen Carpentarius, le Char- 
pentier, Zimmermann empfing, nachmalen aber yon wegen ſei⸗ 
ner Flucht aus dem belagerien Antiochia, 1100, wozu er eines 
Strides fi) gebrauchte, durch bie Bezeichnung furtivus funam- 


bulus, Stridreiter, gebrandmarft wurde. 


Daß Bellisles Unterbandiungen um bie Vergebung ber 
Kaiſerwürde bei Kurfürft Franz Georg von Trier und an den 
übrigen Kurhöfen durch einen fpanifchen Gefandten, den Grafen 
von Montijo unterftügt wurden, tft mehrmalen, namentlih ©. 


261 und. Abth. II. Bd. 2. ©. 161, beſprochen worden. In der 
- jüngften Zeit hat eines Grafen von Montijo Tochter den frans 
zoͤſiſchen Kaiferthron beftiegen, und wird man vielleicht mir 


dbanfen, wenn ich eine Hausgefchichte heleuchte, welche in unters 


eſſe fo mande Reichsannalen übertrifft, zumalen Alles, fo die - 


öffentlichen Blätter in Deutfchland -und Frankreich, Die einzige 
Eölnifche Zeitung ausgenommen, über Das Haus Montifo mits 


' theilten, gleich unbedeutend und unrichtig geweſen. Gutierro _ 
Pelaez, der Ahnherr des ganzen Stammes, foll nach dem Grafen 


von Barcelos, ein Gascogner von Herfunft geweſen, und in 


Geſellſchaft des burgundifchen Grafen Heinrich nah Portugal 


gefommen fein, auch dafelbft fi) niedergelaffen haben. Dagegen 
iſt Prudentius von Sandoval der Anfiht, daß den Beinamen 
Pelaez wohl nur ein Spanier von Herkunft geführt haben würbe, 
und dieſer Anficht fi) bemächtigend, glaubt der große Salazar 
annehmen zu können, daß Gutierro Pelaez eine Perfon mit jes 
nem Öntierro , des Pelagius Sohn, der auch als des Haufes 


288 .  Schöubsrnelufl. 


Silva Ahnherr bezeichnet wird. Diefer Gutierrn war ein Urs 
urenfel König Froilas IE. von Leon, ein Urenkel des Infanten 
Aznar, ein Enfel des Infanten Pelagius, ein Sohn des Ricco 
hombre Pelagius Pelaez; er hat Aldarete‘ und Silva befeffen 
und den Sohn Pelagius Gutierrez de Silva hinterlaffen. Bon 
biefes Pelagius Söhnen ift Gomez Paez de Silva der Stamms 
vater des Haufes Silva geworden, während Ferdinand Paez, mit 
Acuña alta abgefunden,,. diefes Ortes Namen auf feine Nach» 
fommen vererbte. 

Ein Enfel Ferdinands, Martin Laurentii (i. e. ſilius) be 
Acunha, ſtiftete die Nebenlinie, welcher entſproſſen ein jüngerer 
Martin Lorenzo de Acunha, der Erwerber von Pombeiro, in der Cor⸗ 
reicao de Coimbra der Provinz Beira. Dieſes jüngern Martin 
Sohn, Johann Lorenzo de Acunha auf Pombeiro verdankt feinem 
häuslichen Mißgefhid eine gewifle Gefebrität.. Seine Gemahlin, 
die fchöne Leonora Tellez de Menefes fand Gnade vor den Augen 
des Königs Ferdinand von Portugal; fie wurde gefihieden, und 
bie Gefchiedene insgeheim dem König angetraut. Der unglüds 
fihe Ehemann, um nicht zu ſchauen, was zu verhindern nit 
in feiner Macht, und was aud der große Aufruhr der Liffaboner 
43741 nicht hintertreiben Fonnte, flüchtete nach Caſtilien, und hat 
er unter dem Schuge K. Heinrichs II. e8 gewagt, eine philofos 
phifche Verachtung ber ihm angethbanen Shmah an Tag zu 
“Legen; er fhmüdte feinen Hut, flatt der Federn, mit vergoldeten 
Hörnern, an denen das Wappen von Portugal prangte. Nach 
des föniglichen Ehebrechers Tod kehrte Johann in die Heimath 
zurüd, und blieb Pombeiro noch lange bei feiner Nachkommen 
fchaft, bis es durch Heurath an die Caftallobranco gelangte und 
von 8. Johann VI. von Portugal zu Gunften Peters von Ca⸗ 
ftalobranco und Acunha zu einer Graffchaft erhoben wurde. 

Des Ahnherren der Nebenlinie in Pombeiro älterer Brus 
der, Basco Lorenzo de Acunha wurde der Urgroßvater von Mars 
tin Basquez de Acunha, der mit Biolanta Lopez de Pacheco ver« 
beurathet, Bater wurde von Vasco III. Martinez de Acunha, als 
welcher, Herr von Taboa, Pinheirn, Angjen und Bempoſto, unter 
den Landherren der Provinz Beira, während der Regierung der 


Das Haus Montijo. 289 


Könige Peter, Ferdinand und Johann I. eine bedeutende Nolle 


fpielte.. Im dem Streite um die Erbfolge war er mit feinen 


Söhnen Martin, Aegivius und Lobo für die Königin von Ca⸗ 
Rilien (1384), die ihm gemachten Berfprechungen blieben aber 
unerfüllt, und fein Vaterland von einem Bürgerfrieg und zugleich 
von ben Fremden bedroht ſehend, opferte Vasco feine Neis 
gungen dem gemeinen Wohl. Er und feine Anhänger huldigten 
dem Großmeifter von Aviz, der unter dem Namen Johann K. 
am 6. April 1385 als König ausgerufen worden, und erzeigte 
ſich Basco ale des wanfenden Thrones ftandhafter Vertheidiger. 
Noch im nämlihen Jahre befiegte er, von Johann Fernandez 
Yacheco unterflügt, bei Troncofo eine bedeutende Abtheilung 
des caftilianifchen Heeres, und als König Johanns Abgefandter 


befprachb er zu ©. Jago mit dem Herzog von Lancafter die Bes 


dingungen bes Bündniffes , welches die Engländer gegen Caſti⸗ 
lien bewaffnete. Dielen Lohn für feine Bemühungen fcheint er 


“nicht empfangen zu haben, vielmehr gehörten feine Söhne zu 
den Erfien, an welden 8. Johann feine hauptfädlich die Er⸗ 
. niedrigung des Adels bezwedende Politif auszuüben verfuchte, 


Martin Basquez, der ältefte diefer Söhne, mußte die Herrfchaft 


Sul und andere Krongüter, gegen eine Entfchädigung von 7000 
bopyelten Goldmaravedis zurüdgeben (1394). In dem Ver⸗ 
druffe um ſolche Behandlung ging er 1396, in Begleitung feiner 
Brüder und des in ähnlicher Weife verlegten Johann Fernandez 
Pacheco nach Eaftilien, um mit 100 Lanzen in K. Heinrichs LII. 
Dienfte zu treten, Sie wurden mit offenen Armen aufgenommen, 


und if Martin der Stammvater der Grafen von Balencia ges 


worden, während fein Bruder Aegidius durch des Königs Frei⸗ 
gebigfeit die Städte Roa und Manfilla, der andere Bruder die 


Graffchaft Buendia erhielt. Bon allen dreien wird in ber Folge 


gehandelt werben. Außer ihnen hinterließ Vasco IH. Mars 
tinez nody zwei Söhne der erften Ehe, den Stephan Suarez und 
ben Basco Martinez, und aus ber zweiten Ehe, mit Terefa be 
Alduquerque, den Gonfalvo und Peter, 

Gonfalvo Basquez de Acunha ward Bifchof zu Guarda. Peter 
Basquez gab den Namen Acunha auf, um flatt beffen den mütter- 


Rhein. Antiquarius, 3. Abth. 2. Bd. 19 


2390  - Schönbornsiuft. 


lichen Namen Albuquerque zu führen. Sein Entel, Lobo be 
Alduquerque, des K. Afons V. Oberfammerherr, unternahm 
1475, unter einer VBermummung eine Reife nah Caftilien, um 
bie eigentlichen Gefinnungen des Erzbifhofs von Toledo, des 
Marques von Villena und anderer Mißvergnügten, in Bezug 
auf eine Bermählung der Prinzeffin Johanna mit dem König 
von Portugal zu erforfhen, Verträge mit ihnen einzugehen, 
und ber einzelnen Herren Hülfsquellen kennen zu lernen, erhielt 
zur Belohnung der in diefer Sendung entwidelten Gewandtheit 
- die Graffchaft Penamacor, wurde aber in dem Treffen bei Toro 
der Caftilianer Gefangner. Im J. 1484 wird er genannt ald 
einer ber Verſchwörer, Durch welche die Krone von Portugal dem 
Herzog von Bifeu zugedacht. Die Verſchwörung wurde entdedt, 
fchwere Strafe traf die Theilnehmer, Lobo aber fuchte Schug 
in einem feiner Caftelle, und feine Gemahlin, die Schwefter des 
Cardinals von Acofta, veranlaßte, den Bedrohten zu retten, 
Bewegungen und Rüftungen in ber Landfchaft Beira, die den 
König offene Empörung beforgen ließen. Ihr vorzubeugen, Tieß 
K. Zohann IH. die fühne Frau, famt Mann und Kindern, frei 
nach Caftilien verziehen. Lobo hinterließ fo wenig als feine 
Brüder, Heinrih und Peter, dauernde Nachkommenſchaft; Peter 
hatte in dem Krieg von 1475 die Vertheidigung der Grenze von 
Satural geführt, und wurde 1484 als Theilnehmer von des Hers 
zogs von Bifeu Verſchwörung enthauptet. Dagegen entftammte 
der Ehe der Eleonora de Albuquerque mit Johann de Gomide 
auf Villaverde ein neues und zahlreiches Gefchleht von Albu⸗ 
querque, welchem u, a. der große Eroberer von Indien, el grande 
conquistador dell’ India, Alfons de Albuquerque angehört. 
Basen Martinez de Acunha, von des Vasco HI. Söhnen 
erſter Ehe der drittgeborne, gründete die Linie von Lanhofo, in 
der Correicän de Guimardes, bie aber bereits mit deſſen Sohne, 
Martin Basquez erlofhen zu fein fcheint. Der zweitgeborne 
Sohn des Vasco LII., Stephan Suarez de Acunha, hinterließ zwei 
Söhne; der ältere, Vasco feste die Linie der noch nicht erlofchenen 
Herren von Taboa fort, welchen namentli angehörte der Reftor 
der Diplomaten des 18. Jahrhunderts, Ludwig de Arunha. „Deu 


Das Hau⸗ Moaontijo. 2 


Louis d'Acunha,“ ſchreibt ein Zeitgenoſſe, „königl. portugiefiſcher 
bevollmaͤchtigter Miniſter und Abgeſandter am franzöſiſchen Hofe, 
‚farb den 9. Det. 1749 zu Paris plötzlich im 105. Jahre feines 
Alters, Er ift auf 60 Jahre in Geſandtſchafften gebraudyt wors 
den und Hat den jebtregierenden König in Portugal, feinen 
Herren, noch niemals gefehen, weil er nie in fein Vaterland 
zurüdgefommen, nachdem er angefangen in. königliche Dienfte zu 
treten. Er bat fowohl dem Friedenscongreffe zu Ryswick, als 
dem zu Utrecht beigewohnt, und bis 1736 fih als gevollmächtig« 
tier Minifter im Haag befunden. In diefem Jahre aber wurde 
er an den franzöfifchen Hof gefandt, wo er bis an fein Ende in 
großem Anfehen geflanden. Ungeachtet feines Alters Tiebte er 
die Gefellfehaften, und führte einen ziemlidhen Staat, weil es 
ihm niemals an Gelde mangelte. Er hatte eine große Erfah- 
rung in den politifchen Sachen, und eine weitläuftige Erfenninig 
von dem verfchiedenen Intereſſe der europäifchen Puiffancen. Ob 
ihn gleich der Poften, worinnen er flunde, und die Figur, die 
er in ber Welt machte, nöthigten, in einer Zerfireuung des Ges 
müthes zu leben, fo war er doch auf alles, was vorging, fehr 
‚ aufmerffam. Er fchrieb alles, was während feiner Lebenszeit 
Wichtiges vorfiel, eigenhändig auf und bereicherte biefe feine 
Nachrichten mit fehr curiofen Anmerfungen, Er ift bis an fein 
Ende munter und aufgewedt geblieben, und hat in feinem 104. 
Jahre die Gefellichaften noch auf eben die Weife und mit eben 
fo guter Art beſuchet, als er es im 50. Jahre thun können. 
Die Inquifition war mit ihm nicht vecht zufrieden, weil man 
ihn vor einen halben Juden hielte; wie er denn auch eine Jüdin 
zur Rammerfrau hatte, bie er aber auf deren Antrieb im heuri⸗ 
gen Srühjahre von fi ch ſchaffen muſte. Sein Haus war der 
ordinaire Sammelplatz aller frembden Miniſters, und er wuſte 
jedem mit einem ſehr angenehmen Weſen zu begegnen.“ Sein 
Brudersſohn, Ludwig de Acunha, Canonicus der Patriarchalkirche 
zu Liſſabon, war 1752—1756 Geſandter zu London, und wurde 
am A, Mai 1756 zum Staatsfeeretair für die Departements dee 
auswärtigen Angelegenheiten und des Prieges ernannt. Den 
hierdurch gewonnenen Einfluß benupte er sur Erhöhung feiner 


19 * 


292 Schänbornolnſt. 


Familie. Sein Bruder Joſeph erhielt im Oct. 1757 das Gon⸗ 
vernement Maranhaͤo, ein anderer Bruder, der Majoratsherr, 
Dom Antonio Alvarez de Acunha, Gouverneur von Mazagan, 
hierauf, feit Aprit 1753 Gouverneur und Generalcapitain von 
Angola, ging 1759 als Gefandter nad) Paris und im Mat 1763 
nad Brafilien, als Bicefönig und Gouverneur von Rio Janeiro, 
Im Sept. 1767 fam er nad) Europa zurüd, um die Präfidents 
fhaft des Rathes und das Departement der ultramarinifcen 
Angelegenheiten zu übernehmen, und fcheint die Longävität bed 
Oheims fih auf ihn vererbt zu haben, denn Dom Antonio Als 
varez Graf de Acunha wird noch 1805 als Präfident des Con- 
selho ultramarino genannt. Fuͤr ihn wurde im Dec, 1759 bie 
Grafſchaft Taboa errichtet. Ein naher Anverwandter von ihm 
wird gewefen fein Johann Cosmas de Acunha, Erzbifchof von 
Eyora und Canonicus reqularis von S. Salvador zu Liffaben, 
geb, 20. Det. 1715, der im Januar 1770 Generalinquifiter, 
und am 5. Aug. n. 3. von Clemens XIII. in die Zahl der 
Cardinäle aufgenommen wurde. 

Der jüngere Sohn von Stephan Suarez de Acunha, Ar 
gidius, Comthur von Pinheiro in dem Chriftorden, hatte einen 
Sohn, Ludwig de Acunha, den K. Alfons V. mit der Herrſchaft 
Sentar oder Affentar befchenfte, Neben Sentar befaß Ludwigs 
Sohn, Peter, Barreirvo und Senhorim, beides in der Cor: 
reieno de Bifeu. Peters Sohn Lobo wurde zum Grafen, und 
biefes Sohn Peter I. zum Marques von Sentar creirtz der 
Marques, nachdem er lange in der Lombardei gedient, auch bad 
Generalat von Ceuta befleidet hatte, fiel als commandirender 
General in den Niederlanden, nicht ohne Ruhm, in ber bfutis 
gen Schlacht von Senef, 11. Aug. 1674, wo er die Nah» 
but des verbündeten Heeres befehligte. Emanuela, die einzige 
Tochter feiner Ehe mit Francisca de la Cueva y Enriquez, ded 
3ten Marques von Bedmar Tochter, vermählte fi 1697 mit 
Melchior de Ia Eueva, dem Aten Marques von Bedmar, ihrem 
Oheim, und hinterließ, flerbend, Sentar und die Graffcaft 
Billanueva ihrer einzigen Tochter, Maria Francisca de Ia Cueva 
Aegidius Vasquez de Acunha, des Basco ARE. vierter Sohn, 


Das Haus Moentije. | 395 


bekleidete, nachdem er den Beſitz in Caflilien aufgegeben, unter 
der Regierung König Johann I. von Portugal das Amt eines 
Großbannerträgers, befaß Celorico de Baflo, Montelongo und 
Guillefray, und war mit Sfabella, des Condeftable Nuno Alvarez 
Pereyra Schwefter perheurathet. Sein Sohn oder Enfel, Fer⸗ 
dinand Basquez de Acunha, Rico hombre yon Portugal, Herr 
von Öuillefray, Celorico de Bafto und Montelongo, befand fich 
unter den Geifeln, fo 1382, ald Bürgichaft für den Friedens- 
vertrag dem König von Gaftifien überliefert wurden. Unter 
Aegids anderweitiger Nachkommenſchaft find vornehmlich die Her⸗ 
ven von Payo⸗Perez und von Geftaco zu merken. Das Majo⸗ 
vat Payo=- Perez oder Pays de Pelle, in der Coyreicad de Thomar, 
erheurathete Hieronymus de Acunha mit Maria de Menefeg, 
und war baflelbe, gleichwie Barreiro, in der Correiçcio von Ses 
tuval, ein Eigenthbum von Emanuel de Acunha 9 Menefeg, der 
ald der Königin Maria Franzisca von Savoyen (geft. 1683) 
Obriſthofmeiſter vorkommt. Der Stammvater der Herren von 
Geſtago, Johann Triftan de Acunha auf Geſtaco und Pena⸗ 
guiäo, in der Correican von Porto, ging im J. 1514, an ber 
Epige einer zahlreichen und- glänzenden Gefandtfchaft nach Rom, 
"um dem b. Vater von dem Fortgang des Chriſtenthums und ber 
yortugiefifchen Waffen in Oftindien und Africa Bericht zu er= 
Ratten, koſtbare Gefchenfe, unter andern einen Efephanten und 
einen gezähmten Panther darzubringen, und um die Erlaubnig 
für eine Befteuerung der Geiftlichfeit zu erbitten. Es wurde 
ihm eine Bewilligung, die felbft des Königs Wünfche überftieg. 
In der Ehe mit Antonia Paez gewann Triftan die Söhne 
Nufo und Simon. 

Nuũo de Acunha, Here von Geftaco und Penaguido, vers 
dankte feinen Fahrten und Kriegszügen in Indien hohen Ruhm, 
Im Borbeigehen plünderte und verbrannte er 1529 die Stadt 
Nombaza, dann nahm er über einem Zwift ben Vezier des Kö⸗ 
nigs von Ormus gefangen, um ihn nad Europa zu ſchicken. Der 
Zug nad) Diu, den Nuno ald Vicekönig von Indien 1531 unters. 
nahm, mißgfüdte, weil zu viel Zeit über der Eroberung ber be- 
nahbarten Inſel Beth verloren wurde. Dagegen lieg Nuno. 


294 Schönbsrusiufl. 


die Landfchaften um ben Meerbufen von Surate, auch die Kräfte 
von Malabar mit Feuer und Schwert heimfuchen; Surate felbft | 
und andere Städte wurden in Afche gelegt, 27 reichbelabene 
Schiffe des Samorin von Calieut genommen; Ruhe zu haben, | 
mußte diefer den Vortugiefen die Anlage einer Fefte zu Chale, 
brei Meilen von Calieut, verflatten. Im 3. 1532 lieg Nuño 
Baffalm wegnehmen, und die Fefte, aus der man 400 Kanonen 
entführte,, zerſtören; außerdem wurden alle Küftenflädte, von 
Baffaim bis Tarapur, in die Alche gelegt, Tana, Bandora, 
May und Bombay gezwungen, Tribut zu bezahlen. Nuño bes 
fchränfte fi) aber Feineswegs auf Naubzüge, er begann Antheil 
zu nehmen bei den politiſchen Ereigniffen und Verhandlungen 
ber Halbinfel, ſchloß mit dem Großmogul Humaioon ein Bünds 
nig, dem König von Guzurate dergeftalten zu Schreden, daß Dies 
fer willig Baffatın mit allem Zubehör an die Portugiefen abtrat, 
auch fich die gewaltfame Wegnahme von Daman ſtillſchweigend 
gefallen ließ; als aber Guzurate den fiegreichen Waffen des 
Großmoguls erliegen zu wollen ſchien, entfagte Nuño unerwars 
tet den bisherigen Verbindungen, um dem entmuthigten König 
Bahadur mächtige Hülfe zu leiſten, wogegen er fich lediglich das 
Recht, bei Din eine Feftung bauen zu dürfen, bedingte. Diefer 
Bau wurde unter des Bicefönigs unmittelbarer Auffiht betrie- 
ben, und ber Feſte, die mit 60 Stüden bewehrt, eine Belagung 
von 900 Mann eingelegt 1534. Ä 
Die der Stadt Goa zunächft gelegenen Bezirke ſahen fi durch 
bie VBerwüftungen, welche des Ibrahim Adelchan Feldherr Azas 
dachan auf der Küfte von Concan anrichtete, veranlaßt, ber por⸗ 
tugiefifhen Herrfchaft fi) zu unterwerfen 1536, und wurde bie 
wichtige Ermwerbung durch die über den Feldherren des Adelchan 
bei Margam und Ponda erfochtenen Siege, durch Erbauung der 
Feſte Rachol befiegelt, Aber Bahadur, der König von Guzurate, 
in feiner gegenwärtigen Sicherheit ber in dem Kriege mit den 
Mongolen yon Nuño empfangenen Hülfe uneingedenf, fuchte für 
immer ber Portugiefen fih zu entledigen. Als Einleitung zu 
einem verrätherifchen Streiche Tieß er dem Wirefönig eine Zus 
fammenfanft in Diu vorfchlagen. Dahin Fam Nuño, und an 


Pas Haus Montijs. | 295 


Bord feines Schiffes empfing er bes Königs erfien Beſuch. Das 
ganze Gewebe durchſchauend, Tieß er gleihwohl den Gaſt in 
feiner Barke zurüdfehren; in bas Fort ſollte Bahadur gelodt 
und dort verhaftet werben. Zu dem Ende mußte der- Sommans . 
dant des Forts, Emanuel de Souſa, dem König in die Barke 
folgen und fich die Ehre feines Beſuches ausbitten. Das Schiffe 
lein war in voller Bewegung, und es näherte fich eine mit Por⸗ 
tugiefen befegte Schaluppe : einen Landsmann in dem königlichen 
Gefolge erblidend, wandelte biefe ein Gelüften an, die Fahrt 
mitzumachen. Die Haft, in welder fie die mohriſche Barke zu- 
erreichen firebten, erregte Bahadurs Beſorgniß, und auf feinen 
Wink wurde Souſa getöbtet. Diego de Mesquita, der in dem 
Kriege mit Humaioon die portugiefifchen Hülfsvölfer befehligte, 
hatte den Wink verflanden, fprang hinzu und verwundete ben 
König, hatte aber mit Soufa gleiches Schidfal. Bier andere 
Portugieſen und fieben Mohren wurden in dem Handgemenge 
erfchlagen, und fein Ende fchien noch nicht abzufehen, denn von 
beiden Seiten fuhren flets neue Barfen hinzu. Bahadur begab 
fi) auf die Flucht, wurde aber durch einen Kanonenſchuß, der 
drei feiner Ruderer tödtete, aufgehalten. Er verſuchte es, durch 
Schwimmen fih zu retten, kam zu finfen und verrietb fi durch 
fein Hülfsgefchrei den Verfolgern. Triſtan de Paya reichte ihm 
ein Ruder, das ergriff er, indem man aber bemühet, ihn an Borb 
zu sieben, fchlug ein portugiefifcher Soldat ihm die Hellebarbe ing 
GBeficht, und deffen Kameraden nahmen dem König vollends das: 
Leben, Der Leichnam wurbe nicht weiter geſehen, Acunha aber 
309 zu Diu ein, und berubigte durch feine Gegenwart und feine 
Anordnungen die erfchredten, zum Theil auf der Flucht begrifs 
fenen Einwohner. In dem Palaſt wurbe für 200,000 Pardacos 
wertb an Gold und Silber gefunden. Der Hafen enthielt 160° 
Schiffe, darunter einige fehr große, Munition aber und Artillerie 
machten den wichtigften Theil der Beute aus; unter den zahllo⸗ 
fen metallenen Kanonen, der eifernen nicht zu gebenfen, wurden. 
drei Bafilisten oder Yeldfihlangen von fo ungeheurer Größe ent« 
beit, daß der Vicekönig ſich veranlaßt fand, bie eine, als eine 
Seltenheit, nach Europa zu verſchicken: vielleicht iſt dieſes Stück 


296 Schöuborusluft. 


noch. heute in- dem Caſtell S. Julicco am Eingang bes Hafens 
von Liffabon zu ſehen. Die Stadt Diu ihrer Reihtbümer bes 
raubend, bewilligte Nuno gleihwohl den Mahomedanern freie 
Religionsübung , er beftätigte alle von Bahadur ausgeworfenen: 
Defoldungen und Gnadengelder, unternahm es auch, feiner Er 
werbung zu mehrer Sicherheit, fie mit dem fehlenden Trinfwaffer 
zu verforgen. Zu dem Ende erbaute er Anfangs des %. 1538 
die große Gifterne von 25,000 Pipen Gehalt, und dieſer Vor⸗ 
fiht fommt großentheild die Erhaltung der Feftung gegen bie 
gewaltigen Anftrengungen der Türfen 1539, zugufchreiben, wies 
wohl zugleich. Nuũo Feines der Mittel verabfäumte, welche den 
Muth der Befagung erhöhen, jene Belagerung zu der denkwür⸗ 
bigften des Jahrhunderts machen fonnten. Zu einem nicht mins. 
der glorreichen Entſatz hatte er bereits alle Anftalten getroffen, 
als der neue Vicekönig, Garcias de Noronha in Indien ans 
langte 1539, und hiermit Nuños nüslicher Thätigfeit , welcher 
Portugal auch die Unterwerfung ber Molucken, die Entdeckung 
von Mindanao zu verdanfen hatte, ein Ende machte. Des 
Birefönigs Urenkel, Johann Nunhez de Acunha, Herr von Ge- 
ftaco, wurde zum Grafen von ©. Bicente da Beira, in ber 
Correieao von Gaftellobranco ernannt, hinterließ aber nur eine 
einzige Tochter, die S. Vicente ihrem Gemahl, Michael Karl 
de Tavora zubrachte. 

Des Vicekönigs von Indien jüngerer Bruder, Simon be 
Acunha befaß die Comthurei von Torresvedras, in welcher er 
feinen Sohn Triftan zum Nachfolger hatte. Des Triftan Sohn, 
Simon H. de Acunha e Abaide, war mit Agnes de Melo e 
Silva, der Tten Frau von Povolide, in der Correicao von 
Bifen, verheurathet. Bon feinen Enfeln, Ludwig und Nuio, 
febte diefer, 1ter Graf non Pontebal und Herr von Pombal, in 

der Correicao von Leiria, in finderlofer Ehe mit Elvira de 
Villena. Sein Bruder Ludwig, Iter Herr von Povolide, hatte 
der Rinder vier, von benen einzig die Tochter, Maria be Alen- 
caftro verbeurathet wurde an Karl be Noronha, den Herren 
son Almada. Bon den drei Söhnen widmete ſich der jüngfte, 
Nuño, geb. 7, Dee. 1665; der Kirche, Collegialis zu St. Paul 


Kar 





Das Haus Montijs. 297. 


in ber Univerfität Coimbra, wurde er in die Zahl der koͤnig⸗ 
lichen Capelläne aufgenommen, zum Bifhof von Tanger, zum 
Generalinguifitor von Portugal ernannt. Am. 18. Mai 1712 
ertheilte ihm Papſt Clemens AL die Cardinalswürde, von In« 
nocentius XIII. erhielt er den Prieftertitel von, Santa Anaflafia, 
er wurde auch von befagtem Papft, unter deffen Wählern er ſich 
befunden, zu mehren Congregationen , dergleichen jene der Dis 
Ihöfe und Regularen, der Kicchengebräuche, des Conſiſtoriums, 
de propaganda fide gezogen, Er verlieg Rom im J. 1722, 
nachdem er auf die Wiederherftellung feiner Titularfirche über 
12,000 Seudi verwendet, ſehr reihe Almofen und Gefchenfe 
ausgetheilet, und überhaupt durd feinen Prunf großes Auffehen 
erxregt hatte. Auf der Heimreife pilgerte er zu dem Gnadenort 
Loreto. Nochmals befuchte er Rom, gelegentlih des Conclave 
von 1724, worin Benediet XIII. erwählt wurde, fpätern Cons 
claven beizuwohnen erlaubten ihm nicht die zwiſchen dem päpft- 
lichen Stuhl und der Krone Portugal fchwebenden Jrrungen, 
wohl aber wurde er von Clemens XII. durch Breve vom Febr. 
1733 zum Legaten a Latere ernannt, und beauftragt, die Ver⸗ 
mittfung ber beiden Höfe zu übernehmen. Der Hof von Riffas 
bon wies jedoch das Breve, wegen verjchiedener Ausfeßungen 
zurüd, und die VBerföhnung erfolgte nachmalen, ohne des Cardi⸗ 
nals unmittelbares Zuthun. Dagegen gewann er als General- 
inquifitor und Mitglied des Staatsrathes fehr großen Einfluß 
auf die Angelegenheiten des Königreichs, und behauptete er den⸗ 
felben bis zu K. Joſephs Thronbefleigung. Von dem an auf 
firchliche Berrichtungen befchränft, überlebte Nuüo diefem Wechfel 
aur kurze Zeit, er ftarb in der Nacht zum 15. Der. 1750. Die 
Armen verloren in ihm ihren größten Wohlthäter. 

Lobo Basquez de Acuna, des Vasco IL jüngfter Sohn 
erfier Ehe, beiaß durd die Gnade des Königs von Gaftilien 
Buendia und Azanon,, und erheurathete Paredes, Portilla und 
Baltablado mit Terefa Carrillo de Albornoz, der Schweſter des 
auf dem Concilium zu Bafel 1434 verftorbenen Cardinald Als 
fons Carrillo. Seiner Söhne waren vier, Peter de Acuna y 
Abornoz, Gomez Carrillo de Albornoz, Alfons Carrillo de Als 


PT Schöubsrusiuft. 


bornoz und Lobo Vasquez de Acuña. Der jängfte, Lobo Vas⸗ 
quez, Herr von Azañon und bes Orbens von ©. Jago Comthur 
zu Merida, wurde von feinem Bruder, dem Erzbiſchof von To⸗ 
fedo, zu Huete, in der Provinz Cuenca, als Statthalter einge 
führt. Er war aber nicht vermögend, Die Stadt gegen die Ans 
griffe eines Eöniglichen Feldberren, des Garcias Mendez de Bas 
bafoz zu behaupten 1465, und zog ſich in bie Burg zurüd, wo 
er alsbald belagert wurde. Es gelang ihm, den Erzbifchof feine 
Lage wiffen zu Taffen, und ſchickte diefer 800 Tanzen zum Entfag. 
Gareias Mendez wurde bei Tarancon auf das Haupt gefehlagen 
und, nachdem er in Huete Zuflucht geſucht, famt dem beften 
Theile feiner Mannfchaft von den Bürgern, bie fi, für bes _ 
Arcuna Streit bewaffnet hatten, gefangen genommen. Bon dem 
an handelte Lobo als ein Erbherr von Huete, und wenngleich 
feines Vetters, des Marques von Billena Antrag (1475), daß 
die Stadt ihm, Lobo, zu Eigenthum verliehen, und hiermit bie 
yon K. Heinrih IV. nicht in gehöriger Form gemachte Schen- 
fung beftätigt werde, ohne Folge blieb, fo hieß er Doch allgemein 
ber Herzog von Huete, bis dahin Johann de Robles und Rodrigo 
de Aguilar, im Einverfländnig mit einigen Bürgern, im Nov. 
1476 die Stadt erftiegen und fie für die Krone zurüdnahmen. 
Lobo gewann in der Ehe mit Maria de Mendoza, des Herren 
von Caũete Tochter zwei Söhne, deren älterer, Lobo Basquez be 
Acuũa, Herr von Azañon und Befehlahaber zu Cazorla, in der 
glänzenden Vertheidigung von Queſada gegen die Mohren 1466, 
nicht geringen Ruhm fich erwarb. 

Alfons Carrillo de Albornoz, von den Söhnen des erften 
Herren von Buendia der dritte, widmete fih dem geiftlichen 
Stande und wurde 1434 feines Oheims, des Cardinals Albornoz 
Nachfolger in dem Bistum Siguenza. Im J. 1446 auf ben 
erzbifchöflichen Stuhl von Toledo erhoben, verfuchte er noch in 
demſelben Jahre, wiewohl vergeblich, Torrein den Aragoniern, 
die von bort aus durch flarfe Naubzüge die caftilianifche Grenze 
beunruhigten,, zu entreißen. Unter König Heinrih EV. ges 
Yangte er zu unbegrenztem Einfluffe auf die Angefegenheiten des 
Reichs, wie er dann, während des Feldzuges gegen die Mohren 


N 


Das Baus Montijo. 209 


1455, mit ber Regentichaft, für welche zwar Peter von Belasco 
fein College, befleidet wurde; feber der beiden Regenten empfing 
täglich 1000 Maravedis als Tafelgeld. Mit folchem Einfluß 
feineswegs fi) begnügend, fuchte der Erzbifchof: in Berbindungen. 
mit dem Auslande, namentlich mit Aragon, die Befeftigung und 
weitere Ausdehnung feiner Gewalt. Diefer Verbindungen halber 
mußte er in den verwidelten Unterhandlungen, durch welche bie 
zwiſchen beiden Kronen fchwebenden Uneinigfeiten ausgeglichen 
werben follten, die Feinde von Caftilien in auffallender Weiſe 
begünftigen. Leber feine Treulofigfeit empört, entzog Heinrich IV. 
dem Erzbifchof und bem Marques von Villena das ihnen bis dahin 
gefhenfte Bertrauen (1463). In jenen Zeiten pflegten aber ver» 
abfhiedete Minifter mit dem Degen in ber Fauſt Rechenfchaft von 
ihrer Verwaltung abzulegen, und dazu rüfteten fih der Erzbifchof 
und fein Better, indem fie ihre mächtigen Verwandten bewaffneten, 
und Bündniffe mit mißvergnügten Großen eingingen. Es war 
diefes der Anfang jener Zerrüttungen, durch welche Heinrich IV. 
bis an fein Ende beunruhigt werben follte. Der erfte den Ges 
danfen einer Abfegung bes Königs erfaffend, und ihn, gelegentlich 
der Zuſammenkunft in Alcala de Henares 1464, dem Marques 
von Billena mittheilend, führte der Erzbifchof, nachdem dag Vor⸗ 
haben, den Monarchen zu San Pedro de las Dueñnas aufzuheben, 
fehlgefchlagen, in der Zufammenfunft zu Burgos die Verſchwornen 
zu dem Entfchluffe, dem Infanten Don Alfons zum Bortheit 
dem tyrannifchen Berfahren bes Königs fich zu wiberfegen, und 
den ber Prinzeffin Johanna geleifteten Eid als nicht geſchworen 
anzufehen, indem allzu befannt ihres angeblichen Vaters Unver⸗ 
mögen. Statt die Urheber folcher Befchlüffe feinen Zorn fühlen 
zu laſſen, verfuchte der König, mit den Verbündeten zu unter« 
handeln, und wurde der Zwift dem Ausſpruch yon Schiedsrichtern 
überwiefen. Die zwei von dem König ernannten Schiedsrichter, 
Don Pedro de Velasco und Gonzalo de Saavedra, geblendet duch 
bie glatten Worte des Marques von Billena, der einflußreichfte 
ber von den Malcontenten aufgeftellten Schiedsrichter, verfuhren 
lediglich nach deſſen Anſichten. Das fihien Doch, der Betterfchaft 
unbefhadet, dem Erzbifchof allzu bedenflih , und zeigte er ſich 


500 Schönborusiafl. 


einer Ausföhnung mit dem König nicht abgeneigt. Er machte fich 
anheifchig, dem Monarchen wider alle feine Feinde zu dienen, au 
fofort, gegen Beftellung zureichender Sicherheit, ihm feine Kriege- 
völfer zuzuführen. Sehr gern ließ der König ſich auf Vorſchläge 
ein, denen des Almirante Beitritt höhere Wichtigfeit verlieh, und ed 
verhieß Heinrich dem Erzbifchof die Stadt Avila famt dem Thurm 
ber Domkirche, Ta Mota und das Caſtell von Medina del Campo, 
dem Almirante aber Bal de Nebro und die Statthalterfhaft von 
Balladolid, worauf Erzbifhof und Almirante ihren Treueid ers 
neuerten, und in der feierlichften Weife betheuerten, niemals 
den Dienft eines fo gnädigen Gebieters verlaffen zu wollen. 
Erſchreckt durch des Erzbiſchofs Abfall fchickte der Marques 
von Billena feine Gemahlin an den Hof, um den König zu bes 
thören; fie fand für ihren Bortrag nicht die gehoffte Aufnahme, 
aber es gelang der liſtigen Unterhändlerin, den Erzbifchof zu 
beruhigen und zu ber Partei der Verbündeten zurüdzuführen, 
Während er den König in dem Entfchluffe, die Vorſchläge des 
Marques zu verwerfen, beftärfte, hatte er auf dem Congreſſe zu 
Plaſencia einen Abgeordneten, der in großer Heftigfeit, felbft 
gegen Billenas Anfiht, die Entthronung des Königs, als den 
einzigen möglichen Ausweg, durchfegte. Dem Erzbifhof wurben 
Avila, la Mota und Medina dei Campo übergeben, er empfing 
aus dem Zahlamt 12,000 goldne Enriques, als die Löhnung für 
1400 Langen, ftatt aber, wie er es verfprocden, bei der auf ſei— 
nen Rath unternommenen Belagerung von Arevalo thätig zu 
fein, verhielt er fi) ruhig zu Ontiberog, und beantivortete er die 
wiederholte Einladung, ſich doch enblich im Felde blicken zu Laffen, 
mit beifpiellofer Unverſchämtheit; der ungeſtümmen Zudringlichs 
feit des Könige überbrüffig, bieß es, werde er ihm ungefäumt 
zeigen, wer ber rechte König von Gaftilien fei. Gleich darauf 
erfolgte vor den Thoren von Avila die berücdhtigte, unmürbige 
Scene; in der weiten Ebne wurde ein Gerüft aufgefchlagen, 
barüber ein Thron errichtet. Kine Puppe, den König Heins 
rich IV. vorfielend, auf dem Haupt die Krone tragend, befleidet 
mit dem Königsmantel ,. den Seepter in der Hand, den Degen 
an der Seite, wurde dem Throne aufgefegt. Bon der Bühne 


Das Haus Mentijs, 301 


herab verlag ein Schreiber die Punfte, um derentwillen der 
König abgefeßt und der Krone beraubt werden follte. Dann 
erfliegen der Erzbifchof von Toledo, der Marques von Billena, 
der Graf von Plafencta, der Großmeifter von Alcantara , die 
Grafen von Benavente und Paredes das Gerüſt. Sie traten 
zur Puppe bin, und der Erzbifhof nahm ihr die Krone vom 
Haupt, Billena entriß ihr den Scepter, Plafenria den Degen, 
die drei Andern bemächtigten ſich der übrigen Inſignien des Kö- 
nigthums, und alle vereinigten fih, um mit Fußtritten die Puppe 
von der Bühne herabzuftoßen, und begleiteten dieſe Handlung 
mit den fchimpflichften Verwuͤnſchungen besfenigen, welchen zu 
verhöhnen ihre Abficht, während Thränen und Seufzer die Miß⸗ 
billigung der unzähligen Zuſchauer ausdrückten. Unmittelbar 
darauf, 5. Juni 1465, wurde der zur Bühne erhobene Infant, 
Don Alfons, als König von Caſtilien und Leon ausgerufen, und 
eilten Prälaten und Großen, ihm die Hand zu küſſen. 

In der Empörung verharrend, bemeiſterte ſich der Erzbiſchof 
mit gewaffneter Hand der Stadt Peñaflor, er belagerte auch Si⸗ 
mancas, wo indeſſen hartnäckiger Widerſtand und eine Wiederhos 
lung des ſchmählichen Auftrittes von Avila ſeiner warteten. Troß⸗ 
buben ſetzten aus Lumpen eine Geſtalt zuſammen, die den Erzbiſchof 
vorzuſtellen beſtimmt; unter tauſend Schmähungen wurde die 
Puppe vor die Stadt gebracht, geſungen: „Hier iſt Simancas, 
Berräther Don Oppas, bier ift Simancas und nicht Penaflor“, 
Ieglih Das Rumpengebild den Flammen übergeben. Weit ents 
fernt, ſolchen Schimpf ahnden zu fönnen, fah der Erzbifchof füch 
genöthigt, bei Annäherung des Föniglichen Heeres die Belages 
rung aufzuheben, Avifa wurde ihm entriffen, und aus Rom Fam 
die Nachricht, daß der heilige Vater vielmehr den König Heinrich, 
als den Sinfanten begünftige, Gegen die von borther drohende Ges 
fahr ſich zu mwaffnen, entfendete der Prälat einen VBertrauten nad 
Rom, um dem Papft das Gutachten zweier großen Theologen, 
des Bifchofs von Ampurias, Don Antonio de Alcala und des 
P. Johann Lopez, aud die Ausfprüde vieler und berühmter 
Rechtsgelehrten, welde ſämtlich des Königs Abſetzung für ges 
secht, erlaubt und gültig hielten, vorzulegen. Der Verbündeten 


502 Schönbsrnsiufl. 


Unglüäd im Felde auszugleichen, legte der Erzbifchof bei Arevalo 
dem König einen Hinterhalt, als biefer von Valladolid nad Se- 
govia 309, den trüglichen Unterhandlungen von Coca beizumohs 
nen. Sn der Schlacht bei Olmedo, 20. Aug. 1467, zog er, vom 
Kopf bis zu den Füßen geharnifcht, und darüber ein ſcharlachnes 
Mepgewand mit weißen Kreuzen geworfen, an der Spite feines 
Contingents durch die -glänzendften Proben beharrlicher Tapfers 
feit allgemeine Bewunderung fih zu, und war er,. obgleich zu 
Anfang des Gefechtes am Arm verwundet, unter den Verbündeten 
der legte, vom Schlachtfelde zu weichen. Der Partei den an 
dieſem Tage erlittenen Berluft nah Möglichkeit zu erfegen, ges 
wann er für fie den Grafen von Alba de Tormes, als welcher fi 
um den einftweiligen, fpäter gegen Ciudad Rodrigo zu vertaufchen« 
den Befig von Puente del Arzobispo an den Erzbifchof verfaufte, 
Diefem gelang es auch, nad dem Tode des Infanten Alfons den 
König zu dem Tractat yon Cerberos, 1468, worin die Infantin 
Sfabella als vermuthlihe Kronerbin anerfannt, zu verleiten. 
Was er hierdurch, feiner Tochter zum Nachtheif, bewilligte, 
mußte den König alsbald gereuen, allein dev Erzbifchof war 
feineswegs von der Gemüthsart ,. eine folche Neue zu beachten. 
Seine Abfiht ging dahin, die Vermählung der Infantin Sfas 
bella mit dem Prinzen yon Aragon durchzufegen, dafür hatte 
er aber nicht nur mit einer mächtigen Partei in Gaftilien, fons 
bern auch mit den Großen von Aragon zu fämpfen: diefe ing» 
befondere fürchteten mit Recht, es möchte durch alfolche Heurath 
Aragon eine Provinz von aftilien werben. Des Erzbifchofg 
Beharrlichkeit befiegte.alle ihm entgegengefegte Hinderniffe, na- 
mentlich auch den drüdenden Geldmangel des aragonifchen Hofes, 
durch welden König Johanns guter Wille fo Tange gelähmt 
worden, und der Infant Ferdinand begab ſich auf die Reife nad 
Caſtilien. Doc fehlte wenig, und eine Verhandlung, für Spa» 
niens Zufunft von unberedhenbaren Folgen, mußte abgebrochen 
werben. Der König von Frankreich Tieß für feinen Bruber, 
den Herzog von Berry, um bie Hand der Infantin Iſabella 
werben; fie lehnte den Antrag ab, Billena jedoch und der Erz⸗ 
biſchof von Sevilla, beide für bie franzöfifhe Heurath geſtimmt, 


Das Hans Montijs. 5 


trafen Anftalten, welche nicht nur die Willensfreiheit , fondern 
auch die perfönliche Sicherheit der Prinzeffin zu bedrohen fchienen. 


Furcht und Schreden ergriffen und zerfireuten ihr Hofgefinde 


auf die Meldung von der Annäherung der Reifigen des Erz- 
biſchofs von Sevilla, und die Bürgerfchaft von Madrid verrieth 
nicht die fernfte Neigung, das Recht der hülfloſen Prinzeffin zu 


verfechten. In ſolch angftooller Tage fand Sfabella einen fihern 
Boten in dem Franziscanermönch P. Alfons von Burgos, dieſem 


gelang es, die Aufmerffamfeit der Späher zu täufchen, und mit 
der unerwarteten Mittheilung von der Noth in Madrid den zu 
Alcala weilenden Erzbiſchof zu erreichen. Augenblicklich feste 


dieſer mit 300 Lanzen fih in Bewegung, um nod) an demſelben 


Tage Salamanca zu. erreihen. Hier traf er des Villena Ges 


heinmſchreiber, der ihn von weiterm Vorrüden, als zu bedenklich 
in feinen Folgen, abhalten folte; auf wunderlihen Ummegen, 
da die Straßen ſämtlich verlegt, erreichte er gleihwohl am fünf« 


1 0.2 - 


‚ ten Tage Cabeza de el Pezo, ganz nahe bei Madrigal, und die 


Jürfiin war gerettet, 
In erneuerter Lebhaftigfeit entzündete fih der Bürgerkrieg 


über den ungeſchickten Berfuchen Heinrichs IV., bie Rechte feiner 
Tochter zu wahren. Das von den Königlichen genommene Pes 


rales wurde alsbald yon dem Erzbifchof in Perfon belagert, und 


‚ bot die Länge der Belagerung den Marquefen von Santillana 
und Billena Gelegenheit, Vergleichsvorſchläge auf die Bahn zu 


bringen. Sie verhießen dem Erzbifchof, im alle er fich dem König 


‚ unterwerfen würde, bie Nüdgabe ber ihm entriffenen Seften und 
eine Gebietsvergrößerung, außerdem follten feine beiden Söhne, 
Troilo Carrillo und Lopo Vasquez de Acuia 3000 Vaſallen und 
zwei Seften erhalten, allein das Alles wirkte nicht auf den Erz⸗ 
biſchof, und gleich wenig das päpftliche Breve, worin ihm, der 


eben die Belagerung von Perales aufheben müffen, geboten, zum 
Gehorfam des Königs zurüdzufehren, widrigenfalls ihm vor dem 
föniglichen geheimen Rath der Proceß gemacht werden follte, 
Befehl und Drohung ergaben fich gleich wirfungsios, und der. 
König, die durch das Breve ertheilte Vollmacht benugend , bes 
Rimmte das Domcapitel von Tolebo zus Bezeichnung von vier 


304 Schõonbornoluſt. 


Capitularen, durch welche bie Unterſuchung gegen ben wider⸗ 
ſpenſtigen Prälaten zu führen; weiter zu gehen, erlaubte des 
Königs Unentſchloſſenheit nicht, und ſcheint ihm der Erzbiſchof 
beinahe einen Dienſt geleiſtet zu haben, als er drei der von dem - 
Domcapitel ernannten Richter, die in der Heimreife nach Toledo 
begriffen, aufheben ließ, 

Indeſſen der Erzbifhof mit fo manichfaltigen Angelegen- 
beiten befchäftigt, waren die Infantin und ihr Gemahl infoferne 
feinen Händen entfchlüpft, daß fie fich bewegen laffen, zu Medina 
de Rioſeco bei dem Almirante ihre Reſidenz aufzufchlagen. Nicht 
nur, daß ihnen hier die geziemende Bedienung abging, fondern 
es entmuthigte auch ihre allzu fichtbare Abhängigfeit von dem 
Almirante die eifrigften Anhänger, während merflih die Zu 
neigung des Volkes erfaltete- (1471). Da entfendete ber Ery 
bifchof feinen Arhidiacon, Tello de Buendia, die Fürften zu 
befragen, ob fie ihrer elenden Lage überdrüffig, in diefem Falle 
wolle er die Mittel, fie derfelben zu entreigen, befchaffen. Die 
Fürften erwiderten: vollfommen feien fie ihrer Verbindlichkeiten 
gegen den Erzbifchof, in welchem fie den Begründer ihres Glückes 
erfennten, bewußt. Längft und höchlich hätten fie gewünfdt, 
Medina de Rioſeco zu verlaffen, den Wunfch aber verfchtwiegen, 
aus Furcht der ſchweren Unfoften, die ein Wechfel ihres Aufent- 
baltes dem Freunde machen würde. Weil er aber zuerft Davon 
handele, nähmen fie feinen Anfland, dem Borfchlag ihre Zu— 
fiimmung zu ertheilen, nur möge der Freund ihnen bis Duenas 
entgegenfommen, | 

Die Antwort wurde dem Erzbifhof nah Alcala überbradt, 
und fofort, wie es fpanifche Sitte, mit Freunden und Bekannten 
in collegiafifche Berathung gezogen. Der Graf von Parebes 
und fein Bruder waren der Meinung, der Erzbifchof dürfe bie 
Prinzen nicht länger in Medina Taffen; die Koften zu vermins 
dern, möge er fie nach Paredes oder. einer andern, irgend einem 
der Bundesgenoffen zuftändigen Feſte bringen laſſen, wo ihr Aufs 
enthalt dem Erzbifchof Feine Ausgaben verurſachen würde. Des 
Prälaten Räthe hingegen behaupteten, ein folhes Unternehmen 
fet ihrem Herren nicht zuzumuthen, weit entfernt, ben Aufwand 


Das Haus Montijs. : 8085 


der fürfifichen Hofhaltung beftreiten zu fönnen, habe er nicht 
das erforderliche Geld, um die für den Zug unentbehrliche 
Mannſchaft aufzubringen, hingegen Schulden in Menge. Aber 
der Erzbifhof hatte feinen Entfhluß gefaßt. In einem neuen 
Anlehen fand er die Mittel, 350 Tanzen, auserlefenes Boll, um 
fih zu verfammeln, und bamit zog er nad Duenad. Geine 
Annäherung vernehmend , verfuchte es der Almirante nicht, die 
fürſtlichen Gäfte wider ihren Willen zurüdzuhalten,, und Fer⸗ 
dineand und Iſabella folgten dem Befreier nach Neucaftilien, 
legten auch endfih, in dem von Andreas von Cabrera ihnen 
überlieferten Alcazar von Segovia, den Grundflein zu einer 
freilich noch immer fehr gefahrvollen und zweifelhaften Herrfchaft. 
Unendlich viel follten fie, in ihrer bedrängten Lage noch ferner 
bem Ersbifchof verdanken; alle Kunftgriffe ihrer Feinde wur⸗ 
den durch feinen Scharffinn errathen und hintertrieben, und fein 
Einfluß vornehmlich Tieß niemals den König, in dem Streit von 
Tochter und Schwefter die angemeflene Entfeheidung finden. 

| Leider war der Erzbifchof nicht nur ein beforgter, fondern 
zugleich ein gebieterifcher Befchäger , und die Fürſten, die all 
mälige Beſſerung in ihren Angelegenheiten gewahrend , fehienen 
ſich gegen das durch feine Laune ihnen auferlegte Joch firäuben, 
zu feiner Stelfe den Sardinal Mendoza erheben zu wollen. Denn 
nicht jederzeit vermochte.die Prinzeffin ihre Unzufriedenheit mit 
‚ des Befchüters Launen zu verbergen , und Ferdinand fagte ihm 
bei einer Gelegenheit unummunden, daß „er ſich nicht am Gängel⸗ 
bande führen laſſe, wie fo manche der frühern Beherrfcher von 
Caſtilien.“ Das hierdurch veranlaßte Mißvergnügen des Erzs 
bifchofs fpricht fich bereits fehr Tebhgft in einem Schreiben an 
den König von Aragon aus 1474, in der Neußerung zumal, daß er 
zwar der Sache der Infanten fortwährend geneigt bleibe, doch von 
feglicher Verbindlichkeit, ihnen ferner zu dienen, frei fi erachte. 
Höochlich beforgt um die Folgen eines Bruches mit Dem unentbehr- 
lihen Verbündeten, fchrieb der König im ernfteftlen Ton an ſei⸗ 
nen Sohn, von ber Nothwendigfeit, den beleidigten Prälaten zu 
verföhnen, und der Schmolfende Tieß für diesmal ſich befänftigen, 
nachdem fein Unternehmen auf Canales, durch die yon der Infantin 


Rhein, Antiquarius, 3. Abth. 2. Bd. 20 


| 306 Schönbozustufl, 


— nn —— — — — 


gewaͤhrte Unterſtuͤtzung, eine guͤnſtige Wendung genommen hatte. 
Wie er aber nach KR. Heinrichs Tod in Segopia ſich einfand, um | 


bie Snfantin Iſabella als rechtmäßige Königin von Caftilien und 
Lepn zu begrüßen, ba verfäumte man ed, in dem Palaft ihm 
eine Wohnung anzumweifen, Empfindlih über dieſe Vernaächläſſi— 
gung, längft ſchon von Bitterer Eiferfucht über das fteigende Ans 
fehen des Cardinals Mendoza erfüllt, horchte er mit Wohlges 
fallen den Einflüfterungen eines. frommen Adepten, wie er dem 


Erzbifchof erfchien, nder aber, nad dem Urtheil der Welt, eineg 


verfehmigten Betrüger. Der Goldmacher Ferbinand de Alarcon, 


anausgefegt bemühet, dieſe Eiferfuht wach zu halten, ver 


mochte den Prälaten, daß er, angeblih um feinen Einfluß zu 
prüfen, verſchiedene, anderweitig beſetzte Aemter in Anſpruch 
nehme. Die Monarcin beffagte, ihm nicht willfahren zu Fönnen, 
indem es eine fihreiende Ungerechtigkeit fein würde, ohne all 
Beranlaffung treue Diener ihrer Aemter zu entfegen, und fors 
berte ihn zugleich auf, eine andere Gnade fih zu erbitten, Der 
Prälat hatte des Mißvergnügens um biefen Beſcheid Fein Hehl, 
and wenn auch der König perfönlich ihn befuchte, alles Erbenfs 


liche that, ihn zu beruhigen, fo verließ er gleihwohl am 20, . 
Januar 1475 Segovia, um nad Alcala de Henares zurädzus | 
fehren. Man ſchickte ihm den Herzog von Alba und den Gras 
fen von Treviño, fobann ben Peter Cabeza de Bara nad; 
beide Botfchafter waren angewiefen, ihm die dringendſten Vor⸗ 
ftelungen zu machen, in der größten Ilnterwürfigfeit feine Rüds 
fehr zu erfleben; Falt erwiderte er, fein hohes Alter geftatte ihm | 
nicht, bei den wichtigen und bebenflichen Händeln, mit welden 
bie Regierung zu thun haben werde, Antheil zu nehmen, übris 
gens verlaffe er den Hof, um fortan in Ruhe leben, und feis 
nen geiftlihen Verrichtungen ungetheilt fü widmen zu Tönnen. : 
Bereits hatte er mit Billena fi) verfländigt, gemeinfchaftlich mit 


ihm den Plan entworfen, den König von Portugal mit ber 


Tochter Heinrichs IV. zu vermählen, und biefer die Thronfolge 
in Gafilien zuguwenden, Andere Große verbanden fi mit ihnen 
zu gleihem Zwede, zu fpät erfannten die katholiſchen Könige 
Die ganze Bedeutung des Fehlers, in Anfehung des Erzbiſchofs 


Pas Haus Montijo. 07 


begangen. Ihn und feine mächtige Anvermanbtichaft zu ver» 
fühnen, wurden Unterhandlungen mit dem Marques yon Bilfena 
eingeleitet, fie zerſchlugen fih, weil man von beiden Seiten nur 
eine Ueberliftung im Sinne gehabt. Die Königin befland vor 
Allem auf der Auslieferung der Dota Johanna, der Marques 
wollte nicht mit Berfprechungen fi abfinden laflen, fondern bes 
gehrte Thaten zu fehen, daß dem Erzbifchof in Caſtilien 5000 
Bafallen angewiejen würden u. f. w. 

Gleich fruchtlos ergaben ſich die mit dem Erzbifchof un⸗ 
mittelbar geführten Unterhandlungen, fein Antwortfchreiben, 
Uzeda, 16. April 1475, angefüllt mit ben bitterfien Klagen, 
zeigt deutlich, daß: er entſchloſſen, die mehrmals fchon gehörte 
Drohung, er werde die Königin Zfabella zwingen, den Spinn⸗ 
een wieder zu ergreifen, gleichiwie er fie von bemfelben ab» 
gerufen, zu verwirklichen. Noch immer gab die Monarchin fich 
der Hoffnung hin, es könne ihrer perfönlichen Bemühung ge« 
Iingen, den Zürnenden zu entwaffnen. Bon Lozoya aus Tieß fie 
ihm entbieten, daß fie bei ihm in Alcafa zu fpeifen gedenke: 
„Darauf möge fie nicht rechnen,” wurde ihr höchſt unehrerbietig 
entgegnet, „wie fie dem einen Thore eingebe, werde zum andern 
ber Erzbifchof ausziehen.” Den legten Berfuh, die unerhörte 
Sartnädigfeit zu überwinden, machte der Eonbeftable, von allen 
Sreunden des Erzbifchofs derjenige, welchen er die meifte Ruͤck⸗ 
ficht zu bezeigen gewohnt, allein auch Velasco fam an den Hof 
zurüd, ohne das Mindeſte ausgerichtet zu haben. Die Feind« 
feligfeiten mußten demnach beginnen, und wurbe der König von 
Yortugal am 12, Mai 1475 in Plafencia von ben verbündeten 


Herren auf das prächtigfte empfangen, und fofort als König, 


gleichwie als Königin von Gaftilien bie ihm zugedachte Braut 
ausgerufen. Weniger Eile hatte der Erzbifhef, dem fremder 
Monarchen feine 500 Ranzen zuzuführen, gleichwohl behauptete 
er in der Schlacht bei Toro den alten Ruhm, und nur bie 
Nachricht von den aufrährifhen Neigungen feiner Bafallen, von 
ihrem Berlangen, unter der Königin Herrfchaft ſich zu begeben, 
fonnte ihn zum Abgang vom Heere beflimmen. Wiewohl der Graf 
yon Treviũo bemüht. gewefen, ihm ben Paß zu verlegen, erreichte 


20 * 


308 Schonbornoluſt. 


er auf Umwegen Alcala. Abgeſchnitten von aller Verbindung 
mit Portugal, gezwungen, von dem verſuchten Entſatze von Ucles 
abzuſtehen, verlaſſen von dem größten Theile der Verbündeien, 
zuletzt von Villena ſelbſt, blieb er in ſeinem Trotze ungebeugt. 
Nur aus Gnaden gleichſam willigte er in eine Zuſammenkunft 
mit Koͤnig Ferdinand, die bei Madrid im Prado ſtattfinden ſollte; 
es ſcheint aber vielmehr, daß er die Abſicht gehabt habe, bei 
dieſer Gelegenheit den König aufzuheben, als daß er ſich mit 
ihm vertragen wollen. 

Die Zuſammenkunft unterblieb darum, und der Erzbiſchof 
machte den Verſuch, die Stadt Toledo den Portugiefen zu übers 
liefern ; er mißlang, dafür verübte die Befasung von Alcala 
arge Feindfeligfeiten gegen die für die Königin haltenden Pläge. 
Den König von Portugal, der bereits des unfrudhtbaren Krieges 
müde werben wollte 1478, zu einem abermaligen Zuge nad 
Gaftilien zu beftimmen , feßte der Erzbifchof alle Mittel in Be⸗ 
wegung, Talavera de la Reyna und felbft Alcala wollte er den 
Fremdlingen überliefern. Allein es hatte König Alfons den 
Glauben und die Hoffnung verloren, und durch das vergebliche 
Bemühen, ihn aus feinem Schlummer zu erweden, veranlaßte 
ber Erzbifchof die katholiſchen Könige zu immer ftärferen An« 
firengungen. Der Herzog von Billahermofa feste fih in Madrid 
feſt, mit einem Heerhaufen, ber zahlreich genug, den Erzbifchöflichen 
alles Streifen zu vermehren, den Stiftsinfaffen wurde bei fchwerer 
Strafe unterfagt, dem Prälaten von feinen Einfünften das ge⸗ 
vingfte zufommen zu laſſen, bei dem heiligen Stuhle die Er- 
nennung eines Verweſers für das Erzbisthum beantragt. Solcher 
Ernſt wirkte; zuerſt fuchte Ferdinand de Alarcon, der Liebling, 
nad Franfreich zu entfommen, auf einem Wege zwar, der ihn 
dem Galgen überlieferte, dann fah ber Erzbifchof ſich genöthigt, 
durch feinen Abgeordneten, den Archidiacon Tello de Buendia 
Gnade fuchen zu laffen. Sie wurde ihm 1478, gegen Ausliefe- 
rung aller feiner Feſtungen, als Pfänder Fünftiger Treue, nicht 
verweigert. Der Welt überbrüffig, einer fhweren Schuldenlaft 
erliegend, denn für die immerwährenden Kriege. und bie vielen 
aldymiftifhen Verſuche waren doch bes Erzbisthums Toledo uns 


Das Haus Montijo. 5089 


ermeßliche Einkünfte zu gering, verfchloß fich Alfond in dem von. 
ihm geftifteten Minoritenflofter S. Diego zu Alcala de Henares. 


Daſelbſt flarb er, wie die Grabfchrift befagt, den 1. Jun. 1482, 


und wurde er in dem Chor der Klofterfirche, auf der Seite bes 
Evangeliums beigefegt. Außer diefem Klofter hat Alfons auch 
die Stiftsfirche zu Alcala erbauet, und bei derfelben mehre Ca⸗ 
nonicate geftiftet. Im J. 1473 hielt er zu Aranda ein Pros 
yincialeoneilium, deſſen 29 Ranones am 5. Dec. deſſelben Jahre 
befannt gemacht wurden, dann zu Alcala die berühmte Congre⸗ 
gation in Betreff des Peter de Osma, Profefjor der Theologie 
zu Salamanca. Des Dsma Site gegen Beichte, Kontrition, 
Indulgenzen, Gewalt des Papftes und der Kirche, wurden von 
ber Congregation, in welcher 52 Dortoren der Theologie oder 
Kanoniften vereinigt, verdammt. 

Seltene Fähigfeiten und noch feltenere Charafterftärfe wußte 
der Erzbifchof, ein Sflave ftürmifcher Leidenfchaften, mehrentheilg 
nur zum Schaden feines Vaterlandes zu verwenden; heftig, hoch⸗ 
müthig, unbiegfam fand er für ehrfüchtige Unternehmungen durch 
eine unverzagte Entfihloffenheit fi geftählt. Einer innigen Ans 
bänglichfeit fähig, ſtets bereit, feinen Freunden ſchwere perfönliche 
Opfer zu bringen, forderte er Dagegen von ihnen unbegrenzte Hin 
gebung, und da er leicht beleidigt, unerbittlich in feinem Groll, 
fcheint er felbft feinen Freunden die äußerfte Behutfamfeit auferlegt 
zu haben. Niemals fol man vergeffen, daß durch ihn die Vereinis 


‚gung von Gaftilien und Aragon zunächſt herbeigeführt worden, 
Wenig ängftlich in feinen Sitten, hinterließ er zwei natürliche 
Söhne, Der ältere, Troilo Carillo ſtritt in dem Treffen bei Ol—⸗ 


mebo an der Spite einer Reiferfchar von. 350 Mann für die Ber« 


- bündeten, und fand nachmalen zu Alcala in dem Minoritenklofter, 


an des Vaters Seite feine Ruheſtätte. Aus einleuchtenden Grün- 
ben ließ in der Folge dev Cardinal Kimenez der Leiche einen andern 
Has anweiſen. Troilos Gemahlin, Johanna de Peralta, war 
bes berühmten Condeftable von Navarra, des Peter de Peralta: 


einzige Tochter und Erbin, und gewann er mit ihr den Alfons 


be Peralta, der als Graf von Santiftevan das Amt eines Con⸗ 


deflable von Navarra befleidete, bis König Iohann von Albret 


510 Schönbsrnsiufl. 


ihn beffen zum Bortheil des Grafen von Lerin entfegte. Caſti⸗ 
lianer von Geburt, fcheint Alfons dem Fatholifchen König für 
die Eroberung von Navarra wichtige Dienfte geleiftet zu haben, 
und wurde er dafür mit dem durch Peer Navarro verwirften 
Marfchalfenamt von Navarra, und 1512 mit dem Titel eines 
Marques von Falces, in dem Merindab von Diite belohnt. Aus 
feiner Ehe mit Anna de Belasco hinterließ er eine zahlreiche 
Nachfommenfchaft, die Kalces und Santiftevan bis in das 17. 
Jahrhundert befaß, dann wurden beide Herrſchaften durch bes 
Generalcapitains von Galicien, des Gaſton de Peralta einzige 
Tochter und Erbin Johanna in das Haus Eroy getragen. 
Des Lopo Vasquez de Acuña, des erftien Herren von Buen- 
dia zweiter Sohn, Gomez Carrillo de Acuña befaß Caracena, 
Mandayona und Jadraque. Kin fpäter Nachkomme, Ludwig 
Carrillo de Toledo ließ Caracena zu einem Marquefado, Pinto 
zu einer Grafſchaft erheben, und flarb den 2. Febr. 1626, mit 
Hinterlaffung von zwei Töchtern, deren ältere, Anna Garrillo 
de Toledo, Sararena und Pinto in das Haus Benavides trug, 
duch ihre Bermählung mit Ludwig, dem Aten Marques von Fror 
mifta. Gomez Carrillo de Acuña hatte aber außer dem Sohne 
Alfons, der in Caracena fuccedirte, noch einen jüngern Sohn, 
Peter de Acufa, der mit Eleonora de Zuñiga verheurathet, ein 
Bater von fünf Kindern wurde. Ein Sohn, Diego de Acuna, 
zugenannt el gran Cortesano, blieb unverheurathet, ein anderer, 
der ältefte, Tebte in finderlofer Ehe mit Philippa de Caſtro. Der 
jüngfte endlih, Ferdinand de Acuüa, Nitter des Ordens von 
Alcantara , ift weniger bekannt durch feine Kriegsdienfte unter . 
Karls V. Fahnen, als durch poetifche Schöpfungen. Sein erſtes 
Wert war eine Uebertragung in caftilianifche Verſe von des 
Dlivier de la Marche Chevalier delibere, der ein ganzes Bud 
von feiner eigenen Arbeit beigefügt. Es fand dieſe Meberfegung, 
Antwerpen 1555, mit Abbildungen (felten), abfonderlich des Kai⸗ 
ſers Beifall. Ferdinand dichtete auch, im italieniſchen Sylben⸗ 
maafe, Sonette, Stanzen und Hirtengedichte; in allen wird bie 
einfache Natürlihleit des Gedanfens durch die Zierfichfeit des 
Ausdrudes gehoben. Reich an fhönen Erfindungen, bietet das 


Das Haus Montijo. 311 


Hirtengedicht Silvand zugleich ein anmuthiges Bild des Lands 
lebens. Nicht mindern Beifall erhielt die von Acuña gegebene 
Ueberfegung des Ovid, insbefondere die Darftellung des Kam⸗ 
pfes von Ajax und Ulyffes um Achilles Waffen ; diefe Darftellung 
wurbe zumal bewundert, weil fie in eilfſylbigen Verſen, in einem 
Sphylbenmaße demnach , welches die Spanier, nad dem Genius 
ihrer Sprache, für das fchwierigfte hielten. Endlich bearbeitete 
Acuũa eine Ueberfegung von des Boyardo Orlando innamo- 
rato, und wurden bie vier von ihm hinzugefügten Gefänge 
des Originals vollfommen würdig befunden. Nach dem Tod 
des 6ten Grafen von Buendia hielt ſich Ferdinand, als näch⸗ 
ſter Agnat, zu deſſen Succeffion berufen; fie wurde ihm aber 
von bes verſtorbenen Grafen Schwefter beftritten. Es Fam zum 
FProceß, in deffen Verlaufe Ferdinand ſich genöthigt fah, eine 
Reife nach Granada zu unternehmen, und daſelbſt fand er 1580, 
bevor noch in der fönigkihen Kanzlei dag Urtheil ergangen, den 
Tod. Er hinterließ feine Kinder aus feiner Ehe mit Johanna 
de Zuniga, wohl aber zwei Schweftern,, von denen Katharina 
an Raimund von Taris, Anna an Peter Fernandez de Billas 
roes, den Herren von Villavindas, verheurathet. Des Dice 
ters Cavallero determinado erfchien in neuer Auflage, zu Sas 
lamanca 1573, mit Abänderungen und Zufägen, bie keines⸗ 
wegs eine Berunftaltung, Man hat auch eine Sammlung feis 
ner Dichtungen, Harias poesias, Salamanca 1591, in 4% Gars 
tilaſo de la Vega fchäste Acuñas Talent und Tiebte ihn als 
einen Freund. 
Ä Der Linie in Buendia mag gleichfalls angehören Anton de 
Aruna y Dforio, ber Bifchof von Zamora. Als folder in Rom 
ernannt, hatte er eben von dem Bisthum Befi ergriffen, und es 
fand fich in Zamora- der Alcayde Ronquillo ein, abgefendet von 
dem Regentfchaftsrath, um einen ohne Zuthun der Königin Jo⸗ 
hanna ernannten Bifhof auszumeilen, 1507. Den Biſchof küm⸗ 
merte das wenig, er war eben befdäftigt, den Marques von 
Villena für -des R, Ferdinand Dienft zu gewinnen, mithin 
eines mächtigen Schußes verfichert; er hatte außerdem einiges 
Kriegsvolk zufammengebracht, und deſſen gebrauchte er ſich, um 


319u Schönborusluſt. 


ben Alcaybe greifen und nach ber Feſte Fermoſella in Ver⸗ 
wahrung bringen zu laffen. Sole Gewalithat zu beftrafen, 
züfteten fih die Stadt Salamanca und ber Herzog von Alba, 
bevor aber ihre Nüftungen beendigt, übernahm König Fer 
dinand, im Namen feiner. Tochter, die Regierung von as 
ftifien, und Anton wurde nicht nur als Bifchof von Zamora 
anerkannt, fondern ging aud in des Königs Auftrag nad Ita⸗ 
lien, dem Papft, wegen der Einnahme von Bologna, Glück zu 
wünfhen. Im J. 1512 war er für eine Geſandtſchaft von 
höherer Bedeutung auserſehen; er follte, im Auftrage des Pap- 
fies und des Königs Ferdinand, den König von Navarra , Jo⸗ 
hann von Albret, dem Bündniß mit Frankreich abwendig machen. 
Seine Reife über dag Gebirg traf zufammen mit dem Marſch 
einer franzdfifchen Armee, die dem König yon Navarra zum Bei⸗ 
fland anrüdte, und er hatte verfäumt, die nöthigen Geleitsbriefe 
fih zu verfchaffen. Ohne Umſtände wurde er von den Bears 
nern angehalten und dem franzöfifchen Heerführer überliefert. 
Diefer, der Herzog von Longueville feste ihn auf Löſegeld, und 
da Anton nicht fogleih die Zahlung Teiften Fonnte, mußte er 
feine beiden Neffen als Geifel zurüdlaffen, während ihm für feine 
Perfon erlaubt, den Heimweg zu ſuchen. 

Zu Haufe machte ihm ber Einfluß, nach altem Herfommen, 
in Zamora von dem Grafen von Alba de Aifte geübt, nit 
wenig Verdruß, und tft faum zu bezweifeln, daß diefer Vers 
druß den ſtolzen und ehrgeizigen Prälaten den Reihen der Ges 
meinbeiten einführte. In Zamora fortwährend durch den Gra⸗ 
fen bewacht, eilte er nad Tordeſillas, der heiligen Junta ſich 
anzufhließen und ihr eine Berftärfung von. 900 Mann zuzufühe 
ren, 400 Geiftliche, die fih auf den Ruf ihres Bifchofs bewaff- 
net, und 500 Soldaten von ber Leibwache, die um feinetwillen 
ihre Pflichten vergeffen hatten. Die Junta lieh ihm nocd einige 
Truppen und Geſchütze, und in Eile fehrte, aljo verftärft, Ans 
ton nah Zamora zurüd, wo der Graf von Alba de Atifte feir 
ner Ankunft: nicht erwarten wollte. Zamora trat der Junta bei, 
und Stadt und Stift mußten fih gleich fehr anftrengen, für 
ihren Bifchof eine augemeffene Streitmacht aufzubringen, Wil 


Das Haus Montijo. | 313 


fig brachten fie ihre Opfer bar, denn ber fechzigfährige Prälat 
gab allen das Beifpiel von Selbftverläugnung, Thätigfeit und 
friegerifchem Muth. Auf diefe Weife fonnte er zulegt 5000 
Mann, wovon 70 Ranzen und 1000 Fußknechte ihm unmittelbar 
angehörten, ins Feld führen, Eine folhe Macht und des Anführerg 
bedeutendere Verfönlichfeit hätten die Junta beflimmen follen, 
ihm ben Oberbefehl des gefamten Heeres anzuvertrauen, ber 
Berfammlung erfte Wahl fiel aber auf Pedro Giron, und nad: 
mals auf Yuan de Padila, nur daß diefem ber Bifchof, dann 
Gonzalo de Guzman als Rathgeber zur Seite geflellt. Den 
wiederholten Irrthum ertrug Anton in einer Ruhe, die von einem 
Manne feines Gepräges Lediglich das Ergebniß gewaltiger Ueber- 
zeugung oder gewaltigen Haffes fein fonnte, der gemeinen Sache 
blieb er unerfchütterlich ergeben. Er nahm Ampudia, trob des 
mannhaften Widerftandes, drang bis in die Nähe von Burgos 
vor, boffend, dort eine neue Empörung anfachen zu fönnen, und 
ließ, als fein Rüdzug auf Valladolid unvermeidlich geworden, 
Fuentes ausplündern. In dem Lager bei Villabrajima empfing 
er den Beſuch des Präfivenien der Kanzlei von Valladolid, wels 
her e8 übernommen, ihm die unausbleiblichen Folgen der Ems 
poͤrung vorzuftellen,, und feinen Vortrag damit endigte, daß er 
in des Kaifers Namen den Rebellen gebot, die Waffen nieder« 
zulegen. Anton, überzeugt, daß er zu viel gefündigt habe, um 
je Begnadigung hoffen zu fönnen, gab eine trogige Antwort, und 
legte auf der Straße nad) Medina de Riofeco einen Hinterhalt, 
welhem der Präfident nur mit ber aͤußerſten Anſtrengung ent- 
gehen konnte. 

Dem Angriff der Kaiſerlichen auf Tordeſi llas ſetzte einzig 
des Biſchofs geiſtliche Schar regelmäßigen und hartnäckigen Wi⸗ 
derſtand entgegen. Einer feiner Prieſter tödtete nicht weniger 
als eilf Feinde; jedesmal, wenn er anlegte, gab er dem Bes 
drohten den Segen, wofür er dad Kreuz mit dem tödtlichen Ges 
hoffe machte. Während die Rebellion überhaupt in fichtlichem 
Abnehmen begriffen, zeigte fih der Biſchof von Zamora täglich 
furchtbarer durch wilde Räubereien, oder durch Unternehmungen, 
bie eines vollendeten Feldherren würdig, und gleichzeitig waren 


+ 


514 Schönberusiufl, 


feine Boten auf alfen Punften des Reiches bemähet,, neue Be 
wegungen bervorzurufen. Mitten in ſolchem Getümmel glaubte 
er in Wilhelms von Croy Ableben die Möglichfeit zu erfehen, 
das reiche Erzbisthum Toledo, wo nit als Erzbifchof, doch 
mwenigftens als Verweſer zu befigen, und diefe Ausſicht, nid 
aber die Roth der von dem Prior ber Johanniter, von Alvaro de 
Zuñiga hart bedrängten Toledaner, führte ihn nach ihrer Stadt, 
Eine glorreihe Waffenthat, der Entfag von Ocaña, follte feinem 
Borhaben die Einleitung werden, er holte fih, flatt ihrer, am 
grünen Donnerftag 1521 eine fhwere Niederlage, Er entfam 
nach Toledo, und feine Heimfehr, fo- verichieden fie von dem 
Auszug, wirkte in unwiderftehlicher Gewalt auf feine zahlreichen 
Anhänger. Sie führten ihn nad) dem Dom, wo eben, am Chars 
freitag, die dunfele Mette gefungen wurde, riefen ihn daſelbſt 
zum Erzbifchof aus und nahmen eine tumultuarifche Inthronis 
fation vor, unter folhem Gefchrei und Larm, dag Domberren 
und Präbendaten ihre Andacht einftellten und in Eile entliefen, 

Am Oftertag zog Anton, nach feiner Anficht wenigfteng der 
Berwefer des Stiftes, mit 2000 Mann über Yepes und bie 
Höhen von Magan, im Norden des Tajo, nach dem Caſtell be 
el Aguila, wo er aber mit Verluſt abgewiefen wurde, Am 28. 
April Tieß er die Domherren zu fih rufen, nachdem fie vorher 
durch einen neuen Tumult, Befegung der Kirchenthüren und Vers 
baftung ihres capitularifhen Secretarius in Schreden geſetzt 
worden. Durch Drohungen hoffte er fie dahin zu bringen, daß 
fie ihn zum Erzbifchof wählten, fie widerfianden aber, und wurs 
den darum bis zum andern Abend eingefperrt gehalten, daher im 
Dom aller Gottesdienft aufhörte. An demfelben Abend traf bie 
Nachricht von des Padilla Niederlage und Hinrichtung ein (3 
— 24. April), und fohnell entlieg Anton feine Gefangenen, um 
fih von Stunde an zum Abzug zu rüften. Die zufammenges 
raubten Schäge wurden verpadt und nad verfchiebenen Rice 
tungen hin verfendet. Um fie beruhigt, verlieh der Biſchof am 
Sonntag nah Chrifti Himmelfahrt die Stadt, welche fo Tange 
ihn beherbergt hatte, des Willens, nach Frankreich zu flüchten. 
Zu Billa mebiana, eine Meile von Logroño, wurde er von dem 


Dos Haus Montijs. 315 


Alferez Perote erfannt, angehalten und nad) Navarrete gebradt; 
dort hielt der Herzog von Najera ihn gefangen, bis des Kaiſers 
Befehl das Schloß von Simancas ihm zum Gefängniß anwies. In 
Simancas rüdfichtsvoll behandelt, langweilte er fih gleichwohl in 
der Sefangenfchaft, und war ihm vielleicht noch widerwärtiger die 
befländige Gefellfchaft des Alcayde, der, wenn er ja für einen 
Augenblick den Gefangenen verließ, durch feinen Sohn vertreten 
wurde. Wie einftlens der Alcayde zum Mittagseflen nah Haufe 
gangen,- benutzte Anton feine Entfernung, um an die Stelle des 
Breviers, fo er ſtets in einer Teinenen Tafche am Arıne trug, einen 
Ziegefftein von gleicher Form und Größe zu legen. Der Alcayde 
fam zurüd, und e8 entfpann fih ein Gefprädh, in welches dieſer 
zumal fich vertiefte. In dem Augenblid der höchſten Spannung 
that Anton einen herzbaften Griff in dag vor ihm flehente Kohlen⸗ 
been; die darin gefaßte glühende Afche warf er dem Alcayde in 
die Augen, und zugleich verfegte er mit feiner Breviertafche dem 
Gehlendeten einige gewaltige Schläge, die ihm den Kopf zer 
fhmetterten. Sterbend ſank der Alcayde zu Boden, aber fein 
Hülfsgefhrei brachte die ganze Bevölferung des Schloffes zu 
Aufruhr. Anton hatte das Schloßthor noch ‚nicht gewonnen, 
und im ſchnellſten Lauf eilten bes Alcayde Sohn und einige 
Knechte herbei. Während der Flüchtling bemühet, das verfchlof 
ſene Thor zu fprengen, erreichten ihn die Räder; mit einer 
mächtigen Lanze, die ihm in die Hände gefallen, feste ex fich 
zur Wehre, bis dahin er der Uebermacht erlag. Er wurde in 
Feſſeln gelegt, der Hergang an den Kaifer berichtet, den be= 
gangenen Meuchelmord zu unterfuhen, der Großprofoß None 
quillo beauftragt. Statt mit einer Unterfuchung viel Zeit zu 
verlieren, ließ Ronquillo den Mörder an einer Thurmzinne aufs 
fnüpfen, oder, nad einem andern Berichte, vorberfamft enthaup⸗ 
ten 1526 , und fol über diefes raſche Verfahren Karl V. fehr 
ungehalten gewefen fein, obgleich er durch die päpſtliche Bulle 
som 27. März 1523 ermächtiget, über das Verbrechen des Bis 
fhofs von Zamora, fo wie über audere in die Rebellion ver⸗ 
wickelte Geiftliche und Ordensperfonen zu erfennen. Hingegen 
verfichert Gonzalo Fernandes de Dviedo, ed habe Ronquillo le⸗ 


516 . Schönbsraslafl. 


diglich des Kaiſers Befehle vollſtreckt. Bon feinen Feinden ſelbſt 
hat Anton das Lob großer Sittenreinigfeit empfangen. 

Das Kunftftücdchen mit dem. fleinernen Brevier mag König 
Philipps U. unglüdlidher Sohn fich gemerft haben, wenn anders 
wahr iſt, was Ludwig de Foix dem Gefchichtfchreiber de Thou 
erzählte, daß er von Don Carlos mit der Anfertigung eines 
Buches, ſchwer genug, mit dem erfien Schlage einen Mann zu 
töbten, beauftragt worden. „Der Prinz wünſchte,“ fo bezeus 
get de Foix, „ein ſolches Buch zu haben, nachdem er in den 
Jahrbüchern des Reichs gefunden, wie ein im Gefängniffe ſchmach⸗ 
sender Bifchof einen Ziegelftein von der Größe feines Breviers 
mit Leder überziehen ließ, damit. den Kerfermeifter erfchlug und 
auf diefe Weife fich befreite.” Ludwig de Foix ift aber, wie 
wir wilfen, ein arger Lügner, und fo gut er, jener franzöfifche 
Maurermeifter Ludwig, um daß er bei dem Bau des Escorial 
verwendet worden, bei de Thou als der Baumeifter des Prachte 
gebäudes fih brüften fonnte, eben fo gut mag er das Märchen 
yon des Prinzen Don Carlos Brevier erfonnen haben. | 

Peter de Acuna y Albornoz, des Iten Herren von Buendia 
erfigeborner Sohn, fpielte eine nicht unbedeutende Rolle an dem 
Hofe K. Johanns IL, fo daß er es unternehmen fonnte, den in 
Ungnade gefallenen Condeftable de Luna an den Hof jurüdführen. 
zu wollen, 1441. Seine Umtriebe wurden jedoch entdedt und 
mit kurzer Gefangenfhaft in der Seite Dueñas beftraft. Später’ 
wurde die nämliche Feſte Peters Eigenthum, und genoß fie der- 
Ehre, innerhalb ihrer Mauern den Prinzen Ferdinand zu beher⸗ 
bergen, als diefer 1474 die burgundifche Oefandtfchaft empfangen 
wollte. Peter fühlte fih durch die feinem Haufe gewordene Aus⸗ 
zeichnung ungemein gejchmeichelt, wurde aber über der Entdedung, 
daß er fie eigentlich der Sparfamfeit des Almirante verdanfe, nicht 
wenig ungehalten. Der Almirante hatte nämlich den Aufwand ges: 
ſcheuet, den, unabhängig von des Prinzen Hofhaltung, der frems 
den Gefandifchaft Aufenthalt in Medina de Rioſeco ihm verur⸗ 
ſachen würde. Peter ließ ſich indeſſen beſänftigen, nad 
Buendia im J. 1475 zu einer Grafſchaft erhoben worden. Mi 
Agnes de Herrera, der Erbin von Ampudia, erzeugte er di 





Das Haus Sentijs. 317 


Söhne Lobo Basquez, Peter, Comthur von Malagon in dem 
Orden von Galatraya, Alfons, Ersbifbof von Pamplona, Fers 
dinand und Ludwig. Ferdinand de Acuia, der mannhafte Rit⸗ 
ter, ftandhaft und fromm, wurde von den Fatholifchen Königen 
auserfehen, um in Galicien, der am meiften durch den langwie⸗ 
rigen Bürgerfrieg zerrütteten Provinz, der biöherigen Geſetzloſig⸗ 
feit ein Ende zu machen, 1481. Er begann feine Wirkſamkeit 
mit Abhaltung eines Landtages zu S. Jago, fand aber die Ver 
fammlung dermaßen eingefchücdhtert durch die Kleinen Tyrannen 
und die großen Räuberbanden, welche in der gleichen Frechheit 
die Landfchaft mißhandelten, daß kaum eine leife Klage vers 
nehmbar werben wollte, Indeſſen Fonnten dergleichen Zeichen 
Teineswegs ben Statthalter irren, er verhängte auf allen Punf- 
ten über Zwingherren und Webelthäter bie firengfte Unter⸗ 
fuhung. Zwei ausgezeichnete VBerbreder, der Marſchalk Peter 
Pardo und Peter de Miranda, mußten mit dem Tode büßen, 
ohne Rüdficht auf die bedeutenden, für ihr Leben gebotenen 
Summen, und dermaßen heilfam wirfte foldhe Strenge, daß 
‚mehr denn 1500 Individuen, in dem Bewußtfein ihrer Straf- 
‚barkeit, von felbft das Königreich verließen. Ermuntert durch 
dieſe erſten Erfolge ließ Acuña in der kuͤrzeſten Zeit nicht we- 
'niger als 46 Raubfchlöffer ſchleifen; Kirchen und Klöſter, bie 
Eigenthümer überhaupt wurden in ihre Rechte wieder eingefet, 
die Einfünfte der Krone regelmäßig und ohne Bebrüdung erhoben; 
‚bie erlöfete Provinz fonnte fih einem Kranken vergleichen, der 
aus langer todesähnlicher Schlaffucht erwachend, feines Lebens 
‚ wieder froh werden darf. 
Ferdinands Altefter Bruder, Lobo Vasquez, fuccedirte bem 
Vater als ter Graf von Buendia, hatte jedoch durch den Auf⸗ 
fand der Gemeinheiten viel zu leiden; die Bürger von Dueñas 
empoͤrten ſich gegen feine Herrfchaft, und fein unruhiger Better, 
| der Bischof Anton von Zamora nahm Ampudia weg. Sn dem 
Majorat folgten nach einander Lobos drei Söhne; der jüngfte, 
Friedrich fah in feiner Ehe mit Maria de Acuna, der Tochter 
und Erbin von Peter, dem Herren von Azafion, zwei Kinder. 
Der Sohn, Johann de Acuña, bter Graf von Buendia lebte in 


318 - Schönbsrusiufl. 


finderlafer Che mit: Franzisea de Coͤrdova, die Torhter, Maria, 
an Johann de Pabilla y Manrique, den Herren des Haufes 
Padilla, Coruna und Caltaũazor verheurathet, folgte dem Bru⸗ 
ber als 7te Gräfin von Buendia, Dueñas und Ampudia. Das 
bedeutende Allod Valle de Cerrato hingegen vermachte der bie 
Graf von Buendia feinem natürlichen Sehne, Johann be Acuna,, 
ben 8. Philipp III. im 3. 1612 zum Marques de Balle de 
Gerrato creirte, auch mit dem Amt eines Großnotars von Xeon, 
endlich mit der Präfidentichaft des Rathes von Caſtilien begna- 
digte. Laut der Inſchrift Hat dieſer Marques von Valle des 
Erzbiſchofs Carrillbs Monument in der Minoritenkirche zu Alcala 
errichten laſſen. Der Sohn ſeiner Ehe mit Angela de Guzman, 
Diego de Acuna 9 Guzman, 2ier Marques von Valle de Cer⸗ 
rato, Herr von Alcantarilla, Großnotar von Leon, hinterließ 
einzig eine natürliche Tochter, die ihn beerbte und mit Meldior 
be Altamira de los Rios fi verheurathete. | 

Der ältefte Sohn von Vasco IK. Martinez de Acuna, 
Martin Bazquez hatte in Kaftilien ebenfalld ein neues Vater⸗ 
Fand gefunden, Er war in erſter Ehe mit Terefa, einer Tochter, 
von Alfons Tellez Giron, dem ‚Herren von Frechoſo, in anderer. 
Che mit des Infanten Johann von Portugal Tochter Beatrix 
verheurathet. Der Beatrie Mutter Conftantia hatte als K. 
Heinrichs II. von Caſtilien natürliche Tochter, Valencia be 
Campos in: der Provinz Palencia befeffen: diefes Eigenthum. 
vererbte fih auf ihre Tochter und in dem Rechte feiner Ges, 
mahlin erhielt Martin Bazquez Titel und Würde eines Grafen. 
von Balencia. Ein ausgezeichneter Krieger, leitete er den Kö⸗ 
nigen von Gaftilien und. insbefondere dem Negenten, dem In⸗ 
fanten Ferdinand in dem Kriege mit Granada, die wichtiger 
Dienfte. Aus feiner erftien Ehe hatte er einen Sohn, Alfons 
Tellez Giron auf Frechoſo und Belmonte und vier Töchter, 
ans der andern Ehe die Söhne Peter und Ferdinand ber 
Acuña, dann eine Tochter. Der jüngere Sohn der zweiten Eht, 
Terdinand de Acuna wurde mit der Herrihaft Paares abge⸗ 
funden; fein Enfel, Sobann de Aenñna 9 Puertocarrero, Iter 
Here von Pajares, Statthalter in Rouffillon, erheurathete mit 


Das Haus Moutijo. 3819 


Anna de Rojas (geſt. 15. Det. 1580) die Herrſchaft Requena 
in Neu-Caftilien, und wurde biefes Urenfel, Johann de Acuna, 
yon Pajares Öter, von Requena Iter Herr, Comthur von Pos 
zueld in dem Drden von Galatrava, am 12. Nov. 1626 zum 
Bizronde von Requena, am 30. Sept. 1627 zum Bizeonde von 
Barrio, endlich zum Grafen von Requena ernannt (geft. 7. Zun, 
1631). Sein älterer Sohn, 2ter Graf von Requena, flarb uns. 
vermäblt, ber jüngere, Diego Fernando de Acuna Rojas Bela 
9 Carrillo, Zter Graf von Requena, Ster Herr von Pajareg, 
vermählte fih den 6. Mai 1668 mit Kasparina Marla de Fon⸗ 
ſeca y Medrano, der Iten Marquefa von Ia Lapilla. 

Des Iten Herren von Pajares älterer vollbürtiger Bruder, 
Deter de Aeuña y Portugal, fuccedirte in der Grafſchaft Valencia, 
und hinterließ fie feinem einzigen Sohne Johann, der 1465 von 
8. Heinrich IV. die Würde eines Herzogs von Balencia, famt 
der Grafſchaft Pravia und Gijon in Afturien erhielt; ſchon vor« 
her war er mächtig genug gewefen, um dem König gegen die - 
Aufrührer 100 Ranzen und 200 Leichte Reiter zuführen zu koön⸗ 
nen. Seine Anhänglichkeit für den König zog ihm die Feind— 
ſchaft aller vebellifchen Großen zu. Insbeſondere verfuchten es 
die Grafen von Benavente und yon Luntı ihn, während bes 
Waffenſtillſtandes 1466 in Valencia jelbft aufzuheben; die Stadt 
wurde erfliegen, der Herzog entfam aber nach dem Caſtell, 
und die. wortbrücdigen Feinde mußten abziehen, Zulegt wurde 
Ihm feine Treue für Heinrich IV. doch verderblich, er glaubte 
fe in gleihem Maaſe der unglüdlihen Tochter des Könige 
ſchuldig zu fein, und begünftigte deshalb der Portugiefen Einfall 
in Eaftilien. Darüber fam er zu Wortwechfel mit feinem Schwa⸗ 
ger Johann de Robles, der ihn zu Valencia auf der Burg heim» 
gefucht hatte, fie ftanden auf einer hoben Mauerzinne, unvers 
ſehens ergriff Robles den Herzog und flürzte ihn hinab zur Tiefe, 
daß er auf der Stelle des Todes 1475. Bon den drei Söhnen 
feiner Ehe mit Terefa Enriquez, einer Tochter des Grafen An« 
ton von Alba de Alifte, erhielt der jüngfte, Alfons Enrique; be 
Acuña, bie Herrfchaft Alcvetag, der mittlere, Martin de Acuig 
Enriquez, die Herrſchaft Matadion, ber ältefle, Heinrich de 





520 Schönbernsiufl. 


Acuña y Portugal, fuccedirte als Ater Graf von Valencia, den 
Herzogstitel hatte er aufgegeben. Ein Grenzftreit oder erbficher 
Haß verwidelte ihn mit dem Grafen von Luna in Fehde, und 


wurde das ganze Königreich Leon durch diefe Fehde zerrättet, 


daß bie Tatholifhen Könige den Condeſtable und den Almis 


rante gegen die Ruheſtörer ausfenden mußten. Beide wur 
den gefangen gefegt, und ihre Zwiſtigkeiten durch die Gerichte 
entfchieden, den Bruch des Landfriedeng büßten fie mit Gelds.. 
firafen 1481. Als diefe entrichtet, erhielten fie die Freiheit 


wieder. In dem Kriege der Gemeinheiten führte der Graf von 


Balencia dem Föniglihen Heere 1000 Fußfnechte zu. Seine 
einzige Tochter, Aloyfia de Acuña y Portugal trug die Graf 
Schaft in das Haus Manrique, durch ihre Vermählung mit dem 
3ten Herzog von Naäjera. | 

Des Iten Grafen von Balencia Sohn erfler Ehe führte 
nicht den väterlichen Namen Acuna, fondern als Erbe der mütters 
lichen Herrschaft Frechofo den mütterlichen Namen Biron. Alfons 
Tellez Giron, fo hieß demnach biefer Sohn, wurde in der Ehe 


mit Maria, einer Tochter des Herren von Belmonte, des Johann 
Fernandez Pacheco, ein Vater von zwei Söhnen, Johann Pachero 


und Peter Giron. Der jüngere, Peter, durch feinen Bruder der 
Bunft des Infanten Heinrich, nachmaligen Königs Heinrihs IV., 
eingeführt, Fonnte in Kurzem ald biefes Bruders Nebenbuhler 
betrachtet werden, ohne daß er doch der Föniglichen Gunft jemals 
anders, denn im Einverftändnig mit Pacheco ſich gebraucht hätte, 
Diefer genauen Berbindung verdanften die beiden Brüder vors 
nehmlich den wunderbaren Einfluß, den fie Zeitlebeng auf den 
Prinzen übten, gleihwie vornehmlich diefer Einfluß die vieljährige 
Berwirrung in Caſtilien verfchuldete, In allen Dingen mit dem 
Bruder die gleihe Bahn verfolgend, erfcheint auch Peter Giron 


— — — — — —— — — — — — 


— — — ——c— 


unerſättlich in dem Streben nach Würden und Beſitz. Ungemein 


willkommen mußte ihm daher die von dem König ausgeſprochene 
Abſetzung des Großmeifters von Galatrava, des Don Alfons von 
Aragon werden, Während die eine Partei im Orden den Jos 


hann Ramirez de Guzman zu ihrem Großmeiſter erwählte, biefer 
auch verſchiedener Ordensfeftungen, darunter Dfuna und Martos 


N 


Das Haus Montijo. 21 


fh bemächtigte, ſtimmte die Mehrzahl der Comthure für Peter 


GHixon. Das durch die Wahl ihm verlichene Recht mit den 


Waffen durchzuſetzen, Rand diefer gerüftet, Da geboten der König 


und der Kronprinz, für. jeßt im Einverfländnig, einen Waffens 


Billkand für 30 Tage, umdb vermittelten fie bemnächft einen Bers 


gleich 1445, laut deſſen Giron als Sroßmeifter anerkannt wurde, 


Guzman hingegen alle Comthuseien, fo er im eigenen oder feines 
Sohnes Namen befaß, behielt, und für feine Lebtage alljährlich 


aus den Tafelgütern des Großmeifters 150,000, andere 150,000 
- Maravedis aus dem Föniglihen Schatze beziehen ſollte. Endlich 
wurden ihm 300 Bafallen in Caftilien zugewiefen. Den Ertrag 
des Großmeiſterthums berechnete man damals zu 40,000 Dufaten. 


Zu Höherm noch wähnte fich Peter Giron unter ber Regies 
rang 8. Heinrichs IV. berufen. Nur eben hatte er den Leib⸗ 


arzt des veriiorbenen Königs, einen Juden, tödten laſſen, und 
er wagte es, feine Anfprüde bis zu ber Föniglichen Wittwe zu 
erheben. Den Heuratbsantrag eines Unterthans wies Iſabella, 


gehorne Jufantin von Portugal, mit Beradhtung zurüd 1454, und 


iſt es nicht unmöglich, daß der Großmeifter, weil er diefe Ab- 
fertigung dem König felbft zujchrieb, gleich im f. J. einer Ver⸗ 
ſqhwörung gegen den Monarchen beigetreten und darüber in Un⸗ 


gnade gefallen fei. Es vergingen mehre Jahre, bevor fein Bruder 


ihm Berzeihung zu erhalten vermochte, daß fie aber volftändig, 


hat 8. Heinrich befundet, indem er Stegenal an den Großmeiſter 


verlieh 1459. Da jedoch die Stadt Sevilla entſchieden biefer 
 Beräußerung widerſprach, wurde dad Jahr darauf anflatt Fre⸗ 


genal Fuente⸗Obejuna gegeben. Nichtsdeſtoweniger fuhr. ber 


Großmeiſter fort, den Staat zu beunrubigen, in folder Weiſe, 


daß es ganz eigentlich zweifelhaft, welchem von den Brüdern der 


 Hägliche Zuftand bes Reiches vornehmlich zuzuſchteiben. Haupt⸗ 


fählich. waren Andalufien und bie Manda der Schauplag von 
Peters Gewalithaten. Bis zum J. 1465 hatte er beinahe ‚ganz 
Andalufien dem König entfremdet; ben Prior der Johanniter, 
einer der wenigen, bie feinen Künflen widerftanden, lud ev zu 
einer Unterrebung ein. Während derfelben nahm er ben Prior 
gefangen. Lora und andere Pläge des Priorats fielen ihm fofort 


Rhein. Antiquarius, 3. Abth. 2. Wr. 21 


329 | . Shönbornslafl. 


ohne Widerfiand, Conſuegra, der Johanniter Hauptfefe, nad 
längerer Bertheidigung in Die Hähbe,- Nachdem er fi ber Städte 
Carmona, Cördgva,: Erifa, Ubeda, Baeza hemeiftert,iz0g er. mit 
mehr. benn 3000 Reitern und 5000 Mann Fußvolk vor die Stabt 
Jaen, ‚wo. aber der Condeftable, Don Michel Luc, ensfchloffenen | 
Widerſtand ihm entgegenſetzte. Nach einer Reihe von Gefechten ſah 
der Großmeiſter ſich genöthigt, die Belagerung aufzuheben, und 
die Einwohner von Jaen und von Andujar, dieſe ebenfalls in der 
Treue zu dem König unwandelbar, überſchritien die Sierra Morena 
und richteten in bem Gebiete von Calatrava arge Berwüftung an. , 
: Bon allen, Seiten gedrängt und umgarnt, wurde der König 
durch eine Eröffnung ab. Seiten des Erzbiſchofs von Sevilla 
überraſcht. Dieſer hielt, Namens des Großmeiſters von Cala⸗ 
trava, um die Hand der Infantin Iſabella an, wogegen bet. 
Großmeiſter ſich anheiſchig machte, feinem koniglichen Herren mit. 
3000 Lanzen gegen alle feine Feinde zu dienen, ihm ein Ges 
ſchenk von 60,000 Goldgulden darzubringen, und den Erzbischof 
von Toledo und ben Marques von Billena ‚von ihren Berbins: 
dungen mit dem Infanten Alfons abwendig zu machen. Durd; 
dergleichen Anerbieten geblendet, fagte in dem Vertrag von 1466, 
K. Heinrich IV. die Hand feiner Schweſter dem zu, welcher das: 
viele Herzeleid ihm augethan. Gleichzeitig wurde der Papſt ges 
beten, den Großmeifter von feinen Gelübben zu entbinden. Ev 
freuet durch ‚die Ausficht, zur Berubigung von Caftilien wirken 
zu fönnen, ertheilte Pius H. ohne Anftand die gewünfdhte Dies 
penfatisn, ermächtigte auch den Großmeifter, daß er feine Würde 
an den jüngften feiner Söhne, an den faum adtjährigen Ros 
drigo Tellez iron. abtrete. Peter. verfanmnelte demnach zum 
jestenmal die Dreizehner, Tieß feinen Sohn Als Großmeifter ans 
erfennen, und bereitete fich für..bie Heurath, vermütels welcher 
er bereinft, dem eutfchiedenen Widerfpruch ner Prinzeflin zu Trop; 
Caſtilien beberrichen zu können vermeinte, während Iſabella, ver⸗ 
nehmend, daß fie der etgennügigen Politik ihres. Bruders geopfert, 
daß in. beren Verfolgung nöthigenfalls Zwangsmaßregeln ange 
wenbet werden follten, abwechfelnd mit ben heftigfken Gefühlen von 
Schmerz und Zorn rang. Der Örpmeifter von. Calattava, als ein 


ce 





Das Haus ‚Mlentijo. 325 


| weiber unruhiger Parteiführer verrufen, hatte ſein Leben mat den. 


zugellofen Leidenschaften: jener Zeit befleckt, daͤß tr in jeder Weiſe 
der ihnl verheißenen Braut unwerth. Auf die erſte Nachricht 
von dem ihr zugedaächten Schickſal verſchloß Iſabella ſich in 
ihr Kämmerlein; Nahrung und Schlaf verſchmähend, ſlehte fie 


auf die Häglichfte Weiſe ann Himmel, daß er durch ihren oder 


durch ihres Feindes Tod fie von folder Entehrung retten möge. 
Sie klagte ihren Kummer einer treuen Freundin, jener. Beatrix 
Fernandez DBobadiffa, die als des Andrend de Cabrera Gemabs 


‚In fo wohllhätigen Einfluß auf ihrer Gebieterin Zukunft üben 


rm — 


ſellte, und 'mit den Worten: „Gott wird es nicht zugeben, und 
ih auch nicht,” zog dieſes hochherzige Weib einen Dolch aus dem 


. Bufen, und ſchwur .einen feierlichen Eid, dem Großmeifter, wie 


er ſich fehen Laffen würde, bie Waffe ins Herz zu ſtoßen. Glück⸗ 
licherweiſe wurde ber Bobadilla Ergebenheit nicht auf diefe: 
harie Probe geſtellt. Bon einem zahlreichen und glänzenden Ge- 
folge umgeben, 30g, die weinende Braut heimzuführen, von Als 
| magro der Großmeifter aus; er hatte Billa rubia de los Oſps 
de fa Guadiana erreicht und dafelbft wurde er von einem hitzi⸗ 
gen Fieber ergriffen, welches am vierten Tage, 2.. Mat 1466, 


den Faden feines Lebens und feiner .ehrgeizigen Entwürfe abs 


ſchnitt. Große Erwerbungen hatte er gemacht; nicht nur Moron, 


unweit Maschena, Peñafiel in der Provinz Valladolid, Briones 
in ber Miofa, Santibaios nördlich von Burgos und das durch 


ihn 1452 den Mohren entriffene Archidong ließ er fih von bem. 


König fchenfen, fondern es mußte auch fein eigener Orden eine 


der wichtigften Comthureien, Ofuna aufgeben, damit fie dem von 
dem Unerfättlichen geflifteten Diajorat hinzugefügt werben könne. 
Iſabella be Ias Caſas, eines adelihen Geſchlechtes aus Sevilla, 
hatte ihm, bevor fit feine Gemahlin geworden, drei Söhne geboren, 


- Der jüngfte, Rodrigo Tellez Biron, an des Vaters Sielle 
zum Großmeiſter yon Calatrava ermwählt, fand, von wegen feiner 


Jugend, geraume Zeit anter bet Vormundſchaft feines Oheims 


Villena. Gleichwie feine Vettern ergriff ‚er in dem Streit um: 

das Erbrecht von Eaftilien die Partet des Königs von Portu- 

gal, er nahm 1475: Ciudad Real, fo er buch bald wieder ver⸗ 
u 21 * 


324 . Schönbornstufl. 


ließ, und befand fih unter den Großen, weldhe den König vom 
Portugal, auf befien vermeintlichem Siegeszuge zu Plafencia 
empfingen, während ber Scepterträger Garcias Lopez de Padille 
und ein Theil der Ritter von Calatrava für die Königin- Iſa⸗ 
bella ftritten. Sn dem allgemeinen Verfall der Angelegenheiten 
- feiner Partei fuchte Rodrigo die Gnade der Königin 1476, und 
feiner unerfahrnen Jugend wurde fie nicht verfagt, Er diente 
hierauf den fatholifchen Königen mit Treue und Auszeichnung, 
bis er in dem Gefechte bei Loja, 28. Jul. 1482, fein Ende fand, 
Er wurde von zwei Pfeilen getroffen; der zweite Pfeil drang 
durch die Gelenfe des Harniſches unter dem rechten Arm, den 
eben Rodrigo aufheben wollen, und ſchlug ihm eine .töbtlihe 
Wunde, woran er, wie der Chronift erzählt, nach weniger Stuns 
den Berlauf fterben mußte. Vorher hatte er gebeichtet, und bie 
festen Pflichten eines gläubigen Chriften erfüllt. Nur 26 Jahre 
zählend, galt er als einer der beiten Ritter Caſtiliens; ſein Tod vers 
breitete im Heer allgemeine Trauer. Sein ältefter Bruder, Alfons 
Tellez Giron, erhielt von K. Heinrich IV. die Graffhaft Urem, 
wefllih von Medina de. Rioſeco und Tordeſillas, fuccedirte auch 
in dem von dem Bater geftifteten Majorat Ofuna, Penafiel, Gu⸗ 
miel, Briones und Moron, flarb aber, mit Blanca de Herrera,- 
Frau auf Pedraza, verlobt, nicht lange nach dem J. 1469. Es 
folgte ihm als 2ter Graf von Ureüa fein Bruder, der mittlere 
von Peters Söhnen, Johann Tellez iron, der in dem Kampf 
um Saftifien ebenfalls für den König von Portugal Partei nahm, 
auch fein Schloß Urea ihm öffnete, wiewohl er des Sinfanten 
Ferdinand Ankunft in. Caftilien, 1469, zu Urena auf feiner 
Burg, in des Prinzen Gegenwart durch Aufführung eines dra- 
matifchen Hirtengebichtes. von einem ungenannten Berfaffer ge 
feiert hatte. Nah der. Schlacht. bei Toro, 1476 ,. fuchte ber 
Graf der fiegenden Königin Verzeihung, und wurbe dieſe gerne 
bewilligt, zumal Johann fich anheifchig machte, des Iten Con⸗ 
deftäble von Caſtilien Torhter, Eleonora de la Bega Belasco zu 
beurathen. - : 
Johann ift jener Graf von Ureiia-, welchem, zufamt dem 
Grafen von Eifuenies und Don Alonſo de Eordova 'y Aguilar 


Das Gaus Montijs. 325 


bie Unterdrückung des Aufruhrs in den Alyusanras aufgetragen 
worden, 1501. Wenn’ einer von dem anmuthigen Fabeldichter 
Ginez Perez de Hita aufbewahrten Romanze zu. vertrauen, wäre 
Aguilar zu dem verwegenen Vordringen.in den Herb der Em 
porung, in das unmegfamfte Gebirge durch eine Serausforberung 
8. Ferdinands verleitet worden. 
? Qual de vosotros, amigos, 
Vra d la sierra manana, 


A poner mi real pendon 


Encima de la Alyujarra? 
Keiner von den Rittern, bie alfo berufen, begehrte die Wag⸗ 


niß zu beſtehen. 
Miranse unos d otros 
| Y el si ninguno daba. 
Que la ida es peligrosa 
Y dudosa la tornada; 
Y con el temor que tienen, 
A todos tiembla la barba, 
Sino fuera d Don Alonso 
Que de Aguilar se Uamaba. 
Levantose en pie ante el Hey, : 
De esta manera le habla: 
Aquesta empresa, Senor, 
. Para mi estaba guurdada, 
Que mi Seniora, la Reyna, 
Ya me la tiene mandada. 
‘ Alegröse mucho el Rey 
Por la oferta que le daba. 
Aun no es amunecido, 
Don Alonso ya cavalga. 

Geradeswegs in das Herz ber Sierra Vermeja einbrechend, 
lagerte das Feine Ehriftenheer am 18. März 1501 vor Monarba, 
an dem Rande feljichter Höhen, auf welchen, wie man wußte, 
der Mobren Hauptmacht vereinigt. Nicht Tange, und dieſe ließen 
ſich haufenweiſe in den Abhängen des Felſengürtels blicken, ein 
Anblick, der für Aguilars Mannſchaft dermaßen herausfordernd, 
daß fie zum Theil, ohne Befehl, den Fluß in der Fronte über⸗ 
ſchritt, und blindlings bie, weichenben Mahomedaner verfolgte, 
Diefe, von dem Terrain begünfligt, ſtellten fi fih, und follte, bei 
ber großen numerifchen Ueberlegenheit des Feinde, das Gefecht 
ungesweifelt den Chriften verderblich ausgefallen fein, fo nicht 


Aguifar, wie unzufrieden er mit der Seinen Berwegenheit, ſich 


ses Shönberueiafl.: 


Beritt Hätte, ihnen zur Umerſtützuug ſein übrige&: Bolt uedkgehen 
zu baffen. Auf. dem Fuß folgte ihm das: Mitteltreffen unter- bem 
Brafen von Vreig, daß die Mahemebaner, ben größern Nach⸗ 
druck verſpurend, gezwungen, über jähe Abhänge den eiligſten 
Rückzug anzutreten, big zu eingm Plateau, weiches, umſchloſſen von 
dem durch die Natur geſchaffenen Felſenwall, ihren. Weibern und 
Kindern, auch unfhägbaren Gute eine Zuflucht geweien. Der 
annähernden Gefahr entflohen, unter Eäglichem Gefchrei, Weiber 
und Kinder nad den entlegenen Tiefen ber Sierra, und bie 
Männer felbf zeigten fi, nur mehr. bedacht, das Leben gu retten. 
Statt aber die Fliehenden mit Rebhaftigfeit zu verfolgen, marfen 
die Chriften, in der vollen Sorgloſigkeit und Unbejonnenheit 
zuchtloſer Banden, fih auf die reiche, ihnen zurüdgelaffene Beute, 
Bergeblih bemühete fih Aquilar, nochmals bie aufgelöfeten 
Reihen zu ordnen, zu einer Testen Anftrengung fie zu führen, 
ber Beutedurft fleigerte mit. jedem Augenbfid die Verwirrung, 
indeffen die Flüchtlinge, den Stillſtand ie der Verfolgung bes 
nugend, allmälig wider fih ſcharten, und in dem Schatten ber 
Nacht fi unterfingen, zu jenem Schauplag ber Verwirrung zuräds 
zufehren. Das zufällige Auffliegen. einer Pulvertonne beleuchtete 
eben bie greuelhafte Unordnung der Steger, und der Gunft der 
Umftände ſich gebrauchend, brachen bie Mohren aus den vielen 
Spalten und Definungen des Felſenwalles hervor, um unter bes 
täubenden lelies über die Unvorfihtigen herzufallen. In vol | 
Ränpiger Auflöſung, theilweife ber. Waffen entlebigt, unter ber 
Laft der Beute ſchwankend, verfuchten feinen. Widerſtand, flohen 
die Chriſten, unermuͤdlich perfolgt durch einen Feind, der eben 
‚fo wenig geneigt, Gnade zu geben, ale er. hoffen dürfen, Gnade 
zu finden. Eine große Zahl der Fliehenden erlag dem Schwerte, 
Abgründe, und ſelbſt der Graf von uren wurde fortgeriſſen zu 
einem niedrigen Plateau, wo er ſich zu behaupten, feine. ent⸗ 
muthigten Scharen zum Stehen zu bringen verfuchte.. 
Arders Alonfo von Aguifar,. der fortwährend. bie Stellung 
- auf dem oberften Pfateau behauptend, durch alles Bitten feines 
Gefolges zum Růckzug nicht zu ‚beivegen, Wer hat, „gebött,, daß 


Das Hays Mlastijo. BB 
Aguilare Banner..von bey: Wahlftatt gewichen jei?“ fo fragte er, 


Ihm zur Seite ſtritt jein,älterer Sohn Peter non Chͤrdova. Dem 


hatte ein Steinwurf am Kopf eine ſchwere Wunde gefchlagen, ein 
Wurfipieß die Lende durchbohrt, umd ber Jüngling vertheidigte 


ſich, das eine Knie auf deni Boden ruhend, mit blanfer Waffe. 


Das mochte nicht länger ber Vater anfehen. „Laſſ unferes 
Haufes Hoffnungen nicht mit einem Streich vernichten, geh mein 
Sohn, Tebe als ein chriſtlicher Ritter und pflege deine troſtloſe 


Mutter,“ ſprach er zu dem Verwundeten, der taub blieb für Bitten 


und Vorſtellungen, bis die Männer feines Gefolges ihn gewaltſam 
erfaßten und zu ber Stelle trugen, wo ber Graf von Ureña noch 


ua» 


fi behauptete. Es fielen während dem, einer um ben andern, 


die auserwählten Ritter, fo mit ihrem Oberhaupt zu fiegen oder 
ga ſterben begehrten; verlaffen nicht, allein zug Alonfo auf den 


ungeheuern, in dem Dlittelpunft ber Bergebne ſich erhebenden 
Felſen zurüd, und ben Rüden dem Geftein angelehnt, ringsum 


von erbitterten Feinden umgeben, entfräftet durch den Blutver⸗ 
luſt, focht er als ein Löswe. 


Solo queda Don Alenso, 

- Su campana es acabada,. 
Pelea como un lęeon, 
Mas su esfuerzo no, uale nada. 


Mehr denn 30 Mohren ‚hatte er eigenhändig erlegt, ale 


ein Riefe, den Formen und ber Stärfe nad, auf ihn einbrang, 
und einem Zweikampf einleitete, der hartuädig und lang fid 
fprifpann , bis Aguilar, deſſen Bruftbarnifch in der. gewaltigen 


Anftrengung ſich gelöfet hatte, ſchwer in bie Bruſt getroffen 


wurde, dann eine nichk minder gefährliche Kopfwunde empfing. 
Schwankend, warf er. bie. beiden Arme um bes Gegners Naden, 


und alfo ihn umflammernd, fam er famt ihm zu Fall. Zu 
oberft Yag der Mohr, den Vortheil ihm zu entwinden, indem er 
feinen gefürchteten Namen nenne, ruft der Unterliegende: „Ih 
bin Don Alonfo de: Aguilar,“ und entgegnet der Andere: „Ich 


bin der Feri von Ben Eſtepar,“ ein den Chriſten ſchrecklicher 


verabſcheuter Namen. Ihn vernehmend, rafft, den Unhold zu 
ätigen, | der t ſterbende Ritter feine leste Kraft. sufanımen, aber 


580 Schönbotnsluſt. 


der verzweifelte Stoß verfehlt des Zieles, und in demſelben 
Augenbiid beit ihm tödtlich des ſtärkern Widerfachers Dolch. 
Don Alonso en este tiempo 
Muy grand batalla. harie, 
El cavallo Te habian muerto, 
Por muralla le tenia, 
“ Y arimado d un gran peüon, 
Con velor se defendia. 
Muchos Moros tiene muertos, - 
Mas. muy poco le valid: 
Porque sobre el cargan muchos 
Y le. dan grandes heridas, . 
Tantas que alli cayd muerto 
Entre la gente enemiga. 
Muert6 qued6 Den ‚Alonso, 
Kiterna fama gamada. 


Mittlerweile fuchte der Graf von Ureüg, dem zur Seite der 
Sohn gefallen, in den verzweifelteften Anftrengungen bie Fluͤch⸗ | 
tigen zu fammeln, vergeblich- aber blieb fein Bemühen, er ſelbſt 
und feine Begleiter wurben burch,den Strom fortgeriffen. 

Tambien el conde de Urenu, :.. 

Mal herido en demasia 

Se sale de la batalla 

Lievado por una guia, 

Que sabia bien la senda 

Que de la sierr& salia. 

Muchos Moros dejaba muertos 

Por su grande valentia. 

Tambien algunos..se escapan 
Que al buen cande la seguian- 

Trocken hingegen ſchreibt Oviedo von dem Rückzug des guten 
Grafen und feiner Begleiter: „Volvieron las riendas ä sus : 
caballos, y se retiraron d mas que galöpe por -la multitud de - 
los infieles.““ In bitterm, ſchmerzlichen, aber ungerechten vohn 
Trage | bie Ballade: 

?. Decid, conde de Urehn, 
Don Alonso.donde queda? 

Während 1520 ber Jugendliche Kaiſer zu ©, Jago de Com⸗ 
poftella verweilte, mit Abhaltung der Cortes befchäftigt und feinen 
Abgang nach Deutſchland vorbereitend, glaubte der Graf von Ureüa 
den Augenbhlick benugen zu müſſen, ‚um. ‚Die. Anfprüce feines 


Sohnes zu dem Herzogthum Medina-Sivonia zu vertbeidigen. Er 


Das Haus Montije. 828 


ſprach in großer Lebhaftigkeit, und im Gefühle ber Unabhängigs 
feit, deren jüngft noch die Großen von Caftilien genoffen, vers’ 
hieß er, ſich ſelbſt Necht verfchaffen zu wollen, fo fernerbin 
fein Recht ihm verfagt würde. Das ſolle er fein unterlaffen, 
erwiderte der Raifer, anfonften er gendthigt fein würde, zu ſtra⸗ 
fen. Der Graf wollte repliciven, aber der Erzbiſchof von S. Jago 
und der Graf von Benavente, des Kaiſers Zorn für den Ver⸗ 
. wegenen fürdhtend, vermochten ihn, zu Schweigen. | 
| Der. venetianifche Gefandte Navagiero fah den Grafen von 
Ureña zu Dfuna im J. 1526. Er genoß eines rüſtigen Alters: 
| „molto vecchio e gentil corteggiano perd ‚““ bejchreibt ihn ber 
Niniſter. Gegen den äußerte der muntere alte Herr: „Krankheiten 
beſuchen mich dann und wann, doch verweilen fie felten langes; 
dem mein Körper ift wie ein baufälliges altes Wirthöhaus, wo 
‚ Reifende fo ſchmale Koſt finden, daß fie nur einfprechen und gleich 
. weiter gehen.” Der Graf von Ureiia flarb in dem Alter von 72 
Jahren, den 21. Mat 1523; Er war der Vater einer. zahlreichen 
- Familie, darunter die Söhne Peter, Roderih, Johann Tellez und 
. die an Heinrih de Guzman, den Aten Herzog von Medina« 
Sidonia verheurathete Tochter Maria. Diefe war nux verlobt, 
als es dem König Ferdinand gefiel, befagten Herzog zum: Ges 
mahl feiner Enkelin Johanna, der Tochter des Erzbiſchofs von 
Zaragoza, zu erkieſen. Das Geſchäft zu fördern, unternahm er eine 
Reife nach Andafufien, fie erwedte aber manderlei Verdacht, und 
Peter Giron, des Srafen von Ureña ältener Sohn, der in Hinſicht 
feiner Bermählung mit Mencia de Guzman, der Tochter des. Aten 
Herzogs von Medina-Sidonia, dem jungen Herzog ‚zum Bormund 
gegeben war, eilte um fo mehr, die Bermählung des: Mündels 
mit feiner Schwefter vollziehen zu laſſen. Das enpfand der 
König fehr übel, er wußte fich jedoch zu heberrfchen, und entbot 
den Herzog und den VBormund zu fih nach Sevilla. Gie ges 
horchten, und der Herzog wurde zum: Handkuſſe gelafien, em- 
pfing auch von dem König: andere Gnabenbezeugungen. In ſolch 
ehrender Weiſe wurde Peter: Giron nicht. behandelt, vielmehr 
befohlen, er folfe die Stadt verlaffen, die Vormundſchaft nieder 
fegen und:inehre Reflungen des Herzogs von Medina⸗Sidonia 


532 Sdöabezeisn, — 


Kanzlei von Granada ihm Frieden gebieten ließ, fo wie gegen 
einen königlichen Steuerrinnehmer. Was er im Süden, das 
trieb im Norden fein Bruder Roberih. Der Graf von Ureũa 
führte gegen Guttiero Dutjade Proceß wegen der mit Ureña 
grengenden Herrihaft Billar de. Frades. Die Entſcheidung fiel 
zu des Quijada Gunſten aus, und zwei Kanzleibeamte aus Val⸗ 
ladolid erhielten den Auftrag, das Urtheil zu vollſtrecken. Da 
zog Rodexich Giron ihnen entgegen, und fo übel fpielte er ihnen 
mit, daß fie frob waren, nadı Balladolid zurärffehren zu fönnen. 
Der Präſident zu Valladolid, Anton de Rojas, Erzbiſchof von 
Granada, ließ aber ein ſtarkes Truppencorps ausräden, und 
ftellte fi an deſſen Spige, um die Frevler zu züctigen. Der 
Condeſtable eilte ihm nach, fiellte die That dar als das Werk 
jugendlichen Leichtfinneg, und erhielt ald eine Bergünftigung den 
Auftrag, dem March. der Truppen vorauszugehen, damit er fei- 
nen Reffen ihre Thorheit begreiflih machen könne. Die Er 
mahnung frudhtete fo viel, Daß Roderih und die vornehm⸗ 
fen Theilnehmer feines Vergehens ungefiumt Ureña verließen, 
und wurde die Stadt von den Truppen. des Präſidenten ohne 
Widerftand eingenommen. Unter dein Borwand, daß die Eim- 
wohuer an der Mißhandlung der Commiflarien Theil genom⸗ 


‘nen hätten, ließ der gefirenge. Herr an mehren Stelten Feuer 


einiverfen. 

- Eine foldhe Execution, mit dem Streit um Medina⸗Sidonia 
verbunden, war nicht geeignet, die Familie Giron mit der Ne 
gierung zu verföhnen, uud fäumte darum Peter nicht, die Unruhen 
der Gemeinheiten zu feinem Vortheil auszubeuten. Durch den 
Einfluß der mächtigen Stadt Ballabolid, die von jeher ihm zu⸗ 
geihan, gelang es ihm, zu Tordefillas in der. Berfammlung, wos 
sin alle confüderirten Städte durch ihre Deputirten vertreien, 
fih zum Generafcapitain. ber Couföderation wählen zu laſſen 
1520, wie fehr auch damit Padilla und Lafo ſich gefränft fühl⸗ 
ten. Ein Heer von 10,000 Fußgängern, 400 Lanzen und .800 
leichten Reitern vourde ihm umtergeben, er nahm das von einer 
ſtarken Befagung vertheidigte Tordehumeß mit Gemalt, 27. Nop. 
1520, und erſchien den 30. Nov. vor Medina de Rioſeco; "Des 





Das Heus Mmtis. 355 


Billens, den Königlichen eine Schlacht anzubieten. Diele aber, 
bedeutende ‚Berflärfungen erwartend,, blieben unbeweglich, und 
Giron fiheint in der Kunſt, eme Schlacht zu erzwingen, uner⸗ 
fahren gewefen zu fein. Nachdem er drei ganzer Tage vor Mes 
dina in Parade geftanden, auch fein grobes Geſchütz gegen den 
Pat abfeuern Laffen, führte er feine Truppen in ihre Quartiere 
um Tordehumos zurüd, daß er demnach verzichtete, den Grafen 
von Haro, welcher den Königlichen ein flarfes Korps zuführte, in 
feinem Marfch zu beunruhigen. Aber in Tordehumos war fein Blei» 
ben für die Eonföderirten, die Lebensmittel gingen auf die Neige, 
dabei mißtraute Giron der Stimmung feiner Armee, die ihn 
eines geheimen Berfländniffes mit den Leitern der königlichen 
Partei, mit dem Condeftable und dem Almirante beſchuldigte. 
Er verordnete am 2. Dec. eine rüdgängige Bewegung auf Villal- 
pando, fo der Graf von Haro benugte, um das von den In⸗ 
furgenten befegte Billagarcia wegjunehmen und einem noch wich⸗ 
tigern Unternehmen einzuleiten. In Tordeſillas vefidirte die Kö— 
tügin Johanna, bie, obgleich wahnfinnig, dennoch bie wahre 
Thronerbin,, die demnad mit ihrer Perfon der Rebellion eine 
durchaus veränderte Farbe geben konnte. Das ſcheint Giron 
überfehen zu haben. Zoͤgernd feste er fih in Bewegung, um. 
dem bedrohten Tordefillas zu Hülfe zu fommen, und vernebmend 
auf dem Mari, daß die Stadt nad fünfflündigem Sturm ge⸗ 
nommen worden, daß neun oder zehn der ſtädtiſchen Deputirten 
ber Sieger. Gefangene feien, Tehrte er alsbald nach Valladolid 
zuxück. Auch diefe. Stadt wurde durch von ben Königlichen 
ausgeſendete Parteien in folde Noth und Unruhe verfegt, daß 
der Magiſtrat, wenigftend ben einen Zugang zu verfchließen, 
Befehl gab, die Pifuergabrüde bei Simancas nbjubrechen. Selbft 
in der Vollſtreckung diefes Beſchls, behufs deſſen Giron mit feis 
ner ganzen Arınee auszog, legte er die ſtrafbarſte Nachläſfigkeit 
an Tag. Die zugleich in dieſer Armee ausgebrochene Unord⸗ 
nung veranlaßte ihn, fie heimlich zu verlaffen, um in Peñafiel 
fih.zu verbergen, Ausgang Der. 1520. Padilla wurde an. feine 
Stelle gewählt, er aber blieb. unangefochten von Seiten- des 
Hofes, was ben gegen ibn gerichteten Argmohn allerdings zu 


334  Bhärbsrneiif. 
befiätigen feheint, ſuccedirte dom Bater. als Iter Graf von. Unekid, 


Herr von Oſunga ic. und farb den 25. April 1637, mit Hinter⸗ 


laffung der einzigen, an JIñigo de Velasco y Tovar Margued 
von Berlanga verheuratheten Tochter Marin. 

- Das Majorat, ein Einfommen yon .20,000 Dufasen, vererbte 
ſich auf den Bruder des Verſtorbenen, auf Johann Tellez Giron, 
den Begründer der einft nicht: unberähmten und durch ihn reichlich 


ausgeftatteten Univerfität Dfuna, 1549. Er verfchaffte ihr auch alle 


die Auszeichnungen und Privilegien, welche den Univerfitäten Sa⸗ 
lamanca, Balladolid und Alcala gegeben. Bereits ım J. 1585 


Yatte er zu Oſuna ein Eolfegium für 36 Chorherren geftiftet, und 


daffelbe mit ausgezeichnet koſtbarem Ornat befchenft, während feine 
Gemahlin, des 2ten Herzogs son Alburgirerque Tochter, Maria 
be la Cueva, das dafige Clariſſenkloſter fliftete. Sohann erbaute 
endlid die Begräbnißcapelle zu Dfuna , deren bedeutende Aufs 
fihrift: Si vivere pulchrum est, mori. utile est, von ihm ſelbſt 


angegeben worden. Eben fo.geehrt, um feiner Froͤmmigkeit wil⸗ 


len, als fein: Bruder gefürchtet geweſen, farb er den 19. Mai 
1558. Sein Sohn Peter, Ster Graf von Ureüa, auch Herzog 
yon Oſuna, durch Creation von 1562, ging 1579 als außer: 
ordentlicher Gefandter nach Portugal, um feines Könige Recht 
zu ber Erbfolge in dieſem Reiche zu vertreten, und 1588 ale 
Bieelönig nach Neapel, Es war diefes Amt die Belohnung feiner 
in Portugal geleifteten Dienfle. Eine Theurung, durch übermäßige 
Ausfuhr von Getreide veranlaßt, erzeugte in der Hauptſtadt einen 
Würhigen Aufſtand, ber kummerlich durch des Vicekönigs Vers 
Beißung einer reichlichen Zufuhr beſchwichtigt erden fonnte, 1585. 
Sobald er aber durch Heranziehung. einer bedeutenden Truppenmacht 
ſtark genug ſich fühlte, ließ Peter eine große Anzahl der Straf⸗ 
fälligen einziehen, ihrer 70 enthaupten. Diefe Strenge machte 
vie Herrfchaft des Tprammen, -wie ſeitdem Peter ben Neus 
yolitanern hieß, vollends unerträglich, und Philipp IE. ſah fi, 
genöthigt, ihn abzurufen, bevor no die Wechſelzrit gefommen.. 
Heters-älterer Sohn, Johann Tellez Giron, 2ter. Herzog yon 
Oſuna, Gter Graf yon Urene, Marques von Penafel, iſt einzig 
dadurch merkwürdig, daß er in. der Che mit Anna Marta de 


Das Haus Montijs. 355 


Belades , einer: Tochter des 5ten Conbeſtable von Caſtilien, der 
Baier: ve beruhmten: Item Herzogs von Oſuna geworden IR. - 
Pater Tellez Biron, geb. zu Vallabolib, 17. Dec. 1574, 


konnte noch nicht buchſtabiren, als der Großvater ihn mit nad 
Neapel nahm, und wurde er demfelben durch finftere ſchweigſame 
Trägheit häufig ein Gegenftand des Verdruſſes. Weder bie 
Verweiſe des alten Herzogs, noch die von dem Lehrer aufgege- 
benen Strafen vermochten den Knaben aus feiner Apathie zu 
krwecken. „Schafft mir doc,” fo feufsete er eines Tages, „biefe 
langweiligen Pedanten weg, und gebt mir Lehrer, deren Unter» 
richt mich ergoͤtze. Vielleicht -Fönnte dann etwas aus Mir ers 


den.” Der Großvater zeigte fih willig, den Verſuch  anzus 
ſtellen, und Peter wurde, gfeichwie in unfern Tagen König 


| Louis Philippe, ber Auffiht einer Gouvernante, einer muntern 


Italienerin übergeben, während ber Spanier Savona, in guter 


' anne und in Kenntniſſen gleich reich, fein einziger Lehrer werden 
ſollte. Savona brachte ihm das Lateinifche fpielend bei und 


entwickelte nebenbei in feinem Schüler eine Lachluft, einen Hang 


zur Satyre, die fein ganzes Leben erheiterten, ihm aber auch 


Beinde ohne Zahl erwedten. Im 3. 1588 führte Savona ihn 
nach Salamanca. zur Univerſität, wo er vorzugswetſe Geogra⸗ 
phie, Mathematik und Architektur, nachmalen unfer einem zwei⸗ 
ten Hefmeifter Geſchichte trieb. Mit ungewöhnlichen Kenntniffen 
undgerüftet, in gänzlicher Unbekanntſchaft mit den Berhättniffen 
und in. bewundernswärdiger Dreiftigkeit trat der junge. Mann 
an dem Hofe Philipps I. auf, umd brauchte er nicht viele Zeit, 
um fih den Haß-der Höflinge, die Iingnade des Monarchen zus 
zuziehrn. Bon wegen einer ungeziemenden Antwort nad Zaras 
goza .erikirt,. fam .er zu Berührung mit dem vormaligen Staats⸗ 
ſecretair, mit dem Aufſchneider Antonio Perez, und blieb er nicht 
ohne Antheil bei der. aufrührifihen Dewegemg , welche biefem 
Berbrecher Gelegenheit:gab, nach Frankreich zu entkommen. 
Auch: Peter fand es gerntben, fih in fremden Ländern 
umzuſehen, er: bereifete Portugal, und ſchloß ſich demnächſt ber 
Geſandiſchaft au, die zu. Vervins Frieden ſchloß. Durch den 


Tod Philipps I. aller Beſorgniß enthoben, kehrte er nach 


mu m... DI ED 


536 Schonborusluſt. 


Spanien zurück, um das Pajsrat ſeires Haufes anzutreten, 
fi wit Katharina Euriquez be Ribera, der. Tochter - des: 2ten 
Herzogs von Alcala de los Gazulos, zu verheurathen, und 
eifrig um die Gunft des Herzogs von VTerma zu buhlen. Er 
mißftel dem allmächtigen Minifter nicht, vergaß fich aber der⸗ 
geftalten gegen ben König, daß er kiefen öffentlich und wiederholt 
ten Großtambour der Monarchie zu nennen wagte. Solche Frech⸗ 
heit mußte ihm den Hof - verfchließen, und zugleid jede Aus⸗ 
fiht, feine Talente anzuwenden. In dem Berdruffe um eine 
dur ihn felbft verfehuldete Unthätigfeit, beſchloß er in den Nies 
berlanden Kriegsdienfte zu nehmen, er reilete in Gefellfchaft des 
Condeſtable von Kaftilien, der an dem Hofe Heinrihe IV. eine 
Botſchaft auszurichten hatte. In der feierlichen Audienz ſtand 
der Herzog von Dfuna bem Condeſtable zur Seite: Daß biefer 
fich bedede, befahl der König, und Oſuna, als Grande von Ca⸗ 
Rilien, fette ebenfalls den Hut auf, obgleich Die der Aubienz beis 
wohnenden Prinzen vom Eöniglichen Haufe alle unbedeckt blieben, 
Sie entfegten fib nicht wenig ob der Berwegenheit des Fremd» 
lings und hielten fi durch ihn beſchimpft, verbargen aber gleich» 
wohl, in der Ehrfurcht für den König, ihren Unwillen bie zum 
andern Tage, wo fie Dann bie große Berlürzung in ihrem Rang, 
bie eingdolge von dem Berfahren des Herzogs von Dfuna, zum 
Gegersii md einer Klage nahmen. Sie zu berubigen,. wurde ihs 
nen das Recht, ſich zu bededen, wie fie es bis zu.den Zeiten 
909 Franz I. geübt, wiedergegeben. Uebrigens fand Heinrich IV. 
on des Herzogs witigen Einfällen fo vielen Geſchmack daß er 
ihn mehrmals zur Tafel zog. 

In den Niederlanden angekommen 1602, warb Peter auf 
eigene Koften .ein. Regiment, ſo er in ſechs Feldzügen führte, 
und an deſſen Spitze er fi) in ber Belagerung von Oſtende, fo wie 
vor Groll.auszeichnete. Seit längerer Zeit von dem Prinzen Moriz 
belagert ,„: war Groll dem Falle nah, da durchbrach Oſunga mit 
4000 Mann bie feindlichen Linien ; was ihm vorkam, wurbe ges 
worfen, eine Verſtärkung von 800 Mann, Borrath von Krieges 
und Lebensbedarf in bie Feſtung geſchafft, es verfchwanden die 
Gieger, nachdem fie Groll für fange Zeit gerettet. Peter, eine 


Bas Haus Montije. 337 


augenblidliche Waffenruhe benutzend, beſuchte auch den Hof Koͤnig 
Jacobs J., fand, wie zu Paris, die günſtigſte Aufnahme, und mußte 
mehrmalg mit dem König lateinifch disputiren. " In der Zwifchenzeit 


hatte der Herzog von Lerma Mittel gefunden, feines Schützlings 


Kriegsdienfte in den Niederlanden in dem vortheilhafteften Lichte 
barzuftellen, und hierdurch die Bosheit der Höflinge zum Schweis 
gen gebracht. Dfuna wurde 1607 zurüdgerufen, mit dem Kam⸗ 


werherrenſchlüſſel und dem Vließorden beehrt, dem Rath von 


Portugal eingeführt, auch bei allen wichtigen Angelegenheiten 


. zu Rath gezogen, wie dann derjelbe in dem Abfchluffe des Wafs 
‚ fenfiilfftandes von 1609 und ber darin ausgefprochenen Aners 
‚ Tennung der Republif der vereinigten Nieberlande Feineswegs zu 


verfennen. Um die Austreibung. der Morisfen befragt, fprach 
er fi verneinend in zwei verfehiedenen Denkichriften aus; man 
bewunderte feine Arbeit, Tegte fie aber bei Seite, und die Ins 


quiſition verhängte eine Unterfuchung über den Verfaſſer. Dan 


wollte die Reinheit feines Glaubens verdächtigen, einer Hinneis 
gung zu den Lehren Mahomeds ihn befchuldigen, fand aber feine 
Motive für ein Straferfenntniß, 1610. 

Sm nächſten Fahre, 1611, wurde Ofuna zum Vicefönig von 
Sicilien ernannt, und zugleich der mit diefem Amt verbundene 
Gehalt verdoppelt; er follte monatlich 4000 Dufaten Feziehen. 
Er traf die Inſel in dee Häglichften Verwirrung, u. ..brüdt 


durch die großen Barone, mißhandelt und geplündert durch Schas 
ren von Banditen, der Barone Schüglinge ‚oder Söfdner, alle 


Zweige der Verwaltung dem bedauernswertheften Verfalle übers 


laſſen. Im furzer Zeit ward der Barone Macht und Uebermuth 


gebrochen, das Heer der Banditen gefprengt, eine regelmäßige 
Zuſtizpflege bergeftellt, die wieberfehrende Ruhe benugt, um dem 
Ackeerbau und bem Handel die ihnen gebürende Aufmerffamfeit 
zuzuwenden. Dem Wiederaufblüben des Landes blieben die un- 
abläſſig fih erneuernden Raubzüge der Türfen ein wefentliches 


Hindernig. Der Plage abzuhelfen, unterfuhte Ofuna mit 
Sorgfalt den Zuftand fämtlicher Küften, er ließ verfallene Fe— 


ſtungswerke erheben, neue anlegen, und bemühte fi), eine See- 
macht zu fohaffen. Im 3. 1613 fonnte er bereits ben Octavio 


Rhein, Antiquarius, 3. Abth. 2. Bd. 22 


358. Schönbornslufl, 


de Aragon mit 8 ficifianifchen Galeeren gegen die Türken aus— 
fenden, und find Octavios Siege bei der Inſel Chios und an 
der Küſte von Valencia ganz eigentlich ale des Vicekönigs Werk 
zu betrachten. .Bei Chios wurden 7 Galeeren genommen, 400 
Türfen, abfonderlih Sinan Paſcha getödtet, 600 gefangen und 
1200 Ehriftenfflaven befreiet. Noch bedeutendere Erfolge errang 
bie ſicilianiſche Flotte im J. 1615, und gehört namentlich der 
Kampf, den fie am 14. Zul. und den beiden folgenden Tagen 
unweit der Küfte von Caramanien mit einer Flotte von 55 Gas 
leeren beftand, zu den ausgezeichneteften Waffenthaten. Sechzehn 
Saleeren wurden genommen und 2000 Türfen erſchlagen, obs 
gleich der ficilianifche Admiral, Kranz de Ribera, nur ſechs Gal⸗ 
tionen befehfigte. Bon dem an wurde Sicilien durch die Bars 
baren nicht weiter beunruhigt, Dfuna aber, deffen drei Jahre 
beinahe abgelaufen, hielt zu Palermo einen Reichstag ab, empfing 
von demfelben die fohmeichelhafteften Huldigungen, und fehiffte ſich 
ein, um nad) Spanien zurüdzufehren. Ein freundliches Andenfen 
bat die Inſel ihm lange bewahrt, wenn auch durch ihn neue 
Auflagen eingeführt, jede Gelegenheit, ſich zu bereichern, benußt, 
und zu Zeiten bie Borurtheile der Nation ganz eigentlih mit 
Füßen getreten worden. 

Im J. 1616 fam der Herzog als Vicefönig nach Neapel, und 
ergab fih in feinen erften Schritten ein Ringen nad) einer Popus 
larität, dergleichen feiner feiner Vorgänger zu gewinnen gewußt, 
Er Tieß es fih angelegen fein, die hohen Brodpreife herabzufegen 
und die ungeheuern dem Volke auferlegten Laften zu erleichtern. Er 
bezeigte den Großen und den Collegien ausgezeichnete Rüdfict, 
während er yon der andern Seite Fräftig einſchritt, um ben ge« 
meinen Mann gegen die Taunenhafte Willfür des Adels zu 
ſchützen. Sn den zwei erften Jahren feiner Herrichaft wurden 
nicht weniger denn 30 vornehme Frevler hingerichtet. Er verwendete 
feine Befoldung, 2000 Dufaten monatlich, zur Unterftügung ber 
Nothleidenden, und namentlih zur Erlöfung armer Schuldner; 
bag er diefen Aufwand reichlich fich erfegen ließ, darf ich wohl 
nicht erinnern. Gleich im 3. 1617 mußten die Reichsftände ihm 
gin freiwilliges Gefchenf son 40,000 Dufaten darbringen. Es 


Das Haus Sontijs. 339 


war eben bag Jahr, in welchem die lange verhaltene Feindſchaft 
des Erzherzogs Ferdinand mit ben Benetianern zum Ausbruch 
kam. Dabei fonnte ber fpanifhe Hof unmöglih ein müßiger 
Zufchauer bleiben. Ofuna erhielt den Befehl, eine ftarfe Truppen 
abtheilung nah Mailand zu fchiden, glaubte aber im Seefriege 
größere Ehre einlegen, die Republif durch Störung ihrer Herr⸗ 
haft im adriatifchen Deere am fchmerzlichfien verwunden zu füns 
nen. Er ließ ein venetianifches Schiff wegnehmen, auch daſſelbe, 
ungeachtet der von dem Gefandten Gritti in Madrid erwirften 
Befehle, nicht zurüdgeben. Zugleich erlaubte er ben räuberifchen 
Usfofen, frei von den gewöhnlichen Abgaben den neapolitanis 
Shen Häfen einzulaufen, und die den Benetianern abgenommenen 
Waaren öffentlich zu verfaufen. Die Einwendungen der Zolls 
bedienten, daß durch dergleichen Befreiung die Einnahme bei den 
königlichen Zöllen namhaft gefhwächt, auch der neapolitanifche 
Handel felbft durch Die Unficherheit im adriatifhen Meere leiden 
werde, machten auf ihn feinen Eindrud. Ex drohte vielmehr, 
jeden Zöllner, der fünftig mit dergleichen Klagen ihn behelligen 
würde, auffnüpfen zu laſſen, und fohmeichelte fortwährend in 
aller Weife den Uskoken, welche in dem Kapern venetianijcher 
Schiffe vorzüglich glüdlich gewefen. 

Diefes Verfahren insbefondere fand zu Madrid im Miniftes 
rium große Mipbilligung , wiewohl allerdings um deren Aufs 
richtigfeit Zweifel walten könnten; vielleicht wollte der Hof ſich 
nur eine Thüre offen halten, um die Friebensunterhandlungen 
fortzufegen, mittlerweile aber den fcheinbar ungehorfamen Vice⸗ 
fönig walten laffen, in ber Hoffnung, durch Benußung feiner Erfolge 
die Republik zu zwingen, daß fie die härtefien Bebingungen ſich 
gefallen. laſſe. In der That waren bes Herzogs Rüftungen ernſt⸗ 


| ih genug. Er drohte, die Häfen von Sfirien zu überrumpeln, 


die Infeln zu verwüften, felbft die Stadt Venedig heimzufuchen, 
behufs deſſen er eigene Fahrzeuge und Mafchinen bauen ließ, 


um bie Lagunen überfchreiten, in die Canäle eindringen zu kön⸗ 
| nen. Wenn er auch, bei aller Eitelfeit, ſich ‚nicht verhehlen 
lonnte, daß fo große Dinge auszuführen er kaum sermöge, fo 


erreichte er doch infoferne feinen Zweck, daß er der Republik 
22 * 


540 Schönbsrnsluft. 


noch größere Unkoften verurfachte, und fie abhielt, ihre ganze 
Macht gegen den Erzherzog zu wenden, oder den tüdifhen Ehrs 
geiz bes Herzogs von Savoyen zu unterftügen. Sogar verfuchte 
der Bicefönig, ohne Erfolg freilich, den Sultan gegen die Re⸗ 
publik zu bewaffnen. 

Mittlerweile waren die Rüſtungen in den neapolitaniſchen 
Häfen ſo weit gediehen, daß der Admiral Francisco de Ribera 
mit 12 vollſtändig ausgerüſteten Schiffen in See gehen konnte. 
Er hatte nicht die ſpaniſche Flagge, die fortwährend neutral 
bleiben ſollte, ſondern des Herzogs von Oſuna Flagge aufge⸗ 
zogen, und ſetzte ſich in Bewegung auf die Nachricht, daß ein 
neapolitaniſches, nach Trieſt beſtimmtes Schiff aufgebracht wor⸗ 
ben. Die Flotte war beſtimmt, an den Küften von Friaul bie 
Dperationen bes Erzherzogs zu fördern, fie hatte aber faum bie 
Höhe von Ragufa erreicht, als eine weit überlegene feindliche 
Armaba fignalifirt wurde: eiligft Fehrte Ribera nad Brindift 
zurüd, bid dahin von dem venetianiſchen Admiral verfolgt. Ein 
zweiter Seezug lief eben fo unfruchtbar ab, obgleich der Vice⸗ 
fönig bes Ribera Geſchwader durch 19 von Pedro de Leyva 
befehligte Schiffe verftärfen laſſen. Ribera verfäumte bei Lefina 
bie Gelegenheit zu fiegen, und begnügte fich mit der Wegnahme 
von zwei geringen Schiffen. Dafür wurde er bes Oberbefehle 
entfegt, und ber Bicefönig, wenig befümmert um eine von ben 





Türken den Benetianern zum Bortheil, an den Küften von Ca- 


labrien verfuchte Diverfion, ließ zum drittenmal die Flotte, von 
Brindifi aus, unter Segel gehen. Bei Lefina beftand fie eine 
Kanonade, und während die Benetianer vorfichtig in ben Hafen ſich 
zurüdzogen, landete Ditavio de Aragon, für jegt der Neapolitaner 
Admiral, in der Nähe von Trau vecchio, und die unbewachte Küſte 
würde arger Verheerung faum entgangen fein, hätte nicht bes 
Bicefönigs gemefjener Befehl zu einem Unternehmen gegen Pola, 
oder einen der andern Häfen von Sftrien getrieben. Bei ber 
dalmatifchen Klippe Morter vorüberfegelnd, wurde die Flotte 


zweier Rauffahrer , die von fieben Galeeren escortirt, anfichtig. 


Bon der Stärke der Bededung auf den Reichthum der Ladung 
fhliegend, gab der fpanifhe Admiral das Zeichen zum Angriff; 


Dos Haus Montijo. 341 


augenblicklich verfchwanden bie Galeeren in einem ber zahllofen 
Sanäle jenes Inſellandes, eine einzige, famt den Kauffahrern 
und einer bedeutenden Anzahl geringerer Fahrzeuge, wurde 
yon den Reapolitanern genommen. Die vielen eroberten Schiffe 
und die reiche Beute unterfagten jedoch fernere Unternehmungen, 
und fah Ottavio fi gezwungen, nad) Brindiſi zurüdzufehren, 


am bort feiner Bürbe ledig zu werben. 


Mit den geringen Refultaten abermals höchſt unzufrieden, 
Sieg der Bicefönig gleihwohl die erbeuteten Schiffe und ihre 
Ladung nach Neapel bringen, und die Waaren, meift türfifchen 
oder perfiichen Urfprunges, öffentlich zur Schau ausftellen, nicht 
minder Öffentlich zugleich die Venetianer verhöhnen. Zu Venedig 
aber erregte der unerwartete, einzelnen Kaufleuten fehr fühlbare 
Berluft ungewöhnliche Gährung, die nicht wenig beigetragen 
haben wird, den Abfchluß des Friedens, 6. Sept. 1617, zu bes 


fhleunigen. Nach einer mündliden Zufage, von dem fpanis 


hen Gefandten zu Venedig, von dem Marques von Bebmar 
gegeben, follten die genommenen Schiffe und Waaren wiebers 
erflattet werden; flatt dem Berfprechen nachzukommen, drohte 
Dfuna mit einem neuen Seezug , beffen Borwand bie hol» 
ländiſche Flotte im adriatifhen Meer, und der Benetianer 
angeblicher Feftungsbau zu S. Croce. Sein Admiral, jest wies 
ber Ribera, erfchien mit 10 Kriegsfchiffen Angefihtd von ©. 
Croce, befchränfte fich indeflen auf eine Kanonade, In der Nadıt 
fuhte er die Küfte von Apulien zu gewinnen, er wurde aber 
lebhaft von der gefamten feindlichen Flotte verfolgt, und eg ent⸗ 
fpann fich eine zweite Kanonade, fortgefegt big dahin ein heftiger 
Sturm die Streitenden trennte. An den Küften von Melada 
fheiterten 5 venetianifche Saleeren, Ribera, mit feinen übel 
zugerichteten Schiffen, erreichte Manfrebonia. 

Nach dem bisherigen Berlauf der Dinge hätte Dfuna fid 
überzeugen fönnen, daß er allein den Benetianern nichts anhaben 


werde, begeiftert jedoch durch die von dem Erzherzog Ferdinand 


empfangenen Beweife von Huld, hielt er fich verpflichtet, Durch 
einen entfcheidenden Streich gegen die gemeinfamen Feinde noch 
ferner diefer Huld fich zu empfehlen. Die fühnften Häuptlinge 


332 Shönbemmelufl, 


Kanzlei von Granada ihm Frieden gebieten ließ, fo wir: gegen 
einen föniglihen Steuereinnehmer. - Was er im Süden, das 
trieb im Norden fein Bruder Roderich. Der Graf. von Ureña 


führte gegen Guttiero Quijada Proceß wegen der mit Urea 


grenzgenden Herrſchafi Villar de Frades. Die Entſcheidung Ad 
zu des Quijada Gunſten aus, und zwei Kanzleibeamie aus Val⸗ 
ladolid erhielten den Auftrag, das Urtheil zu vollſtrecken. Da 
zog Rodexich Giron ihnen entgegen, und fo übel fpielte er ihnen 
mit, daß fie froh waren, nad Valladolid zurürffehven zu fönnen. 


Der Präfident zu Valladolid, Anton de Rojas, Erzbiſchof, von _ 


Granada, ließ aber ein ſtarkes Truppencorps ausrüden,, und 
ftellte fih an defien Spige, um die Frevler zu züchtigen. Der 


Eondeftable eilte ihm nad, ftellte die That dar als das Werk 
jugendlichen Seichtfinnes, und erhielt als eine Bergünftigung den 
Auftrag, dem Mari. der Truppen vorauszugehen, damit er ſei⸗ | 
nen Neffen ihre Thorheit begreiflich machen kömme Diem 
mahnung fruchtete fo viel, daß Roderih und die vornehm⸗ 
ſten Theilnehmer feines Vergehens ungefäumt Urena verließen, 


und wurde bie Stadt von. den Truppen. des. Präjtdenten ohne | 
Widerftand eingenommen. Unter dem Vorwand, daß die Ei | 


wohner an der Mißhandlung der Commiflarien Theil genam- 


men hätten, lieg der geftrenge. Herr an mehren Stelten Feueꝛ | 


einiverfen. 


Eine folhe Execution, mit dem Streit um Medina⸗ Sidonia 


verbunden, war nicht geeignet, die Familie Giron mit der Re⸗ 
gierung zu verföhnen, und ſäumte darum Peter nicht, die Unruhen 


der Gemeinheiten zu feinem Vortheil ausjubeuten. Durch ben 


Einfluß der mächtigen Stadt Valladolid, die von: jeher ihn zu⸗ 
geiban, gelang es Ihm, zu Tordeſillas in der. Berfammlung, wor 


sin alle conföderirten Städte durch ihre Deputirten vertreten, 
ſich zum Generafcapitain der Conföderation mählen zu laſſen 
4520, wie ſehr auch damit Padilla und Laſo ſich gekränkt fühl⸗ 
ten. Ein Heer von 10,000 Fußgängern, 400 Lanzen und 800 


leichten Reitern wurde ihm untergeben, er nahm das von einer 
ſtarken Beſatzung vertheidigte Tprbehumgg mit Gewalt, 27. Nop. | 


1520, und erſchien den 30: Nov. vor Medina de Rioſeco;, Des 


Das Haus Mautijo. 333 
Billens, den Königlichen. eine Schlacht anzubieten. Dieſe aber, 


bedeutende. Verſtärkungen erwartend,, blieben unbeweglich, und 


Giron feheint in der Kunſt, eme Schlacht zu erzwingen, uner« 


- fahren gewefen zu fein. Nachdem er :drei ganzer. Tage vor Mes 
dinaga in Parade geſtanden, auch fein grobes Geſchütz gegen den 


_ — 


Platz abfeuern laſſen, führte er. feine Truppen in ihre Quartiere 
um Tordehumos zurüd, daß er bemnad verzichtete, den Grafen 
von Haro, welcher den Königlichen ein ſtarkes Corps zuführte, in 
feinem Marfch zu beunruhigen. Aber in Tordehumos war fein Blei» 


ben für die Eonföderirten, die Lebensmittel gingen auf die Neige, 


‚ babei mißtraute Giron ber Stimmung feiner Armee, die ihn 


eines geheimen Verſtändniſſes mit den Leitern ber königlichen 
Partei, mit dem Condeftable und dem Almirante beſchuldigte. 
Er verordnete am 2, Dec, eine. rüdgängige Bewegung auf Villal⸗ 
yando , fo der Graf von Haro benugte, um Das von ben In⸗ 
fürgenten befegte Billagarcia wegjunehmen und einem noch wich» 
tigern Unternehmen einzuleiten. In Tordeſillas vefidirte die Kö⸗— 
nigin Johanna, bie, obgleich: wahnfinnig, dennoch die wahre 


; Thronerbin, Die demnach mit ihrer Perfon ber Nebellion eine 


durchaus veränderte Farbe geben Founte. Das ſcheint Giron 
überfehen zu haben. Bögernd feste er fih in Bewegung, um 
dem bedrohten Tordeſillas zu Hülfe zu fommen, und vernebmend 
auf dem Mari, daß die Stadt nach fünffläudigem Sturm ge- 


nommen worden, daß neun. oder zehn der fäbtifchen Deputirten 
der Sieger. Gefangene feien, Tehrte er alsbald nad Valladolid 
zurück. Auch dieſe Stadt wurde durch von ben Königlichen 
ausgeſendete Parteien in folde Noth und Unruhe verfest, daß 
der Magiſtrat, wenigſtens den. einen Zugang zu verfchließen, 
Befehl gab, die. Pifuergabrüde bei Simancas nbzubrechen. Selbft 
in der Bolffireddung dieſes Beſchls, behufs, deffen Giron mit feis 
ner ganzen Armee auszog, legte er bie firafbarfte Nadläffigfeit 
| ah Tag. Die zugleich in dieſer Armee ausgebrochene Unsrds 
nung veranlaßte ihn, fie ‚heimlich zu verlaffen, um in Penafiel 


fih zu verbergen, Ausgang Der. 1520. Padilla wurde an. feine 


Stelle gewählt, er aber blieb. unangefochten von Seiten: des 


Hofes, was ben gegen ihn gerichteten Argwohn allerdings zu 


5 


338  Shydkbsrnsiufl. 


betätigen: ſcheint, Juocebirte dom Bater. als Iter Graf von Urels, 
Herr son Dfiina ic. und flarb.:ven 25. April 1637, mit Hinter⸗ 
faffung ‚ver einzigen, an Jñigo de Velasco y. Tevnr Maranidl 
von Berlanga verheuratheten Tochter Marin. 

- Das Majprat, ein Einkommen von 20,000 Dukaten, vererbte 
ſich auf den Bruder des Verſtorbenen, auf Johann Tellez Giron, 
den Begründer der einſt nicht: unberähmten und durch ihn reichlich 
ausgeftatteten Univerſität Ofuna, 1549. Er verfchaffte ihr auch alle 
die Auszeichnungen und Privilegien, welde den Univerfitäten Sas 
lamanca, Balladolid und Alcala gegeben. Bereits im J. 1535 
Hatte er zu Oſuna ein Collegium für 36 Chorherren geftiftet, und 
daſſelbe mit ausgezeichnet koſtbarem Ornat befchenft, während feine 
Gemahlin, des 2ten Herzogs son Alburguerque Tochter, Maria 
be la Cueva, das dafige Clariſſenkloſter ſtiftete. Johaun erbaute - 
endlich die Begräbnißcapelle zu Oſuna, deren bedeutende Aufs 
fihrift: Si vivere pulchrum est, mori utile est, von ihm ſelbſt 
angegeben worden. Eben fo geehrt, um feiner Froͤmmigkeit wil⸗ 
len, als fein: Bruder gefürchtet geweſen, ftarb er den 19. Mai 
1558. Sein Sohn Peter, Ster Graf von Urea, auch Herzog 
yon Ofuna , durch Creation. von 1562, ging 1579 als außer 
ordentlicher Gefandter nach Portugal, um feines Königs Rech 
zu ber Erbfolge in dieſem Reiche zu vertreten, und 1584 ale 
Bieelönig nad) Neapel. Es war dieſes Amt die Belohnung feiner 
in Portugal geleifteten Dienfte.. Eine Theurung, durch übermäßige 
Ausfuhr von Getreide veranlaßt, erzeugte in der Hauptſtadt einen 
wuͤthigen Aufſtand, der kummerlich durch des Bicefönigs Ders 
Beißung einer reichlichen Zuſuhr beſchwichtigt Wenden fonnte, 1585. 
Sobald er aber durch Heranziehung. einer bedeutenden Truppenmache 
ſtark genug ſich fühlte, ließ Peter eine große Anzahl der Straf 
falligen einziehen, ihrer 70 enthaupten. Diefe Strenge mache 
Ble Herriihaft des Tprammen, wie ſeitdem Peter den Nea⸗ 
politanern hieß, vollends unerträglih, und Philipp ZH. ſah fi: 
genöthigt, ihn abzurufen, bevor noch bie. Wedzfelzeit: gekvmmen. 
Peters älterer Sohn, Johann Tellez Giron, 2ter. Herzog yon 
Oſuna, Gter-Graf von Ureña, Marques. von Penaftel, iſt einzig 
Dadurch merkwürdig, daß er in ber Ehe mit Anna Marla de 


Das Haus Montijs. 355 


VelauscoLeiner Tochter: des: Hten -Corseftable voh Cuſtilien, der 
Vater: ves Beruhmtene Stat Herzogs von Oſuna grworben iſt. 
Poter Tellez Bieon, geb. zu Valladokid, 17. Der. 1374; 
konnte noch nicht buchſtabiren, als der Großvater ihn mit nach 
Meat: nahm, und wurde er demſelben durch finſtere ſchweigſame 
Traͤgheit Häufig: ein Gegenſtand des Verdruſſes. Weber bie 
Verweiſe des alten Herzogs, Hoch die yon dem Lehrer aufgeges 
benen Strafen vermocten den Knaben aus feiner Apathie zu 
erwecken. „Schafft mir doch,“ fu ſeufzete er eines Tages, „biefe 
langweiligen Pedanten weg, und gebt mir Lehrer, deren Unter⸗ 
richt mich ergoͤtze. Vielleicht Fönnte dann etwas aus Mir wer⸗ 
den.” Der Sroßvater zeigte fih Willig, ben Verſuch  anzus 
ſtellen, und Peter wurde, gleichiwie in unfern Tagen König 
Louis Philippe, ber Aufficht einer Gouvernante, einer muntern 
 Stalienerin tibergeben, während der Spanier Savona, in guter 
 Raune und in Kenntniſſen gleich reich, fein einziger Lehrer werden 
ſollie. Savona brachte ihm das Lateinifche ſpielend bei und 
entwickelte nebenbei in feinem Schüler eine Lachluft, einen Hang 
zur Satyre, Die fein ganzes Leben erheiterten, ihm aber auch 
Feinde ohne Zahl erwedten. Sm 3. 1588 führte Savona ihm 
nath Sabamanca zur Univerfität, wo er vorzugsweiſe Geogra⸗ 
phie, Mathematik und Architektur, nachmalen unter einem zwei⸗ 
ten Hofmeifter Geſchichte trieb. Mit ungewöhnlichen Kenntniffen 
 amögerüftet, in gänzlicher Unbefanntfchaft mit den Berhättnifien 
und in. bewundernswürdiger Dreiſtigkeit trat ber junge. Mann 
an dem Hofe Philipps IE. auf, und brauchte er nicht viele Zeit, 
um fih den Haß-der Höflinge, die Iingnade des Monarchen zus 
zuziehrn. Bon wegen einer ungeziemenden Antwort nach Zara⸗ 
goza exilirt, kam er zu Berührung mit dem vormaligen Staats» 
ſecretair, mit dem LAufſchneider Antonio Perez, und blieb er nis 
ohne. Antheil bei ber: anfrährifchen Bewegung , welche diefem 
Berbrecher Gelegenbelt:gab, nach Frankreich zu entkommen. 
Auch: Peter fand es geratben, fich in fremden Ländern 
umzuſehen, er bereifete Portugal, und ſchloß ſich demnächſt ber 
Geſandiſchaft an,: die zu Vervins Frieden ſchloß. Durch ben 
Top Philipps I. aller Beſorgniß enthoben, kehrte er nad 


536 Schöonborusluſt. 


Spanien zurück, um das Majorat feines Hauſes anzutreten, 
ſich mit Katharina Enriquez be Ribera, der. Tochter des 2ten 
Herzogs ‚von Alcala de los Gazulos, zu verheurathen, und 
eifrig um die Gunſt des Herzogs von Lerma zu buhlen. Er 
mißfiel dem allmärhtigen Minifter nicht, vergaß fich aber ber 
geftalten gegen den König, daß er biefen öffentlich und mieberholt 
ten Großtambour der Monarchie zu nennen wagte, Solche Frech⸗ 
heit mußte ihm den Hof verfehließen, und zugleich jede Aus⸗ 
fiht, feine Talente anzuwenden In dem Berdrufle um eine 
durch ihn felbft nerfihuldete Unthätigfeit, befihloß er in den Nies 
berlanden Kriegspienfte zu nehmen, er reifete in Gefellfehnft des 
Eondeftable von Eaftilien, ber an-bem Hofe Heinrichs IV. eine 
Botſchaft auszurichten hatte. In der feierlichen Audienz flaud 
ber Herzog von. Oſuna dem Condeftable zur .Seites Daß biefer 
fich bedede, befahl der König, und Dfuna, als Grande von Ca⸗ 
ſtilien, fegte ebenfalls den Hut auf, obgleich die der Audienz beis 


wohnenden Prinzen vom Töniglichen Haufe alle unbededt blieben. 


Sie entſetzten fih nicht wenig ob der Verwegenheit des Fremd 
lings und hielten fih durch ihn beſchimpft, verbargen-aber gleidr 
wohl, in der Ehrfurcht für den König, ihren Unwillen bis zum 
andern Tage, wo fie dann die große. Verkürzung in ihrem Rang, 
bie einecFolge von dem Berfahren des Herzogs von Dfuna, zum 
Begersitnd einer Klage nahmen, Sie zu berubigen,. wurde ih⸗ 
nen das Recht, fich zu bedecken, wie fie es bis zu den Zeiten 
von Franz I. geübt, wiedergegeben. Uebrigens fand. Heinrich KV, 
an des Herzogs witigen Einfällen fo vielen Geſchmatk, daß er 
ihn mehrmals zur Tafel zog. 

In den Niederlanden angekommen 1602, ‘warb Peier auf 
eigene Koften ein Regiment, ‚fo. er in ſechs Feldzügen führte, 
und an defien Spige er fich in ber Belagerung von Oftende, fo.wie 
vor Groll.ausgeichnete.. Seit längerer Zeit von dem Prinzen Mori; 
belagert, war Groll dem Falle nah, da durchbrach Oſuna mit 
4000 Mann die feindlichen Tinten; was ihm vorkam, wurbe ges 
warfen, .eine Verftärfung ‚von 800 Mann, Vorrath von. Krieges 
und Lebensbedarf in die Feftung gefchafft, es verfhwanden bie 
Sieger, nachdem fie Groll für fange Zeit gerettet. Peter, eine 


Das Haus Montijo. | 537 


augenblickliche Waffenruhe benugend, befuchte auch den Hof König 
Jacobs I., fand, wie zu Paris, die günftigfte Aufnahme, und mußte 
mehrmals mit dem König lateinifch disputiren. " In der Zwifchenzeit 
hatte der Herzog von Lerma Mittel gefunden, feines Schüglings 
Kriegsdienfte in den Niederlanden in dem vortheilhafteften Lichte 
barzuftellen, und bierburdy die Bosheit der Höflinge zum Schweis 
gen gebracht. Dfuna wurde 1607 zurüdgerufen, mit dem Kants 
merherrenfchlüffel und dem DBließorden beehrt, dem Rath von 
Portugal eingeführt, auch bei allen wichtigen Angelegenheiten 
zu Rath gezogen, wie dann berfelbe in dem Abfchluffe des Waf⸗ 
fenſtillſtandes von 1609 und ber darin ausgefprochenen Aners 
fennung der Republif der vereinigten Nieberlande Feineswegs zu 
verfennen. Um die Austreibung der Morisfen befragt, fprad 
er fi verneinend in zwei verfehiedenen Denffchriften aus; man 
bewunderte feine Arbeit, Tegte fie aber bei Seite, und die In⸗ 
quiſition verhängte eine -Unterfuhung über den Verfaſſer. Man 
wollte die Reinheit feines Glaubens verbächtigen, einer Hinneis 
gung zu den Lehren Mahomeds ihn befchuldigen, fand aber feine 
Motive für ein Straferfenntnig, 1610. 

Im nächften Jahre, 1611, wurde Ofuna zum Vicefönig von 
Sicilien ernannt, und zugleich der mit Diefem Amt verbundene 
Gehalt verdoppelt; er follte monatlich 4000 Dufaten Friichen. 
Er traf die Inſel in der Fläglichften Verwirrung, u. ..drüdt 
durch die großen Barone, mißhandelt und geplündert durch Scha⸗ 
ren von Banditen, der Barone Schüßfinge oder Söldner, alle 
Zweige der Verwaltung dem bedauernswertheften Berfalle über- 
Iaffen. In Eurzer Zeit ward der Barone Macht und Uebermuth 
gebrochen , das Heer der Banditen gefprengt, eine regelmäßige 
Yuftizpflege bergeftellt, die wieberfehrende Ruhe benugt, um dem 
Aderbau und dem Handel die ihnen gebürende Aufmerffamfett 
zuzuwenden. Dem Wiederaufblühen des Landes blieben die un- 
abläffig fih erneuernden Raubzüge der Türken ein wefentliches 
Hindernig. Der Plage abzuhelfen, unterfuhte Dfuna mit 
Sorgfalt den Zuftand fämtliher Küften, er Tieß verfallene Fes 
ſtungswerke erheben, neue anlegen, und bemühte fidh, eine See- 
macht zu fhaffen. Im 3. 1613 fonnte er bereits den Octavio 


Rhein, Antiquarius, 3. Abth. 2. Bd. 22 


3. Schönbornstufl, 


de Aragon mit 8 fictfianifchen Galeeren gegen die Türken aus 
fenden, und find Octavios Siege bei der Inſel Chios und an 
der Küſte von Valencia ganz eigentlich ald des Vicekönigs Werk 
zu betrachten. Bei Chios wurden 7 Galeeren genommen, 400 
Zürfen, abfonderlid Sinan Paſcha getödtet, 600 gefangen und 
1200 Ehriftenfflaven befreiet. Noch bedeutendere Erfolge errang 
die fieilianifche Flotte im 3. 1615, und gehört namentlich ber 
Kampf, den fie am 14. Jul, und den beiden folgenden Tagen 
unweit der Küſte von Caramanien mit einer Flotte von 55 Gas 
leeren beftand, zu den ausgezeichneteften Waffenthaten. Sechzehn 
Öaleeren wurden genommen und 2000 Türken erfchlagen, obs 
gleich der ficilianifche Admiral, Franz de Ribera, nur ſechs Gal⸗ 
fionen befebligte. Bon dem an wurde Sicilien dur) die Bars 
baren nicht weiter beunruhigt, Oſuna aber, deffen drei Jahre 
beinahe abgelaufen, hielt zu Palermo einen Reichstag ab, empfing 
von demjelben bie ſchmeichelhafteſten Huldigungen,' und jchiffte fih 
ein, um nad Spanien zurüdzufehren. Ein freundliches Andenfen 
hat die Inſel ihm lange bewahrt, wenn aud durch ihn neue 
Auflagen eingeführt, jede Gelegenheit, fid) zu bereichern, benußt, 
und zu Zeiten bie Vorurtheile der Nation ganz eigentlich mit 
Süßen getreten worden. 

Im 3. 1616 fam der Herzog als Vicekönig nach Neapel, und 
ergab ſich in feinen erften Schritten ein Ringen nad) einer Popus 
Tarität, dergleichen Feiner feiner Vorgänger zu gewinnen gewußt. 
Er Tief es ſich angelegen fein, bie hohen Brodpreife herabzufegen 
und die ungeheuern dem Volke auferlegten Laften zu erleichtern. Er 
bezeigte den Großen und den Collegien ausgezeichnete Rückſicht, 
während er yon der andern Seite kräftig einfchritt, um den ges 
meinen Mann gegen die Iaunenhafte Wilfür des Adels zu 
fhügen. In den zwei erften Jahren feiner Herrfchaft wurden 
nicht weniger denn 30 vornehme Frevler hingerichtet. Er verwendete 
feine Befoldung, 2000 Dufaten monatlich, zur Unterflügung der 
Nothleivenden, und namentlich zur Erlöfung armer Schuldner; 
daß er dieſen Aufwand reichlich fich erfegen ließ, darf ich wohl 
nicht erinnern. Gleich im 3. 1617 mußten die Reichsftände ihm 
ein Freiwilliges Gefchenf von 40,000 Dufaten darbringen. Es 


Das Haus Mentijo. 359 


war eben bag Jahr, in welchem bie fange verhaltene Feindſchaft 
bes Erzherzogs Ferdinand mit den Benetianern zum Ausbruch 
kam. Dabei fonnte der fpanifhe Hof unmöglih ein müßiger 
Zufhauer bleiben. Dfuna erhielt ven Befehl, eine ſtarke Truppen 
abtheiflung nah Mailand zu ſchicken, glaubte aber im Seefriege 
größere Ehre einlegen, die Republif durch Störung ihrer Herrs 
fhaft im adriatifchen Deere am fehmerzlichfien verwunden zu kön⸗ 
nen, Er ließ ein venetianifches Schiff wegnehmen, auch daſſelbe, 
ungeachtet der von dem Gefandten Grittt in Madrid erwirften 
Befehle, nicht zurüdgeben. Zugleich erlaubte er den räuberifchen 
Usfofen, frei von den gewöhnlichen Abgaben den neapolitanis 
ſchen Häfen einzulaufen, und bie den Benetianern abgenommenen 
Waaren öffentlich zu verfaufen. Die Einwendungen der Zolls 
bedienten, daß durch dergleichen Befreiung die Einnahme bei ben 
 Töniglihen Zöllen namhaft geſchwächt, auch ber neapolitanifche 
Handel ſelbſt durch die, Unficherheit im adriatifchen Meere leiden 
werde, machten auf ihn feinen Eindrud. Er drohte vielmehr, 
ieben Zöllner, der fünftig mit dergleichen Klagen ihn behelligen 
würde, auffnüpfen zu Yaffen, und fchmeichelte fortwährend in 
aller Weife den Usfofen, melde in bem Kapern venetianifcher 
Schiffe vorzüglich glüdlich gewefen. 

Diefes Verfahren insbefondere fand zu Madrid im Minifte- 
rim große Mißbilligung, wiewohl allerdings um deren Aufs 
richtigkeit Zweifel walten könnten; vielleicht wollte der Hof ſich 
aur eine Thüre offen halten, um bie Sriedensunterhandlungen 
ſortzuſetzen, mittlerweile aber ben ſcheinbar ungehorfamen Vice⸗ 
lönig walten laſſen, in ber Hoffnung, durch Benugung feiner Erfolge 
die Republif zu zwingen, daß fie Die härtefien Bedingungen ſich 
gefallen laſſe. In der That waren bes Herzogs Rüſtungen ernfts 
lich genug. Er drohte, bie Häfen von Iftrien zu überrumpeln, 
bie Inſeln zu verwüſten, ſelbſt Die Stadt Venedig heimzuſuchen, 
behufs deſſen er eigene Fahrzeuge und Mafchinen bauen ließ, 
um die Lagunen überjchreiten, in die Kanäle eindringen zu kön⸗ 
nen. Wenn er auh, bei aller Eitelkeit, fich ‚nicht verhehlen 
fonnte, daß fo große Dinge auszuführen er kaum vermöge, fo 
erreichte er doch infoferne feinen Zwed, daß er der Nepublit 


22 * 


340 Schonborns luſt. 


noch größere Unkoſten verurſachte, und fie abhielt, ihre ganze 
Macht gegen den Erzherzog zu wenden, ober den tüdifchen Ehrs 
geiz des Herzogs von Savoyen zu unterflügen, Sogar verfuchte 
ber Bicefönig, ohne Erfolg freilich, den Sultan gegen bie Res 
publif zu bewaffnen. 

Mittlerweile waren bie Rüftungen in den neapolitanifchen 
Häfen fo weit gediehen, dag der Admiral Francisco de Ribera 
mit 12 vollftändig ausgerüfteten Schiffen in See. gehen konnte. 
Er hatte nicht die Spanische Flagge, Die fortwährend neutral 
bleiben ſollte, fondern bes Herzogs von Dfuna Flagge aufge 
zogen, und fette fih in Bewegung auf die Nachricht, daß ein 
neapolitanifches, nach Trieft beſtimmtes Schiff aufgebracht wors 
ben. Die Flotte war beſtimmt, an den Küften von Friaul bie 
Dperationen des Erzberzogs zu fördern, fie hatte aber faum bie 
Höhe von Ragufa erreicht, als eine weit überlegene feindliche 
Armada fignalifirt wurde: eiligft kehrte Ribera nad Brindift 
zurüd, bis dahin von dem venetianiſchen Admiral verfolgt. Ein 
zweiter Seezug lief eben fo unfruchtbar ab, obgleich der Bices 
fönig des Ribera Gefchiwader durch 19 von Pedro de Leyva 
befehligte Schiffe verftärfen laſſen. Ribera verfäumte bei Lefina 
bie Gelegenheit zu fiegen, und begnügte fih mit der Wegnahme 
von zwei geringen Schiffen. Dafür wurde er bes Oberbefehle 
entjegt, und ber Vicekönig, wenig befümmert um eine von ben 
Zürfen. den VBenetianern zum Bortheil, an den Küften von Ca 
fabrien verfuchte Diverfion, ließ zum drittenmal bie Flotte, von 
Brindifi aus, unter Segel gehen. Bei Lefina beſtand fie eine 
Kanonade, und während die Benetianer vorfichtig in den Hafen ſich 
zurüdzogen, landete Ottavio de Aragon, für jest ber Neapolitaner 
Admiral, in der Nähe von Trau veccchio, und Die unbewachte Küfte 
würde arger Verheerung faum entgangen fein, hätte nicht des 
Bicefönigs gemefjener Befehl zu einem Unternehmen gegen Pola, 
oder einen der andern Häfen von Sftrien getrieben. Bei ber 
dalmatifhen Klippe Morter vorüberfegelnd, wurde die Flotte 
zweier Kauffahrer, die von fieben Galeeren escortirt, anſichtig. 
Bon der Stärke der Bededung auf: den Reichthum der Ladun 
fließend, gab ber fpanifche Admiral das Zeichen zum Angrifi 











Dos Haus Mlontijo. 341 


augenblicklich verſchwanden die Galeeren in einem ber zahllofen 
Canäle jenes Inſellandes, eine einzige, famt den Kauffahrern 
und einer bedeutenden Anzahl geringerer Fahrzeuge, wurbe 
yon den Reapolitanern genommen. Die vielen eroberten Schiffe 
und die reiche Beute unterfagten jedoch fernere Unternehmungen, 
. and ſah Ditavio fich gezwungen, nad) Brindifi zurüdzufehren, 
um dort feiner Bürde ledig zu werben. 

Mit den geringen Refultaten abermals höchſt unzufrieden, 
ließ der Bicefönig gleichwohl die erbeuteten Schiffe und. ihre 
Ladung nach Neapel bringen, und die Waaren, meift türfifchen 
oder perfifchen Urfprunges, öffentlich zur Schau ausftellen, nicht 
minder Öffentlich zugleich die Benetianer verhöhnen. Zu Venedig 
aber erregte ber unerwartete, einzelnen Kaufleuten fehr fühlbare 
Verluſt ungewöhnliche Gährung , die nicht wenig beigetragen 
haben wird, den Abfchluß des Friedens, 6. Sept. 1617, zu bes 

fhleunigen. Nach einer mündlichen Zufage, von dem fpanis 
Shen Gefandten zu Venedig, von bem Marques von Bebmar 
gegeben, follten die genommenen Schiffe und Waaren wiebers 
erſtattet werden; flatt dem Verſprechen nachzukommen, drohte 
Oſuna mit einem neuen GSeezug deſſen Borwand bie hol—⸗ 
ländifche Flotte im abdriatifhen Meer, und der VBenetianer 
angeblicher Feftungsbau zu S. Croce. Sein Admiral, jest wies 
der Ribera, erſchien mit 10 Kriegsichiffen Angefihts von ©, 
Croce, befchränfte fih indeffen auf eine Kanonade. In der Nadıt 
fuhte er die Küfte von Apulien zu gewinnen, er wurbe aber 
lebhaft von der gefamten feindlichen Flotte verfolgt, und es ents 
ſpann fi eine zweite Ranonade, fortgefegt bis dahin ein heftiger 
Sturm die Streitenden trennte. An den Küften von Melada 
fheiterten 5 venetianifche Galeeren, Ribera, mit feinen übel 
jugerichteten Schiffen, erreihte Manfredonia. 

Nach dem bisherigen Berlauf der Dinge hätte Dfuna fi 
überzeugen fönnen, daß er allein den Venetianern nichts anhaben 
“werde, begeiftert jedoch durch die von dem Erzherzog Ferdinand 
empfangenen Beweife von Huld, hielt er fich verpflichtet, durch 
einen entfcheidenden Streich gegen die gemeinfamen Feinde noch 
ferner diefer Huld fich zu empfehlen. Die kühnſten Häuptlinge 


342 Schönbornsluſt. 


der Uskoken, durch den Frieden aus ihrer Heimath vertrieben, 
fanden Aufnahme in den neapolitaniſchen Häfen, Schiffe, in 
Holland und England gemiethet, ſollten Oſunas Flotte verſtärken, 
und ſeine gewandteſten Unterhändler mußten nochmals in Con⸗ 
ſtantinopel das Aeußerſte verſuchen, um bie Pforte zu einem Bruch 
mit ber Nepublif zu beftimmen, Ein nad Venedig beftimmtes 
Handelsfohiff wurde zu Tarent angehalten und nicht freigegeben, 
obgleich der König felbft ſolches geboten, neapolitanifche Kreuzer 
beunruhigten nach wie vor das adrintifche Meer, und dehnten 
dis Trieft ihre Fahrten aus. Ernftlih rieth der Papft zum 
Frieden, allein unumwunden erflärte Dfuna, er werde ihn nicht 
vollſtrecken, die Nepublif habe dann die holländischen Hülfswölfer 
nach Haufe gefickt, und allen Abgaben verzichtet, welche an fi, 
Die vermeintliche Gebieterin des adriatifchen ‘Meeres, big dahin 
von fpanifchen Unterthanen entrichtet worden. Auf das Aeußerſte 
gebracht, ließ der Senat feine ganze Flotte, der ſich viele engliſche 
und holländiſche Schiffe angeſchloſſen, überhaupt 42 Galeeren, | 
6 Galeaſſen und 36 andere Schiffe auslaufen, mit dem Befehl, 
alle fpanifchen Fahrzeuge, die vorfommen möchten, zu nehmen, 
Die neapolitanifche Flotte, in dem Hafen von Brindiſi fiher, 
troßte den Anftrengungen der Feinde; die VBenetianer wurden 
genöthigt, das Weite zu ſuchen, und biefen Moment benugte 
Dfuna, um feine Flotte nach Neapel zu rufen, hierzu vornehms 
lich durch die politifchen Conftelationen beſtimmt. 0 
Wohl hatte Ofuna, obgleich feine Verwaltung im Innern 
eben, fo willfürlih, als unabhängig die Stellung, welche er zum 
Ausland fi) gegeben, obgleich er ohne Bedenken Gefege, Vor⸗ 
rechte und Berträge verlegte, eine Berlängerung feiner Würde 
für fernere drei Jahre erlangt, allein der Staatsrath von Madrid 
Ihien es doch nicht weiter dulden zu wollen, daß ein Bicefönig 
ver Machtvollfommenheit eines Monarden fih anmaße. Das 
erfte Zeichen hiervon ergab ſich in dem Befehl, die neapolitas 
nifche Flotte nach Spanien zu ſchicken: ihm folgte fehnelf bie 
Berfügung, daß der Cardinal von Borgia, und nicht der Her 
308, das Gefchäft der Rückgabe von Schiffen und Waaren an 
bie Benetianer beendigen folle. In ihrer ernften Bedeutung fonn- 


Das Haus Montij⸗. | 345 


ten biefe Zeichen nicht verfannt werben. Zum. andern mußte ber 
unerwartete Ausgang der großen Bewegung in Benedig felbft, 
von welcher Oſuna Kenntniß gehabt haben wird, ohne daß darum 
anzunehmen, er fei mit Bedmar und Toledo ber Leiter der Ver⸗ 


ſchwoörung gewefen , feine Hoffnungen für einen günfligen Auss 


gang bes Zwiftes gar jehr dämpfen, Deshalb z0g er feine Flotte 
aus dem adriatifchen Meere zurüd, und blieb geraume Zeit feine 
ungetheilte Aufmerffamfeit den Verhandlungen mit dem Miniftes 


rium zugewendet. Borzügliche Befchäftigung gab ihm ber vene- 


ttanifche Gefandte zu Madrid, der alle Kräfte aufbot, um den 
unverföhnlichen Feind feines Vaterlandes zu flürzen, und dafür 
in den Klagen vieler vornehmen Neapolitaner, beinahe der Ges 


ſamtheit des Adels, die wirffamfte Unterflügung fand; Stolz, 
ausſchweifende Lebensart und Bedrüdungen hatten dem Vice⸗ 


fönig eine Unzahl von Feinden erweckt. 
Glücklicher denn ſein College in Mailand, wurde er für 


diesmal noch durch den Herzog von Lerma gerettet, und ohne 
Saͤumen nahm er das alte Spiel mit den Venetianern wieder 
af. Die verheißene Auslieferung ber Waaren wurde verzögert, 
ſegelfertig Tagen fortwährend die Galeeren, und niemand vers 
mochte zu ergründen, ob die fortgefegte Rüftung den Türfen 


in Albanien, die in dem mittelländifchen Meere allzu mächtig 


werben wollten, oder dem venetianifhen Dalmatien zu gelten 
babe. In Dalmatien und Albanien unterhielt der Vicekönig 
 Berfländniffe, feine Truppen bielten fih an den Küften von 


Apulien zum Einfchiffen bereit, In Venedig zweifelte man nicht 
mehr, daß es auf die Republik abgefehen, und wurde öffentlich 
gefagt, der Herzog fei dem Mahomed mehr zugeiban, als dem 
b. Marcus. Letzlich befchränfte ſich Alles auf einen Seezug nad 
dem Archipel und auf einen Borrath Pulver, den ber Usfofe 
Serletics über das adriatiihe Meer nach Trieft ſchaffte. Es 
iheint, daß Dfuna in der feindlichen Stellung verharrte, um 
die Truppen beifammen zu halten, und dadurch in ben Augen 
des Minifteriums feine Wichtigkeit zu erhöhen. Denn feine 
Stellung im Lande, das mußte ihm einleuchten, war beinahe 
unhaltbar geworden. Nur. mehr mit dem äußerſten Widerwillen 


344 Schönborusluſi. 


ertrug feine Herrſchaft der beſſere Theil der Bevölkerung. Sein 
Stolz, feine Ehrſucht waren unermeßlich, feine Ausſprüche willfürs 
lich, die Geſetze, Rechte und Freiheiten des Königreichs kamen bei 
ihm nicht in die mindefte Betrachtung. Den Großen begegnete er 
verächtlich, und ſelbſt Die Geiftlichfeit rief in billigen Dingen vergebs 
lich feinen Schug an. Seine Lebensart war höchft ärgerlich, auf 
den Verkehr mit Tüderlichen Dirnen füch nicht beſchränkend, förte 
er durch feine Liebfchaften den Frieden der vornehmften Familien: 
Nur das gemeine Volk der Hauptfladt und bie Soldaten ‚waren 
mit ihm zufrieden. Das Bolf fand in ihm jederzeit eine Stüße 
gegen den Adel, er hatte ihm auch ben Glauben beigebradt, 
daß er die Abgaben vermindern werde, was um fo mehr zu 
bewundern, ba er fih rühmt, um 1,100,000 Dufaten jährlid 
das Einfommen der Krone gefteigert zu haben, unabhängig von 
der durch ihn bewerffielligten Plünderung der Bank, Diefen 
Glauben fortzupflangen verfiel er auf mancherlei Kunftftüde, wie 
- man fie wohl auch in der neuern Zeit gefeben, fo hieb er eins 
ftens mit dem Degen die Mehlwage in Stüde, dadurch anzus 
deuten, daß er die Mahlſteuer als eine Ungerechtigkeit verabs 
fheue. Die Soldaten, großentheild Tandftreiher aus allen Nas 
tionen, waren ihm nicht minder ergeben‘, indem er ihnen, ben 
Städten und dem platten Lande gleich fehr zur Beläftigung, 
ungemeffene Freiheit verftattete, ihrem Muthiillen nirgendg Ein» 
halt that, Alle Gefuhe der Großen um Abhülfe für ihre Bes : 
jhwerden waren bisher an dem Einfluffe des Erzherzogs Ferdi 
nand und des Herzogs von Lerma, deflen Stelle doch feit furzem 
fein Sohn, der Herzog von Uzeda einnahm, gefcheitert, jeht 
unternahm es P. Laurentius von Brindifi, ein Capuziner, ihre 
Klagen unmittelbar vor den König zu tragen; dem war ber 
fromme , von dem Volke vorlängft ale ein Heiliger verehrte 
Mann nicht minder ehrwürdig. | | 
Mancherlei Schwierigfeiten hatte P. Laurentius in Bezug 
auf feine Reife zu überwinden ; in Genua ließ ihn der Cardinal 
von Montalto, der Protector des Franziscanerordens, um Th 
bem Herzog von Dfuna gefällig zu erzeigen, geraume Zeit fell 
halten. In Madrid angelangt, warf er fih dem König zu Für 


h 


Das Haus Montijo. 345 


fen, und in der vollen Tiefe feines Geiftes, mit unwiderſtehlicher 
Nedegewalt fehilderte er das tyrannifche Regiment des Vicekö⸗ 
nigs, fein gefahrvolles, Unheil aller Art verheißendes Beginnen. 
Philipp III. fühlte fih in feinem Innerſten erſchüttert. Zwar 
verwendete Der Herzog von Uzeda, beffen Tochter mit dem Sohne 
des Dfuna verheurathet, fein ganzes Anfehen, um die Anflage 
jurüdzuweifen, und es ließ auch Erzherzog Ferdinand durch Khe⸗ 
venhifler vorftellen, wie nützlich Dfuna noch ferner der gemein⸗ 
famen Sache fein werde, und daß es eine dringende Nothwen⸗ 
bigfeit, ihn, wenigftens bis dahin die Bewegung in Deutfchland 
beruhigt, auf feinem Poſten zu belaffen, der Eindrud, durch den 
P. Laurentius hervorgebracht, blieb unauslöfhlih, und es wurde 
feft befchloffen, den Herzog feiner Würde zu entfegen und ihn 
nah Spanien zur Rechenfchaft zu fordern, Ausgang des Jahres 
1619. Nur erhob ſich die Frage, wie er aus Neapel zu ent⸗ 
fernen, ohne daß der König fich einen Feind im der entlegenen Pros 
vinz erwecke, denn des Vicekönigs jüngfte Handlungen und Vor⸗ 
fehrungen waren für den Hof Fein Geheimnig, man fannte feine 
Kühnheit und feinen grenzenlofen Stolz, man wußte, daß ihm 
ber Pöbel, die Soldaten im Allgemeinen und, vornehmlich die 
fremden Truppen gewogen, daß er große Borräthe von Waffen 
und Kriegsbedarf aufgehäuft habe. Zudem hatte Oſuna, nach⸗ 
bem er es unmöglich gefunden, die Reife des P. Laurentius zu 
bintertreiben , ſich nicht begnügt , feinen vertrauten Freund, den 
Don Ottavio de Aragon, mit den prächtigſten Gefchenfen für 
den König und die Föniglihe Familie nah Madrid zu entfens 
den, damit er Uzedas Bemühungen unterftüge, fondern er hatte 
auch, wie es bie gemeine Sage, auswärtige Hülfe gefucht, zu 
dem Ende mit ber Pforte, mit Benedig und Savoyen Unters 
bandlungen angefnüpft, und war er, überall abgewiefen, zu⸗ 
legt do von Savoyen dem König von Franfreih und dem 
berühmten Lesdiguieres empfohlen worden, Lesdiguieres, ftets 
dag Außerordentliche liebend, ſchickte einen Vertrauten nad 
Neapel, die wahre Lage der Dinge auszufundfchaften, blieb je« 
doch unthätig wie fein Hof. 


346 Schönbornslufl. 


Ohne Hoffnung auf fremden Beiſtand, verzichtete Oſuna 
dem Gedanken, gegen den Willen der Regierung in feinem Pos 
ten fich behaupten zu fönnen, um fo eifriger Dagegen ſich bes 
mühend , den Hof zu überreden, daß er die von Savoyen und 
Lesdiguieres ausgehenden Anträge, er, folle fi) der Königswuͤrde 
in Neapel anmaßen, ſtets mit Berachtung zurüdgewiefen habe. 
Ohne darum fich auszufprechen, fand es der Staatsrath nicht 
räthlich, den Stellvertreter bed Herzogs in Spanien zu ſuchen, 
angefehen bie lange Dauer ber Reife diefem Zeit zu neuen Ans 
fhlägen bieten fonnte., Man hielt es für beffer, dem zu Rom 
refidirenden Cardinal Borgia den Befehl zu ertheilen, daß er 
in möglihfter Eile nach Neapel ſich verfüge, und zufehe, wie er 
ber Regierung fi) bemächtigen fünne. Borgia wußte weder zu 
fhweigen, noch zu eilen; von dem ihm gewordenen Auftrage in 
Kenntniß gefegt, fuchte Ofuna ihn zu bewegen, daß er feine 
endlich für den Mai 1620 angefeste Reife abermals bis zum 
Detober verfihiebe. Davon wollte der Garbinal nichts hören, 
begab ſich vielmehr auf die Reife, erreichte Gaeta; dort ers 
wartete feiner eine Einladung nach Pozzuolo, woſelbſt der 
Herzog für ihn eine Wohnung in Bereitfchaft fegen laſſen. Die 
follte er ſchwerlich ſo bald verlaffen haben, daher ber Gar 


binal einer Spazierfahrt nach der Inſel Procida den Borzug | 
gab, Mittlerweile hatte Giulio Genovino, Des Herzogs Ber 


"trauter, feinen bedeutenden Einfluß als fädtifcher Eletto in felte 


ner Thätigfeit angewendet, zu des Herzogs Bortheil einem Auf 
uhr einzuleiten, auch durch feine Reben Tebhaft auf das Boll 


gewirkt. Die Maffen hielten fih überzeugt, bag mit Oſunas 
Entfernung eime bedeutende Berfchlimmerung ihres Zuftandes 


eintreten, von den Spaniern die härtefte Behandlung zu erwar 
ten fein würde, und barum erhoben fih Alle zum Widerfland. 
Bon ihrer Stimmung hörend, erfannte der Cardinal, daß er 


nicht länger zögern dürfe; er warf fih in ein Boot, landete zu 


Pozzuolo, und erfhien zur Nachtzeit vor dem Gaftello Nuovo, 
beffen Commandant ihm alsbald die Thore öffnete. Am Mow 
gen verfündigten bie Kanonen bes Caftells in hergebrachter Weile 


Das Dans Montijo. 347 


den Einwohnern von Neapel bie Ankunft des neuen Vicelonigs. 
Dfuna hatte ſich überraſchen laſſen. 

Daß noch ein Verſuch angeſtellt worden, Volk und Solda⸗ 
ten durch Verſprechungen und Geſchenke zu Thätlichkeiten zu ver⸗ 
leiten, mag bezweifelt werden, gewiß iſt, daß zur Stunde der 
Herzog eine weitläuftige, an den König gerichtete Denffchrift 
entwarf, worin vor Allem über die Art und Weife, in welcder 
der Cardinal dem Caſtello Nuovo ſich einſchlich, geflagt, zumal 
denmſelben die Galeeren angeboten worden, um ihn nad) der 
Hauptſtadt zu tragen. Er fönne fih, fügte der Brieffteller hins 
zu, wegen biefer Beleidigung rächen, ziehe aber vor, den. wichs 
tigen, der Krone geleifteten Dienften ein neues Opfer hinzuzus 
fügen; wie es ihm leicht gewefen, wenn das anders feine Abs 
fiht, dem Eardinal die Thore von Neapel zu verfchließen , fo 
würde es ihm auch jest nicht fchwer fallen, mit Hülfe der Flotte 
und einer ihm gänzlich ergebenen Befagung von 6000 fpanifchen 
Beteranen den Beleidiger aus dem Gaftell zu vertreiben. Deg 
Cardinals Befignahme koͤnne er lediglich als eine unrechtmäßige, 
gewaltfame Handlung anjehen, die überdies an einem ungewöhns 
lihen Drt, ohne Beobachtung der hergebradhten Ceremonien vor⸗ 
genommen worden. Dann führte er Beſchwerde über dag Bers 
halten des Commandanten vom Gaftelo Nuovo, welcher ohne 
fein Borwiffen in ber Nadt die Thore der Fefte offen gelafs 
fen babe, und nicht minder über die ihm beigegebenen Räthe und 
 Eletti, um daß fie des Rechtes fi anmaßten, Vicekönige abzus 
ſetzen, neue einzuführen. Allerdings befugt, wegen folder Vers 
gehungen fie zu befirafen, wolle er nichtödefloweniger auch diefe 
Klage dem Wohl des Reichs opfern und die Reife nad Madrid 
antreten, um fih und feine Handlungen vor dem König zu 
rechtfertigen. 

Demnach begab er ſich am 14. Jun. 1620, in Begleitung 
des Don Ottavio de Aragon, auf die Reiſe, mit welcher aber 
der Herzog, in der Abſicht, Zeit zu gewinnen, im mindeſten nicht 
ſich übereilte. Volle zwei Monate brauchte die Feine Flotte, um 
Marfeille zu erreihen. Hier wollte Dfuna weitere Nachrichten 
and Madrid abwarten, daher Dttavio fi) veranlaßt fand, mit 


- 548 | Schönbsrnstufk. 


feinen Gafeeren nad Neapel zurüdzufehren. In gleich zögern 
der Weife wurde die Landreife nach den Pyrenäen zurüdgelegt, 
und ſchrieb der Herzog diefe Langſamkeit den öftern Anfällen von 
Podagra zu, während das Publicum fie durch das unermeßliche 
Gepäd, durch die großen darin begriffenen Schäße erklärte. Zu 
Madrid angelangt, fand Dfuna, daß die Zeit, dann der Herzog 
von Uzeda gleich günftig auf des Königs Gemüth gewirkt hatten, 
In der ihm verftatteten Audienz wußte er fo sollftändig ſich zu 
rechtfertigen, daß es fogar im Werfe, ihn auf feinen Poften nad 
Neapel zurüdzufenden, ein Vorhaben, weldes nur burd bie 
äußerften Anftrengungen des P. Laurentius zu hintertreiben. Doc 
wurde der Cardinal Borgia abgerufen, der Cardinal Zapata ihm 
zum Nachfolger gegeben. | 
| Seiner trüglihen Sicherheit follte Dfuna nicht Tange fih 
erfreuen, K. Philipp III. ftarhb den 31. März 1621, und. ald- 
bald mußte der Herzog von Uzeda den Hof verlaffen. Acht Tage 
fpäter, den 7. April, wurde DOfuna in feinem. Haufe verhaftet, 
und zwar durch die Fönigliche Leibwache, eine Auszeichnung, 
welche der Umftand, daß er der Würde eines BVicefönigs nod 
‚nicht verzichtet hatte, ihm verſchaffte. Deffentlih wurden die gegen 
feine Amtsführung erhobenen Befchuldigungen ald Grund dieſer 
Strenge angegeben, eigentlidh aber wollte der neue Minifter Dli- 
varez fich des kühnen und gefährlichen Mannes, gefährlich zumal 
durch feine Verbindungen. mit Lerma und Uzeda, entledigen. 
Seine Anhänglichfeit für diefe geflürzten Machthaber Hatte er 
noch unlängft, in der feßten Krankheit K. Philipps IN. befun 
bet. Als der Herzog von Cea an feinen. Großvater, den Cars 
dinal⸗Herzog von Lerma, einen Courier abfertigte, mit der Meb 
bung, daß er fchleunigft bei dem flerbenden Monarchen fich eins 
zufinden und feine Ernennung zum Teflamentserecutor zu bes 
nugen babe, ſchickte Oſuna dem Cardinal nit nur Wagen und 
Sänfte-entgegen, um deſſen Anfunft zu befchleunigen, fondern 
er ſchrieb auch an den ungeduldig Erwarteten: Nichts dürfe ihn 
von biefer Reife abhalten, feine alten Freunde würden ihm beis 
fieben, ihn zu feiner Feinde Berdruß in die vormalige Würde 
wieder einjegen. Daß diefes Schreiben dem König zu Händen 





— —— nn ge - 


Pas Haus SHontijo. ü 349 


gefommen, vernahm Oſuna, um die Folgen beforgt, erbat er ſich 
- in geheimer Audienz die Erlaubniß zu einer Entfernung von 
vier Monaten, die er in Neapel zu verleben gebenfe. Der Kö⸗ 
nig verfprach, das Begehren durd) den Staatsrath in Erwägung 
sieben zu laffen, darüber fuhr der Herzog troßig auf, betheuernd, 
wenn man ihn nicht Tänger in Dienften haben, die Reife nad) 
Neapel ihm unterfagen wolle, wären wohl andere Könige vor= 
handen, die gern ihm Dienft geben würden. Erzürnt ließ der 





König den Verwegenen leben, der aber nad des Monarden 


Entfernung in höchſt ungeziemenden Worten über befien Perfon 
' und Jugend ſich äußerte. Diefe Reden blieben nicht verfchwiegen 
‚ und befchleunigten die Ausfertigung des Verhaftsbefehle. Zugleich 
wurde eine Commiſſion niedergefegt, dem Berdächtigen den Proceß 
zu machen. Alle feine Handlungen in Sicilien und Neapel wur 
den unterfucht, aus dem-erften Lande kamen nur Lobſprüche für 
den vormaligen. VBicefünig, zu dem Klaglibell der Neapolitaner 
wurden 17 Nies Papier verbraudht. In dem Schreden über dieſe 
Papiermaffe erfaltete der Eifer der Richter, und Olivarez, dem 
der Herzog in der Gefangenfchaft zu Almeida nicht weiter fürch— 
terlich, fand feine Beranlaffung, ihren Eifer zu weden. Die 
Unterfuhung wurde fchläfrig geführt, Langeweile, Gemüths⸗ 
unruhe, Ungeduld verfürzten den Lebensfaden des Gefangenen, 
und er ftarb, fohwerlich an dem, wie die Sage gebt, von feiner. 
Frau ihm zugefendeten Gift, den 25. Sept. 1624, nachdem er 
in großer Gottfeligfeit fh zum Tode bereitet, est endlich er= 
ging das Urtheil, wonach er von aller Befhuldigung frei ge- 
ſprochen, für des Könige treuen Diener erklärt wurde, Jeden⸗ 
falls geht aus diefem Spruche hervor, daß fein Streben niemals 
der Krone von Neapel gegolten habe. 

Des Herzogs einziger Sohn, Johann Tellez Giron, ſuece⸗ 
dirte in ſämtlichen Majoraten, und ſtarb als Vicekönig von Si⸗ 
cilien zu Palermo, 12. Oct. 1656, aus ſeiner Ehe mit Iſabella 
de Sandoval y Rojas, des Iten Herzogs von Uzeda Tochter, 
ebenfalls nur einen Sohn hinterlaffend. Diefer, Kaspar Tellez 
Giron, 5ter Herzog von Oſuna, Marques von Penafiel, Graf 
yon Ureüa, Claviſo des Ordens von Calatrava, Generalftatts 


* 


— 


330 Schönbornoluſt. 


halter zu Mailand, Mitglied des Staatsrathes und des Rathes 
von Aragon, Präfident bes Ordensrathes, Obriſt-Stallmeiſier 
ber Königin, ftarb eines gähen Todes, als er fi) eben zu einer 
Eonferenz in dem Föniglichen Cabinet niedergelaflen, den 2. Jun. 
1694. Seine erfte Gemahlin, Felicia de Sandoval, als füngere 
Tochter des Herzogs Franz Gomez von Lerma und Uzeda bie 
Erbin des Maforats von Uzeda, hatte ihn nur Töchter gefchenft, 
von welchen die ältefte, Sfabella Maria de Sandoval 9 Giron 
das Herzogthum Uzeda ihrem Gemahl, Johann Franz Parhero, 
3ter Graf von Montalvan, zubrachte. Des Herzogs Kaspar ans 
bere Gemahlin, Anna Antonia de Benavides Carrillo y Toledo, 
Marquefa von Caracena und Fromiſta, verm. 1673, war eine 
Mutter von vier Kindern geworden; 

Der ältere Sohn, Franz de Paula Maria Tellez Giron, 
6ter Herzog von Oſuna, Marques von Peñafiel, Fromiſta und 
Garacena, Graf von Ureña, wird zum öftern von S. Simon 
befprohen, namentlich gelegentlich von Philipps V. Reife nad 
ben Pyrenäen. „Le duc d’Ossone, jeune grand d’Espagne, 
vint saluer le roi, et ne baisa point madame la duchesse de 
Bourgogne, les grands d’Espagne n’ayant jamais eu de rang 
en France. Sa figure ne donna pas idee da noire cour de 
celle d’Espagne; il fut fort. festoye. Il trouva le roi d’Es- 
pagne à Amboise, et, comme il dtoit gentilhomme de la 
chambre, il le voulut servir d son diner; mais M. de Beau- 
villier lui fit entendre que ce prince serait fort aise qu'il fit 
sa.charge aupres de lui des qu'il aurait passe la Bidassoa, 
mais que, tant qu'il serait en France, il voulait Etre servi d 
Vordinaire par des Frangais.“ Er befand fih in des Könige 
Gefolge während des Feldzuges von 1702, ohne jedoch der Ars 
tion von Santa Bittoria beizumohnen, von welcher der König felhft 
nur den Ausgang ſah. Eugenius wurde gleichwohl genöthigt, dem 
überlegenen Feinde das Serraglio zu überlaffen. „Pendant ces 
divers campements, Marchin, toujours occupe de plaire, fit 
declarer par le roi d’Espagne M. de Vendöme conseiller-detat, 
c’esi-ü-dire ministre, et le fit asseoir au despacho, au-des- 
sus de tous. Cette sdance ne plut pas aus grands d Espagne; 
le duc d’Ossone ei quelques autres s étaient dispenses de suivre 


Das Haus Montijs. 38 1 


le roi d Espagne u la fin de laction de Santa-Vittoria; presque 
tous les autres Espagnols s’y distinguerent, et le duc de Man- 
loue, qui elait revenu faire sa cour au roi d’Espagne et l’ac- 
compagner jusquä larmee, y fit aussi fort bien, quoiqu'on 


pul croire qu'il ne saitendait pas ä celte aventure, et qu'il s’en 


serail ires-bien passe. Le roi d’Espagne manda au roi ce fait 


du duc d’Ossone, des aulres Espagnols et de M. de Mantoue.“« 


Um fo größere Ehre Tegte ein des gewaltigen Großmeiſters 
von Calatrava Enfel in der Expedition gegen ein hülflofes 


Weib, gegen des K. Karl U. Wittwe, die geborne Prinzeffin 


au nn 00, - 


von Pfalz-Neuburg. Karl IE. hatte fih in Madrid nicht zu 
behaupten gewußt, 1706. „La conduite de la reine douairiöre 
navait pas dementi son inchinalion pendunt celte derniere 
prosperil& de larchiduc son neveu, tellement qu’une des pre- 


, mieres choses que le roi d’Espugne jugea d propos de faire, 


aussitöt son espece de retablissement, ful de leloigner tout d 


fait. Il chargea donc le duc d’Ossone, lun de ses capilaines 
des gardes qui l’avait toujours suivi, de prendre cing cents 


chevaur, d.aller à Tolede, de voir en arrivant la reine douai- 
riere, de lui dire que le roi d’Espagne la trowvait ld trop 


proche des armees pour y demeurer tranquillement, ei qu’il 


souhaitait que, sans aucun delai, elle alldt trouver la reine 
a Burgos. La reine douairiöre parut fort affligee et fort 
interdiie de ce compliment, et chercha des ezcuses et des 
delais, mais le duc d’Ossone me@la si bien la fermete avec le 
respect qu'il ne lui donna que vingt-quatre heures, au bout 
desquelles il la fit partir avec tout ce quelle avaii lä aulour 
delle, et au lieu de Burgos, la fit conduire a Vittoria.“ 

In außerordentlicher Pracht trat der Herzog zu Utrecht auf, 
als erfier Gefandter für den Friedenscongreß, dem er doch nur 
wenige Jahre überlebte, Er ftarb zu Paris, 3. April 1716. 
„Il avast Eid premier ambassadeur plenipotentiaire d’Espagne 
4 Utrecht, et avait demeurd avant et apres assez longtemps 
aur Pays-Bas et en Hollande, oü ses deites, des violences in- 
connues dans ces pays-ci, et de continuelles debauches avaient 
Jort obscurci sa naissance, sa dignitd et son caractere.““ 


Er hatte in feiner keineswegs glücklichen Ehe mit Maria de Ve⸗ 


352 | Schönbornslufl. 


lasco y Benavides, bes Bten Condeſtable von Gaftilien Tochter und 
Allodialerbin, einzig Töchter, und wurde davon bie ältere, Maria 
Dominica, früher dem Bruder ihres Baterd beflimmt, 1727 dem 
Marques von Belmonte angetraut. Ihr wurde aber nicht das 
Majorat zu Theil, fondern es fuccedirte darin jener Oheim, 
Joſeph Tellez Giron, geb. 25. Mai 1685, der bei des Bruders 
Lebzeiten den Titel eines Grafen von Pinto geführt, und Tedigs 
lich durch Ausfchweifungen Berühmtheit erlangt hatte. Im 9. 
1721 fam diefer 7te Herzog von Dfuna als außerorbentlicher 
Gefandter nah Franfreih, um die Hand der Mademoifelle de 
Montpenfier für ben Prinzen von Afturien zu begehren. „Ce 
duc d’Ossone,, ambassadeur ici, edtait donc un fort grand 
seigneur qui 8'y montra trös-magnifique et tres-poli, mais il 
n’etait que cela: on sut que M. le duc d’Orleans avait resotu 
de lui donner le cordon bleu. Je m’erprime de la sorte parce 
que le roi, n’eiant pas encore chevalier de son ordre, et ne 
faisant que le porter jusqu’a ce quil regut le collier le len- 
demain de son sacre, il ne pouvait faire de chevalier de 
lordre. Le duc d’Ossone ne pouvait donc qu’avcir parole 
de letre quand le roi en ferait, ä quoi on voulut ajouter 
une chose, jusqwalors sans esemple, dans le cas oü dlait le 
roi, qui fut de lui faire porter lordre en attendant qu'il put 
dire nomme&; on crut et il elait vrai que M. le duc d’Or- 
Idans etant regent et maltre des gräces, il devast marquer 
par toute la singularite de celle-ci. combien il eiait touche de 
Uhonneur du mariage de sa fülle. 

„Le duc d’Ossone arriva le 29. octobre @ Paris; sl eut 
le 31. audience particuliere du roi; il fut loge et defrayd 
lui et toute sa nombreuse suite ô l'hötel des ambussadeurs 
extraordinaires tout le temps qu'il demeura ü Paris, ce qui 
ne se fait jamais pour les ambassadeurs extraordinaires d.au- 
cun prince de Ü Europe, et le fut magnifiquement. Ily traita 
tres-souvent les principaus seigneurs et dames, dont les plus 
distingues seigneurs lui donnerent des repas qui pouvaient 
passer pour des fetes. Il donna aussi de belles illuminations 
et des feur dartifice dont la beaute, la nouveauted et la du- 
rde effacerent de bien loin les notres. Le 13.. novembre le 


Das Haus Montijo. 355 


due d’Ossone fut conduit à l’audience publique du roi par le 
prince d Elboeuf avec les honneurs et les cdr&monies accou- 
tumes. Il y fit les compliments sur le futur mariage de 
linfante avec le roi, la demande de mademoiselle de Mont- 
pensier pour le prince des Asturies, le remerciment de ce 
quelle lui fut sur Üheure accordee; et Tapres-dinde il fut 
_ avec son me&me cortege au Palais-Royal. Le 15. le duc d’Os-. 
sone et don Patricio Laullez, sans conducteur, allerent chez 
le chancelier, oü ils trouverent le mare&chal de Villeroy et la 
Houssaye, contröleur gendral des finances, nommes commis- 
saires du roi pour signer les articles avec les deur ambassa- 
deurs, ausquels les trois commissaires donnerent la droite. 
„L’apres-dinee du.meme jour, le duc d’Ossone, conduit 
par le prince d’Eiboeuf et le chevalier de Sainctot, introduc- 
ieur des ambossadeurs, dans un carrosse du roi, et don Pa- 
tricio Laullez, conduit par le prince Charles de Lorraine, 
grand ecuyer de France, et par Remond, introducteur aussi 
des qmbassadeurs, dans un autre pareil carrosse du roi, al- 
lerent et furent regus aus Tuileries avec tous les honneurs 
accoutumes, ayant de nombreur corteges, et des carrosses 
ires-magnifiques ainsi que leurs livrdes et tout ce qui les ac- 
compagnait. Ils treuverent le roi dans un grand cabinet, 


debout sous un dais, ayani un fauteil derriere lui et decou- v 


veri, une table et une E&critoire devant lui, sur une estrade 
couverte d’un tapis qui debordait fort lesitrade de tous cötes; 
ceur des grand officiers qui devaient &tre derriere le roi en 
leurs places, Madame et M. le duc d’Orleans ô droite et dä 
gauche aux deuz bouts de la table et la joignant, le ecardinai 
Dubois un peu en arriere de M. le duc d’Orleans vers le coin 
de la table hors de lestrade, les princes et princesses du sang 
en cercle vis-A-vis du roi et de la table sur le tapis hors de 
lestrade , derriere le chancelier et les secrdiaires deiat, et 
sur les ailes, derriere Madame et M.le duc d’Orleans, quelques 
seigneurs principaux. Les ambassadeurs sapprocherent du 
roi à qui le duc d’Ossone fit un court compliment, et se re- 
tirerent aux places oü ils furent conduits, au-dessous des 
princes et princesses du sang, mais sur le tapis et sur la 


Rhein, Antiquarius, 3. Abth. 3. Bd, 23 


g 


a) 


554 Schönbornsiufl, 


meme ligne. Le. contrat lu par le cardinal Dubois fut signe 
par le roi et par tout ce yui diait ld present du sang, puis, 
sur une autre colonne par les deux ümbassadeurs, sur la 
meme table. Apres la signature, le duc d’Ossone se rapprocha 
encore du roi avec Laullez, fit un court compliment, et se 
retirerent reconduils chez eur en la maniere accoutumee, 


‚doü ils allerent au Palais-Royal. 


— 


„Un peu apres, le roi alla voir mademoiselle de Ment- 
pensier au Palais-Royal, qu'il trouva aupres de Madame, 


puis dans la grande loge de M. le duc d’Orleans, avec. ls 


tapis et les gardes du corps au bas de la loge sur le theatre, 


et r&pandus de tous cötes, oü il vit pour la premiere fois 
F’Opera, qui fut celui de Phaöton, ayani Madame d sa droile 
et M. le duc d’Orleans à sa guuche, et derriere lui ceux de 
ses grands officiers qui y .devaient Eire. Apres lopera, o& 
on avait eu soin de bien placer les ambassadeurs et leur 
principale suite, et 0% se trouva tout ce qu'ilyavait de plus 
brillant à la cour, le roi retlourna souper aux Tuileries. Il 


revint apres au Palais-Royal, o% il trouva un superbe bal 


pare qui lVattendait. Il Fouvrit avec mademoiselle de Mont- 
pensier, et y dansa ensuite plusieurs fois. Au bout d’une 
heure et demie il sen alla et il traversa huit salles remplies 
de masques magnifiyquement pares. Apres son depart M. le 
duc de Chartres emmena les deux ambassadeurs d’Espagne 
dans la galerie de son appartement, avec les principaur de 


leur suite et beaucoup de seigneurs distingues de la cour, oü 


ils trouverent une grande tuble splendidement servie. Tous 
les masques furent cependant admis dans le bal, ou on dansa 
dans toutes les pieces jusqu'a six heures du matin. Ony 


servit force raffraichissements, et il y en avait de Toules 


sories de dresses dans les piöces veisines.“ Den 18. Nov. trat 
die Prinzeffin ihre Brautfahrt an. „Peu de jours apres le 
duc d’Ossone fut, par ordre du roi, complimente chez lui par 
Chdteauneuf, prevöt des marchands, & la téle des echevins et 
des conseülers de ville, en habit de cerdmonie, qui lui pre- 
seniörent les presents de vin et de vonfitures de la ville de 
Paris. Ce fut encore un honneur qui ne se rend point aus 


Das Haus Montijs. 388 


ambassadeurs estraordinaires d’aucun prince. Le due dOs- 
sone le recut e&lant accompagne de don Patricio Laullez, 
mais @ qui la parole ne fut point du tout adresse“ Im 
J. 1723 wurde der Herzog Obrift-Hofmeifler der dem In⸗ 
fanten Don Carlos verlobten Mademoifelle de Beaufolais. Er 
farb als des Könige Camarero mayor , Dbrift bes Regiments 
fpanifche Garde, Generalskieutenant, bes goldenen Vließ⸗ und 
des 5. Geiftordeng Ritter, den 18. März 1733. Es überlebte 
ihm aus feiner Che mit Franzisca de Guzman, Tochter des 
12. Herzogs von Medina-Sidonia, ein einziger Sohn, geb. im 
Jul. 1728... Gegen Ende des 18, Jahrhunderts hat das Beſitz⸗ 
thum des Haufes durch verfchiedene glüdliche Heurathen außer⸗ 
ordentlichen Zuwachs erhalten, ohne daß die Einfünfte durch Die 
Erwerbung der vielen großen Maforate, dergleichen 3. B. Bena⸗ 
vente, Gandia, Bejar, in gleihem Berhältniffe zugenommen 
hätten. Sie wurden im %. 1792 zu 600,000 Gulden verans 
ſchlagt; es waren damals bei der Buchhalterei 29 Rechnungs» 
beamte angeftellt, vier Equipagen wurden für den Syndicus, 
ben Leibarzt, den erften Secretair und den Schatmeifter gehal— 
ten. Als die bedeutendften,, zu dem Majorat von Ofuna felbft 
gehörenden Befigungen find zu nennen Moron, Urena, Peñafiel, 
wovon der ältefte Sohn den Marquefentitel führt, Gumiel, 
Driones, Archidona; ſämtlich hatte fie Napoleon während des 
Krieges in der Halbinfel feinem Domaine prive zugetheilt, um 
den Widerftand für feine Ufurpation, welchen er in dem Haufe 
Oſuna gefunden, zu beftrafen. Abſonderlich hat des Herzogs 
jüngerer Bruder, der liebenswürdige Prinz von Anglona, durch 
manche Fühne Waffenthat ſich verherrlicht, wie dann namentlich 
ber Sieg bei Tamames, 18. Det. 1809, dem von ihm ausges 
führten Cavalerieangriff zuzuſchreiben. Des Herzogs von Infan⸗ 
tabo Gefährten in der Bahn der Ehre, waren in ber neueften 
Zeit die Söhne des Haufes Dfuna zu feiner reihen Erbſchaft 
berufen. 

Des Alfons Tellez Giron, des Herren von Frechoſo, älterer 
Sohn, Johann Fernandez Pacheco, hatte als Erbe der mütter- 
linden Herrſchaft Belmonte auch den Geſchlechtsnamen ber Muts 


23 * 


356 Schönbsrnstufl. 


ter angenommen. Geboren 1410, fam Johann Pacheco ald Page 
in den Dienft des Condeſtable Alvaro de Luna, der ihn fpäter» 
bin dem Hofftaat des Infanten Heinrich einführte. Ein feines 
gefälliges Benehmen erwarb dem Pagen in furzer Zeit eine 
unbefchränfte Gewalt über den ſchwachen Sinn feines Gebieterg, 
der in den häufigen Zwiftigfeiten mit feinem königlichen Bater 
fih duch des Jünglings verderbliche Rathfchläge Teiten Tiep. - 
Siets gefhäftig, Ränfe zu erfinnen, wußte Johann ihnen durch 
eine fihlaue einnehmende Beredfamfeit Eingang zu verfchaffen; 
für die Erreichung feiner Zwecke gab er in allen Fällen ben 
frummen Wegen den Borzug, follte auch der gerade Weg eben 
fo fiher dem Ziele zugeführt haben. Widerwärtigfeiten trug er 
in unerfchütterlicher Faffung, und wenn ein Anfchlag ihm voll⸗ 
kommen gelungen, gerieth er ftets in Verſuchung, Alles neuer- 
dings aufs Spiel zu fegen, um nur ber Freude zu genießen, daß 
durch ihn abermals eine Umwälzung herbeigeführt worden. Bon 
Natur menfchenfreundlidh , : von heftigen vachfüchtigen Leiden⸗ 
fchaften frei, hat er gleichwohlen durch feinen unruhigen Geiſt, 
durch ungemeffenes Streben nah Einfluß und Vergrößerung 
Caſtilien an den Rand des Verderbens geführt. Er war nod 
Page, alg er 1440 den Prinzen bewog, dem Eöniglihen Vater 
zu Trotz den Hof zu verlaffen, und nach Segovia fih zu ber 
geben, Mit der gleichen Leichtigkeit wußte er den Prinzen ums . 
zuſtimmen, als biefer im Bunde mit dem König von Nas 
varra und mehren Großen den König in Madrigal oder Tordes 
- fillas gefangen hielt 1443. Weil der Liebling fo wollte, vers 
ließ der Prinz die Stadt Tordeſillas unter dem Vorwand einer 
Jagd, eigentlich aber, um von Segovia aus fih mit dem Cons 
beftable de Luna zu verfländigen und die Mittel zur Befreiung 
des Könige zu verabreden. Gleichwie aber der Prinz nur um 
den Preis von Jaen, Careres, Ciudad Rodrigo und Logrono für 
ben Vater ſich bewaffnen wollte, fo mußten dem Liebling Villa⸗ 
nueva de Barcarotta, Salvatierra und Salvaleon zugefagt wer⸗ 
den. Des Prinzen Annäherung mit einem Heer verfchaffte dem 
Vater Gelegenheit, der Haft zu entrinnen, die Verbündeten er⸗ 
litten bei Olmedo eine gänzliche Niederlage, aber 8. Johann IE. 


Das Haus Montijs. 557 


bezeigte wenig Luft, den mit dem Sohn eingegangenen ſchimpf⸗ 
lihen Bertrag zu erfüllen, Ungehalten, feine Bemühungen und 
feine Leiftungen in ber Schlacht von Olmedo unbelohnt zu fehen, 
vermochte Pacheco den Prinzen, nochmals aufzufigen, und nad 
Segovia fih zu wenden. Bon bier aus unterhandelten die Aug 
reißer, und belehrt durch die nächſte Vergangenheit, eilte der 
König den Infanten zu befriedigen, gleichwie Pacheco mit einer 
der bedeutendſten Befigungen im Reich, mit dem Marquefado 
Villena, an den Grenzen von Valencia, und bald darauf mit 
Barcarotta, Salvatierra, Salvaleon und Medellin befchenft 
wurde 1445. 

Eine abermalige, zwifchen Vater und Sohn ausgebrodhene 
Zwiftigfeit mußte Pacheco in des Sohnes, der Condeftable in 
bes Vaters Namen abthun; ihr Spruch, behufs deffen fie ſich 
vier Beiftände zugelegt, wurde am 11. Mai 1446 verfündigt., 
Zu gleicher Zeit aber hatten die beiden Lieblinge ganzer drei 
Tage lang um ihrer Privatintereffen willen ſich geflritten, und 
fhieden fie von einander in gefteigertem Haffe, um fortan auf Tod 
and Leben, doch nur in finftern Ränfen fich zu befehden. Mehr⸗ 
mals fchten der Sieg dem Condeftable zu Tächeln, zumal als 
Peter Puertocarrero, der nachmalige Graf von Mebellin, dem 
Infanten yon geheimen Anfchlägen, fo ihm zu Verderben Billena 
ſchmiede, erzählte. Der Angeflagte, auch durch andere Zeugniſſe 
belaſtet, follte in Berhaft genommen werden, verfihanzte ſich 
jedoh zu Segovia auf dem Domhof, während feine Neifigen 
Unruhe und Schreden durch die ganze Stadt trugen. Endlich 
wurde ihm fiheres Geleit bewilligt, damit er nach einer feiner Ber 
gungen, nad) Turungano, ſich begeben könne, flatt deffen fuchte 
er feinen Bruder zu Toledo auf 1450. Hier fand er bald Ge⸗ 
legenheit, fich zu rechtfertigen; ſchon im nächſten Jahre empfing 
er zu Billena den Beſuch des Infanten, und feinen Triumph 
vervollftändigte des Condeftable Don Alvaro de Luna Hinrichs 
tung 1453. 

Der König überlebte dem treuen Diener nicht lange, und 
dem Günftling Heinrichs IV. ſchien die ungetheilte Herrſchaft 
von Saftilien befchieden. In den erften Augenbliden übte er fie 


388. Schönbernslufl, 


mit Gefhid und Klugheit, und es bildete fich ein Zuftand, ber 
einem geordneten Regiment nicht unähnlich. Aber Kraft und 
Muth konnte Pacheco dem Findifchen, nur in Täppifchen Bers 
gnuͤgungen fich gefallenden Monarden nicht einimpfen. Der 
Krieg mit Granada, ohne Beranlaffung unternommen, wurde 
ohne Ehre geführt, nur daß Pacheco fi das den Mohren ent 
siffene Eftepona fchenfen Tieß, den Großen, die ohnehin feinen 
maaslofen Einfluß beneideten, zu bitterm Verdruß. Schneidend 
äußerte fi ihr Mipfallen in dem zu Sevilfa 1456 veranftalteten 
Turnier, deſſen Plaghalter der. Marques und ber Herzog von 
Medina-Sidonia; zu Ernft verwandelte fih der Schimpf, mehre 
Zänfer wurben getödtet, der König felbft genöthigt, herabzuftei- 
gen zu der Bahn, damit nur die Schlägerei ein Ende nehme, 
Unter den Großen bildete fid) ein mächtiges Bündniß, weldes 
fih der Perfon des Monarchen zu bemeiftern,, in deffen Namen 
zu vegieren begehrte. Durch feinen Bruder und feine Betten. 
unterftügt, hätte Villena Teichtlich diefem Bündniſſe widerſtehen 
fönnen, allein der König verfagte ihm das Großmeiſterthum von. 
S. ago, in der Abficht, damit einen andern Liebling, den Mis 
chael Luc zu beglücken, und das vergab Villena nicht. Sid zu 
. rähen, des Königs Bande ftraffer anzuziehen, zu erzwingen, 
was in feiner Schwachheit Heinrich IV. verfagen wollte, zus 
gleich der eiferfüchtigen Großen fich zu erwehren, erfand er eine 
Art von Schaukelſyſtem, das ihm erſprießlich ‚ dem Reiche un⸗ 
ſägliches Weh bereiten mußte. 

Zuerſt benutzte er eine mit dem Hofe von Aragon zu fuͤh⸗ 
rende Unterhandlung, um ſich für alle Fälle des Schutzes dieſer 
Macht zu verſichern. Am 15. Nov. 1456 legte er in die Hände 
des aragoniſchen Abgeſandten einen förmlichen Treueid ab. Dann 
ließ er ſeinen Bruder, den Großmeiſter von Calatrava, dem 
Bündniſſe der mißvergnügten Herren beitreten; hierdurch ward 
es ihm möglich, des Bundes Thätigfeit nad Wohlgefallen zu 
Yähmen oder zu fpornen, Diefer. grobe Kunftgriff fonnte aber 
felbft den König Heinrich nicht blenden, und es wurbe befohlen, 
den Marques zu verhaften. Er fand Mittel, dem Befehl aus 
zumeichen, mieb unter dem Borwand einer Unpaͤßlichkeit den 


”; 


Das Haus Montijo. 559 


Palaſt, und während ber für feine Sicherheit getroffenen Vor⸗ 
fehrungen gelang es ihm, den Zorn des Königs zu entwaffnen, 
Er folgte dem Monarchen nach Fuenterabia, in die Conferenz mit 
8. Ludwig XI. im. 1462, Et ꝙ esioit le Grand-Maistre de 
Sainct-Jacques (darunter verfieht Commines, deffen Bericht im 
% 1468 niebergefchrieben, den Marques von Billena, der doch 
erft 1467 zu dem Großmeifterthum gelangte) et FArchevesque 
de Tolede, les plus grands de Castille pour lors. Aussi y 
estoit le Comte de Ledesma, son mignon, en grand triomphe; 
et toute sa garde, qui estoient quelques trois cens chevaur 
de Maures de Grenade, dont il y en avoit plusieurs Negrins. 
Vray est que le Roy Henry valoit peu de sa personne, et 
donnoit tout son heritage, ou se le laissoit oster a qui le 
vouloit ou pouvort prendre. Nostre Roy estoit aussi fort ac- 
compagne, et par especial sa garde estoit belle. A cette veue 
se irouva la Reyne d’Arragon, pour quelque differend quelle 
avoit avec le Roy de Castille, pour Estelle et quelques auires 
places en Navarre. De ce differend fut le Roy juge. 
„Pour continuer ce propos, que la veuö des grands 
Princes n’est point ndcessaire: ces deur icy n’avoient jamais 
eu differend, ne rien @ departir, et se virent une fois ou 
deur seulement, sur le bord de la riviere, qui depart les deux 
Royaumes, @ lendroit d’un petit chasteau appelle Heurtebise: 
et passa le Roy de Castille du coste de dega: ils n’arresierent 
gueres, sinon autant qu'il plaisoit & ce Grand-Maistre de 
Sainct-Jacques, et à cet Archevesque de Tolede. Par quoy 
le Roy chercha leur accointance, et vinrent devers luy à 
Sainnt-Jehan de Luz: et prit grande intelligence et amitie 
avec eur, ei peu estima leur Roy. La pluspart des gens des 
deux Roys estoient loges a Bayonne, qui d’euirde se battirent 
ires-bien, quelque alliance qu'il y eust. Le comte de Ledesma 
passa la riviere en un bateau, dont la voile estoit de drap 
dor: et avost des dbrodequins fort charges de pierreries: et 
vint vers le Roy, loutesfois il n’estoit pas. vray Comte, mais 
avoit largement biens: et depuis je lay veu Duc d’ Albur- 
guerque, et tenir grande terre en Castille. Aussi se dressoient 
moquertes entre ces deur nations si allides. Le Roy de Castille 


360 Schönboruslufl, 


estoit laid, et ses habillemens deplaisans aus Frangois, qui 
s’en moquerent. Nostre Roy s’habilloit fort court, et si mal 
que pis ne pouvoit: et assez mauvais drap portoit aucunes 
fois: et un mauvais chapeau, different des autres, et une 
image de plomb dessus. Les Castillans sen moquoient, et 
disoient que c’estoit par chichete. En efjet ainsi se departit 
cette assemblee pleine de moquerie ei de pique: omcques 
puis ces deus Roys ne s’entraymerent. La Reyne d’Arragon 
se doulut de la sentence que le Roy donna au profit du Roy 
de Castille: Elle en eut le Roy en grande hayne, et le Roy 
d’Arragon aussi.“ Der Schiedfprucd des Königs von Frankreich 
ift vom April 1463. Ihm einzuleiten, befuchte der Marques 
von Billena den Hof in Zaragoza, wo Aufmerffamfeiten aller 
Art feiner warteten. Namentlih bat die Königin zur Tafel 
ihn gebeten, um mit ihm en tdte-a-tdte zu fyeifen; einzig bie 
aufiwartenden Damen wurden dabei zugelaffen, „welches in da⸗ 
maliger Zeit eine aufferorbentlihe Gnade war“. Bolllommen 
hat fie auch ihren Zwed erreicht; in den weitern Verhandlungen 
offenbarte der Marques eine Partetlichfeit für Aragon, die K. 
Heinrih IV. nicht umhin fonnte, zu ahnden. Er wurde von 
aller Theilnahme bei den Staatsangelegenheiten ausgefchloffen, 
1463 , und fonder Verweilen traten Billena und der Erzbifchof 
von Toledo zu der Partei der Misvergnügten über; mit ihnen 
fih zu verftändigen, Hatte jener, forgfältig vermummt, eine 
Zufammenfunft mit den Grafen son Plafencia und Alba de 
Tormes. Sein Beginnen, feines Bruders Bewegungen und 
Umtriebe in Andalufien festen den König in Schreden; hoffend, 
er werde auf das Gemüth feines ehemaligen Günftlings wirfen 
fönnen, ließ Heinrich denfelben nah Madrid einladen. Der 
Marques gehorchte nicht, bis der Marques von Santillana und 
Pedro de Belasco fih ihm als Geifel überliefert hatten, und 
wußte fodann in angeborner Fertigfeit feine Handlungsweife vor 
dem Monarchen zu rechtfertigen. Einzig die Furcht vor dem 
Erzbiſchof von Sevilla, der um Ehre, Güter und Leben ihn zu 
bringen trachte,, habe ihn veranlaßt, damit entfchuldigte er fich, 
bei den Gegnern des Königs Sicherheit zu fuchen, und rührte 








Das Haus Moutijs. 561 


fein Bortrag den König dergeflalten, daß er verſprach, den 
Erzbifchof einzufperren und demnach unſchädlich zu machen. 
Der Marques empfahl fih, um augenblidlich den Erzbifchof 
von dem ihm zugebadhten Schiefal zu unterrichten, und der Bes 
drohte, Taum noch des Könige eifrigfter Diener, wurde genöthigt, 
bei dem Grafen von Plafencia Zuflucht zu ſuchen, während bie 
in Alcala verfammelten Empörer den Entfhluß faßten, den 
Infanten Alfons und feine Schwefter Iſabella aus des Königs 
Gewahrfam zu entführen, auch den Bertrand de la Cueva zu 
verhaften. Zu dem Ende zogen der Marques, die Grafen von 
Benavente und Paredes, der Sohn des Almirante und viele 
Andere nad Madrid, und wurde ihnen, bie dem Anfchein nad) 
unbewaffnet, der Einlaß bewilligt ; in dem Argwohn um ihr 
weiteres Beginnen verfchloß fih der König mit feinen Gefhwis 
ſtern in dem Hauptthurm bes Mlcazar, die Bürgerfchaft bewaffs 
nete fich, und die Verſchworenen mußten das Unternehmen aufs 
geben. Sie zerftreuten fich, einzig Billena hatte die Stirne, dem 
König aufzumarten und eine Rechtfertigung feines Betragens zu 
verſuchen; er wurde mit einem Berweife entlaffen. Empfind⸗ 
licher mochte ihm fallen, daß jest endlich das Großmeifterthum 
son ©. Jago an Bertrand de la Cueva vergeben wurde: in 
feinem Berdruffe erfaßte er den Gedanfen, mit Hülfe einer 
Hofdame, der an Ferdinand Carrillo verheuratheten Maria be 
Padilla den König und die Königin in Segovia aufzuheben. Beide 
. entgingen ber beabfichtigten VBerrätherei, und Billena, abgefchnits 
ten von feinen Berbündeten und feinen Reifigen, fchien der wohl 
verdienten Strafe nicht entrinnen zu können. Statt fie auszu⸗ 
fprechen, Tieß der König den Verbrecher nach dem Klofter el Parral, 
damals noch außerhalb der Stadt gelegen, entfommen, und 
hierauf ihm eine Unterredung in dem’ Klofter S. Pedro de lag 
Duenas zufagen. Hier der Perfon des Monarchen fich zu ber 
mächtigen , hatte Billena die Anftalten getroffen, mit ſchwacher 
Begleitung nahte Heinrich fih dem Orte der Zufammenfunft, da 
wurde er durch getreue Unterthanen von ber ihm bereiteten Ges 
fahr unterridtet : mit genauer Noth entkam er nach Segovia, 
die Berbünbeten aber, in ber Berzweiflung, daß auch viefer 


362 Schönbornoluſt. 


Streich mißlungen, beſchloſſen in der großen zu Burgos abge⸗ 


haltenen Verſammlung, der Tyrannei des Königs, wie ſie es 
nannten, offenen Widerſtand, verbunden mit der Anerkennung 
von des Infanten Alfons Succeſſionsrechte, entgegenzufeßen, 


Gleichwohl hörte Villena nicht auf, mit dem Monarchen zu 


unterhandeln, und dem unwiderſtehlichen, von ihm ausgehenden 


Zauber bewilligte der König, der fo vielfältig fchon in Verfuchung 
geführt worden, abermals eine Unterredung zu Cabezon. Sie 
endigte. mit einem DBergleih, mwonad der König dem Marques 


feinen Bruder Alfons überliefern, diefen für feinen Erben und 


Nachfolger anerfennen, und den Bertrand de la Cueva bewegen 


wollte, dem Großmeiſterthum von ©. Jago zu verzichten,. Die 
Vebergabe des Prinzen erfolgte zu Sepulveda um Neujahr 1465, 


und war hiermit die Zufunft von Gaflilien in des Marques Hand 


gegeben. In feiner Abficht Ing eg jedoch fo wenig, wie irgend 
früher, eine Entfcheidung zwiſchen den ftreitenden Parteien hers 


beizuführen, in großer Heftigfeit widerfegte er fich. deshalb dem 


in der Berfammlung zu Plaſencia vorgebrachten Antrag, den 


König des Thrones zu entfeßen, und mußte zugleich feine Ges 
mahlin, die ftaatöfluge Maria Puertocarrers dem Hofe folgen, 
unabläffig dem Monarchen zuflüftern: ihm fei ihr Eheherr ganz 


fich ergeben, und wenn er aud fcheinbar ſich ben Mißvergnügs 
ten anfchließe, fo gefchehe Diefes nur, um ihre Gefinnungen zu 


erforfchen, und hiernach feinem Gebieter die zweckmäßigſten Rath» 


fchläge ertheilen zu fönnen., So Teicht Villena es auch diesmal 


fand, den König zu berüden, fo wenig vermochte er die Empörer 


ihren gewaltfamen Entfhlüffen abwendig zu machen; die Cere⸗ 
monie der Thronabfegung wurde vorgenommen, und der Mars 


ques felbft Tegte Hand an die den König vorftellende Puppe, 


Durch ſolche Theilnahme an dem frevelhaften Gaufelfpiel hoffte 


er den ungünftigen Eindrud. zu tilgen, welchen feine verfpätete 


unvollſtändige Verwendung für den König dem Gemüthe feines 
Vetters, des Erzbifchofs von Toledo zurüdgelaffen hatte; in diefer 
Hoffnung getäufcht, verfiel er auf eine andere Lift. Angeblich ers 


krankt, ließ er fich die Sterbfacramente reichen, und ein Teftament, 


worin Frau und Kinder dem Erzbifchof empfohlen, aufnehmen, 


Das Haus Montijs. 365 


Diefes feheinbare Zutrauen verföhnte den Prälaten. Eintradht war 
dem Haufe um fo nothwendiger, da eben jest bie Zeit gefommen 
fhien, den lesten Schritt für die Befeftigung feiner Herrfchaft zu 
thun. Während Villena zu Penafiel die VBermählung feiner älteften 
Toter, Maria Pachero, mit Roderich Alfons Pimentel, dem 
ten Grafen von Benavente auf das Prachtvolffte beging, hatte 
er feinem Bruder eine Heurath von ganz anderer Bedeutung 
zugedacht, durch die glänzendften Zufagen den König beflimmt, 
bie Hand feiner Schwefter Ifabella dem Großmeifter von Cala⸗ 
trava zu verheißen. Aber Peter Giron traf ben Tod, wo er bie 
Braut zu finden gehofft hatte, und die unüberfehbaren Wirren 
erwuchfen Teglich zu offenem Bürgerfrieg. 

Die Stadt Baeza, wo Billena Befagung unterhielt, wäre 
ihm beinahe dur den Condeſtable de Luc entriffen worden, in 
Sepulveda wurden feine Leute von den Königlichen überwältigt, 
bie Stadt Palma fonnte er wohl, Teineswegs aber dag Caſtell 
einnehmen, daß fih alfo das Waffenglück nicht günftig für ihn 
anließ. Er fand reichlihe Entſchädigung in feinen Gaben für 
Unterhandlung. Don dem Infanten Alfons, der zeither dem 
Namen nad das Großmeifterthum von S. Jago beſeſſen hatte, 
ermächtigt, für fich diefe hohe Würde zu fuchen, verfammelte 
er did Dreizehner bes Ordens, und wie abgeneigt fie ihm - 
- auch gewefen fein mögen, fie fonnten nicht umhin, den mäd- 
tigen Bewerber zu ihrem Großmeifter zu wählen 1467. Diefe 
Angelegenheit hatte ihn dem Schlachtfelde von Olmedo fern 
gehalten, doch erfebte er die Verfäumniß durch eine Berftärs 
fung von 1200 NReitern, welche er nah dem Treffen dem 
Snfanten zuführte, und noch vollftändiger durd die Einnahme 
von Segovia. Einzig durch feine. Meifterfhaft für Bethörung 
und Berführung herbeigeführt, war fie ein Ereigniß von unbe 
rechenbarer Wichtigfeit, denn bier fiel die Infantin Iſabella den 
Empirern in bie Hände, An meitern Kortichritten durch des 
Königs überlegene Streitfräfte verhindert, begann Billena abers 
mals zu unterhandeln, vorläufig nur um perfönliche Angelegen« 
heiten, und zum Erftaunen für Freund und Feind erteilte ihm 
Heinrich. IV. nah einigen Eonferenzen in St. Michaels Kirche 


564 Schönbornslufl. 


zu Segovia das Kreuz zufamt dem Großmeifterthum des Ordens 
von ©, Jago, und hiermit ein Einfommen von 60,000 Dufaten 
1467. Weniger Gedeihen wollte das ebenfalls in Borfchlag ger 
brachte Friedensgefhäft finden, ein Waffenftilifiand war das 
Höchſte, worüber man fich zu vereinigen wußte, für den Marqueg 
immer noch vortheilhaft genug; denn der bisher von den König⸗ 
lichen bejette Alcazar von Segovia mußte ihm überliefert werden. 

In folder Weife von dem Glüde in allen feinen Unter» 
nehmungen begünftigt, gleich groß durch die Macht feines Haus 
fes und feines Ordens, war Villena vorlängft aud den Nach⸗ 
barflaaten furchtbar geworden : Königen fogar fehlen eine Ver—⸗ 
bindung mit ihm wünſchenswerth. Der König von Aragon 
entjendete den Condeftable von Aragon, den berühmten Peter de 
Peralta nad Gaftilien, um für feinen Sohn, den Infanten Fer⸗ 
dinand, die Hand der dritten Tochter bes Marques, der Beatrir 
Pacheco zu begehren und um jeden Preis zu erlangen; damit 
aller Auffchub vermieden werde, hatte der Gefandte Vollmacht, 
in des Prinzen Namen fi) mit der Braut zu verloben. Aber 
ber Marques, wie fehr gefchmeichelt er durch den Antrag, befaß 
nicht den Muth, darauf einzugehen, er fürchtete den Neid, von 
dem genugfam er bedrängt, zu fleigern, aud) den Almirante zu 
beleidigen, von dem es befannt, daß er den Infanten Ferdinand, 
feinen Enfel, mit der Infantin Iſabella zu verheurathen wünſche. 
Zudem Fündigte der Tod des Prinzen Alfons, von Bielen dem 
von Billena ihm gereichten Gift zugefchrieben, wefentlihe Ver⸗ 
änderungen für Caftilien an; davon ergab fich die nächfte in dem 
Bertrage von Cebreros, wodurch Die verbündeten Herren unter 
den Gehorfam des Königs zurüdfehrten, während die Infantin 
Sfabella zu los Toros de Guiſando am 19, Sept. 1468 als 
Kronerbin anerfannt wurde, Billena ließ fich diefen Vertrag ges 
fallen, in der Hoffnung, er werde jederzeit Durch des Könige 
Bermittlung über die Hand der Prinzeffin verfügen innen; als 
diefe Hoffnung ſich zweifelhaft geftalten, die Vermählung ber 
Snfantin mit dem Prinzen von Aragon immer wahrfcheinlicher 
werben wollte, empfand Billena Serupel der bedenflichften Art; 
ein großer Theil feines ungeheuern Beſitzthums war aus bem 


/ 


Das Haus Montijo. 365 


König von Aragon entzogenen Domainen erwachſen; ed fonnte 
faum fehlen, daß bei der erfien günftigen Gelegenheit der Sopn 
fie zurüdforbern werde, 

Solcher Gefahr auszumweichen, befchloß der Marques, um 
jeden Preis das beabfichtigte Ehebündniß zu hintertreiben. Zu 
dem Ende hatte er zu Billarefo eine Zufammenfunft mit dem 
Bilhof von Siguenza, der als Stellvertreter feines Bruders, 
des Marques von Santillana auftrat, mit dem Erzbifhof von 
Sevilla und mit dem Grafen von Plafencia, und da alle drei 
hierin mit Billena die gleichen Rüdfihten zu beachten hatten, 
wurde ungefäumt befchloffen, die Infantin Ffabella an den Kö⸗— 
‚nig von Portugal, die Infantin Johanna, Heinrihe IV. Toch⸗ 
ter, an den Prinzen Johann von Portugal zu verheurathen. 
Für diefe zwiefache Verbindung war des Könige Einwilligung 
fogleich bereit, die Königin aber, die vorläufig mit dem König 
von Portugal eine Zufammenfunft zu Ocaña haben follte, Tieß 
fi) niemals dazu beftimmen , fie ahnete eine Lift, die mit ihrer 
und ihrer Tochter Entführung nach Portugal enden werde. In 
nicht minder entfchiedener Weife lehnte die Infantin Iſabella 
die Bewerbung bes Königs von Portugal ab. Heinrih, oder 
vielmehr Billena, durch diefe Widerfeglichfeit gereizt, drohte, 
fie durch Abführung nad dem Alcazar von Madrid zu beftrafen. 
Weder Thränen noch Bitten follten die Prinzefiin gegen foldhe 
' Härte gefhügt haben, einzig die Furcht vor der Bevölkerung 
von Ocaña, bie offen ihre Anhänglichfeit für Iſabella ausfprad, 
hielt den Marques ab, die Drohung zu verwirklichen. Ueber ber 
vergeblichen Bemühung,, den vielfadhen Widerftand zu befiegen, 
verfirich eine koſtbare Zeit, von dem Erzbifchof von Toledo benußt, 
um, alles Einfpruches ungeachtet, Die Bermählung der Prinzefiin 
Iſabella mit dem Infanten von Aragon durchzuſetzen, 25. Det. 
1469. Dafür bracdte Billena bei dem König von Franfreid, 
von dem er eine jährliche Penfion von 12,000 Schilden bezog; 
die Verbindung feines Bruders, des Herzogs von Berry mit ber 
Prinzeffin Johanna, die in alle ihre Rechte wieder einzufegen, 
in Borfchlag; am 20. Det. wurde Johanna in dem Thale von 
Lozoya als bie rechtmäßige Kronerbin von Caftilien und Leon 


306 Schanbornsiufl. 


- ausgerufen, und fofort dem Herzog von Berry verlobt, allein 
des Politikers Glück ſcheint, wie jenes des Feldherren, an Zeiten 
gebunden zu fein, und die launenhafte Göttin wollte nachgerabde 
müde werden, bem Marques in alen feinen Unternehmungen 
zur Seite zu fliehen. Der Herzog von Berry entfagte ber Braut 
und Villena mußte fi augenblidiih barauf beſchraͤnken, durch 
Erwerbungen und Familienverbindungen feine perfönlihe Gewalt 
immer fefter zu begründen. Escalona, norbweitlich von Toledo 
ließ er fich gegen Auslieferung des Alcazars von Segovia, etwas 
fpäter auch Sepulveda von dem König fchenfenz die Einwohner 
von Sepulveda ließen ſich aber niemals zur Anerkennung feiner 
Herrihaft bewegen, es mag aud) biefelbe, nad) der Empörung ber 
zu dem Staat von Billena gehörigen Stadt Alcaraz 1471, zu 
urtheilen, die mildeſte nicht geweſen fein. 

Dagegen erwarb fih Billena eine mächtige Stüge durch die 
Bermählung feiner Tochter Beatrir mit Roderich Ponce de Leon, 
der in Rüdficht ihrer yon dem König mit der Stadt Cadiz, al 
einem Marquefado begnabigt, und in des Schwiegervaters Häns 
ben ein treffliches Gegengewicht für den in Andalufien vorherrs 
fhenden Herzog von Medina-Sidonia wurde, Auch für bie 
Prinzeffin Johanna wußte Billena abermals einen Bräutigam 
in ber Perfon eines Neffen des Könige von Aragon, in dem 
Infanten Heinrich auszumitteln 5; allein nicht nur daß defien An 
ſpruch auf viele der von Villena befeffenen Güter eben fo brin- 
gend, als jener des Könige von Aragon, fo beleidigte er auch 
durch grenzenlofen Stolz den mächtigen Brautwerber, daher Bils 
lena, fhlieplih von dem König um feine Meinung von der bes 
abfichtigten Heurath befragt, fie nach der Lage der Dinge nicht 
mehr zuläffig finden wollte, Die Anhänger der Infantin Iſa⸗ 
bella, meinte er, feien allzu zahlreich und allzu ſtark, als daß 
man hoffen Tönne, in dem Infanten Heinrich ihr mit einigem 
Erfolg einen Nebenbuhler entgegenzuftellen. Zweckmäßiger würde 
es fein, bie Prinzeſſin Johanna an einen mädtigen König zu 
vermählen, vor allem aber müffe, um fich dafür den Weg zu 
bahnen, ein Heer aufgebracht werden, hinreichend, den Anhängern 
ber Iſabella zu trogen. Zu einer ſolchen Rüfung würden bie in 


Das Deus Maontijs. 567 


bem Alcazar von Segovia aufbewahrten Schäge bie Mittel bieten; 
in bem gefamten Gaftilien fenne er aber nur einen einzigen Ritter, 
bem die Bewahrung biefes Alcazars mit Sicherheit anvertraut 
werden könne, und biefer Ritter fei er felbfl. Der leute Punft 
fhien dem König, der Fürzlih nur den Alcazar von Madrid dem 
Marques überliefern laffen, Doch zu bedenklich ; feiner Unfchlüfs 
figfeit zu Hülfe zu fommen, erregte Billena, mit Hülfe eines 
ihm gänzlich ergebenen Scheffen, in Segovia einen Aufruhr gegen 
die Neubefehrten. In der dadurch veranlaßten Verwirrung 
glaubte er des Alcazars fich bemeiftern zu können, allein dag 
Unternehmen fcheiterte an des Andreas de Cabrera Wachſamkeit, 
gleichwie auch der in ähnlicher Abficht zu Toledo von dem Mars 
ques vorbereitete Aufftand kein Refultat ergab. 

Sein Rath, der Prinzeffin Johanna einen König zu freien, 
hatte jedoch günftigere Aufnahme bei dem Monarchen gefunden, 
und auf deſſen Beifall geftüßt, feste Villena die niemals gänz- 
fih abgebrochene Unterhandlung mit Portugal um fo eifriger 
fort, während er zugleich auf alle Weife bemühet, den föniglichen 
Bater zu einem entfcheidenden Schritt zu Gunften feiner Tochter 
ju vermögen. Es wurde ihm der Auftrag, bie Infantin Iſa⸗ 
bella, den Prinzen ihren Gemahl, und die Frau Cabrera in Ses 
govia aufzuheben, das vereitelte aber jedesmal der eiferne und 
bedachtfame Andreas de Cabrera. Dagegen gelang es endlich 
dem Marques, den König, unter dem Borwand einer Jagdluſt, 
nad) ben Grenzen von Portugal zu führen; während Heinrich 
jagte, verhandelte Billena mit König Alfons. Nicht alle Bes 
benflichfeiten des portugieſiſchen Hofes vermochte er zu heben, 
doch brachte er das Geſchäft dem Abfchluffe fo nahe, daß er ſich 
für berechtigt hielt, die im Falle des Gelingens ihm zugefagte 
Delohnung zu fordern. Es war die Stadt Trufillo, nad der 
ihn befüftete, und mit ihrem Befige gedachte er das Großmei⸗ 
ſterthum auch ber beiden andern Ritterorden, von Calatrava und 
von Alcantara zu verbinden. Den von Salatrava beherrichte 
er als feines Neffen Bormund, der Großmeifter von Alcantara, 
Gomez de Solis, hatte eben bie Zeitlichkeit verlaffen, indeß fein 
Gegner, Alfons de Monrop in Banden Ing. In dem Orden 


568 Scyönbornsluft, 


fetbn demnach keinen fonderlihen Wiberfland erwartend, ließ 
Billena feinen natürlichen Sohn, Alfons Pacheco den Titel eines 
Großmeifters von Alcantara annehmen, auch durch ihn die Burg 
Zalamea und bie übrigen feſten Punkte von la Serena befegenz 
er felbft, nachdem des Königs Bemühen, ihm Trujillo zu über 
liefern, unwirffam geblieben, legte fih vor bie Stadt, in der 
Hoffnung, fie durch Ueberredung oder Gewalt zu gewinnen. Bon 
Santa Cruz aus beftürmte er den Gratian de Seſſa, dem Tru⸗ 
jillo anvertraut, mit den lockendſten Borfchlägen, bis deſſen Stand» 


baftigfeit erlag. Feſtgeſetzt, nicht gefommen, war der Tag det 
Mebergabe, als ein Halsgefhwär dem Marques die Sprache und 
am 4. Ort. 1474 das Leben nahm. Sein Tod wurbe verheims 


ficht, bis zu der vollgogenen Uebergabe von Trujillo, 


Der Marques von Billena ift eine der außerordentlichften 
Erſcheinungen in der Gefchichte. Geboren um zu herrfchen, ers 
bob er fih in rafchem Lauf, zuerft feines Fürften Nathgeber, 


wurde er bald deſſen Gebieter, endlich deſſen Tyrann. Ein 
durchdringender DVerftand ließ ihn die verworrenften Angelegen- 
heiten in allen ihren Verzweigungen auf ber Stelle überfehen 


und beurtheilen. Nicht felten war ihm ein Blid, eine Unters - 


redung von wenigen Worten hinreichend, um die verfchloffenften 


Gemüther, die geheimnißvollſten Anfchläge zu ergründen, Mäßig 


in Genüffen und Leidenfchaften, unter allen Umftänden feiner 
mächtig, gab er niemals bie geringfte Blöße. Begierig Schäge 
zu fammeln, wußte er fie zu verwenden, wo es die Noth erfors 
derie. Niemand empfand fehmerzlicher feinen Verluſt, als eben 


jener König, deſſen Regierung fo vielfältig dur ihn beunruhigt 


worden. Seine erſte Gemahlin, Maria Puertocarrero , Peters 


des Herren von Moguer und Billanueva del Fresno Tochter 
und Erbin, von der drei Söhne und fehs Töchter, farb 141 


an einem Krebsſchaden; in den legten Augenbliden ſoll fie ihren 
Herren ermahnt haben, zu bedenfen, wie viel er dem König ver- 
danfe und wie fehr er deſſen Gnade mißbrauche; fie fol ihn 


aufgefordert haben, der Unerfättlichfeit und dem Ehrgeiz, wos 
durch er Gott und den Menſchen verhaßt geworben, ein Ziel zu 
fegen, und zurüdzugeben, was er wider Recht an ſich gebrant, 


Das Haus Montijo. 569 


indem er bald vor dem höchften Richter würde erfcheinen müflen. 
Man ſetzt hinzu, der Großmeifter habe für dieſe Ermahnung 
gedankt und verſprochen, ihrer eingedenf zu fein. Befremden 
mag es baber, daß er noch im nämlichen Jahr ein zweiteg, 
jwar großentheils durch politifhe Rüdfichten herbeigeführtes Ehes 
bündniß einging mit Maria de Velasco, ber Tochter des 2ten 
Grafen von Hard. Die Bermählung wurde mit großer Pracht 
bei des Großmeifters Neffen, bei dem Grafen von Ureria zu 
Peñafiel gefeiert, doch nur mit einer Tochter gefegnet. | 
Drecs Marques von Villena oder, feit 1469, Herzogs von 

Escalona Kinder folgen alfo: 1. Diego Lopez Pacheco, 2ter 
Herzog von Escalona, 2. Peter Puertocarrero, 3, Alfons Tellez 
Giron, A. Maria Pacheco (den Namen Pacheco führen die Töch— 
ter insgefamt), vermählte Gräfin von Benavente, 5. Katharina, 
verm. an Alfons Fernandez de Coͤrdova, den Gien Herren von 
Aguilar, 6. Beatrix, vermählte Marquefa von Cadiz, 7. Jo⸗ 
hanna, verm. an Diego Fernandez von Cordova, den 1ten Mars 
ques von Comares, 8. Franzisca, verm. an Jũuͤigo Lopez be 
Mendoza, den 2ten Grafen von Tendilla und 1ten Marques 
von Mondejar: ihre Tochter Maria, an Johann de Padilla vers 
heurathet, hat in dem Aufftand der Gemeinheiten eine feltene, 
wenn auch nicht beneivenswerthe Berühmtheit erlangt, 9. Mas 
rin, verm. an Ferdinand Alvarez be Toledo, 2ter Graf von Oro⸗ 
yefa, 10. Mencia Pacheco 9 Belasco, das Kind der andern 
Ehe, nachmalen vermählt an Diego de Sardenag, den tten Hers 
zog von Maqueda. Außer der Ehe hatte Katharina be Ludeña 
ben Marques zwei Söhne und zwei Töchter geboren. Dem 
einen Sohn, dem Alfons Pacheco, Comthur von Bilfafranca in 
dem Orben von Calatrava, war von bem Vater das Großmeiſter⸗ 
thum son Alcantara zugedacht. Die jüngere Tochter, Iſabella 
Pacheco, heurathete den Groß-Adelantado von Caſtilien, den Per 
dro Lopez de Padilla. Die ältere, Beatrix oder Maria Pacheco 
war in erfter Ehe mit, Roderich Puertocarrero, dem 1ten Grafen 
von Medellin, in anderer Ehe mit Alfons de Silva, dem 2ten 
Grafen von Eifuentes verheurathet. Medellin, an der Guadiana 
oberhalb Merida, war ihr von dem Bater zum Brautfchag ges 


Rhein, Antiquarius, 3, Abth, 2. Bd. 24 


370 Schoͤnbornsluſt. 


geben worden, daher ſie dort auch als Wittwe feit 1464 unums 
ſchränkt gebieten, die ganze Landichaft Eftremadura viele Jahre 
hindurch beunruhigen und ihren eigenen einzigen Sohn gefangen 
halten konnte. 

Diego Lopez Pachero, dem ber Bater das Marquefabo Bils 
lena bereits 1469 abgetreten hatte, folgte bemfelben als Herzog 
von Escalona und minder nicht in den Reichthümern und dem 
politifchen Einfluffe, denn auf ihn hatte fih des Königs blinde 
Neigung für ben Bater vererbt. Daher unterflügte Heinrich IV. 
aus allen feinen Kräften des Herzogs Bewerbung um das Groß⸗ | 
meiftertbum von ©. Jago. Es ſcheint auch der Vater noch vor 
feinem Tode dem Sohne zum Bortheil diefe Würde niedergelegt t 
und die nöthigen Schritte gethban zu haben, auf daß fie ihm von | 
Rom aus beftätigt werde. Gleichwohl fand Diego nirgends im 
Drden Anhang, es wurde vielmehr von den raftilianifchen Rits 
tern der Graf von Paredes, in ber Provinz Leon Alfons de | 
Cardenas zum Großmeifter erwählt. Bon dem Ergebniß der zu 
Ucles vorgenommenen Wahl unterrichtet, ließ Diego den Grafen 
von Dforno um eine Unterrebung bitten, in der Hoffnung, durch 
beffen Bermittlung den Grafen von Paredes bewegen zu fönnen, ( 
daß er von feinem Anfpruh an das Großmeiſterthum abſtehe. 
Dforns , nur die Gelegenheit gewahrend , feinem Bruder einen 
Dienft zu leiften, bewilligte bie verlangte Unterredung, heuchelte 
aber eine Krankheit, die ihn verhindere, zur beftimmten Stunde 
zu erfcheinen, und Tieß ſich durch feine Frau vertreten. Diefe | 
hatte faum den Herzog empfangen, ald Bewaffnete vorbrachen, \ 
ihn niederwarfen und nad) der Fefte Fuentiduena Tieferten. Weber | 
eine ſolche verrätherifhe Handlung höchlich entrüſtet, gebot der | 
König die augenblidliche Freigebung bes Gefangenen, ohne dor 
Gehorfam zu finden. Fortwährend fiehend zog er aus, um, von 
den Kriegsvölkern, fo des Erzbifchofs von Toledo Bruder, Lobo 
de Acuna herbeiführte, unterflügt, Die Belagerung von Zuentis 
Duena vorzunehmen. Er fand hartnädigen Widerſtand. Lobo | 
de Acuna ließ die Gräfin son Oſorno, als welche dieſen Wider 
fland feitete, zu einer Unterredung einladen, und auf des Bes 
fehlshabers Wort wagte fie fih, son einem ihrer Söhne begleitet, 








Ale — 


Das Maus Montijs. sr 


unter bie feindlihen Scharen. Augenblicklich ließ Lobo Mutter 
und Sohn greifen und fie nach Huete in Verwahrung bringen, 
Der allgemeine Unwillen um diefe neue Treulofigfeit ließ die 
erfte beinahe vergeffen, gleichwohl führte fie zu einem friedlichen 
Abfommen, Die Gefangenen wurden ausgewecfelt, Escalona 
mußte aber außerdem Maderuolo an den Grafen von Dforno 
abtreten, nachdem fein Bater ſchon, um das Großmeifterthum 
von ©. Jago buhlend, den befagten Ort dem Grafen verfproden, 
and fein Verſprechen nicht gelöfet hatte. 
Von den Befchwerden des Winterfeldzuges erfchöpft, farb 
König Heinrich IV. in der Mitternacht des 12. Dec. 1474, umd 
die Frage, ob die Tochter oder die Schweiter ihm auf dem 
hrone zu folgen habe, follte fest in Tester Inſtanz entfchieden 
werden. Beunruhigt durch die allgemeine Stimmnng ber Na- 
hion brachte der Herzog die Prinzeffin Johanna nad ‚Escalona 
in Sicherheit, Ausgang Jan. 1475, Zugleich erneuerte er in 
eigender Lebhaftigfeit die Unterhandlungen mit Portugal, wo⸗ 
in er, wie es fiheint, die Unfchlüffigfeit des Königs Alfons zu 
eftimmen, das Teftament des verftorbenen Monarchen, wodurd) 
dohanna, als die rechtmäßige Tochter, zu der Erbfchaft der Krone 
erufen, in der Urfchrift fihickte. Diefe Unterhandlungen,, und 
ie Verbindungen, welche ber Herzog gleichzeitig mit den mäch— 
Kaften Herren des Neiches einging, erregten die Beforgniffe ber 
Rönigin Zfabella. Seine unermeßlihen Güter, die fih von Tor 
do bis Murcia erſtreckten, verfchafften ihm vorwiegenden Eins 
uß in Neucaftilien, zudem galt er, wenn auch des Baters Meiſter⸗ 
haft in Ränfen ihm verfagt, ald die „befte Lanze im Königs 
ih”, Ein Bertrauter wurde an ihn abgefendet, um feine 
ünfhe zu vernehmen und ihm vorläufig einige Vortheile zu 
ieten. Troden erwiderte Diego, damit er und feine Verbün« 
eten der Königin buldigen könnten, müfje er vor allem zum 
ropmeifter von S. Jago ernannt, ihm auch der Beſitz aller 
errfchaften, Ehrenftellen und Einfünfte, wie fein Bater fie ges 
abt, beftätigt werden; außerdem verlangte er eine neue Bers 
eihungsurfunde in Betreff ver Städte Alcaraz, Trujillo und Re⸗ 
uena, für feine beiden Brüder Beftätigung ihres Befigeg, ſamt 


24 * 













572 Schoͤnbornoluſt. 


einer anſehnlichen Geldſumme, für den Erzbiſchof von, Toled 
5000 Vaſallen in Caftilien, für den Lobo Vasquez de Acuũa, 
außer andern Gnadenbezeugungen, eine abermalige Verleihung 
über Huete, für den Grafen von Plafencia feierliche Anerfennum 
feines Befiges von Arevalo, für die Prinzeffin Johanna eine ihre 
Geburt angemeffene Heurath. Die Könige dagegen boten ihm 
die Beftätigung alles defjen, fo fein Bater gehabt, zufamt ihre 
Derwendung bei dem heiligen Bater, um ihm das Großmeiften 
thum von S. Jago zu verfchaffen; allein Diego, überzeugt, wi 
es fcheint, von der rechtmäßigen Geburt der Prinzeffin Johanna, 
hatte fich bereits zu weit mit Portugal eingelaffen, und fogar ü 
Frankreich Hülfe gefuht. Diefe um fo fiherer zu erhalten, flellt 
er in einer Denffchrift an Ludwig XI. die folgende Berechnug 
über die Streitfräfte der Verbündeten auf: | 

Er felbft, le marquis de Villena qui finera 3000 chevaus, 
Varchevesque de Toledo . . » . : 2000 „ 
le maistre de Calatraaa....... 2000 F 
Vevesque de Calatrava . » » :» » . : : 2000 
Vevesque de Burgos . - » » : 2 2... 800 „» 


le comte de Urena . . . .... 300 „ 
Don Alfonse seigneur de Montalvan 200 
Don Alfonse et Don Juan, fils bastards du ", 
feu marquis . . . nen. 400 » Ä 
Don Pierre de Puertecarrero, frere du marguis 400 „ 


la comtesse de Medellin, fille du feu marquis 400 „ 
la comtesse, mere de la femme du seigneur 

marquis > 2 2 0 een. 300 » 
le duc dArevalo .» » » . 2 =: . 2... 2000 „ 
le marquis de Cadir.. . . . .. 1500 — 
le duc de Seville (Medina Sidonia) 2. 2000 „ 
Don Alfonse de Aguillar . . . x... 600 „ 


le comte de Feria . . .. 400 
le roi de Portugal 12,000 hommes a pied de 
trait et. - » oo 2... 4000 


Le tout se monte ä 20,000 hommes darmes et genetai: 
12,000 gens de trait. 





Das Haus Montijo. 373 


Der Krieg kam zum Ausbruch, für den Herzog eigentlich 
mit der Empörung von Alcaraz; feine gefamte Mannfchaft hatte 
er herangezogen, um ſich mit den Portugiefen zu vereinigen, 
fest mußte er noch des Erzbifchofs, des Großmeifters von Galas 
rava und des Grafen von Urena Bölfer verwenden, um bie 
tebellifchen Unterthbanen zu befämpfen. Er fand fie indeffen fo 
wohl gerüftet, daß er es nicht wagen wollte, bie Burg, in wels 
der Martin de Guzman ftandhaft eine Belagerung ausgehalten 
“Batte, zu entfegen, und blieb ihm nad ihrem Falle nichts übrig, 
'als feine Scharen in den Pläßen der Herrfchaft Villena zu vers 
'theilen, damit das Beifpiel von Alcaraz nicht anſteckend wirke. 
hStatt eines Heeres, hatte der Herzog nur eine ſchwache Be— 
Wekung um fih, als er am 12, Mai 1475 in Plafencia den 
Moͤnig von Portugal empfing, und die Braut, die Infantin 
Johanna, la Bertraneja im Style der Widerfacher des verleb- 
ten Königs, ihm vorftellte, und faum war die Geremonie ber 
Huldigung vollbracht, fo wurde Diego durd des Grafen von Pas 
redes und des Adelantado von Murcia Einfälle in die Staaten 
yon Bilfena nah Haufe gefordert. Den furchtbaren Kriegern, 
die hier ihn bedrängten, zeigte er ſich Jedoch Teineswegs ge 
wahfen , und eine Diverfion von Aragon ber ihm gemacht und 
die Empörung der Bürger von Billena raubten ihm vollends die 
Befinnung. In Utrel, Almanfa, Iniefta, Hellin, Tovara, Ne» 
quena, alles Städte feines Gebietes, wurden bie Königlichen mit 
Jubel aufgenommen, während ein Aufruhr in Zrujillo ben 
tapfern und getreuen Commandanten, Peter de Baeza, auf die 
Bertheidigung des Caſtells befchränfte, und gleichzeitig Ocaüa 
für den Herzog verloren ging. Am Tängften hielt fih die Burg 
zu Billena, fie mußte am 23. Januar 1476 capituliren, und 
fofort wurde die Stadt, zur Belohnung der bewiefenen Treue, 
der. Krone einverleibt, Nachdem noch Madrid durch den Herzog 
von Infantado eingenommen, die von Diego eingelegte Beſatzung 
auf die Vertheidigung des Alcazar befchränft worden, wollte 
er nicht weiter der Waffen Gluͤck verſuchen. Schon unterhan« 
belte er, durch Vermittlung des Cardinals Mendoza, als ein 
neuer Verluſt ihn zu einer legten Anftvengung aufforderte. 


574 Schönbornsinfl. 


Die Stadt Ucled wurde durch den Grafen von Paredes 
eingenommen, das noch tapfer vertheidigte Schloß zu vetten, 
führte Escalona 4000 Reiter und 3000, Fußgänger herbei, zus 
nächſt in der Abficht, Lebensmittel, Munition und grobes Ges 
fhüß in die Fefte zu werfen. Diefen Theil der Aufgabe Löfete 
er am 2. Mai 1476, die von Paredes angebotene Schlacht hatte 
er aber nicht den Muth zu beftehen. Nach mehrmaligem Ans 
ſetzen zog er fih auf Alcala de Henares zurüd, dann, 11. Sept, 
1476, unterwarf er fih den vom Cardinal Mendoza vorgefchries 
benen Bedingungen, Er verſprach, Die gegenwärtige Regierung 
anzuerfennen, auch dazu, binnen der nächſten 30 Tage feine 
Brüder zu beftimmen, wogegen ihm felbft, feinen Anverwandten 
und Freunden Erlaß aller Verbrechen und Mordthaten, feit K. 
Heinrichs Tod verübt, und Wiedererflattung aller ihrer Güter: 
und Chrenämter zugefagt wurde, Die Alcazars von Madrid 
und Trujillo follten in 50 Tagen übergeben werden, ein genaues 
Verzeichniß beftimmte die Drifchaften, welche der Krone verbleis 
ben oder dem Herzog angehören follten. 

Den Krieg hatte Diego nicht zu führen gewußt, den Fries 
den vermochte er eben fo wenig zu bewahren. Der Alcazar von 
Trujillo wurde nicht geräumt, die Königin mußte ihn beinahe mit 
Waffengemwalt dem Peter de Baeza abdringen, und fand fie in diefer 
Miderjpenfligfeit den nicht unwillfommenen Vorwand, viele dem 
Herzog zufländige Pläge in Händen zu behalten. Ihren Vortheil 
verfolgend, gebot fie dem Statthalter zu Billena, auch Chinchilla 
wegzunehmen. Die befagerte Stadt wurde Durch Diegos Annähes 
sung gerettet, er felbft verfiel aber hiermit immer tiefer in der Koͤ⸗ 
nigin Ungnade, Eine bedeutende Macht, von Georg Manrique und 
Peter Ruiz de Marcon befehligt, wurde gegen ihn ausgefendet, 
um alle feine Befigungen, zunächſt Belmonte, Alarcon und Garci⸗ 
Muñoz, ſämtlich in dem füdlihen Theil dev Provinz Cuenca, 
wegzunehmen. Sn feiner Bedrängniß rief Diego. nochmals den 
Peter de Barza zu Hülfe, und von Alarcon aus führte diefer 
tapfere Degen, wie nicht minder des Herzogs Schloßhauptmann 
zu Escalona, einen ziemlich glüdlihen Krieg gegen die König⸗ 
lichen, Am heftigfien wütbete Die Schde in der Maucha, wo 


Das Haus Montijo 375 


der Fönigliche Feldherr, der gepriefene Elegiendichter Georg 
Manrique in einem Scharmügel den Tod fand. Der Kampf 
wurde jedoch zu ungleich, und nochmals mußte Diego um Gnade 
rufen. Der erſte Empfang, als er der Königin in Toledo aufs 
juwarten wagte, ergab ſich höchſt Rürmifch, und einzig der Vers 
wendung des Cardinals Mendoza hatte der Herzog das am 28, 
Januar 1480 zu Belmonte unterzeichnete Abfommen zu vers 
danfen 5; darin mußte er für ewige Zeiten Billena, Almanfa, 
Utrel, Albacete, Hellin, Tovara, Yecla und Chindilla, die ganze 
nordöftlihe Hälfte des Königreichs Murcia, an die Krone abs 
treten. 

In dem Kriege mit Granada leiflete Diego den Königen 
nügliche Dienfte, namentlich für die Unterbrüdung eines bedenk⸗ 
lihen Aufruhrs in dem bereits den Mohren entriffenen Quabir, 
wofür er zum Statthalter des umliegenden Gebietes und ber 
gefamten Alpujarras ernannt wurde. In dem Berlaufe eines 
Scharmügeld den ungleichen Kampf eines Dieners mit ſechs 
Mohren gewahrend, eilte er dem Gefährbeten zu Hülfe; nad 
dem er zwei der Barbaren erlegt, jagte er bie vier andern in 
die Flucht, wiewohl einer im lieben noch ihm mit ber Lanze 
den rechten Arm durchbohrte. Der Arm, für immer verflümmelt, 
blieb doch vermögend, die gefürchtete Ranze zu führen. Nach der 
Königin Sfabella Ableben übertrug ber Reichstag von Toro dem 
8. Ferdinand die Regentfchaft, Dagegen firäubten fih vornehmlich 
die Herzoge von Escalona und von Näjera. In einer an den Erz» 
herzog Philipp gerichteten Eingabe forderten fie ihn auf, die 
Nechte feiner Gemahlin geltend zu machen, wogegen fie von dem 
Erzherzog Befehl empfingen, zu feiner Unterflügung ihre Kriegs⸗ 
völfer in Bereitfchaft zu halten. Mit der Weberfunft des Erz« 
herzogs nach Gaftilien verzog es fich indeffen big zum April 1506, 
Escalona fand ſich fofort bei ihm ein, umgeben von einem zahl« 
reichen , wohlgerüfleten Gefolge, faum war jedoch K. Philipps 
Herrſchaft anerfannt, und es forderte der Tod ihn ab, 25. Sept. 
1506. Abermals follte Diego gegen des K. Ferdinand Macht und 
Staatsflugheit in die Schranfen treten. Für jest hatte er dem 
Raifer, dem väterlichen Großvater, die Negentichaft zugebacht, des 


376 Schönborasiuf. 


Erzherzogs Wittwe aber meinte er an den Infanten Alfons von 
Aragon, der allein nody von dem Mannsftamm der Könige von 
Caftilien übrig, zu verheurathen. Den einen wie ben andern Zweck 
vermochte er nicht zu erreichen, eben fo wenig dem König von 
Portugal die Negentfchaft zuzumenden, Obgleih eine große 
Anzahl der mädhtigften Landherren ihm beipflichtete und zu Gri-⸗ 
jota ein gegen den K. Ferdinand’ gerichtetes Bündniß einging, 
obgleich die gewaltige Gährung, von welcher Gaftilien ergriffen, 
auf allen Bunkten Eriegerifche Nüftungen, von Diego mit ausges 
zeichnetem Eifer betrieben, und durch die Verbindungen mit Por: 
tugal belebt, veranfaßte, fonnte er weder eine Veränderung in der | 
Regentſchaft bewirken, noch feine Hoffnung, in der allgemeinen 
Verwirrung zur Wiebereinnahme der Staaten von Billena zu 
gelangen, verwirffichen. | 

Nothgedrungen fand Diego zulegt mit K. Ferdinand fih 
ab, und nahm er, als einige Entfhädigung für das verlorne 
Billena, die Gebiete yon Seron und Monda, in dem Königreid 
Granada, 1508. Bon dem an jedem Gedanken, die Regierung | 
zu beunruhigen, verzichtend, fuchte er vielmehr fh ihr, in wels 
her Form fie auch erfcheinen möchte, wohlgefällig zu machen. 
Mit dem Regenten Ximenez gelang ihm dag fo vollfländig, daß 
er bei demfelben nicht nur als Vermittler für feinen ernftlid 
bedrohten Vetter, den Grafen von Urenia einfchreiten, fondern 
auch für feinen Altern Sohn die Beftätigung des Grafentiteld 
von ©. Iſtevan de Gormaz erhalten fonnte, Dagegen gab er 
auch in dem Aufftand der Gemeinheiten der Regierung Beweife 
von Ergebenheit und Treue, Er flarb den 6. Nov. 1529. Seine 
erfte Gemahlin, Maria de Luna, des 2ten Grafen von S. Jfle 
van de Gormaz Erbtochter, befaß, außer der gleichnamigen fehr 
bedeutenden Graffchaft in der Nähe von Osma, auch den Staat 
von Infantado, den fie zwar, nad K. Heinrichs AV. Willen, 
gegen Requena vertaufchen mußte, Sie ftarb frühzeitig und der 
Herzog nahm eine zweite Frau, die ihm nicht lange überlebte; 
Johanna Enriquez, des Iten Almirante von Gaftilien Tochter, . 
farb den 26. April 1530, 


Das Haus Silontijo, 377 


Der Sohn ber erfien Ehe, Johann Pacheco de Luna, 3ter 
Graf von ©. Iſtevan de Gormaz, war vor dem Vater unvers _ 
ehelicht geftorben, ber Sohn der zweiten Ehe, Diego Lopez Pas 
checo fuccedirte ale Zter Herzog von Escalona, (Titular-) Mars 
ques von Billena und Ater Graf von ©, Iſtevan, erheurathete 
mit Aloyfia Perez de Cabrera y Bobadilla das Marqueſado 
Moya, in der Provinz Cuenca, und flarb den 7. Febr. 15565 
er ift jener Scalon, Margrave von Billena, deſſen Einfünfte 
Seb. Münfter zu 60,000 Dufaten berechnet, daß ihm demnach 
unter den fpanifhen Großen einzig Die Herzoge von Trias und 
Seffa, der Marques von el Valle (Cortez) und ber Graf von 
Benavente zu vergleihen. Gein Sohn, Franz Padero 9 Cas 
brera, Ater Herzog von Escalona, ftarb den 2, April 1574. 
Von diefes fünf Söhnen wurde der zweitgeborne, Franz Perez 
de Cabrera mit dem Marqueſado Moya abgefunden,, welches 
zwar feine Tochter, Aloyfia Bernarda de Cabrera wieder in bie 
berzogliche Linie trug, durch ihre Vermählung mit dem Tten 
Herzog von Escalona. Des Herzogs Kranz ältefter Sohn, Jo⸗ 
hann Franz Fernandez Pacero, Ster Herzog von Esralona, des 

goldenen Vließes Ritter, Gefandter bei dem römifchen Hof und 
Vicefönig von Sieilien, ftarb 1615, aus feiner Ehe mit Sera- 
phina von Portugal, des Gten Herzogs von Braganza Tochter, 
fünf Kinder hinterlaffend. Der ältefte Sohn, Philipp_Iohann 
Balthafar, blieb kinderlos, und ihm, get. 29. Dec. 1633, fürs 
eedirte fein Bruder, Diego Lopez Pacheco, Bicefönig von Mes 
rico 1639, und von Navarra, der, in erfter Ehe. mit feiner Cou⸗ 
fine, der Marquefa von Moya, in anderer Ehe mit Johanna 
de Zuniga, einer Tochter des Sten Herzogs von Bejar verheu⸗ 
vathet, im J. 1655 das Zeitliche gefegnete. Diefes einziger 
Sohn anderer Ehe, Johann Emanuel Fernandez. Pacheco Las 
brera Bobadilla, Ster Herzog von Escalona, Marques von Bils 
fena und Moya, Graf von S. Iſtevan de Gormaz und Duis 
jena, Herr von Belmonte und Seron, war ben 7. Sept. 1648 
geboren. Ungemein forgfältig erzogen, Hatte er einen reichen 
Schatz von Wiſſen gefammelt, bevor er fih dem öffentlichen Le» 
ben widmete. Er befaß eine fehr ungewöhnliche Sprachkennt⸗ 


378 Schönbornoluſt. 


niß, hatte bie verſchiedenen Syſteme der Philoſophen gepräft, 
war ein Geſchichtforſcher, ein ausgezeichneter Geograph, ein 
gründlicher Mathematiker, ein ſcharfſinniger Theologe, hatte ſich 
ausgebreitete Rechts- und medicinifhe Kenntniſſe angeeignet 
und ſuchte den höchſten Genuß bei den griechiſchen und römiſchen 
Dichtern. Im fo verſchiedenen wiſſenſchaftlichen Fächern bewans 
bert, hatte er eine Foflbare Bibliothek nicht nur für den eigenen 
Gebrauch gefammelt; ihre Benugung war jedem andern Ger 
lehrten vergönnt, 

Sp ausgebreitet feine Kenntniffe, fo ehrwuͤrdig erfchien ber 
Herzog durch die Strenge feiner Sitten und durd feinen Eifer 
für die unparteiifche Handhabung der Gerechtigkeit. Während 
er Navarra mit den Vollmachten eines Vicekönigs regierte, 
wurde ein franzöfifher Handeldmann , den Gemwinnfucht allen 
Befahren des zwifchen Spanien und Franfreich ſchwebenden 


Krieges trogen ließ, zu Pamplona ermordet und in eine Kloake 


geworfen. Lange darnach fand fich bie Leiche, und war es des 
Vicekönigs ernfie Angelegenheit, den Mördern nadhzufpüren. In 
einer mühfeligen Unterfahung wurde fein eigener Kutfcher als 


Thäter ermittelt und ohne Anftand den Gerichten überwieſen. 


Die ganze Stadt bat um Gnade für den Verbrecher, weldem 
dag Urtheil den Galgen zuerfannte. Sie wurde nicht nur von 
dem Bicefönig verweigert, fondern er ließ fogar den Galgen 
vor den Fenftern feines Palaſtes auffchlagen. Das war zu viel 
für die fromme und gütige Herzogin, und weinend, fußfällig bat 
fie um Berlegung ber Richtflätte und daß „der Vicekönig über 
haupt bebenfen möge, der Unglückliche fei ein Diener ihm ges 
weſen.“ — „Eben weil er mein Diener if,” entgegnete ber 
Herzog, „verdient er um fo härtere Strafe. Er wird demnach 
gehenft werden, und zwar in meiner Livree, Damit andere, bie 
bamit befleidet find, gegen das böfe Beifpiel fih verwahren 
fernen.” Und fo geihah ed. 

Außer Navarra hat ber Herzog auch Aragon, Katalonien 
und Sicilien als Vicekönig regiert, und in den Feldzügen von 
1694 und 1697 in Satalonien gegen die Franzofen commandirt. 
„Nous Favons vu bien batiu sur le Ter par M. de Noaslles, 


- 


Das Haus Montijs. 370. 


27. Mai 1094, et encore aprös nar M. de Venddme pendant 
le siege de Barcelone. Escalona, mais qui plus ordinaire- 
ment portail le nom de Villena, etait la vertu, Ühonneur, la 
probile, la foi, la loyaute, la valeur, la piete, Fancienne cheva- 
lerie m&me, je dis celle de lillustre Bayard, non pas celle des 
somans et des romanesques; avec cela, beaucoup d’esprit, de 
sens, de conduite, de hauteur et de sentiments sans gloire et 
sans arrogance, de la politesse, mais avec beaucoup de dieni- 
te, et par merite et sans usurpation, le dictateur perpeiuel 
de ses amis, de su famille, de sa parenie, de ses alliances, 
qui tous et toutes se ralliaient & lui; avec cela, beanucoup de 
lecture, de savoir, de justesse et de discernement dans l’esprit, 
sans opinidirele, mais avec fermete; fort desinteresse, tou- 
jours occupe, avec une belle bibliotheque, et commerce avec 
force savants dans tous les pays de Ükurope; attache aux 
etiquettes et aur manieres d’Espagne sans en @tre esclave ; 
en un mot, un homme du premier merite, et qui par lä, a 
toujours did compte, aime et reverd beaucoup plus que par 
ses grands emplois, et qui a die assez heureuxs pour n’avoir 
contract aucune tache de ses malheurs militaires en Cata- 
iogne. Il n’etait point Espugnol pour Thabit: de sa vie il 
n’avait porle golille ni Uhabit espagnol. Il le disait insuppor- 
table, et partout fut loute sa vie vetu Ad la frangaise. Cela 
sappelait en Espagne, d la flamande ou ä la guerriere, et 
presque personne ne s’habillait ainsi““ Diefe Annäherung zu 
franzöfifhen Sitten mag nit ohne Einfluß auf des Herzogs 
Parteinahme in dem Zwift um die Krone geblieben fein; daß 
ein Mann diefes Gepräges für den Bourbon fi erflärte, mußte 
deffen Gegnern ungemein hinderlich werben. 

Raum zum Throne erhoben, ſchickte Philipp V. den Herzog 
nad Sieilien, als Nachfolger des Herzogs von Veragua, dann 
lieg er ihn den Herzog von Medina⸗Celi zu Neapel ablöfen. 
Gleich im Antritt feiner Regierung hatte der Vicekönig mit einer 
Verſchwörung zu fehaffen (1702). „Un envoye de Venise Ires- 
suspect, ct gagne par le cardinal Grimani, Tavait tramee, et 
venait d’eire rappele, à la priere du roi, @ sa republique. 
Force moines furent arrdtids, et le duc de Noya, Carafja, et 


530 Shönbotusiufl, 


le prince de Trebesaccio, qui en dtuient les chefs. Ils avaient 
vingt-cing complices, chacun de quelque consideration dans 
leur état. Le projet e&tait de se saisir d’abord du tourion des 
Carmes.“‘ Nicht denfelben Erfolg. fand der Vicefönig in dem Wider: 
fland gegen die Invaſion der Kaiferlichen 1707, wie zweckmäßig 
und verftändig auch feine Anflalten für die Bertheidigung des 
Reiches, behufs deren ihm nur 8000 Fußgänger und 3000 Reiter 
zu Gebote flanden. Vorzüglich war er bedacht gemwefen, ſich ber 
Caftelle von Neapel und des Pafles von Capua zu verfichern, 
auch die Feſtung Gaeta mit allen Nothwendigfeiten zu verfehen; 
bie disponibel gebliebenen Truppen, unter des Grafen von Sant 
Iſtevan de Gormaz Befehl, Tieß er ein Lager unweit bes Sees 
von Gelano beziehen. Allein e8 waren Neapolitaner, auf bie 
er zählen zu können vermeinte, und die Bortruppen der Kaifers 
lichen hatten ſich kaum gezeigt, als das herfömmliche Augreißen, 
Zerftäuben, Uebergehen feinen Anfang nahm. Auf den Flügeln 
des Windes überfchritten die Kaiferlichen den Bolturno, und mit 
wüthigem Jubel wurden fie zu Neapel empfangen, während ber 
Bicefönig bemühet, die Trümmer feiner Herrfchaft in Gaeta 
aufrecht zu erhalten. 
„Escalone, denue de tout, y fit des prodiges de patience, 
‚de capacite et de valeur, et mit les imperiaur en etat den 
recevoir lafJront. La trahison supplea @ la force; les habitants, 
lasses de si longs travaur, entrerent en intelligence avec le 
comte de Thaun qui commaundait au siege. Ils lui livrerent 
la place. Escalone ne s’etonna point. Il se barricada et se 
defendit de rue en rue avec tout ce qu'il put ramasser au- 
tvur de lui, et ne se voulut jamais rendre. Succombant en- 
fin dans un dernier reduit au nombre et @ la force, il fut 
pris. Le procdde& des imperiaus fut indigne. Au lieu d’ad- 
mirer une si magnanime defense, ils n’dcouterent que le de- 
pit de ce qu’elle leur avait coüle; ils envoyerent, contre toutes 
les lois de la guerre et de Fhumanite, le genereur vice-roi 
prisonnier, les fers aux pieds, a Pizzighelone, oü il demeura 
tres-longtemps cruellement resserre. Ce fut un ingenieur qui 
ouvrit une porte aux impériauæx.“ Alſo des Franzofen S. Si⸗ 


Das Haus Montijs. 381 


mon Bericht, der doch nicht in allen Dingen verläßlih. Der 
Generalfturm vom 30. Sept. 1707 überlieferte bie Feftung den 
Kaiſerlichen. Was nicht dem Schwerte verfiel, ein Reſt von 
etwan 800 Mann, wurde zu Gefangenen gemacht, um am 4. 
Det. den neugierigen Neapolitanern in einem Triumphzuge vor« 
geführt zu werben. Escalona und der Herzog von Bifaccia, 
beide unordentlich geffeidet, und Escalona befonders durch einen 
fangen verrauften Bart entftellt, faßen in einem offenen Wagen. 
Hinter ihnen ritt der Herzog von Gellamare, ohne Degen und 
Piftolen, auf einem Lohnflepper, dem folgten bie übrigen Ges 
fangnen, ſämtlich entwaffnet. An des Zuges Spige marfchirten 
300 Sbirren, den Schluß machte eine Compagnie Reiter. Uns 
ter dem unaufhörlich fich erneuernden Ruf: es lebe Karl 111.! 
wurde der Platz S. Domenico erreicht. 

„Hier mußten die Gefangenen mitten auf dem Pas zu Je⸗ 
dermanns Spectacul flille halten, wo fie von dem erzürnten und 
forderifi von Escalona hart gehaltenen und betrogenen Pöbel 
viele fchimpflihe Worte mußten anhören. Hierauf rufte der 
General Graf von Daun überlaut vom Fenfter herab: Bringet 
fie in das Caſtell S. Elmo! Nachdem nun biefes unverzüglich 
erfolgte, und fie vor demfelben anlangten, fliegen fie ab, fpra» 
chen fein einziges Wort und fahe ihnen die empfindlichfte Be⸗ 
trübniß aus denen Augen, fogar, daß fih Escalona derer Thrä«- 
nen nicht enthalten fonnte. Und weiln ein ziemlicher Weg bis 
in das Schloß herauf zu gehen war, er aber deffen ungewohnt 
und wegen eingenommener vieler Schmachreden und Spotts fehr 
mißvergnügt, fo fonnte er faum geben, fondern mußte ſich durch 
bie Hanbdleitung bes Herzogs von Gellamare forthelffen. Ehe 
biefes geſchehen, hielt der Herzog von Escalona beim General 
Daun fehr inftändig an, man möchte fie bei Nacht in einem zu⸗ 
gemachten Wagen an Ort und Ende bringen ; weldes ihm aber 
abgefchlagen worden, weil viele Franzöſiſch Gefinnte fi hatten 
verlauten laſſen, es hätte Edcalona dem General Daun Gaeta 
verkauffet, und wäre unwahr, daß er gefangen feye, Durch 
welchen felgamen Einzug aber man Freund und Feind die Wahre 
heit gewiefen.” Dan fieht, wie bes beutfchen Berichterftatterd 


382 Schönbornslafl. 


ebrliches Herz die unmwärbige Verhöhnung eines beflegten Fein⸗ 
des mißbilfigt und fie zu entfchuldigen verfucht. Der eigentliche 
Grund diefer Härte blieb ihm indeffen unbefannt. Wan wollte 
den Herzog beugen, ihn vorbereiten für Anträge, die mehrmals, 
wie es heißt, in dem Berlaufe der Gefangenfihaft erneuert wers 
ben follten. Bedeutende Vortheile hat man ihm geboten, falls er. 
feinen politifhen Glauben abſchwören, den Erzherzog als feinen 
König anerfennen würde, Er widerftand den Lockungen wie ber 
Mißhandlung, die fo fehr gefteigert wurde, daß fie, nad) fran» 
zöfiihen Berichten, der Behandlung dhriftliher Sflaven in Als 
gier oder Tripoli zu vergleihen. Doch mag fie immer gnädig 
genannt werden, wenn man fie den Schlächtereien in Neapel, 
Caſtilien und Catalonien, der Behandlung der Stadt Sativa, den . 
Leiden, fo der milde Philipp V. über ben Herzog von. Medina« 
Celi, die Herzogin von Näjera und ihre Tochter, über alle, die 
dem angeflammten Regentenhaufe treu, verhängte, gegenüberftellt. 
Der Frieden, oder aber des Sohnes muthige Entfchloffenheit 
verſchaffte dem Herzog die Freiheit wieder, und es wurde ihm als 
eine Entfhädigung für die überftandenen Drangfale das Amt eines 
föniglihen Mayordomo mayor. Deſſen Befugniffe führten ihn 
nicht felten zu unangenehmen Berührungen mit Alberoni, nament⸗ 
lich zu der anmuthigen von S. Simon befchriebenen Prügelfcene, 
„La maladie du roi (1720) fit reduire ce court interieur dont 
je viens de parler, a-la reine, unique de femme, et 4 sa nour- 
rice, aux deux gentilshommes de la chambre toujours en ser- 
_ vice, aux ofliciers de sante, qui n’etaient que quatre parce 
que le premier medecin de la reine y fut admis, et aux quatre 
ou cing valets interieurs, Alberoni sur le tout. Le reste sans 
exception fat exclu ; le pere d’Aubenton même n’y etait qu’avee 
discretion. 
„La medecine du roi est toute enliere sous la charge de 
son majerdome-major. . Elle lui doit rendre compte de tout, il 
doit dire present a toutes les consultations, et le roi ne deit 
prendre aucun remede qu’il ne sache, qu’il n’approuve et quꝰ il 
ne soit present. Escalona voulut faire sa charge. Alberoni 
Ini fit insinuer que le roi voulait étre en liberte, et quiil fe- 


Das Haus Montijo. 585 


rait mieux sa cvar de se tenir chez lu, ou d’avoir Ja disere- 
tion et la complaisance de ne point entrer ou il dtnit el d’ap- 
prendre de ses nowvelles a la porte. Ce fut un langage que 
le marquis ne voulut point entendre. 

„On avait tendu au fond du grand cabinet des miroirs 
un lit en face de la porte eu on avnit mis le roi, et commo 
la piece est vaste et longue, il y a loin de cette porte, qui 
denne dans l’exterieur , jusqu’au fond oü etait le lit. Albé- 
roni fit encore avertir le marquis que ses soins importunaient, 
qui ne laissa pas d’entrer tonjours. A la fin, de concert aveo 
ia reine, le cardinal reselut de ni fermer ia porte. Le mar- 
quis s’y etant presente une apres-dinee, un de ces vulele in- 
 terieurs Ventrebailla et lui dit avec beauconp d’embarras qu’il 
lui etait defendu de le laisser entrer, „‚‚Fous &tes un inso- 
ient, repordit le marquis, cela ne peut pas &tre“‘“‘; pousse la 
‚ porte sur le valet et entre. Hl ent en face ia reine, assise 
‚au chevet du lit du roi. Le cardinal, debout aupres d’elle, 
ei ce peu d’admis qui n’y etaient pas meme tous, fort eloignes 
du lit. Le marguis, qui etait avec beaucoup de gloire fort 
mal sur ses jambes, s’avance a pelits pas, appuye sur son 
petit bäton. La reine et le cardinal le voient et se regardent. 
‚Le roi etait trop mal poar prendre garde a rien et ses ri- 
deaux etaient fermes, excepte du cöte ou etait la reine. Voyant 
approcher le marquis, le cardinal fit signe avec impatience àñ 
un des valets de lui dire de s’en aller, et tout de suite, voyant 
que le marquis sans repondre avancait toujours, il alla a lui, 
et fui remontra que le roi voulait Eire seul et le priait de 
sen aller. ‚„„„Cela n’est pas vrai, lui dit le marquis, je vous 
ai toujours requrde, vons ne vous dies point approche da lit, 
‚et le roi ne vous a rien dit.““““ 

„Le cardinal, insistant et ne reussissant pas, le prit par 
‚le bras pour le faire retourner. Le marguis lai dit yu’il étais 
bien insolent de vonloir Pempécher de voir le roi et de faire 
sa charge. Le cardinal, plus fort que lui, le retourna, Pen- 
trafnant vers la porle, et se disant mots nouveaux, toutefois 
le cardinal avec mesure, mais le marquis ne lepargnant pas: 


364 Schanbornoluſi. 


Lasscò detre tiraillo de la sorte, il se débattit, lui dit qu'il 
n’elait qu'un petit faquin, a qui il saurait apprendre le re- 
spect qu’il lui devait; et dans cette chaleur et cette pousserie 
le marquis, qui etait faible, tombe heureusement dans un fau- 
teuil qui se trouva la. De colere. de sa chute il leve son petit 
bäton et le laisse tomber de toute sa force dru et menu sur 
les oreilles et sur les epaules du cardinal, en l’appelant petit 
coquin, petit faquin, petit impudent qui ne meritait que les 
etrivieres. Le cardinal, qu’il tenait d’une main a son tour, 
s’en debarassa comme il put et s’eloigna, le marquis continuant 


tout haut ses injures, le menagant avec son bäton. Un des 
valets vint lui aider a se lever du fauteuil et gagner la porte, 


ear apres cetle expedition il ne songea plus qu’a s’en aller. 
La reine regarda de son siege toute cette aventure en plein, 
sans branler ni mot dire ; et le peu qui etait dans la chambre, 


sars oser remuer. Je ai su de tout le monde en Espagne, . 


et de plus j’en ai demande l’histoire et tout le plus exact de- 


tail au marquis de Villena, qui etait la droiture et la verite 
meme, qui avait pris de l’amitie pour moi, et qui me la con- 
tee avec plaisir toute telle que je l’ecris. Santa-Cruz et Arco, 
les deux gentilshommes de la chambre, qui me ont aussi con- 
ide, riaient sous cape. Le premier avait refuse de lui aller 


dire de sortir; et apres ils l’accompagnerent a la porte. Le . 


rare est que le cardinal, furieux, mais saisi de la derniere 


surprise des coups de bäton, ne se defendit point, et ne songes | 


qua se depetrer. Le marquis lui cria de loin que, sans le | 
respect du roi et de letat ou il était, il lui donnerait cent 
coups de pied dans le ventre et le mettrait dehors par les 


oreilles. J’oubliais encore cela. Le roi etait si mal quil ne 
s’apercut de rien. 
„Un quart d’heure après que le marquis fut rentre chez 


lui, il recut un ordre de se rendre en une de ses terres @ trente 


‘ lieues de Madrid. Le reste du jour sa maison ne desenplit 
pas de tout ce qu'il y avait de plus, considerable a Madrid, 
& mesure qu’on apprenait l’aventure, qui fit un furieux bruit. 
Le cardinal toutefois demeura si effraye que; content de Texil 


— — — — —— — 


Das Haus Montlijo. 305 


du marquis et de s’en &tre defait, il n’osa passer aux censures 
pour en avoir été frappe. Cinqg ou six mois apres il lui en- 
voya ordre de revenir, sans quil en eüt fait la plus legere 
demarche. Lincroyable est que l’aventure, l’exil, le retour 
unt el&E entierement ignores du roi d’Espagne jusqu’a la chute 
du cardinal. Le marquis n’a jamais voulu le voir ni ouir par- 
ler de lui, pour quoi que ce püt ätre, depuis qu’il fut revenu, 
quoique le cardinal‘füt absolument le maitre, dant Vorgueil fut 
fort humilie de cette digne et juste hauteur, et d’autant plus 
piqué qu'il n’oublia rien pour se replätrer avec lui, sans autre 
succes que d’en recueillir les mepris, qui accrurent beaucoup 
encore la consideration publique ou éêtait ce sage et vertuenx 
seigneur.® 

Der Herzog oder Marques farb zu Madrid, im Zul. 1725. 
Seine Gemahlin, Sophia de Benavides, bes Sten Grafen von 
S. Iſtevan del Puerto Tochter (geft. zu Pamplona, 12. März 
1692) hatte ihm drei Söhne gefchenft, deren zwei ihm über 
lebten. „Le marquis de Villena, duc d’Escalone etait le seigneur 
dEspagne le plus considere, le plus respecte et le plus digne 
de l’etre. Longtemps enferme par les imperiaux a Pizzighetone, 
il avait les jambes tout arquees de ses fers, et marchait assez 
mal. Avec beaucoup de dignite, de gravite, les manieres hautes, 
nobles, eiviles, mais avec poids, mesure et discernement ; l’air 
simple, mais toulefois tres-imposant; la taille mediocre, maigre, 
un visage majestueux. Tout sentait et montrait en lui un tres- 
grand seigneur,, malgre sa modestie et sa simplicitd, et un 
'seigneur devant lequel on voyait les plus grands se ranger, 
lui faire place, lui ceder sans qu’on en füt surpris, meme sans 
le connaltre ; tout cela avec un mediocre esprit, aucun credit 
et beaucoup de fonctions de sa charge retranchees. Il n’etait 
pas riche, avait une mediocre maison, mais une belle biblio- 
theque. Il savait beaucoup, et il etail de sa vie en commerce 
avec la plupart de tous les savants des divers pays de l’Eu- 
rope. Hl avait etabli une academie pour la langue espagnole 
sur le modele de notre academie francaise, dont il était le 
chef; qui s’assemblait toutes les semaines, et qui dans les oc- 


Rhein, Antiquarius, 3. Abth. 2. Bd. 25 


386 Schönboruslufl. 


casions complimentait le roi comme les autres corps, comme 
fait la nötre. CO’dtait un homme bon, doux, honnele, sense, 
je le repete encore, simple et modeste en tout, pieux, 'solide- 
ment et sans superstilion, en homme bien instruit, eufin Uhon- 


neur, la probite, la valeur, la vertu mêne. Il etait non seule- 


ment le maitre absolu dans sa famille, mais le patriarche de | 


celles ow. ses enfants s’staient maries. L’union entre toutes ' 


les trois etait intime, et il em etait oracle et le dictaleur. | 


Les deux fils, quoique aimes tendrement de leur pere, chez qui | 


ils demeuraient, etaient devant lui comme de petits garcous, 


a qui il taillait les morceaux a mesure qu’ls en avaient besoin. 
Hl signe el Marquez, sans y rien ajouter ; mais le marquis 
d’Astorga, qui est Guzman, signe de meme, de maniere qu'il 
faut connaitre leur ecriture pour savoir lequel c’est. Il est 
pourtant vrai que le droit passe en Espagne pour Etre du 
cöte de Willena.“ 

Der jüngere von des Herzogs Söhnen, Marcian Pacheco, 
befaß das Marquefadoe Moya. „Avec peu d’esprit, et ferce 
babil, il etait fort dans le monde. Il avait defendu le palais 


de Madrid louguement, et avec un grand courage contre les. 


troupes de larchiduc.“ Wittwer, ging er 1727 bie zweite Ehe 


ein mit Anna Maria Bernardina de Toledo, der Schwefter und 


reihen Erbin des 10ten Grafen von Oropeſa; er hatte aber nur 
in der erfien Ehe ein Kind, und biefes, Maria Franzisca Pas 
checo, trug Moya in ein fremdes Haus, durch ihre Vermählung 


mit Martin Zofeph Ferdinand de la Eueva, 5ter Margues von | 
Bedmar. Des Marques von Moya junge Witwe, die Gräfin - 


yon Dropefa, heurathete in anderer Ehe den 12ten Herzog von 
Alba, Ferdinand Simon de Silva. Des Marques älterer Brus 


ber, Mercur Lopez Pacheco, geb, 9. Mai 1679, führte bei des 

Baters Lebzeiten den Titel von S, Iftevan de Gormaz und | 
machte ihn durch feine Thaten im Suereffionsfriege berühmt, | 
„On ne doit pas oublier une action particuliere, dont ja piete, | 
ia resolution et la valeur meritent une louange immortelle. | 
Comme on allait donner le troisieme assaut @ Brihuega, 9. | 


dec. 1710, le comte de San-Estevan de Gormaz, grand d’Es- 


| 


Das Haus Montijo. 387 


pagne, ofiecier general et capitaine general d’Andalousie, vint 
se mettre avec ‚les grenadiers les plus avances. Le capitaine 
qui les commandait, surpris de voir un homme si distinque 
vouloir marcher avec lui, lui represenla combien ce poste était 
au-dessous de lui. San-Estevan de Gormaz lui repondit froide- 
ment qu’il savait la-dessus tout ce qu'il pouvait lui dire, mais 
que le duc d’Escalona, son pere etait depuis tres-lungtemps 
prisonnier des imperiaux, indignement traite à Pizzighatone, 
avec les fers aux pieds, sans qu’ils eussent jamais voulu en- 
tendre a augune rancon ; qu'il y avait dans Brihuega de prin- 
cipaux ofliciers generaux imperiaux et anglais ; qu'il setait 
resolu & les prendre pour delivrer son pere ou de mourir en 
la peine. Il donna dans la place avec ce detachement, fit 
merveilles, prit de sa main quelques-uns de ces gendraux, et 
peu de temps apres en fit l’echange uvec son pere.“ 

Mercur fuccedirte dem Vater als Iter Herzog von Esca⸗ 
fona, und ftarb den 7. Juni 1738. „Ich verliere an ihm einen 
der größten und beften Männer, die ich gehabt, und, das mag 
ih wohl fagen,, einen guten Freund,” mit biefen Worten fol 
Philipp V. fein Ableben beflagt haben. Al etait un peu épais, 
peu d’esprit, courtisan timide, capilaine de la compagnie des 
gardes du corps espagnole, et, a ce türe, fait grand d’Es- 
pagne, du vivant de son pere, lors de l’affaire du banquillo, 
et majordome major du roi, a la mort de son pere, chose 
sans exemple en Espague. Il eut aussi sa Toison-d’Or et sa 
presidence academique. (’etnit un honnete homme, et fort cou- 
ragenx, capilaine general, mais sans talents pour les sciences 
et pour l’academie.“ Er hatte fi 1695 mit Petronella Antonia 
de Silva, ber Torhter des Iten Marques von Melgar de Zer- 
nan Mentelez und der Enkelin des Marques von Manrera ver- 
henrathet, und von ihr mehre Kinder. Der ältere Sohn, Anton 
Robert Pacheco, 10ter Herzog von Escalona, flarb ohne Kinder 
am 27. Junius 1746 und hatte feinen Bruder, ben General- 
Rieutenant Zshann“ Lopez Pacheco zum Nachfolger. Auch biefer 
11te Herzog von Escalona flarb im 34. Jahre feines Alters, 
Mai 1754, und bezweifle ich gar fehr, daß der Herzog von Eis. 
| 25 * 


x 


388 | Schönbornoluſt. 


calona, welcher ſich am 7. Det. 1756 zum erſtenmal vor dem . 


König bededte, fein Sohn gewefen. Das Majorat frheint nad 
malen an die Juniga, letzlich, großentheilg wenigſtens, an die 
Grafen von Montijo gekommen zu ſein. 

Des 1ten Herzogs von Escalona und Marques von Villena 


dritter Sohn, Alfons Tellez Giron, Herr von la Puebla de 


Montalban, als welche unweit des Tajo, unterhalb Toledo bes 
legene Herrfchaft feinem Vater aus der Eonfiscation des Condeftable 


von Luna zugefallen, blieb in einem Gefecht mit den Mohren von 
Granada 1490. Seine Söhne und feine beiden älteften Töchter 


nannten fi, wie der Großvater, Pacheco; die beiden jüngften 
Töchter blieben dem vpäterlihen Namen iron getreu. - Der 


und Domdechant zu S. Jago de Compoftella, erhielt nach ein» 
ander die Bisthümer Mondoñedo, Ciudad Rodrigo und Jaen. 
Paul III. verlieh ihm, auf des Kaifers inftändiges Anhalten, 


PP — * 


zweite Sohn, Peter Pacheco, des Papſtes Adrian VI. Kämmerer 


am 16. Der. 1545 den Cardinalshut, wozu Julius III. den 
Titel S. Balbinae fügte. Nach Peters von Tolebo Abſterben 


zum Vicekönig von Neapel ernannt 1553, gelang e8 dem Gars | 


dinal in einer zweijährigen Verwaltung die durch feines Vor⸗ 
gängers würdiges, aber fehroffes Regiment verlegten Gemüther 
zu befänftigen. Das Bisthum Saen vertaufchte er gegen jened 
von Siguenza; Cardinalbifchof von Albano arbeitete er mit Ges 
ſchick und Glück an der Friedenshandlung Pauls IV. mit der 


Krone Spanien, Seine Erfolge in dem fohwierigen Gefchäft, 


bie Würde der Kirche wider den Willen des erbitterten Papftes 
einem fliegenden Heere gegenüber zu retten, fteigerten fein Anfehen 
zu folder Höhe, daß er hoffen Fonnte, Pauls IV. Nachfolger | 
zu werden, das Conclave von 1559 entſchied ſich jedod- für. 
Pius IV., und der Cardinal Pacheco ftarb den A, Febr. 1560. 
Er wurde in dem yon feinem ältern Bruder Johann Pacheco zu 


Montalban geftifteten Klofter beigefegt. Bon Johanns Söhnen. 


führten drei den Namen Pacheco, einer hieß Chacon, ein anderer | 
Guevara, yon allen der ältefte, Alfons Tellez Biron, 3ter Herr 
von Montalban, hatte in feiner Ehe mit Johanna de Cardenas, 


einer Tochter des 1ten Grafen von la Puebla del Maeftre, vie 


Das Haus Montijo. | 589 


Söhne Johann Pacheco, der Majoratsherr, Alfons de Cardenas, 
Diego Lopez Pacheco, Kaspar Giron, Majoratsherr auf Berja> 
Munoz und Peter Pacheco. Andreas ward Bifhof von Segos 
via und Quenca, Generalinguifitor und endlihd Erzbiihof von 
Sevilla. Sein äftefter Bruder, Johann Pacheco, Majoratsherr 
feit 1563, ftarb den 2, Det. 1590, daß er demnach feinem ältes 
fen Sohne , Alfons Tellez Giron, + 5. Zul. 1590, überlebte. 
Diefer hinterließ drei Kinder feiner Ehe mit Maria Magdalena 
de la Gerda, darunter der Sohn Johann Pacheco, geb. 17. März 
1590, weicher des Großvaters Nachfolger als 2ter Grafvon Mont» 
alban, Herr von Galves und Jumela geworden ift, Er ftarb den 
12. Zul. 1666, nachdem er in der Ehe mit Jfabella de Mendoza 
eilf Kinder gefeben, die mehrentheils Pacheco oder Tellez Giron, 
zum Theil auch Mendoza 9 Aragon, it. Suarez de Toledo und 
la Cerda hießen, Der ältefle Sohn, Johann Pacheco ftarh in 
der Kindheit, der andere, Alfons Melchior Tellez Giron Parheco, 
get. 22. Aug. 1650 vor dem Vater, hinterfieß aus feiner drits 
ten Ehe mit Johanna de Velasco, einer Tochter des 7ten Con⸗ 
beitabfe von Gaftilien, zwei Kinder. Der Sohn, Johann Franz 
Pacheco Gomez de Sandoval Mendoza Aragon Toledo Belasco 
y Tellez Giron, Herzog von Uzeda, ter Graf von Deontalban, 
Marques von Belmonte (Neapel) und Menafalbas, Herr von 
Galves und Jumela, erbliher Schagmeifter des königlichen Münz⸗ 
hofes zu Madrid, Kammerherr, Ritter des h. Geiſtordens feit 
1696, Staatsrath, Prafident des Ordensrathes, Generalcapitain 
yon Galicien, Vicekönig von Sieilien, Gefandter am römifchen 
Hofe von 1702—1707, ging 1711 zu 8. Karls Hl. Partei über, 
aus Berdruß, wird gefagt, dag ihm für die Statthalterfchaft von 
Peru der Prinz von Santo⸗Buono vorgezogen worden. 
Dagegen fchreibt S. Simon: „Le duc d’Uzeda fut fait 
chevalier du Saint-Esprit avec les premiers grands espagnols, 
et le dut a la bonne reception qu'il fit à Louüville, quil per- 
suada fort de son attachement pour Philippe V., qui etait vrai 
alors. Mais la decadence de ses affaires en Italie, et la chute du 
duc de Medina-Celi dans l’alliance et l’intime eonfidence duquel 
il etait, le jeterent dans le parti d’Autriche auquel il se lia, 


390 | Schönbornslafl. 


et sorti de Rome lorsque cette cour reconnut l’arckiduc roi 
d’Espagne, il s’arreta en Italie d’abord par la dificulte du 
passage pour retourner en Espagne, qui apres son changement 
secret lui servit de pretexte & demeurer en Htalie, qui ne fut 
pas si specieux qu'il ne donndt beaucoup de soupcon de sa 
conduite, et apres de sa fidelitE par son opiniätre desobeis- 
sance aux ordres souvent reiteres de se rendre en Espagne, | 
et il fut fort accuse d’avoır fait manquer une entreprise. pour 
reprendre la Sardaigne, il y avait deux ans, dont il avait 
le secret. 


„Le passage de l’archiduc par PItalie fut Voccasion quil | 
prit de lever le masque. Ce prince arriva le 12. octobre 1711 | 
‚a Saint-Pierre-d’Arena, faubourg de Genes, ou cette republique 
le recut superbement. Le duc.d’Uzeda renuoya au roi Vordre 
du Saint-Esprit, chose jamais arrivee jusqu’alors, alla trouver | 


et reconnaitre publiquement larchidue a Genes, conme roi 


| 
Ä 
d’Espagne et comme son souverain, et recut de lui, comme | 
tel, Pordre de la Toison-d’Or. Il y perdit ses biens d’Es- | 
pagne, et n’en fut point recompense par la cour de Vienne 
qui le laissa languir pauvre et meprise en Italie. Lasse au | 
bout de quelques annedes de ne pouvoir rien obtenir, il sen, 
alla avec sa famille a Vienne oü il eprouva de plus près le 
meme abandon. Il y est mort avec le vain titre de president Ä 


du conseil d’Espagne, qui n’avait rien 


\ 


4 administrer puisque ' 
la paix etait faite, et que l’empereur y avait renouce et re- 
conna Philippe V. Geboren den 8. Sun. 1649, hatte er fih 
den 16. Sul. 1677 mit Sfabella Maria de Sandoval y Giron, 
ber älteſten Tochter des 5ten Herzogs von Oſuna vermählt, und 
mit ihr das Herzogthbum Uzeda, nordöſtlich von Madrid, und 
das Marqueſado Belmonte famt der Grandeza erheurathet. Die 
Herzogin ftarb zu Genua, 23. Zul. 1711, der Herzog zu Wien, 
25. Aug. 1718. 

Einer feiner jüngern Söhne, beren überhaupt vier, ift ohne 
Zweifel jener (Zitular-) Herzog von Uzeba, von welchem bie 
Zeitungen des %. 1742 folgendes berichten : „Der Herzog von 
Uzeda, Marcheſe von Patcheco, Grand d'Espagne, und gewefener 


— — —— 


Das Haus Montijo. 391 


Kaiſerl. wirkl. Geh, Rath, der als ein fpanifcher Penfionatr ſich 
feit vielen Jahren zu Wien aufgehalten, wurde den 12, Febr. 
des Nachts aus dem Bette geholt, und gefänglid von Entzers⸗ 
borff nach Wienerifch-Neuftadt gebracht. Man febte unter dem 
Präſidio des Konfereng-Minifters, Grafens von Königsed, eine 
Commiſſion nieder, und unterfuchte feine Brieffchafften, darunter 
fih zwar viele Tiebes-Briefe befanden, aber zugleich auch foldhe 
Schrifften, die ihn allerdings einer ftrafbaren Correspondeng mit 
einem gewiffen Hofe überführten. Es hieß, er habe veshalben 
eine jährliche Penfion von 18,000 Fl. befommen. Da er nun 
bisher von dem Wienerifhen Hofe fährli 12,000 FI. empfan- 
gen, fo fey es nicht zu verwundern gewefen, Daß er einige Zeit 
ber fo großen Staat führen können. Den 17. Marti wurde 
ihm das Urtheil gefproden, daß er aus befonderer Gnade, an 
ſtatt der wohlverdienten Todes-Strafe zur immerwährenden Ges 
fangenſchafft condemnirt feyn folte, Im Majo find zu Wien 
alle feine Meublen und Effecten verauctionirei worden.” Des 
Herzogs Johann Franz ältefter Sohn, Emanuel Kaspar Johann 
Franz Tellez Giron, Öter Herzog von Uzeba, Ater Graf von 
Montalban , vermählt im 3. 1697 mit Zofepha Antonia, ber 
Tochter des Grafen Emanuel Joahim von Dropefa, wurde am 
19. Det. 1731 zu Wien als k. f. Geheimrath vereidet, und farb 
dafelbft im Febr. 1732, feine Wittwe zu Madrid, März 1754. 
Er hatte ihr zwei Söhne und eine Tochter Hinterlaffen. Der 
ältere Sohn, Emanuel, bter Herzog von Uzeda, Marques von 
Belmonte, vermählte fih 1727 mit Maria Dominica, der Toch⸗ 
ter des Gten Herzogs von Oſuna, gemann aber mit ihr feine 
Kinder, und kinderlos blieb auch fein jüngerer Bruder, ber fo» 
genannte Marques von Pacheco. Der Beiden Erbin wurde das 
rum ihre Schwefter Maria Tereſa, die feit dem J. 1728 an 
Emanuel de Zuniga, den Herzog von Peüaranda verheurathet; es 
blieben aber die Staaten von Uzeda und Belmonte nur furze Zeit 
in dem Haufe Zuniga, und find fie, abermals durch weibliche Erb⸗ 
folge, zugleich mit Peitaranda, an bie Herzoge von Frias gelangt. 

Des Iten Herzogs von Escalona, des großen Marques von 
Billena anderer Sohn, Peter Puertocarrero nach feiner Mutter 


392 Schönbornsiuft, 


genannt, befaß Moguer und Villanueva dei Fresno, war mit 
Zohanna de Cardenas, Frau auf la Puebla, die eine Tochter 
von Alfons de Cardenas, dem legten Großmeifler von ©, Jago, 
verbeurathet, und hatte von ihr die Söhne Johann Puertocar⸗ 
vero, Alfons de Cardenas, Garcias Lopez Puertocarrero, Alfons 
Pacheco Puertocarrero und Peter Puertocarrero, Diefer, ber 
jüngfte, erwählte fi das Klofterleben, und flarb als Erzbifchof 
von Granada. Alfons Pacheco Puertocarrero wurde ber Vater 
jenes Peter Pacheco Puertocarrero, der 1574 Goletta, die jchlechte 
Feſtung, mit ausgezeichnetem Muth gegen der Türken Uebermacht 
vertheidigte, bis ein wüthender Generalfturm am 25. Aug. die 
Stadt den Feinden überlieferte, Peter follte als Sklave nad 
Gonjtantinopel gebracht werden, flarb aber auf der Leberfahrt. 
Sein Urenfel, Ludwig Pacheco Puertocarrero wurde von König 


Karl II. zum Marques de la Torre de las Sirgadas ernannt, | 
Gareias Lopez Puertocarrero, der dritte von des Peter Puertor 


earrero Söhnen, Herr auf Alcala de fa Lameda und Chucena, 


erheurathete Antella mit Anna Cerbatona. Sein Sohn, Peter 


Lopez Puertocarrero, des Ordens von S. Jago Ritter, Marqued 


— — — — — — — — — 


von Alcala de la Lameda, Baron von Antella und Chucena, 


hatte nur Töchter, deren älteſte, Antonia Puertorarrero y Car⸗ 


denas, 2te Marqueſa von Alcala de la Lameda, an Peter En- 
riquez Giron de Ribera vermählt, die ſämtlichen Beſitzungen 
ihres Hauſes einer Tochter hinterließ, die auch das Herzogthum 


Alcala de los Gazulos erbte, und des 7ten Herzogs von Me⸗ 
bina=Geli Gemahlin wurde. Alfons de Cardenas, des Peter 


Puertscarrero zweiter Sohn, erbte mit der Mutter Namen der 
Mutter Güter, insbefondere Ia Puebla del Maeftre, für welden 


Ort 8. Ferdinand der Katholifhe ihm den Grafentitel verlieh. 
Seine Nachkommenſchaft theilte fih in mehre Linien, von denen 
die jüngfte, die der Herren von Balda auf Abfterben des bten 
Grafen von fa Puebla dei Maeſtre, deffen Graffchaft erbte. Lau⸗ 
rentius de Cardenas, Tier Graf yon la Puebla del. Maeftre, Eönige 
licher Mayordomo und Präftdent des Rathes von Indien, ward der 
Bater des am 29. Nov. 1625 zum Marques von Bacares creirten 
Diego. Ein Sohn oder Bruder des Diego, Laurentius de Cardenas 


Das Haus Montijo. 595 


Zuüiga y Ulloa, Ster Graf von la Puebla dei Maeſtre und 2ter 
Marques von Bacares, ward zugleich Marques von fa Mota und 
Aunon, Graf von Nieva und Billalonfo, als Erbe feiner Muts 
ter, bie eine Erbtochter von Franz Anton de Ulloa Zuniga y 
Belasco. Diefes Sohn, Garcias de Cardenas Zuniga y Ulloa, 
Graf von la Puebla dei Maeftre, Nieva und Billalonfo, Mars 
ques von la Mota, Aunon und Bacares, königlicher Mayor- 
domo, bejuchte als außerordentlicher Geſandter K. Karls II. den 
Hof von Berfailles, ſtarb jedoch finderlos, daher ihn feine äftefte 
Schweſter, Maria Aloyfia de Cardenas, vermählt an Emanuel 
Joſeph de Dforio 9 Guzman, beerbte. 

Johann, der älteſte Sohn Peters Puertocarrero aus beflen 
Che mit Johanna de Gardenag, führte des Vaters Namen, ſuc⸗ 
cedirte in deſſen Herrichaften Billanueva del Fresno und Mo— 
guer, und wurde von Kaifer Karl V. zum Dlarques von Billas 
nueya del Fresno ernannt. Aus feiner Ehe mit Maria Oforio 
kamen drei Söhne. Der aͤlteſte, Peter Puertocarrero, 2ter 
Marques von Billanueva bel Fresno, ftarb finderlos. Der ans 
dere, Alfons, fuccedirte dem Bruder ald Iter Marques von 
VBilanueva, und hinterließ aus einer jeden feiner beiden Ehen 
. einen Sohn, Des Sohnes eriter Ehe Enfelin, Franzisca Puertos 
carrero, 6te Marguefa von Villanueva, war dreimal verheus 
rathet, nur den dritten Mann, Alfons Kaspar de Cöordova, 
2ter Marques von Celada, gel. 2. Nov. 1635, vermag ich zu 
nennen. Der Sohn der erften Ehe, Franz Puertocarrero, Tter 
Marques von Billanueva, blieb unbeerbt, und das Majorat ges 
langte an Alfons Puertocarrero, einen Urenfel des Iten Mars 
ques, aus deflen anderer Che. Diefer Ste Marques von Billas 
nueva wird noch im I. 1685 genannt. 

Des Iten Marques von Pillanueva del Fresno und der 
Maria Dforio jüngfter Sohn, Chriftoph Oſorio Puertocarrero, 
Comthur von Eftepa, des Drdens von S. Jago, befaß die fehr 
bedeutende, in Eftremadura, an den Ufern der Guadiana, zwi—⸗ 
hen Badajoz und Merida belegene Herrſchaft Montijo. Aus 
feiner Ehe mit Maria Manuel de Billena, des Iten Herren von 
Chales Tochter, famen fünf Kinder, worunter die Söhne Jo— 





304 Schönbornsiufl. 


hann, Chriftoph IE. und Peter. Der jüngfte, Peter, war Bir 
fhof von Euenca und Großinquifitor. Der ältefte, Sohann 


Yuertocarrero, ließ Montifo von K. Philipp III. zu einer Graf⸗ 


fchaft erheben, die er nachmalen, in Ermanglung von Leibes- 
erben, feinem Bruder Ehriftoph Oſorio Puertocarrero hinterließ. 
Diefes Sohn, der 3te Graf von Montifo, Chriftopb III., war 
mit Anna de Luna 9 Enriquez, 2te Gräfin von Fuentidueña tn 


der Provinz Segovia und Marquefa von Val de Rabano, verbeus 


rathet, und gewann mit ihr die Söhne Chriftoph IV. und An- 
ton de Luna Puertocarrero. Anton, der als der jüngere Sohn 
mit Sarrascal und Caftro Imeno abgefunden, war mit Johanna 
Mascarenhas, des 2ten Grafen von Obidos in Portugal einzis 
ger Tochter verheurathet, und dieſes Sohn, Anton Puertocarrero 
Luna y Mascarenhag freite ſich am 19. Dec, 1685 die Ate Mars 
quefa von Gaftrofuerte, Terefa de Menefes Pacheco y Barba. 

Des Iten Grafen von Montijo Erftgeborner, Chriſtoph IV. 
Puertocarrero Enriquez, Marques von Bal de Rabano, ftarb vor 
dem Bater, im 5%. 1641, aus feiner Ehe mit Agnes de Guzman, 
Marquefa von Algaya und Ardales, Gräfin von Teba, bie 


— — — Ja. ——— — 


— — — — — — — —— 


Söhne Chriſtoph V. und Peter hinterlaſſend. Peter, als ber 
jüngere, war Patriarch von Indien, Erzbifchof von Tyrus und | 
der koͤniglichen Capelle Biſchof. Chriſtoph V. Puertocarrero 
Guzman Enriquez y Luna hingegen vereinigte in ſeinen Händen 
die Majorate feiner Großeltern und feiner Mutter, erhielt als 
Ater Graf von Montijo und Fuentiduena , Ster Marques von 
Algava, Iter Marques von Ardales und Ater Marques von 
Bal de Rabano, von. K. Karl II. im Det. 1691 die Grandenwärde 
und farb im J. 1704, mit Hinterlaffung von zwei Söhnen, 


beide in einer dritten Ehe, mit Maria de Regalado y Billalpande, 
der einzigen Tochter des Iten Marques von Dfera, geboren. Der 
füngere, Dominicus Puertocarrero y Luzon, Marques von Man: 
cera, „qu’on a vüa Paris depuis quelques années, ſchreibt der 
Abbe de Veyrac, „y faisant ses exercices avec des progres qui 


lui auroient fait surpasser tous ses camarades dans l’ Academie, 


si le Roi ne l’eut appell&E aupres de sa personne,“ ſtarb als 


Grande von Spanien, Generalstieutenant, Mitglied des Kriege 


Bas Haus Montije. 305 


rathes und Gomthur in dem Orden von Galatrava den 21. 
Aug. 1750. 

Sein älterer Bruder, Chriftoph VI, von Montijo Ster 
Graf, war nur 13 Jahre alt, wie er den Bater verlor. „Al 
etait fort bien fait et fut marie de fort bonne heure, servit 
des qu’il le put dans la fin de la guerre, s’incommoda, et eut 
le bon sens de se retirer avec sa femme dans ses terres pour 
racommoder ses aflaires. Il y avait deja longtemps qwil vi- 
veit dans ceite retraite, qui n’etait pas fort loin de Lerma, 
lorsqu’il y parut au mariage du prince des Asturies (1722). 
Il y fut tres-bien recu du roi et de la reine, qui avaient pris 
de la bonte pour lui. Cette relraite lui avait fait honneur, 
et il avait montre de la valeur a la guerre. Toute la cour 
marqua de la joie et de l’empressement de le-voir. Il retourna 
chez lui de Lerma, et ne vint a Madrid que peu avant mon 
depart, ou il fut tres-bien recu de tout le monde, et ou je le 
vis assez. Il me parut avoir de esprit, instruit, sage, et 
beaucoup de politesse et d’envie de faire.“ Alſo S. Simon, 
„Er wurde,“ fchreibt ein minder befannter Autor, der ehrliche 
Ranft, „der Welt nicht eher bekannt, als da er 1731 als Kö⸗ 
nigl. Spanifcher Extraordinair-Ambaffadeur nach Engeland ges 
ſchickt wurde, deſſen damalige Berrichtungen aber ber Welt nicht 
fonderlich befannt worden. Er war damals fchon einer von des 
Königs. Edelleuten der Kammer und Ritter des güldenen Vließes. 
Er befand fi) verfchiedene Jahre an diefem Hofe, hatte feine 
Frau und Rinder bey ſich und führte-einen groffen Staat. Seine 
Gemahlin brachte ihm im Julio 1733 einen Sohn zur Welt, 
der in der Taufe etlihe 30 Namen befam, dagegen flarb feine 
einzige Tochter, Doña Marie, den 20. Aprit 1735, da er eben 
des Könige Stanislaus Geburtstag mit groffer Pracht in feinem 
Pallafte begieng. Er folgte dem Könige nad) Hannover, fo oft 
er dahin reiſete, und befuchte etlichemal den Franzöfifchen Hof 
während feines Aufenthalts in Engeland, Im Dec, 1735 that 
er eine Reife nah Spanien und weil er feine Gemahlin mit 
jeinee meiften Equipage in Engeland zurüde Tieß, meinte jeder« 
mann, er würde wiederfommen. Allein ex biieb weg und ward 


396 Schänbornsiuft. 


1736 zum Präftventen des Raths von Indien und Ober-Stall- 
meifter der Königin ernannt. Seine Gemahlin verließ darauf 
den 24, Sept. ebenfalls Engelland und fehrte nad Spanien zu> 
rücke, nachdem fie vorher alle Schulden ihres Gemahls bezahlt 
hatte. Im J. 1738 erhielt er den neugeftifteten Neapolitanifchen 
St. JanuariisÖrden. 

„Rah dem Tode des Kaifers Carl VI. warb er den 29. Dee. 
1740 zum außerordentlihen Spanifchen Abgefandten bey ber 
Kaiferwahl zu Franffurt ernennet, um nicht nur den Churfürften 
von Bayern zu diefer höchften Würde zu befördern, fondern aud 
fowohl deffen als feines eigenen Königs Anfprüche auf die Defters 
reichifchen Lande der Welt vor Augen zu legen.. Er langte den 
23. März 1741 über Paris mit einem anfehnlichen Gefolge zu 
Frankfurt an. Er that darauf, eben wie der Franzöſiſche Mars 
ſchall von Bellisle, eine Reife fat an alle Churfürſtl. Höfe, bes 
fonders nach Maynz, Coblenz, Münden, Drefden und Bres⸗ 
lau, wo fid) Damals der König in Preußen befdnd, von da er 
ten 3. Aug. wieder nah Frankfurt fam. Seine prächtige Aufs 
führung, zahlreiche Bediente und außerordentliher Aufwand 
brachte ihm viele Ehre und Anfehen zu wege. Er hielt den 17. 
Nov. einen öffentlichen Einzug und den 19ten begieng er dad 
Namensfeft feiner Königin mit einer. folhen Pracht und Ber 
ſchwendung, die bey folcher Gelegenheit wenig. ihres gleichen ges 
habt, Nachdem die Kaiferwahl den 24. Jan. 1742 in der Per 
fon Carl VER. vollzogen worden, verließ er den 26ten die Stadt 


. Franffurt und erhub fih nach Paris, Er hatte während feinem | 


Aufenthalte in Deutfchland verfchiedene Staatsfchriften unter fei- 


. nem Namen herausgegeben, davon eine wider die Böhmilde 


Churmwürde gerichtet war, eine andere die Rechte des Spanifchen 
Hofs auf die Defterreichifche Lande vorftellte, und eine Dritte 
eine Proteftation wider die Ungarifhe Krönung der Königin 
Maria Therefia enthielt.” Verfaſſet find diefe Schriften vers 
muthlich von einem der Geſandtſchaft beigegeben Gamerifte des 
Rathes von Indien, Don Joſeph Caravacal Abrantes Alencaftıo. 

„Den 29. März 1742 fam der Graf nach Frankfurt zurüde, 
um bey dem neuen Kaifer die Stelle eines Spanifchen Abge⸗ 


Das Hans Mlontijo. 397 


fandteng und bevollmächtigten Minifterd zu befleiden, in welcher 
Würde er den 13. April feine erfte öffentliche Audienz hatte, 
nachdem er den Aten vorber dem Churprinzen von Bayern den 
Ritterorden des güfdenen Vließes übergeben hatte, Er yprotes 
firte darauf in gewiffen Schriften fowohl wider die Böhmifche 
Krönung, als Dberöfterreihifhe Huldigung der Königin in 
Ungarn. Den 21. Ort. 1743 verließ er den Kaiferl. Hof zu 
Sranffurt und erhub fi nach Paris, wo er den 30ten bey dem 
Könige Audienz hatte, Er beförderte auch durd feine nachdrück⸗ 
lichen Borftellungen das Bündniß zwifchen Sranfreih, Spanien 
‚ and Sardinien, und bracdte das Heyrathögefchäfte des Dauphing 
mit der Spanifchen Infantin Maria Therefia zu Stande, wes⸗ 
halben er von dem Könige in Frankreich mit feinem Bildniß bes 
fhenft wurde, das auf 40,000 Livres gefhäst wurde, Er erbielte 
darauf den 14. Jan. 1744 feine Abſchiedsaudienz und Fehrte 
nach Spanien zurüd, wo er den 23. Febr. 1744 feine Bes 
dienungen wieder antrat, die bisher Durch andere verrichtet wor⸗ 
den, auch den 2. Nov. die Ober⸗Hofmarſchallsſtelle bey ber neu« 
vermählten Dauphine. erhielte, fo lange fie fih auf Spanifchem 
. Grund und Boden befinden würde. Er begleitete fie im Jan. 
1745 big an die Franzöfifche Grenze, wo er fie ald Königl. 
Gevollmächtigter den 13ten an den Franzöfifhen Gevollmädtigs 
ten übergab. Den 2, Febr, 1745 ward er zum Ritter des h. 
Geiftes ernannt, darzu er aber erfi den 22. Jul. 1760 einges 
führet worden, und den A. Febr. eben diefes Jahres erhielte er 
bie Stelle eines Obriſt-Hofmeiſters der Königin, welche er auch 
behalten , als fie durch den Tod Philipps V. in den Wittwens 
fand gefeßt wurde. Jedoch im Jan. 1748 erhielt er die ges 
fuhte Entlaffung von feinen - beyden Bedienungen als Obrifts 
Hofmeifter der verwittweten Königin und Präfident des Raths 
von Indien, behielt aber auf Lebengzeit von beyden bie Titul 
und Einfünfte. Im Ian. 1755 ordnete der König Ferdinand VE. 
eine Junta wegen bed Ordens bed güldenen Vließes an, die 
aus den 8 älteften Rittern dieſes Ordens beftund, da er denn 
bie Ehre hatte, der älteſte und erfte hierbey zu feyn, weshalben 
auch die Zufammenfünfte in feinem Palafte geſchahen. Er ftarb 


398 Schönbornslafl. 


ben 15. Zuni 1763. Seine Gemahlin war Monica Fernandez 
de Cordova, eine Dame du Palais bey der Königin, die den 
17. Febr, 1748 zu Madrid in einem Alter von 54 Jahren ges 
ftorben. Don feinen Kindern hat ein Sohn 1742 die Stelle 
eines Königl. Cammerjunfers oder Edelmannd von ber Kammer 
empfangen, und ift unftreitig berjenige, ber unter dem Titel eines 
Marquis von Balderabans im Aug. 1743 zu dem Bater nad 
Frankfurt gefommen, und ihn hernach nad Paris begleitet.” 
Bielleicht iſt er auch jener Philipp Puertocarrero, Graf von Mon⸗ 
tijo und Hauptmann in der mwallonifhen Garde, der fi als 
Grande erfter Elaffe am 22, März 1769 zum erftenmal in bes 
Königs Gegenwart bedeckte, und nachmalen in dem Zuge gegen 
Algier, 1775, wo er als Brigadier biente, verwundet wurde. 
Graf Philipp wird wohl der glüdlihe Freier fein, wel- 
her die reiche Erbin von Penaranda heimführte., Das Hers 
zogthum Peñaranda de Duero, nit zu verwechleln mit Peña⸗ 
randa de Bracamonte, war feit der Mitte bes 15. Jahrhunderts 
bas Eigenthum einer Linie des großen Haufes Zuñiga. Anna 
Maria de Zuniga Enriquez Avellaneda 9 Bazan, Herzogin von 
Penaranda, 11te Gräfin von Miranda de Kaftanar, in der. Pros 
vinz Salamanca, Marquefa von la Baũeza, Mirallo und Bal- 
donquillo, Vizcondefa von los Palaciog de Valduerna, von wels 
cher Befisung das ganze Thal der -Duerna , felbft la Bañeza 
abhängig, Frau auf Sales und Tejada, -Regiererin des Hau- 
ſes Avellaneda und als ſolche 29 Dörfer in Biscaya beherr⸗ 
hend, heurathete von fa Calzada ben 2ten, von Caſarubios den 
öten Grafen, den Johann de Chaves y Chacon. Ihr Sohn, 
Joachim Joſeph de Zuũñiga Chaves y Chacon, Herzog von Peña⸗ 
randa, Graf von Miranda, la Calzada und Caſarubios, Mar⸗ 
ques von la Bañeza, Mirallo und Valdonquillo, Vizconde von 
los Palacios de Valduerna, Regierer des Hauſes Avellaneda, 
ſtarb den 18. Dec. 1725, ſein Sohn, der Herzog Emanuel Franz, 
ben 29. Aug. 1765. Eine Tochter deſſelben wird die Gemahlin 
des Grafen Philipp von Montijo geworden ſein, und ihm den gan⸗ 
zen Reichthum ihres Hauſes zugetragen haben, der vielleicht kurz 
vorher noch einen Zuwachs aus der Erbſchaft der Herzoge von 


Das Haus Montijo. 398 


Escalona erhalten hatte, Wenigftend werden S. ftevan de Gor⸗ 
maz, der Titel der Erfigebornen des Hanfes Escalona, und dag 
Marqueſado Moya in der neueften Zeit unter den Befigungen 
der Örafen von Montijo angeführt. 
| Eine wahre Ewigfeit, in dem Styl fpanifcher Majorate, 
war Montifo dem Mannsftamme der Pachero Puettocarrero vers 
blieben, dann erlag auch diefe Grandeza dem Geſchick, welches 
früh oder fpät alle fpanifhe Majprate betreffen muß, indem fie 
nicht in der Abſicht, den Glanz der Familie zu erhalten, nicht 
zum Bortheil des Mannsftammes gegründet find, fondern einzig 
der Eitelfeit des Stifters fröhnen. In allen, bis auf gar we⸗ 
nige Ausnahmen, geht in der Erbfolge das nähere Weib dem 
entferntern Manne vor, daher fie in unaufhörlicher Rotation 
fih befinden. Familien, Die einft die reichflen gewefen, bie 
Mendoza, die Guzman haben hier alle.ihre Majorate einge⸗ 
‚ büßt, während die Fitziames, die Schotten, zu Dugend fie er⸗ 
- heuratheien. Spät, nad dem gewöhnlichen Maasſtab, ift Mon⸗ 
tijo dem Wechfel verfallen; die Erbgräfin, Maria Franzisca 
Puertocarrero , geft. zu Logrono 1808, war an einen Palafor, 
Oheim vielleicht des tapfern Bertheidigers von Zaragoza, vers 
heurathet, und ift ihre Sohn jener von Torreno, in der Gefchichte 
der Erhebung Spaniens, vielfältig und jederzeit mit Bitterfeit 
befprochene Graf von Montijo, ald welcher Bitterfeit Grund der 
General doch am Schluffe feines Werkes. zu erfennen:. gibt. 
| Zum eritenmal fommt bei ihm Montijo vor, da er einer bey 
dem unthätigen Obergeneral Caftanog beigegebenen Commiſſarien 
geweien, Nov. 1808. „Es waren das Don Francisco Palafor, 
Bruder des Generalcapitains von Aragonien, und Mitglied der 
Gentraljunta, der fehr ausgedehnte Vollmachten hatte, der Mars 
quis von Coupigny, und der Graf del Montijo. Palafor war ein 
achtungswerther, aber wenig fähiger Mann, Coupigny ein Aus⸗ 
länder, und feit der Schlacht bei Baylen mit Caſtaũos uneinig, 
Montijo endlich eignete fi) mehr dazu, Zwietracht zu erregen, 
als die Gemüther zu verföhnen.” — Nicht lange, und Montijo 
wird als einer der Gegner der Sentralfunta bezeichnet. „Dieſer 
glüdliche Wechfel des Syſtems der Junta ermusbigte die, welche 


400°  Schönbsrustaft. 


wünſchten, daß die Bertheidigung des Vaterlandes init der Bes 
gründung guter Anftitutionen gleihen Schritt halten follte, und 
hemmte die verkehrten Anfichten der Mißvergnügten und Unrubes 
ftifter. Unter diefen Lesteren herrfchte eine große Meinungss 
verfchiedenheit ; Mitglieder des Raths von Kaflilien und der 
Provinzialjunten, Anhänger der Inquifition und Freunde ber 
Prepfreiheit fanden in bunter Reihe neben einander. Der Hers 
zog del Infantado zeichnete ſich wenigſtens unter den Mißver⸗ 
gnügten aus, da er es nicht vergeſſen konnte, daß ihm Venegas, 
fein Rival ſeit der Schlacht von Ucles, vorgezoger wurde. Man 
hielt ihn den Intriguen nicht für fremd, welche Don Franeisco 
Palafor und der Graf del Montifo angeſponnen; Erſterer in 
ber Veberzeugung, daß fein Name hinlänglich fei, den Staat zu 
regieren, und Legterer getrieben von feinem unftäten Charakter. 

„zu Granada, wo Montijo Anhänger hatte, und hingeeift 
war, fi) der Stadt zu bemächtigen, kam bie Berfhwörung zum 
Ausbruche. Der englifhe General Doyle hatte den Grafen auf | 
feiner Reife begleitet, und Xesterer, der heimlich alle-Unords | 
nungen begünftigte, erregte den 16. April 1809 einen Aufruhr, | 
welcher die Behörden in die äußerfte Gefahr bradte. Ihr Une 
tergang war unvermeidlich, hätte Montijo im entfdheidenden 
Augenblide nicht, wie gewöhnlich, den Muth verloren, und da⸗ 
ber nicht gewagt, fih an die Spige eines für ihn gewonnenen 
Regiments zu ftellen. Die fo glüdlicher Weife gerettete Junta 
ber Provinz gewann ihren Einfluß wieder, und ließ die Haupt⸗ 
vädelsführer verhaften, deren geheimem Anftifter es übel ge- 
. gangen fein würde, hätte man ihm nicht auf Doyles Bitte, ben 
feine Eigenfchaft als -Engländer ſchützte, die Stadt zu verlaffen 
erlaubt. Der Graf begab fih nad) San Lucar de Barrameda, 
ohne jedoch auf feine Ränfe zu verzichten 5; allein ihr fehlechter 
Fortgang zu Granada vereitelte, für den Augenblid, die Hoff 
nungen der Feinde der Gentraljunta. Uebrigens war ihnen die 
Öffentliche Meinung entgegen ; dag Volk, welches die Verſamm⸗ 
Yung der Corte nahe fah, und hauptfächlich Uneinigfeit fürdhtete, 
wollte lieber die Gentralfunta unterflügen, troß ihrer Fehler, . 
als einen Ehrgeiz begünftigen, deſſen wahrer Zwed nicht das 
allgemeine Intereſſe war. 


Das Haus satijo. 401 


„Die Junta von Seyilla fonnte ihre Eiferfucht nicht vers 
geffen, und die von Eftremabura, welche bisher am friebfertigften 
unter allen gewejen, war aufgebracht Darüber, die Provinz durch 
ben Rückzug der Engländer bioßgeftellt zu fehen, und hielt bie 
Gentraljunta für die Urfache davon. Auch that fie ohne Vor⸗ 
wiffen der oberften Junta Schritte beim Lord Wellington, um 
ihn zur Menderung feines Entfchluffes zu bewegen, und braudte 
dazu ald Mittelsperfon den Grafen. del Montijo, der wegen 
feines unftäten Lebens und der Verfolgungen, die er fih zuge» 
zogen, von San Lucar nach Badajoz gefommen war. Die Cen⸗ 
traljunta tadelte Taut das Benehmen der Junta yon Eftremabura 
als einen Mißbrauch der Autorität bei einer fubalternen Behörde. 
Daß diefe aber den der oberften Junta verbächtigen del Montijo 
zum Unterhändler, gewählt, mußte lestere hauptſächlich reizen. 
Daher tadelte die Centraljunta nicht nur fireng bie Zunta von 
Eſtremadura, fondern befahl au, den Grafen del Montijo zu 
verhaften, der fih nad Portugal rettete.” Bon dannen fehrte er 
jedoch bald zurüd, vermuthlich, um die Verwirrung, welche mit Dem 
Berluft der Schladht von Deana, 19. Nov. 1809, auf feine Geg⸗ 
ner gefommen, zu benugen. „Die Ernennung ber executiven Com⸗ 
miffton Fonnte die Umtriebe der Ehrgeizigen nicht hindern. Don 
Srancisco Palafor regte fih wieder, um wenigflens Lieutenant 
der Propinz Aragonien zu werden, Wie man vermuthete., uns 
terſtützte ihn del Montijo, der ſich heimlich Sevilla wieder ge⸗ 
nähert hatte. Die Regierung erhielt Nachricht davon, und La. 
Romana, dem fonft dergleichen Umtriebe nicht mißftelen, fürdhtete 
jest, fie möchten feinen eigenen Intriguen ſchaden, und brang 
darauf, man folle Palafor nebſt dei Montijo verhaften und ihre 
Papiere in Beſchlag nehmen, Del Montijo wurde zu Balverbe 
ergriffen und nach Sevilla gefhafft, wo man Palafor ebenfalls 
feſtnahm, ohne fih um feine Eigenfchaft als Mitglied der Cen— 
traljunta zu kümmern. Die Berhaftung bdiefer zwei Männer 
machte einiges Auffehen, und würde noch weitere Folgen gehabt 
haben, wären nicht Beide wegen ihrer beftändigen Intriguen fo 
fehr verrufen gewefen, Die eintretenden Ereigniffe fegten jedoch 
der Unterfuchung gegen die Berhafteten fehnell ein Ziel, 


Khein, Antiquarius, 3, Abth. 2. Bd. 26 


409 Schönbernslufl. 


„Man verficherte Damals, Januar 1810, von Sevilla wären 
Emiffaire abgefchidt worden, um die Aufregung des Landes bie 
zur offenen Empörung zu fleigern, und fo gegen die beflürzten 
und faft flüchtigen Mitglieder der Junta heimlich -defto ficherere 


Streihe zu führen. Die zu Sevilla gleich nad der Entfernung . 
der Regierung ausgebrochene Empörung fehlen diefen Verdacht 
zu beftätigen. Seit dem 18. Januar wußte Calvo de Rozas 
von bdiefen geheimen Umtrieben und gab der Junta Nachricht 


davon, welche befchloß, Palafor und Montijo, die, obgleich vers 
haftet, doch für Anftifter diefer Unruhen galten, aus Sevilla zu 
entfernen, was aber bei der Eile unterblieb, womit die Junta 
ſelbſt dieſe Stadt wegen ihrer unter diefen Umſtänden verzeih- 
lihen Beftürzung und des Mangels an Gehorſam gegen ihre 
Befehle verlaffen mußte. Den 24. früh rottete fi, auf Antrieb 
der Berfchiwornen, dag Volk zufammen, und die Provinzialjunta 
erflärte fih zur oberften Zunta des Reihe. Man wählte Saaves 
dra zum Präftdenten, Eguia und La Romana zu Mitgliedern 
diefer Junta. Letzterer verließ tm Augenblide des Ausbruche 
der Empdrung Sevilla mit dem Minifter Frere. Pulafor und 
Montifo wurden ihrer Haft entledigt, und ebenfalls zu Mitglies 
dern der Junta gewählt. Montijo weigerte ſich einen Augenblid, 
feine Ernennung anzunehmen, vielleicht weil er nicht offen alg 
Rebell erfcheinen wollte, oder weil er, wie gewöhnlid, im Augens 
blide der Ausführung feiner Intriguen den Muth verlor. 


— — — — —— — ——— — EL — — — _.. 


Auch eine Militairjunta wurde eingeſetzt, die aus den neuer⸗ 


dinge gewählten Mitgliedern der Provinzialjunta beſtand, und 


in der Furzen Zeit” dieſer ephemeren Berhältniffe die eigentliche 
Gewalt befaß. Sie ernannte La Romana zum Nachfolger def 


Parques im Commando der Armee der Linfen, und fandte Dies 


jen Tegteren nad) Gatalonien, Blafe erhielt den Oberbefehl über | 


bie Armee des Centrums. Trotz aller Mühe, welche ſich die 
Junta gab, die VBolfsbegeifterung bis zum Fanatismus zu fleigern, 
machte doc) die Ankunft der Franzofen dem Aufftande-ein fchnelfeg 
Ende. Der Graf del Montijo und die hauptfächlichften Unruhes 
ftifter hatten dies gefürchtet, und ſich Daher bei Zeiten entfernt; 
Montijo war am 26. unter dem Vorwand abgereift, Dem Ober» 


Das Haus Montijs. 403 


general Bericht zu erftatten. Freilich war Sevilla nicht feft, 
und, um es mit Erfolg zu vertheidigen, hätten feine Einwohner 
die muthuolle Selbftverleugnung der Bewohner Saragoſſas haben 
müſſen.“ In dem Feldzuge yon 1810 fand Montijo eine feiner 
Thäsigfeit würdigere Befchäftigung. An ber Spige ber Guerillas 
von Granada bereitete er, abſonderlich in den Schluchten ber 
Apujarras, den Franzefen viele Arbeit. 

„Zu gleicher Zeit CAuguft) wurde ber Graf del Montijo 
‚von den Truppen verfolgt, ‚die der Marſchall Soult nad) den 
Alpujarras und der Hüfte gefchidt hatte, und die fi auf 1800 
Sußgänger und 1000 Reiter beliefen. Diefes Corps kam zu 
‚Almeria indem Augenblide an, wo dort ein Bataillon von 
Blakes Erpedition landete, dem es jedoch gelang, ſich zu 
retten. Montifo rettete ſich ebenfalls, und hörte nicht auf, ben 
Feind zu beunrubigen, ja er überfiel fogar die Garnifon von 
Motril. Dit den bier gewonnenen Trophäen und andern Ge- 
fangnen ſchloß er fi) dem Haupteorps der Armee an,’ Cinige 
Monate fpäter, gegen Ausgang des Jahrs, befehligte er in der 
Provinz Guadalafara ein Corps von 1200 Mann. Seine bes 
harrliche Wiverfeglichfeit gegen das Treiben ber fogenannten 
Rationalrepräfentation in Cadiz hatte ihn dem K. Ferdinand 
empfohlen, „Den 7. Aprit 1814 fam ber König zu Daroca an. 
‚Seine Begleiter, ungeduldig, endlich einen beflimmten Schritt in 
Bezug auf die zu befolgende Politif zu thun, verfommelten ſich 
in der Nacht des 11. Alle Anweſende, unter denen ſich auch der 
‚Graf del Montijo befand, waren Darüber einig, daß ber König die 
Eonftitution nicht beſchwören folle, und nur Palafox, damals Das 
Vol der Einwohner von Zaragoza, meinte das Gegentheil, Um 
feiner Anficht noch mehr Kraft zu geben, vief er Die Herzoge von 
Frias und Ofuna zu Hülfe. Palafox glaubte in Beiden eine mäch— 
tige Stüte zu finden, fowohl wegen ihres hohen Ranges, als 
auch wegen ihres feit 1808 beobachteten Benehmens. Als fie ſich 
der Verſammlung angefchloffen hatten, warf der Herzog von San 
Carlos die Frage auf, ob der König die Eonftitution befhwören 
folfe, oder nicht, und beantwortete fie für feine Perfon mit nein. 
Die Hauptfächlichfte Stüge fand er in dem Grafen bei Montijo, 

26 * 


“ 


404 Schänbornsiufl. 


der eine Abertriebene Schilderung von ben Gefahren und Schiwies 
vigfeiten machte, bie der Eid zur Folge haben würde. Palafor 
und der Herzog von Frias meinten das Gegentheil, Der Herzog 
von Oſuna blieb unentfchieden, und die Berfammlung trennte 
fih, ohne etwas Beftimmtes befchloffen zu haben, nur fam man 
überein, vor jeder Entfcheidung der betreffenden Frage fich erfl 
wieder zu verfammeln. Deffen ungeachtet befchloß der König 
einige Augenblide nachher, auf den Rath des Herzogs von San ' 
Carlos, den diefem der Graf von Montijo eingeflüftert, daß lege | 
terer fich fogleih nad Madrid begeben folle, um das Volk zu | 
Gunſten der Beihlüffe des Königs, welcher Art fie auch fein, 
zu flimmen. Ohne Zweifel paßte Niemand beffer für biefen | 
Auftrag, als der Graf, der fein Leben unter Intriguants umd | 
Geſindel zugebracht hatte.” Nach diefem Ausfall darf man wohl | 
als ungezweifelt annehmen, daß des Grafen Thätigfeit bei dem | 
Mord der fublimen Eonftitution von 1812 den Haß, womit Tor 
seno ihn verfolgt, erzeugte. 

Sn feinem Falle ift aber diefer Graf von Montijo ‚ders, 
jenige, von welchem franzöfifhe Blätter vom Januar 1853, abs 
fonderlih die Patrie, rühmen, „die Fünftige Kaiferin, Tochter‘ 
des Grafen von Montifo, der die ruhmvollſten militairifchen Er⸗ 
innerungen binterlaffen und die Sache des franzöfifchen Kaiſer⸗ | 
thums im Jahre 1814 bis unter die Mauern von Paris verthei⸗ | 
digt hat, ift eben fo ausgezeichnet durch ihre Zugenden und ihre | 
unerfhöpflihe Mildthätigkeit, wie durch die vollendetfte Schön 
heit. Spanifhe Grandin erfler Elaffe, gehört die Herzogin von 
Teba zu einer erlauchten Samilie, bie feit mehreren Jahrhunder⸗ 
ten mit ben größten Familien Europas verfhwägert if.” Spär 
ter heißt es: „Weber den Vater der Raiferin, ber feit 1839 
(nicht feit 1847) todt iſt, erfährt man folgendes Nähere. Er 
fämpfte ſchon zur Zeit des fpanifchen Krieges unter franzoͤſiſcher 
Fahne und beffeidete den Rang eines ArtilleriesÖberften. In 
der Schlacht bei Salamanca verlor er ein Auge, und ein Bein 
wurde ihm zerſchmettert. Im Folge der Niederlagen der fran 
zöſiſchen Armee und der Wiedereinfegung Ferdinands VAL. ver‘ 
ließ der Graf Montijo Spanien, um in franzöſiſchen Dienſten 


Das Haus Montijo 405 


gu bleiben. Wegen feines im Feldzuge von 1814 bewiefenen 
Muthes wurde er von Napoleon eigenhändig becorirt und bei 
ber Bertheidigung von Paris mit dem Track der Feflungswerfe 
beauftragt. Zuletzt ftellte ihn Napoleon (2) noch an die Spite 
der polytechniihen Schule, um bie Höhen von St. Chaumont 
zu vertheidigen. Die gouvernementalen Blätter, die fest bie 
fatferliche Heirath zu befprechen angefangen haben, rechnen es 
ihm zu großer Ehre an, daß er auf dieſem Poften die legten 
Ranonenfhüfle für Frankreichs Unabhängigkeit that.” 
Dagegen macht fih bald darauf eine andere Anſicht geltend. 
„Durch die von der Patrie und der Independance Belge veröfs 
fentfichten hiſtoriſchen Documente find viele Geſchichtsforſcher!!! 
angeregt worden, in ber Gefchichte der Testen Jahre des Kaiſer⸗ 
reihs nad dem Namen jenes Grafen yon Montijo zu fuchen, 
ber ſich unter frangöfiicher Fahne bei St. Chaument im Jahre 
1814 fo tapfer gefchlagen haben follte. Bis zu dem heutigen 
Zag waren ale Nachforſchungen fruchtlos gewefen. Jetzt if 
endlich die Entdedung gemacht worden, daß ein Herr Montijo, 
ein Spanier, wirklich als Bataillons⸗Chef im franzöfifchen Heere 
gedient hat. Es zeigt ſich aber, daß dieſer Montijo nicht der 
Bater der Gräfin von Teba, fondern höchſtens ein Oheim oder 
fonftiger Verwandter gewefen fein kann.” Wie ed damit auch 
fih verhalten.mag, fo fcheint mir ausgemacht, daß der Bater der 
Kaiſerin von Frankreich Fein anderer, als der Artillerieofficier 
Graf von Teba, der aus Sevilla entfendet wurde, um in Cadiz 
bie Anerfennung der Junta durchzufegen. Sein Einzug ſchon, 
27. Mai 1808, erregte großes Auffehen, noch größeres fein An⸗ 
bringen bei dem Generalcapitain Don Francisco Solano. Wie 
diefer hierauf im feinem Tagsbefehl jeden Verſuch des Wider 
Randes gegen die Franzoſen als Unfinn darftellte, erhob ſich der 
Aufruhr, in welchem Solano das Leben verlor, Später wirb 
Zeba, während fein älterer Bruder, Graf Montijo, die Sadıe 
der Nation verfocht, den Intereſſen des K. Joſeph ſich ergeben 
baben, wie dann verfichert wird, der Salon der Familie Montijo 
fei der erſte geweſen, welchen Joſeph in Madrid beſuchte. Vers 
muthlich hatten die beiden Brüder die Politif fi gemerft, zu 





406 Schönbornsluſt. 


deren Erfindung bie anhaltenden Buͤrgerkriege in Schotland Ver⸗ Ä 
- anlaffıng gegeben. Wenn z. B. der Vater ein Jafobit, fo war 
der Stammherr zuverläffig für K. Georg IE. 5 wie auch immer 
die Entfoheidung ausfallen mochte, durch den Vater oder durch 


ben Sohn wurde bag Cigenthum des Hauſes gerettet. Und nidt 


bloß in Spanien, fogar in dem friedlichen Coblenz hat diefe 


Erfindung der Schotten Eingang, Nachahmer gefunden, 

Die Graffhaft Teba pflegte in dem Haufe Montifo die 
Apanage der Secundogenitur zu fein, und darum wird fich von 
ihr die Kaiferin genannt haben. Sie bildet, zufamt dem von ihr 
abhängenden Ardales, die ſüdlichſte Spige der Provinz Antequera, 


— — — 


mn den 


und ift um den Befig der beiden Ortſchaften in den Kriegen mit | 


den Ungläubigen viel Blut vergoffen worden, Bor Teba insbeſon⸗ 
dere fand den Tod ein Held ſonder Gleichen. Zu ſeinem Sterbe⸗ 
lager hatte der König, der Befreier von Schotland, Robert 
Bruce, den treuen Genofjen alfer feiner Müpfeligfeiten , feiner | 


| 
| 
| 
| 


Gefahren und Siege entbieten laſſen. Bon Jacob Douglas ew | 


bat er fih den letzten Freundesdienſt; der follte ſorgen, daß 
nach bes Königs Ableben das Herz aus bem Leichnam ger | 
nommen werde, bann diefes Herz nad) Paläftina tragen, zur | 
Löfung eines Gelübdes, welches zu erfüllen, der Monarch durch 
die unaufhörlichen Kriege mit den Engländern verhindert wor⸗ 
den. „Meine Stunde ift gefommen,” fprad) Robert, „vie Ges 
legenheit für mich verloren; flatt mit meinem Leibe ‘dem heiligen 
Lande dienen zu können, muß ich auf den Wunſch, daß dort mein 


Herz ruhen möge, mich befchränfen, und deßhalb befchwere ih 
Euch, mein theurer und erprobter Freund, mit einem Auftrage, 
für den ein befferer Ritter in der Welt nicht zu finden.” Heilig 
war des verblichenen Gebieterd Wunſch dem Getreuen; er nahm 
das Foftbare Herz in feine Obhut und begab ſich mit ſtattlichen 


Gefolge auf die Reife nach dem heiligen Grabe. An der Küfle 
von Andalufien hinſegelnd, vernahm er, wie eben, 1330, 8. 
Alfons XI. gegen die Heiden zu Felde Tiege, In Haft verließ er 
fein Schiff, in Haft wendete er ſich der Wahlftatt zu, dem chriſt⸗ 


Tihen König feine Dienfte anzubieten. Sie wurden in Dankbar⸗ 


Teit, mit Ehrenbezengungen aufgenommen , und wie es Jacobs 


Das Haus Montijo. 407 


Brauch, wollte er auch vor Teba im Strauß ber Vorderſte fein. 
Gewahrend, daß feiner Begleiter einer, William Sinclair, von 
Feinden umringt, meinte er ihn herauszuhauen, und ed wurde 
ihm, nad) verzweifelten Anftrengungen, der rühmlichſte Tod. Die 
Männer feines Gefolges, fo dem Unfall überlebten, brachten bes 
Königs Herz und den Leichnam bes treuen Ritters nach der 
Heimath zurüd, und iſt von Stund an jenes Herz der Douglas 
Wappen geworden, des Gefchlechteg, mit welchem die Gräfin von 
Teba, bis heute, 2, April 1854, die jüngfte Raiferin, in Ge⸗ 
folge ihrer Vermählung zu verwandtfchaftlicher Berührung kom⸗ 
men follte, Eugenia Maria Franzisca de Sales Puertocarrero y 
Galafor, Gräfin von Teba, geb. 5. Mai 1826, wurde am 29. 
Januar 1853 dem Kaiſer der Franzoſen angetraut. 

Ihre ältere Schwefter ift des Herzogs von Alba Gemahlin. 
Der Nachkömmling des unglüdlichen K. Jacobs II. von Groß⸗ 
britannien, ber fpäte Enfel des vor Philippsburg 1734 erſchoſſe⸗ 
nen Marihalld von Berwick, -befist in Spanien die Majorate 
des großen Herzogs yon Alba, des Entdeders von America oder 
bes Haufes Colon, des Almirante von Eaftilien, des Grafen von 
Oropeſa, des Conde-duque Dlivarez und feines Schwiegerfohnes 
la Paz, Don Luis Mendez de Haro ꝛc. ꝛc., überhaupt ein Eigen 
thum, werthvoller, denn je in ben Händen ber Stuarte von ber 
Hauptlinie das Königreich Schotland geweſen, ein Eigenthum, 
defien Umfang man daraus beurtheilen mag, daß der vorige 
Herzog, um feine Finanzen zu ordnen, ein Kapital von achtzig 
Millionen Franfen in Paris aufzunehmen beabfichtete, auch dafür 
bie geboppelte hypothekariſche Sicherheit angewieſen hatte, / Diefen 
Reichthum werden Fünftig die Majorate des Haufes Montijo ver« 
größern, außer Montifo ſelbſt die Graffchaften Miranda de Ca⸗ 
fatar, Baños, Mora, Fuentidueiia, Teba, Ablitas, S. Zftevan de 
Gormaz, Caſarubios, Santa Eruz de Ia Sierra, Ia Calzada, das 
Herzogthum Peñaranda de Duero, die Marquefados Val de Ra⸗ 
bano, Dfera, Barcarota, Algava, la Bañeza, Moya, Billanueva 
dei Fresno, Baldonguillo und Mirallo, das Bizcondado los Pala- 
cios de Balduerna u. ſ. w. Dazu fommen das erblihe Großmars 
ſchallamt von Eaftilien, die Capitania de la quarda real de los cien 


408 Schönbornsluft. 


conlinos hijos de algo de Castilla, das Patronat ber Collegiat« 
ficchen zu Peñaranda und zu Salas, des Collegiums zu Santa 
Catalina Martir de los Verdes an der Univerfität zu Alcala, 
ber Univerfität und bes Collegiumd San Gregorio zu Oviedo, 
des Eollegiums S. Pelayo zu Salamanca u. ſ. w. Des Haufes 
Montijo Einfünfte werden zu 500,000 Piafter berechnet, follten 
aber wohl das Doppelte betragen, wenn bie Güter nicht fo fehr 
verfihuldet und durch fchlechte, nach fpanifcher Sitte von förm⸗ 
lihen Collegien geführte Wirthfchaft herabgebracht wären. 

Der Öranden von Spanien Nanganfprüde refumirt Bayrac 
in kurzen Worten. „Ils pretendent qu’il y ait entre eux, les 
Electeurs del’Empire, et les Princes d’Italie une entiere ega- 
lite a l’egard des traitemens; et comme ceux-.la ne le prelen- 
dent pas, ils ne concourent jamais ensemble, et chacun de- 
meure dans sa pretention. Ü’est ce qu’on vit dans la derniere 


querre de Hongrie, ou les Ducs d’Escalona et de Bejar ser- - 


virent sous les ordres de ÜElecteur de Baviere, sans qu'ils 
parlassent jamais a ce General, parce qu’il vouloit qu'ils lui 
donnassent de U’Altesse, et ils ne lui voulurent jamais donner 
que de VExcellence. Lorsque le Duc de Mantoue vint en 
France en 1704, ce Prince fit tout ce qu'il püt pour avoir 


commerce avec le feu Duc d’Albe, pour lors Ambassadeur de Ä 


sa Majeste Catholique; muis ce Seigneur n’y voulut jamais 


consentir , pour n’etre pas oblige de lui donner de l’Altesse; 


et s’ils se virent quelquefois,, ce fut chez des particuliers, et | 
toujours incognito, pour eviter le Geremonial. A l’egard des 


Cardinaux, ils se donnent le pas reciproquement les uns aux | 


autres , et se donnent respectivement les Titres qui leur con- 
viennent.“‘ 

Den Granden ift ihr Recht gefchehen, mit Kurfürft Franz 
Georg von Trier bin ich noch Tange nicht zu Ende. Trog aller 


Bemühungen eines Bellisle und Montijo blieb er neutral. in den 


durch die Wahl Kaifer Karls VII. veranlaßten Krieg, theil- 
weife Doch befchäftigt durch eine Fehde mit dem Grafen von 
Neuwied und dem Kurfürften von Cöln. Der Graf batte ſich 
beigehen laffen, unter kurcölniſchem Schuge eine fliegende Drüde 


Aurfürſt Franz Georg von Trier. 409 


auf den Rhein zu legen. Das betrachtete man in Ehrenbreit⸗ 
fein, aus gewichtigen Gründen, als einen Eingriff in das Tries 
riihe Dominium Rheni, und wurden, um fothaner Anmaßung 
zu begegnen, nicht nur Rechts⸗, fondern auch Zwangsmittel in 
Anwendung gebradht. Namentlich unterfagte Franz Georg durch 
‚ Berfügung vom 14. und 24, Jul., dann 16. Aug. 1742 allen 
Handel und Berfehr, fo wie jede Gemeinfhaft mit der Stadt 
Neuwied und ihren Einwohnern, und wurden die Localbehörden 
nicht nur angewieſen, die pünftliche Beobachtung diefer Sperre 
zu handhaben, fondern auch den Neumiedifchen Unterthanen die 
Ueberfchreitung der Trierifchen Grenze zu verwehren, und Hans 
belögegenflände, Vieh, Früchte, Lebensmittel, deren frauduloſe 
Eins oder Ausfuhr verfucht würde, unnachfichtig zu confisciren. 
Diefer Zwift wurde Durch reihshofrathliches Erfenntnig zu Gun- 
fen von Trier gefchlichtet. In den fortbauernden Kriegsunruhen 
und Truppenmärfchen verurfachte die Brüde, nicht allein den ' 
Trierifchen,, fondern auch den Wiedifchen Gebieten ſchwere Uns 
bequemfichfeiten und Laften von Seiten der franzöfifchen Armeen. 
„Sie haben einmal, wie das andere fortgefahren, in deuen Churs 
Maynzifhen und ChursTrierifchen Landen, in denen Stifftern 
von Worms und Speyer, in der Wetterau und den Naffauifchen 
Landen, in Schwaben und wo fie nur hingefommen, die Unter: 
thanen gewaltig zu drüden, und das Land auszufaugen. Sa, 
fie haben ſich gar bis in das Eichflädtifche ausgebreitet, und den 
Bischoff genöthiget, fih in feine Fefung St. Wilibald zu reti- 
tiren. In der Nacht zwiſchen dem 13. und 14. San. 1745 
langten 3 bis 400 Franzofen von Oberslahnftein zu Neuwied 
an, und nahmen die fliegende Brüde weg, bie der Churfürft von 
Coͤlln dafelbft über den Rhein gefchlagen. Weil fie 30 bis AO 
Zugpferde bey ſich hatten, zogen fie diefelbe fofort den Strom 
‚hinauf, und gelangten Abends damit bis gen Ehrenbreitſtein. 
„Als der Churfürfi von Trier von bdiefer Unternehmung 
Nachricht bekommen, Tieß er denen Franzofen zu wiffen thun, 
bag er ihnen zwar nicht verwehren Fönnte, die Brüde, wohin 
fie wollten, zu führen; er könnte aber nicht zugeben, daß fie mit 
Trouppen zwijchen diefer Veſtung und Coblenz paßirte, welde 


410 Ä Scönbsrasiofl. 


zufammen nur eine Veftung ausmachten, indem fie nur burd) ben 


Rhein von einander abgejondert würden. Auf diefe Erklärung 


zogen ſie die Trouppen, die ſie auf der Brücke gehabt, zurücke, 


und ließen nur 2 Officiers ohne Gewehr darauf, da ſie denn 


durchpaßirt, und von ihnen nad) Ober⸗-Lahnſtein geführet wurde, 
wo ſie ſich zu verſchanzen fortfuhren. Weil ſie in der Eilfertig⸗ 


keit die Kähne und Nachen, fo zur fliegenden Brücke gehören, 
nicht mit fortbringen können, ſchickten ſie kurz hernach an den 
Grafen zu Neuwied, und droheten, wo er ſolche ihnen nicht un- 
verzüglich zuſchicken würde, wollten fie folde durch ein Detafde- 
ment. von 5 bis 600 Mann ſelbſt abholen. Er befand daher 
für gut, ihren Willen zu erfüllen. Sie fuchten durch Wegführ 
rung dieſer Brüde zu verhindern, daß die aus den Niederlanden 
fommenden Trouppen fidh derfelben nicht bedienen möchten, Sie 
befegten auch die Fleine Stadt Sayn, um dadurch die Communis 
cation zwifhen Neuwied und Ober⸗Lahnſtein zu erhalten. Den 
24. Jan. zur Nacht wollten fie einen Holländifhen Officier durch 
ein Commando von Hufaren zu Neuwied, wo er Recruten warb, 


— nl. 2.0. 


aufheben, Es entitunde darüber in der Stadt ein Tumult, wels | 


hen zu flillen der Graf mit etlichen Bedienten ſich ſelbſt ein⸗ 
fand, und darüber unerfannter Weife gefangen, aber aud for 


gleich wieder frey gegeben wurbe, ber Holländiſche Officier aber 


batte ſich glücklich retiriret.” 





P2 - 


Am 6. Nov, 1742 erließ der Kurfürft die fogenannte Dorf: | 
‚ordnung, neben mancherlei polizeilichen Anordnungen auch Bor: 
fchriften für die Bewahrung und Benugung des Gemeinbeeigen- | 
thums enthaltend. Nach Ableben feines Bruders, des Gar 
dinald von Speier trat er als einer ber Bewerber um die 
erledigte Inful auf, indem ihm aber bei der am 5. Nov. 178 


vorgenommenen Wahl an den zu einer gültigen Poftulation er» 


forderlichen zwei Drittel der Stimmen eine einzige fehlte, mußte j 


er einem glüdlichen. Nebenbuhler, Franz Chriſtoph von Hutten 


weichen. In demfelben Jahr hatte der Kurfürfl ein nah ber 
Lage der Dinge höchſt bebeutfames Zeugniß feiner unwandel- | 
baren- Anhänglichkeit zu Deftreich abgelegt. Der Kaifer verlangte | 


durch Circularſchreiben, an die Kurhöfe gerichtet, daß man die 


Aurfürfi Franz Georg von Brier. 411 


Urkunden, welche die Koͤnigin von Ungern zur Bewahrung der 
Gerechtſame ihres Hauſes bei der Reichsverſammlung uͤbergeben 
und zur Dictatur bringen laſſen, für: undictirt erkläre. Der 
Kurfürft aber, in feinem Antwortfchreiben, widerrieth der frag 
lichen Urkunden Abjonderung von den Neichsacten, mit dem Zus 
fa, daß es Feineswegs in des Kurfürften von Mainz Willfür 
fiehe, einem Reichsſtand in Dingen, fo auf deffen Gerecdhtfame 
‚ bezüglich, die Dictatur zu verweigern; außerdem fei die böhmifche 
Kurſtimme einzig für die Ratferwahl fuspendirt worden, und ohne 
Rechtsverletzung nicht über diefen Punkt hinaus zu beeinträchtigen. 

Die Frankfurter Union, von Preuffen, Pfalz und Heffen- 
Caſſel eingegangen, unter dem Borwand, ben Ratfer in den 
Beſitz feiner Erblande wieder einzuführen, beabfichtigte den Bei⸗ 
tritt aller übrigen Reichsftände zu erzwingen, als welches Vors 
haben zu befördern , ber franzöfifhe Minifter Renaudot allen 
feinen Einfluß und alle feine Künfte in Ehrenbreitftein aufbot. 
Er mußte dem Kurfürften sorftellen, wie das Intereſſe feiner 
Unterthanen fohlechterdings feine Aufnahme in die Union er⸗ 
“fordere, indem eine beharrlihe Weigerung ihnen, die des Un⸗ 
gemachs ſchon fo vieles tragen müffen, noch weit ſchwerere Drangs 
ſale zuziehen würde. Namentlich, fügte Renaudot hinzu, fei er 
angeswiefen, zu declariren, daß fein König und Herr fünftig Feine 

Neutralität im Reiche anerfennen werde, weil fein Reichöftand 
die gedachte Union mipbilligen fönne, ohne zugleich der offenbare 
Feind des Kaifers zu werden, welchen als feinen Alfiirten zu 
vertheidigen, der König von Frankreich, Garant der Reichsfrei⸗ 
beiten, fi) verpflichtet erachte. Dem: Bortrag lieg der Kurfürft 
entgegnen : Die einmal ergriffene Neutralität würde er niemals 
aufgeben, zumal ſolche auf ein formelled, von dem Kater feldft 
gutgeheißenes Neichsconclufum fih gründe; wolle man Gewalt 
Draußen, müffe er dulden, was abzuwehren er unvermögend; 
alsdann aber würde feine Sache die der Gefamtheit des Reiches 
werden, und fei ihm die Art und Weife, mit feinen Mitftänden 
darum ſich zu benehmen, nicht unbefannt, 1744. | 

Die ganze Lage der Dinge veränderte fich indeflen mit K. 
Raris VII. Ableben, 20. San. 1745._ Damit nicht der Große 


412 Schönbsrnsiaft. 


herzog von Toscana fein Nachfolger werde, mußten die bei den 
verſchiedenen Kurhöſen accreditirten franzöſiſchen Gefandten das 
ganze Arfenal der Diplomatie erfchöpfen. Dem Kurfürften von 
Trier erklärte der Repräfentant Ludwigs XV., wie daß fein 
König niemals des Großherzogd Erhebung zum Kaiferthron zus 
geben werde, alle diejenigen, welde dafür ihre Stimmen zu leihen 
fih verfucht fühlen möchten, könnten nicht weiter für des Könige 
Freunde gehalten werden; allerdings bedenflihe Worte, denen 
Franz Georg lediglich eine unmaßgebliche Floskel entgegenfegte: 
„er würde fih den Sentiments feiner Herren Mit-Churfürften 
eonformiren, doch wünfche er die KRöniglihe Wohlgewogenheit 
und Freundſchaft beibehalten zu können.“ Kaifer Franz 1. wurde 
den 13. Sept. 1745 gewählt und am 4A. Det. gekrönt, welder 
feierlichen Handlung der Kurfürft von Trier perfönlich beimohnte, 
wie er dann bei dem Krönungsact dem Kurfürflen von Mainz 
affiftirte. Er verweilte in Frankfurt bis zum 19. Det. und fehrte 
fodann über Heufenftamm, wo er feine Schwägerin, die verwitts 
wete Gräfin von Schönborn befuchte, nach Ehrenbreitftein zurüd, 

Spuren von Freimaureret, die fich auf der Univerfität Trier 
ergeben, bereiteten dem Kurfürften nicht geringe Sorge, und fchreibt 
er um derentwillen an den Weihbiſchof Nalbach, den 29. April 
1746: „Eine betrübte Begebenheit, wie Ihnen nur zu viel bes 
fannt feyn wird, ift bey der Lniverfität zu Trier entflanden, ba 
fih eine fehr verbächtige Eonvention von etwelchen Juriſten ber: 
yorgethan, fo in einem ficheren. Hauß der fogenannten Urſel ein 
befonderes Zimmer gemiethet , foldhes mit Cartons verdunfelet, 
bernechft aud) einige Ring mit denen Buchſtaben C. F. S. con- 
stantia, fides, silentium bemerken laffen, und gleicher geftalten 
einige Bilbniffe, auf etwas Mysteriofes ausbeutige, mahlen lafe 
fen — mithin Die Conventicula’ deren frey-DMaurer anzufangen 
fih haben bevorftehen laſſen. Zu deren Aufhebung folle von 
feiten der Juristen facultaet ganz praepostere zu werd gegangen, 
und mit übergehung der General inquisition der Processus ab 
inquisitione speciali angehoben worden feyn; der Professor Su- 
sewind aber jolle die mehrefte Schuld daran tragen: inmaffen 
Er bey denen Collegüs privatis viel zu frühzeitig dagegen laut. 


— — — — ——— 


Anrfürf Stans Georg von Trier. 413 


geſchlagen, und wider die Complices allzu eyfermäthig heraus⸗ 
gefahren, fort eben darum mit dem alten Knodt und dem v. Hal- 
berg in weitläufigen injurie-Process würdlich verfallen feyn folle. 
Nun mag ich zwarn diefe, zumahlen von Professoribus Juris 
ſelbſten viel zu voreilig überfchnellte, und contra Jura notoria 
zu ihrer aigener Befchimpfung .verfehrter angeftellte Unterfuchung 
weiters nicht perstringiren, befonders, wo die Thatt von Selb- 
fen offenfundig iſt. — Ich gebe dem Herrn Weybifchoff gelafents 
lich anheim, ob nicht, alß viel immer möglich, alles in der Stille 
- unterbrüdet, die Verdächtigen vor das Consilium oder Facultaet 
- ganz geheim gezogen, ihnen der unfug vorgehalten, fort fie zu 
Qefferung, und aydlich anzugeloben, von dergleichen Societaeten 
gänzlich abzuftehen,, ernfthaffteft gemahnet und gewarniget wers 
den. Zu dem Ende wolle fih der Herr Weybiſchoff ale Com- 
missarius unter qualitaet eines Procancellaris gebrauchen laffen, 
inmaſſen ich auf deffen bewährte Gefchidtichfeit vollkommen zähle, 
und mich gänzlicher verfichert halte, daß durch deſſen vernünffs 
tige und vorfichtige Behandlung biefed fo verbrießliche, als ges 
fährliche gefchäft auf ſolchem fuß glücklich werde geendſchafftet 
werden.“ 

Möglich iſt es, daß dieſe Studentenverbindung, „dieſes ge⸗ 
fährliche Geſchäft“ den Beſuch veranlaßte, durch welchen ber 
Kurfürſt im Sept. 1746 ſeine Hauptſtadt erfreuete: ſeit einer Reihe 
von Jahren hatte er ſie nicht geſehen. Freudig begrüßten die 
Trierer ſeinen Einzug, wiewohl er genöthigt geweſen, in der 
Abtei St. Maximin abzuſteigen, von wegen der argen, 1734 
durch die Franzoſen in dem kurfürſtlichen Palaſt angerichteten 
Verwüſtung. Am 3. Dec. langte Franz Georg wiederum zu 
Ehrenbreitftein an, und hat er feitdem die Stadt Trier nicht 
mehr beſucht. Am 17. Jun. 1747 bewilligte er der Stadt Cobs 
lenz, ftatt des bisherigen Halbfaftenmarftes, zwei Meffen, bavon 
eine vom Sonntag Laetare bis zum Montag vor Palmarum, 
bie andere von Marien Himmelfahrt bie zu Johannis Enthaup« 
tung zu währen hatte. Am 15. Nov. 1747 verorbnete er, daß 
heimgefalfene Lehen ohne Ausnahme und unwiderruflich den erz« 
ſtiftiſchen Kammergütern einverleibt werden. follen, Bom 28. 


414 Schönbernslufl. 


Sebr. 1748 ifl Die Verfügung, laut welcher Die neue, durch mans 
cherlei Verbefferungen bezeichnete Ausgabe des Breviers allgemein 
eingeführt werben follte, es müffen fih aber darum Schwierig- 
feiten erhoben haben, welche zu heben, des Kurfürften Erlaß an 
den Siegler des Niedererzftiftes, d. d. Ehrenbreitfiein, 28. Jul, 
1748, beftimmt. Dagegen tft eine der merkwürdigſten Verfuͤ⸗ 
gungen biefer Regierung, ohne des Kurfürften Zuthun in dem 
Hofratbscollegium zu Chrenbreitftein, 22. Jul. 1748, erlaffen, 
und heißt es darin: „Nachdemalen auf nähftlünftigen Donners⸗ 
tag, als dem Felt des h. Jacobi, eine allgemeine große Sonnen⸗ 
finfterniß fich ereignet, wodurd beforglich vieles Gift auf dem 
Feld und fonften in die Pfützen und Brunnen fallen börffen,” 
werden fämtliche Beamten angewiefen, den Eintritt biefes Ers 
eigniffes in allen Gemeinden und Dorfihaften zu verfündigen, 
zufamt dem Befehle, daß an dem genannten Tage, „zu Berhüts 
und Abfehrung alles Unglüds”, durchaus Fein Vieh auf bie 
Weide getrieben werde, und daß alle Brunnen forgfältig bebedt 
und verwahrt werden ſollen. 

Den Sommer 1749 brachte der Kurfürft meift in Ellwangen 
zu, und war er bei der Hinreife zu Mainz, 29. April, mit gros 
Ben Ehrenbezeigungen empfangen, au bis zum 2. Mai ſtattlich 
bewirthet worden. Dagegen erließ. er aus Kärlih, 25. Sept. 
1749, eine Verordnung für die Abhaltung öffentlicher Gebete 
und Bußübungen, als die Jicherfie Schuswehr gegen „das fo 
ſchädliche Ungeziefer der Heufchreden, welche immer tieffer in bie 
teutfche Reichs⸗Lande einzudringen beginnen, und würdfich den Lan- 
bes verderblichen Zug gegen biefige Gegend fortzufegen androhen”, 
Bei der Wiederfehr der Gefahr im folgenden Jahre wurde bie 
Verordnung neuerdings eingefchärft. Am 20. April 1750 verfügt 
ber Kurfürſt, „daß Niemand, wer ber auch fey, ſich unterfangen 
fole, an denen Weinen eine Berfünftelung, Vermiſchung oder 
Berfälfhung zum Betrug der Käuffer, es beftehe, worin es auch 
immer wolle, im geringften vorzunehmen, fondern daß die Weine, 
wie folhe in ihrer Natur, durch verliehenen göttlichen Segen, 
eingeherbſtet worden ſeynd, allerdings belaffen bleiben follen.” 
Dieſer Vorſchrift Entgegenhandelnde follen mit Eonfiscation ber 


Aurfürfi Sranz Georg von Trier. 415 


Deine, mit Berluft der Bürger- und Zunftrechte, Ehre, Hab 
und Out, und, dem Befinden nach, -an Leib und Leben geftvaft, 
auch fämtliche jegige und alle Fünftig aufzunehmende- Benders 
meifter zu einem allen Weinverfälfhungen und Mifchungen ab⸗ 
fagenden, von ihnen auszufchwörenden Eide verpflichtet werben. 
In einer am 16. Febr. 1751 an das Vicariat und Commiſſariat 
erlafienen Signatur heißt es: „Demnach Ihro Ehurf. Gn. mehr- 
malen fehr mißfällig zu vernehmen vorgefommen, daß die nur 
in subsidium und in casum necessitatis geftattete tituli patri- 
moniales ſich in einer ungebührlicher Menge gehäuffet haben, 
und dahero nothzwänglich erfolgen müſſen, daß Dero Ersfifft 
mit allerhand faulen, ungefitteten, und nichts weniger alg einen 
wahren Beruf habenden Geiftlihen,, gleichfam überfchweınmet 
worden; als haben Ihro Ehurf. Sn, der Nothdurfft zu feyn ges 
funden, beyfommende Verordnung, wodurch bejagte tituli patri- 
 moniales bis auf weitere Verfügung suspendivet werden, in dem 
gantzen Erg-Stifft ergehen zu laſſen.“ 

Am 3. April 1753 erließ der Kurfürſt eine umftändliche 
Verordnung für den Bau und die Unterhaltung der Landſtraßen, 
- Reinpfade , Brüden u. ſ. w., in deren Eingange gejagt wirds 
„Nachdeme Wir auch diefes Uns eine befondere Angelegenheit 
fein laßen, wie mittelfi Herbeybringung mehrerer Gewerbſchaff⸗ 
ten, Handels und Wandels, das Land in beffere Aufnahme zu 
. bringen, und fowohl dem Bürger als Bauersmann hinfängliche 
Nahrung an Hand zu fchaffen feygn möge. . . Zumahlen bey 
- guten Landſtraßen und Wegen nicht nur die Waaren’und Frach⸗ 
ten mit leichteren. Koften fortzubringen , fondern aud der Lands 
mann felbft feine Fuhren mit defto wenigerem Zugvieh und bei» 
ferer Erhaltung feines Gefchirres bequämlicher zu verrichten im 
Stande ift ... Sp hätten Wir zwar gehoffet, daß diefe Unfere, 
lediglich zur gemeinen Wohlfahrt des Landes und zum Behuff 
aller Reifenden gefaßte Willensmeynung zu ihrer gebeylicher 
Würdung gelangen würde ;_ jedoch müffen Wir im Gegentheil 
vernehmen, daß dDiefes fo heilfame als gemeinnügige Borhaben, 
wegen allerhand auf einander ſich geäußerter ſchwehrer Zufällig« 
feiten und Hindernißen zur Bollftändigfeit noch nicht gelanget, 


—W Aadq nbotuelaſi. 


auch dieſem Werck die allerſeitige Hand mit genugſamen Ernſt 


und Eiffer nicht gebotten worden ſeye“ ıc. Zu mehrer Beleh⸗ 





rung in technifher Hinficht find die in dem ſchwäbiſchen Kreile 
und in ben vorderöftreihifchen Landen für den Straßenbau eins 
geführten Regulative der Verordnung beigefügt. Am 7. Des, 


1754 wird beftimmt , daß der Unfchuldigen Kinder. und bes h. 


Spivefter Tage, 28. und 31. Der. fortan „nur als Festa Chori | 
geachtet, mithin dieſe beyde ganze Täge hindurch, mit Beybehals | 


tung derer Curial-Ferien, die Knechtliche und Handarbeiten je 
bem durchaus erfaubet und geftattet ſeyn follen.” 

Auch die Hoffammersrdnung, vermuthlich dem J. 1754 an⸗ 
gehörend, hat Franz Georg dem Erzſtift gegeben, wie er benn 
überhaupt als der Schöpfer des bie zum J. 1802 in feinen wer 
fentlihen Formen beibehaltenen Verwaltungsſyſtems zu gelten 
hat. Vieles Andere, fo durch ihn gefchaffen, ift ganz oder theils 
weife der Nachwelt erhalten worden. Ich rechne dahin die flatts 
liche Stiftskirche zu St. Paulin bei Trier, welche er. theilg aus 
feinen perſönlichen Mitteln, theils aus den Gefällen der Props 


flei erbaute; dieſe reihe Pfründe befaß er durch-Berleihung 


--.... 


— — LI — — — — 


von dem h. Stuhl ſeit dem 26. Sept. 1730. Monumente 
ſeiner Regierung ſind ferner das Conſiſtorialgebäude zu Trier, 
und der ſogenannte Dicaſterialbau im Thal Ehrenbreitſtein, 
Abth. II. Bd. 1. ©. 153—154. Der Schloßbau zu Schöns | 


bornsluſt foftete dem Kurfürften 100,000 Rthlr., und verwendete 


er dazu die feit 20 Jahren erfparten, „ex camera ad privatos 
electoris usus“ jährlich zu entrichtenden 10,000 Gulden. Der 
Münze fogar hat er das Gepräge feines Charakters aufzudrüden 
gewußt, Seine Dufaten, von 1735, 1750 und 1752 find von . 


ausgezeichneter Schönheit 5; von größern Silbermünzen hat man 
von ihm nur ganze und halbe Kopfitüde, A 20, reſp. 10 &r. 
aus dem %. 1734, dagegen lieg er von 1748 an Kupfergelb 
fhlagen, eine Neuerung, zu welcher der Iebhaftere Verkehr und 


das Beifpiel der Nachbarn die Beranlaffung gegeben haben mögen. 
Die Abnahme feiner Kräfte beſtimmte den Kurfürften, in, 


der Perfon des Domdechanten Johann Philipp von Walderborf 
einen Coadiutor fi gefallen zu laſſen; im Begriff, denfelben 


Aurfürſt Scans Geotg don Brier, | 417 


zum erſtenmal zu empfangen, konnte er einen ſchmerzlichen Aus⸗ 
ruf nicht unterdrücken: „Adieu nun bin ich fertig! ſehet, da 
kombt die aufgehende Sonne! ich bin nun nichſt mehr, bin we— 
der angeſehen, weder geachtet, noch geliebet! O wie reuet es 
mich, was ich gethan habe!“ Das Verhältniß des Kurfürften 
zu dem Coadjutor geftaltete ſich nicht freundfchaftlich, wie ernſt⸗ 
lich auch Franz Georg fih für den Lebergang zu einer andern 
Welt vorbereitete. Ein Uebelbefinden, fo er feit den erſten 
Tagen des Dec. 1755 empfunden, entwidelte fih vom 1. Jan. 
ab zu einem anhaltenden zehrenden, higigen Fieber, dem fehr 
bald der robuſte Körper unterliegen ſollte. Vom 10. an rang 
Franz Georg bereits mit dem Tode, wiewohl er noch an, Dem» 
jelben Tage die folgende Declaration eigenhändig unterfchreiben 
fonnte: „Demnad der große Gott Ihro Churf. Gn. mit einer 
befhwerlich- und gefärlichen Krankheit heimgeſuchet, Höchſtdie⸗ 
felbe auch dem Göttlihen Allwaltenden und unerforſchlichen 
Villen mit vollfommenfter Unterwerfung und Gelaffenheit fich 
zu ergeben, fo ſchuldig als bereit feynd, als haben Höchſtgedachte 
Ihro Ehurf. Gn., obwohlen Sie zeithero Tangjäriger Regierung 
äuferfien Fleißes jederzeit beeifert gewefen, Dero Landen und 
Unterthanen, in Geift- und Weltlichem den befimöglichft erfpriess 
lichen Vorſtand zu leiſten, und jedermännlich ohne Unterſchied 
ber Perfonen Recht, Gerechtigkeit und Billigkeit wiberfahren zu 
laſſen, gleichwohlen ſich forderfamft verbunden zu ſeyn erachtet, 
ale und jede in Dero Erzſtift, fo Geifl: als Weltlihen Stan« 
bes, um Berzeihbung und Nachgebung deffen, fo Sie vielleicht 
Jemanden zuwider mit oder ohne Wiffen gethban, und verans 
laffet, in Chriftlicher Liebe zu bitten und anzuſuchen. Höchſt⸗ 
Diefelbe empfehlen anbei Dero Seel, fals fie der große Gott 
nad feinem unwandelbaren Rathſchluß aus diefer Zeitlichfeit zu 
fih abforderen würde, in deren Prieflern Meßopfer und eines 
jeden Srommen Gebeth. Sollte hingegen die göttliche Güte Dero 
tebens= Zeit annoch weiter mildeft friften, jo würde Höchſt Dero 
vorzügliche Angelegenheit dahin gehen, Dero unermübdete Landes⸗ 
yäterliche Liebe und wahre Sorgfalt gegen jedermänniglich mit 
fernerweitern Proben an den Tag legen zu können. Gegen« 
Rhein, Antiguarius, 3. Abth. 2. Bd. 27 


118 Schönbsenstafl, 


wärtige Churfürftliche Erflärung ſoll von jedem Seelforger in 
Ders Erz-Stifft von ben Cantzeln abgelefen und jedermann fund 
gethan werden.” _ 

Am 13. Jan. hat der Kurfürft „durch eine allgemeine Beichte 
zur Niegung der legten Wegzehrung mit höchſter Auferbaulich⸗ 
feit fich bequemer, darauf das h. Abendmal Fnieend empfangen 
und den ganzen zufammen berufenen Hofftaat um Verzeihung 
gebeten, Seinem Churfolger übergab er feine letzte Willengmeis 
nung mit eigenen Händen, mit angeheffter Bitt, daß er folde 
in feinen Schug wolle auf» und annehmen, weiters recomman- 
Dirte er feine getrewe Diener, und fämmtliche Unterthanen, wo⸗ 
rauf er fein Haubt entblöfete und begehrte von feinem Churs 
folger mit gefaltenen Händen den erzbifchöflichen Seegen, deſſen 
Hände er furz zuvor mit ber Salbung des heil. Oels felber ges 
beiliget hatte.” Kurfürft Sranz Georg flarb den 18. Jan. 1756, 
früh zwifchen 3 und 4 Uhr, und wurde vorkäufig in der Kirde 
der Capuziner im Thal beigefegt, bis das ihm beflimmte Grab | 
im Dom zu Trier feine Vollendung erhalten würde. Dann end« | 
lich, am 20, Aprit 1756, wurde die Leiche zu Schiff und auf | 
der Mofel nad Trier gebracht. In der Auffchrift, dem zinnere 
nen Sarg eingegraben,, heißt e8 u. a.: Saeculi nostri Salo- 
monis; Qui Sacerdotio et Imperio probatus, Omne, conscien- 
tiam et honorem (Juod laederet, respuit. ' 

Bon mittler Größe war Franz Georg fehr -flarf von Leibe . 
und mit Niefenfräften ausgeflattet, dabei von einer angenehmen _ 
und geiftreichen Gefihtsbildung und eines freundlichen gefälligen 
Weſens, lediglich im Zorn, oder wenn feine Leidenfchaft für bie 
Jagd beeinträchtigt wurde, ſchrecklich. Diefe Leidenſchaft fpiegelt 
ſich, in eigenthümlicher Weife, in der Verhandlung mit dem 
Kellner von Berncaftel. Ein eben fo gewaltiger Jäger denn fein 
Herr, hatte der Mann fich verleiten Taffen, in den Hunoldfleiner 
Waldungen einen prächtigen Hirſch zu ſchießen. Der Frevel 
wurde nicht fogleich ruchbar, weil ein Herr Kellner ihn begangen, - 
und aus demfelben Grunde fonnte der Zorn des Rurfürften, der « 
boch endlich den Streich .erfahren mußte, nicht alsbald zum Aus Ä 
bruch kommen. Indeſſen Taflete das Bewußtſein gleich einer 


KAurfürfi Franz Georg son Trier. 419 


ſchweren Gewitterwolfe auf dem Sünder. Beforgniffen ıber 
peinigendften Art hingegeben, empfing er den Beſuch eines Col⸗ 
legen, den einzig Theilnahme für den Wilddieb führte, Dringend 
rieth der Freund, zu bedenken, wie etwan des Herren Zorn, der 
ſchreckliche vernichtende Zorn, zu befänftigen fein möchte. Das 
Herz erfüllt von den wohlgemeinten Warnungen, hatte der Kell⸗ 
ner den Gaſt faum beurlaubt, und er ließ fein Klepperchen fat» 
ten, um firads den Weg nach dem Rhein einzufchlagen. Zu 
Ehrenbreitftein im Schloffe angelangt, begehrte er dem Kurfürften 
vorgeftellt zu werden. Die Sache fand Schwierigkeiten, um fein 
Geſchäft follte der Reiſende fih ausweifen. „Ich will dem Kur⸗ 
fürften beichten,” dafür, hieß es, hat er feine Gapläne. „Meine 
Sünde kann nur ein Erzbifchof Löfen,” Lange wurde die uner- 
hörte Zummthung beftritten, am Ende dem Fürften vorgetragen : 
er wollte die Beichte hören. „Ich habe,” des Hagt der Sünder 
fih an, „dies und jenes gethan, ich habe auch das Unglück ges 
habt, dem Kurfürften von Trier in feiner Jagd einen feiften 
Hirſch zu ſchießen.“ Der Kurfürft machte ein langes Geſicht, 
fprach die abfolvirende Formel aus, erhob fih mit den Worten: 
„das geb ich dir als Erzbifchof, das nimm von dem Kurfürften,“ 
eine capitale Ohrfeige. Aber die Abfolution war ertheilt, und wag 
burch den Erzbifchof vergeben, konnte ber Kurfürft nicht weiter 
beftrafen. Geborgen zog nach Haufe von Berncaftel der Kellner, 
In gewöhnlichen Fällen der Dienerfchaft, wie ben Unterthanen 
ungemein gnäbig, genoß Franz Georg, trotz ber befchränften Hofs 
haltung , einer wahren Anbetung, und daß er deren in hohem 
Grade würdig, darüber gibt das vollgültigfte Zeugniß ein fehr 
einfichtspoller Beobachter, welcher das Glück gehabt, des großen 
Kurfürften Zeitgenoffe zu fein. Ich verweife auf Abth. 1. Bd. 1. 
S. 589622, und in diefer Abhandlung zugleich auf einen uns 
ſchätzbaren Beitrag für die Sittengeſchichte. 

Alle Geſchäfte gingen durch des Kurfürften Hand, felbft die 
Zufizeollegien mußten wöchentlid oder monatlich ihre Protofolle 
einſchicken, die der Kurfürft nur in feltenen Fällen fich vorlefen ließ, 
regelmäßig aber bis in die fpäte Nacht ſtudirte, ber Prüfung 
der Urtheile und ihrer Motive die angefrengtefte Aufmerffamfeit 

27 * 


420 | Schönbsrnslafl, 


zumendend. Sehr unterrichtet, forderte er von feinen Beamten 


wiffenfchaftliche Bildung : dergleichen dem heranwachfenden Ges 
(hlecht zu fihern, traf er zwedmäßige Einrichtungen, unter 
welchen feine erleuchtete Freigebigfeit für die Bereicherung ber 
Bibliothef der Landesuniverfität ehrende Erwähnung verdient. 
Sie verdankt ibm den beinahe vollfiändigen Beſitz von allem 
bem, was bis dahin über die Gefchichte und das Staatsredt 
von Deutfchland gefchrieben worden. „Franz Georg,“ fo wird 


er von einem Neuern beurtheilt, „befonnen, unterrichtet, beredt, 


ftandhaft, guten Raths voll, befaß die Kunſt, Alles, was von 
ihm abhängig, zufammenzubalten und über den Dingen zu ſchwe⸗ 


ben. Biele Zürften erholten fih Raths bei ihm. Maria The⸗ 


reſia ſchätzte ihn, Friedrich TE. von Preuffen nannte ihn einen 


großen Regenten. Zwei Sleden wirft man ihm vor — den 
ritterfchaftlichen Vergleich und übermäßige Auflagen. Aber man 


bevdenfe auch feine Zeiten.” Bon dem Bergleih war S. 219— 
220 die Rede, die unerhörten Abgaben mußte der Kurfürft mit 
den Efelnamen Simpelfränzchen büßen; ftatt der 15 Simpla, 
fo unter ihm erhoben worden, haben feine Nachfolger 30, wohl 
auch 50 Simpla gefordert. 

Wenn aber Hontheim von Franz Georg rühmt, „excelsa 
hac juxta ac opulentissima domo prodiens, nulla eius ditandae 


euriae anxius, atque a nepotismi studio alienus, nequidquam 


in cam opum infert,““ fo ift diefe Angabe doch einiger Befchränfung 
unterworfen. Der Kurfürft hinterließ in feiner Schatufle bare 


57,185 Rthlr. 11 Alb. 9 Den., in Capitalbriefen 513,416 Gul- 


den, in Forderungen an das Erzftift 120,475 Rthlr. 36°/, Alb. 
Ueber diefen Schag hatte er durch Teflament vom 7. Fan. 1756, 
dann -in* vier Codicillen verfügt. Laut des Teftaments ſollen für 
die abgefchtedene Seele fogleich im Trierifchen 1500, im Worm⸗ 
fiiden 800, im Stift Ellwangen 700, überhaupt 3000 Mef- 
fen gelefen werden, Dann heißt es: „Nachdem wir Unfern 
Erz. und Hochſtiftern Unfere Borforge, Liebe und Wohlthätigkeit 
in veiher Maße während Unferes Negentenamts zu empfinden 


gegeben, wie dann infonderbeit Unſere Churtrierifche Kammer 


und Landſchafft die Merdmahle und Kennzeichen der Gnade und 





Kurfürſt Franz Georg von Trier. 421 


des ſchier ohnbegreiflichen Seegens Gottes anpreiſen koͤnnen, und 
mit Zuſetzung Unſers Eigenthums, gedachte Unſere Ertz⸗ und 
Hochſtifter mit vielerley Wohlthaten bedacht haben”... Dieſem 
Eingang folgt die Erbeinſetzung, lautend auf des Kurfürſten Brüder⸗ 
Söhne, die Grafen Franz Joſeph und Eugen Erwin von Schönborn. 
Schließlich ſagt der Teſtator: „Eines unſerer vornehmſten Anliegen 
iſt, daß wir leidmüthig wahrnehmen müſſen, daß gar viele Pfarrer 
in Unſerm Ertzſtifft ihr prieſterliches Auskommen nicht haben, 
und noch Dazu bey ihrer Nahrungs-Klemme die ſchweren Sim— 
peln zur Landeaffe abgeben müſſen.“ Diefem Uebelftande abzus 
beifen, vermacht er 60,000 Gulden ‚zu entnehmen „aus denen 
-Unferer Churf. Hofeammer zeithero in Geldinangel und Nothe 
füllen vorgeftredten baaren Geldern”, und fol daran jegliche 
arme Pfarrei ihr gebürendes Antheil haben, 
In dem erften Codicill, vom 8. Jun. 1756, worin der Kurs 
- fürft mit dem Hochſtift Worms fich befchäftigt, rühmt er, daß er 
daſſelbe in feinen innerlihen und äußerlihen Berfaffungen forg> 
 ‚fältigft gebeffert, viele Schulden abgetragen, und im Gegentheil 
namhafte Gapitalien angelegt, überhaupt dem Hochftift zum Vor⸗ 
theil, abfonderlich für die Erwerbung des halben Städtchens Neus 
teiningen, über 200,000 fl. verwendet habe; zugleich vermacht 
er den Armen in befagtem Hocftift 100 Dealter Korn und dem 
Hospital Neuhaufen 4000 Gulden, In dem zweiten Codicill, 
son demfelben Datum, deſſen Beflimmungen jedoch lediglich dem 
Stift Ellwangen gelten, zählt der Kurfürft die demfelben ver 
ſchafften Vortheile auf, zu mehr denn 200,000 fl. in barem 
Gelde fie berechnend; um aber auch im Tode mohlthätig zu wer⸗ 
ben, vermacht er alle Borräthe, Die er in des Stiftes Umfang 
binterlaffen würde, Geld oder Naturalien, zu 1/, dem Gapitel 
und der Stiftskirche, zu 1/, feinem Nachfolger und zu ’/, dem 
Seminarium auf dem Schönenberg , Alles nach Abzug von 100 
Malter Korn, die den Hausarmen beftimmt. In einem drits 
ten Codicill, vom 10. Januar, erinnert der Kurfürft, daß er 
vor einigen Jahren, als Domdechant zu Speier, behufs des 
bafigen Dombaues, 40,000 fl. geftenert habe, weiter vermacht 
sr zu demfelben Zwed den ganzen anfehnlichen Borratb von 


422 Schönberuslaft. 


Wein und Früchten, ber aus ben Gefällen ber Domdechanei ihm 


noch zufomme. In einem legten Codicill, ebenfalls vom 10. 
Sanuar 1756, vermadht er in den Dom zu Trier, für ein Jahr⸗ 
gedächtniß, 6000 Rthlr., für dergleichen in den Dom zu Worme 


4000 Gulden, dann an feine Dienerfchaft 14,450 Gulden, wor⸗ 


unter 5000 dem Geheimrath von Spangenberg, 2000 dem ges 
beimen Serretarius Wüft, 3000 dem Leibmedieus von Sailers, 
1000 dem Seeretarius Mähler zugedadit. 

: Gegen das Teftament and feine Beflimmungen war nichts 


einzuwenden, aber der Hoffammer fielen bie 120,475 Rthlr. 
36°/, Alb., welche die Erben ihr abforderten, ſchwer, ja uns 


leidlich. Sie flellte eine Gegenrechnung von 194,896 Rthlr. auf, 
und fuchte diefelde im Wege Rechtens durchzufegen. Im Eins 
gange ihres Klaglibells wird gejagt: „Es haben weiland Frans 
eiscus Georgius, Erzbifchof und Churfürft, jn ihren 26 Regie 
rungsiahren ihre Erzftiftiiche Lande, wie befannt, zwar Tobends 


würbigft regiert, Ihr privatum auch alfo vermehrt, daß Sie, | 


nebft vielen gottfeligen Anordnungen, Yhren Erben eine ber 
reichſten Erbſchaften hinterlaffen,, das erzftiftifche Cameralweſen 
aber dergeftalten verwaltet, daß burd die viele unnöthigen und 
bie jährlichen Kräfte der Cameraleinkünfte weit überfteigenden, 


aus Ihrem privato aber sine consensu capituli zum Belaft der 
Rentcammer hergefhoffene Ausgaben die Nentcammer in einen 
durch die gemeinen fowohl , als canonifhen Rechte verbotenen 
Schuldenlaft zum Nugen ihres privataerarii hat verfeßt werben 
wollen” ıc. Der Zwiſt, Die ganze Regierung. des Nachfolgers, 
des Kurfürften Johann Philipp erfüllend, wurde durch Vergleich 
vom 24. Mai 1771 gefchlichtet, und die Grafen von Schönborn 
erhielten 80,000, ftatt der in Anfpruch genommenen 120,475 . 
Rthlr., indeffen die Hoffammer ihre Gegenrechnung fallen lieg. 


Bon den Söhnen des Grafen Melchior Friedrich von 


Schönborn war der juͤngſte, Marquard Wilhelm, geb. 6. Dee. 


1683, ebenfall8 dem geiftlichen Stande gewidmet. Domberr zu 
Trier, Bamberg, Eichftädt und Speier, bat er nachmalen „bie 


Würde eines Dompropftes zu Bamberg, Würzburg und Eich⸗ 


ſtädt in einer Perfon beynahe ein halbes Jahrhundert vereinigt, 


— 





Die Grafen von Schönborn. 425 


und fich fehr viel Ruhm erworben”. Er ftarb den 6. März 1770. 
Durch fein Ableben wurden mehr als 20 der.50 fogenannten 
Obleien, Heinere, bei der Kirche von Bamberg beftehende Pfrüns 
ben, erledigt... Die Familie wurde fortgepflanzt durch feine beiden 
Brüder, Rudolf Franz Erwin und Anfelm Franz. Anfelm Franz, 
geb. A. Yun, 1681, k. k. Kämmerer und Geheimrath, General 
ber Cavalerie, auch des oberrheinifchen Kreiſes commandirender 
General und Obriſt eines Infanterieregiments, farb den 10. Zul. 
1726. Seine Gemahlin, die Gräfin Maria Terefa von Mont» 
fort, die als Wittwe zu Heufenftamm refidirte, hatte ihm drei 
Söhne geboren, von denen doc der einzige Eugen Erwin, geb. 
27. Zan, 1727, die Kinderjahre überlebte. K. K. wirklicher 
Geheimrath und Kämmerer, des goldenen Bließes Ritter, Obrift- 
Erbtruchſeß in Deftreich, befaß diefer, außer Schönborn, die 
ebenfalls in dem Biertel Unter-Manharbeberg belegene Herrfchaft 
Veyerburg und die Herrfhaft Mautern, V. O. W. W. beides 
Erwerbungen feines Oheims, des Fürftbifchofe Friedrich Karl, 
die durch ihn felbft 1766 angefaufte Herrſchaft Roſſatz, unmeit 
Mautern, endlich Heuſenſtamm, und die große ungrifche Herr⸗ 
fhaft Munkats. Diefe war feinem Obeim, dem Grafen Rus 
bolf Franz Erwin von Schönborn, aus der Confiseation des 
Fürſten Rakotzy von Kaiſer Karl VI. verliehen worden, fie fcheint 
aber durch Uebereinkunft der öftreichifchen oder ungrifchen Linie 
überlaffen worden zu fein. Wenigftens bat Eugen Erwin zu 
Munfats „viel ſchöne und nüglihe Anftalten befördert. Unter 
andern befindet ſich allbier eine Strumpffabrif, und eine anſehn⸗ 
lihe Pferbeftuterey. Ueber den fchnellen Latorzaflug hat erſt⸗ 
gedachter Graf 1782 auf eigene Koften eine Brüde von 14 Joch 
erbauen laſſen, welche fowohl fürs Kommerzwefen als für bie 
militärifchen Durchgüge überaus bequem ift. Ihre Länge beträgt 
110, ihre Breite 6 Klafter.” Die gewöhnlichen Folgen folcher 
Berbefferungen find au für Deunfats nicht ausgeblieben. Die 
Herrfhaft ertrug im erften Viertel des 18. Jahrhunderts 50,000 
Rthlr. jährlich, in den 90er Jahren war dieſes Einkommen 
auf 40,000 Gulden in Papier berabgefunfen. Der Graf farb 
ben 25. Jul. 1801, kinderlos in feiner zweiten Ehe mit ber 


424 Schönborns luſt. 


Gräfin Maria Tereſa von Colloredo, während in ſeiner erſten 


Ehe mit einer Prinzeſſin von Salm-Salm nur Töchter geboren 


— — —— — —— 


worden. Vermöge der Hausgeſetze fielen die Guͤter an die ältere 
oder fränkiſche Linie, deren Begründer, Graf Rudolf Franz Er» | 
win, den 23, Oct. 1677 geboren worden. Domicellar zu Trier, | 


trat Diefer als Kämmerer und Reichöhofrath in Faiferliche, ald Vice⸗ 
dom zu Aſchaffenburg in furmainzifhe Dienfte. Kurmainzifiher 
wirffiher Geheimrath feit 1707, Ober-Hofmarfhall und Ober: 
Kämmerer, ging er 1710 als Gefandter an den Hof zu Dres 
den. Kaifer Karl VE. ſchlug ihn bei feiner Krönung 1711 zum 
Ritter des beit, römischen Reihe. Im J. 1713 wurde er kaiſer⸗ 
licher Geheimrath, ſodann Furmainzifcher ObriftsHofmeifter, end» 
lich k. k. wirflicher Geheimrath,, wogegen er die furmainzifichen 
Dienfte aufgab. Ritter des goldenen Vließes feit 1731, ftarh 
er den 22. Sept. 1754. Er hatte fihb im Nov. 1701 mit bes 


Grafen Johann Otto von Dernbach Wittwe, mit der Gräfin : 


Maria Eleonora Charlotte von Hagfeldt verheurathet. Des erften 
Gemahls Finderlofe Wittwe, ward fie deſſen alleinige Erbin, und 
bat fie die im fränfifchen Kreife belegene Reichsherrichaft Wie- 
fentheid, weiland einer Linie der Fuchs Befistbum, dann die 
große Herrſchaft Arnfels, in dem Marburger Kreife der Steier- 
marf, und die Herrichaft Watdenftein, in Dem Klagenfurter Kreife 
von Kärnthen, dem Grafen von Schönborn zugebradht. An 
Schloß Waldenftein haftet eine tragifche Erinnerung. Der Bire- 
dom in Kärnthen, Peter Philipp von Dernbach, freite an einer 
von Herzfeld, die aber dem jugendlich fhönen Kornet Peter Ed: 
hard son Pedern den entfchiedenften Vorzug gab... Der Kornet 
gefiel au andern Damen, infonderheit einer Frau von Polheim, 


— — — — ——— — —— — —— — — — — — — — — En — —— — — — —— 


die, ſonder Zweifel, kein Geheimniß aus ihren Empfindungen 
machte, für ihr Geſtändniß aber eine ungemein froſtige Aufnahme 
fand. Des Weibes beleidigte Eitelkeit verbündete ſich mit der 
Eiferſucht des Vicedoms zum Verderben des argloſen Kornets. 
Dernbach ließ ihn auf offener Landſtraße durch feine Bauern 
greifen und nach dem Schloffe Waldenftein unweit Wolfsberg 
bringen, wo der Hungertod feiner wartete. Noch vor wenigen 
Jahren fand aufrecht das Verließ, diefer Unthat Schauplag, 


Pie Grafen von Schönborn. 423 


gleihwie lesbar geblieben die von dem ſterbenden Kornet der 
Wand eingekratzte Inſchrift: 
O Richter! richte recht! | 
Du bift Herr, und ich dein Kuecht. 
Wie du wirft richten mich, 
Eo wird Gott richten dich. 
Peter Eckhard von Pedern, Kornet. 1669. 

Der Graf von Schönborn war in feiner Ehe ein Vater von 
neun Kindern geworden, Eine Tochter, Anna Katharina Sophia, 
"wurde an den Marquis Franz Anton von Hoensbroech verheus 
rathet, eine andere, Eva Terefa Amalia, feit 1736 Aebtiffin des 
Damenftiftes zu St. Anna in Würzburg, feierte ihr Jubiläum 
1786, und ftarb den 14. Nov. 1794. Der jüngere Sohn, Mel: 
chior Friedrih, Domeuftos zu Mainz, Domperr zu Bamberg und 
Würzburg, Propft zu St. Alban in Mainz, und ber bafigen 
Univerfität Rector Magnificentissimus , furmainzifcper und fur= 
trierifcher wirklicher Geheimrath, geb 14. März 1711, ftarb zu 
Bürzburg, 1. März 1754. Der ältere Sohn, Franz Joſeph 
Bonaventura, k. k. Kämmerer und Reihöhofrath, furmainzifcher 
wirklicher Geheimrath und Bicedom zu Afıhaffenburg, auch fürftl. 
würgburgifcher Geheimrath und Oberamtmann zu Kigingen, geb. 
8. Jul. 1708, vermählte fid) den 30. Aug. 1736 mit Bernhars 
dina Maria Sophia Gräfin von Plettenberg, und farb zu Würz« 
burg, 24. Jan, 1772. Es überlebten ihm zwei Kinder. Die 
Tochter, Bernhardina Terefa, geb. 13. Sept. 1737, verm. 22, 
Nov. 1774 an den Fürſten Franz Philipp Adrian von Hapfelbt, 
Wittwe 5. Nov. 1779, farb den 7. April 1780, Der Sohn, 
Graf Damian Hugo Erwin Zranz, F. k. Kämmerer und wirfs 
licher Geheimrath, Regiments-Burgmann zu Friedberg feit 1804, 
des St. Joſephsordens Ritter und des Malteferordeng Ehrenritter, 
geb. 37. Det. 1738, wurde von feinem Neffen, dem Fürften 
Friedrich Kajetan von Hatzfeldt, 1794 zum Erben eingeſetzt, 
ohne doch in dem um das Teftament erhobenen Rechtsſtreit das 
Fürſtenthum Trachenberg behaupten zu können. Dagegen find ihm 
bie Hatzfeldtiſchen Allodialherrſchaften Dlaſchkowitz und Unter-Lufas 
werz in Böhmen geblieben, er hat auch 1784 das Gut Prichowitz, 
in dem Klattauer Kreife von Böhmen erfauft, endlich 1801 dag 


426 Schonbsrusluſt. 


ausgedehnte Beſitzthum der öſtreichiſchen Linie ſeines Hauſes ge⸗ 
erbt. Er ſtarb den 29. März 1817, nachdem er in ſeiner Ehe 


ua — 


mit ber Gräfin Marianne von Stadion-Thannhauſen, verm. 


27. Zan. 1763, ein Bater von acht Kindern geworden. Die | 


einzige, zu Jahren gefommene Tochter Sophia Terefa, würde 
1788 an den Grafen, nacdhmaligen Fürften von der Leyen 


(Abth. I. Bd. 2. ©. 606 und 609) verheurathet. Die drei 
Söhne, Franz Philipp Joſeph, Erwin Franz Damian und 


Friedrich Karl flifteten jeder eine Linie. Dem älteften, geb. 





14. Sept. 1768, hatte der Bater gleich nad ihrem Anfall die 


öftreichifchen und ungrifchen Herrfchaften abgetreten, und ift ders 
felbe, Graf Franz, FE Geheimrath und Kämmerer, Obrifts 
Lieutenant in der Armee, des Erzherzogthums Deftreich ob und 
unter der Enns Obrift-Erbtruchfeß, des Beregher Comitats Erb⸗ 
obergeſpan, in feiner Ehe mit der Gräfin Sophie Antonie von 
der Leyen Bater einer zahlreihen Familie geworden. Er ftarb 
im 3. 1841. Der Stammbhalter in der Linie zu Wiefentheid, 
Graf Erwin Franz Damian, geb. 7. April 1776 und feit 26. 
Sul, 1802 mit der Gräfin Ferdinandine von Weſtphalen ver- 
heurathet, „ein Mann von großer Bildung bes Geiftes und 


Herzens und feiner Kunftfenner, widmete ber befannten vortreffe | 


lichen Gemälbefammlung zu Bommersfelden, fo wie der beſonders 
an Handfchriften reihen Bibliothek zu Gaibach, eine befondere 
Sorgfalt, und fammelte auch zu Reichardshaufen im Rheingaue 
— des Grafen Lieblingsanfenthalt in den legten Jahren feines 
Lebens — vorzügliche Gemälde. Bekanntlich ließ er im Garten 
des Gaibacher Schloffes zum Gedächtniſſe der Berfaffung Bayerns 
eine 90 Fuß hohe cannelirte, doriſche Säule errichten und grüns 
dete Schiller ein Denkmal, wozu Danneder feine coloffale Büfte 
bes großen Dichters wiederholte.” Der Graf flarb den 5. Den, 
1840, Ihm überleben mehre Söhne, Graf Friedrich Karl, 
der Inhaber des in Böhmen neugebifdeten Fideicommiffes, wozu 
außer den Herrfchaften Unter-Lukawecz und Diafchfowis, Prices 
wis und das 1807 angefaufte Maleſitz gehören, erfaufte 1818 
das, gleichwie Malefig, im Klattauer Kreife belegene Allodialgut 
Luſchan und flarb den 24. März 1849. Verm. 12. Mai 1811 


— — — — 





Die Grafen von Schänborn. 4927 


mit Anna Maria von Kerpen, der am 13. Nov. 1784 in Cob⸗ 
lenz gebornen Tochter einer wunberfchönen Mutter, Abth. I. 
Bd. 2, S. 385, hat er in foihaner Ehe den einzigen Sohn 
Erwin gewonnen, 

Zu der vormaligen Reihsherrfchaft Wiefentheid, die in ber 
Reichgmatrifel mit einem Anſchlag von A Gulden für einen 
Römermonat bedacht, gehörten ganz oder theilweife Die Ortfchafe 
ten Kirchſchönbach, Jankendorf, Azhaufen, Schwarzenau, Abts 
Ihwind, Michelbach, Ober-Sambach, Dingolshaufen und Ges⸗ 
dorf. Bedeutender noch ift die Herrfchaft Gaibach oder Zeilitz⸗ 
beim, auf dem linfen Mainufer, zwifchen Volkach und Gerolds⸗ 
bofen. Kurfürft Lothar Franz von Mainz hat das Schloß zu 
Gaibach angelegt, feine Berfchönerung dem Fürſtbiſchof Fried- 
ih Karl überlaſſen. Des Prachtichloffes zu Pommersfelden 
it S. 203 gedacht worden. Die Bildergallerie enthält viele 
Stüde von ausgezeichneten alten Meiſtern, fol jedoch, gleich— 
wie das Schloß, in der neueften Zeit einigermaßen vernach⸗ 
läffigt werden, Rabeneck und Rabenftein, S. 213, mit ihren 
Dependenzen, bilden das fehr ‚bedeutende Amt Weiher, Das 
Amt, weilend Landgeriht, Krombah, am Speffart, in dem 
Aſchaffthal, wurde 1666 erworben, und hat zu feinem Amts 
fit das Schloß Weiler. Dazu fommen noch, außerhalb ber 
Grenzen Frankenlands, die Herrfchaften Arnfels und Walden« 
flein, dann bedeutende Güter im Rheingau, dergleichen 5. B. 
das vormalige Klofter St. Georgenclaufe, oder die Elaufe ſchlecht⸗ 
weg, unter dem Johannisberg, und ift den Befigungen in Hatten 
heim wichtige Vergrößerung geworden durch den Anfauf der vor⸗ 
maligen Propftei Reicharbshaufen. Das gleichnamige Schlößchen 
‚bat Graf Erwin ungemein verfchönert, auch darin eine Gemälde» 
fammlung, durchaus nur Schöpfungen moderner Meifter enthals 
tend, angelegt. Wie man in Belgien den Reichthum der Gros 
ben nach der Zahl ihrer vollfländig meublirten Schlöffer, infons 
derheit nach der Zahl der darin aufgeftellten Betten berechnet, 
fo gibt im Rheingau die Zahl der in die Weinberge führenden 
Thüren einen Mansftab für die Beurtheilung des Umfanges ber 
einzelnen Befigungen. Das Schönbornifhe Eigenthum zu Hats 





420° Schöndoruoluſt. 


tenheim, nach feinem heutigen Umfang, begreift 16 Thüren. 


Dagegen iſt mit der Abtretung des linken Rheinufers an Frank⸗ 
reich Bedeutendes, Waldhilbersheim, das Gut zu Heppenheim 
bei Alzei, ſo Georg von Schönborn mit Maria Barbara von 
der Leyen erheurathete, S. 157, die zwei Häuſer zu Mainz u. ſ. w. 


verloren gegangen. Die Herrſchaft Martinſtein, die ſeit 1659 


der Schönborn vollftändiges Eigentbum geworden, hatten Kur⸗ 
fürft Lothar Franz von Mainz und fein Bruder, Graf Melchior 


Friedrich, am 7. Aug. 1716 um 25,000 Gulden an Baden vers : 
fauft. Zu ber Herrfchaft gehörten Martinftein, Schloß und - 
Thal, an der Nahe, Weiler, Seßbach und Horbad. Die Oeſt⸗ 
reichifhe oder ungriſche Linie befigt Schönborn, Weyerburg, 
Mautern, Rofag, die Herrfhaft Munfats und Szent Miklos, 
yon 40 Meilen, daß fie demnach beinahe 2/, der Beregher 
Geſpannſchaft einnimmt, endlich Heuſenſtamm bei Frankfurt. Die 


Herrschaft Munfars hatte Kaiſer Joſeph MH. im J. 1788 durch 
ben Fiscus vindiciren und einziehen laffen, fte wurde aber laut 
Reichstagsbeſchluß von 1791 dem gräflichen Haufe wiedergegeben. 
Seitdem hat der Herrfchaft Einfommen bedeutend fich gehoben, und 
wurde baffelbe 1815 zu 600,000 Gulden Papier berechnet. Graf 


un ——— — — — nn 


Erwin verfügte, nachdem er zum Beſitze der böhmiſchen Herr- 


fhaften gelangt war, über ein Einfommen yon mehr denn 200,000 
Gulden, wozu die Güter in Franken mehr als die Hälfte beitrugen. 
Durch den Anfauf der gräflich Stadionifhen Hallburg, am Main, 
bei Volkach gelegen, mit dem fchönen Gut, hatte der nämliche 
Graf eine fehr vortheilhafte Erwerbung gemacht. 


Zu wiederholten Malen ift in dem vorſtehenden Abfchnitt | 


der Unterfchied zwifchen wirffichen und unwirklichen Geheimräthen 


befprohen worden. Wie er mir felbft nicht ganz deutlih, fo 
fönnte er zumal in fremdem Lande, wenn anders mein Bud) dahin 


gelangen follte, verfannt werden. Ich will verfuhen, in einem 


Gleichniß mir und andern ihn zu verfinnlichen. Im J. 1834 


wurde viel von einer großen deutfhen Republif gefprochen, und 
namentlich in einer zahlreichen Befellfehaft der dem Oberhaupt 
diefer Republik zu gebende Titel in Erwägung gezogen. Die 


Benennungen Conful, Dirtator, Archont, Präfivent, Protector, 


Wirklicher Geheimer ®ber-Wolhsvertreter. 429 


kamen nach einander in Vorſchlag, wurden aber alle von wegen 
der fremden Herkunft verworfen. „Nennt ihn,“ ließ endlich eine 
Stimme ſich vernehmen, „nennt ihn Wirklicher Geheimer Ober⸗ 
Volksvertreter. Der hat unter ſich Geheime Ober-Volfsvertreter, 
Dber:Bolfsvertreter, Bolfsvertreter, Vertreter, Treter, auch resp 
die Ge⸗, Ver⸗ und Zertretenen.” Raufchender Beifall Iohnte einem 
Borfchlag, der zugleich eine ſyſtematiſche allgemein faßliche Claſ⸗ 
fification des gefamten dDeutfchen Volkes aufftellte, gleichwohl ift 
für den eben damals in dem Franffurter Putfch angeftellten Vers 
ſuch der Republik, ftatt des Wirflihen Geheimen Ober-Volfe« 
yertreters ein Dictator beliebt worden. Den Namen des Ausers 
wählten habe ich vergeffen, der Mann bleibt mir unvergeßlich, weil 
er, durch das Mißlingen der Revolution nah der neuen Welt 
getrieben, dort zum Degen griff, und in einem Gefecht mit den 
Wilden fein Leben und vielleiht dem Sealp feinen Schädel 
ließ, folglih von allen Führern einer Empörung, fo viel mir 
befannt,, der einzige gewefen ift, feine Haut gegen den Feind 
zu wagen, | 


St. Sebaftian-Engers, Kahl-Engers, Urmütz, 
der Gute Manı. 


Bon Schönbornsluft führt ein Fahrweg nad dem Rhein⸗ 
. dorf St. Sebaftian-Eingers, fo von Keflelheim '/, Stunde ents 
legen, durch den Strom von Bendorf gefchieden wird. Im J. 
1784 zählte St. Sebaftian-Eingerg, im gemeinen Leben Baftianeg, 
ber frühern Jahrhunderte ObersEngers, in 39 Häufern 66 Bürs 
ger- und 9 Wittwen, überhaupt 312 Menfchen, deren doch nad). 
der neueften Aufnahme 634. Ungemein fruchtbar iſt die Mars 
fung, wiewohl fie Ueberſchwemmungen ausgefest. Der Wein 
bau, der niemals bedeutend geweſen, wurde vor der Mitte des 
18. Zahrhunderts aufgegeben. Höfe befaßen im Orte die Kars 
thaufe und die Deutſchordens-Comthurei Eoblenz, auch war ein 
guter Theil der Länderei der Karthaufe, dem Grafen von Baf- 
fenheim und denen von Umbfcheiden zinspflichtig. Eine jede die— 


40 St, Sebaflian-Engers. 


fer Herrfchaften beftellte einen Vogt, deſſen Verrichtungen fid 
auf die Erhebung der von den Höfern, den Inhabern der zins⸗ 
baren Güter, zu entrichtenden Abgabe befchränften. Diefe betrug, 
für jeden der Baffenheimifchen Höfer, 1 Sefter Hafer, und 
mußten außerdem bei Sterbfällen 5—6 Gulden Kurmuth, zu Wels 
her auch die Umbſcheidenſchen Höfer verpflichtet, erlegt wer⸗ 
ben. Die Jagd ‚gehörte zum Furfürftfichen Gehege, nachdem 
ber Graf von Baffenheim für die Mitfagd anderwärts entjchäs 
digt worden, zur namhaften Erleichterung für feine Höfer, die 
verpflichtet gewefen, Hundeflällfe zu halten. Der Salmenfang, 
für den die Rage befonders günftig fein. fol, wurde von ber 
Hoffammer verpachtet. Die Kirche, auf einer Erhöhung, welche 
von der Nachtsſchifffahrt als Leuchtthurm benugt wird, belegen, 
"wurde 1788— 1789 von den Zehntherren Rommersdorf und Graf 
Eltz, jeder zur Hälfte, neu erbaut, iſt zu Ehren des h. Ses 
baftianıs geweihet, und hat nur einen Altar, während in der 
vormaligen Kirche der Hochaltar U. Lieben Frauen, der zweite 
dem h. Sebaftian, deffen Reliquien auch darin eingefchloffen, der 
dritte der h. Anna geweihet geweſen. Kine Sebaftianus-Brubder- 
fhaft bei diefer Kirche kommt ſchon in dem Testen Biertel des 
16. Jahrhunderts vor; und führt alljährlih, am Sonntag nad 
St. Rochus, die Marianiſche Sodalität aus Koblenz nach dieſer 
Kirche eine Proceffion. „Im Jar 1609, den erflen Sonntag 
-in der Faften, hat diefe Sodalitet oder Bruderfchafft angefangen, 
in Zal acht oder zehen Perfonen. Den A. Juli jegermelten Jars 
1610, welcher der ander Tag nach Fisitationis Mariae, ift die 
gantze Sodalitet auff Bornhoven gewallfahrt daſelbſten fie ein 
dreypfündige Wachsferg geopffert.” Diefe Wallfahrt wurde ſeit⸗ 
dem von Jahr zu Jahr. wiederholt. „Den 16. Jugusti 1612 
find die Sodales wallen gangen auff Baſtian Engers, daſelbſten 
bas Ampt ber h. Meß angehoret, und zu Ehren des h. Rod, 
beffen Feft ware, ein gweypfündige Kertz geopffert, welche anderts 
halben Gulden koſtet. Dig Geldt hat der Praefeetus, M. Mars 
tin Artzt der Sodalitet gefchenft.” 
Dem neuen Magiftrat der Bruderfchaft „neben der Hochge⸗ 
lobten Jungfrawen zu Ehren iſt den 2. Februarü 1615 von 


Der Eoblenzer Bittfahet. a5 


zwey Zungen gefellen, Peter Runen und Heinrich. Seibel, ein 
ziemlich langes Gefpreh, Reimenweiß Iöblich recitiret, und von 
einem Andern gleicher Weiß der Magiftrat gegrüßet worden. Den 
18. Augusti 1615, Sonntags nach unfer Frawen Himmelfahrt, 
it der vor acht Tagen erwölter Magiſtrat nach gewönlichem ber 
Spdalitet Gebett, proclamirt. Hierauff ift alfobaldt gefelgt, auff 
einem Theatro zwey Schuh hoch, ein Action, gefteldt in Reimen 
auff die Hiftory von einem jungen Graffen, fo von der Mutter 
Gottes por ewiger Verdammniß bewahret, dba fie ihm erlangt, 
wieder zu Fehren zum Leib, und Buß zu thun, dieweil er Ihr 
täglich einen ganzen Rofenfrang zu beiten pfleget. Wirdt bes 
fihrieben von Cantipratensi umbs Jahr 1250. Hat fo wol ges 
fallen, das hefftig angehalten worden, daß man fie auf dem 
Rathhauß Tiege wiederholen, welches aus Urfachen abgefchlagen. 
Den 9. Septembris 16183 haben unfere Sodales glüdlih ihre 
: Action yon dem Homobono , heiligen Kaufmann , Sremonenfer 
Burger, gehalten, in dem großen Schulenfaal, darin ein groffe 
Menig Weibs- und Mannsperfonen füglich fönnen zufehen, alfo 
daß noch Play überblieben, Die Actores feindt faft gelobt wors 
ben. Doc hat e8 an der Muſie gemangelt, welche, da fie am 
nöthigften, ausgeftanden, Unfer Sodalitet hinfüro zu einer Wars 
nung , daß fie nit eines jeden, auch Geiftlichen, Verheißung zu 
viel trawen ſöll, fonder zu feiner Zeit gewiffere VBorfehung thun. 
„sn dem Jahr 1630 hat die Sodalitet fehr angefangen zu 
wahfen, alfo daß Herren eingefchrieben worden, welche fonften 
niemahfen Begierd gehabt, fi zu ben Bürgern zu begeben, 
Anno 1632 hat der Herr Johann Roſenbaum das fehön filber 
chryſtalline Creutz, welches er der Sobalitet der Herren, in wel« 
cher er zuvor geweft, gefchendt, nun auch allzeit zum behuff und 
gebrauch der Burger Sopalitet gegeben, fo oft fie folhes von 
der ander Sobalitet werden begehren. Er ift aber zu den Bür⸗ 
gern fommen, weilen die Herren fehr unfleißig erfchienen. Bey 
Erfferung des Magiftrats, in festo Purificationis 1633 ift in 
aula ein Tragödi von den Rhetoribus im Saal gehalten worden 
de hospite perjuro, den ber Teufel wegen des falſchen Schwurg 
weggenommen. Mit guter Satisfartion- alles wohl abgangen, 


45% | St. Bebaflien-Engers, 


den Stubenten 2 Biertel Wein verehrt.” Bon 1633 an find von 
wegen ber Kriegsläufte die Wallfahrten unterblieben, und nicht 
ebender denn. 1640 wieder aufgenommen worden. In befagtem 
Sahr haben fi zu der Bornhofer Proceffion an 500 Bittfahrer 
eingefunden, ift aber dabei „ein ziemblicher defectus gefpührt 
worden, Erftlich zwar, weilen dag Frawenvolck nit wol zu diri⸗ 
giren. S. Rochi more consueto. 


„Am Feſt S“ Rochi 1644 ift die Procefftion zur Abwendung : 
ber Peſt nah St. Sebaftian Engers angeftellt worden. Des 
‚Morgens um 6 Uhren feindt wir mit der Sobdalitet ausgangen, 


und den Studenten nachgefolgt, die Kahn fambt dreyen Kergen 
Cigliche von einem Pfundt) feindt den Sodales vorgetragen wor: 
den. Zu Keffelheim, alwo Sant Rochus Patron, feindt wir in 
bie Kirch gangen, bie eine Kertze alda auffgeopffert, dag Lied 
yon St. Raphael Ctröft die Betrangten) gefungen, darauff hat 
unfer Pater den Verſicull, Justum deduxit, Das vobiscum, und 
bie befondere Collect von St. Rochus gefungen, und alfo feindt 
wir nad) St. Sebaftian Engers fortgangen. Alda hat unfer 
Pater die Meff gefungen, in ber Meſſ feindt alle zum Offertorio 
gangen. Nach der Meff hat man ein halbe Stund gerubet, 
davon das Bold zuvor ermahnet, daß man zum Uffbruch würde 
zivey Zeichen geben, eins zur Verfammlung nad) der Kirchen, 
das ander zum Uffbruch, aber der meifte Theil haben der Zeit 
nicht erwarten wollen, fondern haben vor der Prozeffion her 
nad) Hauß geeilet, welches geſchehen, theils weil fein Brodt 
noch Wein vorhanden, theils weit fi gefürdtet haben, es möcht 


— — — — —— — — —— — — — 


regnen. Umb 12 Uhren ſeindt wir wieder zur Stadt kommen, 
und die Gaſſen ordentlich nad unſer Kirchen zu gangen, alda 


O salutaris hostia, Defensor, und die Collect von S! Roche 


gefungen, zulegt Tantum ergo, und mit dem Venerabili die Ä 


Denediction geben worden. 
„Aldiweil in dem Jahr 1647 der Oberſte Lucas Spick uff 
ber Beftung mit der Stadt flreittig gewefen, ift die Sodalitet 


nit naher Bornhoven gangen, Anno 1666 feind die gewöhns 
liche processiones nacher Bornhofen wegen einfallender Pet an 
andern Drten, als zu Reeß, nicht gehalten worden. Die pro- 


- 


oo Der Coblenzet Bittfuhtt. 453 


cession naher Keffelheim und Sebaftian-Engers mit Zufauff der 
ganger Stadt gehalten worden. Im Augusto 1667 ift die Peft 
in bie Stadt fommen, dardurch auch die procession naher Kef- 
felheim ete. eingeftellt worden, Anno 1668 ift bie procession 
naher Bornhofen und Keſſelheim wegen graffirender Peſt in der 
Stadt Koblenz nicht gehälten worden, fo auch continuiret big 
in das Jahr 1669, do ſelbige fich geftillft auff das Gelübd, dem 
h. Sebastiano ein Capell zu bauen. _ Sexta Ibris 1672 ince- 
perunt Galli urbem hanc circa oclavam matulinam quatere 
tormentis, et die sequenti seu 7. Nov. quae erat Dominica, 
globis igneis, bombis, carcassis etc. ila, ut versus pontem, por- 
tam Lyranam et circumeirca templum Br”. Virginis omnes 
ferme aedes, gymnasium una cum aula sodalitatis in cineres 
redaeta fuerint, neque ulla sodalitas haberi potuerit usque ad 
initium novi anni.“ Im J. 1762 feierte die Bürger-Sobdalität 
ihr Yubilällm Die Wallfahrten werben alljährlic bis auf den 
heutigen Tag fortgefest, und bietet gelegentlidy derfelben das Dorf 
St. Sebaftian-Engers einen ungemein lebendigen und freundlichen 
Anblick, zumal wenn nad) dem Amt die Broceffion fich für eine kleine 
Stunde auflöfet, um den Kaffee zu kochen, oder in anderer Weife 
fih zu laben. Sie geht aber nicht mehr, wie vordem, von ber 
efuitenfirche, fondern von St. Barbara aus, wo aud die So⸗ 
balität feit Jahren ihren Gottesdienſt abhäll. 

Heinrich, der Abt von Rommersborf, erwarb für fein Klo⸗ 
fer, zugleich mit einem Hofe in St. Sebaſtian⸗Engers, das Pas 
tronat der dafigen Kirche, fo aber im Laufe der Zeit an bie von 
Iſenburg gefommen zu fein fcheint, denn am 18. Mai 1575 
brachte die Abtei Rommersdorf, taufchweife gegen die Capelle 
zu Ober-Bieber, von Graf Johann von Wied den Kirchenfag 
zu St. Sehaftian-Engers an fih, wie fie dann auch ſeitdem Die 
Pfarrei regelmäßig mit einem ihrer Capitularen befegte, Auf Ab⸗ 
fterben des erſten mir befannten, des P. Metzelius, wird zu deſſen 
Nachfolger ernannt, 16. Aug. 1626, Eberhard Hudelum, In 
ber gleihen Würde erfcheinen, 26. Aug. 1641 Nicolaus Simonis 
prof., und 21. Januar 1657 Jacob Königsfeldt. . Kaspar Balve, 
ernannt 31. März 1686, wurde abgerufen, an feine Stelle den 


Rhein. Antiquarius, 3. Abth, 2. Bd. 28 


As D. Sebaflian-Engers, 


11. Mai 1694 Philipp Rospath geſetzt. Dieſes unmittelbarer 
Nachfolger, Ehriftoph Leyen wurde ebenfalls abgerufen, Friedrich 
Maag, inftituirt 8. Dec. 1708, flarb den 30. Nov, 1719, und 
zum andernmal trat Philipp Rospath ein, durch Ernennung vom 
7. Dec. 1719, er faß aber fein volles Jahr, denn ed wurde den 
2. Dec. 1720, an des verftorbenen Rospath Stelle, Norbert 
Elberkirch, Prof. eingeführt, 12. März 1736. Nach deffen Abs 
fterben wurde Philipp Klein, ebenfalls Prof. zu Rommersdorf, 
inftituirt. Er refignirte den 22, Mai 1756. Sein Nachfolger, 
Hermann Zofeph Rnödgen, Prof., nahm Befig den 22. Dat 


1756, und fland noch 1794 im Amte, Er berechnete im 3. 1785 
fein Einfommen zu beiläufig 250 Rthlr., nämlich aus dem Zehn⸗ 
ten 40 Malter Korn, 3 Malter Weizen, 2 Malter Gerfte, 4 - 


Malter Erbfen und Linfen, 100 Mannen Kartoffeln, aus dem 
Opfer 71, Rthlr., aus den 36 Anniverfarien 26, aus den 


Stolgebüren 6 Rthlr. Um 1720 that der Zehnte überhaupt 60 
Malter Korn, dann, in guten Jahren, 2 Ohm Wein. Davon 
bezog der Paftor die Hälfte, in die andere Hälfte theilten ſich 
Rommersdorf und Graf Eis. 

Es ift ein Irrthum, dag St. SebaftiansEngers, der vordem 


Iſenburgiſche Ort, zugleich mit RunofteinsEngers an Trier ges : 


fommen fei. Sn dem Friedensvertrag vom 25. April 1371 wird 
von Wied nur das Dorf und Gericht von Engers famt Zugehör 
abgetreten, Feinesiwegs aber St. SebaftiansEingers genannt, viels 
mehr ift erft in fpäterer Zeit St. SebaftianEngers dem Gericht 


— MD mn 


nu. 


in Engers zugetheilt worden. Am 22. Yan, 1363 hatte Arnold von 
Kettig mit Willen feiner Hausfrauen Lufard dem Erzbifhof Kuno 
von Trier 35 Malter Korn- und 35 Hühnerzinfen zu Ober-Engers 
aufgetragen. Am 25. Juni 1416 verfauft Arnold von Kettig, : 
Wäpeling, mit Willen feiner Töchter, der an Gerhard Husmann 


verbeuratheten Bela, und der Stina, die zu Dierflorf Nonne, 


an Johann yon Naftetten, Bürger zu Coblenz, um 400 ſchwere 


rheinifche Gulden feine Bogtei und all fein Gut in Gericht und 
Pflege, Dorf und Mark Ober-Engers. Im J. 1442, den Tag 


— — 


nach Chriſti Himmelfahrt, verkauft Katharina von Koverſtein, 
Wittwe, eheliche Tochter von Dietrich Roſt von Dernbach ihren 


Spinolas Hauptquartier. | 435 


Hof zu Ober-Engerd um 350 gute oberländifche Gulten an: 
Baumeifter, Momper und Geſchworne des Gotteshaufes Unfer 
Lieben Frauen zu Haufenborn. Am Sonntag nad St. Antonien 
1443 m. Trev. empfängt Clas von Kettig von Erzbifhof Jacob 
von Trier die Belehnung über den Thurm zu Kettig und den 
Hof zu fent Sebaftianus Engers, wie fein Bater die empfangen, 
wie fie auch nachmalen 1532 dem Konrad, Joachim und Anton, 
1542 dem Konrad von Kettig geworden. 

Sehr lebhaft war es zu Engers in der zweiten Hätfte des 
Aug. 1620. „Unter ſolchen Dingen hat Marggraff Spinola ſich 
vollends zum Feldzug fertig gemacht, den 8. Auguſti von Ertz⸗ 
hertzog Alberto den Abſchied genommen, und zu Verwahrung 
der Lande gegen Printz Moritzen von Uranien Ludwigen von 
Velaſco mit einer Kriegs⸗Armada von 15,000 zu Fuß und 3000 
zu Roß hinterlaſſen, das andere Volck, in 25,000 zu Roß und 
Fuß hat er von allen Orthen anziehen, und auff Cobolentz zu 
Waſſer und Land marchiren laſſen, mitführend eine ſolche Kriegs⸗ 
bereitſchafft von grobem Geſchütz, Wägen, Nahen, Mühlen, 
Küpffernen Back⸗Ofen, Pulver, Lunten, Kugeln, Schüppen, 

Hauen, Leytern, Wurffbrücken, und was zum Krieg zu erdencken, 
beladen, beneben einer ſolchen Bahrſchafft an Geld, dergleichen 
niemalen in Niederländiſchen Zügen beſchehen. Zu ſeiner An⸗ 
kunfft hat er zu Cobolentz eine Brücken bauen laſſen, allda über 
"den Rhein geſetzt, zu St. Sebaſtian⸗Engers das Hauptquartier 
genommen, und da aus Ertzhertzogs Albert Schreiben an Lands 
graff Moritzen zu Heffen und andere Fürften und Stände abge- 
ſchickt.“ Aus St. SehaftiansEngers, 23. Aug., iſt auch datirt 
das Berficherungsfchreiben, fo Spinola an bie zitternde Stadt 
Sranffurt erließ, in Heiligenroth, bei Montabaur nahm er fein 
nähftes Hauptquartier am 24. Aug. Zweierlei fällt mir in Dies 
fem Hergang auf, bie wohlbeftellte Kriegscaffe und die Wahl der 
Orte für das Hauptquartier, Alle Heere jener Zeit, und auch 
noch viel fpäterer Zeiten, waren Iediglich auf den Raub ange— 
wiefen, beißt es doch fogar in ber Umfchreibung bes 1803 zum 
letztenmal gewirbelten Eurtrierifhen Mariches : 


28 * 


456 Kahl-Engers. 


Hüt did Baur, ich komm, 

Sc breng dir nir, id) nomm, 
Schlag dir Küh und Kälber tobt, 
Und frag did nit warom! 


Die entmenfchten Horden ber bluttriefenden Philippe, auf 
die Kriegscaffe angewieſen, feheinen demnach wenigftens einen 
Borzug im Vergleich zu den Armeen der aufgeflärteften und 


ingendhafteften Nationen der Welt befeffen zu haben, Daß Spis 


nola, der fleinreihe Marques von los Balbaſes in Altcaftilien, 
auf defien Koften Sabre Yang der Krieg gegen die Rebellen 
der Niederlande geführt worden, flatt mit feinem Hauptquartier 
der Stadt Coblenz einzufehren, in armfeligen Dörfern ſich nieder: 
ließ, iſt nicht minder ein Zug von militairifcher Genügfamkeit, 
der fich bei den Feldherren neuerer Zeit, wenn fie auch Feine 
Spinola find, niemals wiederfindet. 

Es folgt, eine VBiertelftunde weiter, immer am Rhein, Kahl⸗, 
oder im böhern Styl Kalten-Engerd, ein Dorf, vielleiht er- 
wachſen aus dem Hof Durremunge, zwiſchen Engerfche und 
Dpremunge , deffen Vogtei Gertrudis, Eymuds von Grenzau, 
bes Wäpelings, binterlaffene Wittwe, und ihre Kinder Peter und 
Sophie, in Gegenwart der Hörigen des Hofs am 29. April 1339 
um 60 Marf Heller an die Karthaufe auf dem Beatusberg vers 
faufen. Iſt die Vermuthung begründet, fo rechtfertigt fie voll⸗ 
ftändig Das Kahl⸗Engers ber Bolfsfprache: Dürr konnte fehr Teicht 
in kahl fi verwandeln. Im 3. 1784 zählte dag Dorf in 11 
Häufern 100 Bürger, 7 Wittwen, 6 Beifaffen, in ber Testen 
Zählung fand fih eine Bevölkerung von 668 Köpfen. Die 
Nahrung beruhet vornehmlich auf einer fehr fruchtbaren Marfung, 


— — urn = 


— — —— — —— —— — —— — 


einzelne Individuen nähren ſich als Flößer, Fiſcher und Halfen, 


deren Gewerbe zwar am ganzen Rhein durch die Dampfſchiff⸗ 
fahrt gar fehr beeinträchtigt. Der Pfarrei Urmüb zugetbeitt, 


bat Kahl⸗Engers doch eine Sapelle mit einer geftifteten Früh⸗ 


meſſe. Begütert waren dafelbft die Grafen von Baffenheim und 
von Eltz, Zinfen erhoben die nämlichen, die von Zand und von 
Umbſcheiden, die Deutfchordend-Comthurei, die Kellnerei Engers, 


jährlih 11 Malter. Die kurfürſtlichen Zinfer gaben bei Sterbs | 


fälen Kurmutp, deren Betrag jedesmal von dem Gericht zu be⸗ 


“ 
\ 
\ 

J 


Bambergifher Befit am Whein. 437 


ſtimmen. Das fogenannte Feeß, 8 Kopfſtück jährlich, wurde an 
das St. Caftorftift entrichtet, Außer der eigentlichen Steuer, 
151 Rthlr. 22 Alb. A Pf., mußte die Gemeinde, von wegen 
des Paulinsforns, deffen Urfprung nicht befannt, zu einem 
‚Simplum 5 Alb. nad) Urmüs geben. Bon dem Zehnten bezog 
der Paftor von Urmüg 1/, von allen Früchten, die übrigen %/, 
fielen den daſigen Decimatoren. Der Salmenfang war für 
Rechnung der Hoffammer verpachtet. 

Urmüg, ungefähr die Mitte zwifchen Engers und Neumied 
einnehmend, ſchenkte Kaifer Heinrich II. am 11. Nov. 1022 feis 
ner Lieblingsftiftung, dem Bisthum Bamberg. Er hatte das 
praedium Hormunze vermuthlic taufchweife gegen den Rönigss 
hof zu Eoblenz von Erzbifchof Poppo von Trier empfangen, und 
wird man das Taufchobjeet nicht allerdings unangemeffen finden 
bei der Betrachtung, daß dem Gericht, vormaligen Haupthof 
AUrmüs noch im J. 1731 die Ortfchaften St. Sebaftian-Engerg 
und Keffelheim unterworfen geweien. Die Bifhöfe von Bam⸗ 
berg, an wendifchen Leibeignen reich, fcheinen mit ihnen, als den 
fleißigern Arbeitern, mehre Ortſchaften am Rhein befegt zu haben, 
daher auch in fpätern Urfunden Urmüs unter dem Namen Holo⸗ 
munci, wohl gleichbedeutend mit Ollmütz, vorfommt. Die Bogtet 
ber entfernten Befigung gelangte zeitig an die Grafen von Sayn, 
wie denn Graf Heinrich, laut des Stiftungsbriefes der Ab⸗ 
tei Sayn, an diefelbe einen Hof in Urmüg vergabte, Diefe 
Bogtei hat dem Ersftift definitiv erworben Kurfürft Karl Kas⸗ 
par in dem mit den Erbgräfinen von Sayn am 22. Jul. 1652 
errichteten DBertrag, von einer Bambergifchen Herrichaft war 
damals, und feit Jahrhunderten, feine Rede mehr, wohl aber 
trugen bie von Scheben zu Kronfeld das Patronat des Perfonatg, 
und den Jebnten zu Urmüß bis zum J. 1794 von der Dom⸗ 
propftei in Bamberg zu Lehen. Noch 1592, im Nov. hatte Graf 
Heinrich von Sayn von Wolfgang von Würzburg, Dompropften 
zu Bamberg, zu Lehen empfangen die Kirche zu Ormung, St. 
Georgenhof und St. Georgen Leute dazu gehorende. Im J. 
1220 erfaufte die Abtei Sayn von der Abtei Cornelimünfter 
ihren Hof zu Urmütz. 


A358 Armütz. 


Das heutige Urmäg enthält eine Bevölkerung von 672 


— — — — 


Köpfen; im J. 1784 wurden gezählt 71 Bürger, 19 Wittwen, 
2 Beifaffen. Der Häuſer waren 67. Das Ackerland iſt vortreff⸗ 
lich, und trägt jede Gattung von Früchten. Vordem wurde auch 
weißer Wein, in guten Jahren von ausgezeichneter Qualität, er⸗ 


bauet, indem aber die Wingerte in den Boͤden dem Froſt zu ſehr 
ausgeſetzt, hat man ſie allmälig ausgereutet. Herrſchaftliche Güter 
waren in dem vorigen Jahrhundert keine mehr vorhanden, wohl 
aber mußte an die Kellnerei Engers, den Grafen von der Leyen, 
das Hospital zu Coblenz, die Karthauſe und viele andere ge: 
zinfet werden. Die Pfarrficdhe zu St. Geokg wurde im J. 1769 
neu erbaut. Das Patrocinium, regelmäßig in die legten Tage 
des Aprils fallend, zieht viele Säfte herbei, man ißt dann bie 
erften Maififche, Alfen, Die, wenn auch nicht, wie in dem weſt⸗ 
lichen Sranfreich, zu den Delicateffen gerechnet, doc, von wegen 
einer fchwachen Aehnlichfeit mit dem Salmen, bei Alt und Jung 
beliebt find. Mit den Maififchen verfpeifet man, in Ermang- 
fung andern Salate, Brenneffeln mit Efjig und Del zubereitet, 
oder wie Schwarzwurzeln, in Teich gebaden, aud mit Butter 
abgefocht, in jeder Form ein der dafigen Bevölkerung eigenthüm⸗ 
liches Gericht. Dergleihen Eigenthuͤmlichkeiten, ſelbſt in den 
Phyſionomien, erhalten fi zu Urmüg bis auf den heutigen Tag. 
Zur Pfarrei, jegt noch eine der beften des Landes, präfentirten 
die Erben yon Scheben, die nämlichen erhoben aud den Zehns 
ten zu ®/,, in dad andere Biertel theilten ſich die Affefforin 
Windelmann und Hofratb Hammer... Die Jagd, wie auch das 
dem Dorfe gegenüber mitten im Rhein gelegene Wehr ober 
Werth gehörten zum kurfürſtlichen Gehege, „Die Fiſcherey if 


— — — — —— — —— — —— — — — — — — — — — — — — 


| 





— — — 


frey, der Salmenfang gehört ber Hofrentkammer. Hier hat man | 
bie erſte Probe damit gemacht, iſt aber Tiegen geblieben. Auf 
der andern Seite des Wehrs ift ein firherer Diftriet, wovon bie 
Kammer den Pfacht ziebet, beym Eißfiſchen ziehet die Kammer . 


bie Hälfte,” Dem Weißen Thurm näher, dicht am Rhein, fieht 
auf dem erhöheten Ufer der Gute Dann, vormals eines Ein- 
fiedlers Wohnung. Die Capelle ift vor wenigen Jahren vu | 
Öutthäter neu erbauet worden. 


Weißenthurm, General Hode. 


Eine Stunde unterhalb Urmütz, gleih an ber vormaligen 
Trierifch-Cölnifchen Grenze, die auch in der Zeiten Lauf eine 
Sprachgrenze geworden ift, "erbaute Erzbifchof Kuno von Falfen- 
ftein, nad) der über den Grafen Wilhelm von Wied verhängten 
Züchtigung, einen mächtigen Thurm, beflimmt, den Eingang der 
fortwährend gefährbeten Bergpflege zu ſchirmen, und in gewiſſer 
Weiſe ber Burg in Engers, jenfeits Rheins, zu einem Stüßpunft 
zu dienen. Kunos Nachfolger, Werner von Falfenftein, die Idee 
feines Großoheims weiter ausbildend, Tegte demnächſt eine zus 
fammenhängende Linie von Verſchanzungen an, eine Landwehr, 
die von dem Rhein bie nach Mayen veihend, durch die daſige 
Burg auf der einen, auf der andern Seite durch den Weißen 
- Thurm flanfirt, in der Burg Wernersed an der Nette ihren feften 
Mittelpunft, ihr Kernwerk hatte. Jener Weiße Thurm iſt dem⸗ 
nach wohl ſchwerlich die „mansio nostra que turris dieitur in 
Rettiche sita,“ um welche die Junfer von Rettig am 25. Aug. 
1318 von Erzbifhof Balduin von Trier die Belehnung empfan- 
gen; die mansio hat vielmehr zu Kettig bei der Kirche geftanden. _ 

Bon dem Weißen Thurm, der alfo genannt nad) dem weis 
sen Anftrich, heißt es in einem-alten Bericht: „Erabifchof Cuno 
von Falckenſtein bauete nebft dem Cunen⸗-Engers auch diefen 
Thurm, und fperrte die Straß mit einem dabey aufgeworfenen 
Graben, worüber eine Brud den Reifenden den Durchzug gab. 
Anfangs fund bey dem Thurm und Graben nur ein Haus für 
die Thürmer, das ift für die Thurmwächter, dahero fcheint es 
heißt das Ort am Thurm, des Orts Einwohner heißen bie 
Thürmer. Nah und nad ift das Ort angewachſen zur gegen- 
wärtiger großer Gemeinde. In diefem Thurm ift eine Woh⸗ 
nung, jedoch fhlecht, in welcher ber Thurm- Mann wohnet, wels 
her von verfchiedenen Gemeinden etwas an Geld jährlich er« 
haftet; dieſen ernennet ber zeitliche Amtmann. In biefem Thurm 
it unten in der Felfe ein Gefängniß, in welches man mit einer 
Reiter fleigen muß, zwey andere find in der Mitte, weiche wohl 
verwahret find, und zur Beftrafung der Unterthanen dienen, oben 


-_ 


440 Webeißenthurm. 


auf iſt ein Gemach wie ein Zimmer, ſo man einheitzen kann, 
und für jene, welche geringere Verbrechen begangen haben, ges 
braudet wird. Gegen dem Weißenthburm über ware nur ein 
Haus, und yon diefem Thurm an big an dieſes ein Schlagbaum 
und ein fehr enger Weg, hinter Diefem Haus aber ein fehr tiefer 
Graben bie an den Rhein, welcher Die Paffage fperrete ; dieſes 
Haus ift voriges Jahr (1783) von Kurfürftl. Hofrentkammer 
anerfauft, abgebrochen, und die Passage erweitert worden, Zeit 
100 Jahren faft ift das Ort nach und nach angebauet worden, 
wozu mit beygetragen hat, baß die Nemwieder Brude hinweg 
gefchaffet worden, fo dag al Fuhrwerd aus den Niederlanden 
faft alle dort übernachten. Diefer Ort madet dermalen eine 
unterfhiedene Gemeinde aus; die Gemarkung, worauf er ftehet, 
gehört theilg zu Kärlich unten zum Waffer zu, theild nach Kettig 
oben der Landftraf. Bor 30 Jahren hat die Gemeinde eine 
unterſchiedene Gemarkung, welche aber bloß in einem Weidenort 
langs den Rhein von der Andernacher Gränze bis an den Gu—⸗ 
ten Dann beftehet, erhalten, der Ort ſtehet aber jederzeit in der 
Kettigs und Kärlicher Gemarkung.” 

Heutzutage zählt Weißenthurm 902 Einwohner, A147 im 
% 1812. Im 3. 1784 wurden 59 Bürger und 2 Wittwen in 
38 Häufern angegeben. „Die Unterthbanen ernähren fich meh» 
ventheils mit der Wirtbichaft, Fiſcherey und fonfligen Hand» 
werfer, auch dem Taglohn, verfchiedene verfaufen ihre Producte 
nader Neuwied, die mehrfte find Halfersleut, welche an ben 


Schiffen fahren, auch vieles Geld damit verdienen, daß fie die | 


_ Passagiers yon dba mit Karrenförb naher Koblenz fahren, bey 
welchem Fahr eine Rang gemadt tft.” Das Halfengefchäft hat 
indeffen Durch die Veränderung in der Schifffahrt. große Beeins 


trächtigung erlitten, und find darum hier, wie in den übrigen Rhein 
börfern 1848 die Dampfer ein Gegenftand der öffentlichen, nidt 


ne a — ——— — — ——— — — ——— ——— ——— —— — 


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felten in Slintenfchüffen ausgefprochenen Animadverfion geworden. 


Die Bemühungen der Juſtiz, den Frieden herzuftellen,: obgleid 


| 


| durch bewaffnete Macht unterflüst, ergaben ſich fruchtlos. Das 
verblichene Frankfurter Parlament fand fein befferes Gfüd in dem ' 
Berfuche einer Bermittlung, Drei feiner Mitglieder, Robert 


Dänkereien, dach Die Schleppſchifffahrt veranlaft. Aal 


Blum, Kranz Raveaux, Lehne begaben fih nad) Coblenz, und 
ſprachen verfühnend zu einer Berfammlung von Segelfchiffern, 
Halfen und Inhabern von Schleppfchiffen, hoffend, daß es mög⸗ 
lich fein werde, ein Regulativ für die gegenfeitigen Verhältniſſe 
der Schlepp= und Segelfchifffahrt zu Stande zu bringen. Gie 
haben aber feine befondere Meinung von ihrem Talent für bie 
Beherrfhung der Leidenschaften entzügelter Maſſen zurüdgelaffen: 
Jedenfalls ift es leichter, in einer mehr oder minder glücklichen 
Zufammenftellung ftereotyper Redensarten auf eine im Voraus 
bafür eingenommene Gefellfhaft zu wirken, als flreitende per- 
fönliche Intereffen einer Berftändigung zuzuführen. In jenen 
Zeiten der Verwirrung verdient hohe Anerkennung dag Verfah⸗ 
ren der Schiffszieher oder Leinenfchlepper zu Koblenz. Sie 
ebenfalls, in ihrem mühfeligen Gewerbe durch den Umſchwung 
der Induſtrie geſtört, unternahmen, das Recht, fo Die Folge der 
Jahrhunderte ihnen erworben, thatfächlich zu behaupten. Bes 
waffnetes Einfchreiten fogar fruchtete nichts gegen ein durch die 
ſauere Arbeit geftähltes Geflecht, aber Worte der Belehrung 
fanden Gehör, und diefe Männer insgefamt, fo man zur Bürs 
gerwehr herangezogen, Tieferten freiwillig ihre Gewehre ab, das 
mit fie nicht, dieß ihre Erklärung, der Verſuchung ausgeſetzt, ihr 
Recht im Widerfpruh mit dem Gefeg zu behaupten. Auch die 
weniger unmittelbar dur bie Dampffchifffahrt berührte Bevöl⸗ 
ferung der Aheinortfchaften betheiligte fih bei jenem Streite, mit- 
unter fogar bei den Flintenſchüſſen, in Betracht des Scha⸗ 
dens, welchen minder gefhüßte Ufer durch die hin und wies 
ber dicht an ihnen vorbeiftreifenden Schiffe erleiden. Leglich 
blieb nichts übrig, als jedem einzelnen Schiffe einen Wachtpoſten 
beizugeben, und den Leinenpfad entlang Gavaleriepatrouillen 
auszuſenden. Allmälig kehrte die Ruhe zurüd. Der Hal: 
fen Gewerbe wird aber fchwerlicdh die vorige Wichtigfeit wies 
ber erreichen. Wie bedeutend hingegen für Weißenthurm die 
Biehmärkte geworden find, läßt fih daraus entnehmen, daß in 
der neueften Zeit deren Zahl von 12 zu 18 erhöhet worden. 
Davon fallen die befuchteften in die Periode vom October big 
Neujahr, doch ift der hiefige Viehmarft der Ordnung nach nur 


— 


442 Weißenthurm. 





ber dritte der Umgegend, während jener in Vallendar der erſte, 


jener in Bendorf der zweite bleibt. „Das Fahr gehöret der kur⸗ 
fürftlichen Hofrentfammer, und wird auf gewifle Ziel Jahr ver⸗ 
pfachtet. Die Neumieder Ferger, welche das Fahr von ben Anders 
nachher mitgepfachtet haben, haben ſich angemaßet, daffelbe gleich 
unter dem Weißenthurm auf die Gränze zu flellen, um die Leute 


überzufahren, man hat fie aber vertrieben, imgleichen ift es den | 
Unterthanen des Amts verboten, des Neuwieder Fahr nah Neu 


wied fi) zu bedienen. Auf dem Land oberhalb dem Thurm ges 


böret die Jagd zum Furfürftlichen Leibgeheg, auf dem Waffer hat . 
ebenfals der Kurfürft die Jagd allein, auf dem. Gräflih Hilless 


heimifhen Werth, gegen dem Thurm über, Hat der Graf von 
Hillesheim die Mitjagd ; die Neuwieder haben fi) felbe anges 
maßet, man bat fie aber jederzeit vertrieben. Die Zifcherey auf 
dem Rhein ift frey, hingegen gehöret der Salmenfang allein dem 
Churfürft bis an die Nettbach.“ “ 
Der nad Kettig zu gelegene Theil des Dorfes ift der daſigen 
Pfarre zugetheilt, der dem Nhein zu gelegene Sttib pfarrt nad 
Kärlich, das Dorf hatte jedoch von Alters her eine Kapelle, deren 
befchränfter Raum in neuerer Zeit bie in ſtetem Wachsthum begrife 
fene Gemeinde nicht mehr faffen fonnte, gleichiwie fie wegen Bau⸗ 
fälligfeit im 3. 1834 gefchlojfen werden mußte, Zu einem Neubau 
fehlten jegliche Mittel, „Die Gemeinde war nicht allein ohne alfeg 
Bermögen, fondern fie hatte auch ans den Kriegszeiten, durch 
Umlagen, noch bedeutende Schulden zu tilgen, während bie Ein⸗ 
wohner, welche fih, Mangels einer eigenen Gemeinde-Feldmarf, 
fat ausfchliegfich nur von Handarbeiten und dem täglichen Vers 
bienfte beim Land» und Waffertransporte ernähren, zu großen 
Opfern nicht im Stande waren. Diefe traurigen Umſtände folls 
ten indeffen nur dazu dienen, um barzuthun, was ein fefler 
Wille, verbunden mit Gottvertrauen , vaftlofer Thätigfeit und 
dem Bewußtfein eines edlen Zwedes, vermag. — Zwei wadere 
Männer, der Ortsfhöffen Zimmermann und der Beiftand Schwerts 
führer, traten an die Spige, und Niemand in der Gemeinde, 
aud der Nermfte nicht, blieb zurück. Es famen im Orte 800 


— — — — 


— — — — L_ 


— —— — —— —— — — —— — — 


Thlr., in zwei Jahren zahlbar, zufammen, und uͤberdies waren 


Der Kirchenben. | 4453 


die unentgeltliche Lieferung aller Beifuhren und die Erdarbeiten 
von den Einzelnen zugefagt. Ein Kaufmann in Cöln, früher 
Befiser eines benachbarten Randgutes, hatte ſchon im Jahr 1816 
zu einem fünftigen Kirchenbau 100 Thlr. gefchenft, welche Summe 
dur die aufgefammelten Zinfen fi beinahe verdoppelt hatte, 
Das war aber immer noch fehr wenig, im Verhältniffe zu dem, 
was Dringend nothwendig erfchien, und fo entfchloffen fih dann 
bie obengenannten Männer zu dem fehwerften Opfer, nämlich 
fremde Beihülfe perfönlich zu erbitten. Willig ertrugen fie manche 
faure Miene und manche harte Rede, und nahmen dankbar an, 
was man ihnen fpendete, Der felige Biſchof Joſeph von Hom⸗ 
mer ftellte fi mit einer Gabe von 100 Thlrn. an die Spike 
ber Geber, die Einwohner des benachbarten Neuwied gaben gegen 
500 Thlr., eine einzelne benachbarte Familie außerdem 150 Thlr., 
Coblenz über 400 Thlr., Cöln 324, Elberfeld 122, Aachen 95, 
Tier 47, Ballendar 68, Mülheim und Kärlic 108 Thlr.; wes 
nige Gemeinden in der Nachbarſchaft blieben zurüd, und es fas 
men baar an 3000 Thlr. zufammen. Herr Bau⸗Inſpector von 
Laſſaulx, deffen ſchöpferiſchem Kunftfinne das Rheinland fchon 
fo manches ſchöne und würdige Werk zu verdanfen hat, übers 
nahm es, unentgeltlich einen Plan zu entwerfen, fo wie Die Leis 
tung des Baues zu führen, und im Bertrauen auf den fernern 
Beiftand Gottes wurde am 1. Mai 1836 der Grundftein zur 
neuen Kirche gelegt, welche audy bereits 1839 vorläufig einges 
fegnet werden fonnte. Der Bau felbft und feine folide Ausfühs 
rung geben Zeugniß. von dem Kunftfinne des Baumeiſters und 
defien liebevoller Sorgfalt für dag Werk, fo wie von dem Reich⸗ 
thume der Gegend an vortrefflihem Baumaterial. Dabei follte 
es aber nicht bleiben, Hr. v. Laſſaulx, ermuthigt durch die bis⸗ 
herigen Erfolge, Fam auf ben Gedanken, dag innere der Kirche 
mit Fresken auszieren zu laffen, und der Hr. Maler Gaffen aus 
Coblenz, ein Schüler von Cornelius, bot mit feltener Uneigen» 
nüßigfeit zur Ausführung dieſes Planes die Hand. Der Kunfts 
verein in Düffeldorf bewilligte 600 Thlr. zum Zwecke diefer Augs 
malung und 300 Thlr. wurden aus einer Landfchaft von Achen⸗ 
bach erlöft, welche Hr. v. Laſſaulx bei dem fraglichen Kunſt⸗ 


444 Weißenthurm. 


> 


verein gewonnen und großmüthig zum Beften der Kirche hat 
verloofen Taffen. Für diefe geringe Summe von 900 Thlrn. 
“unternahm Hr. Gaffen die Arbeit, welche ihn während dreien 
Jahren befchäftigte und bie er nunmehr fo fleißig wie glücklich 
vollendet hat. Auf der Wand hinter dem Hochaltar fieht man 
die lebensgroßen Bilder der h. Jungfrau und der bh. Johannes, 
Petrus und Paulus. Ueber dem Chorbogen fodann die h. Dreis 
faltigfeit, welcher die Kirche dedizirt ifl, in den Zwideln deffels 
ben Gruppen yon Engeln und Cherubime und endlich auf den 
beiden Seitenwänden des Schiffs die h. 14 Nothhelfer in Grup« 
pen vertheilt. Durch die fortgefegten unermüdlichen Anftrens 
gungen des Ortsfchöffen und anderer waderer Männer der Ger 
meinde wurden endlich die Mittel zum Baue bis auf Weniges 
aufgebracht. Es fanden fi auch einzelne Wohlthäter, welde 
die Kirche mit einem Altare, einer Kanzel, Communionbanf, 
Orgelbühne, manderlei Paramenten und Kirchengeräthe beſchenk⸗ 
ten, und aus dem Ertrage des Klingelbeutels Fonnten die Stühle 
befhafft werden. Der Baumeifter forgte mit eigenen Opfern 
für die weitere Ausflattung und wegen Dedung bes noch Fehr 
fenden und der Erfüllung des weitern Wunfches für die Erbes 
bung der jegigen Filial-Kirche zu einer Pfarr-Kirche, vertrauet 
bie chriſtliche Gemeinde auch ferner auf die höchſte Hilfe. Dies 
fer fo fihtbar unter dem Schuße des Herrn entftandene Tempel 
fol nun die höhere Weihe empfangen (den 1. Aug. 1844) und 
er wird davon Zeugniß geben, daß auch mit den geringfügigften 
Mitteln und unter den fchwierigften Verhältniffen nicht bios ete 
was Paſſendes, Erträgliches , fondern fogar etwas Schönes ges 
Leiftet werden kann, falld nur der rechte Geift über den befchränfs 
ten Mitteln waltet.” 

Die Abbildungen der Bierzehn Nothhelfer , die zwar nidt, 
wie jener Bericht fagt, gruppenweife geordnet, fondern deren 
jeder abgefondert dargeftellt, follen die Dankbarkeit der Gemeinde 
für die unverhoffte Unterftügung, die ihr bei dem Kirchenbau ges 
worden, ausdrüden. Sie find, glei den übrigen Fresken, trefflid 
aufgefaffet und ausgeführt, und hat der Künſtler an ihnen, abfons 


ze ee —ñ— — — —ñ— — — —— — — —— EEE ET — — —— —— —— — —— —— — — 


derlich in der Darſtellung der einzelnen Attribute, ein tiefes Stu⸗ 


Pie h. Vierzehn Wsthheilfer, 4485 


dium Firchlicher Alterthämer befundet. Die Verehrung -der bh. 
Bierzehn Nothheifer, St. Blafius, Georg, Erasmus, Bitus, Mar 
garetha, Chriftoph, Pantaleon, Cyriacus, Aegidius, Euſtachius, 
Dionyſius, Katharina, Achatius (27. Nov.), Barbara, iſt einzig 
in Deutfchland zu Haufe, und wird deren Urfprung von P. Ans 
tonius Horiz, des berühmten Klofters Langheim unweit Bamberg 
Prior, in folgenden Worten erzählt. ‚Anno Domini 1445 am 
Freytag in der Goltfaſten nad) dem heiligen Creutztag, in dem 
Herbſt, begab es ſich alfo: Hermann, des Schäffers Sohn zu 
Frankenthall, wollt des Cloſters Schaff, der er hättet, zu Nacht 
heimtreiben, da er nun nahend zu dem Hoff fam, höret er eines 
Kintleind Stimm fohreyen und fehnlich weynen, alfo fchawet füch 
der porgenandt Schäffer umb, do fahe er ein Kindlein hinder 
ihm figen, auff einem Ader, gieng er zu ihm, da lachet eg ihn 
an, er wollt dad Kindlein auffheben, da verfehwandt es, gieng 
er hindan, wollt heimtreiben, und fahe fi) wieder umb, da fahe 
er das Kindlein wieder figen an der vorigen Statt und zwo 
drinnende Kerzen bey ihme, da rufft er feinem Hundt von Forcht 
wegen, und fegnet fi, gieng wieder zu dem gemeldten Kind- 
lein, da Tachet es ihn wieder an und ihn bedaudt, eg wer al 
licht und Har als ein Eryflall, da er nun gar nahendt zu ihn 
fam, verfchwandt es wieder; er gieng heim und fagt das Batter 
und Mutter, die beiffen ihn flillichweigen, es wer ein Betriegniß, 
über ein Tag fagt er das einem Priefter, der rieth ihm, wer 

er fäh, dag es ihm mehr erfchien, fo follt er das beſchwören bey 
dem Vater und dem Sohn und dem heiligen Geift. 

„Alto erfchien ihm das nit mehr, bis auf St, Petri und 
Pauls Abendt, in dem fechs und vierzigftien Jahr, dba hütt er 
aber auf demfelbigen Acer umb Befperzeit, da fahe er das Kinds 
fein, aber nadent, an der erften Statt ſitzen, und es war als 
Har als die Sonn, und er fahe umb es ftehen vierzehn Kindlein, 
die hatten an halb roth und halb weiß, und dag ein Kindlein 
ein roth Creutz an feinem Herzen, daſſelbig war etwas lenger 
dann der andern eins, da befchwur er das, als vorgefchrieben 
flieht, wie ihn der Priefter vermweift hat, daß er ihm fagen follt, 
mas es wär, oder was es wölt, da antwortet das Kindlein, 


446 weißenthurm. 


"das fo nackendt war, und ſprach, wir ſeyn bie viertzehn Noth⸗ 
helffer und wölln ein Cappeln haben, auch gnediglich bie raſten, 
und biß unfer Diener, fo wölln wir dein Diener wieder feyn. 
Da das Kindlein folhe Red gethban, fuhren die Kindlein alle 
uber fih und verſchwunden. Darnach an dem nädften Samb- 
ftag, fah er zwo Kerzen an die Statt fehieffen, da das Kindlein 
gefeffen war und brannten ein Weil, da fah er ein Frauen für 
gehen, der ruffet er, fie follt das auch fehen, alsbald fuhren die 
Kerzen dahin, da fie herfummen waren. . Ald nun der Schäffer 
knecht folches Gefiht zu Landheim fürbracht, wolt man ihm das | 
nit glauben, und meinten ed wär ein Betrügniß, Tieffen das in 
einem ſchlechten Sinn bleiben und meinten es folt baß anfommen. 
Darnach an dem achtzehnten Tag nad dem lebten Geficht war 
ein Magd auff unferm Hoff vor dem Cloſter, die fiele unver 
fehen nieder, Tag wohl auf ein Stundt oder mehr, reget ſich nit, 
man brach ihr den Mundt auff und gefobt fie zu mancherley Heis 
figen, halff alles nit, zu dem festen gelobt man fie gehn Franken⸗ 
thall zu den heyligen vierzehn Nothhelffern, an die Statt, da 
die Zeichen gefchehen waren, von dem Schäffer angezeigt, da 
ward fie von Stundt an gefund. Nach folcher Sefchicht Tieffen 
wir ein Crucifix an die Statt feßen, bo das Kindlein gefeffen 
war, und isundt dahin gebauet den hohen Altar.“ 

In fpätern Zeiten hat man auf jener Stelle die berühmte, 
und prachtvolle Wallfahrtsfirhe Frankenthal oder zu den Vier⸗ 
zehn Nothhelfern erbauet, und in deren Mitte den Gnabenort, 
auf welchem die Erfcheinung der vierzehn Heiligen beobachtet 
worden, durch ein eifernes Gitter und einen Altar bezeichnet. 
Papſt Nicolaus V. verlieh diefer Wallfahrt reichlichen Ablaß. 
Sm 3. 1485 pilgerte Kaifer Sriedrih IV. von Nürnberg aus 
zu den Vierzehn Nothhelfern, An die 30 Sabre früher hatte 
des Markgrafen Wilhelm von Meiffen Gemahlin, Margaretha 
yon Deftreich, ihren Herren beflimmt, feine Dankbarkeit für die 
glüdfiche Beendigung des verderblichen Bruderfriegs Durch eine 
Stiftung zu Ehren der hh. Vierzehn Nothhelfer zu bezeugen. 
Man wählte für foldhe das in dem Kriege eingegangene Dorf 
Lugendorf bei Jena. Der Grund zu der dafigen Wallfahrts⸗ 





General Hoche. 447 


firche wurde um das J. 1453 gelegt, der Bau 1464 vollendet. 
Die Kirhe, aus Duadern erbauet, hat auf der Außenfeite 14 
Pfeiler, alle durch Inſchriften bezeichnet. Die Altäre, deren 14, 
ben Hochaltar ungerechnet, trugen jeder das Bild eines der 
Bierzehn Heiligen, in Lebensgröße gemalt. Mit der Reformation 
1539 wurden diefe Altäre weggebrodhen, die Priefter flüchteten fi 
in das Bambergifche, vermuthlich nach Langheim. Der Namen 
Bierzehn Heiligen aber ift dem Dorfe geblieben. Auch ander- 
wärts find unzählige Capellen den bh. Vierzehn Nothhelfern ge⸗ 
widmet worden, vorzugsweife hat man fie an den Weg zum Gal⸗ 
gen gejest, dem armen Sünder zu einem Troft, und nebenbei in 
der geheimen Hoffnung, daß durch der Heiligen Fürbitte eines der 
unzähligen Opfer des Rabenfteing dem Galgen entgehen möchte. 

An dem untern Ende des Dorfes Weißenthurm, am Rande 
der Höhe, welche Die Bergpflege fchließend, von der andern Seite 
das Thal der Nette begleitet, ftehet, weithin fichtbar, das Mos 
nument, errichtet zum Andenfen des franzöfifhen Generals Hoche, 
und des von ihm auf diefer Stelle bewirkten Rheinüberganges. 
Lazarus Hohe wurde den 24. April 1768 in dem durch feine 
Hfirfchenzucht weltberühmten Dorfe Montreuil unweit Verſailles 
geboren. Sohn eines Hüters der Föniglichen Hundeftälle, wurde 
er, eine Zeitlang Chorfnabe, in beim Alter von 14 Jahren als 
überzähliger Stalffnecht mit der königlichen Livree bekleidet. Die 
hatte er kurze Zeit getragen, und es farb der Vater, gleichwie 
die Mutter über des Knaben Geburt geftorben war, der Ueber⸗ 
zählige fah fi) einzig auf die Unterftägung einer Tante angewiefen: 
diefe, in Berfailles einen Heinen Handel mit Früchten treibend, 
Ipendete von Zeit zu Zeit einiges Geld, fo der Knabe auf Bücher 
verwendete. Was er gelefen hat, weiß man nidt, in feiner 
Wißbegierde verfhlang er was ihm vorkam. Sechzehn Jahre 
war er alt geworden, und er ließ fich bei den Gardes-francaises 
anwerben. Pünktlich im Dienft, verrichtete er häufig, gegen bie 
Gebür, den Dienft yon minder emfigen Kameraden; den fauern 
Erwerb verwendete er zur Anfchaffung einer Fleinen Bibliothek, 
in deren Benugung er einen großen Theil der Nächte durch⸗ 
wachte. Dabei Iernte er der Waffe in Meifterfchaft fich ges 


448 Weißenthurm. 


brauden, ale wofär ihm fein anfehnlicher Körperbau ungemein 
förderlich. Der Waffen Gtüd ift jedoch wandelbar, in einem 
Duell, deffen Schauplas ein Steinbruch bei Montmartre, em 
pfing Lazarus von dem Corporal, feinem Gegner, einen Säbelhieb 
in das Geficht, Der. 17885 die Narbe ift ihm niemals ausge⸗ 
wacfen, ließ aber prächtig in der martialifhen Phyfionomie, 
Rouffeaus Schriften, und vielleicht noch mehr die Ausfidt 
auf Beförderung, gewannen den Grenadier Hoche ganz und gar 
für die Revolution, daß er ficherlich unter den Gardes-francaises 
einer der erften, mit dem Volke zu fraternifiren., Damit empfahl 
er fih zur Aufnahme in das A, Regiment der auf Löhnung ges 
festen Nationalgarde, und bracdte er es darin fehr bald zum 
adjudant-sous-oficier. Bon dem Kriegsminifter Servan zum 
Lieutenant bei Rouergue, Infanterie, ernannt, verlegte ex fid in 
verdoppeltem Eifer auf das Lefen Friegswiffenfhaftliher Bücher. 
In der Bertheidigung von Thionville wurde er bemerft, Daber 
Leveneur, deſſen Dipifion er zugetheilt, ihn zum aide-de-camp 
nahm. An diefes Generals Seite ftritt er bei Neerwinden, 
und folgte er demſelben in die Reife nach Paris, die vermuth⸗ 
ich durch die allgemeine Berwirrung, Folge von des Dumouriez 
Austritt, veranlaßt. Dem Heilausſchuß vorgeftellt, fiel Hode 
den Männern des Schredeng auf durch feine fihere Haltung und 
durch einen in fiharfen Zügen gezeichneten Operationsplan, ben 
er mit ausgezeichnetem Geſchick erläuterte, Er wurde zum Ges 
neraladjutanten ernannt, und für die Bertheidigung von Düns 
firhen dem General Souham beigegeben. Außerordentliches hat 
er im Laufe der Belagerung geleiftet, letzlich den Ausfall ges 
Jeitet, welcher der Engländer Niederlage am 6—8. Sept. 1793 
vervollſtändigend, ihren Rückzug auf Surnes erzwang. Er nahm, 
zum DBrigadegeneral und gleich darauf zum Divifionsgeneral er 
nannt, Furnes, fcheiterte aber in dem Unternehmen auf Nieuport. 
Mehr und mehr dem Heilausfhug fih empfehlend durch 
feine ungeflümme Berwegenheit, fhien Hoche den Machthabern ver 
geeignetefte, Die Mofelarmee, welche feit der Niederlage bei Pirmas 
feng fein Lebenszeichen von fich gegeben hatte, zu erfolgreichern 
Anftrengungen ‘zu führen. Es wurden dem improvifitten Oben 


— — — — 


|" —— ——— ——— — — ————— ——— —— ——— — —— — — — — — 


General Hoche. | 440 


general Verflärfungen bewilligt, und er glaubte an die Mög⸗ 
Iihfeit, die Verbindung der Preuffen und Deftreicher zu durch⸗ 
brechen, zumal er in der Preuffen nächtlichen Angriff auf Bitfch 
eine bloße Demonftration zu erfennen glaubte, In der That 
hatte er Faum ſich in Bewegung gefest, und e8 wurde von dem 
‚Herzog von Braunfhmweig der Rüdzug zunächſt auf Biffingen, 
an der Erbach, dann auf Kaiferslautern geboten, daß demnach 
Wurmfer, nachdem er auf dem öſtlichen Abhang der Bogefen bei« 
nahe bis zu den Thoren von Straßburg vorgedrungen, ernftli 
in der Flanke bedroht fchien. Ohne darauf zu achten, folgte Hoche 
dem Herzog von Braunfchweig auf der Ferſe; es gelang ihm 
nicht, den Gegner bei Biſſingen einzuſchließen, eben fo wenig 
wollte eg glüden, in der Decupation der wichtigen Poſition von 
Raiferslautern den Preuffen zuvorzufommen, und blieb daher 
nichts übrig, als fie gewaltfam daraus zu vertreiben. In diefer 
Abſicht Tieferte Hoche die Schladht vom 28—30. Nov. 1793, yon 
welcher der Furtrierifche Hauptmann Beller (Abth. II. Bd. 1. 
6. 486-488), durch den Rurfürften zur Einziehung verläßlicher 
Nachrichten in das Hauptquartier des Herzogs von Braunfchiweig 
entfendet, die folgende Relation entwarf. 

„Borftelung der bei Raiferslautern und Otterberg am 28. 
und 29. Nov. 1793 zwifchen den Königl. Preuffifchen und Frans 
zöfffihen Truppen vorgefallenen außerorbentlichen Attaden. — 
Am verfloffenen Donnerftag rudten die Sranzofen in drey Eos 
Sonnen über Kufel, Ramſtein und Landftuhl durd den Reiswald 
gegen die Vogelweh, wo die. Preuffen die 1te Batterie hatten, 
‘vereint und folglich mit großer Nebermadt vor, bag die Preuſſen 
die Ite Batterie in Gefchwindigfeit verließen, und zurud auf’ 
die 2te Batterie am Lothringer Haus, ı/, Stund von Kaiſers⸗ 
lautern, weichend, allda. fih concentrirten. Da nun die Sranfen 
die Lte Batterie fo leicht befommen haben, fo glaubten fie die 
Ye Batterie auf die nämliche Art zu erhalten, und liefen mit 
völliger Macht auf diefelbe Los, weilen aber die Batterie Nr. 2. 
die Batterie 1. vollfommen bedte, fo Tiefen fie die Sranzofen 
völlig anlaufen, und dann machten die Preuffen ein ſolch fürchter⸗ 
liches Feuer auf fie mit Fleinem Gewehr, daß wenige zuruck⸗ 


Rhein. Antiquarius, 3. Abth. 2. Bd. 29 





450 | Weißenthurm. 


gefommen , und nun fingen die Kartätfchen an zu faufen, daß 
auch nicht viele Franzofen Tebendig aus der Batterie Nr. 1. 
gefommen find, diefe vielmehr ganz mit Todten bededt war. In 
diefer Weife wurden bie Franzofen am Donnerflag bis in die 
fpäte Nacht durch anhaltendes Kanonenfeuer zurud in den Reid 
wald verdrängt. 

„Den folgenden Freitag fammelten fich dieſelbe wieder, und 
-fchiekten eine Colonne auf Weilerbach, durch das Pfeifferthal auf 
Hörichhofen an den Lauterfluß, und von da eine halbe Stunte 
aufwärts bi8 Sammbach, wo biefelbe in dem engen Dtterberger 
Thal °/, Stund bis an die offene preuffifhe Batterie zu mar 
fchieren hatten. Die dafelbft in dem Buchwald angebrachte zwey 
verdedte Batterien waren aber den Franfen unbewußt, wo hin- 
gegen den Deutfchen befannt, daß fie in ber nächſten Biertels 
ftunde bey. KRaiferslautern und Diterberg zugleich angegriffen 
werden follten. Deswegen ließen- fie die Franfen am Freitag 
fehr nah anmarſchiren, und alsdann erſt wiederholten fie das: 
am Donnerftag gemachte Feuerwerk auf beiden P lägen , fo daß 
bie Franzofen dermaßen über einander herfielen, daß die hintern 
. wegen der Todten zulegt nicht mehr voran fonnten, und zu 
retiriren anfiengen; während der Retirade, in dem Dtterberger 
Thal, fiengen aber die dafelbft angebrachte zwey verdedte Bats 
terien an zu fpielen und haben ſolches Blutbad angerichtet, daß 
die Lauter von Blut, welches Daher und aus dem Pfeifferthal. 
gefloffen ift, bei 4 Stunden Wege fih roth färbte. Es follen 
in dem Ötterberger Thal bey 7000 Mann Sranzofen Tiegen. 
Roc ift zu merken, daß während die Franzofen Das Diterberger 
Thal vorbey marſchirt find, mehrere hundert in dem Buſchwald 
verſteckte Pionniers die unten im Thal ſtehende große Eichbäume 
kreuzwegs und zwerg über einander abhauten, und dadurch den 
Franzoſen der Ruckzug gar ſehr erſchwert wurde. So endigte 
ſich die Affaire zu unſerem gröſten Glück.“ Alſolcher Bericht wird 
durch die von Graf Boos geſammelten Nachrichten einigermaßen 
ergänzt. | | 

„Die große Niederlage der Franzoſen bei Tautern beftätigt 
fih. von allen Seiten, Die Kaiferliche follen aber bei der Action, 


General Hoche. ASt 


wie anfänglich gemeldet worden, nicht mitgewirkt haben, fondern 
weiter von ba entfernt fliehen. Die Berichte melden, die Fran⸗ 
zofen hätten fih vor der Schlaht voll gefoffen, und die Genes 
ral8 hätten das Getränf mit Opium vermifoht, um die Soldaten 
recht rafend zu machen. Sie wären dahero auf die Batterien 
und das Rartätfchenfeuer wüthend Losgeftürmt, und Schaaren⸗ 
weiß dahin zu Boden gefallen. Die Lauter wäre 24 Stunden 
roth von Blut gewefen, und in dem dabei gelegenen Wald hätten 
die Todten 5 Schuhe hoch auf einander gelegen. Der franzöftfche 
General, fo die Armee commandirt, Namens Louis Horfcht, ein 
Burſch von 18 Jahren, habe fi) nach verlorner Schlacht felbft 
erfchoffen. Die Preuffen. follen bei den beiden Schlachten eben- 
falls viele Leute verloren haben. Es heißt, das Regiment Ho⸗ 
henlohe habe 600, und das Regiment Braunfchweig 400 Mann 
verloren , 53 Dfficters wären geblieben. Befonders follen brei 
Bataillons Sachſen fehr viel gelitten haben, nachdem fie wie bie 
Löwen gefochten hatten. Der Herzog von Braunſchweig habe ſelbſt 
mit 16 Escadrons Cavalerie den Feind verfolgt. Derfelbe hat unter. 

feinen Befehlen yon Generalen die zwei Königliche Prinzen, Erb⸗ 
prinz von Hohenlohe, Knobelsdorff, Kalkreuter, Golz, Kleiſt, 
Gersdorf, Wittinghof, Schladen, Wolframsdorf, Romberg, Röder, 
Köhler, Ratt, Thabden, an Infanterie die Garde zu Fuß, Koͤh⸗ 
ler, Sroufaz, Bork, Schladen, Köthen, Thadden, Knobelsporff, 
Kaldftein, Kunitzky, Hohenlohe, Braunfhweig, Wittinghof, 
Wolframsdorf und Jäger zu Fuß. Nebfi dem Corps, fo aus 
den Niederlanden zu ber Armee am Rhein geftoßen, und ber 
Leibgarde des Könige ad 3000 Mann, die aber wieder nad 
Berlin zurückmarſchirt if. An Cavalerie flauden im Felde bie 
Regimenter Borftel, Kospoth, Anhalt, Reppert, beögleichen bie 
Hufaren von Eben, Golz und Wolfrath. Die gefamte preuffis 
fhe Armee wird zu 60,000 Mann angegeben, und find ihr beis 
gegeben 6000 Mann hurfächfificher Truppen, dagegen zählt Die 
franzöfifche Armee de la Moselle nur 24,000, bie Rheinarmee 
aber 80,000 Dann,” Nachträglich, 7. Dec, fehreibt der Graf: 
„Man hat Nachricht, dag die Preuffen wirklich ſchon wieder in 
Zwegbrüden und Bliescaffel ftehen. Der Verluſt der Franzoſen 


29 * 





AR | Weißenthurm., 


bei Lautern ſoll nicht fo beträchtlich gewefen ſeyn, als man ihn 
anfänglich) gemacht hat. Er foll höchſtens in A000 Mann be 
fiehen. Auch höret man nicht, daß bei dem Berfolgen viele 
Gefangene gemacht, oder Kanonen erobert worden.” 

Hoche hatte in feinem Unglüd eine Kühnheit, eine Ents 
fchloffenheit an Tag gelegt, daB die Armee in ihrem Zutrauen 
beftärft wurde, die ihr beigegebenen Repräfentanten nicht zürnen 
fonnten- Er empfing fogar von dem Heilausſchuß ein Belobunges 
fchreiben, das erfte in feiner Art, denn es hatte bis dahin jeder 
-gefehlagene General fein Unglüd mit dem Tode gebüßt. Die 
- Unthätigfeit der preuffifhen Armee nad dem Siege benutend, 
wendete Hoche feine Hauptftärfe gegen die Deftreicher. Zuerſt 
ließ er den General Taponnier mit 12,000 Dann in der Rich⸗ 
tung von Reichshofen und Werth vorgehen. Kaum hatte biefe 
Eolonne den Kamm des Gebirges überfchritten und Miene ges 
macht, fih in dem Thal der Soor auszubreiten, als fich ihren 


Fortfchritten der Herzog von Braunfchweig entgegenfegte, nach⸗ 


bem er, feiner bisherigen Unbeweglichfeit überdrüffig, mit einem 
Theil feiner Armee aus Kaiſerslautern dem Anweiler Thal fid 
zugewendet hatte. In dem Gefecht vom 14. Der, zogen bie 
Srangofen den Türzern, ohne darum von ihrem Vorhaben abzus 
fieben. Bon einem zweiten bedeutendern Gefecht berichtet ber 
kön. preuffifhe Geheime Finanzrath von Harlem, mittels Eſta⸗ 
fette, d. d. Frankenthal, 21. Dee.: „Die Franzofen find von 
dem Herzog von Braunfchweig und General Wurmfer abermalen 
geichlagen,, 20 Kanonen erobert, und eine gräsliche Niederlage 
ihnen beigebracht worden. Auf dem Platz find 7000 geblieben und 
A000 zu Gefangenen gemacht worden, welche man fogleich über 
den Rhein geführt hat. Man hat 9 große Wagen vol Montur 
son den todten Franzoſen weggefahren. Ihre Hauptforce ift bei 
Fiſchbach geweſen. Bei Zannenbrüd hat der Herzog felbft den 
Degen gezogen, und fi vor die Bataillons von Kleift gefest, fo 
jedoch der Commandeur nicht zugeben wollte, in ben Feind einges 
drungen, und ihn mit der brillanteften Tapferkeit zurudgefchlagen.” 

Diefer, im feiner Bedeutung gar fehr überfchägte Sieg blieb 
iedoch ohne alle Folgen, gleichzeitig. beinahe überftieg Hoche mit 


General Hoche. 455 


feiner Hauptmadjt dag Gebirg, und am 22, Dec. befiegte er bei 
Froͤſchweiler, unweit Werth, Wurmfers rechten Flügel. Die 
Deftreiher, gendthigt, die Motter zu verlaffen, wichen zuerft in 
ber Richtung von Sulz, fiellten ſich dann in ben Linien der 
Lauter, während bie beiden franzöftifchen Armeen ihre vollftändige 
Bereinigung bewirkten. Die ihnen zugetheilten NRepräfentanten 
gaben den Oberbefehl des Ganzen an Hoche, der feine Operations 
nen durch die Einnahme von Weiffenburg zu frönen ſich anſchickte. 
Er hatte feine Dispofitionen für den 26. Dec. 1793 getroffen, 
benjelben Tag, daß die KRaiferlichen, die noch das rechte Ufer ber 
Lauter von Weiffenburg bis zum Rheine behaupteten, und Die 
Preuſſen, deren Aufftellung von. ben Vogeſen bis Weiffenburg 
reihend, die Dffenfive wiederum zu ergreifen Miene machten, Die 
beiden Armeen begegneten einander in ihren Bewegungen. Defaix 
mit dem rechten Flügel der franzöfifchen Armee nahm Lauterburg, 
Michaud oceupirte Schleithal, das Centrum warf die am Geis 
berg concentrirten Raiferlichen auf Weiffenburg zurüd, der Tinfe 
Slügel operirte im Gebirg, in ber Abficht, die Preuffen zu um⸗ 
gehen. Beinahe wäre auch Weiffenburg genommen worden, was 
der Armee der Verbündeten verderblih werden konnte; glüd- 
Iiherweife eilte der Herzog von Braunfchweig mit einigen Res 
gimentern herbei, und durch feine Anordnungen, durch Die Feſtig⸗ 
feit feiner Truppen wurden die Franzofen in ihrem Vorbringen 
aufgehalten, daß die Kaiferlichen in Ordnung ihren Rückzug 
bewerffielligen Fonnten. Am andern Tage bemädhtigten fi 
die Franzofen der Weiffenburger Linien, die Deftreicher wichen- 
auf Germersheim, und gar über den Rhein, der Preuſſen 
Rüdzug ging über Bergzabern und verlängerte fi in der Rich⸗ 
tung von Mainz. Der Entfag von Landau, der jugendliche 
Held, durch den er ausgeführt, wurden in einer militatrifchen 
Compoſition, der Landauer Marſch, gefeiert, wiewohl Piche⸗ 
gru, ſtark durch ſeine Verbindungen mit dem allgebietenden S. 
Juſt, die Ehre des ganzen Feldzuges ſich anzueignen wußte. 
Das ertrug Hoche in lebhaftem Unwillen, in ſeiner Corres⸗ 
pondenz mit dem Heilausſchuß äußerte er ſich in ſchneidender 
Bitterkeit über die von S. Juſt ausgehenden Urtheile. 


434 Weißenthurm. 





Widerſpruch konnte keineswegs ertragen der Proconſul, von 


welchem Camille Desmoulins ſagte, „qu'il portait sa téle comme 
un S. Sacrement.“ — ‚Je la lui ferai porter comme’ S. Denys,“ 
entgegnete ©. Juft, und Wort hat er dem anmuthigen Schwätzer 


gehalten. Auch Hoche war dem Untergang geweihet, ald wozu 
die an ihn geftellte Zumuthung, daß er das Trieriſche oceupire, 


bie Einleitung werden follte. Er machte, fie zurüdzumeifen, ben 


Häglichen Zuftand feiner Truppen geltend, man ſchien auf feine . 
Borftellungen zu achten und fogar darum Danf ihm zu wiffen 
Denn e8 wurde ihm das Commando der Armee der Seealpen vers 


lieben, lediglich doch in der Abficht, von dem Heere, deſſen Stolz 
und Liebling er geworben, ihn zu trennen. Das Hauptquartier 
zu Nizza hatte er noch nicht erreicht, und er wurde verhaftet, und 
nach Paris abgeführt, wo das Karmelitenflofter fein erfted Ges 
fängniß. Don dannen nach der Gonciergerie übertragen, feheint 
er jedoch in der beinahe unmittelbaren Berührung mit der. Guiflos 
tine Cäfars und feines Glüdes eingedenf geblieben zu fein. Nicht 
Zobesgedanfen haben in dem traurigen Aufenthalt ihn beſchäf—⸗ 
tigt, mit ehrgeizigen Entwürfen, mit den Mitteln, fie zu vers 
wirflichen, zeigte er unabläfftg ſich beichäftigt. Bellisle, vor feiner 
Erhebung pflegte jeden Abend in der Dämmerung auf- und abs 
zugehen, ſtets fich wiederholend, du willft ein großer Mann, du 
willſt Marfhall von Frankreich werden, Beſſer denn Bellisle 
hat Hoche die unfreiwillige Muße zu benugen gewußt. Betrach⸗ 
tungen über die Kriegsfunft, Betrachtungen über fein Ich, gaben 
feinem Charakter die höhere Weihe, gleichwie fie die fernern 
Erfolge des Feldherren vorbereiteten. Abfonderlich lernte ber 
Gefangene fich felbft beherrſchen, die Schroffe ablegen, durch 
welche zum Theil das gegenwärtige Mißgeſchick verfchuldet, er 
verfudhte es auch, in der Kunft zu ſchweigen, die großen Thaten 
ein wejentlicher Borfchub, fih zu üben. Daß er feine Schwach⸗ 
heit in dieſer Hinſicht anerfannte , fie zu befjern fich bemühete, 
Hat er in dem für die Folge erwählten Wahlſpruch, des choses 
et non des mots, hezeuget. 

Robespierre fiel und es öffneten ſich allgemach die Gefängniſſe. 
Kaum der Freiheit wiedergegeben, wurde Hoche zum Commando 


J / 


En EEE Un 2. 


General Hoche. 455 


der Fleinen Armee des cötes de Cherbourg berufen. In feiner 
Proclamation vom 15, Sept. 1794 verfündigt er den Bewohnern 
ber Departements Manche, Calvados und Orne feine Ernennung zu 
bem Commando jener Armee, Jusques à quand,“ heißt es darin, 
„eitoyens paisibles, vos campagnes fertiles seront-elles trouhbldes 
ı par le bruit des armes, et infestees de malveillans qui pillent et 
. devastent vos proprietes? Quand verra-t-on luire ce,jour for- 
' tund oü des Francais rebelles n’assassineront plus la patrie 
et leurs freres? Quel est leur but, en s’armant contre les 
troupes de la republique ? de vous rendre elernellement mal- 
keureux; de perpeiuer d linfini des dissensions intestines et 
eruelles; de continuer dä meriter, par leur infdme conduite; 
for que leur prodigue l’Anglais vaincu partout, et mille fois 
plus feroce qweur. Mais parmi ces hommes armes contre la 
republique, n’en est-il pas beuucoup d’egares? KEst-ce avec 
connaissance de cause quils font le mal? Non... . je ne 
puis le croire. Ah! Si je pouvais parler a ceux qui ne sont 
qu'égurés, à ceuz qu'un faux z8le anime conire nous, à ceuz 
que la crainte des chätimens retient parmi nos ennemis, je 
leur dirais: Cessez, Frangais, de croire que vos freres veulent 
voire perie. Cesses de croire que la palrie, cette möre com- 
mune, veut votre sang. Hille veut, par ses lois bienfuisantes 
ei sages, vous rendre heureur; elle desire que vous soyexz 
libres, tranquilles et dgauxr. Rentres dans son sein, et jouis- 
ses-y de ses bienfaits: je vous le repete, elle n’en veut point 
d vos jours. — 

„Mais si ma voir ne peut aller jusqu'â ces malheureus 
dont le sort m’a touche, c’est d vous, pres, möres, parens 
et amis; c'est d vous, magislrals, d dire aupres d’eur mes 
interpretes. Dites-leur bien que leur sort est dans leurs mains. 
Qu’ils posent leurs armes; que, rendus ô leurs occupations 
ordinaires, ils rentrent paisiblement chez eux ; qu'ils cessent, 
par leurs rassemblemens, de troubler la republique; qu'ils en 
suivent les lois; qu'ils ne voient plus en nous que des fröres, 
des amis, des Frangais enfin. Jassure, de la part des repre- 
sentans de la nation entiere, à ceuz qui seront tranquilles 
dans leurs foyers et maintiendront le repos public et general, 


456 Weißentharm. 


paiæ, union, sürele, protection, liberté, fraternité et garanlie 
de leurs proprieies. Nous y mettrons toute la boune foi pos- 
sible. Et moi aussi, jai eie malheureus! Je ne puis ni ne 
veur tromper ceur qui le sout. Tentrea donc, citoyens, qui 
avez die egares. N ecoutez plus les suggestions de nos enne- 
mis. Croyez qu'ils sont plus particuliörement les votres.... 
Je dois declarer que si, d’apres ce que je viens de dire, les 
rassemblemens, les troubles, les pilluges ne cessent pas, jy 
meltrai toute l’energie dont je suis capable; qu’agissant avec 


des forces imposantes, je poursuivrai les mutins et les rebelles 
nuit ei jour, et que je rendrai responsables des maur qu'ils 


occasionent, les peres, meres, parens, enfin toutes les personnes 
qui, par la persuasion, lautorite, ou les liens du sang et de 
Vamitie, auraient pu ramener des hommes devenus alors reelle- 
. ment coupubles.‘ 

Ueber die Natur des Krieges, den zu führen er berufen, 
fpricht der General fih aus in einem Schreiben an. den Heil 
ausfhuß, Aleneon, 30. Sept. 1794: „Assez et trop long-temps 

on a cru que, pour delruire les brigands qui desolent la ci- 
devant Bretagne et la Vendee, il suffit d’y envoyer des hommes. 
Le syst&me que l’on a constamment suivi de ne combatire 


des troupes mul armedes et indisciplindes ywavec des troupes 


armedes comme les premiöres, est abusif et infiniment dange- 
reur. Il est abusif, en ce que les memes mobiles n’animant 
pas toujours les combattans, il est sensible que ceur qui pos- 
sederont un plus haut degre de fureur, de superstition, 0% 
qui seront plus habitues aur fatigues de la campagne et. aus 
privations exigees par un regime militaire quelconque, seront 
necessairement vainqueürs. Ilest dangereur, par la difficulie 
de faire mouvoir des masses qui n’ont souvent aucun rapport 
entre elles, et que le defaut de volonte ou dordre divisera 
au premier choc; ce qui narrive point aur troupes organi- 
sdes qui, dociles à la voir de leurs chefs, se meuvent dans 
tous les sens au signal quiils donnent. Il est d’uilleurs utile 
ici de combattre lopinion qui accorde la victvire au grand 
nombre. Lierperience nous a fait connafire les dangers des 
multitudes insubordonnedes.. 


General Hoche. 457 


„Nous osons assurer que la guerre intestine, la plus 
 dungereuse de toutes, serait terminde a la gloire des armes 
‚de la republique, si les hommes gui unt eu la plus grande 
influence sur la composition des armees destindes & agir dans 
ceite partie du territoire frangais, n'avaient été, ainsi que 
ceur qui les commundaient, ou des ignorans, ou des hommes 
de mauvaise foi. Les Chouans ‚ proprement dits, sont les 
troupes legeres des Vendeens qui les entreliennent. Nous 
_ proposons de reunir les colonnes en trois corps: le premier 
ö Nantes, le second a Ancenis, et le troisieme a Saumur; et, 
apres avoir laissde une bonne garnison dans cetie derniöre 
ville, de marcher sur trois colonnes aus rebelles; et, de con- 
cert avec l’armee de l'Ouest, les presser si vivement qu'ils 
naient la temps de respirer que lorsqu'ils seront jelds & la 
mer. L’ausiere discipline, la probile, toutes les vertus repu- 
blicaines doivent étre mises en vigueur, Joindre & la fermete 
‚ In elemence envers les hommes faibles et bien reconnus pour 
tels; preserver U'habilant de toute espece de vezation mili- 
‚ leire, respecler les propridies, sont les seuls moyens, suivant 
nous, à employer pour re&ussir. Le secret des operations, que 
nous regardons comme l’dme de la guerre, ne doit &ire counu 
que dun tres-petit nombre d’hommes. Il faut eviter, surtout, 
qu'il transpire dans les &lals-majors oà sont ordinairement 
rassembles les premiers intrigans et les moins capables de 
Tarmee. Les representans du peuple et le general en chef, 
seul, doivent le connaitre.“ | 
Nur kurze Zeit hatte. Hohe fih mit der Wiederherftellung 
‚der Ordnung in feiner Armee befchäftigen fönnen, und es wurde 
ihm zugleich das Commando der Armee des cötes de Brest zuges 
badt. Er fohrieb darum, fchwerlich doch im Ernft, an Carnot, 1. 
De. 1794: „La confiance qu’ont fait naitre aus representans 
du peuple pres les armees des cötes de Brest et de Cherbourg, 
‚le developpement de quelques talens militaires et un patrio- 
lisme, sans doute bien &pure, vont, je le presume, engager 
ces citoyens d demander incessamment pour moi, au Comild 
de salut public, le commandement des deur armees; ce qui, 
en matlirant de nouveaur ennemis, ne manquerait pas de 


458 Weißenthurm. 


rereiller la haine des anciens. Si dono tel est mon sort, que 
je doive &tre malheureur par lestime que me voueni des 
honmes revetus d’un caraciere augusle, je dois preferer l’ob- 
scurite. En consequence je Uinvile, ciloyen, à ne pas trouver 
mauvais la demande que je ferai de ma demission, dans le 
cas oàù cette proposilion me serait faite. Si alors, dans mes 
humbles foyers, je puis, dans d’autres fonctiens, étre utile d 
la republique, l’amour que je lui porte est ussez connu pour 
que Ton m’emploie avec confiance““ In dem gleichen Sinne 
fohreibt der General an den Heilausfhug, Vire, 10. Nov.: „Je 
dois desabuser les membres du nouveau comite de salut pu- 
blic, dont je n’ai pas Ühonneur d’eEtre connu, sur l’eloge quw'on 
peut leur avoir fait de mes preiendus talens. Je le dois pour 
rdpondre @ la confiance quils viennent de m’accorder. Les 
representans du peuple pres ces armees ont bien voulu me 
‚trouver capable de commander provisoirement les armees des 
cötes de Brest et de Cherbvurg, et d’apres leur temoignage, 
sans doute, le comile y a aquiesce. J’obeis, puisque l'obeis- 
sance est essentiellement une vertu militaire. Mon peu de 
moyens, l’etat des armedes, le caractere et le genre de cette 
guerre; enfin ma sanle exirdmement mauvaise, tout m’en- 
gage ô supplier le comite de ne me pas laisser long-temps 
charge d’un poids sous lequel je puis succomber. Le comman- 
dement d’une place ou de la petite armee des cötes de Cher- 
bourg est ce qui me convient.““ Unter dem nämlichen Datum 
fhreibt er an den Repräfentanten Bollet: „Je vais donc partir 


pour Rennes. La belle perspective! Je cours risque de perdre 
ma reputation et d’etre persecute, Em verite, il faut &ire 
devoud au salut de la patrie pour braver de pareils accidens. 
Ils sont pour moi pires que la mort. Mon obscurite, mon 
heureuse obscuritd est. tout ce que je demande.“ In einem 
Schreiben an General Grigny, vom 13. Nov., heißt ee: „Je 


ne puis te donner des details bien longs. Il te suflira de 
savoir que je commande encore deux armees qui occupent 
depuis la Somme jusqu’a la Loire: letendue est passable, Je 
Jais ce qu'on appelle la guerre aus Chouans. Les dröles de 
gens! on ne les voit jamais. Jespere en faire disparafire 
sous peu ce qui en reste.“ ” 


General Hohe. 459 


N 


Das zu erreichen, ift ber Zwed der an bie Generale ges 
richteten Snftruction vom 16. Nov. : „Kr acceptant nos grades, 
citoyens, nous avons contractd de grandes obligations envers 
la patrie. Vous senlez, comme mot, que, pour la bien servir, 
il ne suffit pas de detruire ou de desabuser ei ramener à 
Vobeissance des lois ses enfans rebelles, mais qu'il faut encore 
. discipliner les troupes qui la servent, les faire cherir des ha- 
bitans efjrayes des campagnes, par la pratique des vertus re- 
publicaines et les faire respecter par lausieritd des principes, 
J’ai donc lieu d’esperer que, l’eremple des chefs influant sur 
Vesprit des soldats, Ton n’eniendra jamais parler qu'un indi- 
vidu de cette armée se soit porid au plus leger erces envers 
un de ses concitoyens. Le systeme des camps peut seul finir 
la ridicule guerre que nous faisons et ferions long-temps sans 
succes. C'est dans les camps que la discipline s’alimente et 
que Fon peut facilement, soit de jour, soit de nuit, rassem- 
bler les troupes pour voler oü est le danger. Les camıps, en 
doublant notre force, nous metient ü meme de terminer 
promptement ; il ne sagit que de les multiplier a linfini, et 
de les placer convenablement. Vos camps, rapproches les uns 
des autres et fournissant des gardes de quinze d vingt hommes 
dans les communes environnantes, ne doivent jamais &tre plus 
 forts que de trois d quatre cents hommes en activite. Ne 
perdons jamais de vue que la politique doit avoir beaucoup 
de part ä ceile guerre. Employons tour & tour Thumaniie, 
la vertu, la probite, la force, la ruse et toujours la dignite 
qui convient a des republicains.““ An den General Kricq fchreibt 
Hoche den 17. Nov.: „Si les soldats etaient philosophes, ils 
ne se baltraient pas. Tu ng veur pas yu’ils soient ivrognes, 
ni moi non plus; mais eramine quelles peuvent @tre les jouis- 
sances d’un homme: camped; et qui peut le dedommager des 
nuils blanches qu'il passe? Corrigeons pourtant les ivrognes, 
surlout lorsque livresse les fait manquer a leur devoir.“ 
Dem General Danican das Commando im Morbihan übertra«- 
gend, 20. Nov, äußert Hoche: „La reputalion de cet officier me 
fait esperer que ses talens suppleeront au defaut de troupes.“ 


Dagegen bezeichnet er in einem Schreiben vom 9. März 1795 


460 | Weifenthurm. 


denfelben Danican ald „ercessivement dangereus, qui serait 
mieur place & une auire armde,“ und nennt er ihn fogar 
„le plus mauvais sujet de son armee.“ 

Inmitten der vielen Schreibereien zeigte fih der General 
ſtets unermüdlid in den Beftrebungen für die Bervollfommnung 
oder vielmehr für bie Bildung feiner Armee; er hatte fie in 
einem Zuftand gefunden, der fie in der Dienftfähigfeit kaum 
ihren Gegnern, den Chouans, vergleichbar erfcheinen Tieß, fie 
‚bildete fid unter feiner Leitung, unter feiner Aufficht zu einer. 
wahren Schule für den mühfamften, für den gefahrvollften Krieg. 
Dahin zu gelangen, war bei der eingeriffenen Zuchtlofigfeit eine 
Niefenarbeit, für welche Hode in den ihm untergeordneten Ges 
neralen vielmehr Widerfacher,, denn Beihülfe fand. Won dem 
Berdruffe, den feine Uinterbefehlehaber ihm machten, zeugt das. 
Schreiben an General April, vom 13. Dec,: „On m’a as-- 
sure que vous avez dit, apres avoir lu ma circulaire aus 
habilans des campagnes, quelle n’etait pas de moi, que je ne 
savais ni lire ni ecrire... Je le sais, citoyen; et de plus, je 
sais couper les oreilles aux imposleurs et aux dénonciateurs. 
Nachdem er fich jedoch überzeugt, daß er fälfchlich berichtet ges 
wefen, nahın er feinen Anſtand, dem zu Unrecht angefeindeten- 

Avril Abbitte zu thun. Des Schreibens war Hoche wohl funs 
dig, für eine unermeßliche Correspondenz, für feine zahllofen 
Prorlamationen und Dispofitionen hat er zu jener Zeit nur in 
feltenen Fällen der Beihülfe eines Schreibers gebraudt. 

Ueber die Natur des Krieges, den zu führen er verurtheilt, 
fpricht er verſchiedentlich fih aus, wie namentlih am 7. Der. 
gegen die Repräfentanten Bollet und Bourfault. „Victime moi- 
meme du systeme de la terreur,' je ne provoquerai pas son 
retour. Je crois devoir vous declarer cependant qu'une in- 
dulgence deplacde pourrait uperer la conirerevolution dans 
les departemens oü tous les coeurs sont endurcis. Represen- 
tans, jen suis lous les jours le lemoin; les brigands se jouent 
de notre credulité, et il semblerait que la lecture des pro- 
clamations qu’on leur prodigue les enhardit au crime. Oui, 
pardonnons ü lerreur ei ,ä la faiblesse; mais que le brigand 





u - 


General Hoche. 461 


qui se baigne chaque jour dans le sang humain soit frappe 
du glaive de la juslice lorsqu'il est arr&id: que la patrie soit 
vengde, et que le crime ne soit plus assurd de liimpunite, 
sous pretexte d’un repentir dont il se degagerait, sil dtait 
libre d’exercer ses ravages. Nous avons parcouru tous les 
deur qui nous avaient die indiques. Nous avons trouve les 
huttes et les cacheites, mais personne dedans. Nous voyons, 
chaque sortie que nous faisons, les sentinelles des brigands: 
marchons-nous dessus, tout disparait et renire en terre, et 
il ne reste aucun vestige. Tout les sert, les femmes, les en- 
Jans, on jurerait qu'ils ont des telegraphes““ 

Des. mühfamen ruhmlofen Krieges überdrüffig und vollende 
entmuthigt durch die von den Repräfentanten über ihn felbft und 
über die Armee geübte Dictatur, erbat fih Hoche Urlaub auf 
unbeftimmte Zeit, angeblich feiner Gefundheit zu pflegen, 3. Ja⸗ 
nuar 1795, er wurbe nicht bewilligt, denn am 12. Jan. berichtet 
ber General über feine Zufammenfunft mit Cormatin, dem angebs 
lihen Major-general de Tarmee catholique, und, über die barin 
befprochenen Friedenshandlungen, an beren Aufrichtigfeit der res 
publifanifche General doch niemals glaubte. Am 18, Febr. fchreibt 
er an die Bezirföverwaltung zu Segre: „J'ai dd juger, citoyens, 
par Vinsolente lettre de Turpin, que ce miserable chef de vo- 
leurs a perdu et le sens et les sentimens humains. Que les 
coquins qui lui ressemblent rentrent, s’ils le jugent ô propos; 
je vous declare que jamais je me pröterai d aucun armislice. 
les brigands ne peuvent ignorer que Charette Jdoit rentrer. 
Cest à eur d profiter de la clemence de la Convention na- 
tionale, ou & se preparer a monter sur Fechafaud ; je vous 
prie de rendre ma lettre publique.“ Dagegen macht er in dem 
Tagsbefehl vom 19. Febr. der Armee befannt, „avec un plaisir 
bien vif, que l'empire de la raison vient enfin de rendre a la 
patrie tous ses enfans, et que le jour oü tous les Francais 
ne doivent former qu'une famille est arrive. Chareite et les 
principaur officiers de son armede, au nom des Vendeens ; 
Cormalin, au nom du parti connu sous la denomination de 
Chouans, viennent de signer un acte par lequel ils declarent 
aur representans du peuple frangais, que leurs intentions sont 


& 


4 


463 Weifenthurm, 


de viore dedsormais sous les lois de la republique une et in- 


divisible, et qu'ils s’engagent d remeltre leurs armes et mü- 
nitions de guerre et de bouche. Mais tandis que ces ciloyens 


rentrent duns le sein de la patrie, il est des brigands de pro- . 
Jession qui, ne connaissant d’autre parti que celui du meurlre 


et du pillage, ezeculent des forfaits inouis et semblent en 


mediter de nouveau.r.“ Die in ber Pacification zu bewilligenden : 


Gardes terriloriales waren dem General vorall anftößig, weil 
fie, unter den Einfluß der Führer der Royaliften geftellt, als bie | 
Cadres einer fünftigen royaliftifchen Armee betrachtet werben 


konnten. 

Sn feinem Bericht an den Heilausſchuß, vom 16. März, 
danft Hoche vorderfamft für das ihn gefchenfte Zutrauen: 
„J avals prevenu les intentions du comite: Turmee est par- 
tagde en qualorze divisions, chacune divisde en districts, sub- 
divises eus-memes en cantons. Chaque chef-lieu de district 


. est suffisamment garde: le reste des troupes, reparti en can- 


tonnemens, le sera bientöt en petils camps tres-multiplies, 
pouvunt se defendre et se secourir au besoin. Independam- 
ment des colonnes mobiles, je ferai faire le même service aus 
compagnies de grenadiers que jai pris sur moi de compieier 
Ga cent hommes. Ces troupes n’agiront que lorsque je serai 
certain que la guerre doit recommencer. L’umnistie fait 
rentrer chaque jour a la grande famille des enfans dgares; 
sl faut de la patience et de la fermete. Je demande que le 
comité rende & larmde des cöles de Brest la rive droite de, 
la Loire. Cette mesure avait éié prise par les representans| 
@ Nantes; d’autres viennent de lannuler ; cependant la na- 
iure et les circanstances semblaient avoir posd les limäites de. 
notre armde sur les rives de la Loire. Dans le cas de la 
reprise des hostilites, je demande une augmeniation de dis 
a douze mille hommes.“ | 

Daß er den Eharafter der Bevölferung, unter welde er, 
geſchickt, richtig auffaffe, befundet Hoche in der Inftruction an; 
Die ihm untergebenen Generale, 17. März. „Parmi les moyen' 
que vous devez employer pour ramener la trangquillitd dam 
le pays que nous oocupons, celui de l’intermediaire des prétres 


—— — 0... 


General Hoche. 465 


entre vous et Ühabitant des campagnes n’est pas ü negliger. 
Si nous parvenons à relablir la confiance par leur moyen, la 
chouannerie tombera sur-le-champ. Vous connaissez, ciloyen, 
la loi salutaire que la Convention nationale vient de decrdier 
sur la liberte des cultes. Proclamez-la, repandez-la aveo pro- 
fusion dans les campagnes, et surtout ne dedaignez pas dE 
preöcher vous-meme la tolerance religieuse. Les pretires, cer- 
tains qu'on ne les troublera pas dans lexercice de leur mi- 
nistere, deviendront vos amis, ne fut-ce que pour @ire tran- 
quilles. Leur caraciere les porte naturellement à aimer la 
pair; ils peuvent tout sur lesprit de !homme non eclaire. 
Voyez-les donc ; insinuez-leur que par la continuation de la 
guerre ils seront sans cesse chagrinds, non par le gouverne- 
ment republicain qui respecte leurs opinions religieuses, mais 
par les chefs des Chouans, qui ont Tambilion de dominer sur 
tout ; qui ne connaissent ni Dieu ni loi, et qui veulent piller 
sans cesse. Il en esi parmi eur de pauvres, et en gendral 
ils sont Interesses. Ne negligez pas de leur presenter quelyues 
secours, mais sans ostenlation, et avec toule la delicatesse 
dont vous &tes susceptible. Ces gens-la vous donneront d’es- 
cellens renseignemens ; et, en soldant quelques-uns, vous con- 
naitrez toules les manveuvres des chefs des divers partis. Leur 
influence est telle, que sils sont ameneds a vous donner leur 
confiance, sls defendront aux paysans de marcher contre les 
troupes de la r&publique, et avec un peu d’adresse vous pur- 
viendrez bientöt, par leur canal, & vous faire obeir de tous. 
Vous penserez sans doute qu’il faut employer, pour atteindre 
ce but, la douceur, lamenite, la franchise, afin de leur in- 
spirer de la vendration pour les troupes. Engagez, sous main, 
quelques vfficiers et soldals à assisler @ leurs eer&monies re- 
ligieuses, 'messes elc.; fnites attention surtout que jamais elles 
ne soient troublees. Voyez souvent les campagnes, consolez-en 
les habitans; repandez & propos un peu d’argeni et des as- 
signuts: parlez de Dieu avec reverence; fait sonner bien haut . 
que Dieu ne laisse pas impuni le meurtre, le pillage, la re- 
volte eic.; dites enfin tout ce que lamour de la patrie vous 
suggerera ; la guerre des Chouans doit toucher & son terme.“ 


464 wWwbecißenthurm. 


Wie mähfelig des Generals Streben wie verdienſtlich es 
in den Augen feiner Partei fein mußte, es fanden ſich darin 
Männer, die Feineswegs mit feinen Leiftungen zufrieden , viels 
mehr ber verberblichften Anfchläge ihn bezüchtigten. Der Res 
präfentant Dubois-Dubaig entblödet fih nicht, ihn dem Heil- 
ausfchuß als denjenigen zu ſchildern, der in den Departements 
von Orne, Sarthe und Mayenne eine zweite VBendee zu orgas 
nifiven fi bemühe, 13. April. „Aoche aura-t-il toujours de 
vous une conflance qu’il ne merite pas. On le croirait plutöt 
dans les inter&ts des Chouans que dans ceus de la Republigue, 
car il n’epargne rien pour favoriser leurs entreprises.“ Die 
Denunciation, dur den Nepräfentanten Baudran wiederholt, 
that ihre Wirkung, Hoche hielt fih überzeugt, er werde fein 
Commando verlieren, wie er denn, 20. April, an die Repraͤ⸗ 
fentanten Lanjuinais und Defermon fohreibt: „J’as fait ma pro- 
fession de foi à la personne qui m’a annonce mon remplace- 
ment. La carriere oü vous allez rentrer et les &evdnemens 
qui arriveront d'ici @ sir mois, vous mettront dans le cas 
peut-Eire de chercher quels sont les ennemis de la patrie. 


Lorsqu'il faudra defendre les. lois, Etat ou la vertu oppri- , 


mee par le crime, je serai toujours du nombre ; je retrouverai 
‚mon epee que je vais deposer avec une sorte de plaisir.“ In 
bem gleichen Ton äußert er gegen Laugier, 25. April: „J’ai 
aussi quelques projets de retraite, mais je ne suis pas le 
maitre de les erecuter. Je me dois tout entier d& ma palrie: 
puisse-je la servir autant que je laime! La pair vient d’Eire 
enfin conclue avec nos plus cruels ennemis, les Chouans. Elle 
a die sigude le jour meme oü la Convention me retirait le 
. 'commandement d'une armee. Je t'assure que cet allegement 
me fait infiniment de plaisir‘“ Es war nämlid) am 20. April 
zu Ta Mabilaye der Friedensvertrag mit den Chouans zu Stande 
gefommen, ohne Zuziehung von Hoche, deffen Gegenwart, von 
wegen feines unheilbaren Mißtrauens, die Royaliften fich verbeten 
hatten, dann war an demfelben 20. April das Commando der Armee 
von Cherbourg an Aubert Dubayet gegeben worden, während 
die Armee von Breſt unter den Befehlen von Hoche verblieb. 


— — — — 


General Hohe. 465 


Bon Dubayet um die Natur der Bewegung in den Landfchaften 
Normandie und Maine befragt, entgegnet Hoche, 28. April: 
„Je m’empresse de repondre d& la confiance que vous aves 
bien voulu me t&moigner. Les renseignemens que je vais vous 
donner sont certains. Depuis huit mois, j’ai appris & con- 
naitre ce malheureux pays et l’esprit de ses habitans. La 
pacification, dont d peine nous commengons a ressentir les 
salulaires eſſets, u did signde le 20., avec les chefs principaux 
des Chouans. Leurs lieutenans sont maintenant occupes d 
parcourir les divers departemens renfermes dans les ci-devant 
provinces de Bretagne, Normandie et Maine; j’en attends les 
plus heureur resultals. Mais nous ne devons pas nous dissi- 
muler qu’il restera long-lemps dans ces contrees des bandes 
de voleurs et d’assassins: elles sont les suites ordinaires de 
toutes les guerres civiles. Comme la partie dont vous alles 
prendre le commandement est la moins avancde, n’ayant pu 
parvenir à faire mouvoir les troupes sans cesse arretdes par 
les ordres superieurs, je vais vous esquisser le genre de guerre 
que nous ont fait et nous font encore des bandes composdes 
de voleurs, de pretres, de contrebandiers, d’emigres, d’echap- 
pes des galeres et de deserteurs. Reunis sous des chefs qui 
sont ordinairement du pays, les Chouans se repandent imper- 
ceptiblement parlout, avec d’autant plus de facilile, qu'ils ont 
partout des agens, des amis; qu’ils trouvent partout des vivres 
et des munilions, soit de gre, soit de force. Leur principal 
objet est de detruire les autoritds civiles; leurs manoeuvres, 
dintercepter les convois, d’assassiner les patrioles des cam- 
pagnes, de desarmer nos soldats lorsqu'ils ne peuvent les em- 
baucher, d’aliaquer nos cantonnemens, posles ou detachemens 
lorsqu’ils sont faibles, et enfin de faire soulever les habitans 
des villes mêmes, en les affamant; leur tactique, de combattro 
derriere les haies, et, ainsi que vous l’avez vu dans la Ven- 
dee, de deborder les ailes de la troupe qu’ils ont ô combaltre, 
afin de tomber sur un de ses flancs. S’ils sont vainqueurs, 
ils egorgent et pilleni; s’ils sont vaincus, ils se dispersent et 
assassinent les bons habitans des campagnes, que la lerreur 
et le fanalisme divisent. Le plus cruel ennemi est le defaut 


Rhein, Antiquarius, 3. Abth. 2. Bd, 30 


466 Weißenthurm. 


‘ 


de subsistances. Souvent nous sommes contraints daller en- 
lever ä main armee, aux cultivaleurs ce qui leur reste pour 
attendre la moisson. Cette conduite ne peut qu’augmenter le 
nombre de nos ennemis. La paix est bien signee; mais si 
"les troupes continuent ô aller dans les campagnes prendre le 
grain, ce qu’elles ne font jamais sans degäts, nous devons 
nous attendre @ la guerre. Je dois vous dire que, pendant 
les conferences m@mes, nous nous sommes baltus pour avoir 
des subsistances. Le pays n'est pas abondant, et plus on y 
enverra de troupes, plus il sera souleve. Je me suis servi 
avec le plus grand succes des camps; ils ne sont que de deus 


a trois cenis hommes, et places sur les routes, à poriee de 


secourir les communes principales.“ 


Hode, der es bejonders beffagte, daß man ben fogenannten 
Chouans anderthalb Millionen bewilligt hatte, während die Sole 
daten der Republif ohne Schuhe und beinahe ohne Brod gelaſſen 
wurden, Hoche hielt den Frieden für eine verderbliche Chimäre, | 


Er ſchrieb an die der Armee beigegebenen Repräfentanten, 6. Mai: 
„Voulant m’assurer de l’etablissement des camps que javais 
ordonne, je suis parti de Rennes, le 30. avril, et je me ren- 
' dis le me&me jour à Lamballe. A la conduile que tiennent 
les Chouans, nous ne devons pas compter sur leurs promesses 
de paiz. Partout ils organisent la guerre, partout ils man- 
quent de parole, ou plutöt ils prouvent que vous n’avez traitd 
qu’avec des individus de leur parti et non avec des chefs. Les 
desertions sont on ne peut plus frequentes dans larmee; les 
campagnes sont couvertes dembaucheurs; les habitans ne ces- 
sent de faire cet infdme metier, et plusieurs ont &t& conduits 
au tribunul militaire. La seduction et la terreur sont tour 
d tour employees pour enlever à la republique ses plus fermes 
appuis. Comme auparavant, l'on desarme; comme auparo- 
vant Ton tond: et les Chouans ont encore ajoute a leurs atro- 
cites, la defense, sous peine de mort, de rien vendre pour des 
assignais, de rien livrer @ la republique, tandis qu'ils formen, 
pour leur propre compte, des magasins immenses. Nous ne 
pouvons douter qu'ils n’aient reussi & pervertir lesprit de 
campagnes, lorsque \tous les jours on repete & nos soldats: 





General Hoche. 467 


»„Nous n’avons rien pour les bleus: nous gardons nos graine 
ei nos denrdes pour nos bons Chouans qui retabliront la re- 
hgion et le roi. Et il.est de fait que les campagnes re- 
gorgent de grains, alors que nos malheureuzr soldats se passent 
de pain. Toute la premiere division en a manque pendant 
cing jours; aussi beaucoup de murmures et de desertions. — 
4 qui sont destines ces approvisionnemens fails par les Chouans 
ei payes en numeraire? FPourquoi ces achats de chevaur et 
'etoffes noires, ces confections d’habits uniformes antinatio- 
naur? Pourguos ces embauchages? Pourquoi ces rassemble- 
mens de Chouans, dans lesquels ils se nomment des chefs qui 
les erercent au maniement des armes et @ la marche? Pour- 
quoi, sous preterie de pacifier, Cormalin enroie-t-il des agens 
dans les chefs-Weur de district, @ Dinan, Lamballe, Saint- 
Malo? Que signifie le quartier-gendral de cet homme? Quelle 
est son autorite pour commander ainsi quil le fait. — Ci- 
toyens, croyez-en ceux qui, depouilles de leur uniforme, vont 
au milieu des poignards examiner quelle direction leur est 
donnede. N’en doutez päs, ils sont tournes contre le sein de 
la patrie. Je pense qu’il est instant de prendre de bonnes et 
sages mesures pour arreier le torrent des malheurs prets d 
nous inonder. Erecuter dans les departemens des Cöles-du- 
Nord, Morbihan, Ille-et-Vilaine, Tarret& du comitd de salut 
public, qui met en requisition le cinquieme des grains; rendrea 
auz soldats les 24 onces de pain; les equiper un peu, car ils 
sont absolument nus; frapper d’une amende considerable la 
premiere commune qui se soulevera, et nous aurons la paiz.“ 
Den fogenannten Frieden höchſtens als einen Waffenftilfs 
Rand betrachtend, feine Wachfamfeit in Bezug auf die Haltung 
der Gegner verboppelnd,, fand Hoche, trefflih durch Kund⸗ 
fhafter bedient, Mittel, Fragmente der Correspondenz, fo Cor⸗ 
matin mit mehren Anführern der Chouans unterhielt, aufzu⸗ 
fangen. Es ergab ſich daraus, daß gelegentlich eines Jahr⸗ 
marftes zu Rennes Cormatin daſelbſt mit einer bedeutenden Anz 
zahl ‚verfappter Chouans zufammentreffen wollte. Annehmend, 
daß diefe Verſammlung einen Angriff auf das Zeughaus beab« 
fhtige, Yieß Hoche am Abend des 26. Mai den Cormatin vers 


30 * 


468 7 Weifenthurm. 


haften. Das veranlaßte die Tebhafteften Bewegungen, laute 
Klagen um Friedensbruch. Hoce lieg, flatt diefe Klagen zu 
beantworten, bie aufgefangenen Briefe druden und den Cor: 
matin .famt den durch die Correspondenz Compromittirten, fo. 
weit man ihrer habhaft werden Eönnen, nad Cherbourg in das 


Gefängniß abführen ; gleichzeitig hielt er feine beweglichen os 


lonnen in Bereitfhaft, um augenblidlic jede Schilderhebung | 


unterbrüden zu können. Der Chevalier Deſilz, im Morbihande 


partement war der erfte, die Waffen zu ergreifen, er wurde uns 


gefäumt von dem General Josnet angegriffen, verlor 300 Dann | 


und blieb auf dem Plage, Aehnliches verfuchte in den Cöteds 
du-Nord Bois⸗Hardi, der Fühne ritterliche Jüngling, feine Manns 
fhaft wurde zerſtreut, er ſelbſt, als Gefangner ermordet, und 
‚serfuhren die Mörder mit dem Leichnam bdeffen, der vor andern 
ihnen fürchterlich gewefen, nad Kannibalenart. Da fchrieb, 18. 
Sun, Hohe an den Brigabechef Erublier: „Je suis indigned de 
. la conduite de ceur qui ont souffert que Fon promendt la 
idte d’un ennemi vaincu. Pensent-ils, ces @tres feroces, nous 
rendre i&emoins des horribles scenes de la Vendee?. Il est 
malheureur, mon cher Crublier, que vous ne. vous soyez pas 
trouvd ld pour empecher ce que je regarde comme un crime 
envers Ühonneur, Uhumanite, la generosit6 frangaise. Sans 
perdre un moment, vous voudrez bien faire arreter les ofli- 
ciers qui commandaient le detachement de grenadiers et ceus 
d’enire eur qui ont coupe et promene la tete de Boishardy.“ 
Dagegen ſchreibt Sefon an den Repräfentanten Bourfault, 22 
Jun.: „On publie hautemeni que la guerre des Chouans est 
soutenue par Hoche et la Convention. Le mecontentement 
est general dans larmee, ei les grenadiers ont declare que si 
Fon voulait les punir davor coupe et promene la tete de 
Boishardy, ils ne le souffriraient pas.“ Puiſaye, das Er- 
eigniß befprechend,, erblickt lediglich Heudyelei in des Generals 
Unwillen, wie er benn überhaupt übel auf ihn zu fpreden: 
„Hoche n’avait pas l’esprit assez elevd pour pouvoir se de- 
fendre d’animosite. Hoche n’egorgeait pas, il faisait massa- 
crer. Ce fut alors (nach dem Wiederausbruch ber Feindfeligfeiten) 


Omeral Hohe: 469 


gue Hoche fit veritablement une guerre d’assassinats, et qu'il 
montra cette soif de sang qui ne Ta plus quilied.“ 

Am 25. Juni berihtet Hoce an den Heilausfhuß: „Tous 
les genres de malveillance sont, dans ce pays, à l'ordre du 
jour. Ici un tribunal qui voulast nagueres envoyer 98 gre- 
nadiers et 4 officiers aux galeres, pour avoir pillE une mai- 
.son appartenant des Chouans pris les armes d la main 
(pillage que je suis loin d’approuver), acquitte nos deserteurs 
pris et juges, rev&ius de luniforme chouan. Lä, un juge de 
pusz met en libertE un homme convaincu d’avoir vole des 
ecartouches dans les gibernes de nos volontaires, sous prete.rte 
que c’etuit dans lintention d’aller à la chasse. Plus loin, les 
drigands parcoureut quaranie lieues de pays pour aller piller 
un moulin poudre, sans que. qui que ce soit ait connais- 
sance de leur marche, lequel moulin se trouve n’etre pas 
garde, malgre les ordres diæ fois reiteres, tandis que partout 
les magasins sont entiörement rvides. Si j’avais la permission 
daller moi-meme vous faire le lableau de ce qui se passe ici, 
vous fremiriez d’horreur, en concluant cependant qu'il faut 
que les soldais francais soient doues d’une grande vertu, et 
que ce peuple est le meilleur de "Europe. Non, ciloyens, ce 
pays ne sera pas transforme en Vendee. Depuis dir mois, en 
butte a toutes lea passions haineuses, @ tous les inier&ts parti- 
culiers, jal combaitu les royalisies, les terrorisles et les vo- 
leurs. Je continuerai sous vos auspices; mais, au nom de 
Thumanite, faites que les lois soient en vigueur. Remarquez 
quels inconveniens entraine avec elle leur inexdculion: les 
soldats desertent et deviennent par cela même nos plus cruels 
ennemis. Ceux qui restent, voyant Fimpunite des traitres, se 
refusent ä faire des prisonniers et fusillent impiloyablement 
amis et ennemis. De combien d’horreurs jai été temoin!“ 

Während dem wurden in England die Anftalten einer Er» 
pebition nach den franzöſiſchen Küſten auf das eifrigſte betrieben. 
Dafür waren beftimmt, außer den Veteranen von Loyal-Emigrant, 
400 Dann, die in England errichteten oder sompletirten franzo- 
fihen Negimenter Royal-Louis oder Herviliyg 11—1200 Dann, 
Hector, 600 Mann, meift emigrirte Seeleute, und du Dresnay, 


470 Weißenthurm. 


A oder 500 Bretagner , die, Soldaten wider ihren Willen , in 
englifche Kriegsgefangenfchaft gerathen waren, und ſich für den 
Dienft Ludwigs XVIII. hatten anwerben laſſen, ferner ein Res 
giment Artilferie, 400 emigrirte Touloner, von Rothalier be 
fehligt, und einige Ingenieurs, ebenfalls Franzofen. Das Com⸗ 
mando der Truppen insgefamt war dem Grafen von Puiſaye 


übertragen, dem doch Graf Hervilly gleihfam als Kontroleur 


beigegeben, in der Art, daß biefem, bis dahin die Landung bes 
werfftelligt,, die Truppen untergeben fein follten. Zugleich mit 
ihnen wurden eingefchifft Zebensmittel, hinreichend, um 6000 
Mann während drei Monaten zu unterhalten, 100 Pferde, 
21,000 Uniformen, 27,000 Flinten, 10 Feldflüde, 600 Pulver 
fäffer. Truppen und Borräthe wurden auf drei Linienfchiffen, 
6 Fregatten, einer Anzahl von Kanonierfchaluppen und Trands 
portfahrzeugen vertheilt. Einer ber ausgezeichneteften Seeofficiere, 
ber Commodore Waren führte diefe Flotte, und follte ihr in 
furzem ein zweites und ein drittes Geſchwader folgen, dieſes die 
Emigrantenvegimenter, welche bisher unter ſchwarzer Cocarde in 
- Deutfhland gedient hatten, und die man von der Mündung der 
Elbe heranzuziehen gedachte, jenes eine Maffe von franzöfifchen 
Dfficieren, die man auf Serjey in Cadres vereinigt hatte, um 
einen Kern für die in der Bretagne zu errichtenden Negimenter 
zu haben, tragend, Im halben Juni ging Waren unter Segel, 
im Borbeigehen nahm er dem Admiral Villaret, ber gegen ihn 
ausgefendet, drei Schiffe, dann, 25, uni, warf er die Anfer in 
der Bucht von Quiberon, an ber füblichen Küfle der Bretagne, 
Den 27. nahm das Ausjchiffen der Truppen feinen Anfung, und 
fofort eilten mit ihnen ſich zu vereinigen die Fühnften und thätig⸗ 


— — — —— ————— te 


ſten Anführer der Royaliſten, Dubois-Berthelot, Allögre, Georg | 
Cadoudal, Mercier, unter ihren Befehlen A-5000 Mann, ftreits | 


bares und verfuchtes, aber fchlecht bewaffnetes und beffeideteg, 


in der Kunft zu manveupriren unerfahrnes Volk, dem fih in 


ben nächften zwei Tagen noch Landleute in großer Zahl ans 
ſchloſſen. Alfo durch zahlreichen Zuzug verſtärkt, follte es der 
Expedition ein Leichtes geworben fein, bis zur Linie der Mayenne 


yorzubringen, und dort in einer geficherten Stellung ihreu Ver⸗ | 


General Hohe. 471 


bündeten die zu weitern Anftrengungen erforderliche Haltung zu 
geben, aber der methodifche und befchränfte Hervilly hatte feinen 
Sinn für dergleihen verwegene Kriegsmanier, und Puiſaye, 
ausgelernt in den Künften der Diplomatie, ermangelte aller 
Eigenfchaften, deren ber Anführer eines Detachements bedarf. 
Mehre Tage vergingen in der Beiden Streit um das Recht, die 
Truppen zu führen, 

Endlich einigte man fi für eine Aufftellung, welche geeignet 
bie Straßen von Lorient nach Hennebon und Auray zu beberrichen, 
doch Tediglich Durch Chouans gebildet werden follte. Deren wurden 
2500, unter Tinteniac, vorgefchoben, um als linfer Flügel die Pos 
fition bei Landevant einzunehmen, ein gleich ftarfes Corps, den, 
rechten Flügel, hatte Dubois-Berthelot bei Aurai, im Centrum 
fand bei Mendon, mit A000 Mann, der Graf von Bauban, dem 
ber Oberbefehl auf ber ganzen Linie übertragen. Er verfügte Dem» 
nach über 10,000 Chouans, die aber bereits unruhig, mißvergnügt 
erden wollten, dag man fie alfo ausſetze, ohne ihnen eine Stüge 
von regulairen Truppen beizugeben. Es dauerte lange, bevor Her⸗ 
villy fich bequemte, die ale Minimum geforderten 400 Dann zu bes 
willigen. Höchſtens fünf Stunden war die Linie dem Innern des. 
Landes eingedrungen und am 30. ſchon hat fie Auray aufgegeben. Es 
fhreibt Hoche, d. d. Bannes 1. Jul, an den Repräfentant Grenot: 
„En arrivant a Vannes, je trouvai environ 400 hommes pour 
defendre la place. Je donnai sur le champ lordre de ras- 
sembler toutes les troupes des enviruns; jecrivis & Rennes et 
à Nantes pour faire venir les troupes qui s’y elaient rassem- 
blees @ lu premiere nouvelle de l’Echec qu’avait Eeprouve notre 
escadre. Le 28., lendemain de mon arrivde, je me portai 
avec 400 hommes d’infunterie et 20 cavaliers a hauteur du 
Pont Sal, dans Fintention de pousser une recunnaissance sur 
Auray ; je trouvai les Chouans relranches dans le chdteau et 
le parc du Pont Sal, ils furent charges et mis en fuite avec 
une telle ardeur, que la plupart furent contraints de passer 
la riviere dans leau et la boue. Nous renirdmes @ Vunnes, 
et le lendemain nous fimes une nouvelle sortie, dans laquelle 
je pus reconnaitre de Baden la flotte anglaise et les forces 





4 72 Weißenthurm. 


que Tennemi avait jetdes dans Auray oü nous nous battimes 
deux heures. Hier, 30., Auray a did &vacue par les Chouans, 
et occupe par nos troupes; ma jonction sest operde avec 
Josnet, et larmde se rassemble. Je demande du numedraire; 
Jai did en avant avec quelque louis que javais apportles; 
mais, d mon grand regret, je ne puis en offrir beaucoup d 
la patrie. Mon dessein est de ne point avoir d’affaires parti- 
culieres, elles aguerriraient les Chouans; mais bien une action 
generale. Je demande un regiment de cavalerie que je solli- 
cite depuis trois mois; je puis à peine rassembler 300 chevaus.“ 

Am 2. Zul, hatte ſich Hoche mit 3—4A000 Mann zu Auray 
fefigefest. Den 3. ergab ſich das Fort Penthievre, fo den Eins 


- gang zu der Halbinfel von Quiberon vertheidigt, Seit bem 


n 


1. Jul. war es dem Feuer der englifhen Escadre und der Ars 
tillerie der gekandeten Truppen ausgeſetzt gewefen, ganzer drei 
Tage hatte die republifanifche Befagung fein Brod gehabt. Aber 
in denſelben Augenbliden ließ Hoche die äußern Poſten ber 
Chouans angreifen, um die Communicationen von Auray mit 
Hennebon und Lorient herzuftellen. Zinteniac und feine Chouang 


bei Landevant hielten nicht gegen den Angriff geregelter Trup⸗ 


pen. Ihnen zur Unterftüsung führte Bauban einen Theil feiner 
Reſerve hinzu, die zerftreute ſich aber, als fie der Auflöfung bes 
linfen Flügels inne geworden, daß Vauban ſelbſt genöthigt, 
durch Schwimmen fi) zu retten. Auch ber rechte Flügel wurde 
zurüdgebrängt, und Bauban, nachdem er wieber bei feinem Haupt⸗ 
corps angelangt, befand fih in einer vollfommen ifolirten Pos 
fition. Es gelang ihm indeffen, feine beflürzten Soldaten zu 
einem Angriff auf die allzu bigig ihren Vortheil verfolgenden 
Gegner zu vermögen, und durch deffen Gelingen einen orbent- 
Yichen ungeftörten Rüdzug ſich zu fihern. Auf die Stimmung 
der Chouans wirkte aber der Umftand, dag man fie in jenem 
Gefecht allein gelaffen, fogar die 400 Dann regulairer Trups 
pen abgerufen hatte, ungemein nachtheilig. 

Während dem hatte Puifaye. alles mitgebrachte Material 
nad der Halbinfel von Duiberon, die er zu feinem Hauptquartier 
auserſehen, ſchaffen laſſen, und Befehle für die weitere Befeſti⸗ 


General ode. 475 


gung des Forts Penthievre gegeben. Hervilly fchien auch einen. 
Augenblid einer offenfiven Bewegung nicht abgeneigt, der Ans 
bi der Chouans aber, die fo linkiſch in den rothen englifchen 
Uniformen fih nahmen, fo reglementswidrig ihre Flinten bes 
handelten, wirkte entmuthigend auf ben Zögling einer geregelten, 
Kriegsfchule, und die Bewegung unterblieb. Dagegen berichtet 
Hohe an den Heilausfhuß, Sainte-Barbe, 7. Jul.: „Z’armee 
fut occupee, le 4., @ retablir la communicalion entre Vannes, 
Auray et Hennebon; son operation a parfaitement reussi, et 
les ennemis ont été senfermes entre les rivieres de Tel et 
dAuray, dont les rives furent gardees @ Finstani, nous ayant 
en töte et la mer derriere eur. Nos forces ayani dtE porlees, 
le 3. @ treize mille hommes, marcherent hier à l’ennemi qui 
ne jugea pas & propos de nous attendre. Les brigades des 
generaux Humbert et Lemoine purent seules donner, elles le 
firent Ires-bien. Leur fermete et la bonte de leurs manoeuvres 
obligerent Tennemi de se renfermer duns Quiberon. L’ennemi 
connaissant la difficulie de ma position, a tenté aujvurd'hui, 
a deux heures du matın, de faire une sortie afin de nous 
chasser de la gorge de la presqu’die; il a trouvd devant lui 
irois brigades d’avant-garde et les reserves qui lont force de 
rebrousser vivement, et d’.aller se renfermer dans le fort Pen- 
thieure. Tous les postes de la cöte sont occupes par nos troupes; 
larmee tient bloqud l’ennemi qui manque de vivres. L’inte- 
rieur est assez bien garde pour quiil n’arrive aueun dvene- 
ment fächeuz. J’espere avoir à vous annoncer, sous peu de 
jours, la totale &vacuation ou destruction de larmee anglo- 
6migree-chouanne.“‘ inter demfelben Datum fehreibt er an Ges 
neral Cherin: „Les Anglo-emigres-Chouans sont, ainsi que des 
rats, renfermes dans Quiberon oü l’armde les tient bloques. 
Jespere que dans quatre jours nous en serons quiltes. Je 
suis sans secrdlaire, sans aide-de-camp, suns adjudant-gend- 
ral, sans papier, et presque sans vivres.“ Der Repräfentant 
Bruce, ald Augenzeuge die Ereigniffe vom 6. und 7. Jul. bes 
fprehend, fügt hinzu: „Le general en chef met la plus grande 
activitdE et la plus grande bravoure. Ü’est lui-meme qui va 


7 Weißenthurm. 


reconnaitre son terrain, sous le feu de lennemi, et en avant 
de tous les tirailleurs.“ 

Den 9. Jul. berichtet Hoche aus feinem Lager bei Sainte 
Barbe, das zu befeftigen er den äußerften Fleiß anwendete, an ben 
Heilausfchuß: „L’arınde forte de 11 a 12,000 hommes, conseroe 
toujours sa m&me position. J’altends avec la plus vive im- 
patience quelques: pieces de gros calibre; elles ne peuvent 
arriver de plusieurs jours, le defaut de chevaur dtant tel 
que lon ne peut sen procurer pour amener ici deux pidces 
de seize. Je ne puis pas trop vous faire leloge de Fempresse- 
ment avec lequel les generauxr Aubert Dubayet et Canclaus 
ont envoye dA mon secours: mes operations n’ont pas die ar- 
reldes un seul instant. Jai l’dme dechirde des horreurs qui 
se sont commises dans les campagnes. Il n’est sorte de crimes 
que n’aient commis des soldats de larmee: le viol, lassassi- 


nat et le pillage, rien n’a die respecte. -. Mon pouvoir se borne 


a faire arreter les delinquans et @ les envoyer a un tribunal 
militaire qui juge liintention, ce qui ne produit pas un grand 
effet. Cependant beaucoup de coupables sont arretes. Ce sont 
principalement les ofJieiers que je rends responsables. L’unique 
remede esi d’etablir & cette armee, ainsiqu'on la fait & celle 
de [’Ouest, une commission qui juge d mort le sceldrut qui 
quitie son rang pour aller porter la desolation dans les cam- 
pagnes“ Nachdrüůücklicher noch drüdt der General in dem Schreis 
ben vom 11. gegen Lanfuinats fih aus: „On ne vous a pas 
dit toute la veritd en accusant nos soldats de piller, il fal- 
lait ajouter: ils ussassinent, ils violent ... . Les lois sont 
insuffisantes et. leur malheureur general est oblige d’en faire 
Justice le sabre @ la main. Les choses reviennent Q@ bien 
cependant, muis je ne connais pas de plus horrible melier 
que de commander a des seelerais qui se jouent avec tous 
les crimes. Mes affaires ne vont pas tres-mal: nous nous 
sommes plusieurs fois batius sans aucun desavantage. Grois 
a dtö attaqud hier. Les bombes et les bouleis rouges des forts 
ont repousse les ennemis. Ils lont encore éêté ce matin dans 
. ane sortie qu'ils ont vouls faire; ils nous donnent de la 


— — — — — — ———— — — —— — — — — —— — — — — —— |" "U 


General Hoche. | 478 


besogne sans nous decourager. J’espere qu avec quelques ren- 
forts, nous terminerons heureusement.“ 

Die Vernichtung der englifchen Armee als das Werf der 
naͤchſten Tage bezeichnend, hatte Hoche fich doch verrechnet. Die 
Ereigniffe ſchienen im Gegentheil fih zu verwideln. Eine Dis 
verfion feinem Gegner zu bereiten, ließ Puifaye unter den zu 
Quiberon zufammengebrängten Chouans bie ftreitbarften, etwan' 
7000 ausheben, um fie einzufhiffen und im Rüden der vepus 
biifanifchen Armee zu verwenden. Die eine flärfere Abtheilung, 
von Tinteniac befehligt, Iandete bei Sarzeau, unweit der Müns 
dung der Bilaine, die andere bei Quimper. Diefe, 3000 Mann 
ſiark, fland unter dem Befehlen von Jean-Jean und Lantivy. 
Bei Baud follten die beiden Detachements den 15. zufammenftoßen, 
mit dem Morgen des 16. das feindliche Lager bei Sainte-Barbe 
yon ber Landfeite ber fallen. Durch. diefe Bewegung wurde 
Hohe zu bedeutenden Detacdhirungen genöthigt, doch blieb ihm 
Volks genug, um fich in der flarfen Pofition von Sainte-Barbe 
behaupten zu können. Aud wurde er bald genug der Beforgniß 
um bie angedrohte Diverfion enthoben, Zu Elven fand Tin« 
tniae die im Namen des Königs ausgefertigte Ordre nad 
Coetlogon zu marfchiren, um allda die fernern Befehle zu er= 
warten. Er gehorchte, nad) etwelchem Bedenken, in der Hoffnung, 
durch einen Gewaltmarſch die Verfäumniß für dag auf den 16. 
angefegte Rendez-vous bei Sainte-Barbe einbringen zu können. 
Zu Coetlogon empfing er durch Vermittlung einiger Frauen den _ 
Befehl, fi) gegen Saint-Brieuc, auf der Nordfüfte der Bretagne, 
u wenden. Während der durch diefen Befehl veranlaßten Dis⸗ 
cuffion wurde das Schloß Coetlogon von einer der von Hoche 
ausgefendeten Parteien angegriffen, die Vertheidigung zu Teiten 
wagte ſich Tinteniac auf den gefährlichften Punft, und von einer 
Slintenfugel vor die Stirne getroffen, war er augenblidlich des 
Todes, Sein Nachfolger im Commando ließ fich bereden, ben 
Marih nah S. Brieuc fortzufegen. Dahin fih zu richten, 
waren auch Jean-Jean und Lantivy beordert worden: über ben 
Widerſpruch in den Befehlen gerietben fie zu Zwift, und ihre 
Soldaten, mißvergnügt ohnedas, gingen auseinander. Die 


A476 Weißenthurm. 


Diverfion, auf welche man in Duiberon Rechnung gemacht, war 
gänzlich geſcheitert. 

Den Eingeſchloſſenen blieb nichts übrig, denn durch eigene 
Anſtrengung ſich Bahn zu brechen. Den 15. Jul. war ein zweites 
Geſchwader der Bay eingelaufen; es hatte daſſelbe zu Stade die 
Emigrantenregimenter in engliſchem Sold, die Regimenter ſchwarzer 
Cocarde aufgenommen, die Legionen von Salm, Damas, Rohan, 
Beon und Perigord, zuſammen doch nur mehr 1100 Mann ſtark. 
Sie wurden von de Sombreuil, einem Officier von ausgezeich⸗ 
netem Verdienſt, befehligt. Ohne Zweifel ſollte es gerathen ges 
weſen ſein, ihre Ausſchiffung abzuwarten, um eine ſo bedeutende 
Verſtärkung benutzen zu können, allein es war der Angriff für 
ben 16. vorbereitet, namentlich mit Tinteniac darum Abſprache 
genoinmen. Den 15. Abende wurde Daher Bauban beorbert, ſich mit 
1200 Ehouans einzufchiffen und demnächſt bei Carnac zu Tanden, 
um an dem Rande des Lagers von Sainte-Barbe zu operiren, 
und fih mit dem von Tinteniac herbeigeführten Corps zu vers 
einigen. Die zur Ueberfahrt nöthigen Fahrzeuge wurden fo fpät 
herbeigeſchafft, daß es mit der Einfchiffung bis in die halbe Nacht 
währte. Vauban war angewiefen, fowie die Landung bewerk—⸗ 
ftelligt, eine Rakete, und eine zweite fleigen zu laſſen, falls es 
ihm nicht gelingen follte, den auf dem Ufer eingenommenen Pos 
ften zu behaupten. Den 16. mit Tagesanbruch ſetzte das Fleine 
Emigrantenheer, ungefähr A000 Mann ftarf, fi) colonnenweife 
in Bewegung. Den Ehrenpoften hatte Royal-Emigrant, welchem 
Rothaliers Artilleriften beigegeben; ihm zur Rechten marfchirten 
Royal-Marine und du Dresnay, dann 600 Chouans, von bem 
Herzog von Levis geführt. Noyal-Touis und des Chevalier: de 
S. Pierre 1000 Chouans machten den Tinten Flügel aus. Eine 
Nafete wurde wahrgenommen, niemand zweifelte, daß Vauban 
feine Aufgabe gelöfet habe, man glaubte ein entferntes Gewehr⸗ 
feuer zu vernehmen, „vorwärts, das tft Tinteniac!“ hieß ee, 
vorwärts drängten die Colonnen, 

Der Bortrab der republifanifchen Armee, unter Humbert, 
wich in die Linien von Sainte-Barbe zurüd, aber ein Cavaleries 
corps demaskirte durch feine Bewegung eine Batterie, Mus⸗ 


an nn —— — — — — — — 


General Hoche. 477 


fetens und Gefchüsfeuer wurden gegen die Emigranten gerichtet, 
ein Regen von Kartätfhen, Kugeln und Granaten traf auf fie, 
Zur Rechten fielen ganze Glieder von Royal-Marine und bu. 
Dresnay, die gleihwohl ihre Ordnung beibehielten, der Herzog 
von Levis wurde ſchwer verwundet, zur Linfen ging Royal-Louig, 
dem Feuer zu Trog, unaufhaltfam vor. Gänzlich verftummt 
war das Gewehrfeuer im Hintergrund und auf der Küfte, dag 
man zu vernehmen geglaubt hatte. Ohne die Mitwirfung von 
Tinteniae und Bauban blieb undenkbar jeglicher Erfolg, es wurde 
Befehl zum Rüdzug gegeben, während die ganze republifanifche 
Armee fich anſchickte, außerhalb ihrer Linien die errungenen Vors 
theife zu vervollftändigen. In dem Augenblid wurde Graf Hers 
villy von einer Kartätſchenkugel in die Bruft getroffen, der Ads 
jutant, durch ihn entfendet, um ber Colonne den Befehl zum 
Rüdzug zu ertheilen, fiel, von einer Kanonenfugel getöbtet, 
Royal-Kouis und des St. Pierre Chouans avancirten fortwährend 
unter dem beftigften Feuer; während links zum Rüdzug geblafen 
wurde, ertönte rechts der Sturmmarſch. Unbefchreiblih war die 
Verwirrung , die Megelei, bis durch eine Gavaleriecharge die 
Emigranten auf die ſchmale Landzunge zurüdgeworfen wurden, 
Rothaliers Kanonen blieben im Sande ſtecken, den Republifas 
nern eine willfommene Beute. Alles floh dem Fort Penthiepre 
zu, da mit den Befiegten zugleich einzudringen vermeinten bie 
Sieger, als ein unerwartetes Hinderniß ihre Sortfchritte hemmte, 
Bauban, den man in Carnac vermuthete, war mit feinen Chouans 
nad der Halbinfel zurüdgefehrtz fie boten dem Feind die Stirne, 
und das Feuer der englifhen Kanonenboote machte der Berfols 
‚gung ein Ende. Die Emigrantenarmee war gerettet. Einen 
merfwürdigen Abſtich mit diefem Bericht macht die Mittheifung, 
duch Hohe an demielben Tage den Repräfentanten Blad und 
Zallien gemadt: „Je me hdte de vous annoncer que les enne- 
: mis ont été battus depuis 5 heures du malin jusqu'â 6; mais 
si fortement qu’ils ont laisse 300 hommes sur la place et plu- 
sieurs pieces de canon.“ Kin warmes Gefühl für Freundfchaft . 
fpriht der General aus in dem Tagesbefehl vom 17.: „Ss 
quelque chose pouvait ternir la victoire qu’a remportee hier 


478 Weißenthurm. 


larmee republicaine, ce serait laviditd que montrent certains 
individus àâ depouiller les hommes restes sur le champ de ba- 
taille. Le malheureur adjudant-general Dejeu, lami du ge- 
neral en chef, n’a pas éêté distingue des ennemis. Le general 
prie les personnes qui auraient des effets du brave Dejeu de 
les lui remettre ; il les paiera ce qu'on lui demandera.“ 
Hoche bedachte die Mittel, in die Halbinfel einzubringen ; in 
der Fronte durch das Fort Penthievre vertheidigt, hatte fie für ihre 
Slanfen den Schug der englifchen Schiffe. Angefihts deren auf 
Kleinen Fahrzeugen feine Truppen einzufchiffen, und auf irgend 
einem Punft der Halbinfel eine Landung zu bewerffielligen, mußte 
dem Beherzteften ald reine Unmöglichkeit erfcheinen, Diefelben 
Schwierigfeiten ergaben fih für eine regelmäßige Belagerung 
des Forts, der einzige Weg dahin führte über die Randzunge, 
welche vollftändig durch die feindlichen Kanonenboote beftrichen. 
Ein nächtlicher Ueberfall ‚oder Aushungerung fonnten allein die 
Thore der Feſte öffnen. Einverftändniffe, den Ueberfall zu ers 
leichtern, waren bald angeknüpft. Hervilly hatte einen guten 
Theil der im Fort von den NRepublifanern zurüdgelaffenen Bes 
fagung für fein Regiment angeworben. Davon famen eins 
zelne Leute zum öftern, unter dem Schuße der Nacht, zu den 
Borpoften der Republifaner, und da erzählten fie von einem 
Selfen, der, dem Fort Penthievre zur Linken, in das Meer her 
austrete, diefen Selfen fönne man im Wafler, das einem Mann 
höchftens zur Bruft reihe, umgehen, und werde man alsdann 
einen Pfad finden, der unmittelbar zur Höhe des Forts führe, 
vielleicht aud) Freunde, die nicht ungeneigt, ein Thor zu öffnen. 
Diefe Mittheilungen kamen für Hoche erwünſcht. Am 
Abend des 20. Zul. traf er die Anftalten zu einem Ueberfall. 
Gegen die Mitternacht trat die Armee ihre Bewegung an. Der 
Himmel war mit Wolfen bededt, ein heftiger Sturm peitfchte die 
Wellen und übertäubte mit feiner Donnerfiimme dag Geklirr ber 
Waffen, das Getöfe der Menfchen. Zu Colonnen georbnet, bes 
traten die Truppen die Landzunge, indeffen 300 Grenadiere ges 
führt von dem Generalabjutanten Menage, einem. tapfern jungen 
Mann, fih auf den ihnen angewiefenen Weg begaben. Menage 


General Hoche. 479 


folfte ſich rechts halten, mit feiner Mannidaft die Aluten 
durchwaten, den Helfen, welchem das Fort aufgefegt, umgehen, 
den Fußpfad hinanfteigen, dem Innern des Forts einzudringen 
verfuchen. Die Colonnen marfchirten in der größten Stilfe, Pa⸗ 
teonilfen, in vothe Uniformen, die am 16, erbeutet worden, ges 
ftedt, und die durch Verräther mitgetheilte Loſung anrufend, 
täufchten die äußern Wachen. Menage und feine Grenadiere 
burchichritten die naffe Bahn, über dem Sturmwind blieb ihr - 
Plaͤtſchern unbemerkt. Mancher, der zu Fall gefommen, erhob 
fih, andere wurden von dem Abgrund verfehlungen. Bon Fels 
jen zu Selfen ſich ſchwingend, auf dem Fuße dem unerfchrodenen 
Anführer folgend, erreichten, begannen fie zu erfleigen den ihnen 
bezeichneten Fußpfad. Auh Hohe war mit feinen Colonnen 
bis zu der Mauern Fuß gelangt; da wurde von den Schildwachen 
eine der falſchen Patrouillen erfannt, die Gewarnten, in ber 
Dunfelheit einen langen beweglichen Schatten gewahrend, gaben 
Feuer. Waffenruf ertönte von allen Seiten, die Kanoniere aug 
Toulon flogen zu ihren Stüden, fchleuderten einen Hagel von 
Kartätſchen auf die Angreifer. Diefe geriethen in Unordnung, 
verwickelten fih, fanden auf dem Punft augzureißen. 

Chen aber war Menage zur Höhe des Forts gelangt, die 
Verräther in der Befagung zeigten fih auf den Zinnen, führten 
die Republikaner ein, leifteten ihnen hülfreihe Hand, um den Neft 
der Befagung niederzumachen. Hoche, unerjchütterlich in feiner 
Faſſung inmitten der durd die feindlichen Batterien angerichteten 
Verwirrung, vervielfältigte fich, um die minder ſtandhaften Unter⸗ 
Befehlshaber zu ihren Poften zurüdzuführen, und es gelang ihm, 
inmitten des Feuerregeng die Ordnung wieberherzuftellen. Die 
Dunfelheit begann zu weichen, die dem Fort aufgefterte drei— 
farbige Sahne wurde fihtbar. „Quoi,“ ſprach Hoche zu feinen 
Soldaten, ‚vous reculez lorsque deja vos camarades ont place 
leur drapeau’ sur les murs ennemis!“ Er riß fie hin, daß 
fie gegen das befeftigte Lager, worin eine flarfe Abtheilung der 
Chouans aufgeftellt, vorrüdten, e8 wurden von allen Seiten Die 
nächſten Werfe erfliegen, gewonnen ift dag Fort. Bauban, Pui⸗ 
faye, Durch den Donner der Öejhüge aus dem Schlaf geweckt, eilten 


480 Weißenthurm. 


zur Stelle, es brauſeten an ihnen vorüber Chouans, die von ihren 


Soldaten verlaſſenen Officiere, die dem Gemetzel entronnenen 


Reſte der Beſatzung des Forts, alle in verworrener Flucht. Hoche 
aber ließ es nicht bei der Einnahme der Feſte bewenden, mit der 
ESpitze ſeiner Colonne drang er dem Innern der Halbinſel ein. 
Die Regimenter Hervillp und du Dresnay gingen ſogleich zu den 
Republifanern über, ermordeten ihre DOfficiere. Puifaye, Vauban 
wichen vor dem Strom, dem fie immer noch die Regimenter Royals 
Marine, Zoyal-Emigrant, Sombreuils 1100 Mann hätten ents 
gegenftellen fünnen. Dreitaufend Mann regulairer Truppen, bie 
ihnen geblieben, in einer vortheilhaften Pofition, und deren ents 
hält die Halbinfel mehre, aufgeftellt, waren hinreichend, um den 
Rückzug nah den Schiffen zu deden. Die Kanonenboote würden 
ihn mwefentlich erleichtert haben. Allein jedermann hatte den Kopf 
verloren. Die Chouans und ihre Angehörigen flürzten ſich in 
die See, um die an ber Küfte befchäftigten Sifchernachen und 
mittels derfelden die Flotte in weitem Abftand, wie er Durch den 
fortwährenden Sturm geboten, zw erreichen, die vereingelten 
Mannfchaften der Regimenter Tiefen hin und ber, vermodten 
fih nicht zu foharen. Sombreuil, der an bes verwundeten Her 
villy Stelle das Commando führte, gab Feine Befehle, Puifaye, 
unter dem Borwand, das Heranfommen der Schiffe zu befchleus 
nigen, Tieß fih nad dem Admiralsſchiff überfegen. 

Waren gelangte endlich, nad hartnädigem Anftreben gegen 
Wind und Wellen, bis zu Kanonenſchußweite vom Geftade, wie 
eben Hoche an der Spitze von 700 Grenadieren mit unwiders 
fiehlicher Gewalt Sombreuils aufgelöfete Scharen bedrängte, in⸗ 
deffen diefe zugleich nicht viel weniger als ihre Gegner von bem 
Feuer einer ©oelette leiden mußten. Diefe allein hatte auf 
jenem Punkt der Küfte zu nahen vermodt, fie wurde das Ziel, 
fo Chouans und flüchtige Soldaten haufenweife zu erreichen ver- 
fuchten, und nur die wenigften von wegen der Tiefe des Waflers 
erreichten. Inmitten diefer unheilbaren Unordnung follen einige 
Grenadiere den rathlofen Emigranten zugefchrieen haben: „ergedt 
Euch, es wird Euch nichts gefchehen.” Das Wort verbreitete 
ſich mit Bligesfchnelle, Sombreuil trat vor, in der Abſicht, mit 


“m —— — — —— 


"General Hohe. 481 


Hoche eine Eapitulation zw verhandeln, wurde aber durch dag 
unausgeſetzte Feuern zurüdgehalten. Da warf fi einer feiner 
Dfficiere in die Fluten, ſchwimmend gelangte er an Das andere 
Ufer, und auf defien Antrag wurde das Feuern eingeftellt. Eoms 
breuif traf zuerft mit General Humbert zufammen, und es fcheint, 
daß diefer Allen, welche das Gewehr fireden würden, dag Leben 
verſprach. Hoche wollte ſich auf feine Capitulation einlaffen, ers 
flärt auch, in feinem Schreiben an den Herausgeber des Courier 
universel yom 3. Aug.: „J’dtais a la tete des sept cents gre- 
nadiers qui prirent M. de Sombreuil et sa division; aucun 
soldat n’a crıie que les dmigres seraient Trails comme pri- 
sonniers de guerre, ce que jaurais dementi sur-le-champ.“ 
Hingegen hat Sombreuil, wenige Tage vor feiner Ermordung, 
an den Commodore Waren gefchrieben: „N’ayant plus de’ res- 
source, jen vins A une capilulation pour sauver ce qui ne 
pourait echapper, et le cri gendral de larmee m’a repondu 
que tout ce qui elait emigre serait prisonnier de guerre et 
epargne comme les autres; j’en suis seul exceple,“ dann äu- 
Serte er noch beftimmter in feinem Schreiben an Hoche, ebenfalls 
vom 22. Jul: „Toutes vos troupes se soni engagdes envers 
ie petit nombre qui me restait et qui aurait ndcessairement 
succombe ; mais, monsieur, la parole de ceux qui sont venus 
jusque dans les rangs la leur donner, doit dire chose sacree 
pour vous.“ In feinem Falle hat Hohe, wenn er aud den 
Eindruf, durch feiner Soldaten Neußerungen hervorgebracht, 
benugte, eine Capitulation bewilligt, wie dieſes felbft Vauban 
befennt, zufamt dem an Sombreuil gegebenen Rath, daß er fid 
nicht in einer zweifelhaften Hoffnung, die durch dag Geſchrei ein= 
zelner Soldaten begründet, ergeben möge. 

Ganzer fünf Stunden hielten der Emigranten aufgelöfete 
Reihen, die wenigen Chouans, das mörberifche Feuer aus, 
hauptfächlich um einer Maffe von Frauen und Kindern, von 
Prieftern und Greifen Flucht nah den englifhen Schiffen zu 
decken. Wohl mag es verwundern, daß dergleichen Volk fcharen: 
weife einer fo vielen Gefahren und Zweifeln ausgefesten Expe— 
dition ſich anfchließen dürfen, und ift darum Die Bermuthung 


Rhein, Antiquarius, 3. Abth. 2. Bd. 31 


409 Weißenthurm. 


aufgeſtellt worden, es ſei, aus Gründen der Sparſamkeit, der eng⸗ 
liſchen Regierung die Gelegenheit, in der einen oder andern Weiſe 
der vielen unnützen Mäuler los zu werden, nicht unangenehm 
geweſen. Dan hat auch mancherlei geredet von Kettenkugeln und 
einem Kartätfchenregen, womit die englifhen Schiffe den Strand 
begoffen, ohne Rüdfiht für die Unglüdlihen, welche da ſich 
zufammendrängten,, in der Hoffnung eine der ba freuzenden | 
Schaluppen oder einen Fiſchernachen, und mittels befjelben das | 
englifhe Geſchwader erreichen zu können; man hat bem Ges 
danken, daß alle diefe Anftrengungen einer befreundeten Artils 
ferie vornehmfich gegen die Emigranten gerichtet gewefen, nicht 
Raum geben, gleichwohl aber nicht Täugnen wollen, daß beren 
eine große Anzahl unter den Säbeln oder dem Feuer der Eng 
länder fiel. De Lauriol, vormals Garde-du-corps von Mon: 
fieur, empfing einen Degenftich in die Bruft, indem er eine Schas 
luppe, die von englifchen Seeofficieren erfüllt, befteigen wollte, 
„De Rouſſeville,“ dieſes erzählt Sombreuil in feinem legten 
Schreiben an du Dresnay, „de Rouſſeville, vordem des Prinzen 
von Eonde Page und Hauptmann bei Enghien, Infanterie, fuchte 
ſchwimmend fih zu retten: zu einer englifchen Schaluppe gelangt, 
faßt er mit der Rechten ihren Rand, ein Säbelhieb nöthigt ihn 
abzulaſſen; er legt die linfe Hand an, fie wird Durch einen zweis 
ten Hieb gefällt; fehwere Säbelhiebe und Kolbenfchläge, auf 
Befehl eines englifhen Seeofficierd gegeben, fallen auf fein 
Haupt, unfer beffagenswerther Landsmann wird von den Fluten 
verfchlungen. Das fahen meine Augen.” Der ehrwürdige Bis 
ſchof von Dol, de Hercé, war dicht zu einer Schaluppe gekom⸗ 
men, indem er die Hand ausfiredte, um fi das Einfteigen zu 
erleichtern, traf ein Kolbenftoß ihn vor bie Bruft, daß er betäubt 
zu Boden fanf, Bier Tage fpäter wurde er auf demfelben 
Strande erfchoffen. 

Dergleichen fpftematifche Rohheit zu erflären bemüht fich die 
Pſeudo-Crequy. Ihr zufolge befanden ſich bei jener Expedition 
340 Officiere von der alten königlich franzöſiſchen Marine, viele 
derjenigen, bie in dem americaniſchen Freiheitskriege Durch Tapfer⸗ 
keit und gründliche Kenntniß des Seeweſens geleuchtet hatten. 


— — — — — — — — — —— 


— — — — — 












General Hoche. 483 


„Man'tennt das haͤmiſche Racheſyſtem, welches in allen Hand⸗ 
lungen der englifchen Regierung vorberrfchend, und die Meinung, 
daß diefe franzöfifchen Dfficiere gefliffentlich dem Berderben zu- 
geſchickt worden, bat felbft in dem Londoner Parlament Wider« 
ball gefunden. Als Pitt den fehmerzlichen Eindrud der Ereig⸗ 
niffe von Quiberon zu mildern fuchte dDurd die Betrachtung, dag 
englifches Blut nicht verfprügt worden, entgegnete Sheridan, 
„„allerdings, dafür aber ift Englands Ehre bis auf den letzten 
Tropfen ausgefchüttet worden.” Die Emigranten firedten das 
Gewehr, viele gaben fi felbft den Tod, andere fuchten ſchwim⸗ 
mend die Schiffe zu erreichen, Waren zeigte fih unermüdlich in 
den Anftrengungen, die Gewalt der Wogen zu befämpfen, und 
eine möglichfi große Anzahl der Unglüdlichen aufzunehmen. Biele, 
als fie Die Boote heranfommen fahen, wagten ſich bie an den 
Hals ins Wafler, während vom Ufer nad) ihren Köpfen ge- 
fhoffen wurde, 

Den Berluft feiner Gegner an Todten berechnet Hoche zu 
150 Mann. Sn Sefangenfchaft geriethen Emigranten-Officiere 
278, Smigranten-Soldaten 260, Ausgewanderte Touloner 492, 
untergefteckte Soldaten der Nepublif 1632, Chouang 3600, in 
allem 6262 Köpfe. Unermeßlich war die Beute an Kriegsvors 
täthen jeder Art, Die Gefangenen insgefamt wurden nach Auray 
gebracht, Weiber und Kinder vorher, etwas fpäter bie unterges 
fedten Soldaten freigegeben, Am 21. Zul. wurde eine Com⸗ 
miffion niedergejegt, um bie fogenannten Verbrecher, welche ihr 
Vaterland, oder vielmehr die darin haufenden reißenden Tiere 
beftritten hatten, zu beftrafen, Den 29. berichtet der Repräfen« 
tant Blad an den Hetlausfhuß: „ZI! nous a paru que, nonob- 
stant lassurance que nous avons donnde à celte commission 
quiln’y a eu ni pu y avoir de capitulation entre des repu- 
blicains et des traiires pris les armes ü la main, elle chan- 
celait, hesitait a remplir avec fermeted la tdche quelle a ac- 
cepide, et risquait, par des delais hors de saison, de compro- 
meltre la tranquillit de ce pays, dont le plus grund nombre 
des habitans n'est que trop disposd d une insurrection en Ja- 
veur des ennemis detenus d duray; en consequence, nous 


31 * 


484 Weißenthurm. 


avons cru devoir supprimer cette commission et en nommer 
une autre qui fit a la hauteur de ses fonctions, et qui mit 
dans ses opdrations la celerite qu’erigent les circonstances 
et la notoriôté du delit.“ Am 27. trat die neue Commiſſion 
zufammen, am 28, wurden bereits 16 der Verurtheilten erſchoſſen. 
„Parmi eur se trouvaient Charles Sombreuil et F’erdque de 
Dol, qui upres avoir fomente de loin lussassinat et le bri- 
gandage en sa qualite de vicaire apostolique, venait parli- 
ciper, par sa presence, à lous les crimes qui devaient achever 
la perte de son ancienne patrie.““ 

Karl Maria de Biriot, Vicomte von Sombreuil, war ber 
ältere Sohn von Karl Franz Graf von Sombreuil, von jenem 
Gouverneur des Parifer Inpalidenhaufes, dem. bie muthige Res 
fignation feiner Tochter das Leben rettete, ald die Säbel ber 
Mörder in den Septembertagen 1792 gegen ihn gezüdt. Später, 
1794, ift der nämliche Graf von Sombreuil yon wegen angebs 
Yicher .Theilnahme bei dem angeblihen Morbverfuh auf das 
Leben des tugendhaften Eollot d'Herbois guillstinirt worden. Der 
Vater war mit 64 Jahren geftorben, der Sohn zählte deren faum 
23, als er zu Duiberon in Gefangenfcaft gerieth. Er hatte 
nur für feine Waffenbrüder, die Emigranten, von denen ev bes 
gleitet, Quartier und bie Gunft ſich wieder einfchiffen zu dürfen, 
begehrt. Zum Tode verurtheilt, erhielt er, gegen Berpfändung 
feines Ehrenwortes, eine breitägige Frift, um fih an Bord des 
englifchen Admirals zu begeben, und dafelbft feine Comptabilität 
zu reguliven. Commodore Waren gab fich alle erdenflihe Mühe, 
ibn feftzubalten, alle Borftellungen prallten ab an dem Sklaven 
der Ehre. Sombreuil kehrte zum feften Lande zurüd, und farb 
mit der feinem Namen fchuldigen Feftigfeit. 

In der Zahl derjenigen, welche erfchoffen wurden „comme 
ayant fait partie des troupes debarquees“‘, befand ſich auch 
die Aebtiffin von Cordillon, in der Normandie, bes großen 
Haufes Chabot. „Ohne Zweifel war fie bochbejahrt, erinnere 


ih mich doch, daß fie Profeß getban, als meine Tante von 


Montivillierd Coadjutorin zu Cordillon geworden , fie mag 
wohl fünfzehn Jahre Alter geweſen fein wie ic. Des from 








General Hohe. 405 


men Bifhofs von Dol Nichte, die nit erfchoflen worden tft, 
ohne daß fie diefe Schonung fih zu erflären wußte, Fräulein 
von Hercé bat mir von der eifernen Charafterfeftigfeit diefer 
Aebtiffin in den legten Augenbliden ihres Dafeind erzählt. Im 
Ronnenhabit trat fie vor dag Blutgericht zu Auray, betbeuernd, 
daß fie, diefen Habit zu tragen, durch ein Gelübde fich verpflich- 
tet babe. Sie begann mit der Erflärung, daß ihr Alter und 
ihr Stand eine binlängliche Widerlegung der Anklage, gegen 
die Republif die Waffen getragen zu haben, fein müßten, 
wurde aber von dem Präfidenten unterbrochen durch die lächer— 
lichen Tragen nah Namen, Heimath u. f. w. „„Da Sie fid 
herausnehmen, mich zu unterbrechen,” entgegnete fie dem Fra⸗ 
Bet, „„werde ich nichts mehr ſagen; als Efel ſprach, ſchwieg 
der Prophet.““, Ein heftiger Blutfturz, von dem fie in der 
Nacht befallen wurde, fhwächte fie dergeftalten, daß fie am Mor» 
gen nicht vermögend,, fih auf den Beinen zu erhalten. Man 
legte fie auf eine Dede,“ erzählte die Herce, „und trug fie nad 
dem Strand; auf der Dede liegend wurde fie dur Flinten⸗ 
fhüffe getödtet, das Eifen hatte beinahe ihre Bruft berührt. 
Die nächſten Bauersleute erhoben den Leichnam, und gaben ihm 
ein Grab in ihrer Kirche. Er empfängt bort eine Verehrung, 
wie fie den Heiligen gebürt. Vielleicht war fie doch etwas zu 
ſtolz auf ihren goldenen Hirtenftab und die drei rothen Schollen 
im goldenen Felde ihres Wappenfchildes.” 

Auch der ſtets heitere Ratocnaye kann fi, die Greuel von 
Duiberon befprechend, einiger Rührung nicht erwehren, „Indeſſen 
war der Zeitpunkt meiner Ankunft fehr traurig; es war gerade 
die Epoche, da die Nachricht von dem fürdhteslihen Unglüd bei 
Duiberon angefommen war: es war nicht eine franzöfifche Fa⸗ 
milie in London, welche nicht den Berluft eines Vaters, eines 
Gatten, oder eines Bruders zu bemeinen hatte; man floh fich 
.... alle Bande der Gefellfehaft fchienen zerrifien zu feyn, ein 
fiummer und wüthender Schmerz madte, daß man mit Miß« 
trauen die noch wenigen übrigen Sreunde behandelte, Es hatten 
ſich zwei Parteien formirt, die eine hielt e8 mit Monsieur d’Her- 
villy, die andere mit Mr. de Puisaye; fie befchwerten ſich gegen- 


A836 Weißenthurm. 


ſeitig über einander, und vertheidigten mit Hide den, für deſſen 
Sade fie ſich erklärt hatten. 

„Ich hielt mich fern von allen Parteien, und bewunderte 
den wilden Muth des einen, ohne jedoch je den andern für einen 
Berräther zu halten; ob ich gleich fern bin, fein Betragen zu 
billigen, fo tft es indeffen doch gewiß, daß dag, was er ver 
fprochen hatte, beinahe Buchftäblich ausgeführt worden iſt: bie 
Landung und Bereinigung einer großen Menge Chouans — es 
fehlte blos daran, daß die Hülfstruppen, welche ſich mit ihnen 
nach einigen Tagen vereinigen follten, nicht anfamen. Diele | 
unglüdliche Expedition hat einem großen Theile des Adels aus 
Bretagne, und fehr vielen alten Dffiziers der franzöftfhen Mas 
rine das Leben gefoftet, welche ganz unnüßer Weiſe aufgeopfert 
wurden. 

„Als die gefangenen Korps die Waffen geftredt hatten, fo 
ſcheint es nicht die Abficht der republifanifchen Anführer geweſen 
zu fein, fie umbringen zu laſſen; es waren ihrer mehr als 1500, 
und man gab ihnen zur Bededung nur 300 Mann; die Nadt 
war fehr dunfel, und um nicht auseinander zu kommen, fo biels 
ten fie einander bei den Nöden; jedoch hatten ſich einige vom 
Hauptlorps entfernt, und mußten fehr lange freien, ehe man 


' 


fie wieder holte. Einige vepublifanifche Offizier, welde das 
Loos, das fie erwartete, vorher fahen, mollten (wie ich habe | 
fagen hören) mehrere, mit denen fie befannt waren, entwifchen 
laſſen, allein die Ravaliers hatten ihr Wort gegeben, und wolls | 


ten die Gelegenheit nicht benugen. Zu Bannes waren fie meh⸗ 
rere Tage lang Gefangene auf ihr Ehrenwort, allein endlich 
fam der Befehl zu ihrem Tode, man machte ihnen auf eine abs 
gefhmadte Art den Prozeß, und erfchoß fie; einigen gelang ee 
indeffen noch zu entichlüpfen, und von diefen hat man Die nähern 
fürchterlihen Umftände diefes blutigen Trauerfpiels erfahren. 
„Nach ihrer Erzählung fcheint e8, daß die Einwohner ber 


Stadt, und die Truppen, ihr Todesurtheil verabfcheuten. Die 


Chouans waren Herren bed Landes, und doch gelang es einer 
Hand voll Fremden (lüttiger), welche Werkzeuge des barbarifchen 
Willens von Tygern waren, durch ben Schreden, den fie verbreis 


Generel Hoche. 487 


teten, begänftigt, fie zur Hinrichtung zu bringen. Und auf dieſe 
Art wurben bie entfeglihfien Thaten der Revolution begangen. 
Europa ftaunte bei vielen Gelegenheiten über bie Tapferfeit und 
Energie des Parifer Volkes ... allein man hätte ſich vielmehr 
über die Feigheit und Schwäche beffelben wundern follen., Der 
große Haufe fft eine elende Heerde, die immer marfchfertig ift, 
bei der Stimme des Hundes, deſſen Biß fie am mehrften fürchtet.” 

Der Convent feierte in jenen blutigen Tagen, 27. Jul., 
das Gedächtniß der durch den Fall von Robespierre gebrochenen 
Schreckensherrſchaft, in dem Faltblütigen Niedermebeln von 1000 
Kriegsgefangenen hat er der Welt dargethan, daß Robespierre 
feiner vollfommen würdige Nachfolger binterlaffen habe, Die 
Megeleien von Duiberon find bis auf den heutigen Tag der 
. großen Mehrheit der Franzofen ein Gegenftand des Abfcheued ges 
blieben, im Ausland hat man fie zum öftern nicht nur entfchulbigt, 
fondern fogar zu rechtfertigen fih bemühet. Samuel Baur, fo 
fange der Deutfchen Drafel in Bezug auf Biographie, entblödet 
fi) nicht, die auf den Befehl jener feigen Bluthunde geſchlach— 
tete, bis zum Testen Athemzug ihrem König treu gebliebene Rit« 
‚ terfchaft „„gefaufte Schaaren” zu nennen. Dergleichen boshafte 
Albernheit wird am fiegreichften widerlegen, zugleich den würdig— 
fen Schluß desjenigen,, fo ih von den Emigranten geurtbeilt, 
ausmachen, die Gefhichte von Loyal-Emigrant, dem einen ber 
‚ auf Duiberon vernichteten Regimenter, 

„A la suite du licenciement de l’armde des princes, 1792, 
une quarantaine de gentilshommes du midi de la France, re- 
solus @ prendre du service en Jispagne, pour se rapprocher 
de leur pays, s’dtaient embarqgues sur un bdtiment hollandais 
qui devait les transporter û cetie destination. Le capilaine 
abusa cruellement de la position de ces proscrils. A, peine 
nourris, ronges de vermine, tenus d fond de cale, ils ne pou- 
raient monter sur le pont que tour ô tour, aſin de respirer 
un air plus pur. Apres quinze jours d’une traversde, rendue 
doublement penible pour eux par ces indignes traitemens, le 
navire esi force, par la tempete, de reldcher sous Plymouth. 
Diverses circonstances, nolamment le nom de Batavia, pro- 


488 Weißenthurm. 


nonce& plusieurs fois par les matelots, ont fait soupconner aus 
£migres que le capitaine les irompe d’une maniere infdme, 
qu'il les conduit dans cette lointaine et meurtriere colonie. 
Presse de questions, cet homme ne leur repond que par un 
silence trop significalif. Le navire allait remetire a la vosle. 
Un des &migres, se devouant pour tous, s’elance a la mer, 
purvient a gagner Plymouth, court ches le gouverneur, lu 
erpose la situaliun de ses camarades. Le gouverneur, indigne, 
enjoint au capilaine hollandais d’amener.. Les malheureur 
Francais sont mis ä terre, et deviennent le premier noyau 
du corps que forma le duc de la Chdtre, sous le nom de 
Loyal- Emigrant. 

„Le regiment ne s’est compos& d’abord que de 4 àñ 500 
hommes. “ Debarque a Ostende, & la fin de juin 1993, il a 
fait partie de larmee anglo-hanovrienne du duc d’York, et 
s’est trouve au siege de Dunquergue, à la bataille de Hond- 
schoote, 0% il a fait des prodiges de valeur. Quand cette 
armee, si mal commandee, a dü se replier sur les Pays-Bas, 
Loyai-Enigrant a regu & Bruges, pour reparer ses peries, 
un cerlain nombre d’emigres sorlant des regimens autrichiens 
de Laudon-Verd (grün Laudon) et de Carneville, et qui pre- 
feraient beaucoup servir dans un corps enlierement frangais. 

„Envoye a Menin, Tune des places les plus exrposdes sur 
la frontiere, le regiment u passe dans cette ville Thiver de 


= 22 — ee — — —— —— — —— — — — 


17958 a 1794. Deja pris et repris depuis le commencement 


de la guerre, Menin avuit horriblement souffert par les bou- 
lets, les bombes et le pillage. Les habitans avaient fui. De 
la plupari des maisons il ne restait que les murs. Les re- 
publicains, poursuivant le duc d York dans sa retraite, n’a- 
vaient pas tarde a transporler le theatre de la guerre sur le 
territoire des Pays-Bas. Tous les jours Loyal-Emigrant allait 


au feu, prenant les armes & deux heures du matin, restant 


devant la ville, les pieds dans la neige, jusqu'ò la rentree des 
reconnaissances qui, souvent, amenaient lennems ü leur suite, 
et engageant alors une fusillude d’avantpostes. 

„II est vrai que, pendant ce penible hiver, les cadres de 
Loyal-Emigrant se sont grossis d’environ MW hommes, tous 


General Hoche. 185 


yaysans de la Flandre et de IArtois. Poursuivis par les de- 
erets de requisition et de levee en masse, ils se refusaient à 
sereir une erxdcrable tyrannie, et profitaient du voisinage de 
la frontiere pour chercher un refuge duns les rangs de Tar- 
mee ulliee. Em un seul jour, Loyal-Emigrant en regut 8; 
beaucoup d’autres furent enröles dans les corps autrichiens 
et anglais. Il arrivait meme des familles entieres, hommes, 
femmes, enfans, fuyant cette pretendue liberte revolutionnaire 
imposde sous peine de mort. Des nouvelles recrues de Loyal- 
Emigrant on forma des compagnies de ligne a la suite des 
compagnies nobles, et les gentilshommes trouverent, daus ces 
paysans d’hier, des &mules dignes d’eu:. 

„Au mois davril 179%, Loyal-Emigrant comptait 1400 
hommes repartis en deur bataillons. Il fut alors envoyd ä 
Nieuport ; mais peu apres le -premier butaillon, commande 
par le marguis de Villaines, revint ü Menin pour renforcer 
la garnison, composde de 2000 Hanovriens de nouvelle levde 
sous les ordres du general Hammerstein. Dejä cette place 
est serieusement menucede; alors seulement on a Juge con- 
venable d’y envoyer quelques officiers emigres d’artillerie et 
du genie, servant dans larmee du duc d’York, pour mettre 
en elat de defense des remparts insuffisans ou delabres. Mais 
malgre tout le zele, toute lactivit@ de ces officiers, les tra- 
vaur &laient loin encore d’&ire acheves quand les republicains 
ont cerne la ville. . | 

„Bientöt, n’ayant aucun espoir d’etre secouru, vivement 
presse par. l’ennemi qui, maltre des faubourgs, couvre de son 
feu le corps de la place, le general Hammerstein s’est vu dans 
Fimpossibilit&E de tenir plus long-temps. Les &migres, vous 
d’avance au massacre, nont d’autre espoir de salut qu’une 
troude de vive force. Une deputation va proposer au gene- 
ral Hammerstein cette tentative hardıe. Presse par linsistance 
energique des officiers frangais, le commandant finit par con- 
sentir. On sorlira pendant la nuit. Le bataillon de Loyal- 
Emigrant se charge de frayer le passage ; il formera la tete 
de colonne, suivi et uppuyd par les Hanovriens. 

„Le 3. avril 1794, un peu apres minuit, le bataillon, 
avec tous les officiers frangais, emmenunt ses deux piöces de 


490 Weißenthurm. 


campagne, sort dans le plus grand silence. Om a d’avancı 
fait öter toutes les amorces des fusils, Tarme blanche doit 
seule agir. En avant marchent deux freres, MM. de la Moiie, 
gentilshommes du Berry et anciens gardes-du-corps. Ces deus 
jeunes gens, dont la bravoure d loute epreuve est servie par 
une haute laille ei une grande force physique, se chargent 
d’aborder les premieres sentinelles. On suit les glacis jusqud 
la porte de Bruges sans rencontrer nersonne; c'est seulement 
aur premieres muisons du fanbourg, pr&s de cetle porte, que 
retentit un qui vive ! Les baionneites royalistes repondent d 
ce cri. MM. de ia Motte se precipitent dans le corps-de- 
garde, oü leurs camarades les suivent, faisant main-basse sur 
tout ce qui se presente: neanmoins on ne peut empecher que 
Falarme soit donnee dans Tarmee republicaine. Des maison 
part une vive fusillade. Deur pieces de canon, placdes en 
batlerie, font une decharge a mitraille. Ce feu meurtrier, 
loin d’arrdter les emigres, semble doubler leur Elan; en un 
instant "les deux bouches a feu sont aborddes et enlevdes, 
ainsi que les premieres maisons du faubourg. Les ennemis 
accoureni en foule; une melde effroyable s’engage. Nok 
seulement on se bat. à l’arme blanche, mais encore on se sal- 
sit @ la gorge, on lulte @ la force des poigneis. Le major 
de Loyal-Emigrant, M. de Bonnefin, officier ires distingue, 
recoit diz-sept coups de baionnette. Saisi par les republicains, 
ressaisi par les royalistes, il devient lobjet d’une. lutte si fu- 
rieuse qu’une de ses bottes lui est arrachee. Il finit par 
rester aur mains des siens qui l’emportent sanglant. Enſin, 
a travers la masse des ennemis, les baionnettes de Loyal-Emi- 
grant se font jour, et le passage est ouvert dans le faubourg 
jonche de morts. 

„Marchant & travers la fusillade qui part des deuæ cötes 
de la route, la colonne continue de renverser tous les obstacles. 
Les emigres parviennent. meme a emmener, dä force de bras, 
malgre les abatlis qui barrent le chemin, deux des pieces 
qu’ils ont prises, et c’est avec ces trophees qu'ils atteignent 
Roulers, @ cing lieues de Menin. De loin, Ton entendail 


encore les röpublicains qui, dans le trouble de cette surprise 


General Hehe. 491 


nocturne, se fusillaient entre eur ad oulrance, croyank tirer 
sur ces audacieur assuilluns. On evalue @ quinze cents hommes 
la perte de Tarméo assiegeante que lon a traversde toute 
enliere. Les soldats hanovriens, &merveilles dun tel exploit, 
ne se lassent pas de serrer la main des emigres, et d’erprimer 
leur admiration, dans leur langue, par des eris d’enthousiasıne. 

„Du cöte des dmigres, bien des braves ont payed de leur 
sang la gloire de cetie action. Deur officiers du genie, MM. 
de Chevignd et Hennet de Frasnois, sont de ce nombre. Le 
premier a pu Etre emporte; le second, atleint trop griövement, 
est restd erpirant sur la pluce. Ü’est en vain que son frere, 
M. Hennet de Vigneuz, qui, dans le premier moment, a ignord 
son sort, est relournd en arriere pour le chercher. M. de 
Cotte, officier de Loyal-Emigrant, a ete tue. Le digne major, 
M.de Bonnefin, a peu survecu. Quatre vingts hommes manquent 
dans les rangs, non compris les blesses. Tous les dmigres de- 
meures vivans entre les mains des republicains, ont peri fu- 
silldes ou massacres. Le general Vandamme est accuse de s’dire 
fait lui-me&me, àû coups de pislolet, @ coups de sabre, l’esecu- 
ieur de ces assassinats. 

„Cetie sorlie de Menin ezcita Tadmiralion gendrale. Le 
bataillon de Loyal-Emigrant ayant, peu de temps apres, passed 
par Gand, les autorites se rendirent, pour le recevoir, a la 
porte de la ville, et presenierent au marquis de Villaines le 
vin des douze Apötres, dans douze petites timballes en 
vermeille, posdces sur un plateau dargent. Ü’etait, suivant 
les anciennes coutumes, un honneur reserved aus plus illusires 
personnages et aus plus eclatans merites. 

„Le second bataillon, laisse @ Nieuport, et dissemind sur 
divers points des environs, tols que Dizmude, Scorbacg, le fort 
Cnocke, avait di, apres deux mois de pelite guerre, replier 
tous ses postes dans la ville. Plusieurs detachemens de ca- 
valerie anglaise, coupes de leurs corps, vinreni s’y jeter aussi. 
Des troupes hanovriennes formaient le reste de la garnison. 

„Le 4. juillet 1794, le corps de Moreau, faisant partie 
de la grande armde de Pichegru, sest presenid devant la 
place. Le lendemain, ad midi, est tombee la premiere bombe. 


492 Weißenthurm. 


Par une fatalite particuliere, elle atteint la maison oü man- 
geaient tous les officiers &migres. Ils sasseyaient pour diner, 
dans cet instant m&me; apres avoir Iraverse plusieurs Elages, 
la bombe tombe sur la lable, et Tun des officiers, M. de Pom- 
marel, a le genou fracasse. 

„Le meme jour, vers cing heures du soir, deux bdtimens 
anglais, detaches de lescadre qui croisait devant la cöle, ar- 
rivent avec la mission d’embargquer le bataillon frangais, es- 
clu davance de toule capitulation. Nieuport communique avec 
la pleine mer par un canal que le flur remplit. La maree 
basse laissant le port ü sec, on ne pouvait partir que par la 
haule mer du jour suivant, ü quatre heures du matin. 

„A sept heures du soir, le bataillon prend les armes et 
se rend, le sac au dos, sur les quais, oü il doit bivouaquer 
jusqu’au jour, en face des deur navires, echouds sur la vase. 
Pour celebrer celle heureuse delivrance des officiers francais, 
ceur de la garnison hanovrienne les entrainent @ un cordial 
banquet d’adieur. Pendant toute la nuit, les dmigres voient 


embarqguer, sur le plus gros des deux bdtimens, quantile 


deffeis, jusqu'â des chevaus, que des Anglais prudens veulent 


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metire a labri. Deja le pont est encombre. Vers troisheures 
du matin lon monte a bord; mais la mer atteint vainement 
son plein; le navire trop charge ne flotte pas. Quand les offi- 
ciers viennent sembarquer a leur tour, le capitaine anglais | 
represente quil est indispensable de deposer & terre, provi- 
soirement, une partie des hommes, tant pour alleger le bdii- | 
went que pour le hdler, en tirant un grelin dispose a cet effet. 

„Em consequence, ön remet ä terre la compagnie de Bre- 
tagne, commundee par le marquis de la Moussaye, devenu | 
major en remplacement de M. de Bonnefin; la compagnie de | 
Franval, presque toute formede de Normands, et qui regreitail 
son capilaine, M. de Franval, tué naguere à Furnes; la com 
pagnie Vallon d’ Ambrugeae ; une partie de la compagnie des 
veidrans, dont la moitie, au moins, elaient chevaliers de Saint- 


Louis. Quelques volontuires des autres compagnies se joignent 
a ceus-ci pour aider û mettre le bdtiment à flot. Le capi- 
laine ne cessait assurer qu’aussitöt il serait dans le chenal, 





General Hoche. 493 


des chaloupes rapporleraient d son bord les hommes debargquee. 
Mais la mer baissuit, le vent etait presque nul, on pouvait 
eruindre que ce gros irois mdts n’echoudt avant daarriver d 
la mer: aussi, des qu'il flotta, le capitaine ‚sescusa de ne 
pouvoir attendre ni se charger davanlage, et il fil route, 
Iaissant @ terre plus de trois cents hommes. Un moment apres, 
ce m&me capilaine fut lud par la fusillade que les republicains, 
accourus au bord du canal, dirigerent sur les deus navires. 

„Les ennemis uvaient tr&s bien vu qu’une partie des emi- 
gres diaient restes dans le port. Ils resolurent de les empéêcher 
de sortir a la marde du soir. Huit bouches d feu, doni deux 
obusiers, sont disposdes pour leur couper la route. Il fallait 
passer & moins de trois cents pas de cette batterie qui, par 
la haute mer, se trouvait rasante à fleur d’eau. L’on se de- 
cida, neanmoins, @ courir une chance si lerrible. , 

„On avait, dans la journde, equipe trois grandes bargues, 
ponlees seulement de l’avant et de larriere, le milieu resiant 
a ciel,ouvert. La compagnie de Bretagne ei quelques hommes 
de surplus, en tout un peu plus de cent hommes, montent le 
bateau qui doit ouvrir la marche; l’on y met aussi, sur un 
malelas, M. de Pommarel, lofficier blesse la veille. 

„A cing heures du soir, on part avec un vent favorable, 
mais trös faible, les baleaur s’avangani & trois cenis pas lun 
delauire. Le trajet a parcourir dans le canal est d’une demi- 
lieue, et la batlerie republicaine se trouve d mi-chemin. Assig 
dans le fund des bateaus, sur leurs havresacs, et {res serres, 
les emigres observent un profond et solennel silence. L’artil- 
lerie des remparts tonne pour les proleger. La premiere 
barque arrive lentement par le travers de la batterie, qui 
vuvre uussilöt son feu. Tous les coups portent: chaque bou- 
lei, entrant à fleur d’eau, tue trois ou qualre hommes ; de 
longs Eclais de bois, lances comme des fieches, doubleut les 
rauages des projectiles. En peu de minutes le bateau, plein 
de morts, de mourans, de sanglans debris, presente un spec- 
tacle affreus. Crible de boulets, la voile dtant emportee, le 
mdt hache, le gouvernail coupe, il vient echouer et s’envaser 
sous la batterie. Le desurdre et Ühorreur sont au comble. 


408 Weißenthurm. 


Vingt-kuit hommes, dont plusieurs gri&vement blessds, par- 
viennent d la nage au pied d'un petit fort occupe par les 
Huanovriens sur lautre bord du canal, et sont sauvds. Un 
d’entre eur, qui n’avait aucune blessure, y arriva dans un 
etat complet de folie. Les deux autres buteaux, t&moins de 
la catastrophe du premier, n’etaient pas alles plus loin. M. 
de Vallon d’Ambrugeac fit debarquer son monde, pour operer 
une diversion utile et tdcher de sauver les malheureur qui, 
ne sachant pas nager, avaient pris terre de ce cöte du canal, 

„BRenires et desormais renfermes dans la ville, les émi- 
gres preterent un concours 6energique a la defense, qui trouva 
aussi dans les bourgeois de zeles auxiliaires. Mais apres douze 
jours de siege, la ville dut se rendre. On insista pour ob- 
tenir la sortie de deux bateaur couverts, dans lesquels on 
pourrait sauver les emigres; les implacables republicains re- 
poussent cette demande, dont ils penetrent le motif, et sli- 
pulent m@me erxpressement que ces malheureur proscrits de- 
meurent en dehors des conditions arretedes. La. garnison elle- 
meme fut trop heureuse d’Etre admise a capituler ; car la 
Convention,: dans une sorte de delire feroce, venuit de de- 
Jendre ü ses armees de faire aucun prisonnier anglais ou 
hanovrien, tout sujet de la Grande-Bretagne eiant mis hors 
des lois de la guerre. Moreau ne se justifia medme de la ca- 
pitulation de Nieuport qu’en declarant qu'ulors le decret ne 
lui ôtait pas encore parvenu. 

„La ville devait &tre occupde le lendemain 0. juillet. 
Les Emigres deliberent entre eu:. Quelques uns voudraient 
qu’on marchdt droit @ l'ennemi; mais le souvenir de la sor- 
tie de Menin a dü le meitre en garde: un tel fait darme 
ne reuissirait pas une seconde fois. M. de Vallon d’ Ambru- 
geac, qui sait très bien lallemand, pourrait se meler aux ofji- 
ciers hanovriens ; il refuse de se separer de ses freres d’armes. 
Il propose de se retrancher dans un bastion avec les deus 
pieces du regiment, et de s’y defendre jusqu'òâ la derniere 
extrdmite. Aucun de ces avis n’etant adopte, chacun demeure 
libre de chercher individuellement des moyens de salut. .Un 
gentilhomme, jeune et beau cavalier, fit sa toilette comme 


Seneral Heike. 05. 


pour une fele, ei marcha tdie haute, d’um air de defi, au 
devant des republicains: il tomba sous une grele de balles. 
Presque tous furent pris duns les battues achurndes faites 
autour de. la place. Ajoutons que l’on employa principalement, 
pour cette chasse aux hommes, des soldats beiges, et non des 
Francais. Vingt-et-un ‚fugitifs seulement parvinrent à 8’d- 
chapper @ travers les inondations pruligudes pour la defense, 
ei à franchir quinze lieues de pays occupe par l’ennemi, jus- 
qua ÜEscaut. 

„On devine quel fut le sort de tous’ceur qui tombèrent 
au pouvoir des republicains. Vingt-huit ou trenie, griövement 
bleseés perndant le siöge, eiaient gisans sur des cadres dans 
la caserne. Les hommes valides, au nombre d’environ deuæ 
cents, furent rdunis en colonne entre deux haies de soldats. 
Ils étaient suivis par les blesses qu'on portait sur des bran- 
cards. Parmi ces derniers etait lintrepide lieutenant-colonel, 
le marquis de Villaines, qui, apres lexploit de Menin, avait 
rejoint le bataillon renferme dans Nieuport. La caserne d’oü 
Von arracha les malheureux blesses etait au pied du rempart, 
du cöte opposd ü la porte pur oü ils sortirent de la ville. 
Ils la traverserent toule entiere, au milieu de la population, 
qui, frappee d’horreur, faisait retentir le cri de gräce! gräce! 
Mais rien ne pouvait flechir les bourreaus: les victimes fu- 
rent uins? conduites a une lieue de la ville, dans les dunes, 
ou on les fusilla en masse par des feur de bataillon: sup- 
plce hideux qui tue rarement du premier voup, et qu'il faut 
ensuitle consommer tout-a-fait. 

„La revolution seule pouvait donner au monde ces ef- 
Jroyables spectacles.. On aime & croire que Moreau, en se 
Jaisant le complice de pareilles horreurs, pliuit, malgre lui, 
sous latroce pouvoir qui, presque le même jour, le payait de 
ses vicloires et de son obeissance par le supplice de son 
vieur pere. ' " 

„Les compagnies de Loyal-Emigrant sauvdes de Nieuport 
Jurent debargqudes à Anvers: Le regiment conlinua la cam- 
pagne. Passe en revue d Grave, àâ la fin d’vclobre, il n’avait 
plus alors que 600 hommes sur 1400 quiil complast au mois 


498 Weißenthurm. 


davril. Cette campagne fatule avait devord tout le reste. 
Rembargue à Siade, pour I Angleterre, Loyal-Emigrant, ainsi 
que Finfanterie des elgions de Beun et de Damus, fit partie 
de la deplorable espedition de Quiberon. Plusieurs des vingl- 
et-un Echappes de Nieuport, apres la capitulalion, furent fu- 
silles a Vannes, entre autres, MM. de Collibeaur, de Morlais, 
et de Royer, de Nantes. Cetie horrible boucherie nous offre 
encore d’aulres noms appartenant. à Loyal-Emigrant : Pierre 
Jacques et Charles de Corday, freres de Charlotte Corday, de 


Comparot etc. elc. ‘Ce qui resta de ce brave regiment fut 


transporte en Portugal“ 

Wenn aber einem Baur, einem Göthe, und fo vielen Andern 
die Ausdauer, bie Leiflungen jener, die ſchrecklichſte Tyrannei, bie 
fcheußlichfte Verirrung beftreitenden gewaffneten Märtyrer unver 
ſtändlich, unbegreiflich geblieben find, ftellenweife empfingen bie 
gefliffentfih Berfannten doch auch ein Zeichen der Anerfennung. 
In den Testen Tagen des Auguftmonats 1799 zog durch Prag, 
nachdem es die Gantonirungsquartiere in Bolhynien verlaflen, das 
Condeſche Corps, nochmals den Kampf mit der Hölle zu befteben. 
Den 28. Aug. rüdte der Königsſtadt ein Das Regiment der Edelleute, 
Infanterie. Oeſtreichiſche Cavalerie eröffnete den Zug: ihr war die 
Aufgabe geworden, durch die Dichten Mafjen der Neugierigen Bahn 
zu brechen. Auf dem Marft erhob fih ein Gerüft, mehre Stufen 
hoch, von Damen in großer Anzahl eingenommen. Das befilis 
rende Regiment wurde mit 50 Ranonenfhüffen begrüßt, aber der 
Donner der Gefhüge erftarb unter dem wüthigen Jubelruf, ber 
yon den Kenftern und dem Gerüft ausgehend, durch alle Straf“ 
fi) verlängerte. Eine wahrhaft efectrifche Bewegung erfaßte die 
Zuſchauer, als fih das Regiment vor ihnen entwidelte, fichtbar 
wurden die Ritter und Commandeure bed Maltefer-, Ludwigs 
und Lazarusordens, reife von der vornehmſten Haltung, ben 
Sad auf dem Rüden, die Musfete, von 18 Pfund Gewidt, 
auf der Schulter, aufmarſchirend in dem leichten Anftand eines 
Soldaten, der zur Parade geht, und das nad einem Marſch 
yon mehr denn 200 Stunden, in dem heißeften Sommer bes 
Jahrhunderts. Aller Orten präfentirten die Schildwachen, ſelbſt, 


Be ————— — — —— 


General Hoche. 497 


dieß war geboten, vor den einzelnen Soldaten. Von der all⸗ 
gemeinen Rührung ergriffen, ſprach, auf jene Veteranen deutend, 
zu den Officieren ſeines Generalſtabs Graf Apponcourt, des Erz⸗ 
herzogs Karl Locumtenens: ‚‚Eh bien ! Messieurs, en pareille 
eirconstance en eussions-nous fait autant ?* Niemand ants 
wortete. | 

Während Tallien und Conforten die blutigen Orgien feiers 
ten, verfolgte Hoche die Reſte der von Tinteniac befehligten 
Scharen, die fogenannte rothe Armee, ohne doch gänzlich, fie ver- 
nihten zu fünnen. Am 29. Aug. 1795 wurde ifm von dem 
Hellausfhuß das Commando der Weftarmee übertragen, indeflen 
Moncey zu dem Commando der Armee von Breft berufen; es 
jollte der Brigadegeneral Bonaparte unter den Befehlen von 
Hoche dienen, eine Anordnung, die jedoch unverweilt zurückgenom— 
men wurde, Hoche verfügte fih nad Nantes, um den Fränfelns 
den Sanclaur in einem Commando abzulöfen, das nad der Lage 
der Dinge die äußerſte Thätigfeit erforderte. Charette hatte 
nohmals ſich erhoben; eine englifche Expedition, welcher der 
Graf von Artois fi angefchloffen, bedrohte, von Ile-Dieu aus, 
die Küften der Vendée. Bor allem Iegte Hoche die Sevre Nan« 
taife entlang eine Reihe von wohlbefeftigten Poftirungen an, die 
Berbindung zwifchen Charette und Stofflet zu hemmen: er wollte 
"die beiden Hauptanführer der Vendée abhalten, in Gemeinfchaft 
zu handeln. Dazu war Stofflet für den Augenblid wenig geneigt: 
ihn wurmte es, feinen Nebenbuhler Charette mit dem Titel eineg 
Generaliſſimus befleidet zu fehen. Hoce, der über eine Armee 
von 44,000 Mann verfügte, beftimmte die Hälfte davon zu einem 
Angriff auf Belleville, das gewöhnliche Hauptquartier von Chas 
 rette, Die drei zu dem Ende auggefendeten Colonnen vecupirten 
Belleville, ohne weſentliche Schwierigfeiten zu finden, denn Chas 
rette hatte, in der Abficht, feiner Gegner Aufmerffamfeit yon der 
Seefüfte abzulenken, und des Prinzen Landung zu erleichtern, fi 
mit 9 oder 10,000 Mann füdlich gegen Luçon gewendet, und bei 
St. Eyr ein nachtheiliges Gefecht beftanden. Er fah ſich genöthigt, 
nad dem Innern des Marais zurüdzumweichen, Hoce aber bes 


Rhein. Antiquarius, 3. Abth. 2. Bd, 32 


496 Weißenthurm. 


ſchäftigte ſich mit der Anlage eines befeſtigten Lagers bei Soullans, 
mittels deſſen er den Küſtenſtrich überwachen, jeden Verſuch einer 
Landung beſtreiten konnte. Vorher war ihm eine Ausfertigung 
bes Regulativs für die Royaliſten in der Vendée, vom 12. Det, 
1794, in die Hände gefallen, Er fohreibt davon an den Heils 
ausfhuß: „Je me propose de faire connatire dans peu le code 
affreux qui regit les Vendeens. Non, celui de Saint-Juste, 
de Robespierre et de Couthon, n’etait pas plus revoltant. La 
peine affliclive est toujours la mort. Üetie piece, une lettre 
de Puisuye adressee & Cormatin, une autre signee Bourmont, 
adressee ü Riviere de Riffardeau, epouvanteraient les roya- 
listes eux-memes ; et la posterile, en delestant la barbarie de 
notre siecle, ne pourra croire que de pareils actes aient ete 
dictes par des hommes. La mort, et toujours la mort.“ 

In einem andern Beriht an den Heilausfhug, 15. Det, 
1795 , befpricht der General die Art der Kriegsführung in der 
Bendee, „La maniere de combatire des Vendeens ne peut 
dire comparee üd aucune autre. Un peuple enlier est insurge. 
Hommes, femmes et enfans ne voient les bleus qu’avec hor- 
reur. Ce peuple a tout perdu; le pays qu'il habite est hor- 
riblement devaste; il est d’uilleurs tres-couvert et exrtr@me- 
ment coupe. Des chefs qui gouvernent par la superstition et 
la terreur, qui ont toujours @ leur suite des bandes d’assas- 
sins qui leur sont devoues, meuvent le peuple avec la plus 
grande Jacilitde. Entres-vous en force dans ce pays: tout 
fuit et se cache dans les foreis, daus les gendts etc.; les 
troupes ne voient personne. Si par hasard un habitant vient 
a renconirer la coloune voisine de celle qui la Epouvante, ii 
disparait dans la multiplicite des haies. Peut-on employer une 
journde ä le faire chercher par deux ou trois mille hommes? 

„Les chefs veulent-ils vous dtiaquer, leur troupe est em- 
busquee. Lorsque la idte de votre colonne parvient à la hau- 
teur des ennemis, ils fondent sur elle avec la plus grande 
impetuosite; dans le moment la troupe se irouve environnee 
de feu, et la plus agile a bien de lu peine a se meltre en 
bataille. On ne peut guere &loigner les Eclaireurs sans cou- 
rir risque de les perdre. La troupe, par la nulure du pays, 


General Hoche. 409° 


ne yeut marcher que sur trois hommes de front, ce qui donne 
a la colonne une profondeur d’autant plus desavanlageuse, 
que les haies et les fosses ne permeitent pas de se ranger 
suivant les principes. 

„Le pays n’offre aucune ressource ; nous sommes obliges 
de tout tirer de nos derrieres: alors il faut des escortes nom- 
breuses; car la bande ennemie avec laquelle vous vous @les 
beitu, et qui, apres Vaction, perte ou gain, disparatt, peut 
se porter dans une nuit a dix lieues derriöre larmee et lui 
intercepter les vivres. Mais, dira-t-on, poursuivez Tennemi; 
mais, sans doute nous le ferions, sl était possible & des sol- 
dais charges d’un havresac, d’un fusil, d’une giberne, de vivres, 
de munitions, de poursuivre un ennemi qui ne porte rien, et 
qui, dans sa fuite, se divise à linfini. Je mets en fait quun 
Vendeen qui fuit fait trois fois plus de chemin que le soldat 
le plus ardent ä le poursuivre. Pourrait-un, dailleurs, laisser 
courir bien loin le soldat qui ne connait pas les senliers, qui 
ne pourrait se rallier? Mais, dans la supposition même oü 
le hasard vous ferait rencontrer des insurges, il ne vous est 
plus permis que de voir en eur des dtres respeclables par 
leurs malheurs; alors ils sont aux champs, ils labourent, ils 
soni sans armes, ils nient avoir ete avec les brigands, ils se 
plaignent amerement deux. Peut-on les tuer? Non sans 
doute. C’est de cette maniere qu’a éêté trompe Boussard sorti 
de Mortagne ; il n’a vu que des hommes occupes a labourer 
leurs champs. Caffin croyait sincerement ü la pair; Boussard 
9 a mis tout le zele possible, son devouement lui a fait perdre 
la vie: il vient de mourir de deux coups de feu. Ici Ü'ha- 
bilete est à peu prös inulile; les generaur doivent &tre les 
premiers @ charger. Quelle est donc lu manière de terminer ? 
La voici suivant moi. 

„Occuper le pays par des postes reiranches dans lesquels 
on formera des manutentions de pain; avoir quatre colonnes 
mobiles qui parcourront en tous sens lespace circonscrit par 
les anciens cantonnemens; desarmer le pays; employer, pour 
4 parvenir, le moyen suivant, qui est de prendre tous les 
besliaux d’une commune, et de ne les lui rendre que lorsque 


32 * 


800 Weißenthurm. 


tous les habitans auront apportd leurs armes; fondre impe- 
tueusemeht sur les moindres rassemblemens ; faire enlever les 
chefs, soit @ prix d’argent, soit autrement ; trailer avec hu- 
manite les femmes, les enfans, les vieillards; ne point tolerer 
le pillage. f 

„Voilò, citoyens representans, la manitre dont je vais 
operer si vous me le permettes. Deja une commune a dd 
apporier ses armes pour avoir ses vaches; le reste suivra sans 
'doute. ‘Le paysan est irop malheureux pour ne pas se ré- 
volter contre ses chefs actuels, s’il se voit soutenu.“ 

Die erheblichſten Schwierigkeiten fand der General in ber 
Berpflegung feiner Armee, fortwährend mußten Colonnen aus. 
gefendet werden, um Lebensmittel beizutreiben, und wurbe durch 
Diefe Nothwendigfeit die Gährung im Lande unabläffig geftei- 
gert. Die Diftriete, in welden Sapinaudb dag Commando 
führte, nachdem fie bis dahin friedlich geblieben, festen Gewalt 
der Gewalt entgegen. Sie zu züchtigen, ſchickte Hoche den Ges 
neral Willot aus: der follte, im Beginn feiner Operationen, ein 
Placat des folgenden Inhalts verbreiten: „Aur insurges. La 
republique enleve vos grains et vos bestiaur, pour vous punir 
de volre perfidie de laffaire de Mortagne: rendez vos armes, 
et vous aurez vos boeufs.“ Gleichzeitig hatte Hoche ein Der 
tachement von 2000 Dann, unter General Cherin, in Bewegung 
gefegt, um dem Gonvent in dem beoorfepenben Kampf mit ben 
Sertionen Beiftand zu leiften. 

Die englifche Flotte, des langen vergeblichen Harrens müde, 
verließ die Gewäſſer von Ile-Dieu den 25. Nov. Charette, der in 
der Hoffnung einer mächtigen Unterftügung den immer ungleicher 
werdenden Kampf wieder .aufgenommen hatte, fuchte durch vers 
zweifelte Auftrengungen die Linie der Seyre Nantaife zu brechen, 
um der Armee von Hoche im Rüden, in das Territorium von 
Stofflet einzubringen, diefen zur Erneuerung der Feindfeligfeiten 
zu zwingen. Er wurde jedesmal zurüdgewiefen, genöthigt fich in 
ben Marais zu vertiefen. Sapinaud erlitt, nach vorübergehende 
Erfolg, vor Chätillon ſchwere Niederlage, daß fein Corps fich aufs 
löfen mußte. Scepeaur, zwifchen Loire und Bilaine, regte füch fi 


















General Hode. 501 


wenig wie Stofflet. Die Royaliften der Bretagne waren durch 
Zänfereien getbeilt. Unter diefen Umftänden mochte Hoche ohne 
fonderlihe Schwierigfeiten die Einleitung zu feinem Entwurf für 
die Pacification des Landes treffen. Die befeftigten Lager an 
der Sevre Nantaife, diejenigen durch welche Nantes, Ted Sableg, 
die Küfte geſchützt, wurden bie Endpunfte einer cirfelförmigen 
Linie, die allgemach vorrüdend, die ganze Provinz umfaffen 
follte. Starfe Poftirungen, durch welche bie Linien gebütet, 
eorrespondirten durch Patrouillen, fo daß nirgendewo eine Tüde 
gelaffen, höchfteng in ganz Heinen Abtheilungen ein Feind durch⸗ 
ſchlüpfen konnte. Bon den Poftirungen aus follten die Orts 
fhaften der Reihe nad occupirt, ihre Bewohner entwaffnet wers 
ben. Die zu erreichen, waren die Truppen angewiefen, fich des 
meift auf den ©emeinweiden grafenden Biehes, der Früchte 
in den Scheuern zu bemädhtigen, und die angefebenften Infaffen 
zu verhaften. Diefe Geifel, Vieh und Früchte follten in Berhaft 
bleiben, bis dahin die Bauern ihre Waffen abgeben würden, 
Um allenfallfige Defraudationen zu verhüten, war befohlen, in 
jedem Kirchfpiel die Kifte der ausgehobenen Mannfchaft, und fo 
viele Gewehre, als die Lifte Namen enthalten würde, fi auss 
liefern zu laffen. Wo dergleichen Liſten nicht vorhanden, follte das 
Viertel der männlichen Bevölferung als der Maasftab für Die 
Ertradition der Gewehre angenommen werden. Sobald biefe . 
erfolgt, follten Vieh und Getreide getreulich zurüdgegeben wer« 
den, bis auf ein beſtimmtes Duantum, das den Leuten auf die 
Steuern anzurechnen. Dringend war den Dfficieren die mög- 
Iichfte Schonung in der Behandlung der Individuen empfohlen. 
Die Linie der Entwaffnung, nad) und nad die ganze untere 
Bendee umfchließend , fchügte zugleich das unterworfene Land 
gegen die Einfälle der Bandenführer,, gegen deren Brauch, die 
Anerfennung der Nepublif, die Auslieferung der Waffen durd 
Berwüſtungen zu beftvafen. Zwei bewegliche Colonnen gingen der 
Linie voraus, um jene Anführer zu beftreiten und einzufangen, 
ein Schieffal, dem fie bei der allmäligen Berengung des fie um» 
gebenden Halbeirfels faum ausweichen fonnten. ine Diefer 
beweglichen Colonnen war zugleich beſtimmt, falls in einer der 


302 Weißenthurm. 


beruhigten Gemeinden nochmals Störungen vorkommen ſollten, 
ſofort zur Stelle zu eilen, und abermals Geiſel, Vieh und Früchte 
zu nehmen, um ben Nachbarn ein Beifpiel aufzuftellen. Der 


Entwurf wurde in den Monaten Nov. und Dec. zur Ausführung 


gebradt. Die Entwaffnungslinie, Saint-Gilles, Lege, Mon 
taigu, Chantonnay berührend, rechts bis zur See, Tinfs bis an 


Lay fih ausdehnend, hatte nebenbei die Abficht, den gefährlich“ 
ften Gegner der Republif zwifchen unwegfamen Moräften einzu« 
fohliegen. In diefen Operationen leitete Hoche feine Officiere 
burch meifterhafte Inftructionen, deren Ausführung zu überwachen, 
er auf den verfchiedenften Punkten fich vervielfältigte. Es war 
nicht einzig der Krieg zu führen, es mußte mit ihm Hand in 
Hand gehen eine großartige Politik, für welche gleich viel Bes 
fonnenbeit und Ernſt erforderlih. Die Magazine fegten den 
General in den Stand, den Dürftigen Unterflügungen zu reichen; 
bie einen erhielten Cocarden, die andern Mützen, einige fogar 
das nöthige Saatforn. Er ließ fich die als Geiſel ausgehobenen 
Individuen vorführen, plauderte mit ihnen; nad) einigen Tagen 
wurden fie freigegeben, wofür fie niemals undankbar fich erzeigten. 
Er unterhielt einen fchriftlichen Verkehr mit mehren Pfarrern, 
deren Vertrauen er fich erworben, und von denen er die wichtigs 
fien Mittheilungen empfing. In foldher Weife gewann er einen 
bedeutenden moralifchen Einfluß, der von unberechenbarem Werth 
für die ihm gewordene Aufgabe, und gleichzeitig füllten fich bie 
hinter der Entwaffnungslinie angelegten Magazine, ed wurden 
ganze Herden von Schlachtvieh zufammengetrieben, und die Armen, 


fo Tange dem bitterftien Mangel preisgegeben, war urplöglih in 


Weberffuß verfegt durch die von dem General ausgehende Erfin- 
dung, bie Erhebung der Abgaben und Strafen in Naturproducten, 

Charette trieb fih mit einigen hundert Berzweifelten in den 
Wäldern herum, Sapinaud, der auf feinen Betrieb ſich nochmals 
erhoben hatte, erbot fih die Waffen niederzulegen, wenn man 
ihm nur das Leben laffe, Stofflet, welcher fortwährend burg 
MWerbungen für feine Garde territoriale ſich zu verftärfen fuchte, 
ward ftreng überwacht, und immer genauer durch die fetten Lager 
befchränft. Für den Fall er den mindeſten Anſtoß zu Klagen 


— — — 


— — — —— — — 


General Hoche. | 503 - 


gebe, hatte der General ihm mit Entwaffnung gedroht. Voll⸗ 
ends entmuthigt fühlte er ſich durch die von Hocde gegen das 
Ländchen Loroux gefchidte Erpedition. Dort hatte man zeither 
in Unabhängigfeit von ber Republif und von den Kührern ber 
Vendée fih behauptet, In feinem Schreden bat Stofflet um 
eine Zufammenfunft, und ernſte Worte wurden gelegentlich der⸗ 
felben an ihn gerichtet. Hoce hielt ihm ein langes Sünden⸗ 
vegifter entgegen, drohte ihn aufzuheben und die Provinz zu ent⸗ 
waffnen,, falls er ſich ferner beigehen laſſen follte, allen Bris 
Hands Zufluht zu gewähren, Refruten oder Gelder zu heben, 
überhaupt etwas anderes, ald den SPolizeimeifter von Anſou 
sorftellen zu wollen. Aber Hoche follte die Truppen, fo eigents 
ih den Armeen von Breft und Cherbourg zugetheilt, zurüds 
geben : er widerriethb Tebhaft eine Maasregel, die ihn um 
die Früchte aller feiner Anftrengungen bringen fonnte, und 
wurde, feinen Widerfprucd vor dem Directorium zu begründen, 
bie für die vollfländige Beruhigung der weltlichen Provinzen 
nothwendigen Maasregeln zu berathen, nah Paris berufen. 
Am 30. Nov. übergab er das Commando der Armee an Genes 
tal Wille. Am 22. Dec, flattete er den verfammelten Directos 
ven über die Rage der Armee und der infurgirten Landfchaften 
einen-Bericht ab, der in jeder Beziehung mufterhaft zu nennen. 
Auf Gefchäfte allein hat er jedoch während feines Aufenthaltes 
in Paris Feineswegs ſich beſchränkt. Der Gefellfchaft der Tiebenss 
würdigen Vicomteffe von Beauharnais eingeführt, faßte er für 
fie eine lebhafte Neigung, die der Sage nad Erwiderung fand. 
Napoleon Bonaparte und Hoche wurden Nebenbuhler, und einzig 
die Entfernung, und die durch Barras herbeigeführte Störung ber 
Eorrespondenz Sofephinens mit dem ‚‚modeste Lazaro“ vers 
fhaffte dem Stalifer den Sieg über denjenigen, der von bem an 
aller Orten fein Nebenbuhler geblieben if. Des Freundes Ans 
denken hat die Kaiferin heilig bewahrt; niemals ſprach fie von 
ihm anders, denn in dem Gefühl inniger Trauer. 

In den erftien Tagen des 3. 1796 befand fih Hoche ſchon 
wieder an der Loire; aus Angers, 3. Januar, iſt batirt der 
Armeebefehl, worin er anfündigt, daß die drei Armeen, vom 


304 Weißenthurm, 


Meiten, von Breft und von Cherbourg, zu der einzigen Armee von 
den Küften des Oceans vereinigt, fortan von ihn befehligt fein 


‚ würden. Diefe Armee, die größte der Republik, denn fie zählte wohl 


hunderttaufend Mann, dehnte fi über fünf oder ſechs Provinzen 
aus, und erforderte ihre Handhabung eine unerhörte Vereinigung 
von Civil und Militair-Autorität. Ein dermaßen ausgedehntes 
und wichtiges Commando, dem 27jährigen Manne verliehen, befuns 
bete von Seiten der Regierung ungemeffeneg Vertrauen, das fih 
minder nicht in dem für den Feldherren, vielmehr von ihm entwors 
fenen Operationsplan anfündigt. Der Entwaffnungscordon follte 
ber Reihe nach über alle infurgirten Provinzen ausgedehnt wer« 
den. Borläufig waren fie der -Militairherrfchaft unterworfen, 
und deshalb alle Städte in Belagerungsftand erklärt. Die 
Steuern und das JZwangsanlehen in Naturalien oder in klingen⸗ 
der Münze zu erheben, für die Anlegung von Magazinen und 
Caſſen war dem General freie Macht gegeben. Die Städte, gegen 
welche die Bewohner des platten Landes einen Aushungerungs⸗ 
frieg führten, follten durch Colonnen, die für den Dienft ber 
vornehmften Städte beſtimmt, verproviantirt werden. Den Res 
bellen war Vergebung zugefichert, unter der Bedingung, daß fie 
die Waffen niederlegten. Die Anführer, über bewaffnetem Wider 
ftand ergriffen, follten erfchoffen, im Falle der Unterwerfung ein« 
gethürmt, oder, nach Beichaffenheit der Umftände, in ben dafür 
zu beftimmenden Städten unter Aufficht geftellt, oder über bie 
Grenze gebracht werden, Wenn die Operationen im Süden der 
Loire beendigt, follte in der gleichen Weiſe in der Bretagne zu 
Werk gegangen werden. Dem Ermeffen des Generals. war es 
anheimgegeben, den Zeitpunft für das Aufhören der Mititair- 
gewalt, für die Herftellung des conftitutionellen Syſtems zu 
beftimmen. 

Hoche mußte fih überzeugen, daß feine Abwefenheit ber 


Löfung der fchwierigen Aufgabe feineswegs förderlich geworben. | 


Die Entwaffnung hatte geringe Fortfchritte gemacht, Die weniger 
forgfältig gehütete Linie war von Charette durchbrochen worden; 
er operirte in ihrem Rüden. Die VBernachläffigung des Syſtems 


vegelmäßiger Berproviantirung hatte die alte Noch wieder her 


an mn nn — mn — — ___ —— —— — — —— 


ö— — — — — — —— — — —— — — — — — 


General Hoche. 805 


beigeführt, und die Armee wurde durch den Mangel ber erſten 

Berürfniffe nicht felten zu Gewaltthaten verleitet, welche aller 
Disciplin verderblich, die kaum beruhigte Bevölferung abermals 
zur Verzweiflung trieben. Sapinaud hatte Friedensbedingungen 
erhalten, die in feiner Weife zuläffig. Stofflet, in der Haltung 
eines Fürſten verhaxrrend, fuchte feine Scharen mit den Leuten, 
welche an Charettes Glück verzweifelten, zu verftärfen, foll auch 
inögeheim anderweitige Rüftungen betrieben haben. Die Städte 
Nantes und Angerd empfanden Mangel an Lebensmitteln, fie. 
wimmelten von Patrioten, die aus den umliegenden Landjchaften 
vertrieben, nach ihrem Brauche fi) zu Clubs vereinigten, und 
durch Declamationen und wüthiges Gefchrei Beforgniffe, Unruhe, 
abfonderlich Verdacht gegen die Abfichten des commandirenden Ges 
neral8 verbreiteten, während dieſer es ſich angelegen fein ließ, den 
ſchlimmen Solgen feiner Abwefenheit abzuhelfen. Er ließ die Ents 
waffnung fortfegen, die Magazine füllen, die Städte verprovian« 
tiren, in allen den Belagerungsftand verfündigen. Das berech— 
tigte ihn Die Clubs, abfonderlicd in Nantes die Chambre ardente 
zu fchliegen. Der Friedensvertrag mit Sapinaud wurde nicht 
genehmigt, vielmehr fein Territorium occupirt, und ihm die Wahl 
gelaffen , entweder nah dem Ausland zu flüchten oder in den 
Wäldern fich herumzutreiben, bis dahin man ihn ergreife,. Stofflet 
wurde noch ferner eingeengt, der Generaladjutant Travot an der 
Spige mehrer Colonnen ausgefendet, um endlich der Perfon von 
Charette habhaft zu werben. 

Tag und Nacht verfolgt, waren biefem bald alle Wege zu 
entfommen, verfchloffen. Die Bewohner des Marais, entwaffnet, . 
gehütet, konnten ihm in feiner Weife beiftehen, Aber Charette, 
ber noch immer einhundert feiner zuverläfligfien Anhänger, auch 
mehre Frauen um fich hatte, blieb dem Gedanfen fern, fich zu 
ergeben , während er zugleich alle Mittel aufbot, den unausge— 
fegten Nachftelungen zu entgehen. Mehrmals foll er, in der 
Beforgnig eines Verraths, die Leute, deren Hütte für eine Nacht 
ihn aufgenommen, haben ermorden laffen. Travot verfolgte jedoch 
unermüdlich feine Spur, erfegte in verfchiedenen Gefechten an 
die fechzig feiner Begleiter, darunter mehre DOfficiere und Chas 


506° Weißenthurm. 


rettes Teiblicher Bruder. Vierzig oder fünfzig Männer hielten 
bei dem Anführer aus, zu deſſen Gunften eine Diverfion zu 
machen, jegt endlich Stofflet fih erhob, für Hoche ein erwünſch⸗ 
tes Ereigniß. Republifanifche Colonnen überzogen von mehren 
Seiten die offene Landſchaft Anjou, triumpbhirten aller Orten, 
verfolgten den verlaffenen Stofflet in der Flucht nach den vers 
borgenften Schlupfwinfeln, bis dahin diejenigen, denen er am 
meiften vertraut hatte, ihn Tieferten. Unter dem Borwand einer 
Conferenz wurde er nad einem Pachthof gelockt, überfallen, ges 
bunden, nad Angers gebracht, und dafelbft den 26. Febr. 1796 
erſchoſſen. 

Während dem war Hoche Unannehmlichkeiten aller Art aus⸗ 
geſetzt. Der Bluthund, wie die Royaliſten ihn bezeichneten, 
hatte nicht weniger unter den Berläumdungen der Patrioten zu 
feiden. Die Flüchtlinge aus der Vendée und der Bretagne, deren 
Mordpläne er vereitelte, deren Faulheit er antaftete, indem er 
den Müffiggängern, fobald fie in Sicherheit zu ihrem Eigen» 
thum zurüdfehren fonnten, ihre Nationen nahm, verfolgten ihn 
vor dem Directorium mit ihren Denunciationen. Die Städte 
bejammerten und verflagten den Belagerungsftand., Die Ger 
meinden feufzten unter der Laft der in Naturalien erhobenen 
Steuern und Bußen. Dur dag Chang der Reclamationen und 
Anflagen wurde der reizbare Hoche mehrmalen zur Verzweiflung 
getrieben, mehrmalen forderte er feine Entlaffung. Die verweis 
gerte jedoch das Directorium, zugleich bemühet, durch Bezeigung 
von Achtung und Vertrauen den Berlegten zu beruhigen. Mittels 
Beſchluß des Directoriums vom 20. Zul. 1796 wurden ihm: zwei 
der fchönften in Den Depöts vorfindlichen Pferde mit dem Sattels 
zeug, dann ein Paar Piftolen ald eine Nationalerfenntlichfeit 
zuerfannt. Das Geſchenk hatte fogar eine materielle Bedeutung, 
benn der General, obgleih an die Spige von hunderttaufend 
Bajonetten geftellt, und über das Einfommen ganzer Provinzen 
verfügend , fand nicht immer die Mittel, feine nothmwendigften 
Bedürfniffe, vielweniger feinen Hang zum Bergnügen zu befries 

digen. Der Sold wurde in Affignaten, in durchaus werthlofem 
Papier bezahlt. Der General mußte fih die Ermächtigung ers 


General Hoche. 807 


bitten aus den auf Quiberon erbeuteten Magazinen, gegen Zah⸗ 
lung, ſechs Sättel, fehs Zäume, mehre Hufeiſen, einige Bou⸗ 
teillen Rum, einige Zuckerhüte entnehmen zu dürfen. 

Charette, zum Aeußerſten gebracht, verlangte Sicherheit, 
um ſich nach England zu begeben. Die bewilligte Hoche, 10. 
Febr. 1796, aber fein Gegner hatte nur einen augenblicklichen 
Stillſtand gefucht, wie Charette felbft bald befannte, mit dem 
Zuſatz, daß er von den Republikanern keinen Pardon wolle. Die 
Verfolgung, die Hetze begann aufs neue, Am 22. März fiel er 
in einen Hinterhalt, von Travot ihm gelegt. Er focht ale ein 
Löwe, feine Begleiter ſchirmten ihn mit ihren Reibern, aber das 
Heine Häuflein mußte erliegen, Durch Säbelhiebe gefällt, wollte 
Charette Lediglich an Travot feinen Degen abgeben. Ex wurde 
mit aller feiner Unerfchrodenheit gebürenden Rückſicht behans 
delt, fpeijete auch im Hauptquartier an der Tafel des Generals 
Hedouville. Er betheiligte ſich in Heiterfeit bei der Unterhaltung. 
Borläufig nach Angers, letzlich nach Nantes gebracht, äußerte er 
fih in dem Verhör, das dort mit ihm. angeftellt wurde, in ber 
ruhigften, in. der würdigften Faſſung. Daß er dem König diene, 
daß er alle feine Kräfte angewendet habe, um die Republif zu 
überwältigen, befannte er unummwunden. Diefe flolze Haltung 
verließ ihn nicht, als man ihn zur Schlachtbanf führte, das 
zahlreich verſammelte Geſindel mit jubelndem Hohn ihn empfing. 
Um die Stirne trug er ein Schnupftuch gewunden, den Arm in 
der Binde, in dem letzten Gefecht hatte er drei Finger verloren. 
Er wollte weder die Augen verbunden haben, noch niederfnien, 
den Arm zog er aus der Binde, den Hut vom Haupt, und mit 
dem Ruf, vive le roi, empfing er, von mehren Kugeln getroffen, 
den Tod, 29. März 1796. 

Den 1. Oct. 1795 hatte Suwarow aus feinem Hauptquartier 
Warſchau ein Schreiben ohne Gleichen, eine Pindarifche Hymne 
an ihn erlaſſen: Heros de la Vendee! illustre defenseur de 
la foi de tes peres et du tröne de tes rois, salut ! 

„Que le Dieu des armdes veille & jamais sur toi; qu'il 
guide lon bras a travers les nombreur bataillons de tes en- 
nemis qui, marques du doigt de ce Dieu vengeur, tomberont; 
disperses comme la feuille qu'un vent du nord a frappee. 


“ 


808 Weißenthurm. 


„Et vous, immortels Veniléeus, fideles conservateurs de 
Ühonneur des Frangais, dignes compagnons d’armes d’un he- 


ros, guides par lui, relevez le temple du Seigneur et le tröne 


de vos rois.... Que le mechant perisse ... que sa Trace 
sefface ... . Alors, que la pair bienfaisante renaisse, et que 
la tige untique des Iys que la tempedie avuit courbde, se re- 
leve du milieu de vous plus brillante ei plus majesiueuse. 

„Brave Chareite, honneur des chevaliers frangais, l’uni- 
vers est plein de ton nom... L’Europe elounde te contemple 
... el moi, je ladmire et te felicile.... Dieu te choisit, 
comme aulrefois David pour punir le Philistin. — Adore ses 
decrets, vole, altaque, frappe et la victoire suivra les pas. 

„Teils sont les voeux d’un soldat qui, blanchi aux champs 
d’honneur, vit constamment la vicloire couronner la confiance 
qu'il avait placde dans le Dieu des combats. Gloire à lui, 
cur il est la source de toute gloire. Gloire.a toi, car il te 
cherit.“‘ 

Richt diefelbe Gerechtigfeit läßt Hoche Dem Helden angebeihen; 
in feinem Bericht an das Directorium, 8. Nov. 1795, heißt es: 
„Le seulmerite que je lui connaisse sera bientöl en defaut (die 
Schnelligfeit der Bewegungen). Cet ennemi, l’espoir des contre- 
revolutionnaires qu’il a trompes, l’espoir des emigres qu'il de- 
teste et qu'il n’accueillera jamais, fut-il puissant, a un pou- 
voir absolu sur tout le pays oü il commande. Les lois dra- 
coniennes qu’il a donnees au pays qu’il occupe,'Tlont en quelque 
sorle fait deifier par une multlitude ignorante que son seul 
nom fait trembler. Son caraciere est feroce et singulierement 
defiant : son ambition est de gouverner son pays feodalement. 
Il n’a point d’amis. Pour &ire un chef vraiment redoutable, 





— — — — — —— — —— — —— —— — — —— — — — — — — — —— — —— 


il lui faudrait la loyaute de Bonchamps, .les taleus de dE- | 


bee, la temerite de Stofflet; il n’a ni Tun ni lautre. Des 
femmes sanguinaires le dirigent dans ses cruaules, ei sans 
dire un ldche, il se rdsout difficilement au combat qui lui est 


presente. On s’eionne que Charetie, toujours ambulant, puisse 
faire vivre sa troupe; partoul il irouve des vivres. Comme 
il serait infiniment dangereux de lui en refuser, il n’a qua 
Juire connaftre ses besoins pour que sur-le-champ il n’ait plus 


- 


General Hoche. 509 


rien a desirer. La Vendee, malgre tous ses malheurs, est encore 
le departement de la Republique le plus abondamment pourvu.“* 

In der Vendée war der Krieg beendigt; mit 20,000 Mann 
ging Hoche über die Loire, um in der Bretagne fein Syftem 
ebenfalls zur Anwendung zu bringen. Allgemad, freilich unter 
vielem Blutvergießen, wurde das Land unterworfen, und Hoche 
durfte fih nur mehr mit der Dislocation feiner Armee befchäf- 
tigen. Richtig vertheilt, konnte fie das Land in Ehrfurcht halten, 
ohne doch allzu ſchweren Drud zu üben. Gegen von der Res 
gierung gebotene Thorheiten und Graufamfeiten vermochte aber 
Hohe nur in feltenen Fällen die Bevölferung zu ſchützen. Klagt 
tr doch dem Directorium am 14. März 1796: „Vous vous rap- 
pellerez un jour ce que jeus [honneur de vous ecrire si sou- 
vent ; punissez les citoyens rebelles aux lois, mais ne vous 
melez pas du culte. On Quilloline des preires a Vannes tous 
les jours ! tous les jours aussi les vieilles femmes et les jeunes 
gargons viennent iremper leurs mouchoirs dans le saug de ces 
malheureuz, et bientöt ces monumens d’horreur serveht de 
drapeauz aus fanaliques habitans des campagnes, qui se font 
egorger afin d'aller plus vite en paradis.“ 

Am 9. März hatte er an einen Freund gefchrieben: „Je 
Tai dit vingt fois au directoire: si Von n’admet la tolerance 
religieuse, il faut renoncer a Tespoir de la paiz duns ces 
. contrees. Le dernier habitant, acharned daller en paradis, se 
fera tuer en defendant Uhomme qu'il croit lui en avoir ouvert 
les portes. Qu’on oublie une fois les prötres, et bientöt il n'y 
aura ni pretres ni guerre: quon les poursuive collectivement, 
et lon aura la guerre et des preires pendant mille ans. Quand 
un preire commet un delit, si on le poursuit comme tel, on 
tevolle Z'habıtant ; si on le punit comme homme, comme ci- 
toyen, personne ne dit mot. Je le demande hardiment, cette 
multitude d’hommes qui ne connait que ses pretres et ses 
” boeufs, peut-elle adopter tout ä coup les idees de morale et 
de philosophie? D’ailleurs, faut-il fusiller les gens pour les 
Eclairer? Ces principes ne sont pas ceux du Directoire; il 
fermera Tabime qu’un zele maladroit voudrait creuser sous 
les pas de la Republique encore chancelante. Le pays ven- 


310 Weißenthurm. 


deen reclame d grands cris une erganisalion civile. Le re. 
gime mililaire ne lui convient plus. Il n'est pas asse= fort 


non plus pour supporter le gouvernement constilutionnel; il | 


lui faut un mizte, dont les agens soient pris dans les deus 
classes de ciloyeus, les refugies et ceuz qui n’ont pas sorli 


du pays. Lidee dun commissaire est d adopter ; mais il faut 
qu'il connaisse le pays, sans y être attacké par des änterets 


quelconques““ - 

Während Hoche fih mit der Ausführung einer Lieblingeibee 
befchäftigte, die Anftalten zu einem Unternehmen auf Irland bes 
trieb, ward fein Leben ernftlich bedroht; Guillaumont feuerte zu 
Rennes den 17. Det. 1796 auf ihn, der eben das Schaufpiels 
baus verließ, feine mit mehren Kugeln geladene Piftofe ab. Der 
Mörder fehlte und genoß nicht einmal des Troftes, dem Bedrohten 
Schreden eingejagt zu haben. Hoce verlor feinen Augenblid 
die Faſſung, ließ im Gegentheil der verarmten Familie Guillaus 
mont namhafte Unterflügung zufommen, Die nad Irland bes 
flimmte Expedition, 15 Linienfgiffe, 20 Fregatten, 6 Gabaren, 
50 Transportfhiffe, an Truppen 22,000 Dann tsagend, ging 
ben 16. Dec. 1796 unter Segel, um der Bantrybay zuzufteuern. 
Hoche und der Admiral Morand de Galles hatten diefelbe res 
gatte beftiegen. Durch einen dichten Nebel begünftigt, entging 
die Flotte der Aufmerkfamfeit der englifchen Kreuzer, und näherte 


fie fi) bereits den Küften jener Inſel, wo ein großer Theil der 
Bevölferung mit Sehnfucht ihr entgegenblidte. Aber fie wurde | 


vollſtändig durch den fehredlichen Sturm der Nacht vom 16—17. 
Dec. zerftreut; eines der Schiffe verfanf, die übrigen, bis auf 
ein Linienfchiff und drei Fregatten, wurden in den nächfifolgen» 
den zwei Tagen durch die Bemühungen des Contreadmirals 
Bouvet wieder vereinigt. Die. Sregatte, in welcher Hoche unb 
der Admiral fih eingefchifft, Fam vorläufig nicht zum Vorſchein. 


Die Slotte ſteuerte dem Cap⸗Clear zu, und manveuprirte in beffen - 


Nähe mehre Tage lang, in der Erwartung der beiden Anführer, 
Den 24, Dec. Tief fie der Bantrybay ein. In einem Kriegsrath 
wurde befchloffen zu Tanden, den Entſchluß auszuführen, unter 

fagte das ftürmifhe Meer und die Flotte mußte die Küſte von 


General Hohe. Sil. 


Irland verlaffen. Bouvet, durch die vielerlei Widermärtigfeiten 
entmuthigt, fürdhtete, e8 möge füch ihnen der Mangel an Lebens» 
mitteln gefellen, und eifte darum, eine befreundete Küfte wieder 
zu gewinnen. Hocde und Morand de Galles, nachdem fie endlich 
zur Bantrybay gelangt, und vernahmen, was fih mit der Flotte 
zugetragen, konnten nicht umhin, ein Gleiches zu thun. Sie hat- 
ten in biefer zweiten Fahrt alle erdenfliche Gefahren zu beftehen. 
Unaufhörlih mit dem Sturm fämpfend, durch die Engländer vers 
folgt, mochten fie ald ein Wunder ihre Erhaltung preifen. Einſt⸗ 
weilen war die Rede nicht mehr von Irland, Mit der Armee von 


den Küſten des Oceans ergab fich fofort ein bedeutender Wechfel. 
Eine Mad, wie fie für die Erhaltung der Ruhe in den weftlichen 


Propinzen zureichend, blieb darin zurüd, die Mehrzahl der Trup⸗ 
pen marfcirte dem Rheine zu, wo Hoce dur die Abdanfung 
von Jourdan, dem Beurnonville nur proviſoriſch zum Nachfolger 
gegeben, das Commando der Sambre- und Mansarmee übers 
nehmen follte. Ein foldes Commando war längft ſchon ber 
Gegenftand feiner fehnlichften Wünſche. 

Eine kutze Zeit nur verweilte Hoche zu Paris, und ſcheint 
in diefe Periode feine Heurath zu fallen, dann begab er fi 
zur Armee, um bie feinen Entwürfen entfprechende Ordnung 
bei ihr einzuführen, namentlich eine Veränderung in der Ver⸗ 
tbeilung der verfchiedenen Waffengattungen vorzunehmen. Am 
25. Febr. 1797 Tangte er zu Coblenz an, nachdem er zu Cöln 
einige Tage zugebracht. Der von ihm ausgehende Beſchluß für 
die Bildung einer Mittelcommiſſion in Bonn, fo die auf beiden 
Ufern des Rheines occupirten Lande zu regieren beftimmt, war bes 
reits am 24. Febr. von dem Directorium beftätigt worden. Dit Mos 
reau, der am 23. in Coblenz eingetroffen, hatte Hoche verſchiedene 
Conferenzen, worin fonder Zweifel der Feldzugsplan befprochen 
worden iſt. Die Mittelcommiffion, eingefegt den 21. März, trat 
ihre Verrichtungen den 30. an. Damit waren bie fämtlichen 
franzöfifhen Berwaltungsbehörden im Lande außer Thätigfeit 
gefegt, Die vormaligen NRegierungscollegien, Magiftrate, Gerichte 
bergeftellt. Ebenfalls in Bonn follte feinen Sig nehmen ber 
Bürger Dürbach, welcher durch Verfügung des Generals, vom 


310 Weißenthurm. 


deen reclame d grands cris une organisalion 'civile. Le ri. 
gime mililaire ne lui convient plus. Il n’est pas ussez fort 
non plus pour supporter le gouvernement constitutionnel; il 
lui faut un miste, dont les agens soient pris dans les deus 
classes de ciloyens, les refugies et ceur qui n’ont pas sorli 
du pays. Lidee dun commissaire est @ adopier ; mais il faut 
qu'il connaisse le pays, sans y @ire atlache par des interdts 
quelconques.“ - | | 
Während Hoche fih mit der Ausführung einer Lieblingsiber 
beichäftigte, die Anftalten zu einem Unternehmen auf Irland bes 
trieb, ward fein Leben ernftlic bedroht; Guillaumont feuerte zu 
Rennes den 17, Oct. 1796 ‘auf ihn, der eben das Schaufpiel- 
haus verließ, feine mit mehren Kugeln geladene Piftole ab. Der 
Mörder fehlte und genoß nicht einmal des Troftes, dem Bedrohten 
Schreden eingejagt zu haben. Hoche verlor feinen Augenblid 
bie Faffung, Tieß im Gegentheil der verarmten Familie Guillaus 
mont namhafte Unterflügung zufommen. Die nad Irland bes 
flimmte Expedition, 15 Linienfhiffe, 20 Fregatten, 6 Gabaren, 
50 Transportſchiffe, an Truppen 22,000 Dann tsagend, ging 
den 16. Der. 1796 unter Segel, um der Bantrybay zuzufteuern. 
Hoche und der Admiral Morand de Gulles hatten diefelbe Fre 
gatte beſtiegen. Durd einen dichten Nebel begünftigt, entging 
die Flotte der Aufmerkfamfeit der englifhen Kreuzer, und näherte 
fie fi) bereits den Küften jener Inſel, wo ein großer Theil der 
Bevölkerung mit Sehnſucht ihr entgegenblidte, Aber fie wurde 
vollſtändig durch den fchredlichen Sturm der Nacht vom 16—17. 
Dec. zerſtreut; eines der Schiffe verfanf, bie übrigen, bis auf 
ein Linienfchiff und drei Sregatten, wurden in den nächftfolgen« 
ben zwei Tagen durch die Bemühungen bed Contreadmirals 
Bouvet wieder vereinigt. Die, Fregatte, in welcher Hoche und 
der Admiral ſich eingefchifft, Fam vorläufig nicht zum Vorſchein. 
Die Flotte fteuerte dem Cap-Clear zu, und manoeuvrirte in beffen 
Nähe mehre Tage lang, in der Erwartung der beiden Anführer, 
Den 24. Dec. Tief fie der Bantrybay ein. In einem Kriegsrath 
wurde befchloffen zu landen, den Entſchluß auszuführen, unter 


ſagte das ftürmifche Meer und die Flotte mußte die Küfte von 


General Hohe. 811 


Irland verlaſſen. Bouvet, durch die vielerlei Widerwärtigkeiten 
entmuthigt, fürdhtete, ed möge ſich ihnen der Mangel an Lebens⸗ 
mitteln geſellen, und eilte darum, eine befreundete Küſte wieder 
zu gewinnen. Hoche und Morand de Galles, nachdem ſie endlich 
zur Bantrybay gelangt, und vernahmen, was ſich mit der Flotte 
zugetragen, konnten nicht umhin, ein Gleiches zu thun. Sie hat- 
ten in dieſer zweiten Fahrt alle erdenkliche Gefahren zu beſtehen. 
Unaufhörlich mit dem Sturm kämpfend, durch die Engländer vers 
folgt, mochten fie als ein Wunder ihre Erhaltung preifen. Einft- 
weilen war bie Rebe nicht mehr von Irland. Mit der Armee von 
den Küften des Oceans ergab fich fofort ein bedeutender Wechfel. 
Eine Macht, wie fie für Die Erhaltung der Ruhe in den weftlichen 
Provinzen zureichend, blieb darin zurüd, die Mehrzahl der Trup⸗ 
pen marfchirte dem Rheine zu, wo Hoche durch die Abdanfung 
von Jourdan, dem Beurnonpille nur proviforifch zum Nachfolger 
gegeben , das Commando der Sambre⸗- und Maasarınee übers 
nehmen follte. Ein foldes Commando war längft ſchon ber 
Gegenftand feiner fehnlichften Wünfche. 

Eine kutze Zeit nur verweilte Hoche zu Paris, und fcheint 
in diefe Periode feine Heurath zu fallen, dann begab er fi 
zur Armee, um bie feinen Entwürfen entfprechende Ordnung 
bei ihr einzuführen, namentlid eine Beränderung in der Ber- 
tbeilung der verfchiedenen Waffengattungen vorzunehmen. Am 
25. Febr. 1797 langte er zu Coblenz an, nachdem er zu Cöln 
einige Tage zugebracht. Der von ihm ausgehende Beſchluß für 
die Bildung einer Mitteleommiffion in Bonn, fo die auf beiden 
Ufern des Rheines occupirten Lande zu regieren beſtimmt, war bes 
reits am 24. Febr. von dem Directorium beftätigt worden. Mit Mos 
reau, der am 23. in Coblenz eingetroffen, hatte Hoche verfchiedene 
Eonferenzen, worin fonder Zweifel der Feldzugsplan befprochen 
worden ifl. Die Mittelcommiffton, eingefegt den 21. März, trat 
‚ihre Verrichtungen den 30. an. Damit waren bie fämtlichen 
franzöftfchen Verwaltungsbehörden im Lande außer Thätigfeit 
gefegt, Die vormaligen Regierungscollegien, Magiftrate, Gerichte 
bergeftellt. Ebenfalls in Bonn follte feinen Sig nehmen der 
Bürger Dürbach, welcher dur Verfügung des Generals, vom 


312 Weißenthurm. 


18. März, zum Verwalter der Nationaldomainen und General 
Einnehmer der Auflagen und Contributionen ernannt worden. 
Zugleih waren die wieder angeftellten Regierungen und bie eins 
zelnen Beamten angewiefen, die Abgaben nad) dem von ber 
Mitteleommiffion ihnen anzuweifenden Maasftab auszutheifen, 
und für das richtige Eingehen der befagten Abgaben verantworts 
lich erklärt. Ä 

„Ale Güter und Einfünfte der Geiftlichen ‚u heißt es in 
des Generals Beſchluß vom 8. April, „gehören zur Regie des 
Bürgers Dürbach. 2) Alle bis jest in die Hände der Geiſtlich⸗ 
feit gemachten Zahlungen find nichtig erflärt. 3) Das zum 
Unterhalt der Geiftlihen beftimmte Drittel ihres bisherigen Ein 
kommens fol, gleich den beiden andern Drittheilen,, durch die 
Agenten des Bürgers Dürbach erhoben und eingetrieben werben, 
Diefes Drittel wird alsdann durch die Mittelceommilfion unter 
bie Glieder der Glerifei, ohne Unterfchied der Drdenss oder 
Weltgeiftlichen (ledoch mit Ausfchluß der unbegüterten Ordens⸗ 
häufer) vertheilt. 4) Diejenigen, welcde fi) mit der Seelforge, 
dem öffentlichen Unterricht, oder der Kranfenpflege befchäftigen, 
erhalten eig Fünftel mehr als diejenigen, welche fi) bios dem 
befchaulichen Leben gewidmet haben.” in Beſchluß des Gene 
rals vom 14. April belegt die eroberten Rande, wobei doch bie 
preuffifhen Gebiete ausgenommen , mit einer Contribution von 
drei Millionen Livres, die folgendermaßen zu vertheilen: 
Erfter Bezirk, Kreunah - 2 2 200. 375,517 Livres. 
Zweiter „ BZweibrüden . 2 0 0000. 249,98 „ 
Dritter „ Trier, das ganze Rurfürftentbum, 

famt Manderfcheid , alles zufammen der 

Regierung in Coblenz unterworfen . . 374,535 ,„ 
Bierter Bezirk, Cöln, doch ohne die glei: 

namige Stadt » 2 2 0 nen 0 0 585,807 m 

Star Cöln 2 2 0 222277,777 m 
Fünfter Bezirk, Jülich, ohne die Stadt Aachen, 1020,833 „ 

Stadt Aachen famt Gebiet. - . x. 145,833 

Die Hälfte von biefer Contribution follte His zum 1. il, 
bis zum Ende deſſelben Monats die andere Hälfte bezahlt fein. 








©enerul Hoche. 515 


Dabei waren bie geiftfichen, oder fonfligen zum Vortheil der Res 
publif fequeftirten Güter nicht einbegriffen. Außerdem war das 
ſtrenge Beitreiben der rüdftändigen Contributionen eingefchärft, 
daß demnach der Bevölkerung Freude wegen der Wiederherftellung 
ber vormaligen Behörden ungemein verbittert. 

Am 13. April ließ Lefebore, der feit Anfang des Monats 
zw Coblenz fein Hauptquartier hatte und durch Anordnung von 
fhweren Tafellieferungen die Stadt bedruͤckte, den Waffenftillftand 
durch einen Parlementair auffündigen. Bereits hatte Hoche eine 
Armee von mehr ald 80,000 Mann unter feinen Befehlen vereinigt, 
namentlich die in der Bendee oder zu der irländifchen Erpebition 
verwendeten Truppen, darunter die Colonne infernale unter 
General Watrin, herangezogen. Eine Disifion der Nordarmee, 
unter Daendels, war zum Hunderüden hinaufmarſchirt. Der 
linfe Flügel der eigentlihen Sambres und Mansarmee fland auf 
dem rechten Rheinufer im Bergifchen, zwiſchen Wupper und 
Sieg; Centrum und rechter Flügel concentrirten fih Neuwied 
gegenüber, wo den Sranzofen, mitteld einer Brüdenfchanze fefter 
Fuß auf dem rechten Rheinufer geblieben. Diefer Umftand und 
bie Lage von Weißenthurm, durch welches das Baffin von Neus 
wied bominirt, mögen bie Wahl des Vebergangspunftes entfchies 
ben haben, wiewohl ich nicht zweifle, dag mein gelehrter Freund 
Souhait, der vermöge feiner Localfenntniß großen Einfluß auf die 
Dperation zu üben hatte, für diefe Wahl wefentlich beftimmt worden 
durch Die, von mir mit gewichtigen Gründen beftrittene Annahıne, 
bag Jul. Eäfar bei Neuwied feinen Rheinübergang bewerkſtelligt 
babe. Championnet commandirte den linfen, Lefebore den vech= 
ten Slügel, Grenier das Centrum. Die Reiterei war nah einem 
eigenthümlichen Syſtem geordnet, fo daß jeder ihrer verfchiedenen 
Zweige ein felbfiftändiges Corps ausmachte. An der Spige der 
fäntlihen Hufarenregimenter ftand Ney, Richepanfe commandirte 
die Chaſſeurs, die reitenden Jäger, welche zur Dedung des rech⸗ 
ten Flügels beftiimmt. Dem linken Slügel wurden die Dragoner 
unter General Klein beigegeben. Die fihwere Reiterei, von 
General d’Hautpoult befehligt, follte hinter den Linien der gros 


Rhein, Antiquarius, 3. Abth. 2. Bd. 33 


x 


314 Weißenthurm, ‘ 


Ben Armee eine Referve bilden. Für einzelne Verwendung war 
jeder Divifion Infanterie ein Regiment Chaffeurs zugetheilt, 
Der effective Stand der Armee, womit Hode den Feldzug zu 
eröffnen gefonnen , betrug 65,000 Mann, eine Macht, welder 
bie öftreihifche Armee unter Feldmarfchall-Lieutenant Werned, | 
40,000 Mann im höchſten Anfchlag, von ferne nicht gewachlen. 

Da die Franzofen gleichzeitig von der Sieg und von Neus 
wied her vorzudringen drohten, rüftete fih Werne, mit feinem. 
ganzen Armeecorpg auf eine ihrer beiden Hauptcolonnen zu false 
fen und diefe zu fchlagen, bevor Hoche die Vereinigung feiner 
Armee bewerfftelligt haben Fönnte. Zu dem Ende concentrirte 
Werneck am 16. April bei Neufirchen den rechten, bei Dierborf 
den linken Flügel, ein vorgefchobenes Corps kam nad Siegburg 
zu fiehen. Mit Seldmarfchallstieutenant Kray wurde verabredet, 
daß diefer, während durch feinen Bortrab die Engen von Anhauſen 
und Bendorf beobachtet blieben, mit der Hauptmacht das Baffin von . 
Neuwied verlaffen folle, um die über Uderath gegen Altenfirchen . 
vordringende Colonne des Generals Championnet, wie fie Die Höhe , 
von Altenfirchen erreicht haben würde, anzugreifen. Im Falle: 
bes Erfolgs follte die ganze Armee in einem Seitenmarfch dann 
über Neuwied hervordringen, dem Gentrum und rechten Flügel ber; 
Franzofen zuvorfommen, und deren Abfichten, wo möglich, vereiteln. 
Zufolge diefer Anordnung lieg Werned, um dem Angriffspunft: 
näher zu fein, am 18. April den rechten Flügel bei Kroppad 
vorgeben. Kray, hiervon in Kenntniß gefest, follte fi) mit den 
unter feine Befehle geftellten Truppen in der Nacht vom 17— 
18, für die Ausführung des verabredeten Angriffs mit dem linken. 
Flügel bei Dierdorf vereinigen, und famt dieſem zum Haupt⸗ 
corps floßen. Er hatte inzwifhen, um die Franzofen durch 
eine fiheinbar größere Macht zu täufhen und (dadurch, daß er 
ihnen die Meinung beibringe, ald wolle er das Thal von Neus 
wied vertheidigen) den eigentlihen Plan zu verbüllen, dieſes 
Thal mit acht Compagnien leichter Infanterie, drei Bataillone 
und fehs Escadronen befegt ; diefe Truppen wollte er, im Fall 
der bei dem General Hoche beantragte Waffenftillftand nicht zu 
Stande fommen würde, unter Begünftigung der Nacht ihrer Des 




























General Hoche. | 517 


reich dießfeit der Lahn (nach Andern bis zum Main) überlaflen 
würde, . 

„Don einem fo erfahrnen Feldherren als Kray ift wohl in 
feinem Sale anzunehmen, daß er mit feinen geringen Streits 
fräften, die nicht einmal die Stärfe einer franzöfifhen Divifion 
hatten, fi) in ein fo ungleiches Gefecht einzulaflen gedachte; im 
Gegentheil fcheint e8, daß berjelbe mit allzugroßer Zuverficht 
barauf gerechnet haben mag, den General en chef Hoche auf 
ben Grund abgefchloffener oder vorbereiteter Friedenspräliminarien 
zur Anerkennung des Waffenftillftiandes zu vermögen. Wollte 
man diefe Meinung aber nicht annehmen, fo würde man dem 
General Kray allerdings zum Borwurf anrecdhnen müflen,, nicht 
in der Naht vom 17. auf den 18. feinen Rüdzug bewerffielligt 
und hierdurch weiterem Berlufte vorgebeugt zu haben,” 

Dagegen bat Kray erinnert: „Noch wurde Obriftlientenant 
Pluquet, nahdem General Hode feine Bereitwilligfeit bezeugte, 
wegen des Waffenftillitandes zu unterhandeln, nad Neuwied ab⸗ 
geſchickt, und er felbft von General Krapy bis dahin begleitet. 
Veil er aber bemerfte, daß bder.größte Theil der feindlichen 
Armee über den Rhein gegangen ſey, und fich bereits vor dem 
Brüdenfopf in Schlachtordnung aufftellte, Fonnte er felbft dieſer 
Unterredung nicht beywohnen. Der feindliche General Hoche ver⸗ 
langte, daß ihm die Feſtung Ehrenbreitftein übergeben werden, 
und die Kayſerliche Armee fi über die Zahn zurüde ziehen folle, 
Diefer unerwartete und unanfländige Antrag griff dem General 
Kray gewaltig an das Herz. Schnell faßte er den Entfchlug, 
den Feind felbft anzugreifen, und lieber zu unterliegen, als in 
einer fchändlichen und übereilten Retirade gefangen zu werden, 
und das Gewehr fireden zu müffen.” — 

„Die noch Morgens um 8 Uhr zwifhen den Generalen 
Kray und Lefebvre am allgemeinen Gottesader außerhalb Neu⸗ 
wied Statt gehabte Unterredung war der legte Berfuch, auf bie 
erwähnten Gründe gegen den Anfang ber Feindfeligfeiten zu pro⸗ 
ieſtiren, und da dieſer Verſuch ohne Erfolg war, fo blieb dem 
öoͤſtreichiſchen Generale nichts übrig, als den ungleihen Kampf 
anzunehmen. Mo bereits die Webermacht fich vor feinen Vorpoften 


318 | Weifentharm, 


| 
ausgebreitet hatte, da war ein Rüdzug, ohne zu fchfagen, nicht | 
mehr thunlich; dag öftreihifche Armeecorps würde ebenwohl nicht ' 
weniger dabei eingebüßt und auch bie militärifche Ehre des Feld- ; 
beren ſich noch mehr dadurch compromittirt haben, als durd bie. 
Annahme des ungleichen Kampfes, Sp erfolgte denn alsbald, 
nachdem Generalfeldmarfchallstientenant Kray zurüdgeritten war, | 
eine lebhafte Kanonade aus der Redoute am Bering und aus den 
Fleſchen feiner Vertheidigungslinie auf die ſich ſchon in Schlacht- 
ordnung ausbreitende franzöftfhe Armee. 
„Der Hauptangriff der Franzoſen gefehah mit einer Eolonne, 
welche über die Heddesdorfer Straße mit reitender Artillerie an | 
ber Stadt Neuwied vorbeigezogen war, was bier als eine Bers | 
legung der Neutralität erjcheint, indem die Bebettenlinie auf | 
200 Schritt Abftand von der Stadt bezeichnet war. Diefe Eos | 
lonne nahm das vom 1. Bataillon des D’Donellfchen Freicorps 
unter den Befehlen des Inhabers, Dberfilieutenants Grafen 
D’Donell muthig vertheidigte Dorf Heddesdorf weg, wo fie ben 
Hauptmann Chapuis mebft etwa 150 Gemeinen zu Gefangenen 
machte. Dem Ueberreſte des Bataillons unter Obriftlieutenant 
Graf D’Donell und dem Hauptmann von Strozzi ıc. gelang es, 
einen Ausweg zum Rüdzug durch das Gebirge zu finden; fpäter 
vereinigte ſich derfelbe bei der Lahn wieder mit dem bei Alten | 
firchen ſtehenden 2ten Bataillon unter Major Graf von Gpulay. | 
Die zwei Seldflüde des Iten Bataillong gingen in ber Fleſche 
von Heddesdorf verloren. Das vierte Huſarenregiment (vor der 
Revolution colonel-general) ritt, unter bedeutendem Verluſte, 
unterſtützt von andern Truppen, gegen die Redoute des Berings 
an, welche, als das Krayſche Corps beinahe überall ſchon durch⸗ 
brochen war, gleichſam wie ein umzingeltes Fort allein noch ihr 
Kartätſchenfeuer fortſetzte. | 
„Die Hufaren, die, wie in einer Fleſche, vom Rüden her 
einzubringen dachten, trafen Gräben und fpanifche Reuter, und: 
mußten unter dem heftigften Kleingewehrfeuer der Befagung ums 
wenden, wobei abermals eine Menge Menfhen und Pferde nie⸗ 
dergefchoffen wurden. Als man das Gefeht fhon für beendigt 
anfehen Fonnte, als das Feuer aus der einzigen Redoute noch 


General Soche. 819 


finmer nicht ſchwieg und endlich größere Maſſen ſtürmend in 
diefelbe eindrangen: da beforgte man fchon, die braven Krieger, 
welche für die Ehre ihrer Waffen fih aufzuopfern entfchloffen 
ſchienen, über die Klinge fpringen zu ſehen. Doch die Sieger 
fohonten ihrer, achtend ihre Tapferkeit, und was in der Redoute 
von der Mannfchaft noch übrig war, ward gefangen genommen.” 
Die Redoute fol hauptfählih durch die Tapferkeit des franzö— 
fifhen Hauptmanns Gros, dem eine Kartätfchentugel den Arm 
zerfhmetterte, genommen worden fein. Franzöſiſche Berichte 
wiffen hiervon nichts. 

„Die Trümmer des Krapfihen Corps nahmen ihren Rüds 
zug gegen bie Lahn. Am bedeutendften war für die Deftreicher 
der Berluft an Gefangenen; er betrug bei 3000 Dann, Das Ges 
fhüßg ging meiftend verloren, was aber nicht wohl zu vermeiden 
war, da die franzöfifhe Reiterei, aus 8 Negimentern beftehend, 
zu überlegen war, als daß die 8 Schwadronen der Deftreicher 
gegen diefelbe den Rüdzug der Infanterie hätten deden können. 
Was den Berluft an Todten und Verwundeten anbetrifft, fo 
verloren die Franzoſen das Meifte vor der Redoute am Bering, 
bie Deftreicher in der Verſchanzung dagegen bei weiten weniger. 
An andern Punkten mag das umgefehrte Berhältniß anzunehmen 
fein und wenn man zu den eingebrachten Verwundeten die auf 
dem Felde gebliebenen anfchlägt, fo mag der Berluft beide Theile 
gleich ſtark betroffen, zufammengenommen aber 1000 Mann nicht 
überftiegen haben.” 

Kray erzählt ganz kurz: „Standhaft, unter einem zwey⸗ 
flündigen KRanonen= und Gewehrfeuer, bot er feinem übermäd): 
tigen Feind die Spige, und fieng nur dann an, ba die Frans 
sofen von zwey ſtarken Cavaleriecolonnen unterftügt, feine beys 
den Flügel überflügelt hatten, fich gegen Dierdorf zurüde zu 
ziehen, und fügte noch während feines ſechsſtündigen Rüdzuges 
dem Feinde größern Schaden zu, als er felbft erlitt. Bey Dier« 
borf traf General Kray auf dag Corps des Keldmarfchallskieutes 
nant Graf von Rieſch, und vereinigte fih mit Ihm. Ein an« 
gelangter Befehl von dem Commandirenden Werned führte fie 


520 | ‚Weißentharm. 


nad Hachenburg, und nun hatte bie Arrieregarde bis Höchftens 
bach mit dem Feinde beftändige Gefechte.” 

Bedeutend weichen hiervon die franzöfifhen Berichte ab: 
„Le general Iloche avait fait commencer le mouvement de 
son aile gauche deux jours avant celui de la droite et du 
centre, afin que le general Championnet se trouvdt à peu pres 
Gla hauleur d’Uckerad, quand les deux autres corps d’arınde 
deboucheraient de Neuwied. Les troupes de Grenier et de 
Lefebure furent donc reunies, le 17, aur environs d’ Ander- 
nach ; et le’ 18. à trois heures du matin, le general Lefebore, 
à la tete de ses deux divisions d’infanierie, precede par les 
chasseurs réunis sous les ordres du general Richepanse, passa 
le pont de Neuwied, et fit former ces troupes en bataille, 
dans la plaine a droite du pont. Les hussards, commandes 
par Ney, et les deur divisions Lemoine et Olivier, composant 
le centre, aus ordres du general Grenier, suivirent imme- 
diatement Vaile droile, et se placerent a la guuche. La di- 
vision dinfanterie du general Watrin, et la reserve de grosse 
cavalerie du ‚general d’Hautpoult passerent ensuile. Tous ces 
mouvemens se firent sans obstacles, d la vue des troupes lais- 
sdes devant Neuwied par le general Kray, dejä en marche 
sur Dierdorf. 

„Le zeneral Werneck incertain alors sur le poin! on il 
devait se porter, craignunt, en atlaquani le gendral Cham- 
pionnei sur la Sieg, d’&ire pris lui-meme en flanc par lege 
ndral Hoche, envoyu de suite au general Kray l’ordre de re- 
venir sur ses pas a Anhausen ei Bendorf. Il renourela alors 
aupres de Hoche la demande d’une suspension d’armes, mo- 
tivde sur llezistence des ouvertures de negociations faites en 
Italie; mais il y mit la condition que Tarmée frangaise re- 
passerait sur la rive gauche du Ithin. Hoche lui fit repondre, 
qu'il consenlirait à sa demande, mais a la condition que Tar- 
mee aulrichienne se retirerail elle-meme derriere le Mein, 
tandis que celle de Sambre-et-Meuse se porlerait sur la Lahn, 
et qu’en oulre la forleresse d’Eihrenbreitstein serait remise 
aus Frangais. Les deur generaus, n’ayant pu tomber d’ac- 
cord, se prepurerent a combattre. 





General Hoche. 591 


. „A huit heures du matin laction s’engagea du cöte de 
Neuwied par une forte canonnade, et le general Hoche mit les 
troupes de l’aile droite et du centre en mouvement pour chas- 
ser le general Kray de sa position. La ligne des Autrichiens 
selendait de Zollengers pres du Rhin jusqu’a Heddesdorf, vil- 
lage retranche ; son front diait couvert par six redoutes ele- 
vdes en avant du chemin qui conduit de Neuwied a Ehren- 
breitstein; trois autres redoutes, placdes à Heddesdorf pre- 
naient en echarpe les troupes qui auraient voulu marcher sur 
Dierdorf, apr&s avoir traversd le chemin d’Ehrenbreitstein. 
Tous ces ouvrages etaient fraises, palissades et armes d’ar- 
tllerie. . 

„Hloche donna lordre au general Lefebvre de se diriger 
sur Bendorf, et à Grenier de marcher sur Heddesdorf. Lar- 
tillerie legere du general Lefebvre, soutenue par quelgues es- 
cadrons de chusseurs, se porta en avant ei canonnu les re- 
tranchemens ennemis; la derniere redoute de gauche fut en- 
levee a la baionette par linfanterie, ainsi que le village de 
Zollengers, et laile droite se deploya dans la plaine pour 
marcher sur Bendorf. Ce village, cowvert par le ruisseau de 
Sayı, presentait une asses bonne position. Les Autlrichiens 
sy defendirent avec beaucoup de resolution contre Tuttaque vi- 
goureuse de linfanterie; mais la division des chasseurs a cheval 
de Richepause les chargea et les mit en deroute. Le chef 
descadron Crance, à la tete du premier regiment, duns cette 
charge brillante accula un balaillon du regiment de Gem- 
mingen et 200 dragons de Latour au defile du village de Sayn, 
et leur fit meitre bas les urmes. Le general Richepunse s’at- 
tacha a la poursuite des fuyards sur le chemin de Montha- 
baur, et enleva sept pieces de canon, cing drapeausz ou eten- 
dards et plusieurs caissons de munition. Les deur divisions 
dinfanierie suivirent cette m&me direction, et marcherent 
avec tant de rapidite, qu’elles arriverent à Monihabaur pres- 
qu’en meme tems que les chasseurs. 

„Lattaque sur Heddesdorf ne fut pas moins prompte et 
moins decisive. Le general Grenier plara les neuf compagnies 
de grenadiers. de sa propre division sous les ordres du gene- 


322 Weißenthurm. 


ral Bastoul, et les faisant appuyer par leurs demi-brigades, 
elles marchereni sur le village l'arme au bras. Arrive devant 
les palissades, Bastoul à la tete de ses troupes, se precipita 
sur les retranchemens et les emporta d la baionette. 

„La droite et la gauche du general Kray se trouvant 
forcdes, Hoche devait supposer que le centre ne resislerait 
pas davanlage ; toutefois la division Olivier &prouva une tres- 
vive resistance en voulant semparer d’une redoute fermee par 
sa gorge, et que les Autrichiens paraissaient decides @ defendre 
jusqu’a la derniere ertrdemile. Deux assauts livres par les 
grenadiers francais furent repoussds; enfin, vers les diæ heures, 
le general Olivier fil avancer de nouveau les carabiniers de 
la 9 legere et les grenadiers de la 37°, soutenus par leurs 
demi-brigades, et la redoute fut emportee. Le general Ney 
contribua puissament au succes de ces attaques sur la droite 
et le centre des Autrichiens, en conduisant par échetons les 
trois regimens de hussards qu’il commandait, dans lintervalle 
des reduules @ gauche d’Heddesdorf et de celles qui battaient 
le debouche du pont de Neuwied: loutes ces redoutes avasent 
did tourndes par ceite manoeuvre. 

„Le general Lefebere, dans son mouvement sur Bendorf 
et par suite sur Monthabaur, avait cru devoir negliger de 
s’arrdier d prendre une derniere redoute des Autrichiens sur 
la droite. La division Watrin, marchant en reserve, fut char- 
gee de cette attaque. La redoute, armee de quatre pieces de 
canon et d’un obusier, etait fermde par sa gorge et gardee 
par deux compagnies qui comballirent avec opinidtrele. Re- 
pousses deur fois, les Francais allaient tenter un troisieme 
assuut, lorsguun obus mit le feu au magasin dä poudre de la 
redoute. Les grenadiers de la division proſitèrent du desordre 
qu’occasionna cet accident pour entrer ä la baionetie dans 
Touvrage, oü ils firent ‚plusieurs prisonniers. 

„Le general Grenier marcha sur Dierdorf, oü Ney, avec 
‚ses hussards et une compagnie d’artillerie legere, poursuivail 
bes fuyards, et se trouvast deja engage avec le corps du cenire 
que commandait le ‚general Werneck en personne. Liinfan- 
terie de Grenier, suivie de la reserve de grosse cavalerie ds 


General Hoche. 503 


general d’Hautpoult, fut en presence de l’ennemi vers trois 
heures de Ü apres-midi. Le general autrichien avait dispose 
ses troupes en avant du village, derriere un ruisseau qui 
couvrait son front. Les fuyards du corps de Kray avaieut 
deja jeté quelque desordre dans les rangs autrichiens, et le 
general Grenier en ayant profile pour engager laction avant 
que la tolalite de ses troupes fut en ligne, les Autrichiens 
ebandonnerent la position, en se retirant prompiement par 
la route de Hachenburg, oü Ney les poursuivit jusqu’au soir. 

„Sur ces entrefaites, le general Championnet, qui avait 
passe la Sieg dans la nuit du 17. au 18., s’dtait empard 
d’Uckerad et d’Altenkirchen. Ces deux posles, faiblement de- 
fendus, ne retarderent la jonction de Taile gauche avec le 
reste de l’armde frangaise que de 24 heures. La journde du 
18. avril codtad aus Autrichiens 3 & 6000 hommes tues, bles- 
ses ou prisonniers, sept drapeaur, 27 pidces d artillerie, 60 
caissons et un grand nombre de voitures de bagage.“ 

Des General Hohe Beriht an das Directorium iſt datirt 
Dierdorf, 18. April 1797 und heißt es darin: „Pepuis deux 
jours les ennemis ne cessaient de demander un armistice ; ils 
se fondaient sur celui qu'ils pretendent avoir éêté conclu en 
Italie. N’en ayant aucune nouvelle officielle, et presse d’ere- 
cuter vos ordres, jai fait passer le Rhin sur le pont de Neu- 
wied, @ laile droite, au corps du centre de larmee, et dä une 
division commandee par le general Watrin. — Les deux ar- 
nees étaient en presence, a petite portde de canon, lorsque 
le general Kray me fit demander la permission de m’envoyer 
le lieutenant-colonel comte de Pluquet, charge de pouvoirs 
pour conclure larmistice. Sur ce qu'au premier abord je lui 
demandai l’evacuation de la Lahn et la cession d’Ehrenbreit- 
stein à larmee frangaise, le parlemenlaire se recria, et bien- 
töt nous nous separdmes. 4 peine chacun de nous etait-il de 
relour @ son armede, que les ennemis nous attaquèrent par 
une canonnade assez vive. Ils occupaient une excellente po- 
sition ; leur droite au village de Heddesdorf, et la gauche àu 
Bendorf, en arriöre de la petite riviöre de Sayn. Tous deuæ 
etaient retranches ; leur front, couvert par de fortes redoutes 


524 Weißenthurm, 


fermees, fraisdes et palissadees, presentait Taspect le plus 
imposant. . 

Deja linfanterie etait formee en colonne d’attague, les 
autres urmes & leur place de balaille; le signal d’attaquer 
fut donne, et bientöt la bayonette en avant, et sans lirer un 
seul coup de fusil, nos grenadiers et carabiniers, conduits par 
le general Basloul, se rendirent maitres du village de Hed- 
desdorf. Les autres truupes, commandees par les generaus 
_diinfanterie Grenier, Olivier, Barbou (celui-ci a eu un cheval 
tue sous lui), Bonnet, Compere, semparerent des redoutes de 
la droite des ennemis, tandis que Lefebvre, Lemoine, Gratien, 
Spital et autres faisaient emporter, à la pointe de la bayo- 
nelie, le villuge el les redoutes de Bendorf. Enfin une charge 
de cavalerie, dirigee par les generaux Richepanse ei Ney, 
acheva de mettre le desordre chez l’ennemi, & qui nous fimes 
4000 prisonniers, dont beaucoup de cavalerie ; l’artillerie des 
redoutes, plusieurs pieces de campagne avec leurs caissons, 
et trois ou quatre drapeauz demeurerent en notre pouvoir. 
Ainsi se termina la bataille de Neuwied, dans laquelle se 
sont distingues, par leur sang-froid et lhabileie de leurs ma- 
noeuvres, tous les ofjiciers superieurs, et notamment le chef 
de brigade Merlin, du 4 de hussards; Gardane, du 9: de 
chasseurs, et une infinite d’autres, dont la nomenclature se- 
rait irop longue pour pouvoir trouver place dans un simple 
rapport. Löartillerie a fait des merveilles. Kille etait com- 
mandee par le general Debelle, dont le frere, dge de 15 ans, 
eut deur chevaus tues sous lui. Les colonels Forbier, Prost 
et le capitaine Juvigny se sont particuliörement distinguee“ 
In Gefolge des Treffens bei Neuwied wurde der Ehren 
breitftein nod an demfelben 18. April von den Truppen be 
Generals Goullus cernirt, und nahm die Blofade ihren Anfang. 
„Den 19.,” erzählt Kray, „brach die vereinigte Fayierliche Armee 
von Hachenburg nach Neufirhen auf. General Kray führte bie 
Arrieregarde, und mußte den ganzen Tag mit dem Feinde raufs 
fen. Den 20. fam ed bey Herborn zu einem hisigen Gefechte. 
General Kray behauptete zwey Stunden lang diefen wichtigen 
Poften, wodurch der Rüdzug der Armee in etwas gededt wurde.” 





General Hoche. | 525 


Am nämlichen Tage ſetzte Lefebvre mit dem rechten Flügel der 
Sambre- und Maasarmee bei Limburg über die Lahn, und es 
folgten die Abth. II. Bd. 3. S. 578 berichteten Ereigniffe,, in 
deren Berlauf die franzöfifhe Armee bis zu den Thoren von 
Sranffurt gelangte. Statt das dort Gefagte zu wiederholen, 
will ich Lieber Krays fernere Aufzeichnungen mittheifen, „Er 
folgte der Armee den 21. von Weslar bis Münzenberg , und 
wurde bei Gießen angegriffen; doch trieb er den Feind zurüde, 
und befam den die Avantgarde commandirenden feindlichen Ges 
neral Neu gefangen. Den 22, fam es mit der Lefeborifchen 
Avantgarde vor dem Thore von Frankfurt zu einem hitzigen 
Gefechte. Es wäre beynahe den Franzofen gelungen, in bie 
Stadt zu dringen, wenn nicht die Borficht des Commandanten, 
. and des am Thore wachthabenden Officiers e8 gehindert hätten. 
Ein eben angefommener Courier von dem General Buonaparte 
mit unterzeichneten Friedenspräliminarien machte diefer Gefahr 
und bdiefen Seindfeligfeiten ein Ende. Den 23. April wurbe 
General Kray von dem Feldmarfhallsfieutenant Werne zu dem 
feindfihen General en Chef Hoche abgefchict, um den Waffen- 
ſtillſand und den Cordon zu berichtigen, denn der feindliche Ge— 
neral verlangte die Neutralität der Stadt Franffurt, und den 
Kinzigfluß zur Grenze. Durch Krays Verwendung wurbe bie 
Nidda von ihrem Einfluß in den Main bis zum Urfprung zur 
Grenzlinie angenommen. Bei Regulirung des Cordons zu Franf- 
furt bezeugten die frangöfifchen Generale ihr Erftaunen über den 
haftigen Angriff des Generals Kray und feine gefährliche Netis 
rade zwifchen ihren Colonnen. Sie behaupteten, daß fein Rüds 
zug, mit fo einer Handvoll Leute, gegen ihre übermächtige Ars 
mee, ihm mehr Ehre made, als ihnen felbft der Sieg und die 
errungenen Vortheile.“ Das flimmt nicht allerdings zu der, ein 
halbes Jahrhundert fpäter von Thiers um den legten Feldzug feines 
Lieblings Hoche geäußerten Anfiht: ‚Il s’avanca rapidement 
sur Francfort, battant toujours Rray, et cherchant a lui cou- 
per la.retraite. Il allait l’envelopper par une manoeuvre hu- 
bile, et l’enlever peut-Etre, lorsque arriva le courrier de Bo- 
naparte, qui  annoncait la signature des preliminaires. Cette 


826 Weißenthurm. 


circonstance arreta Hoche au milies de sa marche victorieuse, 
et lui causa un vif chagrin, car Ü se voyait encore une fois 
arret& dans sa carriere. Si du moins on eüt fait passer les 
courriers par Paris, il aurait eu le temps d’enlever Rray 
tout entier, ce qui aurait ajoute un beau fait d’armes a sa 
vie, et aurait eu l’influence la plus grande sur la suite des 
negociations.““ 

Eine ungetheilte Aufmerffamfeit fonnte in Gefolge des Waffen» 
ſtillſtandes Hoche den Angelegenheiten des Iinfen Rheinuferg, wel- 
ches fortwährend der Militairherrfchaft untergeben, fo wie den in 
Paris fich vorbereitenden Ereigniffen zuwenden. Die Weisheit feir 
ner Berwaltung in der Rheinprovinz wird von Thiers gerühmt, 
troden erzählt in feinem Tagebuch, April— Mat 1797, Zac. Lucas, 
der mit biefer Verwaltung zu unmittelbarer Berührung gefommen: 
„Großer frangöfifcher Drud und Unfug bei der Requifition yon Ars 
beitern zu den Berfchanzungen um Ehrenbreitftein u. ſ. w. Hoche 
macht fih durch feine belaftende Adininiftration und die Wahl von 
größtentheils fehr habſüchtigen Beamten, am Niederrhein unbes 
liebt. Befonders erregt aber das inhumane geldgierige Betragen 
"des Generals Debelle, Chefs der Artillerie der Sambre- und 
Maasarmee, und Schwagers von Hode, die lauteſte Fndignas 
tion. — Disifionsgeneral Collaud hat hier (Coblenz) fein Haupt⸗ 
quartier. — Erftes hiefiges franzöfifches Theater Cfeit 1794 war 
das Schaufpielhaus geichloffen).” Debelle, nad feinem ganzen 
Benehmen ein Terrorift, feheint nicht ohne Einfluß auf die Bes 
günftigung , fo fein Schwager einer in den Wehen der Geburt 
begriffenen cisrhenanifchen Republik angedeihen ließ, geblieben 
zu fein. Dafür mag aber Hoche noch andere, ihm perfönfice 
Gründe gehabt haben. Bonapartes Nebenbuhler in der Bahn 
des Ruhms, wollte er in der Begründung eines neuen Staats 
fi) demfelben ebenfalls an die Seite ftellen. Der Verſuch einer 
MWiederherftellung der vormaligen Behörden hatte den Erwar⸗ 
tungen bes Generals nicht entfprochen: die betagten Herren, in 
den Formen der vergangenen Zeit erflarrt, wirkten nur widers 
willig zu den ihnen auferlegten Neuerungen, und Hohe, um 
nicht auf halbem Wege ſtehen zu bleiben, befand fih in ber 





Senstal Hoche. 527 


Nothwendigkeit, einer auffirebenden neuerungsfüchtigen Jugend, 
bie. vor allem die Stellen der ältern Generation belüſtete, fich 
zu bedienen. Mitteld derfelben follte, im Gegenſatz der cisalpi⸗ 
nischen, die cisrhenanifche Republik gefchaffen werben. 

‚Die Freiheit fommt aber, wie man weiß, ben Befreiten 
jederzeit theuer zu ftehen, und war das abfonderlich der Fall mit 
berjenigen, fo Hoche zu bemilligen gefonnen. Am 13. Mat 
wurde bie durch Beſchluß vom 14. April den Landen zwifchen 
Mans, Mofel und Rhein angefegte Contribution von drei zu 
acht Millionen erhöhet, und am 4. Juni verordnet der General, 

„überzeugt von den großen Unſchicklichkeiten der dermalen bes 
fehenden Art der Verwaltung und der Erhebung der Domainen⸗ 
gefälle und Contributionen: Art. 1. Der zwilchen dem General 
en Chef und dem Bürger Duͤrbach unterm 18. März cur. wegen 
der Regie und Einnahme ber Domainen und Gontributionen 
geichloffene Vertrag ift aufgehoben. In Folge deffen hören auch 
bie Berrichtungen der von ihm angeftellten Agenten auf. 2. Die 
Regierungen und Obrigfeiten follen den Reft der feit dem 21. 
März ausgefchriebenen Contributionen und Nequifitionen ohne 
Auffhub einnehmen. 3. Sie follen von diefem Tag an die Regie 
und Berwaltung der Domainen von den weltlichen fowohl ale. 
geiftlichen Fürften, Adlichen und fonftigen Perfonen, deren Ren 
ten zum Nugen der Republif fequeftrirt find, übernehmen, und 
die Einkünfte davon empfangen und verrechnen. Doc find hier« 
von ausgenommen die Waldungen, Berg- und Hüttenwerfe. 5. 
Die Geiftfichfeit Cjeder einzelne fowohl ald ganze geiftliche Kör⸗ 
per) ifl, unter der gedachten Ausnahme, wieder eingefegt in den 
Genug von allem, was ihnen fowohl eigenthümlich als nugnieß- 
lid zuflebet. Sie fol nach Verhältniß ihres Vermögens zu den. 
allgemeinen Laften beitragen, 12. wird, in Betracht ber hier- 
mit der Provinz gewordenen Erleichterung, die Contribution von 
acht auf zwölf Millionen Livres erhöhet,” 

In Gefolge deffen heißt es in einer Verfügung der zw 
Coblenz refidirenden Landesregierung des dritten Bezirfs vom 
4, Aug.: „Bei Bertheilung der erftien Contribution yon Drei 
Millionen auf diefen Bezirf war es einer am 9, Mai von bier 


526 Weißenthurm. 


nah Bonn abgegangenen Deputation gelungen, bie demſelben 
auferfegte Summe von 374,535 Livres auf 325,000 zu mindern, 
welhe Summe dann bei der gefchehenen Erhöhung auf adıt 
Millionen ald Grundlage angenommen, und ber Antheil bes 
dritten Bezirks auf 867,837 Livres beflimmt wurde. Bei ber 
endlih geſchehenen Vermehrung auf zwölf Millionen wurden 
dem dritten Bezirf davon 1,212,634 Livres zugetheilt, welde, 
nah Abzug der Adminiftrationsfoften der Domainen, ſich auf 
913,257 Livres rebueirten. Zu diefer Contribution foll der Land⸗ 
“ mann, weltliche Gutsbefiger und gemeine Bürger 29 Simpeln 
und einen ganzen Schirmgulden zahlen. Die Städte (beſonders 
Trier und Coblenz) find dreifach zu beanfchlagen, und die Häufer 
in den Hauptſtädten mit 8 Albus von 100 Rthlr. Werth, die 


— — — — — — — — — — — —— —— — — 


aber in den Nebenſtädten mit der Hälfte dieſes Beitrags zu be⸗ 


legen. Der Kapitaliſt fol feinen Schuldner tarin erleichtern, 
daß diefer im gleichen Verhältnig zum reinen Ertrag bes Korn 
feldes 1 Kreuzer im Simpel von den Zinfen feinem Gfäubiger 
abzuziehen befugt fey. Die Judenfchaft des dritten Bezirks zahlt 
3000 Rthlr. Die unfequeftrirten reichern geiftlichen Corporatios 
nen und Pfründen haben die (erwähnten) 29 Simpeln und ein 
weiteres Drittel zu entrichten. Der nicht fequeftrirte Adel if 
mit vierfachem Anfchlag (zu 43,595 Rthlr. 32 Alb.) zu belegen.” 

Endlos waren überhaupt die Forderungen. „Ein außer 
ordentlicher Drud für Coblenz iſt die Belieferung der Tafel 
mehrerer Generäle. Am 16. Aug. wird der ganze Deagiftrat 
auf dem Rathhaus arretirt, weil diefe Lieferung an den General 
Menage ausgeblieben war. Am 22. ſchickt General Hardy, aus 
gleichem Grunde, jedem Mitgliede‘ des Magiftrated 10 Mann 
zur Erecution. Der Stadt gebricht es an Mitteln, folhen Res 
quifitionen zu genügen, daher werden von jest an, Behufs der 
felben, Geldausfchreibungen zur Laft des Adeld und der reichern 
Einwohner gemadt.” Der Subalternen Anfprüdhe hatte Hode 
in der Verfügung vom A. Jul. zu befchränfen gefucht. Laut 
derſelben „kann fein Corps, Detachement, noch Individuum der 
Armee Lieferungen, welder Gattung fie immer fein mögen, von 
den obrigfeitlihen Sewalten und den Einwohnern ber eroberten 


Dual. — — — — — 


General Hoche. 329 


Lande einfordern, ohne eine vorfhriftsmäßige ſchriftliche Volle 
macht bafür zu haben.” Die Verordnung enthält ferner die Angabe 
derjenigen, welche zur Ausftellung einer ſolchen Bollmadıt befugt 
find, und beftimmt die Art der Auöftellung und der Biftrung ber 
Bond, Die Zuwiderhandelnden follen arretirt, und nach der 
Schaͤrfe der Geſetze beſtraft werden. 

Am 14. Aug. verordnet des. Generals Organ, die Mittels 
sommiffton zu Bonn, „Art. 1. Jedem Einwohner der eroberten 
Sande, fo weit fie von der befagten Commiſſion verwaltet wer- 
‚ben, ſteht es frei, feine Gedanfen dur den Drud befannt zu 
machen, ohne vorher feine Schriften irgend einer Cenſur unters 
werfen zu müffen. 2. Allen Obrigfeiten, fo wie jedem andern, 
wird hiemit unter Strafe der Caſſation und bes Gefängniffes 
verboten, weder geradezu, noch durch Umwege, die Befannt« 
machung folher Drudihriften zu hindern. 3. Die Poflmeifter 
jolen alle Schriften ohne Unterſchied annehmen und nad ihrer 
Beſtimmung abgehen laſſen. 4. Sollte fih jemand über eine 
öffentlich befannt gemachte Schrift zu beſchweren haben, fo kann 
er fih an den franzöfifhen Commiſſär des Bezirfes wenden. 
Diefer wird hierüber an die Mittelceommiffion berichten, und 
letztere alsdann nad Licht und Recht entfcheiden. 5. Die Mis 
Iitärcommandanten werden erfucht, die Prepfreiheit zu beſchuͤtzen, 
und nur darauf zu fehen, daß Niemand fie zur Störung ber 
öffentlichen Sicherheit mißbrauche.“ 

Die Majorität des Directoriums war zu der Majorität in 
bem Rath der Fünfhundert zu einer Stellung ‚gerathen, die noth⸗ 
wendig zu einem Staatsftreich führen mußte. Hocde, nachdem 
er der Liebling der Patrivten geworden, erfchien den drei Direcs 
toren Barras, Reubel und Lareveilldrertepeaur als derjenige, 
deſſen Beiftand für die bevorftehende Crife, mit. Borübergehung 
alfer andern Generale, anzurufen. Barras, der unruhige und 
ränfefüchtige Barras wünfchte den fo wohlfeil in der Unter⸗ 
brüdung der Bewegung vom 13. Bendemiaire erworbenen Ruhm 
durch einen neuen Triumph aufzufrifchen, und trat deshalb, ohne 
Vorwiſſen feiner Collegen, mit Hoche in Unterhandlung. Diefer 
zeigte fich fogleih willig, fei es, daß er bie Nothwendigkeit ers 


Ahein. Antiquarius, 3. Abth. 3,8. 34 


5350 Weißenthurm. 


kannt hatte, der Regierung eine feſtere Baſis zu gehen, ſei ee, 
dag die Hoffnung, perfönliche Zwecke zu erreichen, ihn beftimmte, 
Wie von felbft, bot die Gelegenheit fid ‚bar, Truppen nad 
Paris zu fehaffen. Der General befhäftigte fih eben angelegente . 
lihft mit den Borbereitungen zu einer abermaligen Expedition 
nah Srland: die im Texel verauftalteten Rüftungen zu beauf 
fihtigen, hatte er eine Reife nad Holland gemacht. Zu Breft 
wurde ebenfalls gerüftet, und dahin 20,000 Dann von ber 
Sambre- und Maasarmee zu richten, fand der General noths 
wendig. Auf ihrem Marfch mochten diefe Truppen wie zufällig, 
ohne irgend Auffeben zu erregen, in der Höhe von Paris feſt⸗ 
gehalten werben, um fodann ben Abfihten des Directoriums zu 
bienen. Die für das Unternehmen unentbehrlichen Geldſummen 
lieferte die der Rheinprovinz auferlegte Contribution. inges 
gangen waren zwei Millionen und einige hunderttaufend Franfen. 
Davon waren 219,400 Franken an den Schaß abgeliefert, andere 
Summen für den Sold der angeblih nah Breſt beftimmten 
Truppen verwendet worden, blieben an die zwei Millionen, den 
Nöthen des Directoriums oder den Bedürfniffen einer nach Ir— 
Iand beftimmten Armee abzubelfen. 

Diefes Verfahren im Nath der Fünfhundert zu denunciren, 
beeilte fi Dufresne. Al a,“ fagte er von Hoche fprechend, 
„il a impose 3,723,000 francs; 219,400 francs ont et& ver: 
ses dans la caisse du payeur de la tresorerie; 736,600 ont 


disparu dans les mains de l’etat-major, le reste a ete verse 
dans la caisse d’un agent particulier, sur laquelle le general 
donne des delegations a divers fournisseurs.““ Die Anklage zurüds 
zumweifen, bemühet fih Hoche in zwei verfihiedenen Schreiben. 
. Sn dem einen, vertraulichen Inhaltes, äußert er: „ſe Les faux 
frais ont tellement pu epuiser les caisses des departements que 
nulle part la solde n’a ete faite; il est dü deux mois de prä 


à Varmee. 22 Au sujet des contributions, les comptes vont 
tre livres a Uimpression. 8° Plüt au ciel que l’etat-major de 
Varmee eüt six-cents mille francs a sa disposition ; les of- 
ciers qui le composent aurdient des chevaux, et ne feraient 


pas des dettes pour servir une patrie ingrate !“ In dem amt 


General Hoche. 551 


lichen Schreiben, vom 1A. Jul., befpricht der General den Betrag 
und bie Verwendung der Eontribution: „‚Jal imposd une con- 
tribution de 3,725,000 francs , mais elle a éêté reduite à 
2,980,000. Jai verse au payeur 2,840,962 fr. Jai, dites- 
vous, une caisse particuliere. Oi est-elle? qui la tient? 
_faites-la-moi connaitre. Vous .dites que j’ai donne sur elle 
des delegations a des fournisseurs: nommez-m’en un, un seul 
auquel j’ai fait donner un ecu. Pouvez-vous ignorer que ce 
sont les fournisseurs qui au ministere ont le plus crie contre 
ma nomination? Devez-vous ignorer que depuis trois mois et 
demi je fais vivre cinquanie mille hommes sur la. rive droite 
du Rhin, sans qu’il ait et& delivre, je ne dis pas de Pargent, 
mais des bons aux fournisseurs ? Et voila la recompense des 
Economies que jai faites! Jai poursuivi lagiotage, les fri- 
pons, et c’est moi qu’on ose accuser! dJustes dieux ! mes 
eomptes eussent été remis au ministre de la querre, sans les 
persecutions que j’ai eprouvees a mon voyage de Paris. Main- 
tenant je vais les rendre a la nation; ils sont sous presse.“ 
In dem allgemeinen Wechſel der Minifter, 16. Jul., wurde 
Hohe an Petiets Stelle mit dem Kriegsminifterium befleidet, 
wiewohl man wußte, daß er das zu ſolchem Amt erforderliche 
Alter von 30 Jahren nicht erreicht habe, Durch feine Ex 
nennung follte der Armee gefchmeichelt, ihm felbft ein Compli⸗ 
ment gemacht, endlich, fobald der Alterspefect zur Sprache komme, 
die Ehrfurcht der Machthaber für das Gefeg bekundet werten. 
Sn der Thas wurde fchon in den nächften Tagen bie Ernens« 
nung zurüdgenommen, Scherer zum Kriegsminifter ernannt. In 
anderer Weife gedachte die Majorität des Directoriums über 
Hoche zu verfügen: er follte das Commando der in der Haupt⸗ 
fadt zu verwendenden Truppen übernehmen, „Mais ce general, 
d’un grand et noble caractere, n’etait pas capable de se rendre 
Paveugle instrument du pouvoir‘“ (Thibaudeau). Er ſchickte 
in tiefem Geheimniß ‘einen Freund, der zugleich fein Aide-de- 
eamp, nad) Paris, um die Stellung des Directoriums, ber bei 
den gefeßgebenden Räthe, der Parteien zu beobachten. Cherin 
führte, feinem General nit ungleih, Degen und Feder in der⸗ 


34 * 


352 Weißenthurm. 


ſelben Fertigkeit, beſaß einen gleich ſichern Blick für die Beur⸗ 
theilung eines Schlachtfeldes oder eines Parteikampfes. Der Be⸗ 
obachter erfannte augenblicklich dag eigentliche Ziel der von Clichy 
benannten Partei, und auf feinen Betrieb eilte Hoche nach Paris, 
Der Directorialfigung kaum eingeführt, hatte er ab Seiten. Car: 
nots fcharfe Worte zu vernehmen: der fragte, nach welchen Der 
fehlen der General gehandelt habe, und bedrohte ihn mit einer 
Anklage, indem er durch feine Truppen den conftitutionelfen Rayon 
um Paris habe überfchreiten laſſen. Die Befehle waren Tedigs 
lich von Barras ausgegangen, und dieſer, der Achte „pourri“ 
ließ den allzu folgfamen General im Stich. Durch Carnots 
dringende Fragen mehr und mehr bedrängt, entgegnete Hode, 
ohne Truppen habe er nicht nad Breſt geben können. Die 
43,000 Mann in der Bretagne, eriwiderte Carnot, feien mehr 
als binveihend für die projectirte Erpedition. Endlich fand 
Lareveillere fich veranlaßt, den General in Schug zu nehmen, im 
Namen der Majorität des Directoriums ihn der Achtung und dee 
Bertraueng, fo durch feine Dienfte ihm erworben, zu verfichern, 
dag demnach von einer Auflage die Rede nicht fein fünne, Die 
Sigung wurde aufgehoben. Hoche eilte, von wegen ber Inter⸗ 
vention bei Lareveillere fich zu bedanfen, und vernahm jest, daß 
Reubell und Lareveillere ohne alle Kenntniß von dem Mari 
der Truppen gewefen, daß Barras den Befehl feinen Collegen 
unbewußt gegeben habe, lebhaften Unwillen empfand der General, 
daß derjenige, durch welchen er compromittirt, nicht einmal den 
Muth befige, feine Rechtfertigung zu verfuhen. Den Unwillen 
hat er fehr unfanft gegen Barras ausgefproden. Für den bes 
abſichtigten Staatöftreih waren die Anftalten noch nicht getroffen, 
überhaupt fchien ed, nach dem Auffehen, fo die Sache gemacht, 
unthunlich , ihn durch Hoche ausführen zu Taffen, der General 
verlieg Paris nad) Furzem Aufenthalt, um wieder im Haupt 
quartier, fo fortwährend in Weslar geblieben, fich einzufinden. 

Die Unruhe in den Gemüthern war aber hiermit keines⸗ 
wegs befchwichtigt. Am 4. Aug. flattete Delarue im gefeßgeben 
‚den Körper den feit vierzehn Tagen erwarteten Bericht ab von 
dem Marſch der Truppen. Es fand fih, dag 27,000, nidt 


— — —— 


— — 


General Hoche. 835 


9000 Mann, wie Hoche vorgegeben, nad) Paris inftradirt worden, 
dag Dfficiere und Soldaten aus der ihnen gewordenen Beftims 
mung, nöthigenfall8 die Geſetzgeber zu beftreiten, Fein Geheim⸗ 
niß machten, daß ihnen einmal Befehl zu einer rüdgängigen Bes 
wegung zugelommen, daß eih zweiter Befehl die Fortfegung bes 
Marfches veranlapt habe, daß diefer Befehl, von General Hoche 
zu Paris ausgefertigt, Durch den General-Adjutanten Eyrard nach 
Meziereg getragen worden, daß Hoche ſelbſt, nachdem er den 
7—23. Zul. zu Mezieres angefommen, die Truppen veranlaßt 
babe, in Gewaltinärfchen das Marnedepartement zu durchziehen, 
ohne den Einfpruh des Generals Ferino zu beachten u. f. w. 
Dem Bericht folgte eine abermalige Botfchaft an das. Directo« 
rium, die dann endlich eine beftimmtere Erflärung erzwang. 
Laͤut derfelben hatte Hoche am 3. Aug. den General Richepanfe 
beordert, mit feiner Chaffeurdivifion, vier Negimenter, über 
Chartres und Alençon nach Breft zu ziehen, und war lediglich 
durch feine Unbekanntſchaft mit dem Art. 69 der Eonftitution 
Richepanſe verleitet worden, den conftitutionellen Rayon zu vers 
legen. Hoche fchrieb an einen Sreund: ‚„Lorsqu’on veut marcher 
sur une ville, on prend le chemin le plus direct, on ne divise 
pas ses troupes, on reste avec elles. J’ai ordonne aux troupes, 
d’upres les ordres du gouvernement, car sans doute il ne vou- 
lait pas que je m’embarquasse seul, de marcher sur Brest par 
Alencon; le ministre de la querre a ete ofhiciellement instruit 
du mouvement. Le Directoire a pris le 26. juillet un arrdid 
confirmatif de ma conduite; c’est moi qui ai arrete les troupes 
dans les depurtements frontieres ; je defie de faire voir un 
ordre du Directoire qui ordonne , je ne dis pas de les faire 
retrograder, mais seulement de les. arreter.““ 

Sehr verfiimmt, traf Hohe zu Weglar ein: das Direeto⸗ 
rium hatte ihn preisgegeben, er zürnte den Männern von Clichy, 
er grollte der ganzen Welt. Er verlangte yor ein Kriegsgericht 
gefellt zu werden, vorzüglich hierzu veranlaßt durch eine Rede, 
fo General Wilfot in dem Rath der Fünfhundert gehalten. „Je 
vais me livrer,“ ſprach Willot, à une hypothese dont Fappli- 
cation est difheile a l’avenir, mais que les derniers evenements 





554 Weißenthurm. 


rappellent. Je ne crains pas qu'un nouveau Cesar passe le 
Rubicon; le heros qui est actuellement aux lieux que Cesar 
iraversa pour marcher contre sa patrie, y consolide la liberte 
des peuples au sein desquels la victoire Pa conduit. Mais Ma- 
rius peut arriver aux portes de Rome et s’indigner de ce que 
les senateurs deliberent. Dans cette circonstance je suppose 
qu’un lieutenant, qu’un oficier fidele arrete le nouveau Marius 
aux limites eonstitutionnelles , le Directoire pourra destituer 
cet oficier, et ouvrir le passage aux factieux‘ Es war 
Hode, den hier der Redner als einen Marius bezeichnete, wäh- 
rend er feine Scheu für den Cäſar Bonaparte befannte , feines 
Freundes Pichegru Verdienft um die Republif pried. Der haupi⸗ 
fächlich gegen Hoche gerichtete Antrag, diejenigen, von welden 
ber Befehl für die Truppenbewegung unterzeichnet, gerichtlich zu 
verfolgen, war ebenfalls von Willst ausgegangen, und fehreibt 
deshalb Hohe, d. d. Weslar, 6. Aug., an das Directorium: 
„Vous avez dü éêtre inviles, par un message da Conseil des 
Cing-Cents, & traduire devant les iribunaux les signataires 
des ordres donnes aux troupes pour leur marche vers l’inte- 
rieur. Cette fois M. Willot a ete, sans s’en douter, mon or- 


— — — — — 


gane auprès de la representation nationale et de vous... Per- 


mettez-moi donc de vous supplier de m’indiquer le tribunal auquel 
je dois m’adresser pour obtenir enfin la justice qui m’est due.“ 

Wenige Tage darnach, gelegentlich der Gedächtnißfeier des 
10. Aug. redete Hoche zu feiner Armee: „Amis! je ne deis pas 


le dissimuler, vous ne devez pas vous dessaisir encore de ces 


armes terribles avec lesquelles vouz avez tant de fois fixe la 


victoire. Avant de le faire, peut-Etre aurons-nous & assurer la 
tranquillite de liinterieur que des fanatiques et des rebelles aux 
lois republicaines essaient de troubler““ Den Schluß der Feier 
machte ein Banquet im Gaſthof zum Römiſchen Kaiſer, wo dei 


General während feines Aufenthaltes in Wetzlar zu fpeifen pflegte, 
und bedenkliche Redensarten wurben ben Trinffprüchen eingemifht, 


So fagte z. B. Ney: Au maintien de la Republique! Grands 
politiques de Glichy, daignez ne pas nous forcer a sonner la 


charge.“ General Cherin brachte eine Gefundheit aus „aux 


General Hoche. 535 


membres du gouvernement qui feront respecter la Republique! 
Ein Rittmeifter trank das Wohl „„des patriotes des Cing-Cents, 
ein Kriegscommiffair lu coalition legitime de l’armee d’Ita- 
lie et de l’armee de Sambre-et-Meuse! Gin Spottgedicht, hom- 
mage de l’urmde de Sambre-et-Meuse au club de Clichy wurde 
durch den Druck vervielfältigt, ben Truppen ausgetheilt, nad 
dem Innern verfendet. 

In auffallender Leichtigkeit wurde am 18. Fructidor, A, Sept. 
1797 , der Staatsftreich mit Hülfe der von Hoche in der Nähe 
ber Hauptftabt aufgeftellten Truppen bewerffielligt, die Majori⸗ 
tät des Directoriumg fiegte vollftändig über ihre Kollegen Carnot 
und Bartbelemy, über die aller materiellen Stärfe entbehrende 
Dartei von Chihy. Den jenem Ereigniß vorhergehenden Monat 
hatte Hode in fortwährender Beforgniß zugebradht, hing doch 
feine ganze Exiſtenz von dem Schickſal des Directoriums ab. Auf 
befien Karte hatte er fogar den beiten Theil von dem Eingebrachten 
feiner Frau, 50,000 Franken gefegt. Das Directorium befand fi 
nämlich, wie gewöhnlich, ohne Geld, point d’argent, point de 
Suisse, fein Geld, fein Staatsftreih, man mußte die Hülfe des 
gefränften, bes fchmollenden Hoche anrufen und das Vertrauen 
der Machthaber Hat er nicht getäufcht. Indem er aber, während 
feines Aufenthaltes zu Paris genugfame Gelegenheit gehabt, die 
Gehaltlofigfeit feiner Freunde zu beurtheilen, ſchien ihm mehr 
als zweifelhaft der Sachen Ausgang: Stets fland fein Wagen 
gepadt, damit er auf die erſte Nachricht von dem Siege des ger 
feßgebenden Körpers, famt feiner jungen Frau nad) dem Innern 
von Deutfchland flüchten könne, und behielt er für ſolchen Fall eine 
bedeutende Geldfumme in Händen. Freudig begrüßte er darum 
den 18. Fruetidor, und ohne Säumen empfing er von den Gies 
gern die durch feine Anhänglichfeit verdiente Belohnung. Das 
Sommando der zeither von Moreau befehligten Rheinarmee wurde 
mit jenem der Sambre- und Maasarmee vereinigt, und aus dem 
Ganzen die Armee von Deutfchland, ohne Bergleich das größte 
Commando in der Nepublif, gebildet. 

Des Generals verlängerter Aufenthalt in Wetzlar gab ber 
daſigen Bevölferung Gelegenheit manderlei Vergleihungen an- 


556 Weißenthurm. 
® 


zuftelfen zwifchen dem Feldherren, der nur im vergangenen Sabre 
der Retter von Deutſchland und von Weglar insbefondere ges 
worden, und zwifchen deinjenigen, in deſſen Hand die Donnerfeife 
vereinigt, die vieleicht in Kurzem einen neuen Brand in Deutſch⸗ 
land anfachen fonnten. Biele Erinnerungen an den Erzherzog 
und minder nicht an den republifanifchen General haben bis auf 
den heutigen Tag fich in Weslar fortgeerbt. Vorzüglich Tebendig 
ift das Gedächtniß der Schlacht vom 15. Juni 1796 und bes 
perfönlihen Antheils, welchen Erzherzog Karl daran genommen, 
Schon waren bie franzöſiſchen Vorpoſten bis in die Gärten jens 
feits Lahn und Dil vorgedrungen, namenlofer Schreden laftete 
auf der Bevöfferung, indem Jourdan feinen Truppen bie Plüns 
derung verheißen hatte, um die Stabt für den Borfchub, welden 
fie, unangefehen der Neutralität, den Kaiferlichen geleiftet haben 
follte, zu beftrafen. Und während dem faßen Dfficiere in großer 
Anzahl, an ihrer Spige, wie e8 heißt, der nachmalige Feldzeug⸗ 
meifter Graf Sztarray, in dem Gaftbof zum Römifchen Kaifer, 
und fpielten Karten, während von Zeit zu Zeit eine vereinzelte 
Compagnie gegen die Sranzofen ausgefendet wurde, Dazu wirbelten 
die Trommeln wie einen Todtenmarfch, und fiherm Tod ging dad 
Häuflein entgegen, denn fobald das Stadtthor zurückgelegt, der 
‚Straße eingebogen, fo nach der Schenken von Schweinsberg Dorf 
Hermannftein führt, eröffnete bie vortheilhaft auf einer Anhöhe des 
rechten Dillufers angebrachte verſteckte Batterie ihr Feuer: wegges 
blafen war die Compagnie, und verging einige Zeit, big die ziveite, 
bie dritte u. ſ. w. anrüdte, der Borgänger Schidfal zu theilen. 

So fihleppte der Morgen fich hin, verderblich den braven 
Truppen, neue Echredniffe mit jeder BViertelftunde den Web 
larern verfündigend. Gegen Mittag forengte der Erzherzog von 
Weilmünſter her, durch den Hohlweg zur Stadt. Spornte ihn 
‘eine bange Ahnung oder eine Meldung von dem was in und 
um Wetzlar vorging, ich weiß es nicht, aber in flürmifcher Haft 
trieb es ihn vorwärts, Durch den Hohlweg wie durch die engen 
Gaffen und Seitengäffchen der Stadt. Immer nur den Fürzeften 
Weg fuhend, zwang er fein edles Thier die fehmalen fteifen 
Stufen des reformirten Treppchens hinan, im Gallop erreichte 


General Hoche. 837 


er, von ben Spielern unbemerft, den Hof des Roͤmiſchen Kai« 
fers, und den Gaul wendend, zwängt er mit ihm ber niedrigen 
Saalthüͤre fih ein. Verſteinert alle ſtehen die Spieler vor dem 
gürnenden Kaiferfohn, der ſchreckliche Worte richtet an die Pflicht⸗ 
vergefienen , einem derfelben den Degen zerbrocen haben foll, 
etwan wie Wilhelm von Oranien in der Schlacht yon Mont- 
Caſſel einem Dfficier, den er über dem Ausreißen betraf, ges 
tban bat. Mit den Worten: „HD... ih will dich zeichnen, 
bamit ich dich morgen henfen laſſen kann,“ verfegte er ihm einen 
Säbelhieb ins Gefiht, Auch Karl hatte in heifigem Zorn blanf 
gezogen. Nachdem er alfo thatfächlich ausgebrüdt, was in der 
Todesſtunde Nelfon gefprochen: „„Deutfchland erwartet, daß jes 
derinann feine Pflicht thun werde,” hat er im Augenblid die Dig- 
pofitionen zur Schlacht getroffen ; zunächſt Die eine Stunde von 
Beplar, an der Franffurter Straße bei Groß⸗Rechtenbach ſtehen⸗ 
den Sachſen herangezogen, zugleich ein Cavalerieregiment gegen 
die verſteckte Batterie jenſeits der Dill ausgeſendet. Die Bat—⸗ 
terie wurde tournirt und genommen, das darin vorgefundene 
Gefhüs in die Stadt gebracht. Eine Haubitze war mit Blut 
übergoffen, der Kanonier, dem fie anvertraut gewefen, wollte fein 
Quartier begehren und wurde auf feinem Geſchütz zuſammen⸗ 
gehauen. Mittlerweile hatten Kaiſerliche und Sachſen auf allen 
Punkten die Dffenfive gegen die lange im Vortheil ſich befin⸗ 
denden Sranzofen ergriffen, und nad) einem bis 10 Uhr Abende 
fortgefegten Gefecht fahen diefe ſich genöthigt, mit Hinterlaffung 
von vielen Todten und 6 Kanonen, den Rüdzug anzutreten; big 
Beul und Deuz dehnte die Verfolgung fih aus. In der Schlacht 
hat der Erzherzog bie feltenften Proben von Geiftesgegenwart und 
Todesverachtung abgelegt, den Feldherrnblick, der über die mehr 
"Ren Generale jener Zeit ihn erheben follte, befundet. Ihm, als 
ihrem Erretter, wollten die Weßlarer glänzende Ehrenbezeigungen 
bereiten, fie wurden von dem befcheidenen Helden verbeten. 
Hoche hatte unter dem Einfluffe des Waffenftillfiandes Feine 
Gelegenheit gefunden, feine Friegerifhen Talente leuchten zu laſ— 
fen, dagegen machte er fih durch Zugänglichkeit, durch offenes 
natürliches Weſen ungemein beliebt. Er bewohnte das Haus bes 


858 Weißenthurm, 


Reichsfammergerichts-Affeffors von Neurath am Buttermarft, ber 

Stiftsfirhe zu U. Lieben Frauen gegenüber. Diefes Haus wurbe 

1818 oder 1819 von der Herzogin Wilhelmine von Würtemberg, 

geborne Prinzeffin von Schwarzburg-Sonderöhaufen erfauft und 

bis zu ihrem Ableben, 25. April 1829 bewohnt. Gegenwärtig 

ift es ein Gaſthof, zum Herzogliden Haus genannt. Die Ge: 

nerale der franzöfifhen Revolution, kaum den Kinderjahren ent 
wachen, haben nicht felten in ihren Liebhabereien für kindiſchen 
Zeitvertreib als die wahrhaftigen Landsleute der Emigranten, 
ihrer unmittelbaren Vorgänger, fih bewährt, überall diejenigen 
aufgefunden, welche diefem Zeitvertreib zu dienen geeignet. Mars | 
ceau, nachdem er zu Belanntfchaft gefommen mit einem gewiffen 
Hrn. Erbes yon Neuwied, wünſchte zulegt, wie das feinem guten 
Herzen Bedürfniß, demjenigen, ber ihn befufligt hatte, nüglig 
zu werden. Um dieſes zu erreichen, Tieß er fich bei einem Angrif 
auf Neuwied von Erbes begleiten: als bie Deftreicher auf allen 
Punkten wichen , bereits die Gefchüge aus der letzten ihnen ger 
bliebenen Batterie abführten, beorderte er den angehenden Günfs 
ling an der Spige einer Compagnie jene Batterie zu occupiren; 
eine glänzende Waffenthat du citoyen Erbes follte dann nad 
Paris berichtet werden, dem Tapfern eine Lieutenantsftelle oder 
bergleichen verfchaffen. „Zr avant marche,“ hieß es, und Ges 
wehr bei Arm marſchirte die Compagnie der Batterie zu. Darin 
hatte fich aber die Bedienung einer Kanone verfpätet, ben Feind 
vor ſich erblidend, wendete fie die Kanone, fie war mit Kartäts 
ſchen geladen, und über der unerwarteten Begrüßung zerftäubte 
die Compagnie. Fort find die Artilleriften, zur Stelle gelangt, 
überzeugt ſich Marceau, bag viel Lärm um Nichts geweſen. Ein 
“ einziger Mann nur fehlt, den beflagt der General in ſchmer 
lichen Tönen. „Erbes, Erbes, mon cher Erbes, ou etes vow 
donc ?°° wehflagt der General, und in dem Augenblid hat H 
Erbes, der in der Berwirrung, in der Furcht der Kartätſch 
zur Tiefe des Grabens fi) berabgelaffen, die Höhe Klettern 
wiederum erreicht. Wohlbehalten, quasi re bene gesta, gl 
er den beforgten General beruhigen zu müffen, der aber, fo 
Hr. Erbes ſelbſten erzählt, „der gab mir einen Tritt vor das 

























General Hoche. | 559 


Gefäß, dag ich beinahe wieder in den Graben hinabgeſtürzt 
wäre, dann ſchwang er fi auf feinen Gaul, und 'nie mehr hab 
ih ihn zu ſehen bekommen.“ 

Hohe hatte in Weglar eine ähnliche Bekanntſchaft gemacht. 
Ein Copiſt vom Reichsfammergericht, Maiftre, nachdem er fi 
siel mit dem Anfertigen von Gelegenheitsgedichten befaßt, galt in 
dem eigenen Bewußtfein, zum Theil auch dem Publicum, als ein 
Dichter, während fein befcheidenes Talent den Herren vom Kam⸗ 
mergericht und ben Höfen ber Nachbarſchaft, namentlich jenem 
in Braunfels, häufig ein Gegenfland der Beluftigung geworden 
war. Diefer Mann fand zu allen Stunden bei Hoche Zugang, - 
und unterbieft fih mit ihm ber General vorzugsweife Lateinifch. 
Wenn er aber beim Ausreiten feinem Homer auf der Straße 
begegnete, dann begrüßte er ihn regelmäßig mit dem Ausruf: 
„ah mon cher poöte !““ 

Durch ſolch harmloſes Weſen war ber General ungemeig 
populär geworden, allgemeine Theilnahme ergab fi daher, als 
ein trockner Huften, der häufig ihn ergriff, krampfhafte Zufälle, 
die vorlängft feine Freunde und feine Aerzte beunruhigt hatten, 
in ber bedenflichiten GSeftalt auftraten. in Uebel, von bem 
fih niemand Rechenschaft zu geben wußte, nagte an einer Ge- 
fundheit, die man für unverwüftlich gehalten. Den Fortſchritten 
biefes Uebels zu Troß, befchäftigte fih der Kranfe mit der Ver⸗ 
fhmelzung feiner beiben Armeen, mit der Einleitung eines Zuges 
nah Irland. Heftiger ftellte fih im September der Huften ein. 
Daß er aller Anftvengung ſich enthalte, verlangten die Aerzte, 
dazu wollte der Widerfpenflige ſich nicht verftehen. ‚‚Donzez- 
moi un remede pour la fatique, mais que ce remede ne soit 
pas le repos,““ hat er fi) geäußert. Doch empfand er bereits 
heftige Schmerzen, und fiel befonders das Athembolen ihm 
fhwer. Deswegen flanden alle Fenfter feiner Wohnung flete 
geöffnet, häufig ließ er fih durch zwei Adjutanten zum Fen⸗ 
fer führen, wo er dann in gierigen Zügen Luft, die doch fo 
reichlich der Welt gefpendet, einzufchlürfen ſuchte. Man Tieß 
aus Marburg den berühmten Profeffor Baldinger fommen, in 
ber Hoffnung, Hülfe von ihm zu erhalten. Er unterſuchte den 


840 Woeißenthurm. 


Leidenden, glaubte in einem Polypen die Quelle des Uebels zu 
entdecken und beantragte eine chirurgiſche Operation. Ob er 
ihm mittels derſelben fein Leben verbürgen - wolle, fragte ber 
General. Indem aber der Arzt, bei all feiner Geſchicklichkeit 
die Bürgfchaft ablehnte, wollte Hoche von der Operation nichts 
wiffen. Vollſtändig bettlägerig war der Kranfe feit dem 17. 
Sept. ; fein Jammern in den unfäglichen Schmerzen , den oft 
fih wiederhofenden Ruf: „oh mon Dieu! oh mon Dieu!« hörte 
man, vornehmlich zur Nachtzeit, viele Häufer weit, bis auf den 
Eifenmarft und in die Schmiedgaffe. In diefen Worten glaubs 
ten die chriftlichen Bürger von Wetzlar ein Geſtändniß zu ver 
nehmen, fo' die ewige Gerechtigfeit dem vormaligen Gottesläug⸗ 
ner abpreffe, die Schmerzen fehienen ihnen eine gerechte Ver⸗ 
geltung der, wenn aud nicht von dem General felbft verübten 
oder befohlnen, doch unter feinem Commando in ber Vendee bes 
gangenen Greuelthaten, die durch eine befondere Gnade deg Him⸗ 
mels noch in diefer Welt abzubüßen, ihm vergönnet werde, 
Unftreitig war dieſe Anficht der Frommen ein Seitenflüd dem 
Thun des Unbefannten, der am 28. Zul. 1794 das Gewühl, fo jur 
beind, tobend und fluchend den Karren umgab, auf welchem Robes⸗ 
pierre zum Tod geführt wurde, durchbrach, einen Sprieß in ber 
Seitenwand des Karrend erfaßte, und. nachdem er eine Weile 
fih den geftern noch allmächtigen Dietator angefehen, die gräßs 
liche durh Blut und Koth entftellte Geftalt mit dem zerfchmets 
terten Rinnbaden, das eine Auge hervorgetreten aus der Hör 
lung, berabhängend zur Wange, ſprach er zu dem Sterbenden, 
in ruhigem und feierlichem Ton, jedes Vorwurfs fih enthaltend: 
„Qui Robespierre, il est un Dieu!“ Am 7. Mai hatte Robes⸗ 
pierre den Convent decretiren laffen: „Art. 4. Le peuple fran- 
cais reconnait Vexistence de PEtre supr&me et l’immortalite de 
!’aäme‘‘; am 8. Juni hatte er der abgefehmadten, diefem hoͤchſten 
Wefen zu Ehren angeordneten Feier präfidirt. In dem Kleide, 
fo er in jener Feftlichfeit getragen, wurde Robespierre zum Tode 
geführt. Die alten Mütterhen in Wetzlar gingen noch einen 
Schritt weiter, denn jene Frommen. In der Testen Nacht de 
Generals, den ich übrigens in Feiner Weife mit Robespierre 





General Hohe. 7! 


verglichen haben will, wie dem herzzerreißenden Jammergefchrei 
tiefe Stille folgte, fprachen die Weiber: „Alleweil hot en ber 
Deuwel geholt.” Es war den 19. Sept. 1797, Morgens 4 Uhr. 

Der Schmerz der Armee um den von ihr angebeteten Gene- 
ral, der franzöfifhen NRepublifaner im Allgemeinen, war unbes 
ſchreiblich. Den Wenigften ſchien ed glaublich,; daß diefe Fräftige 
jugendliche Natur einem gewöhnlichen Zufall habe „unterliegen 
fönnen. Gerüchte von einer Vergiftung tauchten auf, fanden wils 
ligen Glauben, und pflanzten ſich fort, obgleich das Protokoll der 
vorgenommenen Dbduction von ferne nicht einen foldhen Verdacht 
begründet. „Cet evenement ne parut pas naturel,‘“ berichtet This 
baudeau, „et donna lieu a toutes sorles de conjectures: on ac- 
cusa hautement le Directoire de l’avoir fait empoisonner. Par 
sa leitre du 12. vendemiaire a Bernadotte, le Directoire en ac- 
cüsait les conspirateurs royaux. Hoche avait annonce qu’il avait 
livre à l’impression plusieurs pieces relatives aux inculpations 
dirigees contre lui relativement aux gontributions de guerre et 
au mouvement des troupes de son armee sur l’interieur. Ces 
pieces n’ont jamais paru: cependant on ne croit pas que le 
Directoire ait commis ce crime; il n’etait pas dans les moeurs 
du temps. On guillotinait, on deportait, mais l’on n’empoi- 
sonnait pas. Quoique a la fleur de l’äge, Hoche portait en 
lui-meme des germes de mort, suites d’une vie usde par le 
plaisir et par la guerre: c’etait un des geueraux les plus 
distingues de la Revolution. Guerrier et citoyen, il reunissait 
@ une grande elevation d’ame des connaissances politiques ; 
Ü savait manier et l’epee et la plume; il en avait donne des 
preuves dans la Vendee, oü il avait apaise la querre civile, 
plus encore par sa loyaute et son esprit pacificaleur que par 
les armes. Il etait facile à irriter ; une grande injustice eät 
pu le porter à opprimer la Republique, mais jamais a la trahir. 
L’amour de la gloire le rendait jaloux de Bonaparte; sa propre 
ambition lui faisait pressentir celle du vainqueur de l’ltalie.“ 
Auch Thiers findet abgefchmadt die gegen dag Directorium er» 
hobene Befchuldigung eines Giftmordes, indem Hoche demfelben 
bie verläßlichfte Stüge gegen die Angriffe der Royaliſten wie 








540 Weißenthurm. 


gegen den Ehrgeiz des Bezwingers von Italien ſein mußte. Er 
iſt vielmehr das Opfer unbändiger Leidenſchaften geworben, die 
Natur hatte ihn mit ungewöhnlicher Körperkraft ausgeflattet, er 
mißbrauchte fie, in folhem Maafe, dag in feine ſchöne, edle und 
geiftreiche Phyfionomie ein entwürbigender, unheimlicher Zug ſich 
eingefchlichen hatte. Die unaufhörlichen Anftrengungen im Felde 
und im Gabinet thaten das Uebrige; der große Feldherr beſaß 
und übte nebenbei, gleichwie Dumouriez, alle Fähigkeiten eines 
Zribung, 

Sein Abfterben wurde am 20. Sept. von General Lefebore 
durch Armeebefehl angekündigt. ‚Armee de Sambre-et-Meuse. 
Etat-major general. Au quartier general a Wetzlar, le 4. 
jour complementaire an 5 de la republique frangaise, une et 
indivisible. Liberte, egalite, fraternite. Ordre general du 4. 
jour complementaire. C’est avec les plus vifs regrets que j’ap- 
prends a l’armee, que le General en chef Hoche est decede 
hier a quatre heures da matin. Guerrier intrepide, reunis- 
sant aux talenis militaires toutes les vertus republicaines, 
Vinflexible mort nous l’enleve dans le moment ou il s’attendait 
& voir jouir sa patrie de ses glorieux travaux. Lignes de 
Wissembourg, presquiile de Quiberon, champs de Neuwied, 
vous transmetirez sa memoire à la posterite, et parni les 
grands hommes produits par la revolution, Phomme libre verra 
toujours avec veneration Pimmortel pacificateur de la Vendee. 
— Je previens en m&me tems l’armee, que je prends le com- 
mandement en chef, jusqu’@ ce que le Direcioire ait pourvu & 
cetie place en remplacement du general Hoche. Le general 
commandant par interim Varmede de Sambre-et-Meuse. Signe: 
Lefebure.“‘ , 

Die Leihe, in ber vollen Generalsuniform, blieb zwei 
Tage auf einem Paradebett in dem Saal des Neuratbfchen Haus 
fes ausgefegt, und gaben die ganze Zeit über die Batterien, 
son welhen Weglar umgeben, und bie mit dem fchwerften Gr 
fihüge bewaffnet, von Biertelftunde zu Biertelftunde Salve. Dana 
wurde ber Sarg, unter Begleitung einer bedeutenden Truppen⸗ 
mafle, Infanterie, Eavalerie und Artillerie, nach Coblenz als 


General Hoche. | 845 


gefährt. Mittags um 12 Uhr ſetzte der Zug ſich in Bewegung, 
und falutirte die Batterie in der Lindenallee an der Lahn (die 
Starfeweide genannt) mit hundert Kanonenfhüffen. Das wies 
derholte fih zu Braunfels und zu Weilburg. Ihr letztes 
Nachtlager nahm die Begleitung zu Montabaur. Als fie am 
Morgen bes 23, Sept. um 9 Uhr unterhalb des Rothen Habs 
nen die franzöfifche Vorpoftenfette berührte, erhob ſich ein ſtar⸗ 
kes Gefihüßfeuer , dem die Kanonen der Feſtung Ehrenbreitftein 
replicirten. Bis dahin war in Koblenz vom vergangenen Abend 
5 Uhr an, die ganze Nacht hindurch, alle fünf Dlinuten eine 
Kanone gelöfet worden. In Ehrenbreitfiein ſelbſt hatte das 
Fefungscommando für den Empfang bed Leichenconducts die 
folgenden militairifchen Chrenbezeigungen befohlen: „1) Die 
untere Befagung rüdt Morgens 10 Uhr in vollfommener Pas 
rade aus, wozu die Grenadiercompagnie von Rolb zu floßen 
bat. Anhalt⸗Zerbſt hat die Hauptwache zu übernehmen und zu 
verfärfen. 2) Bon den Jägern hat Alles auszurücken, was frei 
it, und eine Compagnie zu formiren. 3) Bon Kurcoln wird 
eine Divifion auf das Glacis rüden und allda drei Salven geben. 
4) Die Borpoften haben in das Gewehr zu treten, fobald der 
franzöfifche Conduct gegen fie anfommt, deßgleichen alle Piquete 
auf denfelben,, und bie gebürenden Honneurg zu bezeigen, 5) 
Der Herr Obriftlieutenant von Trapp wollen die Parade in der 
untern Garnifon commandiren, und der Herr Öbriftlieutenant 
von Kolb wollen das Commando auf der obern Feflung morgen 
_ während der Paradirung übernehmen. 6) Die Parade hat in 
folgender Ordnung geftellt und vangirt zu werden, Dieſelbe 
macht ein Spalier zu 2 Mann hoch, das iſt gegeneinander über, 
und zuerft hat die vorzuftehende Compagnie Jäger das Spalier 
yom Mühlengrund,, die Schießbahn anfangend zu machen; an 
dieſelbe ftößt die erfte Grenadiercompagnie, nad) derſelben folgt 
bie Divifion vom Gemmingenfhen Bataillon, an diefelbe floßen 
die zwei Füftlierdivifionen des 2ten Bataillons von Rurtrier und 
die 2te Grenabiercompagnie, Herger, ſchließt bie Parade im 
Spalier. An dem Sauerwafferthor und an der fliegenden Brüde 
iR ein Herr Dfficier mit Beiwache zur Verſtärkung zu geben.”- 


344 Weißenthurm. 
Nach dem kurcoͤlniſchen Bataillongbefehl des Commanbanten 


beffelben, Grenadierhauptmann Freiherr Mar von Spiegel „wird | 
dem älteften Herrn Hauptmann von Holbach das Commando ber 


Diviſion auf dem Glacis übertragen, welche Die General-Dedarge 
zu Ehren des Teichenconducts zu geben hat. Die Divifion hat 
eichengrüne Feldzeichen aufzufteden. Diefe Divifion rückt vor 


dem Feldthor auf das Glacis, die Fronte gegen den Petersberg | 


gerichtet. Sobald man von franzöfifcher Seite die erfte Decharge 
auf dem Petersberg und in dem Lager gegeben, fo wird Hr. 
Hauptmann von Holbach als Divifionscommandant die erfle 
Charge machen laſſen, wo dann von der Feftungsartillerie ebens 
falls 12 Kanonen abgefeuert werben, und hat die Decharge nidt 
eher zu geſchehen, bis folche vorher von den Franzofen gegeben 
worden, und iſt fi) nad) diefer Ordnung auch bei der dritten zu 
benehmen. Nach diefer Abfeuerung hat die Divifion mit Flingens 
dem Spiel unter Abwechslung der türfifhen Muſik vom loöbl. 
Sachſen-Coburgiſchen Kontingent einzuräden, und auf dem Pas 
rabeplag die Mannſchaft auseinandergehen zu laſſen.“ 

Bon 10 Uhr an beftlirte der Trauerzug, Infanterie, Ca⸗ 
valerie, Artillerie, famt achtzehn franzöfifhen Generalen, burd 
ThalsEhrenbreitftein, während die Kanonen der Fefte falutirten. 
Als die Leiche der fliegenden Brüde aufgefahren, eröffneten aud 
die Gefhüte des Rheinbollwerks in Koblenz, des Petersbergs, 
und der unweit der Kornpforte baltenden vier Schaluppen ihr 
Teuer. Langſam gleitete die fliegende Brüde bin über den 
fpiegelglatten Strom, Tangfam wurde die yon wegen ber Ueber⸗ 
fahrt gebrochene Ordnung bergeftellt, eingereihet die von allen 
Seiten her ihr zuftrömenden Verſtärkungen. in friegerifcer 
Pomp, wie faum noch das Rheinland ihn gefehen, bewegte fih 
bie Rheinftraße, die Firmung aufwärts, an der Spitze des Zugs 
eine flarfe Abtheifung Chaſſeurs mit blanfem Säbel. Sodann 
befilirten zwei Regimenter Infanterie, durch unzählige Tambours 
und vier Mufifchöre unterbrochen. Der Infanterie fchloß fich wie 
der andere Cavalerie an. Dann famen 6 Gefchüte, denen aber 
mals ein Cavalerieregiment folgte. Hinter dem Leichenwagen, 
ber von 4 fchwarz behängten Rappen gezogen, von Adjutans 








General Hoche. B848 


ten und Stabsoffieieren, von Fackelträgern und den Emblemen ber 
Großthaten des Verewigten umgeben, gingen Generale bes höchſten 
Ranges, Lefebvre, Championnet, Grenier, Deputationen des Mas 
giftrats, die Eisrhenaner, in grüner Uniform und beflort. Unter 
dem unaudgefegten Donner der Kanonen wurde die Mofelbrüde 
überfchritten, der leichte Aufgang zum Petersberg erftiegenz; gleich) 
neben dem Grabe, fo genau vor einem Jahr die Leiche Marceaus 
aufgenommen, war der Raum geöffnet für feines Waffenbruderg 
enges Haus. Als hinabgelaffen des kurzen Traumeg einziges Mahl⸗ 
jeihen, da ſprach zu der in ehrerbietiges Schweigen verfunfenen 
Menge Lefebore, in fihtbarer Rührung der eiferne Mann: „Mes 
chers camarades ! La mort qui ne nous avait jamais paru 
redoutable, se montre a nos yeux d’une maniere terrible. — 
Elle aneantit d’un seul coup la jeunesse, les talents et les 
verlus. — — Mes chers camarades! Hoche..... n’est plus ! 
la parque meurtriere a termine ses jours, et dans un instant, 
il ne nous restera plus de lui que le souvenir de ses vertus, 
et le tableau de ses exploits. Consacrons-le à lui rendre le 
dernier I&moignage de notre profonde afflietion — que la foudre 
querriere qui a Eclaire ses nombreux triomphes, apprenne à 
Funivers entier, que Phumanité a perdu un ami, la victoire 
un de ses enfants, la patrie un de ses defenseurs, la repu- 
blique un appui, et nous tous ..... un ami sincere.“ Die 
Kanpnade zu Ehren der Beftattung wurde bis 3 Uhr Nachmit⸗ 
tage fortgefest. 

Die beiden Abtheilungen des geſetzgebenden Körpers votirten 
dem Berlebten zu Ehren eine zweite Reichenfeier, die am 1. Det, 
1797 unter außerordentlihem Gepränge zu Paris auf dem März⸗ 
felde ftattfand. Eine ganze Armee wurde, die Feier. zu erhöhen, 
in Bewegung gefest, eine unermeßliche Bevölferung wogte auf 
und ab. „Cette pompe fit une impression profonde, et fut une 
des plus belles de nos temps heroiques.“ Die obligate hölzerne 
Pyramide vor dem Altar des Vaterlandes durfte aber dabei nicht 
fehlen, und ftand_barauf zu lefen: Lignes de Wissembourg; — 
Debloquement de Landau; — Affaire de Quiberon; pacifica- 
tion de la Vendee; — Passage du Rhin; bataille de Neuwied. 


Rhein, Antiquarius, 3. Abth. 2. Bd, 35 


— — — — — 


.mee d’Allemagne et avec les dispositions de "Europe, il avait 


“pas d’Etre mort jeune: il vaudra toujours. mieux pour la gloire 


546 Weifeutharm. 


„Ainsi finit,‘“ bemerkt Thiers, ‚une des plus belles et 
des plus interessantes vies de la revolution. Cette fois da 






































moins ce ne fut pas par l’echafaud. Hoche avait vingt-neuf 
ans. Soldat aux gardes francaises, il avait fait son educa- 
tion en quelques mois. Au courage physique du soldat il 
jeignait un caractere energique, une intelligence superieure, 
une grande connaissance des hommes, l’entente des evenements 
politiques , et enfin le mobile tout-puissant des passions. Les 
siennes etaient ardenies, et farent peut-&tre la seule cause de 
sa mort. Une circonstance particuliere ajoutait a Tiuteret 
qu’inspiraient toutes ses qualiles: toujours il avait vu sa 
fortune interrompue par des accidents imprevus; vainqueur à 
Wissembourg, et pret a entrer dans la plus belle earriere, 
il fut tout à coup jete dans les cachots; sorti des cachots 
pour aller se consumer en Vendee, Ü y remplit le plus beau 
röle politique, et, a linstant ou il allait exeeuter un grand 
projet sur V’Irlande, une tempete et des mesintelligences lar- 
reterent encore ; transporte a l’armee de Sambre-et-Meuse, il 
y remporta une belle victoire, et vit sa marche suspendue par 
les preliminaires de Leoben ; enfin tandis qu’a la tete de Tar- | 


encore un avenir immense, il fut frappe tout a coup au miliew 
de sa carriere, et enleve par une maladie de quarante-huit 
heures. Du reste, si un beau souvenir dedommage de la perte 
de la vie, il ne pouvait Etre mieux dedommage de perdre sitöl 
la sienne. Des victoires, une grande pacification, Puniversa- 
lite des talents, une probild sans tache, l’idee repandue chez 
tous les republicains qu'il aurait lutte seul contre. le vainqueur 
de Rivoli et des Pyramides, que son ambition serait resiee 
republicaine et eüt ete un obstacle invincible pour la grande 
ambition qui pretendait au tröne, en un mot, des hauts faits, 
de nobles conjectures, et vingt-neuf ans, voila de quoi se com- 
pose sa memoire. Certes, elle est assez belle ! ne le plaignons 


de Hoche, Rleber, Desaix, de n’etre pas devenus des mar& 
ehaux. Ils ont eu Ü’honneur de mourir eiloyens et libres, sans 


General Hohe. 547 


étre reduils comme Moreau a chercher un asıle dans les ar- 
mces Eirängeres.”“ Kurz und bündig, fharf nad Napoleong 
Beife, wird in dem Memorial de Sainte- Helene Hoche beurtheilt: 
„Il etait un grand general qui, jeune encore, avait deja rempli 
beaucoup d’esperunces; mais il cherchait toujours a se faire un 
parti, et n’obtenait que des creatures; il &tait d’une ambition 
kostile, provoquante, il aimait Vargent, les plaisirs.‘“ 

Dem geliebten Feldherren auf der Stelle, die feinen leuten 
Sieg geiehen, ein Monument zu errichten, befchloffen feine Les 
gaten, und bie von ihnen ausgegangene dee fand vielfältigen 
Anklang in der Armee. Leber 30,000 Franken wurden durch 
freiwillige Beiträge aufgebracht. Am dritten Tage nad) der Bes 
erdigung, ben 26. Sept. berichtet Seb. Thrumb , der Amisver⸗ 
walter in der Bergpflege, an bie Regierung zu Coblenz: „Gemäß 
ber von einer Höchftpreißlichen Stelle am 24, dieſes erhaltenen 
Zuſicherung, bie für die Bewahrung des beym Weiffenthurn zu 
Ehren des Hrn. Obergeneralen Hoche aufzurichtenden Grabmales 
von der Sambre und Maaß Armee beftimmte zwey taufend Livreg 
zum Bortheil der daſigen Schule-in Empfang nehmen zu dörfen, 
begabe ich mich geftern Truhe mit Hrn Oberamtmann Frhrn von . 
Shüs, und Hofgerichtsaffefforn Amtsverwaltern Fuchß nach dem 
Veiffenthurn, wo wir bie etwas früher abgefahrene Herren Dis 
vifionsgeneralen Championnet, Brigadegeneralen Hardy, Gene⸗ 
raladfudanten Debilly und Aide-de-camp Romieur auf der Ans 
höhe daſelbſt antrafen. Diefelbe wählten zu Erridytung bes 
Grabmales den Plag, welcher linker Hand auf der Anhöhe fi 
befindet, wo man bie Gegend der Feſtung Ehrenbreitftein, und 
die Ebenen von Andernadh, Neuwied, Engers ꝛc. feben Fann. 

„Zuerft wurde das Terrain umgangen, und demnach an den 
Eden vier Stangen mit Strohwiſch angebradht. Der herbey- 
gerufene Feldmeffer Peter Neiff von Weiffentburn meßte -den 
Pas ab, und es befanden fih 17 Ruthen 11 Schuhe in der 
Länge lange dem Weiffenthurn,, dann 9 Ruthen 14 Schuhe in. 
der Breite, weldes in einem wiewohl unregelmäßigen VBiered 
174 Ruthen und 10 Schuhe betrug. Die vorgeladene Eigen⸗ 

thümer forderten p. Ruthe 3 Livres, und da auf diefen Feldern 


35 * 


348 Weißenthurm, 


auch ber Simpel haftet, fo bewilligten Herr- General Cham⸗ 
pionnet 3 Livres 10 Sole, womit man allerfeits zufrieden war. 

„Alles wurde nun nad Andernach ins Poſthaus zum Mit- 
tagseffen eingeladen, wo dann nad der genommenen Mahlzeit, 
der der Stadtcommandant auch beywohnte, die fundation ber 
2000 Livres, und der Kauffontraft der Felder beichrieben wur⸗ 
ben. Die Feldeigenthümer, Feldmeſſer, und bie Borfieber vom 
Weiſſenthurn befamen ebenfalls ein Drittagseffen, und zum Trinfen, 

„Segen 5 Uhren erhielte ich für die gekaufte Felder 101'/, 
Kronenthaler, die ich einsweilen dem Leonard Kümmel zu vers 
wahren gab, und welche ich morgen vertbeilen,. fofort alles wegen 
des Simpels berichtigen werde. Bon diejen Gelder wird and 
an die Rurfürftliche Hoffammer zahlt, derer Felder ich unter dem 
Namen Leonard Dötfch paffiren ließ. Um halb 7 Uhren wurden 
demnach die Urkunden verfiegelt und allerſeits unterfchrieben ; 
die 2000 Livres werden aber erft nach Berfertigung des Grab- 
males bezahlt.” 

Die Urkunde über den Anfauf des Grund und Bodens ifl 
folgenden Inhalts: „L’armee frangaise de Sambre et Meuse, 
voulant eterniser la memoire du general Hoche, commandant 
la dite arınde en chef (par un monument erige @ [honneur 
de ce general), le general de division Championnet, muni de 
pouvoirs suffisants @ cet .effet, par le general de division Le- 
Jebvre, commandant en chef larmee par inlerim, se traus- 
porta, accompagne du general de brigade Hardy, de ladju- 
.dant general Debilly et de Taide de camp Romieuz, au vil- 
lage de Weissenthurn, pour y choisir un terrain propre ä 
Verection du dit monument. 

„Apres avoir choisi le terrain, le generul, faisant ras- 
sembler les proprielaires soussignes, habitans de Kettich, bail- 
lage de Bergfleg, est convenu avec eur pour le prix de trois 
livres diæ sols par verge. Le lerrain ayant éêté mesure par 
Tarpenteur soussigne et dvalue& par son rapport, ci-joint, à 
vent soizante et quatorze verges, la somme fut firde a sis. 
cents neuf livres qui ont éêté paydes entire les mains des nom- 
mes Jean Pierre Hillesheim, Jacques Frekel, Antoine Hilten, - 


General Hoche. 549 


Jean Kohnen et Leonard Doetsch, par monsieur Pottgiesser, 
banquier @ Coblentz, charge par le general Championnet de 
la. construction du monument, le present contract portant 
quittance, lesquels cunsenient par le present, à ceder au ge- 
neral de division Championnet, et au pris cy-dessus indique, 
pour le compte de larmee frangaise de Sambre ei Meuse, la 
propriete du terrain situ en arriere de la tour blanche, esti- 
me par larpenteur soussigne a 174 verges, ayant ses lenants 
et aboutissanis ainsi qu'il suil: le comte de Bassenheim, Leo- 
nard Doetsch, le fosse de la tour blanche et le sentier. 

„Le basily Trumps de Bergfleg s’engage en outre, de vou- 

loir prendre les arrangements 'necessaires, afın que le Terrain, 
-acquis par la dite armede frungaise, soit libre de tous impöts 
directs et indirects, ainsi que de toutes auires charges qui 
pourroiept dire imposdes d Tuvenir, ou gener la propriete, 
acquise par le present contract. 

„Fait et expedie en original quadruple, dont un sera 
adresse au Directoire executif de la Republigue frangaise, le " 
second remis aur mains du general de division Championnet, 
le troisieme a monsieur le bailly de Bergfleg, le quatri&me 
d la regence du pays, seante a Coblentz, entre le general de 
division Championnet, Monsieur le bailly de Bergfleg au nom 
de la commune de Weissenthurn, en presence de messieurs 
le grand bailly, baron de Schutz a Camberg, bailly Fuchs de 
Limbourg, et le general de brigade Hardy, l’adjudant general 
Debilly, et laide de cump, capitaine, du general Championnet 
Romieux. A Weissenthurn, le qualrieme Vendemiaire, sizieme 
annde de la Republique frangaise, correspondant au vingt cing 
septembre mil sept cent quatre-vingi dix-sept. Signes: Cham- 
pionnet, Hardy, Debilly, AleX Romieu, F. 4. Schütz, J. W. 
Fuchs, Johann Petter Hillegheim, Johann Jacob Frefel, Anton 
Hilten, Leonard Dötfch, Peter Reiff........ Ze bailli de Berg- 
pfleg, Thrumb“‘ 

Sn einem zweiten Actenftüdl von bemfelben Datum wirb 
gefagt : „Connu soit et savoir faisons par le present que (pour 
eierniser la memoire de feu le general en chef Hoche, com- 
mandant larmde francoise dite de Sambre el Meuse) un mo- 


550 Weißenthurm. 


nument honorable allant dire dievd aus environs de la tour 
blanche (Weissenthurn dans l’dtat de Treves), la ditte armee, 
voulant assurer la conservation intacle de ce monument, veul 
destiner un fond de deur mille francs, argent de France, 
dont les interdis annuels seront remis & celui qui en aura 
Tinspection. 

„Elle autorise monsieur Trumpf, bailly de Bergfleg, ä 
recevoir au nom de la commune de Weissenthurn la ditte 
somme de deux mille francs, des mains de monsieur Pot- 
giesser, banquier à Coblentz, sur un mandat qui sera delivre 
par le general de division Championnet, fonde de pouvoir d 
cet effet par le general de division Lefebvre, commandant 
Tarmde par interim, aussitöt que le monument consacre au 
general FHoche_sera termine. 

„S’oblige monsieur le bailly de remettre la ditte somme 
& ia disposition de la commune de Weissenthurn, pour les 
inter&is en 6tre uffectdes à Finstruction de la jeunesse, avec 
promesse de veiller, @ ses frais particuliers, à la conservalion 
du monument, d’y faire toutes les reparalions necessitdes par 
les injures du tem®, et de lentretenir continuellement dans 
un etat decent. | 

„La commune s’engage en outre de prendre les m&mes 
soins du monument erige en honneur du gendral frangais 
Marceau, au Petersberg, pres du fort qui porte le nom de 
ce general. | 

„Au moyen de la remise de la somme de deur mille 
francs, monsieur le bailly sengage, au nom de la commune 
de Weissenthurn, de payer toutes les charges directes et in- 
directes, tant au nom du prince que communales ou circon- 
stancielles. j 

„Buait el expedid en original quadruple, dont un sera 
adresse au Directoire esecutif de la’ Republigue frangoise, 
le second remis aur mains du gendral de division Championnet, 
le troisiöme da monsieur le bailly ‘de Bergfieg, et le quatrieme 
& la regence du pays, seante d Coblentz, entre le general de 
division Championnet, monsieur le bailly de Bergfleg, au nom 
de la commune de Weissenthurn, en presence de messieuts 


Senerel Hoche. 551 


le grand bailly Baron de Schulz a Camberg et bailly Fuchs 
de Limbourg et le general de brigade Hardy, Tadjudant ge- 
neral Debilly et [nide de camp, capitaine, du general Cham- 
piounet, Romieus. Le present contract scellE du sceau du 
bailly de la.commune de Weissenthurn et du cachet du ge- 
neral Champiounet. A Weissenthurn, le 4. Vendemiaire, 
VI. annee de la Republique frangaise, correspondant au 2%. 
Septembre 1797. Signes: Championnet. Hardy. Debilly. 
Adler: Romieuxs. F. A. Schütz. J. W. Fuchs. Le bailli de 
Bergpfleg, Thrumb.“ 

In Gefolge diefer Verhandlungen erflärt die Gemeinde: 
„Da am 25. Sept. vorigen Jahre zwifchen dem Heren Divis 
fionsgeneralen Championnet, Brigadegeneral Hardy, dem Ge⸗ 
neralabjutant Debilly und Hide-de-camp Romieur einer, und 
anbererfeits dem Herrn Oberamtmann Freyh. v. Schüg von Cams 
berg, Hofgerichtsaffefjorn Amtsverwaltern Fuchs von Limburg 
und Amtsverwaltern Thrumb aus der Bergpfleg die Vereinbarung 
und Webereinfunft dahin getroffen worden, daß ber von dem Hrn 
Divifionggeneral Lefebore zur fläten Unterhaltung bes dem ver⸗ 
Rorbenen Hrn Obergeneralen Hode am Weiffenthurn zu errich- 
tenden Grabmals eingelegte Fond von 2000 Liv. der Gemeinde 
bahier gegen jährliche Zinfen gelehnt werden foll; Als hat fi 
anheute die Gemeinde verfammelt, um bie Sicherheit für bes 
Capitals halben als Interefien zu leiſten, welches fie deun in 
nachftehender Ordnung that. 

„Wir unterfchriebene und resp. unterhandzeichnete Bürger 
und Einwohner am Weiffenthurn befennen für ung und unfere 
Erben, daß wir zu Beftreitung unferer gehabten und allenfalls 
noh habenden Kriegs- und fonftiger Gemeindslaften, den von 
dem Hrn.- Divifionsgeneralen Lefebore und resp. dem Hrn. Di⸗ 
vilionsgeneralen Championnet an Hrn Banquier Pottgeiffer zur 
Auszahlung angeimiefenen Fond von 2000 Livres von Testerm 
auszahlter lehnbar empfangen haben, wir verfprechen nicht nur 
gemäß dem am 25. Sept. zwifchen vorbenannten Herrn Genes 
ralen und Beamten errichteten Vertrag die jährliche Zinfen mit 
5 pC® an den zeitlichen Schulfehrer dahier zu entrichten, fondern 





359 Weißenthurm. 


verbürgen ung auch ſowohl in Anfehung dieſes Capitals als der 
‚ jährlichen Intereffen einer für den andern in solidum um im 
unyerbofften Mißzahlungsfall feh an unferem Vermögen ergreiffen 
zu fönnen. Zu weſſen Urkund wir fämtlihe Bürger ung eigen 
händig unterfchrieben haben. So gefchehen zum Weiſſenthurn 
am 28. Januar 1798. Jacob Kruttwig Burgermeifter, Simon 
Boͤcking als Geſchworner, und 28 andere Unterfchriften. - Nous 
soussignes le baillif de Bergpfleg, le Bourgemaitre et le de- 
puté de la commune de Weissenthurn reconnoissons avoir Tegu 
de M. Pottgieser, banquier de Coblenz, la somme de deus 
mille livres en numeraire, que larmede frangaise a destinde 
pour prendre soin de deux monuments du general en chef 
Hoche et du general de division Marceau, d’apres lacte fait 
entre le general de division Championnet et moi soussigne 
baillif, en date du 4. vendemiaire lan 6 de la repaublique. 
Coblenz, le 12. pluviöse 62 annde rep. Jacob Kruttwig Burger 
meiſter. Leonard Dötfch Junger als Deputirter, NB. Die Ge— 
meinde erhielte nur 1900 Livres. Die übrigen 100 Livres wur 
den rudbehalten, weil die Sranzofen fie verlangt zu haben, Hr. 
Pottgeiſſer erklärte.” 

Es wurden, dem Monument mehr Anfehen zu geben, am 
3. Febr. 1798 weitere 109 Ruthen 80 Schuhe, die Ruthe zu 
zwei Gulden, das Ganze zu 219 Gulden 36 Kreuzer angefauft, 
und alles Ernftes Fam die Abtragung des altersgrauen Weißen 
Thurms, dur welchen das Grabmal theilweife masfirt, zur 
Sprade. Es fchreibt davon, „Coblenz, 10. pluviöse 6: annee 
(23. janvier 1798), Lery, chef de brigade, commandant en 
chef du genie a la cydevant armede de Sambre et Meuse, au 
citoyen Tromb, baillif de Bergphleg @ Coblenz. Citoyen, charge 
par larmde de Sambre et Meuse de surveiller la construction 
du monument qui va s’elever en son nom äü la memoire ds 
general Hoche, je dois vous prevenir que la tour de Weissen- 
thurn generait singuliörement Teffet qu'il doit produire aus 
yeur du voyageur, si elle continuait à subsister dans loute 
sa hauteur. Les generaur de Tarmde veulent avec raison 
que ce monument paraisse avec avantage et qu'il ne soit of- 


General Hoche. 853 


fusgue par aucun des edifices environnants. D’un autre cöle, 
Varmee ne veut point user de la force que lui donnent les 
circonstances pour commander une mesure qui serait preju- 
diciable au. inidreis des habitans de votre bailliage. Eile veut 
concilier ses intentions avec la juslice et accorder les jusies 
indemnites qui seront dues. 

„Je vous propose en consequence, citoyen, de nommer 
un expert pour votre baillioge. J’en nommerai de mon cöte 
un pour Tarmee. Ües esperis seront charges de convenir 
dapres les demandes qui seront faites de part et d’autre, des 
indemniles necessaires & accorder a voire bailliage, ou des 
construclions nouvelles @ faire contre la tour pour faire un 
logement au concierge de la prison, en remplacement de celui 
qui lui sera Öle, en demolissant ainsi que nous en sommes 
 convenus, la tour depuis le faite jusqu’4 la voute audessus 
des cuchots. En cas de difficulte, un lroisieme expert meltra 
daccord les deur premiers.“ 

Die Experten wurden ernannt, fie einigten fih um einen 
Koftenanfchlag von 5879 Livres 7 Sols für das Abreigen und 
den Neubau, wovon zwar der Erlös des zu gewinnenden Mas 
terials, 657 Livres, nicht abgerechnet, der Thurm blieb aber 
unangefochten, um fo mehr, da ſelbſt des tapfern Generals Mops 
nument niemals feine Vollftändigfeit erhielt. Den vier Seiten 
des Sarkophags, welchem eine vierfeitige Pyramide aufgefegt, 
follten 3. B. Platten, worin des Verewigten Lebensumftände und 
Großthaten verzeichnet, eingefügt werden, fie find aber bis auf 
diefen Tag ausgeblieben. Einzig die Vorderfeite der Pyramide 
trägt eine Inſchrift: | 

 L’ Armee 
de Sambre-et-Meuse 
à son general en chef 
Hoche. 

Auch haben die Thürmer fih niemals fehr eifrig in der 
Ausführung der für die Erhaltung des Monuments übernommes 
nen Berbindlichfeit gezeigt. Am 6. Nov. 1812 fhreibt der Prä- 
fert nach Weißenthburm an den Adjuned: „Je me suis con- 


554 Weienthurm. 


\ 
vainca par moi-m@me, et vous ne pouvez pas ignorer que la 
commune de Weissenthurn, bien loin de remplir ces conditions, 


s’empresse plutöt de deiruire ce monument que de le conserver. | 


Il est impardonnable qu’un tel abus aye pu se commettre sous 
vos yeuz,“ und in der neueften Zeit iſt, zwar nicht ab Seiten 
ber Gemeinde, der Rath gegeben worden, den ganzen Bau, als 
das Siegeszeichen eines übermäthigen Feindes, zu brechen. Der 
Antragfteller hat nicht bedacht, daß Monumente, durch welde 
ein fiegender Feind feine Anmefenheit in eroberten Landen bes 
fundet, fih in Zeugniffe feiner Niederlage verwandeln , fobald 
er genöthigt wird, die Eroberung aufzugeben, 

Haben die Thürmer fih wenig Kummer gemacht um bie 
Erhaltung deffen, fo ihnen vor die Thüre gefegt, fo werben fie 
noch viel weniger an den entfernten Peteröberg gedacht haben, 
Im Sommer 1804 war ein Individuum dem Innern von Mars 
cenus Grabmal eingebrochen, und hatte bie marmorne Urne, 
worin des Generals Gebeine gefammelt, umgeftürzt, daß ber 
Anhalt auf dem Boden zerftreutz; durch die allmälige Verwitte— 
rung der äußerlih angebraditen, in Gyps ausgeführten Tros 
phäen war eine Lücke entflanden, groß genug um das Durch⸗ 
fchlüpfen. einer Perfon zu verftatten. Das Ereigniß erregte, wie 
zu srwarten, lebhaften Unmwillen, die Urne wurde vorläufig nad 
ber Präfertur gebracht, und alles Fleißes dem Urheber des Fres 
vels nachgefpürt, als wofür ber Minifter Großrichter die ges 
meffenften Befehle ertheilte, Allein der Thäter wurde nicht augs 
gemittelt, wohl aber verordnete der Kaifer, auf den Bericht bed 
Kriegsminifters , „que les cendres glorieuses du general Mar- 
ceau seraient recueillies avec soin, que le mausolee serait re- 
staure , et qu'elles y seraient ensuite retablies avec la pompe 
eonvenable.“ Gelegentlich der fehr mangelhaften Ausführung 
diefer VBorfchrift mögen auch, wie ed aus Paris gefommene Be: 
fehle wollten, Verſuche angeftellt worden fein, die unweit jenes 
Monuments beigefegte Leiche von Hoche aufzufinden. Die längere 
Zeit fortgefegten Nachgrabungen blieben ohne Erfolg, vermuth- 
lich, weil man in einer allen Regierungen eigenthümlichen Lieb⸗ 


Ein zwiefaches Dodtenopfer. B36 


haberei, vorzugsweiſe diejenigen befragt haben wird, die von ber 
Sache nichts wußten, denen die Lage der Grabſtätte unbefannt. 

Marcean ftarb befanntlich, fchreibt die Rhein- und Mofels 
zeitung vom 13. April 1838, Nr. 225, „Marceau ftarb bekannt⸗ 
lih in den Armen feines Adjutanten de Billy (Debilly in ben 
Berträgen um die Errichtung eines Monuments für Hoche ges 
nannt), der, wie Marceau,-in Chartres geboren, in der Schule 
wie auf dem Schlachtfelde fein treuer Gefährte war. De Billy 
begte den Wunfch, das Grab feines Freundes vor feinem Tode 
noch ein Dial zu befuchen. Aber es ahnte ihn wohl, daß das 
Schickſal es anders befchloffen hatte, Darum bat er feine Gat⸗ 
tin, im Fall e8 ihm verfagt wäre, flatt feiner die Grabftätte 
Marceaus zu befuchen. De Billy ftarb bei Jena den Tod der 
Ehre. Scidjale mancherlei Art verhinderten die edle Gattin 
bisher, feine Bitte zu erfüllen. Erft jegt ward es ihr möglich, 
und fo Fam dann vorgeftern die alte Frau in Begleitung einer 
Toter und zweier Enfel aus Frankreich hieher, um an jenem 
Grabmal, das fo ernft an eine verhängnißvolle, ewig denkwür⸗ 
dige Zeit mahnt, das ein fo fchöner Beweis ift, wie der Deutfche 
auh in dem Feinde die Tapferfeit ehrt, dag aber feit feinem 
Entftehben wohl noch nie Zeuge eines fo rührenden Auftritts 
geweſen, vereint mit ihrer Tochter und ihren Enfeln dem Ans 
benfen an ihren Gatten und feinen Freund ein frommes Thränen 
opfer zu bringen.” 

Gene S, 442 befprocdhene Inſel, die mitten im Rhein, dem 
Weißenthurm gegenüber, oberhalb Neuwied gelegen, wurde in 
den letzten Tagen des Aug. 1795 für Franzoſen und Oeſtreicher 
gleich ſehr ein Gegenſtand der Begehrlichkeit. In der Nacht vom 
- 29—30. Aug. warfen die Franzoſen, vom Weißenthurm aus 
nah beſagtem Eiland 1200 Mann, die no in derfelben Nacht 
Berfhanzungen aufzumwerfen begannen, um fi in der für einen 
Rheinübergang äußerſt wichtigen Stellung behaupten zu können. 
Mit Tagesanbruch Franzofen auf der JInſel gewahrend, rich⸗ 
‚teten die Deftreicher von den gegenüber gelegenen Batterien ein 
fhredliches Feuer gegen die Arbeiter, welchem die beim Weißen 
thurm aufgeftellten Gefüge, mehr denn 20 Kanonen oder Haus. 





556 Weifenthurm. 


bisen in der lebhafteften, für die Stadt Neuwied hoͤchſt verderb⸗ 
lichen Weife ripoftirten. Tage lang währte bie von beiden Geis 
ten fortgefegte Ranonade., Vom Ehrenbreitftein aus wurde ben | 
Deftreichern ſchweres Wurfgefhüg zugeführt, und es begann ben 
31. Aug. Abends 9 Uhr ein förmliches Bombardement, wie man 
es nur bei Feſtungen zu hören gewohnt, gegen das bis dahin fo 
wenig beachtete Eiland. Mörfer, Haubigen, Kanonen entwickelten 
eine fürcdterlihe Thätigfeit. Die Mörfer fchleuderten die mörs 
deriſchen Wachteln, die unlängft in der Belagerung von Belgrad 
ben Türfen fo verderblich geworden, deren fohredliche Wirkfamfeit 
nach der Uebergabe ein Pafcha mit dem Ausruf, „fie laufen ben 
Menſchen nad) wie die Hunde,” beflagte, Die ganze Inſel wurde 
mit einem Feuer-, Kugel- und Kartätfchenhagel übergoffen, und 
dem gefellte ſich, die Zerftörung zum Höchſten zu treiben, das 
Kleingewehrfeuer der in den Laufgräben vor Neuwied aufgeftell: 
ten Bataillone, Wenig gefhügt durd die Aufiwürfe und bie 
noch nicht vollendeten Verſchanzungen, verzweifelten die Znfus 
laner an der Möglichkeit den allzu beißen Poften zu bewahren, 
Viele, deren Kräfte das noch erlaubten, ftürzten ſich in ven 
Strom, um durch Schwimmen nad dem befreundeten Ufer zu 
gelangen, andere erwarteten in ſtumpfer Ergebung bie vollftäns 
dige Entwicklung des über fie verhängten Schidfals, als ein 
Generaladjutant von Bernadotte zur Stelle gelangte, und durch 
Beifpiel und Zureden die Soldaten dergeftalten aufrichtete, daß 
Haltung und Ordnung bei ihnen zurüdfehrten, und fie Das Unvers 
meidliche zu ertragen fich befähigt fühlten. Als das Feuer aufhörte, 
ber Tag graute, fanden die Deftreicher das Eiland, auf welchem fie 
alles vernichtet zu haben wähnten, nad) wie vor von dem Feinde 
befest. Die eine Nacht Eoftete, wie behauptet wurde, den Fran: 
zofen viele Hunderte an Todten und Verwundeten. Gegen ber 
gleichen Beunruhigung für die Zukunft fih zu fhügen, entwidelten 
fie eine unglaubliche Thätigfeit, bald war Die ganze Inſel von 
Ausgrabungen, die Caſematten nicht unähnlich, Durdhfchnitten, und 
beſchränkten fich die Deftreicher auf ein gegen dieſelbe unterhaltenes 
Lauffeuer , behufs deſſen jede Nacht ſechs DBataillone nach ben 
Laufgräben und der Stadt gezogen wurden. Nachdem jedoch das 


Die Uheininſel. 357 


öftreichifche Armeecorps durch die Ereigniffe beim Eichelfamp 
beſtimmt worden, in der Nacht vom 14.—15. Sept. den Rüdzug 
anzutreten, kam zuerft eine franzöftfche Patrouille von 12 Mann 
über den Rhein, ihr folgten mehre Truppen und am 16. wurde 
eine Brüde vom Weißenthurm nad der Inſel, von der Inſel 
zum rechten Rheinufer gefchlagen. Es erfolgte der, Abth. I. 
Bd. 1. S. 295 befchriebene Uebergang, und am 18, Det. der 
vollftändige Rüdzug, nachdem vorher durch die brennenden Schiffe, 
weldhe der Strom gegen die Inſel geführt hatte, Abth. I. Bo. 1. 
©. 299 die Brüde durchbrochen, theilweife in Brand geftedt 
worden, In der Nacht vom 31. Ort. verließen die Sranzofen 
auch den big dahin behaupteten Brückenkopf, fie brachen die Brüde 
hinter fih ab, und vervollſtändigten hiermit Die Räumung bed 
rechten Rheinufer. Die Inſel blieb in ihrer Gewalt, und wurde 
wiederum ber Mittelpunkt für eine dem erflen Rheinübergang 
yon 1796 dienende. Brüde. Am 7. Juni vollendet, mußte fie 
ſchon am 18, abgebrochen werden. Doch war dag Eiland nad) wie 
vor in den Händen der Franzofen ein der Stadt Neuwied unge⸗ 
mein beodrohlicher Punkt. Am 2. Zul. Morgens 10 Uhr wieder 
bergeftellt, Fonnte die Brüde dem Uebergang der Divifionen 
Championnet, Bernadotte und Poncet dienen. 

Zum Abfchied von Weißenthurm muß ich noch erinnern, 
daß Kurfürſt Karl Kaspar am 1. Zul, 1663 dem neu entitande- 
nen Dorfe die Freiheit eines den Montag vor Bartholomät zu 
baltenden offenen Jahrmarkts ertheilte, und heißt eg in dem 
Privilegium: „Sintemahlen fih nun ohnlängft zugetragen, daß 
aus unfer Permiffion und Anleitung einige von unferen Under- 
thanen an dem weißen Thurn ihre häusliche neue Wohnungen 
gefegt und fich dafelbften nievergefchlagen, und dann wir befonders 
gern fehen wollten, daß nicht nur den alfchon niedergefesten Unter- 
thanen zu guter Handel und Nahrung uffgehofffen, fondern auch 
andere zur Nachfolg, und gleihmäfliger Anpflang- und Ufferbawung 
newer Wohnungen angefrifcht, und alfo mit der Zeit die Zahl 
ber Häufer und Underthanen multiplieirt werden mögte u. f. m.’ 

Die endlich. doch bei Neuwied zu Stand gefommene fliegende 
Drüde hat dem eine Feine Viertelftunde unterhalb Weißenthurm, 


‚858 Pas Netterhaus. 


genau ber Stabt Neuwied gegenüber am Rhein befegenen Netter 
haus das Dafein gegeben. Dem Wirthshauſe, zur Aufnahme 
ber Brüdengäfte bienend, Schloß fi) bald ein Gebäude an, worin 
bie Brüdenequipage und Brüdenutenfilien untergebracht, biefen 
beiden Häufern gegenüber, an ber zur Brüde führenden Straße 
ift fpäterhin eine nicht unbedeutende Branntweinbrennerei ents 
fanden. An dem Winkel, den bie Landfirafe mit dem Weg 
zur Brüde macht, ftehen zwei größere Wirthshäuſer, in deren 
einem, bei Zilles, die Brieferpedition nach Neuwied fich befins 
bet, in bem andern, bei Zerwas, eine Verbindung mit Goblenz 
durch Tocalwagen unterhalten wird. Bon dem Netterbaus if es 
nur mehr ein Kabenfprung nad ber weiland zwifchen dem Trieris 
fhen und Cölnifchen die Grenze machenden Nette; die Sprach⸗ 
grenze, durch das Flüßchen angedeutet, befteht noch heute, und 
wird wohl mandhem Jahrhundert überleben, Ueber bie Nette 
führt, der großen Heerftraße dienend, eine flattliche Brüde, 
ein erwünfchtes Surrogat bes frühern Stege. In Furfürftlichen 
Zeiten mußte alles Fuhrwerk durch die Nette, was bei ihrem 
häuftgen unvorgeſehenen Anfchwellen nicht felten mit Gefahr 
verfnüpft. 





Die Nette 





„Raſch ſtrömt die Nette, das freundliche Eifelflüßchen, nad 
gehnftündigem, vielfach gefrümmten Laufe, bei Plaidt aus ihrem 
engen Felfenthale hervor und nimmt im Dorfe den Krufter Bach 
mit dem Abflugwaffer des Laacher Sees auf, Auf dem größs 


ten Theile ihres Weges hat fie fih erſt Bahn brechen müfen 


zwifchen ven Lavamaſſen, die von den Wahnenföpfen und dem | 


Plaidter Hummerich herabfamen, und hat mädtige Schlamm» 


Iavafiröme zerreißen müflen, die fpätere Ausgrabungen tief in 
bie Erde hinein buchwählten und auf beren Ueberwölbungen | 


Geslogiſche Beziehungen, üppige Vegetation. 350 | 


ber Ort Plaidt fid) ausbreitet, wie Parts über feinen Katakom⸗ 
ben. An ber Raufchenmühle durchbricht fie noch einmal einen 
mächtigen Lavaſtrom und ſchenkt dem Wanderer ein unendlich 
freundliches Landſchaſtsbild. Aber noch immer bat die. Arme 
feine Ruhe. Die ungeheuern Bimsfleinmaffen, von einem noch 
unbefannten Bulfane in der Nähe von Laach in die Luft ges 
fhleudert, und als eine mächtige Wolfe bis in bie Gegend von 
Dillenburg, Wetzlar und Gießen getrieben, haben hier ſich zunächſt 
entladen und der Nette nene Hinderniffe bereitet. Wie mag bie 
Nette in jenen frühen Zeiten bier in der Ebene berumgefchweift 
fein und fleine Seen gebildet haben, ebe fie fih Bahn gebrochen 
bat! Nun aber bat fie bald rechts, bald links die mächtigen 
Bimsfteinfhichten unterwählt, die nun mitunter Abhänge von 
20 und mehr Zuß Höhe bilden. Durch dieſe frühzeitige Thätig- 
feit bat fie fich eine foldhe Bewegung angewöhnt, daß fie noch 
immer mit einer Schnelligfeit babinftrömt, deren Urfadhe man 
fauın erfennen Fann. Und ungeachtet diefes ſchnellen Laufes und 
ihres reinen Karen Waſſers ift fie son einer Menge von Pflan⸗ 
zen belebt, die wie Fleine bewegliche Inſeln in ihr herumfluthen. 
Da ift in Menge der gemeine Wafferftern (Callitriche stagna- 
lis), der flutbende Hahnenfuß (Ranunculus fluitans) mit feinen 
fhönen milchweißen Blumenfronen , der knotige Sumpfidirm 
(Helosciadium nodiflorum), den die Bewohner von Coblenz lange 
Jahre als Brunnenfreffe genoffen und fich wohl mandmal den . 
Magen daran verbarben; aber auch die Achte Brunnenfreffe, 
BeronicasArten und mannichfache Gräfer beleben das Waſſer 
und die Ufer. Sp ſtrömt fie an dem tief zwifchen Bäumen und 
Gebüſch verfiedten Netter Hammer, einem Beſitzthume des eher 
maligen mericanifchen Bürgers D. Badhaufen, vorüber. Weiter 
abwärts hat fie eine Feffelartige Vertiefung ‚gebildet, in der man 
noch die Spuren ihrer mehrfach veränderten Richtung erfennen 
kann. Mächtige Pyramidenpappeln ftreden fih hoch in die Luft, 
und der feuchte Boden ift mit zahlreichen Arten, Abarten, Ba⸗ 
Barden der Gattung Mentha bededt, die, ein Schreden der Bo⸗ 
tanifer, fich in fein Gefes, in Feine künſtlich aufgeftellten Merk⸗ 
male fügen wollten ; doch ſcheint jegt Licht. und Ordnung auf 


860 . Pie Nette. 


hier einfehren zu wollen, und namentlich werben. bie zahlreichen 
an biefer Stelle vorkommenden Formen das Ihrige dazu beis 
tragen. *) Hier entdedte auch Wirtgen 1843 jene merfwürdige 
Scrofularia, die berfelbe dem der Wiffenfchaft und insbefondere 
der rheinifchen Flora viel zu früh entriffenen Profeffor Nees von 
Eſenbeck (geft. am 14. Dec. 1837 zu Hieres) als Ser. Neesi 
bedicirte, und bie nachher durch das ganze mittlere und ſuͤdliche 
Deutfchland und in der Schweiz aufgefunden wurde. Außerdem 
aber finden ſich hier noch mehrere feltene und fchöne Formen der 
Gattung Verbascum und in Menge der ächte Alant (Inula He- 
lenium L.). An hohem Bimsfteinufer und ausgedehnten üppigen - 
Wieſen, in einem großen Bogen, ſtrömt das Flüßchen hinter dem 
Netter Haufe vorüber und durch das Gut „„zur Nette””. Diele 
fhöne Etabliffement, dem Hrn. Bianchi aus Neuwied gehörig, 
beftebt aus einer großen Deconomie mit Del» und Mahlmähle, 
Trodenräumen für ben bier ftarf eultivirten Tabaf und ganz vor 
trefflichen Gartenanlagen. 

„Bald tritt die Nette ins flache Feld hinaus, durchſchneidet 
bie Kölner Landſtraße, verſteckt ſich noch eine kurze Strecke zwi⸗ 
ſchen Weidengebüſch und 12—15 Fuß hohen Ufern und erreicht 
endlich, dem fürftlihen Schloffe von Neuwied gegenüber, mit fehr 
feichtem Waffer den Rhein, das Bett noch angefüllt mit allen 
möglichen vulfanifchen Producten, die fie auf ihrem rafchen Laufe 
mit fortgeriffen und nun, wie jeder eifrige Sammler, doch zuletzt 
verlaffen muß.” - 


*) Hr. Wirtgen in Coblenz, bem ich diefes Fragment, die Mündung der Nette 
behandelnd, verbanke, gibt ein monographiſches Herbarium biefer Gats 
fung, mit genauen Diagnofen nad) neuen Principien, heraus, wozu gerade 
diefe Stelle auffallend viele Beiträge lieferte. Einen größern Auffas über 
die Nette, der Wanderung durch ihr Thal ein Schluß, hat Hr. Wirtgen, 
der ausgezeichnete Botaniter und Geologe, die Güte gehabt, bem Anti⸗ 
quarius zu verheißen. 


= 


Ausflug in das Thal der Nette. 


— — — 


Mieſenhein, Plaidt, Saftig, Wernerseh: 


Gleich über dem obern Netterhaus, doch auf des Flüßchens 
‚anderm Ufer, nimmt feinen Anfang das ausgedehnte Gebiet der 
sormaligen Burg zur Nette. Urfprünglih ein Tafelgut der 
Coͤlniſchen Erzbifhöfe, wurde das Haus oder die Burg zur Nette 
1344 von Erzbifchof Walram, einem gebornen Grafen zu Julich, 
pfand= und amtsweife dem Ritter Dietrich) von Hadamar übers 
laſſen, ein Schidfal, welches auch noch im fpätern Zeiten gar 
‚häufig fie betroffen hat, felbft nach der durch Erzbifchof Salentin 
von Sfenburg bewerfftelligten Einlöfung. Sie wurbe endlich das 
Eigenthum bes Domcapitelg, verfiel unter franzöfifcher Herr» 
fhaft dem allgemeinen Looſe geiftlicher. Befigungen und Fam 
Rüdweife zum Berfauf, Diefe Stüde alle brachte Hr. Bianchi 
von Neuwied an fich, er Faufte noch Vieles dazu und es entfland 
- unter feinen Händen ein Gut, dergleichen ein zweites ber Mittel⸗ 
„rhein faum wird aufweifen fönnen. Behufs Auseinanderfegung 
‚der Familie wurde daffelbe für den 14. Juni 1854 einer öffent⸗ 
‚lihen Berfleigerung ausgeſetzt. „Das Gut,” heißt es in der zu 
dem Ende erlaffenen Befanntmadhung , „das Gut liegt auf der 
‚tinfen Rheinfeite, der Stadt Neuwied gegenüber, zwei Stunden 
von Koblenz, ift von der Cölns@oblenzer wie von der Mayen⸗ 
Neuwieder Straße burchfchnitten und muß in ganz unmittelbarer 
Nähe von der bereits genehmigten Bonn⸗Coblenzer Eifenbahn 
berührt werden, Das Gut, mit eigener Jagd⸗- und Fifchereis 
Gerechtigkeit, in einem faR zufammenhängenden Complex zu beiden‘ 
. Seiten des Nette⸗Bachs, der etwa 600 Schritte von den Gebäuden 
‚ab in den Rhein mündet, gelegen, umfaßt: circa 403 preuß. 
Morgen Aderland, wovon jährlih über '/, mit Weizen und ein 
‚verhältnigmäßiger Theil mit Tabak bepflanzt wurde, 61. Morgen 


Rhein, Antiquarius, 3. Abth. 2. Bd. 36 






















562 Mieſenheim. 


Kunſtwieſen, zuſammenhängend, 31 M. andere Wieſen un 
Weide, 12 M. Weidenpflanzungen und Weidepläge am Rhei 
und am Nettebache, 6 DM. Strauchholz, 5 M. Holzung und Hecken, 
15 M. Heden, 7 M. Gebäubeflädhe, Hof und Lagerraum un 
Waſſerleitung. 

„Die dazu gehörigen Gebäulichkeiten, alle im beſten Zuſtand 
und meiſt neu maſſiv erbaut, beſtehen aus einem dreiſtoͤckigen 
berrfchaftlihen Wohnhaufe, einem breiftöcdigen Brennerei» und 
Vorraths⸗Gebaͤude, einer Pächtermohnung und Wirthſchafts⸗ 
Gebäude, Stallungen für 75 Stüd Rindvieh, 25 Pferde, 40 
Schweine, Schafftällen, Scheunen, Futter und Heuraum, Ges 
wächshaus und Gärtnerwohnung. Das Gut hat feit 38 Jahren 
und zum Theil noch Länger unter eigener Adminiftration geftanden 
und iſt in dem vorzäglichftien Eultur- Zuftande. Zu diefer Des 
figung gehören ferner eine im %. 1834 neu maſſiv erbaute a 
englifch-americantihe Art eingerichtete Mahlmühle von vier 
Mahlgängen, die des vorhandenen Raumes wegen um zwei Gän 
erweitert werben kann, eine gleichermaßen conftruirte Mahlmühl 
von fünf Mahl» und einem Rollgange, eine Kartoffel-Stärfemeh 
Babrif, im 3. 1848 und 1849 neu eingerichtet, eine Traß⸗ und 
Gipsmühle, womit eine Dreſchmaſchine in Berbindung fleht, ein 
Oehlmühle und eine Knochenmühle. Alle diefe Werfe Tiegen 
dicht bei einander und werden durch den waflerreichen Nettebach 
‚ betrieben. Auf dem Gebiete bes Gutes, ungefähr 1200 Schritte 
von ben Gebäulichkeiten ab, Tiegt ein bisher unbenugt geblichenes 
Gefällt des ganzen Baches von 12 Fuß.” Ein Berfauf kam 
nicht zu Stande, fintemalen ein einziges, dem Werth des Ge 
durchaus unangemeflenes Gebot von 70,000 Rthlr. geſchah. 
Unter 150,000 Rthlr. wird es in feinem Falle abgehen. Nicht 
nur ein fehr werthuolles, fondern aud ein höchft reizendes Beſitz⸗ 
thum ift die Nette mit ihren gefhmadvollen Anlagen, die auch 
in pomologifcher Hinficht ihre Bedeutung haben. 

Höher hinauf, an dem nämlichen Ufer der Nette, fleht der 
Netterhammer, weiland eine Befisung der Abtei St. Thomas, 
Dur Präfecturbeſchluß vom 30. Nov. 1810 wurde er an Karl 
Remy von Neuwied und Conforten um die Summe von 8835 


Per Astterhammer. | 565 


Franken 80 Gent. zu Eigenthum überloffen. Bon biefem Werfe 
heißt ed in dem Memoire statistique pour 1810, des mines et 
usines du departement de Rhin-et-Moselle, par M. F. Timo- 
léon Calmelet, ingenieur des mines et usines, en station dans 
ce depariement: ‚„L’usine dite Neiterhammer sur la Nette, 
airie d Andernach, apparienant à M. Henri Guill. Remy de 
Neuwied, et composde de 4 feur et 2 gros marleauz, a con- 
semmd en 1808, 315 foudres de charbon, pesant chacun, 
‚depres une experience, faite sous mes yeuz, dans cette forge, 
4850 kilogrammes seulement, ce qui donne 425,250 kilogramme$. 
‚le a fabriqud& 144,855 kilogrammes de gros fer nerveur. 
Dou il resulte que Ton a brüle 2°/,., de charbon pour obtenir 
‚une partie de gros fer, ce qui est beaucoup. 

„Des 4 foyers, 3 sont construits pour la methode wal- 
loune ou frangaise. Ils forment un:atelier complet dans lequel 
um des feur est desiind d fondre et les deux autres d etendre. 
Le premier a 8 pouces de profondeur; les deux seconds ont 
647 pouces. Le M. foyer duns lequel on travaille par plus 
'grosses loupes et qui sert @ la fois @ fondre et a elendre, a 
g pouces de profondeur. On fait en 24 heures 15 loupes 
'pesant de 30 @ 50 livres dans la forge wallonne, et 5 4 6 de 
®% 0 100 livres dans Tautre. Le fer produit par les deux 
methodes esi de m&me qualite. La premiere produit plus de 
fer dans un items donne; elle est preferable pour les fers de 
dimensions ordinaires; la seconde pour ceuz de petits dchan- 
Allons qui s’y brülent moins, Le debeuche principal de cette 
forge est li Hollande. La fonte de fer qui l'alimente se lire 
‚des hauts fourneauz de Bendorf, etc. (rive droite), dent M. 
‚Remy est proprieiaire. Elle est grise et grenue, et on la 
preföre @ la fonte blanche qui donne plus de dechet, dans le 
'rapport de 16 a 15, et cousomme plus de charbon. Celle-ci 
en gendral 'se fabrique pour @tre vendue ä l’eiat de fonte 
‚marchande, ce qui est plus profitable puisqu'on Vobtient, toutes 
thoses dgales dailleurs, avec moins de charbon consomme dans 
le haut fourneau. Treize personnes sont employees dans les 
‚eteliers; 25 d-peu-prös au charbonnage: tolal 38.“ Der heutige 
Eigenthümer iſt, wie ſchon gefagt, Hr. D. Backhauſen. 


36 * 





zu dem ungemein freundlich belegenen Kirchdorf Mieſenhein 
Befigungen bes von feinem Borfahr Meginher hergefieli! 
Klofters St, Thomas aufzählt 1138, unter dem Namen Mei 
heim vorkommt. Befagtes Kofler hat auch bis zu feiner Ark 
Töfung ein fehr werthuolles Eigenthum, über 300 Morgen, M 
Hof von der franzöfifhen Domainenverwaltung um 42,10 
Franken verkauft. Gleich ftarf war der Hof der Abtei Himiike 
roth, welher am 11. Febr. 1808 um die Summe von 50, 
biſchof Johann von Trier, daß bie Brüder von St. Caſttet 
Blutzehntens befreiet haben, daß aber die Brüder von Himme “ 
durch die von Mengaud Marfgraf und deſſen Bater gemacht 
‘ Stiftung verpflichtet find, jährlich 14 Pfund Wade, zur Anferis 
‚gung der Ofterferze nah St. Caſtor zu geben. Die dem h. Caſtet 
3. 1209 nahm Heinrich Pfalzgraf bei Rhein die Abtei Himme 
-beim, in feinen Schuß, zugleich befreite er.die dafigen Bauer 


"der Pellenz, an ihn zu entrichten hatten. Es ift alfo weg 
- Miefenheim , gleihwie das benachbarte Plaidt, ein Pellenzbetl 


Covern der Pfarrkirche zu Iſenburg gemachten Schenfung. Dei 


ſich aber bewegen, durch Vertrag vom Det. 1248 dem befagtlt 


























364 | Mieſenheim 
Bon dem Netierhammer iſt es kaum eine Bierteffiuink 


das in der Urkunde, worin Erzbifchof Albero von Trier ie 





dem Drte befeffen; am 14. Jun. 1810 wurde der St. Thomafn 


Sranfen veräußert worden, Am 2. Aug. 1199 befundet Ei 


Kirche in Coblenz die Befigungen der Abtei Himmerotb von Di 
Entrichtung des Heinen Zehntens, abfonderlich des Garten- mi 


geweihte Kirche ſcheint ſchon damals Eigenthum des Stiftes, d 
fie in fpäterer Zeit einverleibt wurde, geweſen zu fein. M 


roth, insbefondere aber die ihr zufländige Grangia in Miefen 
yon der Abgabe des Zinsforng, welches fie, gleich den Inſaſſet 
gewefen, und nur in fpäterer Zeit an das Colniſche Amt Ande 
nach gekommen. 

Mieſenheim hatte eigenen Adel. Gillo von Mieſenheim wit 


als Zeuge genannt in einer im Mai 1235 von Heinrich vd 


nämliche Gillo hatte ein Zehntrecht in der Gemarfung von Met 
nich gegen die Abtei Himmerotb in Anfpruh genommen, FR 


Anſpruch zu entfagen, wogegen ihm die Abtei jährlich ei 


Pie von Mieſenheim. 868 


Bla Wein und drei Malter Korn aus ihrem Hofe Rohr vers 
Meß. Diefer oder ein anderer Gillo von Mieſenheim wird noch 
4264 genannt, Gerhard von Miefenheim, Wäpeling erjcheint 
4365 als der Abtei Laach Lehensträger für I Morgen Land, in 
Miefenheimer Markung belegen. Sein Nachfolger in diefem Lehen 
wurde Arnold Schilling von Lahnftein. Am 7. Aug 1448 ſtellt 
Johann Husmann von Andernach dem Kurfürften Dietrich von 
Köln einen Lehenreverd aus über die Vogtei zu Miefenheim, wie 
die „wilne myn Bader felge dat von ſynen Gnaden ind dem 
Stifft von Colne zu Lene entfangen ind gehalten haid.“ Am 
Donnerſtag nad) Michaelis 1477 empfängt Gerlach Husmann von 
Braf Gerhard von Sayn die Lehen über ’/, an dem Frucht⸗ 
‚zehnten zu Mieſenheim, das fchon fein Vater gehabt. Am Dons 
‚serflag nach Misericordia 1514 belehnt Erzbiſchof Philipp von 
‚Köln die Brüder Johann und Eberhard Husmaan von Nameby, 
unter anderm, mit „Wingert und Wykart“ zu Miefenheim und 
Maidt, deögleichen mit der Vogtei zu Miefenheim. Diefe Vogtet 
‚ie nachmalen, mit dem Haufe Namedy, an die Familie von Soles 
‚macher gefommen, und Ieglich, fo viel das nugbare Cigenthum, 
‚einige Zinfe betrifft, im J. 1805 veräußert worden, 

. Plaidt grenzt mit Miefenheim, Andernah, Eich, Kruft, 
Saftig und Ochtendung und befigt eine Marfung von 1706 
‚Morgen Aderland und 200 Morgen Weingarten, Wiefen u. f. w. 
‚nad Trierifhem Mans. Daß mit dieſem Maas auch die Wein⸗ 
‚gärten in Abgang gefommen find, darf ich nicht erinnern. Dagegen 
‚hat fih in der neueiten Zeit bier, wie zu Miefenheim und Saftig, 
‚der Wohlftand ganz außerordentlich gehoben, ald wozu der ins 
Große betriebene Bau der Kartoffeln die unmittelbare Beranlafs 
fung. Der Boden erfordert indeflen in allen diefen Orten eine 
zeigenthümliche Behandlung, angefehen ber poröfe Bimsftein eines 
‚jeiner wefentlihften Beſtandtheile; trodene Jahre Tönnen daher 
‚jehr nadhtheilig auf ihn wirken. Den Ort burdfließt, von Kruft 
‚und Kreg herablommend die Thürer Bad), die hier in bie Nette 
‚seht; über die Nette führt, nah Saftig zu, eine Brüde von 
‚bedeutender Länge. „Der Ort,” heißt es in der Mayener Amts⸗ 
befgreibung vom 3. 1784, „der Dit ift bei Menfchengedenfen 


566 Plaidt. 


70 Burger ſtark geweſen, anjetzo aber bi 89 angewachſen. Hofleut 
daſelbſt haben der Deutſchherr, ſo auch zu Mayen begütert, das 
Kloſter Roſenthal, Graf von Metternich, Freiherr yon Büresheim, 
Graf Eltz⸗Kempenich, die Herrihaft Olbrück, Graf von der Ley, 
Abtei Siegburg und Rommersdorf, der Welfche Propft und das 
Hospital zu Andernach; ferner hat die Gemeinde Plaidt das pfalz« 
gräfliche Bedforn dem Herren von Warsberg, wegen des Schloſſes 
Nheined mit 21 Malter 3 Sömmer jährlich zu Tiefern. Die 
Grafen von der Leyen und von FKeffelftatt haben hier ein Dof 
geding, des Jahre einmal zu halten, hergebracht. Won dem 
Zehnten bezog die Trierifche Hoffammer 3/,, der Paftor 2/,, und 
Graf Ela, von wegen ber Erbungtei 1/,. Collator der Pfarrei 
ift der Kurfürſt, welcher auch die Kirche zu St. Willibrord zu 
erbauen hat. Die Schule mit dem Gemeindehaus if nah dem 
1783 gefchehenen Brand 1784 ganz neu erbauet worden. Zur 
Jagd find berechtigt der Kurfürft, Graf von der Ley, v. Büres⸗ 
beim und von Eltz⸗Ruͤbenach. Graf Eltz⸗Kempenich will eben 
falls die Jagd prätendiren.“ 

Emmerich von Lahnſtein verkaufte 1349 den von dem Erz⸗ 
ſtift Trier lehenrührigen Zehnten, mit erzbiſchöflichem Conſens 
an den Ritter Arnold von Kettig und deſſen Hausfrau Gertrud, 
und von wegen dieſes Zehnteng, der vier Lehen der Herrſchaft 
Eovern, und von wegen eines. in der Lahnfleingaffe zu Andernad 
befegenen Haufes reverfirte ſich ‚uff den heyligen Sacraments 
Abent 1353” Emmerih von Lahnftein, der genannten Gegen» 
fände fortan zu Burglehen in Mayen zu genießen, Am Montag 
nad) Lucien 1470 überträgt Johann von Winningen die Kicchen- 
gift zu Plaidt, welche feine Voreltern von dem Erzfiift Trier 
zu Lehen getragen, durch ſunderliche Bewegniff, an Kurfürk 
Johann 1. 

Die Roldensmühle liegt, vom Orte etwas entfernt, bie Nette 
abwärts; urfprünglich eine Traßs, dann eine Papiermühle, be 
ſteht fie gegenwärtig aus 3 Mahlmühlen, deren eine von vier 
Gängen, aus einer Dels und einer Papiermühle, die Doch nur 
Loͤſchpapier producirt. Der Pommerhof, an dem Thürer Bach, war 
durch Schenfung eines Ritters Robert von 1138 der Abtei Laach 


Pie große Wellen. 567 


Beſitzthum geworden, und galt ale das größte zufammenhängende 
Eigenthum im Trieriſchen Lande, wie er dann in Simplo zum 
geiſtlichen Anſchlag 3 Rthlr. 27 Alb, entrichtete. Volle 250 Morgen. 
haltend, wurde er den 29. Januar 1807 für 38,100 Franken 
verkauft. Von den Schätzen in Tuffſtein, welche das herrliche 
Gut in ſeinem Innern birgt, hatte man damals nur das wenigſte 
gehoben. 

Zugleich mit der ſogenannten großen Pellenz, der einen 
Abtheilung des ſaliſchen Maifeldes, iſt auch Plaidt an Trier 
gekommen. Die große, vordere Pellenz, auf dem linken Ufer der 
Nette, gleich unterhalb Mayen anhebend, erſtreckt ſich, immer 
auf demſelben Ufer, bis zu einer Wegſtunde vor Andernach, wo, 
nah der füngſten Begrenzung, zwiſchen Plaidt und Mieſenheim, 
die Pellenz von dem Gebiete des ehemaligen Königshofes, nach⸗ 
maligen kurcölniſchen Amtes Andernach ſich ſchied. Von Plaidt 
wendet dieſe Grenze ſich nach Nordweſten, fo daß die Dörfer 
Eich und Waflenach , Diefes im Norden des Laacher Sees, ber 
Pellenz angehören. Dann bildet für eine Strede dieſer See 
ſelbſt die Grenze, die endlich über Bell, Ettringen und Haufen 
ber Nette wiederum fich zuwendet. Der in folder Weife begrenzte 
Landftrich enthält 14 Dörfer, Bell, Besing, Eich, Ettringen, 
Saufen, Kottenheim, Kreg, Nieder-Mendig, Nifenih, Plaidt, 
Thür, Trimbs, Waffenah und Welling, als integrivende Theile 
der Pellenz, dann die Enclaven Dber-Mendig und Kruft. Die 
14 Dörfer machten ein Gemeinwefen aus, das fein Gerichtshaus 
zu Srauenfirchen hatte, neben dem Kirchlein, in welchem, ber 
Sage nah, die Afche der heiligen Pfalzgräfin Genofeva und 
ihres Gemahls beigefegt. In diefem Kirchlein wurde, fo Tange 
es eine Pellenz gab, d. i. bis zu der franzöfifchen Organifation, 
alljährlich im Auguft die Kirmeß der 14 Brüder oder der dabei 
verfammelten Heimburger ber Pellenz gefeiert. Unter Trierifcher 
Herrſchaft war die Pellenz dem Amte Mayen zugetheilt, boch 
übte neben bem Amt der Amtsfellner eine concurrente Gerichts 
barkeit, indem befagter Kellner zugleih das Amt eines Gewalts⸗ 
boten in der Pellenz befleivete, auch für foldhes einen eigenen 
Gerichtsſchreiber neben fich hatte. 





508 Plaidi. 


| Urfpränglich iſt dieſe Pellenz einerlei geweſen mit dem Ge⸗ 
biet der über das öftliche Ufer des Laacher Sees ſich erhebenden 
Burg Laach, von welcher Heinrich II., gewiffermaßen der legte der 


Dfalzgrafen von Aachen und erfte Stifter der Abtei Laach, an dem 


Weſtrande des Sees feinen Beinamen de Lacu entlehnte. Karls 
bes Großen Pfalz zu Aachen iſt in Betracht des Heros, dem fie 
ein Lieblingsfig gewefen, Oſt⸗ und Weftfranfen in dem gleichen 
Maaſe ein Gegenftand ber Verehrung geweien, und wie Tebhaft 
auch die beiden Abtheilungen des Volkes um beren Beſitzz ftritten, 
bie Dur) den großen Karl für das Königshaus zu Aachen und 
das davon abhängende Fönigliche Patrimonium beliebte Einrichtung 
beftand unverlegt unter Dem fortwährenden Wechfel der Herrfchaft. 
Zu einer politifhen Wichtigkeit gelangten bie Dfalz- oder Burg 
grafen, welche diefem Patrimonium vorftanden, zu den Zeiten der 
befinitiven Trennung von Oſt⸗ und Weftfranfen, als das linke 
Rheinufer, einft der Kern des Neiches, der öftlihen Hälfte eine 
Grenzprovinz geworben, und hiermit in feiner bisherigen Wich⸗ 
tigkeit wejentliche VBerfärzung erlitt. Dergleihen Umwandlung 
macht aber nicht nur auf die Individuen, fie macht auch auf bie 
Snfitutionen ihren Einfluß geltend, und als dem linken Rhein 
ufer nicht länger die Krone des fränfifchen Reiches eigen, hörte 
die Pfalz Aachen auf, diefer Krone koſtbarſter Edelſtein zu 
fein. Mit ihrer abnehmenden Wichtigkeit flieg in dem von meiſt 
abweſenden Königen vernachläffigten Krongut die Wichtigfeit der 
Statthalter oder der Pfalzgrafen, und jener Hermann, mit 
welchem die documentirte Reihe der Pfalzgrafen zu Aachen an 
hebt, leuchtete bereits: in allem bem Glanze, welcher die größten 
Herren bes Reiches zu umgeben pflegte, befleidete auch in mehren 
Gauen Ripuariend das Grafenamt, wie ihm denn abwechfelnd 
das herzogliche und gräfliche Prädicat beigelegt wird. Zum erſten⸗ 
mal nennt dieſen Grafen Hermann eine Urkunde, d. d. Dalem, 
29. Dec, 945, worin 8, Otto I. dem Erzbifhof von Trier 
St. Servatien Abtei zu Maaftricht zurüdgibt, 

Drei Jahre fpäter wohnte Hermann dem placito general 
zu Nimmegen bei, nach Ausweis der Urfunde, in welder 8. Otto 
bem Abt zu Prüm den Beſitz des Klofters Süfern beftätigt, 


Pie Pfelsgrafen von Aachen. j 369 


1. Jun. 948. Hier wird Hermannus dux unmittelbar nad 
Herzog Konrad von Lothringen genannt, Db er aber berfelbe 
Herzog Hermann, weldhen in der Reihenfolge der Aebte von 
Echternach die dafigen Mönche in ihrer Eingabe an K. Hein« 
sih VA. 1194 nennen, bleibt billig dahingeſtellt. Ausgemacht 
Bingegen ſcheint, daß Hermann rühmlichen Antheil an der Schlacht 
anf dem Lechfeld genommen hat, und fchreibt ſich vielleicht davon 
der Einfluß ber, welchen in Ottos fpätern Zeiten er auf die 
Angelegenheiten übte, Im I. 948 wird er als Graf des Auel⸗ 
gaues, 970 als des Bonnen⸗, und 975 und 980 ald des Eifel« 
gaues Graf bezeichnet. Bon ihm wird ferner 985 gerühmt, daß 
er die um bie Verleihung ‘des Herzogthums Bayern entſtan⸗ 
denen Unruhen durch verfländige Vermittlung beigelegt habe. In 
ber Eigenfchaft eines Pfalzgrafen wird er zum erflenmal von 
Ditmar angeführt bei Gelegenheit der Bermählung von Her- 
manns Sohn Ezo mit ber Prinzeffin Matilde. Später heißt &8 
in der Urkunde K. Dttos III. 13. Jun. 993: „in pago Bunech- 
gouve vocato, ac eomitatu Herimanni Palatini Comitis.“ Das 
mals hochbefahrt, kann der Pfalzgraf dem Datum diefer Urkunde 
nicht allzu lange überlebt haben, doch findet fi fein Todesfahr 
nicht angemerkt, und eben fo wenig das Gefchlecht, welchem er 
entfproffen. Nur ift ausgemacht, daß er Arnulfs des Böfen, des 
Herzogs in Bayern Sohn nicht fein Fonnte, Mit Heilwig, einer 
Anverwandten bed heiligen Ulrich vermählt, hatte Hermann zwei 
Söhne, Ehrenfried und Hezelin. 

Ehrenfried oder Ezo, geb. um 954 ober 955, war als 
Knabe und Jüngling häufig um feinen Blutsverwandten, den 
Biſchof Ulrich von Augsburg, und ift er daher fogar in eine ber 
Bunderfagen von dem heiligen Bifchof verflochten ; ihr zufofge 
schob er vom Boden ben Zweig, deffen Knospen in der Hand 
des Heiligen Blätter getrieben haben, Ein folcher Verkehr mußte 
dem jugendlichen Herzen unaustilgbare Eindrücke hinterlaſſen. 
Ehrenfried war, alſo fchildert ihn der Mönd von Brauweiler, 
ben Eörperlichen Eigenfchaften nad) der fchönfte unter den Großen 
des lothringiſchen Reiche (totius Galliae), er hatte feines Gleichen 
nicht in Berfland und Klugheit, Großmuth, Verſchwiegenheit 


370 Plaidt. 


und Geſchick für Behandlung der Geſchäfte, war tapfer und in 
allen ritterlihen und Kriegsübungen fertig, feinen Feinden ein 
Schrecken, ber Liebling der Guten, Diefes alles ftellte ihn über 
bie meiften Fürften des Reichs, daher die Kaiferin Theophania, 
als Bormünderin, für die Leitung der Gefchide von Gallien 
und Germanien, fo erzählt der Mönd von Brauweiler, vielfältig 
ben Rath des hochverſtändigen Ezo begehrte. Mit ihrem Sohne, 
K. Dtto III. weilte fie in dev Pfalz zu Aachen. Bewunderns⸗ 
würbige Zeichen von Scharffinn hatte der jugendliche König 
vielfältig bliden Laffen, namentlich war er ein dermaßen auge 
gezeichneter Schachfpieler geworden 2), bag er wähnte, es möge 
barin feiner gegen ihn befiehen fünnen. Eines Tages forderte er 
ben Pfalzgrafen auf, fein Glüd gegen ihn zu verſuchen, und 
wurde ausgemacht, „daß wer dreimal Sieger bleibe, von dem 
Andern das Koftbarfte, was er immer wolle, forbern bürfe. Gie 
laffen fich nieder, und Ego, nachdem er den Beiftand der heiligen 
Dreifaltigkeit angerufen, gewinnt zu dreienmalen. Was er längft, 
auf Gottes Eingebung ohne Zweifel, ſich gewünfcht, zu erhalten 
perzweifelt hat, das wagte er jegt zu verlangen, bie Hand ber 
Schweſter des Königs. Diefer berietb fih mit den Zeugen des 
Auftrittes: fie waren der Anfiht, dag Lüge eines Königs uns 
würdig, daß Ezo fehon bei ihm ſelbſt, bei feinem Bater und 
Großvater im hoͤchſten Anfehen geftanden habe, und ihrer Bor« 
- ftellung nachgebend, beflätigte ber König durch Handfchlag das 
gegebene Verſprechen. 

„Ohne Säumen zog ber Pfalzgraf an ber Spige feines 
Gefolges nach Effen, er begehrte, in des Königs Auftrag eine 
Unterredung mit der erlauchten Jungfrau, und binterbrachte ihr, 


1) Bei dem Moͤnch von Brauweiler heißt es: „qui, inter religqua adsi- 
randae in eo sagacitatis indicia, satis effulsit peritus in construende 
sive dissowendo fleruoso alearum schemate‘‘, und weiter: „Quandes 
ergo die Dominum Palatinum compellat quatenus secum ad tabulau 
alearum e regione sedeat, ordinemgue disponat, pariterque jocoran 
congressionis stropham promoveat.““ Diefe zweite Stelle fcheint aller 
dings das Schachfpiel, dem jedoch die Würfel, aleue, fremd, anzubeuten. 

Allgemein wird von ben Neuern augenommen, daß der König im Schath⸗ 
fpiel feine Schweſter verloren babe. 


Pfalsgraf Eye, 371 


daß fie nad) bes Bruders Gebot, mit der Mutter Willen feine 
Braut geworden fei. Dem widerſprach bebarrlich die Tante, die 
Aebtiſſin Adelheid von Efjen, Ottos EI. Schweſter; letzlich wi 
fie doch, entweder in Betracht der Bewaffneten, von denen Ezo 
umgeben, oder aus Ehrfurdht für des Königs Wort, Ihre: 
Nichte Matilde wurde, wie unter Brautleuten hergebracht, durch 
Anftekung eines Ringes verlobt, und folgte dem Bräutigam nach 
Braumeiler, wo bie Hochzeitfeier flatt finden ſollte. Daſelbſt 
angelangt, nahm Ezo einen Zweig, und überreichte ihn der Zu⸗ 
fünftigen, hiermit das Eigenthum diefes und anderer Güter auf 
fie übertragend. Ungefäumt begab fih Matilde in das Kirchlein 
bes h. Medardus, um dem Heiland und den Heiligen, deren 
Reliquien bafelbft verwahrt, oder bie ihr ein Gegenſtand befon- 
derer Verehrung, in einer feierlichen Webergabe die von dem 
Bräutigam dargebrachte Morgengabe zu opfern; fange noch frifch 
grünend, hat der Zweig das Andenken des frommen Beginneng 
bewahrt. Die Hochzeit wurde in großer Pracht begangen.” Bes 
deutend weicht hiervon ab Dietmars Erzählung: „des Kaiſers 
Schweſter Matilde vermählte fih mit Ezo, dem Sohne des 
Pfalzgrafen Hermann. Das mißbilligten Viele, indem er es 
aber in gefeglicher Weiſe nicht zu beffern vermochte, ergab fi 
ihr einziger Bruder in die Geduld. Damit auch die von den 
erlauchten Eltern ererbte Herrlichfeit in der Schwefter nicht ver⸗ 
dunfeft werde, fehenfte er ihr Bedeutendes.“ 

Von dem Pfalzgrafen Ezo fprechend, überfieht der Mönd 
yon Braumeiler den Umftand, daß wenn bie Kaiſerin Theophania, 
wie er behauptet, noch bei Leben, die VBermählung nothwendig 
dem 13. Jun. 991 vorhergehen mußte, daß aber Eos Vater 
Hermann diefem Datum zuverläffitg um zwei Jahre überlebte, 
hingegen {ft es nicht unwahrſcheinlich, daß Ezo bereits 982 das 
Grafenamt in Hasbanien befleivet habe, „Des Vaters Tod 
eröfnete unferm nunmehrigen Pfalzgrafen Ezo einen größern 
Schauplatz, auf welchem feine Berdienfte fihtbar wurben. Die 
Pfalzgrafſchaft zu Aachen, die ihm erblich zuftel, warb unter 
feiner Verwaltung immer anfebnlicher ; und hatte er mit ihr ben 
Yäterlihen Ruhm geerbt, fo wußte er ihn nicht allein in feiner 


u Plaidi. 


Perſon zu erhalten, ſondern auch zu vermehren.“ Weit über 
die Grenzen von Ripuarien reichte ſein Beſitzthum hinaus, denn 
nicht nur Oberſalz oder Neuſtadt an der Saale, Koburg, mit 
vielen Prädien, ſondern auch bedeutende Güter in Sachſen hatte 
er von bem Schwager erhalten. Daß aber nad Ditos Il. 
Ableben, deffen ministrissimus, der Vertraute feiner geheimſten 
Gedanken, Erzbifhof Heribert von Cöln, dem Pfalzgrafen, nad 
bes Kaifers Intention, die heilige Lanze, ale dag Symbol der ihm 
zugebachten Rachfolge im Reich überbradht habe, ift lediglich Vers 
muthung. Ezo wird von den Chronifen jener Zeit unter ben 
Throncandidbaten nicht aufgeführt, trat auch nicht als Gegner 
Heinrihs II. auf. Wenn die Chronica Regia S. Pantaleonis 
zum 3. 1011 erzählt, zehn Jahre hindurch widerfegte fi Pfalzgraf 
Ezzelin dem König, welchem auch die gefamten Lothringer, in-der 
Deferenz für den Pfalzgrafen, die königlichen Ehren verweigerten, 
Bis dahin ber König es rätbliher fand, den ausgezeichneten 
. Mann dur Wohlthaten zu verföhnen, als ihn noch weiter an 
zufeinden, daher feine Freundſchaft forderte, und ihm Kaiſers⸗ 
werth mit allem Zubehör, Duisburg und Saalfeld zu Erbe gab, 
fo beruhet das auf ber Verwechslung des zehnjährigen Streited, 
fo mit feinem Schwager Heinrich oder Hezilin von Luxemburg 
Kaifer Heinrich zu führen hatte. Das Chronicon Bröwülerense 
de gestis Abbatum begnügt ſich aber nicht mit der einfachen 
Wiederholung der von dem Mind von St. Pantaleon nieder 
geichriebenen Erzählung, e8 weiß fie noch weiter auszuführen 
und auszuſchmücken: „Erabifchof Heribert, aus Stalten kommend, 
führte die Reichskleinodien bei ſich; ale er zu den Alpen gefoms 
men, werben fie ihm Durch Herzog Heinrich von Bayern entriffen. 
Diefer nimmt zugleich das Reich an fi, und überzieht die Bes 
figungen des Pfalzgrafen. Ezo fegt ſich zur Wehre, und für ihn 
-Partei nehmend,, verweigern die Lothringer des Königs Aner⸗ 
fennung. Zehn Jahre lang, währt der Zwifl. Heinrich überzeugt 
fi, daß er ben Gegner nicht zu überwältigen vermag, und fell 
su Mainz eine Friedenshandlung an. Ezo findet fih ein, muß 
aber hören, daß mehre gegen ihn, für den König fprechen ; ent 
rüſtet verläßt er fogleich Das Fönigliche Hoflager, um vorkäufg 


Yaligraf Ezo. 573 


Bei Odenheim, dem nachmaligen Philippsburg, eine feſte Stellgng 
zu beziehen. Der König hält Rath, wie ſolche Bermefienheit zu 
beftrafen fein möchte. Herzog Dietrich, der gewaltig an ber 
Mofel, macht fih anheifhig, den Pfalzgrafen gebunden dem 
König zu überliefern, fo biefer feinen Befehlen eine Anzahl 
Nitter, welde in dem Töniglihen Heere auszuwählen, Dietrich 
ſich vorbehält, untergeben wolle. Bon biefen Rathfchlägen in 
Kenntniß geſetzt, bereitet Ezo ſich zur Gegenwehr. Den Angriff 
Dietrichs nicht abwartend, rüdt er aus, ihn zu empfangen, und 
ſcharf wird geftritten, wobei Ezo getreuliche Unterflügung findet 
‘bei feinem Bruder Ezifin und deſſen Söhnen. Beinahe das 
‚ganze Heer des Herzogs Dietrich wird zerfivent, ex ſelbſt, famt 
vielen feiner Edlen, ein Gefangner. Man feat ihn auf ein 
Saumroß, und in diefem Aufzug wird er zu fiherer Verwahrung 
nach der pfalzgräflihen Seite Tomberg gebracht. So arg war 
die unter Dietrich Rittern angerichtete Niederlage , daß heute 
noch das Sprüchwort jenen, weldhen man wohlwill, zuruft:. 
mögeſt du nie nach Odenheim Tommen. Um den Herzog und 
bie übrigen Gefangenen auszulöfen, und ben Pfalsgrafen zu 
verföhnen,, ‚gab ihm der König Kaiſerswerih, Duisburg und 
Saalfeld. Nicht lange darauf, nachdem hiermit der Einſpruch 
des Pfalzgrafen befeitigt, begab fi der Kater nah Rom, um 
aus den Händen des Papfles die Kaiferfrone zu empfangen.” 

Ezos Krieg mit dem König ifi ein bares Märchen, dagegen 
aber von feinen freundlichen Beziehungen zu Heinrich H. ein 
‚und anderer Beweis auf ung gefommen, Sp gibt diefer 1023 
dem Herzog Heinrich (von Bayern), dem Pfalzgrafen Ehrenfried 
-und dem Grafen Otto von ben Gütern der Abtei St. Maximin 
bei Trier 656 Hufen zu Lehen, wogegen die genannten drei 
Herren ftatt bes Abtes von Maximin das königliche Hoflager 
zu beſuchen, die Heeresfolge zu leiſten haben. Neben andern 
Grafſchaften beſaß Ezo 1020 auch jene des Bonnengaues, und 
wird er in einer Urkunde vom 10. Jannar 1027 der Aebtiſſin 
‚von Eſſen Advacatus in Francia genannt, 

Mit dem Gedanken einer Kloſterſtiftung beſchaͤftigt, unter⸗ 
"nahmen Ezo und feine Gemahlin eine Reife nach Rom, wo ſie 


574 | Plaidt. 


bei Papſt Johann (1024-1033) die freundlichſte Aufnahme 
fanden. Dem haben fie gebeichtet und ihrer Sünden Abſo⸗ 
Intion empfangen ;5 es beichenkte fie Johannes mit koſtbaren Res 
Kiquien und einem goldenen Kreuzlein, daneben legte er ihnen 
auf, die Stiftung, zu welcher fie gegen Gott fid verpflichtet, zu 
vollführen. Bon Rom zurüdgelehrt, unterfuchte Ezo angelegent- 
lichſt, weicher von den Orten feines Gebietes der tauglichfte für 
die Ausführung feines Vorhabens fein möchte. Duisburg oder 
Kaiferswerth fagten ihm am mehrften zu, Frau Matilde aber, 
im Andenfen der einft gehabten Viſion, befand auf Draw 
weiler. Sie hatte es nämlich im Brauche, fo oft fie in des 
Doͤrfleins Nähe kam, von ber Straße abzufenfen, um in St. 
Medards Kirchlein der Andacht obzuliegen. Einſtens, daß fie 
ermädet und erhitzt, nad) verrichtetem Gebet, um ber Kühlung 
zu genießen, im Schatten eines Maulfbeerbaums auf den meiden 
Raſen ſich niedergeftredit hatte, Fam auf fie ein fanfter Schlummer, 
mit einem Tieblichen Traum verbunden. Der. Himmel fchien fh 
über ihr zu Öffnen, und eine Seuerkugel, ftralender denn bie 
Sonne, Tief fih auf der Schläferin Lagerflätte nieder, und ver- 
breitete baräber einen folchen Lichtfchein, daß bie ganze Umgebung 
von dem freundlichen Schimmer vergoldet wurde. Diefes Geſicht 
ihrem Herren mitsheilend, bat Matilde fofort deffen Unſchluͤſſig⸗ 
feit beſtimmt; ohnehin war der Ort ihm werth, als des Vaiers 
Schöpfung. Pfalzgraf Hermann hatte da den dichten Wald aus⸗ 
reuten laſſen und ein Revier, in dem früher nur wilde Thiese 
baufeten, befähigt, eine Kolonie fleißiger Menſchen aufzunehmen, 
In der Wahl des Ortes den Anfichten feiner Gemahlin 
beipflichtend, erbat fih Ezo für die Stiftung ſelbſt den Rath des 
h. Poppo, bes Abten von St. Marimin, Stablo und Malnedy, 
der nicht nur in den genannten, fondern auch in zwölf andern 
ihm untergebenen Klöftern die bewundernswürdigke Zucht ein 
geführt hatte. Poppo wählte fieben feiner Religiofen, ‚‚doctrina 
simul et actione probos“, und ftellte fie dem Pfalzgrafen zur 
Verfügung. Am 14. April 1024 trafen fie zu Braumeiler.eis, 
und es wurbe das Kundament ded neuen Baues gelegt, nicht 
zwar auf der Stelle von St. Medards Kirchlein, fondern etwas 


Yfalzgraf: Ezs. 575 


meiter nördlich; dazu hatte man ſich entſchloſſen, um die Ruhe 
eines Kindes dur das Aufgraben des Bodens nicht flören zu 
müſſen. Sehr bald follte in der empfindfichften Weife der Frieden 
des Bauherren und der im Auffehwung begriffenen geiftlichen 
Gemeinde in Brauweiler geftört werden. Die Pfalzgräfin, von 
dem Grafen Hezelin nach Aicheze eingeladen, wurde am Schluffe 
des ihr zu Ehren angeftellten Banfets von einem Teichten Fieber 
ergriffen, das in raſchem Fortgang fich fleigernd, am fiebenten 
Tage ihres Lebens Ende berbeiführte, 1025. Die Nachricht 
davon erhielt Herr Ezo, während er zu Aachen in der Pfalz 
mit den verfammelten Großen Lothringens verhandelte; fie alle, 
durch die Trauerpoft erfchüttert, folgten dem Gemahl zu dem 
ſchmerzlichen Geſchäft, die theuern Reſte in Aicheze zu erheben 
und nach der Grabesftätte zu bringen. Die einen luden ben 
Sarg ihren Schultern auf, die andern trugen brennende Lampen 
und Kerzen, die Priefter pfalmodirten, In diefer Weife wurde 
Braumeiler erreicht, und vorläufig ber Sarg inmitten des Schiffes 
unter einem Zeltdach niedergeftellt. Ganz Cöln, unter Voraus⸗ 
tretung des ehrwürdigen Erzbifchofs, fand fich ein, der Verblichenen 
die letzte Huldigung darzubringen, und. drei ganzer Tage, brei 
Rächte durch wurden die Erequien fortgefegt. Am vierten Tage 
weihete der Erzbifchof einen Altar zu Ehren der Gottesgebärerin, 
auf der Steffe fenes Zeltbaches, und vor bdiefem Altar wurde 
bie Reiche eingefenft CA. Nov. 1025). Matilde war bei ihren 
Lebzeiten eine eifrige Dienerin des Herren: in Gebet und Almoſen⸗ 
geben fuchte fie ihre Freude: täglich betete fie den ganzen Pfalter 
ab. In der Emfigfeit, das Wort Gottes zu vernehmen, die eine 
ber beglückten Schweftern erreichend, hat fie füh der andern 
gleichgeftellt,, indem fie, wie Jeſum die wirthliche Martha, fo 
die nach Brauweiler entfendeten Neligiofen aufnahm und bes 
wirthete. An allen Samflagen des Jahrs, an welchen das Baden 
nüht durch die Geſetze der Kirche unterfagt, ließ fie fih im 
größten Geheim irgend einen Bettler vorführen; den mit heißem 
Waffer begiegend, wufch fie ihm den Schmug ab, dann kämmte 
fie fein Haar, und reichte endlich ihm Kleidungsſtücke, die entweber- 
nen, oder ‚non multum vetusti“. Durch diefe mit: ihren Händen 


‚876 Plaidt. 


verrichteten Liebeswerke erwarb ſie ſich die Gnade, daß ſie mit 
dem Waſſer, worin ſie die Haͤnde getaucht, eines Blinden Augen 
berübrend, ihm bie Sehfraft wiedergeben konnte. „Davon wußte 
Zeugniß zu geben die betagte Adelburg, bie noch in unfern Tagen 
lebte; blind von der Wiege an, wurbe fie, zum jungfräulichen 
Alter gelangt, durch biefe Berührung befähigt, die Herrlichkeit 
‚des Lichtes zu fehauen. In der gleichen Weife wurde eine andere 
Blinde auf Tomberg vor einem Crucifir geheilet; ohne Zweifel 
‚bat hierzu die Rechte des gefreuzigten Heilandes gewirkt, wes⸗ 
halb auch Matilde felbft diefes wunderthätige Kreuz nach Bra 
weiler übertragen hat, bamit ihm daſelbſt Die gebürende Ver⸗ 
ehrung werde.“ 

Den angefangenen Klofterbau förderte Ezo dergeflalten, daß 
Erzbiſchof Piligein am 10, Det, 1028 die Einweihung der Kirche 
vornehmen fonnte. In einer an demfelben Tage ausgeſtellten 
‚Urkunde befundet der Erzbifchof, daß Pfalzgraf Ehrenfried und 
feine Gemahlin Matilde ihr Allob zu Brauweiler famt dem 
. Wildbann dem h. Nicolas gefchenft, und die Stiftung aus 
Schließlich unter den Schug der Cölniſchen Kirche geftellt haben, 
daß ferner berfelbe Pfalzgraf die Hälfte des wegen feiner Aus⸗ 
dehnung die Bele genannten Forfied an das Klofter des h. Nic 
laus, bie andere Hälfte aber bed Forfles, famt dem Prädium 
Bergheim, Ehrenfrieds Bruder, Graf Hezelin, an ben h. Cor 
‚nelius Abtei Eornelismünfter) vergabt habe. Der Schenfung 
an Brauweiler fügte ber Pfalzgraf in einer fernern Urkunde, 
ebenfalls von 1028, feine Befigungen in Lövenich hinzu, zugleih 
‚ verordnend, daß den Zehnten von dem Manfus Nennechin bie 
Kirche in Lövenich erhebe, damit feine dafigen Höfener ifren 
Gottesdienft haben. Seit zehn Jahren ruhte Frau Matilde in 
bem engen Haufe, und Ezo erhob ſich mit großem Gefolge, wie 
‚er das jederzeit um fich zu haben pflegte, nad) Saalfeld, die ihm 
zufländige ausgedehnte Herrſchaft zu beſuchen. Er weilte dort 
längere Zeit, erfranfte und ftarb in dem Alter von beinahe 
‚80 Jahren, den 21. Mai. 1034. Die Leiche wurde von Saal 
feld nad Brauweiler gebracht, auf daß fie neben dem Grabe 
der Kaiſertochter ruhe, 





Die Aanigiu Nichza. 577 

Der. Kinder hat Ezo in feiner Ehe zehn gefehen, eben ben 
Söhnen Hermann, Otto, Ludolf, fieben Töchter, Richza, Adelheid, 
oa, Matilde, Theophania, Heilwig, Sophia. Die einzige Richza 
wurde verheurathet, Adelheid ober Athais, gef. um 1140, zu Ni⸗ 
velles, Theophania zu Efien, Heilwig zu Neuß, Matifde zu Diet- 
lirchen bei Bonn und zu Vilich, Yda zu St, Märien im Capitol 
binnen Edln, Sophia zu Gandersheim und zu Liebfrauen in Mainz 
Aebtiſſin. Richza (Rizza, Henrica). wurde von ihrem Oheim, 
Kaifer Dito ALL, dem einzigen Sohne des Polenkönigs Boleflaw 
Chrobri, dem Prinzen Mieciſſlaw verlobt, 1001, und fofort .in 
Magdeburg der polnifchen Geſandtſchaft übergeben ; gelegentlich 
ihres Einzuges zu Gneſen, wird fie als eme in Wiffenfchaften 
erfahrene Jungfrau. gefchildert, bie mit der Schönheit der Formen 
eine feltene Würde und wahrhaft fungfräuliche Reinigfeit vers 
binde, Sie fand in der Königin Judith eine zweite Mutter, deren 
Sorgfalt ihr. um fo wohlthätiger, da die Bermählung, von wegen 
des zarten Alters der Braut, nicht eher, denn im J. 1013 vor 
fh geben konnte. Mieciſſaw, zur Regierung gelangt im I. 1025, 
machte durch feine Liebfchaften der frommen Königin nicht wenig 
Berdruß, farb aber 1034, und feine Wittwe übernahın, ala Vor⸗ 
münberin ihres Sohnes Kaftmir, die Regierung, obgleich bie Gros 
fien im Allgemeinen ihr ſehr wenig zugethan. Sie hatte niemals 
ihre Verachtung für polnifche Sitten und Zuflände zu verbergen 
gefucht, bei jeder Gelegenheit den Deutſchen entjchiedenen Vorzug 
eingeräumt. Heute noch ift in ben Augen jebes ächten Polen die 
Borliebe für Deutfche und Deutfches bie fehwerfte der Sünden, im 
11. Jahrhundert mußte dergleichen Vorliebe die wüthigften Leiden 
fhaften gegen die Königin bewaffnen. Richza, mit männlichen 
Sinne begabt, führte fein unebenes Regiment, aber der ftürmifchen 
Aufregung.eines großen VBolfes vermochte fie nicht zu widerſtehen. 
Sie wurde, famt ihrem Sohne, genöthigt, das Reich zu ver⸗ 
laffen, 1036, und geben die polnifchen Chroniken ihr Schuld, 
daß fie den ganzen Reichthum in Gold, Silber und Edelgeſteinen, 
wie er durch die beiden Testen Könige aufgehänft, namentlich bie 
zwei ſchweren und werthvollen Kronen, welche unlängft der Krö⸗ 
nung des Boleflam und Mieciffaw, auch ber Richza felbit gedient 


Rhein. Antiquarius, 3. Abth. 2 Bb. 37 


— 


578 Plaidt. 


hatten, beögleichen eine bebeutenbe, aus dem Schab gensmmene 
Seldfumme, dem Reiche entfrembet habe, Dada Sprädwort: in 
Holen ift nichts zu boten, fcheint alſo damals noch nicht zur 
Geltung gefommen zu fein. In feinem Falle wirb der Berlufl 
für Polen fehr bedeutend geweſen fein, wie folches der Umſtand, 
daß einzig der Kronen beflimmte Erwähnung gefchieht, vers 
mutben läßt: zum Weberfluffe findet fich aufgezeichnet, daß Richza 
unter einer Verkleidung, entblößt von allen Mitteln, ein bes 
deutendes Gepäd nachzuführen, auf die Flucht fi) begeben hat. 
Vollkommen ungegründet ift bie Erzählung, daß fie mit dem 
ungerechten Mammon viele Güter erfauft habe. Polen verfiel 
der greulichften, ganzer fieben Jahre währenden Anarchie, Richza 
aber, nach einigem Aufenthalt zu Magdeburg und Braunfchweig, 
wendete fich ihrem großen Eigenthum in Ripuarien zu, während 
ihr Sohn zu Paris den Studien oblag. Als dieſer nachmalen, 
1041, fi anſchickte, das Reich feiner Väter wieder einzunehmen, 
widerrieth die beforgte Mutter das wagliche Unternehmen, ohne 
bob Gehör finden zu können, Kaſimir aber erreichte nicht nur 
feinen Zweck, fondern erwarb: füh auch großes Verdienſt um ben 
unter feinen Händen wieder aufblühenden Staat. 

Den Tod ihres Bruders Dito hat Richza bergeftalten bes 
weint, daß man ihres Lebens End befürchtete. Allen ihren 
Staat, alles Gefchmeide, die Monde und Ketten, bie Collier, 
Diademe, Ohrgehänge, die Kleider von Goldſtoff Iegte fie ab, 
um fie zum Schmude des Altars zu verwenden, fie nahm aus 
ben Händen des Biſchofs Bruno von Toul, des narhmaligen 
Papftes len IX. den Schleier, weicher der Bräute Chriſti höchſte 
Zier, und opferte fih Gott und den bh. Eilftaufend Yung 
frauen, durch Darbringung einer Wachskerze , als ihre zins⸗ 
pflichtige Magd. Am 17. Zut. 1051 befundet Kaifer Heinrich IL, 
bag Hermann ber Erzbifchof von Cöfn, und feine ‚Schweitern, 
Richeza, weiland Königin, und Theophania, die Aebtiſſin von 
Effen, das von ihren Eltern gefiftete Kiofler Brauweiler mit 
deſſen fämtlichen Zubehörungen als ihr Eigenthum in Anſpruch 
genommen haben, und daß namentlih Richeza, von ihrem Bogt 
Gerhard begleitet, nad Paderborn gekommen, um von ihm eine 


. 


Pie Asnigin Nichza. 879 


rechtliche Entſcheidung über dieſen Anfpruch ſich zu erbitten. Er 
habe darauf eine gerichtliche Verhandlung angeordnet, und fei in 
Gegenwart feiner durch die Fürften den Kindern das Eigenthum 
ihrer Eltern zuerfannt worden. Darauf hätten aber diefe Erben, 
von der Furcht und Liebe bes Herren ergriffen, Gott und bem h. 
Ricolaus in Brauweiler, zu Handen des Abtes und feiner Brüder, 
das fragliche Klofter famt feinen Befigungen in Lövenich, Freis 
mersdorf, Königsdorf, Dansweiler, Gleflen, Kirdorf, Sintheren, 
Manfteden, Ichendorf, Schlenderhahn, dem Antheil des Waldes 
Bele u. ſ. w. freiwillig gefchenft. Einen Monat fpäter, 20. Aug. 
4051, befätigt der nämliche Kaiſer die Schenkung von Richeza, 
weiland Königin, der Abtei Brauweiler gemacht, nämlich den Hof 
zu Elotten, und was fie. in Kevenich, Eller, Brem, Kaiſerseſch, 
Masburg, Wirfus, Kabeloch, Weiler, Polch, Cochem, Cond, Merl, 
Reit, Enkirch, Luzerath, Driefch und Ettringen befaß, überhaupt 
das ganze Präbium zwifchen Endert und Eltz, und foll deſſen Bogt 
und Schirmherr des Oheims der Richza, des Grafen Hezelin Sohn, 
Ffalzgraf Heinrich fein, als welchem in Betracht diefer Aufgabe 
Richeza ihre Burg Cochem zumwendet. Am 7. Sept. 1054 verſchenkt 
Richza an das Klofter Brauweiler verſchiedene Dinifterialen und 
Hörige mit ihren Beneficien zu Luzerath, Drieſch, Gelsborf, Altens 
dorf, Wormersporf, Medenheim, Peppenhoven, Rubelrath und 
Happerſchoß, dagegen zeigte fie fich nicht allerdings geneigt, wie 
es doch Erzbiſchof Anno wünfhte, Saalfeld und Koburg an bie 
Coͤlniſche Kirche zu überlaffen. Es wurde längere Zeit mit ihr ver⸗ 
handelt, bis fie endlich fich doch beſtimmen ließ, nach Annos Wunſch 
über Saalfeld, Burg und Herrſchaft, und ihre Beſitzungen in 
Orla zu verfügen, jedoch mußten ihr dagegen ald Precarie bie 
Villen Seckbach, Bretzenheim, Unkel, Muffendorf, Möpdersheim, 
Blatzheim verliehen werben, zufamt einer Rente von hundert Mark 
Silber, auf die erzbifchöfliche Kammer verfichert, wie das Alles 
Anno in der Urfunde vom 25. Juni 1057 berichtet. Richza 
farb zu Saalfeld, ven 21. März 1063, und wurde ihre Leiche 
nah Eöln gebracht, um in der Kirche bes Mariengrabenftiftes 
gu ruhen. Das ihr zu Ehren in dem Mittelpunft ber Kirche 
errichtete Monument iſt, zufamt dem Gotteshaufe in der Neuzeit 


37 * 


580 Plaidt. 


verſchwunden. Das Gedächtniß „‚venerabilis Richezae“ wurde 
in dem Stift am 21. März begangen: durch bie Schenkung 
von Medenheim war ihr defien Dankbarkeit geſichert. Sie hat 
auch zu Braunfhweig das zu Ehren der bh, Petrus und Nico⸗ 
laus geweihte Klofter, und ein anderes, durch Vermittlung des 
Biſchofs Adelbero von Würzburg, auf der Stelle, wo der b. Kilian 
und feine Gefährten litten, erbauef. 
Bon des Pfalzgrafen Söhnen wählte Hermann den gel: 
lichen Stand, und wurde er, auf dag am 25. Aug. 1036 erfolgte 
Ableben des Erzbifchofs Piligrin von Cöln diefem zum Nachfolger 
gegeben, auch im %. 1037 geweihet. Die Ehre der Prieſter⸗ 
Schaft, ein exremplarifher Bifchof, wendete Hermann den größten 
Theil des ererbten Reichthums feiner Kirche zu, deren Rechte 
zu handhaben, er daneben ſich ernſtlichſt angelegen fein ließ. Das 
führte den Beziehungen zu der Stadt Cöln eine gewiffe Bitter: 
fett ein, die unter dem nächſten Erzbifhof in heftigen Streit 
ausbrah. Am 17: Sun. 1041 vergabte. Hermann an bie Abtei 
Deuz 11 Manfen und 40 Maneipien zu Bochum, dann feine curtis 
Weſthoven ‚im Deuzer Gau, „pro anime mee parentumque meorum 
remedio“. Am 8, Sept. 1043 fchenfte er dem Severinsſtift, 
beffen Neubau durch ihn vollführet worden, und beflen Eins 
weihung er am.befagten Tage vornahm, „„quasdam res proprie- 
tatis mee“, nämlid 4 Manſen zu Ochtendung (Ohienethine), 
die 1 Pfund fährlich entrichten, und in Saxonia 6, um 90 Pfund 
erfaufte Manfen zu Berenberg, von denen ebenfalls 1 Pfund 
fällt, dann ferner, aus dem Eigenthum feiner Kirche, einen Mans 
fus zu Keffenich, der jährlich 1/, Pfund und einen Zulaft. Wein 
abwirft, eine Rente aus den Zollgefällen zu Bonn und Zülpich 
und die Kirche zu Bardenberg. Das Zeft Dariengeburt 1047 
beging ber Katfer, welcher in dem Heereszug gen Flandern 
begriffen, zu Santen, und hielt Erzbifhof Hermann vor dem 
zahlreich verfammelten Bolfe eine Predigt, von den Gefahren 
eines folchen Zuges handelnd und ausgehend in eine Ermahnung 
zum Gebet‘, durch welches von dem Himmel bie Erhaftung be 
Sriedens im Reiche zu erflehen, als ein Bote ihm das unerwartele 
Ableben feines Bruders Dito hinterbrachte, Raum daß er unter- 


Erzbifhof Hermann 1. von «ln. 584 


ber Thränen Andrang die Predigt zu Ende führen Eonnte, und 
wurde von feiner Rührung bie ganze Berfammlung ergriffen, 
Er wollte, fobald das Hochamt zu Ende, fih aufmachen, feinem 
Bruder die leßte Ehre zu erweilen, ber Kaifer aber, der jetzt am 
wenigften feiner Tröftungen entbehren fonnte, bat infändigft, daß 
er ihn nicht verlaflen möge, daher Hermann endlich Doch zugeben 
mußte, bei der Beerdigung durch den Biſchof Bruno von Toul 
vertreten zu werden. 

Der nämliche Biſchof von Toul, jetzt Papſt Leo IX., und 
der Kaiſer feierten 1049 das Pfingſtfeſt zu Cöln, und verſah 
bei dieſer Gelegenheit Hermann das Amt eines päpfllihen Erz» 
kanzlers, welches auf feine Nachfolger fich vererbie. Es wurde 
ihm zugleich für feine Domberren der Gebrauch von Juful und 
Sandalen bewilligt. Demnächſt begleitete ex den Papf in ber 
Fahrt nah Mainz, zu einem Concilium, in weldem ab Seiten 
ber. vierzig verfammelten Bifchöfe die heilfamflen Verordnungen 
gegen die Simonie und zur Berbeflerung der Kirchenzucht erlaffen 
: wurden. 3m 3. 1051 taufte Hermann zu Cöln den Erſtgebornen 
bes Kaiſers, den nachmaligen Kaifer Heinrich IV., er weihte 
auch in demſelben Jahr, zu Ehren der Mutter Gottes, die von 
ben Kaiſer auf dem Petersberg vor Goslar erbaute prächtige 
Stiftskirche. Am 7. Mai 1052 beflätigte Papft Leo IX. alle 
Privilegien der Coͤlniſchen Kirche; namentlih wird dem Erz« 
biihof das Legatenfreuz und das Pallium, ohne Nüdficht des 
Ortes, der Prachizelter, von den Römern Naccus genannt, das 
Kanzleramt der Römifchen Kirche und die Kirche „S. Joannis 
evangelistae ante portam latinam, ut te Petrus cancellarium 
habeat, Joannes hospitium praebeat,“ beftätigt. Der Hodaltar, 
zu Ehren der Muttergotteg geweihet, und St. Peters Altar, beide 
in ber Domkirche, follen von fieben Cardinalprieſtern bedient 
werden. Endlich genehmigt auch der Papſt die Schenfung, welche 
Hermann. mit dem Klofter Brauweiler und dem Schloß Tomberg, 
als feinen Allodien dem Erzftift gemacht hat. Am 17. Zul, 1054 
ertheilte Hermann zu Aachen dem faum vierjährigen Prinzen 
Heinrich die Föniglihe Weihe, Er flarb den 11. Febr. 1056, 
daher er den beabfichtigien Neubau der Kirche zu Mariengraden 


588 Plaidt. 


in Cöoln dem Nachfolger überlaffen mußte. Es war das ber große 


Anno, den Hermann in feiner Kraͤnklichkeit zum Coadjutor fi 


erbeten hatte. Der Erzbifchof wurde in der St. Magdalenencapelle 


am Dom, für welde er eine ewige Ampel geftiftet hatte, beis 
geſetzt. Eine Abhandlung von der Duadratur bes Cirkels wird 
ihm, von andern feinem Vorgänger, bem Erzbiſchof Piligrin 
zugeſchrieben. 


Des Erzbiſchofs älteſter Bruder, Ludolf, der ungewöhnliche 


Leibesſtärke mit ſeltener Tapferkeit verband, hatte bereits aus 
des Vaters Händen die Vogtei der Abtei Brauweiler übernommen, 
war auch mit dem Comitatus oder ber Praefectura des Erz⸗ 
fiftes Cöln bekleidet, nach der Erflärung des Mönches von 
Brauweiler, ‚‚seilicet ut ingruente bellicosi discriminis arti- 
culo, Coloniensis Archiepiscopi legionis signifer, id est primi- 
pilarius, esset.““ Ludolf farb zu Brauweiler, bevor er in ber 
pfalzgräflichen Würde des Vaters Nachfolger werden Tönnen, 
hinterließ jedoch aus der Ehe mit des Grafen Otto von Zütphen 
Tochter Matilde die Söhne Heinrich und Kuno. Heinrich erbielt 
zu feinem Antheil den Comitatus Coloniensis, überlebte aber, 
fo viel fih aus der Erzählung des Mönchs von Brauweiler 
fehließen Täßt, den Bater nicht allzu lange. Kuno, des Kloſters 
Brauweiler Vogt, wurde 1049 von Kaifer Heinrich III. mit dem 
Herzogthum Bayern begnadigt, und hatte noch in bemifelben 
Sabre mit Heeresfraft den Bau der Haimburg an der Donau 
gegen die Ungern zu befehüten. Er befiegte auch 1050 das von 
dem König Andreas felbft befehligte Heer und der Bau wurbe 
zu Ende gebracht. Gewaltthätigfeiten, von Kuno in dem Umfang 
feines Herzogthums verübt, und hauptſächlich fein erbitterter Zwiſt 
mit dem Bifchof Gebhard von Regensburg, oder aber, nad bed 
Mönches von Brauweiler Bericht, die Verſchmähung einer ihm 
angetragenen Braut, der Faiferlihen Prinzefiin, veranlaßten den 
Kaifer, das Herzogthum ihm zu entziehen, bald darauf bie 
Reichsacht über ihn zu verhängen. Kuno flüchtete 1053 nad 


Ungern, gewann bei König Andreas bedeutenden Einfluß, und 


benugte ihn, um dem König die bereits mit dem Kaifer ans 
gefnüpften Sriedenshandlungen zu verleiden, ihn zu bewegen, 


Pfalzgraf Otts. 383 


daß er, anſtatt ein Lehenverhältniß zu Deutſchland einzugehen, 
lieber den Verſuch mache, durch Waffengewalt den Kaiſer zu 
entthronen; dazu ſollten Verbindungen mit ben Mißvergnügten 
in Deutſchland benutzt werden. Auf Kunos Rath fiel Andreas 
in Kärnthen ein, eroberte auch die Hengſtenburg, die den Ungern 
zwar im J. 1054 wieder entriſſen wurde, aber, klagt Wi⸗ 
bertus, „Homana respublica subjectionem regni Hungariae per- 
didit.““ Hoͤheres noch mag Kuno fi vorgelest haben, dba durch⸗ 
ſchnitt ein plöglicher Tod den Haben feiner Entwürfe. Nach 
bes Mönches von Brauweiler Bericht hätte der Kaiſer, durch 
Verheißung einer bedeutenden Geldfumme, ben Roc beftimmt, 
eine dem Herzog vorgefeßte Speife zu vergiften, dem fei aber flatt 
bes Lohnes der vollbrachten That der Befehl geworden, Zeitlebeng 
bes Monarchen Angeficht zu fliehen. Kunos Leiche, nachdem fie. 
längere Zeit in Ungern beigefeßt gewefen, wurbe auf des Erz⸗ 
biſchofs Anno Betrieb erhoben, und nach Coͤln gebracht, um 
daſelbſt in St. Mariengradenſtift für die Dauer von beinahe 
acht Jahrhunderten ihre Ruheſtätte zu finden. Vermählt mit 
JIundith, der Tochter des Markgrafen Otto von. Schweinfurt, ſtarb 
Kuno ohne Kinder, wie das auch mit feinem Bruder Heinrich 
ber Fall: geweſen. 

Otto, Ezos anderer Sohn, folgte dem Bater in der Pfalz« 
grafichaft, erhielt auch, 7. April 1045, von Kaiſer Heinrich das 
Herzogthum Schwaben, als Belohnung der nügliden Dienſte, 
fo er in Befämpfung bes rebelliſchen Herzogs von Nieder⸗Loth⸗ 
ringen, Gotifrieb II., geleiftet hatte. Dagegen mußte er des. 
Baters Erwerbungen, Kaiferswerth und Duisburg, an den Reichs⸗ 
fisens zurüdgeben. Schön von Angefiht, hochgewachſen, eines 
fteudigen Muthes, war er in allen Kriegezügen, beögleichen bei 
großen Jagden des Kaiſers unzerirennfiher Begleiter. in 
Jagdſtückchen befonders wird feine Unerfchrodenheit befunden. 
Ungebeurer Urwald, feiner Ausdehnung halber den flavifchen 
Inſaſſen Loy genannt, bebedte die Hersfchaft Saalfeld, und hegte 
in feinen Schlupfiwinfeln Bären in großer Anzahl. Einer biefer 
Bären, von außerordentlicher Größe, Wildheit und Gefräßigfeit, 
war für die ganze Gegend eine Landplage geworden, Bei hellem 





584 Plaidt, 


lichten Tage wurden bie flärdften Ochſen, frei, oder dem Piuge 
oder dem Karren vorgefpannt, feine Beute, und alle Bemühungen 
der Bewohner. der umliegenden Ortichaften, das Ungethüm zu 
verfcheuchen oder zu erlegen, blieben ohne Erfolg. Schon waren 
die armen Leute entfchloffen, anderwärts Ruhe. und Sicherheit zu 
fuchen, da fand nach langer Abwefenheit. der Pfalzgraf zu Saal⸗ 
feld fi) ein. Sofort wurde er, der geprieſene Waidmann, von bea 
geplagten Untertbanen in Anfpruch genommen, auf das Dringendfle 
gebeten, von dem Störenfried fie zu befreien. Gern hat er das 
Geſuch bewilligt ; ein muthiges Roß beflieg Dito, ein. Heghund, 
mit Tanger Mähne, zottig und von außerorbentlicher Stärke, vie 
Leicht der Race angehörig, die in dem fpätern Polen unter bem 
Namen der Samjone berühmt, follte fein unmittelbarer. Begleiter 
werden. Ein Gefolge von Jägern vertheilte er auf verſchie⸗ 
denen Punkten des Waldes, wo das tieffte Didicht, während er 
felbft im Anftand feines Feindes erwartete. Das erforderte feine 
fange Zeit, ber.vielen Hörner Schall vernehmend, erhob bie Beſtie 
fih von ihrem Lager, um in vollem Ingrimm auf ben naͤchſten 
Gegner loszugehen. Mit fürchterlichem Gebrüll, hoch die Arme 
erhoben, ſtürzt ſich auf Hrn. Otto der Bär, indem er aber die 
ſichere Beute zu umarmen wähnt, faßt ihn ſelbſt am Ohr mit 
ſcharfem Gebiß der hurtige Samſon. Des ſchmerzlichen Anhäng⸗ 
ſels ſich zu entledigen, wendet der Bär feiner Hände Gewicht, bie 
gewaffneten Klauen gegen das edle Thier, das feſt am Ohre 
hängend, endlich mit demſelben abfällt, in demſelben Augenblick 
trifft des Herren Jagdſpieß in des. Ungethüms Hinterlopf, Tante 
und leblos flürzt es zu Boden. Freudig ſchmettert Ottos Horn, 
dem Rufe folgend eilen von allen Seiten die Jäger zur Stele, 
und ben herrlichen, den feltenen Braten, dba getifeht,, bat eine 
fröhliche Gefelfepaft verzehrt. Darauf wurde die Bärenhant 
gemeffen, und 15 Zuß Yang befunden, Das Abenteuer, nicht 
ungleich bemjenigen, jo man von Dieudonne von Gozon erzählt, 
fol Otto, als er faum noch ein Züngling geworden, befanden 
haben. Hingegen wird von ihm gerühmt, daß er in der vollen 
Weisheit des veifern-Alters feinem Herzogthum vorgeſtanden fei, 
bis zu feinem am 7, Sept. 1047 höchſt unerwartet auf Tomberg 


Pfalsgraf Bits. 368 


erfolgten Ableben. Bon einer Gemahlin, von Kindern weiß ber 


Mönh von Brauweiler nichts zu erzählen, hingegen fchreibt 
Alberich von Troisfontaines.: „Ottonem, ducem Sueviae, de 
enjug linea descendit ille Lotharius, dax Saxonum, qui fuit 
Imperator.““ Köhler glaubte hiernach annehmen zu Fönnen, daß 
Gebhard, der Vater Kaiſer Lothars II., eine Gräfin von Form⸗ 
bach, die Hedwig, zur Frau gehabt habe, und Crollius, die Fol⸗ 
serung weiter ausdehnend, hält ben Grafen Gebhard für einen 
Sohn des ſchwäbiſchen Herzogs Dito, aus deſſen Ehe mit Ida, 
ber Tochter eines ältern Grafen Gebhard yon Süpplingenburg. 
Oitos vermeintlicher Sohn, Graf Gebhard yon Süpplingenburg, 
fiel in. der Schlacht an der Unftrut, 9. Fun. 10755 er war ber 
Bater jenes Lothar, der im 3. 1125 den Thron Karls des 
Großen beftieg. 

Des Pfalzgrafen Ezo jüngerer Bruder Hezelin, welcher in 
dem Zülpichgau das Grafenamt beffeidete, und das Gut Berg⸗ 
heim und den halben Wald Bele an die Abtei Cornelismünfter 
yergabte, nennt ſich feibft in der Urkunde vom 29. Sept, 1033, 
worin er .den Frohnhof zu Lövenih an St. Gereons Stift zu 
Cöln verfchenft, ‚non merito sed nomine palatinus comes dic- 
tus‘‘, und ſcheint fih in dem ſaliſchen Königshaufe eine Gemahlin 
gefuhht zu haben, indem feine Söhne (eigentlich nur der eine) 
„eognati““ KR, Heinrichs TEE. genannt werben. Ihrer find zwei 
gewefen, Heinrich und Kuno. Bon Kuno gelten Steindels Worte: 
„Chunonem nepotem suum poenitentem pro rebellione suscepit, 
ei sic singulos in sua redire permisit.“ Es gefchah diefes zu 
Worms 1056, nicht gar lange vor dem Ableben K. Heinrichs IIL., 
ans defien Händen Kuno aud noch das Herzogthum Kärnthen 
empfing 1057. So viel Gnade für einen faum ausgeföhnten 
Anfrührer, und der Umftand, dag Kuno allein „„cognatus regius““ 
genannt wird, während biefe Berwandtichaft fih auf feinen Bru⸗ 
der nicht auszudehnen feheint, könnte vielleicht zu der Annahme 
berechtigen, daB Kunos Gemahlin eine Tochter des 1039 vers 
ſterbenen Herzogs Konrad von Kärnthen geweſen fei. Gelegentlich 
der Ständeverfammlung zu Worms, 4. April 1057, wird unter 
ben Anweſenden genannt Kuno, ber Herzog ber Karentaner. „Im 


586: Plaidt. 

3. 1058,“ fehreibt Steindel, „ir der Kärnthner Herzog Kuno 
mit einer flarfen Macht der Lombardei eingefallen, er fand aber 
ſolchen Widerſtand, dag er. mit Schanden abzuziehen genöthigt”; 
wie aus Steindels fernerer Darftellung fi) zu ergeben fcheint, 
war ed Kunos Abficht geweſen, fich Die nominell dem Herzogihum 
Kärntben einverleibte Markgrafichaft Verona zu unterwerfen. 
Hingegen berichtet unter bemfelben Jahr Lambert von Afchaffen- 
burg, Kuno habe. ein großes Heer zuſammengebracht, um von 
feinem Herzogthum Befig zu ergreifen, als weldes bis dahin 
durch der Infaffen aufrührifches Treiben ihm verwehrt worben; 
durch einen frübzeitigen Tod verhindert, habe er aber die au 
getretene Heerfahrt dem gewünfcten Ausgang zuzuführen nicht 
vermocht. Nach Lamberts Zeugnig wäre demnach Kuno 1058 
verftorben, wogegen der Anhang zu des Hermannus contractus 
Chronik fein Ableben in das 3. 1060 verfeßt. Man legt ihm 
als einen Sohn jenen Ludolf bei, der nach Abfterben ber Herzoge 
Welf und Berthold zu dem Befite bes Herzogthums Kärnthen 
gelangte, aud einen Bateräbruber, den „Udalricus, marchie 
Carentinorum,‘“ beerbte; ich bin nicht abgeneigt, in dieſem Lu⸗ 
bolf, Abkömmling des Saliers Konrad, ben. Stammopnter ber 


karentaniſchen Grafen von Ortenburg, welde die Sage von ben 
* Grafen von Sponheim herleitet, zu erkennen. 


Heinrich, der ältere Bruder des Herzogs Kuno von Kärns 
then, trat, nachdem fein Better Otto zu dem Herzogthum Schwa⸗ 
ben beförbert-worden, als Pfalzgraf an deſſen Stelle, erhielt auch 
von ber Freigebigkeit feiner Muhme, der Königin Richza, bie 
Burg Cochem, mit ber Bogtei des Kloſtergutes Clotten, welde 
Bogtei er jedoch, nad dem Willen der Schenferin, dem Grafen 
Sicco zu Lehen reichte. Später fcheint fie eine Hauptveranlaffung 
zu dem Zwifte des Pfalzgrafen mit dem Erzbiſchof Anno von 
Coln geworden zu fein, als nämlich Anno den Mönchen von 
Brauweiler das Gut Clotten entzog. Der Zwiſt wurde fo heftig, 
daf der Pfalzgraf mit Feuer und Schwert die Befigungen der 
Coͤlniſchen Kirche verheerte, wogegen ber Erzbifchof den Bann⸗ 
fluch über ihn ausſprach; als von dem Blige getroffen, Tieß 
Heinrich ab von feinem gewalkthätigen Treiben, um zerknirſchien 


Pſalzgraf Heinrich 1. 887 


Herzens in Eöln den Erzbiſchof aufzufuchen, und feine Wieber- 
aufnahme in bie chriſtliche Gemeinſchaft zu erflehen. Sie wurbe 
ihm nicht verfagt, er mußte aber durch Abtretung‘ ber Sieg- 
burg, der Räuberhöhle, von welcher vornehmlich der Greuel 
der Berwüflung ausgegangen war, ſie erfaufen. Willig brachte 
Heinrich diefes Opfer, ohne doch damit feiner Seele den Frieden 
geben zu können; auf ihr laſteten fortwährend veligiöfe Schreck⸗ 
niſſe, durch den Bannfluh geweckt. Unfählg, den Sturm in . 
: feinem Innern zu befchwichtigen, fuchte der Pfalzgraf Troft in 
näheren Beziehungen zu ber Kirche, Wie herzlich er auch feiner 
Gemahlin zugethan, er fand in fih die Kraft, ihr zu entfagen, 
um fortan als Converfe in dem Kloſter Gorze zu leben. Dort 
bielt der- Mönch, welchen Beinamen damals Heinrich empfing, 
drei Jahre aus, dann wurde es ihm in der Zelle zu enge. Hinaus 
mußte er wieder ind Freie, befuchen die fhönen Burgen, fi 
erfreuen der Liebenden Gemahlin und des Jubels, womit getreue 
Vaſallen feine Wiederkehr begrüßten. 

Wie femals groß und ſtark fih fühlend, wollte er die 
Gunft der Umflände benugen, um Rache zu nehmen an dem 
Erzbiſchof, dem er die Schuld feines Unglüdes beimaf. In dem 
Laufe der abermals erhobenen Fehde, hat er fogar die Stadt 
Coͤln belagert, ohne fie doch von wegen bed Wiberflandes der 
für ihren Exrzbifchof bewaffneten Bürger überwältigen zu fönnen. 
Zum Abzug genöthigt, beſchäftigte fich der Pfalzgraf zu Cochem 
anf der Burg mit den Zuräflungen eines neuen entfiheidenden 
Zuges, da überfiel ihn das zeither fchlummernde Seelenfeiden 
in verboppelter Gewalt. Er faßte eine Hellebarde und erfchlug 
damit feine um ihn befhäftigte Gemahlin: „In amentiam versus 
est, ac mox dependentem arripiens bipennem, dilectae conjugis 
Adelheidis, caput feriens amputavit, cursuque fores egressus, 
pausu manuum et cachinno, quid egisset, insanientis ut erat 
more exposuit — captus vinculisgue a suis injectus, quamdiu 
supervixit, furiosus et impos sui mansit."“ Das Unglüd ereignete 
ſich den 4. Mai 1061, der Thäter wurde bis an fein Ende in 
der Abtei Echternach in Berwahr gehalten, Frau Matilden (zu 
Unrecht wird fie wohl auch Adelheid genannt), Frau Matil⸗ 


388 Plaidt. 


ben Leib ließ Erzbiſchof Anno. in geziemender Weiſe zur Erde 
beſtatten, er nahm auch ihren jüngern Sohn Poppo zu ſich und 
erzog den in liebender Sorgfalt zu allem Guten. Diefer Poppo 
wird 1085 als Oberchorbiſchof zu Trier genannt; Bifchof zu 
Mes feit dem 3. 1090, flarb er 1103. Matilde, eines Grafen 
von Are Tochter, bat die Herrfchaft Laach, Die nachmalen fer 
genannte große Pellenz, ererbt und. ihren Rachfommen hinter 
kafien. Bon ihrem Gemahl ift noch zu bemerfen, daß ihm, ale 
K, Heinrich TIL zu Frankfurt gefährlich erkrankt Darniederlag, 
bie Großen die Nachfolge im Reich zugedadht hatten. Pfalz- 
graf Heinrich befaß u. a, die Vogtei der Abtei Cornelismünſter, 
und von wegen des St. Serpatiusftiftes zu Maaftricht Die Vogtei 
bes Dorfes Güls bei Eoblenz, fo er regelmäßig an Lntervögte 
‚zu Lehen gab. Bon den Bebrüdungen, welde dieſe fi) erlaubten, 
und den über fie yerhängten Himmelsſtrafen ift Abth. II. Bd. 2, 
S. 189—190 Rebe gewefen. Für ihre Frevelthaten wollte man 
aber den Lehensherren verantwortlich machen, und foll des Pfalz⸗ 
grafen Wahnſinn eine Züchtigung für das an der Same des 
h. Servatius verübte Unrecht ſeii. 

Der ältere Sohn des unglücklichen Pfalzgrafen, wie der 
Vater Heinrich genannt, befand ſich noch nicht in den Jahren, 
um das von dieſem befleidete Amt übernehmen zu können, bie 
pfalzgräflide Würde wurde daher an einen Hermann gegeben, 


beffen Herkunft bis jegt ein Räthſel geblieben, nur daß Wend fie 


in dem Luremburgifchen Haufe zu finden glaubt. Die Gefchichte 
biefes Haufes erjcheint heute noch als ein ungebautes wüſtes 
Held; ich laffe deshalb Wende Annahme, daß Pfalzgraf Hermann 
ein Sohn des Grafen Friedrich I. von Luremburg, dahin gefellt 
fein, und begnüge mich , auf biefes Hermann nahe Verwandi⸗ 
Schaft mit der Luremburgifchen Linie, welcher Graf Hermann 
von Salm entfproffen, aufmerffam zu machen. Weit entfernt, 
ber politifchen Richtung des Gegenfönigs. fih anzuſchließen, 
machte Pfalzgraf Hermann fich bemerfbar durch die entfchiebenfte 
Anhänglichkeit für das fränkische Kaiſerhaus; verlobt mit der 
Tochter Rudolfs von Schwaben, entjagte er dieſer Berbinbung, 
ſobald Rudolf mit K. Heinrich IV. zu Streit fam, und ſtatt ber 


Pfalzgraf Hermann U. 389 


Jungfrau von Rheinfelden führte er eine Wittwe beim, bes 
Grafen Otto von Orlamünd Tochter Adelheid, die in erſter Ebe 
mit Graf Adalbert von Ballenflädt verheurathet gewefen. Ziem⸗ 
lich befahrt vielleicht, als er dieſe Ehe einging, ift der Pfalzgraf 
kinderlos geblieben, es fel denn, baß die beiden Brüder, Graf 
Heinrih von Salm und Graf Otto von Nheined feine, und 
sit, wie man gemeiniglid dafür hält, des Könige Hermann 
Söhne geweſen find. Auch von Hermanns Verrichtungen if 
wenig -auf ung gefommen. In einer Urkunde K. Heinrichs IV: 
vom 15. April 1064 wird er bereits als Comes palatinus und 
zugleich als Bogt der Abtei Cornelismünfter aufgeführt, Nach 
einer andern Urkunde des nämlichen Kaiſers vom 8. Aug. 1065, 
beſaß er eine Grafſchaft in dem Gau Weftphalen. Nad einer 
dritten Urfunde vom 16. Oct. 1065 übte er auch das Orafenamt 
in dem Ruhrgau. Er verhalf vor 1079 der Abtei Branmweiler 
zum Wiederbefige bes Gutes Clotten, gleichwie er 1082 der 
Abtei Deuz einen Wald in dem Kirchfpiel Remagen, den er in 
Gemeinſchaft mit dem Föniglichen Fiseus befaß, ſchenkte: er war 


demnach in der Nähe von Remagen begütert, vielleicht daß bie 


Burg Rheined fein Eigenthum gewefen. Bon feinem Ende, 1085, 
fhreibt Berthold, in der Fortſetzung von des Hermannus con- 
tractus Chronif: ‚‚Palatinus comes Hercmannus et Otto Con- 
stantiensis Episcopus ex parte Heinrici absque ecclesiastica 
eöhmunione miserabiliter periere.“ 

Mögen Bettern, mögen Söhne den Pfalzgrafen Hermann 
beerbt haben, feiner von ihnen folgte in der pfalzgräflichen 
Würde, welche vielmehr an Heinrih HI. von Laach gelangte: 
Diefer Beinamen und ber Befig der Herrfchaft Laach bilden den 
triftigken Beweis, daß ber jüngere Heinrih ein Sohn Hein» 
richs L und der Gräfin Matilde. In der Urkunde des Erzbiſchofs 
Udo von Trier, 1075, heißt es: ‚Signum Henrici comitis de 


Lach.“ In der Schlacht an der Eifter den rebelliſchen Sachen 


geliefert, 15. Det. 1080, befehtigte Heinrich von Laach den einen 
Flügel des Faiferlihen Heeres, und ſchon hatte er, die Flucht 
bes feindlichen Flügels, mit welchem er zu Kampf gefommen, 
ſchauend, ein danfendes und freudiges Ayrie Eleyson ans 


‘ 





N plaidt. 


geſtimmt, als Otto von Nordheim, bie Berfolgung des geſchlagenen 
Flügels der Kaiſerlichen aufgebend, der Schlacht eine andere 


Wendung gab und letzlich den Sieg der Sachſen entſchied. Fort⸗ 


geriſſen durch die Flucht, büßte Heinrich fein geſamtes koſtbares 
Geräthe ein. Zur Pfalzgrafichaft gelangt, ohne Kinder in feiner 
Ehe mit Frau Adelheid, befchenkte er Kirchen und Klöfter, unter 
andern 1088 das neugefliftete Kloſter St. Niclafen zu Romburg, 
bei Schwäbtfh« Hall, mit einem Antheil an Kreglingen u. f. wm; 
er ftiftete auch) 1093 in der Nähe feiner Burg Laach, doch auf 
ber entgegengefegten Seite des Sees, das berühmte gleichnamige 
Kiofter , zu deſſen Unterhalt er die Ortfchaften Kruft, Benberf, 
Heimbach, Beil, Alfen, Rieden und den Hof Wildenberg widmete. 
Unter den Zeugen ber Stiftungs⸗Urkunde, worin Heinrich als ‚Dei 
gratia comes palatinus Rheni et dominus de Lacu‘“ aufgeführt, 
wird unmittelbar nad) dem Erzbiſchof von Trier, „„Sygefridus pri- 
vignus meus,‘“ aufgeführt. Jener dem Stifter beigelegte Titel, 
palatinus Rheni, ift für Lenz, Hist. de Limbourg, II. 24, eine 
der Punkte, um derentwillen er die Aechtheit der Stiftungsurfunde 
von Laach beftreitet. Der verbädtige Titel findet fich aber. nicht 
nur im Eingang ber Urkunde, fondern auch auf dem Siegel, 
bei Günther, Tab. IV., it zu leſen: Menric comes Palatinas 
Rheni et dns de Lacu, gleichwie es auf dem Siegel des zweiten 
Stifterd der Abtei Laach, des Pfalsgrafen Siegfried, Heißt: 
Sigifrid, Francorum Rheni comes Palatinus. Bon ganz anderer 
Deveutung jedoch wie die Ausfepungen um ben Titel find des 
Limburgifchen Gefchichtichreibers Einwürfe gegen. die Zeugen, 
nicht nur in Hinfiht der Qualificationen, fondern au der Per 
fonen. Unter diefen Umftänden ſollte es von Wichtigfeit fein, 
fo die Urſchrift der Urkunde einer genauern Prüfung unterworfen 
werden koͤnnte, allein fie ift mit ben werthvollſten Dorumenten 
bes Archivs von Coblenz nad) Berlin gewanbert, wo fie, fern von 
allen, die zu einem nüglichen Gebrauche fie verwenden Fönnten,. 
fern von allen Mittefn zu einer kritiſchen Beleuchtung, unter der 


Maſſe der übrigen Seripturen bes Föniglichen Archivs verſchwinden. 


Heinrih wäre demnach ber erfle gewefen, den Titel eines 
Pfalzgrafen bei Rhein zu führen; fonder Zweifel iſt ihm Feine 


Pfalsgrif Heinrich II. so 


Ahnung geworden ber Flut von Anfprücden, welche er mit biefer 
Benennung den fpätern Pfalzgrafen binterlaffe. Auch eine andere 
Zufälligfeit feines Lebens haben fleißig die Pfaͤlziſchen Publieiſten 
ausgebeutet. Ihn beitellte nämlich K. Heinrich IV., im Begriffe 
eine abermalige Römerfahrt anzutreten, zu feinem Bicarius, 
vielleicht für die einzige Abtei Echternadh (Urkunde der Abtei 
Echternach von 1095); es hätte diefelbe Beflallung jedem ans 
dern Großen ertheilt werden können, daß aber der Kaiſer den 
Pfalzgrafen von Aachen vorzog, biefes gilt den Pfälzifchen Scri⸗ 
benten als unumfößlicher Beweis, daß das Reichsvicariat einzig 
und allein dem Pfalzgrafen gebärte. Der Beweis will ınir nicht 
einlenchten, wiewohl ich zugeben muß, dag die Thatfacdhe, miß⸗ 
verflanden und gefliffentlich mißdeutet, auf die Bildung eines 
Herkommens, biefes eigentliche Grundgeſetz für Deutfchland, 
weientfihen Einfluß geübt haben kann. Heinrih farb ben 
12, April 1095. ‚‚Henricus etiam palatinus comes ‚‘“ ſchreibt 
Berthold: von Eonflanz, ‚‚multum et ipse dives sed Apostolicae 
sedis non adeo obediens, viam universae terrae arripuit, divi- 
tiasque multas a multis sibi inutiliter diripiendas reuiquit.““ 
Seine Ruheftätte fand er in der Kiofterfirche zu Laach. Zwei 
Sahrhunderte fpäter Tieß Abt Theoderich von Lehmen die Ge- 
beine erheben, „et in tumba honesta““ verſchließen, „et ejus 
imaginem formari fecit, et altare ad caput ejus, quod constabat 
in universo 25 marcas bone monete.“ Tumba und Bild, diefes 
weit über Rebensgröße, find noch vorhanden, und hält der Abs 
gebilbete mit der einen Hand eine Kirche, die jedoch Feine Aehn⸗ 
fichfeit mit dem heutigen Prachtbau bietet. Des Pfalzgrafen 
Hifthorn, welches der nämliche Abt in Silber faflen ließ, in der 
Abficht, um es hierdurch, als einen Gegenftand von materieflem 
Werth, dem Kloſter zu erhalten, iſt vorlängfi verfommen. Die 
‚Gemahlin des Pfalzgrafen, Adelheid, fimb ben 28. März 1100, 
nad) dem Zengniß ded Annalista Saxo: „„Adela sive Adelheidis. 
Palatina, Romam pergens, defuncta est. Haec et soror ejus Cuni- 
yanda filiae erunt Adhelae Marchionissae ex Ottone Marchione.“* 

Adelheid, dur des Pfalzgrafen Hermann Abfeben zum 
andernmal Wittwe, fcheint Heinrich fich gefreiet zu haben, bamit 


508 Ylaidt, 


er deſto ficherer das Ziel feines Ehrgeizes, die Wiedereinfegung in 
bie von feinen Bätern befleidete Würde erreiche, Frau Adelpeid,. 
als welche auch dem dritten Gemahl überlebte, befchenfte 1099, in 
Gegenwart und mit Willen ihres Sohnes erfler Ehe, des Sieg 
fried von Ballenftädt, St, Georgen bes heiligen Ritters Stift 
zu Limburg an der Lahn mit ben Gütern, die ihrem Capellan 
Mangold in fen und Meud angewiefen worden ; ich gedenle 
biefer Verhandlung, als eines unumflößlichen Beweiſes von 
Adelheidens Ehe mit Pfalzgraf Hermann, „‚domnique mei Heri- 
“manni“, ber folglich nicht, wie Crollius annahm, des Pfalz 
grafen Heinrich A. Vatersbruder fein konnte. Weber ihre brei 
Ehemänner foheint Adelheid das Regiment geführt zu haben; 
von ihrem Einfluffe auf Heinrich II. wenigftend zeugt der Ums 
ſtand, daß dieſer fi) genöthigt fah, feinen Stiefiohn, den mehr 
mals genannten Siegfried von Ballenftädt zu feinem Haupterben 
zu ernennen, Nach der Zeiten Befchaffenheit mußte eine folde 
Befimmung vielfältige Anfechtung finden, wie das namentlid' 
fih ergibt aus des Mönches Berthold von Conſtanz Phrafe: 
„divitiasque multas a multis sibi inutiliter diripiendas reliquit“. 

Waren aber des Verſtorbenen Güter Bielen ein Gegenſtand 
ber Degehrlichfeit, fo bublten nicht minder der Großen mehre 
um die erledigte Würde. Wenn auch KR. Heinrih V. äußert: 
„post mortem vero praedicti Palatini Comitis Henrici Sige- 
fridus, qui ei in comitatu Palatü successit“, auch K. Kons 
rad IN. in einer Urkunde um Bendorf 1138 fehreibt ; ‚post 
morten vero praedieti Comitis Palatini Henrici . . . deinde 
aliquanto tempore elapso Sigifridus Palatinus, qui praefate 
Comiti in Palatii Comitatu successit““, fo fommt doch den 11. 
Jul. 1097, dann .1098 ein Pfalsgraf Heinrich vor, ber unges 
zweifelt dem Luxemburgifchen oder Limburgifchen Haufe ange 
hörend, feiner Verwandtſchaft mit Hermann I. die Erhebung zu 
folher Würde verdankte, und 1103 fagt Friedrich von Staufen, 
der Herzog von Schwaben, indem er zu Handen des St, Peters⸗ 
Flofters in Würzburg dem dafigen Bifchof einige Lehen übergibt, 
er thue dieſes „causa salutis animae fratris mei Ludewiei Pa- 
latini Comitis“. Es mögen diefe Erfcheinungen in dev grenzen 





Pfalzgraf Siegfried. 505 


loſen über Deutichland gekommenen Verwirrung ihre Erflärung 
finden. Indeſſen glaube ich Niemanden zu beeinträdtigen, wenn 
ich in Siegfried von Ballenftädt, dem Haupterben ber ausgedehnten 
Yalzgräflichen Befisungen,, zugleich den legitimen Pfalzgrafen 
erfenne. Laut der Annalen des Kloſters Laach z0g Siegfried 
1096 mit Gottfried von Bouillon aus zur Eroberung des hei⸗ 
ligen Landes, er muß aber gleich nad der Eroberung von 
Serufalem den Heimweg angetreten haben, indem er unter den 
Zeugen einer am 9. Nov. 1099 von dem Bifhof von Speier 
gegebenen Urkunde genannt wird. Als K. Heinrich IV. die Stif- 
tung von St. Stephans Zelle auf dem Abrind- oder Heiligen» 
berg, gegenüber Heidelberg, beflätigte, heißt es, folches gefchehe 
auf Bitten der Fürften des Reiches , von denen doch, nach den 
Bifhöfen, nur die Pfalzgrafen, Friedrich, zu Sachen, und Sieg- 
fried genannt werben. 

Gegen den Vater fi erhebend, zählte der nachmalige K. 
Heinrich V. auf den Pfalzgrafen Siegfried, als weicher ihm den 
Hebergang des Rheins zu erleichtern, fich anheifchtg gemacht hatte, 
Geiwonnen, „mercede correptus“, nachtraͤglich durch den Vater, 
wendete im Gegentheil Siegfried alle feine Kräfte an, um diefen 
Vebergang zu verhindern, und zwar mit. folhem Erfolg, daß 
Heinrich V. bis Würzburg, endlich bis Regensburg weichen 
mußte. Die von allen Seiten zuftrömenden Berflärfungen fegten 
ihn jedoch in den Stand, bie DOffenfive wiederum zu ergreifen, 
bis an den Rhein vorzudringen und am 1. Nov. 1105. fih der 
Stadt Speier zu bemädtigen. Für die Weihnachten fihrieb er 
nad Mainz einen Reichstag aus, den zu hintertreiben, wendete 
Siegfried, nach des alten Kaifers Befehl, ven äußerſten Fleiß 
an, daß der junge König in Eile Burgund, wohin er vor« 
läufig fich gewendet hatte, verlaffen mußte, um feine Erfolge 
im Rheinthal zu vervollfländigen. Heinrih V. gelangte nad) 
Mainz, wie eben Siegfried und Graf Wilhelm von Luremburg, 
denen ber Kaiſer zu folgen gedachte, ben Hundsrüden hinanzogen, 
In den Engpäffen des Soonwaldes trat ihnen der junge König 
mit überlegenen Streitkräften entgegen, daher fie zu eiligem Rüds 
zug nad) der Moſel ſich gendthigt fahen, Bis Coblenz wurden 

Rhein, Antiquarius, 3. Abth. 2. Bd. 38 


’ 


504 Plaidi. 


ſie verfolgt. Es iſt dieſes der Schlußact in dem Leben Hein⸗ 
richs IV. geworben, als welcher, "entmuthigt durch die unerwartete 
Wendung des Feldzuges, fich ſelbſt dem Sohne überlieferte. 
Großvogt der Trierifchen Kirche, wohnte Siegfried der 1107 
in Trier abgehaltenen Synode bei, und wurde bei biefer Gelegen⸗ 
heit über die Begründung der Abtei Springiersbach eine fehrifte 
liche Urkunde aufgenommen, der Pfalzgraf aud zum Bogt ber 
neuen Stiftung beftellt. Zu Anfang des 3. 1109 lieh Heinrich V. 
ihn zu Frankfurt verbaften, und nah Würzburg bringen, weil 
er, wie Herzog Heinrich von Nieder-Lothringen ihn befchufbigte, 
den Raifer um Krone und Leben zu bringen getradhtet habe, Er 
muß aber noch im Laufe des 3. 1110 aus der Gefangenschaft 
entlaffen worben fein, da er bes Erzbifchofs Bruno Urkunde vom 
4. Aug. 1110, die Stiftung eines Hospitals zu Coblenz befräfs 
tigt bat. Um die VBerföhnung zu feiern, wollte fogar ber Kaiſer 
bei einem von Siegfried Söhnen Pathenſtelle vertreten. Der 
kaum bergeftellten Eintracht that: jedoch zeitig Eintrag der Tod 
des Strafen von Weimar, Ulrichs des Jüngern, 13. Mai 111% 
Deften Erbfehaft nahm, als nächſter Agnat, der Pfalzgraf in 
Anfprud , während der Kaiſer nit nur die Lehen einzog, fon 
bern auch durch ben Spruch eines Fürftengerichtes bie Allodien 
fich zuerfennen ließ. Der Zwift fhlummerte noch, als Siegfried, 
eingebenf der von dem Stiefvater in feiner legten Kranfheit ihm 
auferlegten Berpflichtung, ſich anſchickte, dem Kloſter Laach ein 


zweiter Stifter zu werden. Bon ber Kirche hatte nämlich Heine 
rich mehr nicht als die Grundmauern. zu Stande bringen fönnen, 
es war auch von den Stiftungsgütern manches abhanden gekom⸗ | 


men. Um biefem Testen Uebelftande abzuhelfen, beflätigte der 


Pfalzgraf die urfprüängliche Schenfung der Ortſchaften Kruft, mit 
der Kirche, Bell, Rieden, Alfen, Wildenberg, dann fügte er 
berjelben hinzu die vier ritterlichen Meinifterialen in Kruft, und 
bie in Brabant, in der Nähe von Tier belegenen, von feiner 
Großmutter, der Gräfin Adela von Löwen ererbten Güter Ober 
hof und Meyle. Er ließ ferner die Burg Laach, durch welde 
bie Sicherheit bes Kloſters gefährbet werden konnte, fehleifen, 


| 


verordnete, daß Laach jederzeit mit bem in Brabant, unwei | 


Pfalsgraf Siegfried. 508 
Helft belegenen Kiofter Affligem einen gemeinfchaftlichen Abt habe, 


„ea videlicet consideratione,, nt quia uterque locus in allodıo 
meo situs erat““, und bedingte fi und nach feinem Ableben 
einem feiner Söhne das Vogteirecht, welches auch immerdar bet 
feinen in der Nähe belegenen Gütern verbleiben follte, nur daß 
es den Mönchen freigegeben, "unter mehren Erben denjenigen. 
mit der Vogtei zu befleiden, welden fie dem Gotteshaufe am 
zuträglichften erfennen würben. Zu mehrer Sicherheit erbat fich 
endlich Siegfried für die neue. Stiftung die faiferliche Beftätigung, 
bie auch Heinrich V. am 25. Aprif 1112 ertheilte, 

Solche Willfährigfeit von Seiten des Monarchen fonnte 
jedoch Teineswegs den Pfalzgrafen wegen des in Anfehung ber 
Weimariſchen Erbſchaft ihm angethanen Unrechtes befhwichtigen, . 
Seine Klagen widerhallten durch ganz Sachſen, und erwarben 
ihm zuerſt die Fürfprache, und als fie unbeachtet blieb, ben 
bewaffueten Beiftand der mächtigſten Großen, fo daß der Kaiſer 
fih gemüßigt ſah, dem tobenden Aufruhr ein Heer entgegenzus 
fielen. Hornburg und. Halberftadt hatte er genommen, und Pfalz« 
sraf Siegfried, Graf Wiprecht von Groitzſch und Graf Ludwig 
von Thüringen faßen zu Warnftätt, in Berathungen fi) ver« 
tiefend, wie dem SKaifer zu widerftehen fein möchte, Bon ihrer 
unfruchtbaren Befchäftigung und von ihrer blinden Sicherheit 
börend, fuhr unter fie Graf Hofer von Mangfeld, und war auch 
Ludwig von Thüringen fo glüdlih, zu entlommen, fo wurde 
bagegen der Graf von Groigfch nach kurzem Gefecht gefangen, 
der Pfalzgraf aber dergeftalten verwundet, daß er am 9. ‘März 
1113 den Geiſt aufgab. Laut des Stiftungsbriefes von Laach 
batte er die daſige Kirche zu feiner Begräbnißpftätte ſich auser⸗ 
fepen, diefer Wunfch ging aber nicht in Erfüllung: er ruhet zu 
Herren-Breitungen, in der Kirche des Benedictinerfloftere. Der 
Raifer äußerte Iebhafte Freude, daß er bes gefährlichen Feindes 
ledig geworben, und es wurbe noch viel geftritten, viel verhans 
beit, bevor die Kinder des Erfchlagenen die Nachfolge in ben väter⸗ 
lichen Befigungen erlangen fonnten, Bon diefen Kindern Fennt 
man nur die Söhne Wilhelm und Siegfried, in der Ehe mit 
der Gräfin Gertrubis son Nordheim, einer jängern Schweſter 


38 * 





BU Plaidt. 


ber Kaiſerin Richenza, geboren. Wittwe geworden durch Sieg— 
frieds Fall ging Gertrudis die zweite Ehe ein mit jenem Dito 
son Rheineck, der. weiter unten als einer der Bewerber um bie 
Pfalzgrafſchaft vorfommen wird. Für jest wurde bie erfebigte 
Würde einem Liebling des Kaifers, dem Grafen Gottfried yon 
Kalm, an der Nagold, zugetheilt. - 

Gottfried muß unmittelbar nad Siegfried Tode zu feinen 
Nachfolger ernannt worden fein, denn eine Urkunde K. Hein 
richs V. vom 6, April 1113 nennt als die vornehmften unter 
den gegenwärtigen weltlichen Fürften die Pfalzgrafen Gottfried 
und Manegold. Die Anhänglicfeit für das Faiferliche Haus, 
welcher Gottfried feine jüngfte Erhöhung verdankte, beftimmte 
ihn zugleih, an allen unruhigen Bewegungen während der zwei 
ten Hälfte der Regierung Heinrichs V. den Tebbafteften Antheil 
zu nehmen, Sn Gefellfchaft des Herzogs Friedrih von Schwaben 
behauptete er die Stadt Worms gegen den Angriff der conföde 
rirten Fürften 1116, er wirkte auch entfcheidend zu der Demüs 
thigung des Erzbifchofs von Mainz 1117, wogegen bie zu Anfang 
bes Juli 1118 in Eöln abgehaltene Synode ihn mit dem Banne 
belegte, ein Ausſpruch, welchen bald darauf die Synode yon 
Fritzlar wiederholte. Auf ber andern Seite gab die von dem 
Kaifer verfügte und ihm aufgetragene Reftitution des von feinen 
Mönchen verfagten Abtes Bruno von Lorfch ihm Gelegenheit zu 
wichtigen Erwerbungen. Gottfried „Palatinus Rheni Comes“ 
übereilte fich nicht, die Faiferlichen Befehle zu vollſtrecken. Den 
Trägen zu fpornen, machte Abt Bruno fih verbindlich, alle 
während feiner Regierung eröffnete Lehen dem Pfalzgrafen zu 
übertragen. Diefer Zufage verdankte Bruno die Wiedereinfegung 
in den vorigen Stand. Es ereignete fih, daß fieben edle Stifte: 
vafallen hintereinander mit Tod abgingen, und alle fieben Fahnen 
lehen vereinigten fi) zu Handen des Pfalzgrafen, der hierdurch 
unumfchränfter ©ebieter über die gefamte Kriegsmacht jener 
fürftenmäßigen Abtei geworden iſt. | | 

Das Concordat vom 23. Sept. 1122, und die darin aus 
Befprochene Verſöhnung des Papftes und des Kaifers trägt, neben 
andern Unterfchriften, jene von Godfridus Palatinus Comes. 


Pfalzgraf Gottfried. 897 


Eine fpätere Urkunde K. Heinrichg V., vom 7. Mat 1125, handelt 
son Gemwaltthätigfeiten, durch Gottfried gegen bie Abtei St. Maris 
min verübt; er wird verurtheilt, die ihr entzogenen Ortfchaften 
Gondershaufen, Mandel, Norheim, Holzhaufen, Schweppens 
haufen, Boſenheim, und die Kirchen Welftein, Albih, Wolfe 
beim, Haufen und Weinheim dem rechtmäßigen Eigenthümer 
. jurüdzugeben, Diefer Verhandlung überlebte der Kaifer nur 
furze Zeit, an feine Stelle trat Lothar von Süpplingenburg, ein 
Fürſt, der in jüngern Jahren des Pfalzgrafen Siegfried unwandel« 
barer Berbündeter gegen den Kaifer gewefen, der auch, als ber 
Richenza Gemahl, der Oheim von Siegfrieds Kindern geworden, 
es ſcheint jedoch nicht, daß Gottfried darum eine Anfechtung zu 
erleiden gehabt hätte, vielmehr behauptete er immer noch ein 
gewiffes Anfehen am Hofe, wie er denn namentlid in zwei der 
Abtei St, Blafien am 2. Januar 1126 ausgefertigten Föniglichen 
Briefen, und wiederum am 20. Januar 1129 unter den Zeugen 
genannt wird. Bon dem an gefchieht feiner nicht weiter Ers 
wähnung ‚; daß er alfo wohl im Laufe bes 3. 1129 mit Top 
abgegangen fein möchte. Gewiß if, daß Kaifer Lothar ihm über- 
febte. In dem Mofelland und in Ripuarien, in den Bauen, 
wo die eigentlichen pfalzgräflichen Befigungen fih befanden, hatte 
Gottfried niemals viel zu fagen gehabt, vollends ging er dort 
alles Einfluffes verlufiig, nachdem durch die allgemeine Paci⸗ 
firation von 1122 den Söhnen des Pfalzgrafen Siegfried dag 
päterliche Erbe zurüdgegeben worden, 

Einem fait accompli hat K. Heinrih V. felten die Ans 
erfennung verfagt, darum auch zugegeben, daß von Siegfriebs 
Söhnen der ältere, Wilhelm, mit dem Territorialbefig der frühern 
Pfalzgrafen auch. ihren Titel verbinde, „Rumore etiam nuntiis- 
que ad me perlatum est, Wilhelmum Palatinum , Sigefridi 
filium, armatorum globo septum, istuc in vestralem agrum pa- 
rare jam eruptionem ‚“* fohreibt im Frühjahr 1125 der Kaiſer 
an den Erzbifhof von Trier. Es fann daher nicht auffallen, 
wenn unter den Zeugen, der Urfunde vom 20. San. 1129 uns 
mittelbar nach Pfalzgraf Gottfried „,F’ilhelmus Comes Palati- 
rus““ genannt wird. Als Wilhelm noch ein Knabe, und fein 


"508 | Pluaidt. 


Eigenthum in Ripuarien wie in Thüringen der Gefahr aut 
gefeßt, von bem koͤniglichen Fiseus verfchlungen zu werben, hatte 
er einen tapfern Bertheidiger an feines Vaters Bruder, an dem 
Grafen Dito von Ballenftädt gefunden. Darum fagen bie Ardi- 
Diaconen der Trierifchen Kirche in einem an den abwefenden Erz | 
bifhof gerichteten Schreiben, Taut deffen ber bis zu Oftern 1118 | 
mit den conföderirten Kürften verabrebete Stillſtand in einen 
Bandfrieden verwandelt werden follte, es habe Otto von Ballen 
Fädt den Stillftand angenommen, aud) „per omnia sua castra 
stationesque‘“ ihn verfündigen laſſen. Otto flarb 1123, nad 
Oſtern, und an feine Stelle trat, auch in Bezug auf den bem Pfalz 
grafen Wilhelm zu gewährenden Schuß, fein berühmterer Sohn, 
Albrecht der Bär, der Markgraf zu Salzwedel oder Brandenburgs 
der Streit um das Beſitzthum des Mündels war freilich erledigt, 
aber eine Oberaufſicht dieſes Beſitzthums übte Albrecht noch 
längere Zeit, wie bezeugt durch die bei Gudenus I. 396 auf 
bewahrte Nachricht von der Schenkung der thüringifchen Burgen 
Bleiben und Mühlberg an die Mainzer Kirche: „‚eastra 
Gliche et Muleburch, cum universo monte, qui dicitur Rebere, 
et -Breidenide, quod dedit Palatinus Wilhelmus, et mater ejus, 
annuente Marchione Adalberto.“ 

In der Wahl, welche der verwaifeten Trierifhen Kirche 
einen Oberhirten geben follte, 1131, bot Wilhelm, ald Großvogt 
diefer Kirche, allen feinen Linfluß auf, um die Stimmen ber 
Wähler dem Grafen Gebhard von Henneberg zuzumenden, gleiche 
wohl unterlag fein Client dem höhern Berdienfte Adalberog von 
Montreuil. Im J. 1136 verfshenkte Wilhelm einen Theil des 
Waldes Eontel an das Kloſter Springiersbach, deffen Güter er 
zugleich von jeglicher Zollabgabe bei feiner Burg Cochem befreite, 
Sn dem Siegel heißt es: Willelm. Comes. Palatin. de. Rene. 
Ungeachtet feiner nahen Berwandtfchaft mit Herzog Heinrich yon 
Bayern und Sacfen befand der Pfalzgraf fih unter den Für 
Ren, welche durch die zu Coblenz am 22. Febr. 1138 vor 
genommene Königswahl den Angelegenheiten des Reiche eine 
durchaus veränderte Richtung gaben; für Konrad HIE. mußte 
des Pfalzgrafen Mitwirkung zu feiner Erhöhung ein höchſt wich⸗ 








Pſalzgref Wilhelm. | zoo 


tiges und erfreuliches Ereigniß fein, nach dem außerordentlichen 
Anſehen zu ſchließen, deſſen damals Wilhelm genoſſen zu haben 
ſcheint. Eine der Abtei St. Blaſien ausgeſtellte Urkunde des 
neuen Koͤnigs hat er alas der erſte aller weltlichen Fürſten 
unterzeichnet, und demnach Rang genommen über Vodalricus 
dax Boemiae, Kridericus dux, Conradus dux Burgundiae, 
Adelbertus marchio etc. Zu Richtmeflen 1140 befand er ſich 
am Faiferlichen Hoflager, er wird auch noch unter ben Zeugen 
einer daſelbſt am 5. Febr. der Abtei Stablo gegebenen Urfunbe 
genannt, überlebte aber biefer Verhandlung, wie es fcheint, nur 
um acht Tage. Es heißt nämlich in dem Nefrolog von St. Maris 
min, der zwar, wie alle ähnliche Gedächtnißtafeln, nicht immer. 
um Tage, ia felbft Dionate, buchſtäblich zu verfiehen: Jdus Febr. 
Wilhelmus Comes Palatinus. 

Der Pfalzgraf flarb unvermählt, und es zog ber Kaiſer 
. Lehen und Allodien an fi, wie Konrad BEL. ſelbſt 1144 bezeugt:. 
„quod defuncto bonae memoriae Wilhelmo Palatino Comite, 
omnia ejus allodia justis modis in regni proprietatem jure. 
devenerunt.““ Nur die Graffchaft Orlamünd gelangte an Mark⸗ 
graf Albrecht den Bären, als nächfter Agnat, dann hatte Wil⸗ 
- beim, fterbend, dem Klofter Springiersbach, wo er feine Grabes⸗ 
Rätte erhielt, ein reichliches Legat zugefiihert. Endlich wurde ' 
von Seiten der Grafen von Rheine ein mächtiger Aufprucd zu 
dem erledigten pfalzgräflichen Erbe geltend gemacht. Es hatte 
nämlich, wie bereits berichtet worden, bie Wittwe bes Pfalzgrafen 
Siegfried., Gertrudis, in dem Grafen Otto von Rheined den 
weiten Gemahl gefunden, etwa 1123. -Der kinderlofe Abgang 
ihres Sohnes erſter Ehe, des Pfalzgrafen Wilhelm, bewog Ger- 
teuden, in dem Sobne ihrer zweiten Ehe deſſen nächſten Erben 
zu erbliden. Das gemeine Recht, deffen Anwendung auf bem 
linfen Rheinufer niemals gänzlich aufgehört hat, begünſtigte 
den Anſpruch des Stiefbrübers: auch die öffentliche Meinung 
entſchied fi für ihn, wie daraus hervorgeht, daß bie Abtei Laach, 
von bein in ber zweiten Stiftungsurfunde ihr verliehenen Recht 
Gebrauch machend, fi) den Grafen von Rheine zum Schirmvogt 
wählte, es wurde nicht minder am Ende ein anfehnlicher Theil ber 


800 Plaidt. 


erlebigten Beſitzungen dem. jüngern Otto von Rheined zu Theil; 
Die pfalzgräflihe. Würde mag er, oder der Vater, ebenfalls ſich 
verheißen haben, nicht von wegen. der Nachfolge im Befigthum, 
fondern vielmehr wegen der Rechte des den Grafen von Rheined 
fo nahe befreundet gewefenen Pfalzgrafen Hermann 1. 

Aber nicht Otto von Rheineck, fondern Heinrich Jochſamer, 
der Bruder des Markgrafen Leopold V. von Oeſtreich wurde 
dur den Willen bes Kaiſers mit der Pfalzgraffıhaft befleidet. 
Geb. 2. Aprit 1114, hatte Heinrich als ein. jüngerer Sohn des 
Markgrafen Leopold des Heiligen mit. Medling und mehren andern 
Drten der Umgebung von Wien fi abfinden Laffen müſſen, zu 
böhern Dingen aber wurde er berufen, nachdem: fein Halbbruber 
Konrad von Staufen den Kaiferthron beftiegen hatte. Des Kai: 
fers Heinrich IV. Tochter Agnes war in erfter Ehe an den Herzog 
yon Schwahen, Friedrich von Staufen, in anderer Ehe an den 
öftreichifchen Markgrafen Leopold den Heiligen verheurathet. Zum 
Throne erhoben, zeigte fih Konrad III. vor allem der Brüder 
eingedenf, er vergab das dem Welfen Heinrich abgeſprochene 
Herzogthum Bayern an. den Markgrafen Leopold von Deftreid, 
ber jedoch, bevor der allgemeinen Unterwerfung des Landes 
manchen harten Strauß zu beftehen hatte. Hartnädig zumal war 
die Schlacht bei Weinsberg, 21. Dec. 1140, für feinen Bruder 
Heinrih ein Ehrentag und eine willlommene Gelegenheit, die 
kräftige Fauſt, das kühne Gemüth zu bewähren, derenthalben Otto, 
der fromme und gelehrte Biſchof von Freiſingen, ebenfalls Leo⸗ 
polds V. Bruder, ihm Zeugniß gibt. 

Bereits war Heinrich von dem Kaiſer mit der erledigten 
Pfalzgrafſchaft bekleidet worden, wie ſich das aus einer Urkunde 
von 1140, worin K. Konrad ber Stadt Aſti das Münzrecht bes 
vwilligt, erfeben läßt; Henricus Comes Palatinus*“ wird uns 
mittelbar nach dem Herzog Friedrich von Schwaben unter ben 
Zeugen genannt. Daß dieſer Aenricus aber der öſtreichiſche 
Marigraf, ift außer. Zweifel gefest durch eine andere Urkunde 
Konrads IH. d. d. Eöln, 14. Sept. 1141, worin es heißt: 
„üssensu fratris nostri Henrici Palatini“. Leopold V., der 
Marfgraf in Deftreih und Herzog in Bayern, ftarb kinderlos, 


Pfolzgraf Hrinrich Zochſamer. 0 


ben 18. Det. 1141. In der Markgraffhaft folgte ihm ohne 
Widerrede fein Bruder Heinrich, in Anfehung des Herzogthums 
ergaben ſich verichiedene Schwierigkeiten, welche zu befeitigen, 
ber Raifer feinen Halbbruder mit der Wittwe des am 20, Och, 
1139 verfiorbenen Herzogs Heinrich von Sachſen und Bayern 
vermählte. Ihr Sohn, ber dreizehnjährige Prinz Heinrich ent» 
fagte, zu Gunſten feines Stiefoaters, allem Anſpruch zu Bayern, 
lediglich das Herzogthum Sachſen fih vorbehaltend, und Hein⸗ 
rich von Deftreih wurde am 6. Mai 1142 von dem Kaifer mit 
Bayern belehnt. Dagegen firäubte fich heftig des jungen Prinzen 
Dheim, Herzog Welf, den Verzicht nicht anerfennend, für fi 
felbft ein Erbrecht zu Bayern forbernd, bewaffnete er die zahls 
zeichen Bafallen feines Haufes, und durch eine mächtige Partei im 
Bayern felbft unterftägt, trug .er feine Waffen bis in des Landes 
Herz. Des Kaiſers mächtige Hülfe wurde entfcheidend für den 
Streit; mit dem Fall dee für umüberwindlic gehaltenen Burg 
Dachau mußte Welf für jest alle Hoffnung eines gedeihlichen 
Ausganges aufgeben. 

Das ſchwache Band, welches Babenberger und Welfen für 
eine kurze Zeit vereinigte, loͤſete ſich mit dem Tode von Herzog 
Heinrihs Gemahlin. Eine Tochter des Kaifers Lothar und 
der Richenza von Nordheim, ſtarb Gertrudis den 18. Aprif 
1143, und abermals kam zu Ausbruch der beiden großen Haͤuſer 
Zwiſt, zumal Herzog Heinrichs Theilnahme bei ben ungrifchen 
Händeln dem Welfen die Ausficht eines mächtigen Beiſtandes 
eröffnete. Heinrich Jochſamer hatte dem ungrifchen Kronpräten« 
denten Boris verheißen, mit gewaffneter Hand zu feinem Recht 
ihm zu verhelfen. Gegen ben Nachbar fih zu fchügen, den Her⸗ 
308 Welf zu einer neuen Schilderhebung zu beftimmen, bewilligte 
ibm 8. Geyfa I. von Ungern eine bedeutende Geldunters 
Rägung. Welf fand Verbündete an dem Bifchof Heinrich von 
Regensburg und dem Markgrafen Ditofar von Steiermark: 
während er felbft den Kaiſer befchäftigen würde, follten bie 
Beiden Oeſtreich überziehen, damit Heinrich durch die Sorge für 
fein Erbland von einer thätigen Theilnahme bei den ungrifchen 
Wirren abgehalten werde, Dem Biſchof brachte bie Fehde wenig 


0. | pieidi. 


Heil, dem Markgrafen von Steier aber verſchaffte die von dem 
Herzog perſoͤnlich betriebene Belagerung von Regensburg, 1145, 
Gelegenheit, über einen Theil von Deftreich feine Berwüftungen 
auszubehnen. Ein Eleines Heer fand, die ungrifche Grenze zu 
beobachten, an ber Leitha. Der Feldhauptmann, Graf Rapoto, 
ließ ſich durch den Prätendenten Boris, ohne Borwiffen dee 
Herzogs, zu einem directen Angriff auf Ungern beſtimmen: unter 
dem Vorſchub einer ſtuͤrmiſchen Nacht nahm er in der Oſterwoche 
1146 Preßburg durch Leberfal. Geyſa, .mit dem in Eile ges 
fammelten Bolf, traf Anftalt, die Stadt zu belagern, und Ra 
poto, der von bem in Bayern genugfam bejchäftigten Herzog 
feine Hülfe erwarten durfte, gab fie freiwillig auf, gegen eine 
Entfchädigung von 3000 Mark, Diefes Geld zufamt den Zinfer 
zurückzufordern, bot König Geyſa feine 70 und mehr Comitate 
auf, und mit einer Kriegsmacht von 70,000 Mann näherte er 
fih über Altenburg der Leitha und ferner der Fiſcha. Durch 
bie Schnelligkeit feines Bordringens wurde ganz eigentlich Herzog 
Heinrich überrafcht, es hoffte dieſer aber durch Kühnheit die feinen 
Nüftungen abgehende Bollftändigkeit zu erfegen. Er warf fid 
auf ben Bortrab der Ungern, Biffener und Szekler wurden opue 
fonderliche Anftrengung verſcheucht, bie Hauptarmee Bingegen, 
unter bed Banus Beluſch Anführung, hielt Stand, und Heinrichs 
Nelerven, anftatt der Sclarhtlinie einzurücken, ergriffen die 
Flucht, die ihn ſelbſt fortriß (11. Sept. 1146). Arge Verwuͤſtung 
des Landes zwifchen Leitha und Fiſcha war hiervon bie Folge, 
aber die Kortfegung ber Fehde unterfagte St. Bernhards hin- 
reißende Beredſamkeit, daß Ehriſtenblut für jest nicht weiter 
vergoſſen wurbe. 

Herzog Heineih und fein bebarrlicher Gegner Welf fchloffen 
fich den Kreuzfahrern an, welche 1147 unter 8. Konrads Befehlen 
nah NAfien zogen, Heinrich ärntete Feine Lorberen, fand aber in 
Gonftantinopel eine zweite Gemahlin. Theodora Komnena, eine 
Druderstochter des Kaiſers Manuel, wurde ihm, ber in ber 
Heimfahrt begriffen, angetrauet 1149. Herzog Welf, Krankheit 
vorfhügend, war ſchon früher nad Europa zurückgekehrt, um 
mit König Roger von Sicifien bie Wiederaufnahme der Feind: 


Palsgraf Heinrich Jochſamer. 603 


ſeligkeiten gegen K. Konrad und ben Herzog. von Bayern zu 
verabreden. Die Einleitung dazu ging von Welfs Neffen, you 
dem Herzog von Sadfen aus. Heinrich der Löwe forberte von 
dem Kaifer Bayern als väterlices Erbe zurüd, wurde aber 
beihieden, daß nad. den Reichsgeſetzen die Bereinigung von 
zwei Herzogthümern in ber nämlichen Perfon unzuläffig ſei. 
Der König felbft, als ber Franfen Herzog, bat niemals ein 
weites Herzogthum befigen dürfen. Die Natur des beftrittenen 
Gegenftandes durch die Verſchmelzung von Bayern und Oeſtreich 
zu einem gemeinfamen Staate zu verändern, und alfo ben Ans 
ſpruch feines Stiefſohns Abzumeifen, ſcheint alles Ernftes Heine 
rich Jochſamer beabfichtigt zu haben, und führt er vermuthlich 
deshalb, aus dem Morgenland heimgekehrt, den Titel eines Dux 
Orientis ober. de Oriente, wie namentlich in einer Urkunde von 
1150, in dem Jahre alfo, daß Heinrich der Löwe und elf ben 
Anfang zu Feindſeligkeiten machten. 

Bei dem Angriffe auf die Burg Flochberg, zwifchen Nörde 
lingen und Bopfingen erlitt jedoch Welf Niederlage 1150, indem 
der junge König Heinrich von Speier zum Entjage herbeigeeilt 
war, und Heinrich Jochſamer hielt feinen Stieflopn eng blokirt 
in einer ſchwäbiſchen Stadt. Nicht als .ein Löwe, als ein Fuchs 
iR der Sachfenherzog von dannen entlommen, und hat er zu 
Braunfchweig Zuflucht geſucht, indeffen fein Oheim Welf des 
Kaiſers Gnade anriefe Der Anfpruh der Welfen ruhte, big 
dahin Friedrich I. den Kaiferthron beflieg. Bon dem Sohne 
einer Welfifchen Mutter erwartete Heinrih der Löwe größere 
Willfaͤhrigkeit, unumwunden forderte er Bayern, die frühere 
Entfagung auf diefes Erbe mit feiner Jugend, ber man ben 
Berzicht abgelockt babe, entfchuldigend. Im Det, 1150 brachte 
8. Friedrich die Klage vor die Reichsverſammlung zu Würzburg: 
da war der Sachfen Herzog erfchienen, fein Stiefvater blieb aus, 
in der Veberzeugung, Daß im Boraus gegen ihn entſchieden 
worden. Den nah Worms 1153 ausgefchriebenen Reichstag 
befuchten zwar beide Fürſten, aber Heinrich von Oeſtreich entzog 
fih der Uinterfuchung und weigerte fich, fein Recht zu vertheidigen, 
durch bie Einrede, daß in der Vorladung ein Fehler begangen: 


604 Plaidt, 


worden, und daß der Reichstag nicht, wie es Herkommens, id 
dem ſtreitigen Lande abgehalten werde. Der Einrede zu begegnen, 
wurde für den Sept. nach Regensburg Tagſatzung ausgeſchrieben, 
die aber eben fo fruchtlos ablief als der in der gleichen Anger 
legenheit nad) Speier einherufene Reichstag. Schließlich nad 
Goslar citirt, 1154, blieb Heinrih Jochſamer aus, und ber 
Kaiſer und die Mehrzahl der Fürften fprachen Bayern dem Sachſen⸗ 
berzog zu, den Befis fonnten fie aber damals um fo weniger 
ihm geben, da mehre Fürften gegen die Entfcheidung proteftirten. 

Friedrich I. zog nad Rom, die Kaiferfrone zu empfangen, 
und die Angelegenheit blieb unerledigt, bis er zu Ausgang bes 
Sommers 1155 nach Deutfchland zurüdfehrte. Sept, 13. Ort, 
1155, ertheilte er dem Herzog von Sachſen die Belehnung über 
Bayern, zugleich wurde Biſchof Otto von Zreifingen in Anfpruß 
genommen, auf daß er, als Vermittler einfchreitend, den Bruder 
bewege, der Ruhe von Deutfchland ein Opfer zu bringen. Otto 
yon Freifingen befaß die Gabe der Ueberredung, nicht vergeblid 
bat er an dem Bruder fie verſucht. Den Eindrud vervolfläns 
digte K. Friedrih in einer im Mai 1156 in der Nähe von 
Regensburg mit dem Herzog gepflogenen Beiprechung, und fonnte 
der Kaiſer am 17. Sept. 1156 verfündigen, daß er auf dem zu 
Mariengeburt in Regensburg abgehaltenen Reichstag den Streit 
zwifchen feinem Oheim, Herzog Heinrich von Deftreich, und feinem 
Neffen, Herzog Heinrich von Sachſen, das Herzogthum Bayern und 
die Marf an der Enns betreffend, dergeftalt gefchlichtet habe, daß ber 
Herzog von Deftreich ihm das Herzogthum und Die Mark refignirt, 
worauf er den Herzog von Sachſen, gegen Verzicht auf die Marl, 
mit Bayern belehnt habe. Damit aber fein Oheim an Ehren 
und Würden nicht gemindert werde, babe. er nach der Fürften 
Rath und Urtheil die Marfgrafihaft Deftreih und die gedachte 
Mark zu einem Herzogthum erhoben und damit feinen geliebten 
Oheim Heinrich, deffen edle Gemahlin Theodora und deren Nach⸗ 
kommen belehnt, zugleich auch diefes neue Herzogthum mit dem 
umſtändlich befchriebenen Rechten und Freiheiten begabt, aus 
befonderer Gunſt, theils für die neue herzogliche Familie, theile 
für das Land Oeftreich ſelbſt, welches als des heiligen Römifchen, 


Vfelzgtaf Seiutich Jochſamer. | 605 


Reiches Schild umb Herz erkannt werde, Seine Entfagung ſym⸗ 
boliſch auszudruͤcken, hatte der Herzog von Deftreih am 10. Sept. 
im Lager bei Regensburg die fieben bayerifchen Lehensfahnen 
Ansgeliefert, zwei berfelben. aber von Wegen ber Marf ob ber 
Enns zurüderhalten. > 

Im 5.1158 folgte der Herzog und Pfalzgraf dem Kaiſer zu 
der Belagerung von Mailand, gleichwie er demſelben eifrig zubielt 
in dem Zwift mit Papft Adrian IV. Im 3. 1166 unternahm er 
in Gefellfchaft feiner Gemahlin eine Reife nach Sardica, um den 
griehifhen Kaifer von feinen feindlichen Abfihten gegen Ungern 
abzufenfen. K. Stephan II. von Ungern war ber öftreichifchen 
Prinzeffin Agnes zum Bräutigam beftimmt. Da die Berwendung 
fruchtlos, unterflügte Heinrih 1169 feinen Schwiegerfohn gegen 
die Griechen. Auf dem Reichsſtage zu Regensburg 1174 vers 
wendete er ſich in großer Rebhaftigfeit zu Gunften feines Neffen, 
des böhmischen Prinzen Adalbert, welchen, als einen Anhänger 
des rechtmäßigen Papftes Alexander III. der Kaiſer des Erz» 
bisthums Salzburg entfegt hatte, ungeachtet der aus Deftreih ihm 
zugelommenen Hülfe, Jene Verwendung zu beftrafen, bot der 
Raifer die Streitkräfte von Böhmen, Steiermarf und Kärnthen 
auf. Herzog Sobieflaw II. von Böhmen eroberte die Stadt Rög, 
bie Kärnthner und Steirer richteten arge VBerwüflung im füblichen 
Deftreich an. Die nörblihe Grenze follte des Herzogs Erſt⸗ 
geborner, Leopold vertheidigen, ihm waren aber nicht die nöthigen 
Streitkräfte beigegeben, um dem Feind bedeutenden Abbruch, thun 
zu Tönnen. Dagegen verbrannte Herzog Heinrich die damals 
noch yon Steiermarf abhängige Stadt Enns, überhaupt focht er 
nicht unglüdlih gegen Kärnthner und Steirer. Mit dem Frühe 
jahr fielen der böhmifche Herzog Sobieflaw und ber mäbhrifche 
Fürft Konrad mit 60,000 Mann dem nördlichen Oeſtreich ein, 
und alles Land zwiſchen Donau, March und Theya war ihren 
Berwüftungen Preis gegeben, während Herzog Heinrich mit feinem. 
wenigen Volke faum das andere Donauufer zu behaupten ver- 
mochte. Auch 8. Bela 111. von Ungern ließ das Land an der 
Leitha verheeren, zur Rache für den Schug, welchen fein Bruder 
Beyfa in Oeſtreich gefunden. Der mancherlei Einbuße fich zu 





606 Piaidt. 


erholen, unternahm Heinrich 1177 einen Winterfeldzug, in der 
Vorausſetzung, daß Herzog Sobieſlaw und der mahriſche Fürk 
ihre Scharen noch .nicht vereinigt. haben würden. Bei Znaim 
geſchlagen, mußte er mit ber Flucht fich retten: eine Brüde brad 
unter ihm ein, mit famt dem Gaul in bie Tiefe geflürzt, hat er 
das Bein gebrochen. Drei Tage darauf, ben 13. Januar 1177 
ſtarb er. zu Wien, und faud er fein Grab in ber dafigen, 1159 
von ihm geftifteten Schottenabtei. Er hat auch zu Wien bie 
erfie Burg gebauet, überhaupt Städte und Schlöffer vielfältig 
verbeſſert und verfchönert. Aber ein Ereigniß von unberechen⸗ 
baren Folgen für die Weltgefchichte ift die von ihm ausgehende 
Begründung bes Herzogthums Oeſtreich. 

In der Palzgrafihaft war vorlängft Hermann von Stahled 
Heinrichs Nachfolger geworden, wie fehr auch dieſes zu hinter 
treiben die beiden Grafen von Rheineck, Bater und Sohn, fi 
bemüheten, Durch gewaltfame Berfuche, nach Ableben des Grafen 
Bertolf von Treiß ber Mofelburg Treiß ſich zu bemächtigen, hatte 
Dtto von Rheined, der Bater, bereits K. Heinrichs V. Ungnade 
ſich zugezogen. Der beftrittenen Feſte ihn zu entiegen, trat ber 
Kaiſer 1121 eine Heerfahrt an nah dem Mofellande, in deren 
Lauf er zu Treiß übernachtete. Im Unwillen über den Berluf 
einer Befigung, die er zu feinen Erbguͤtern rechnete, warb Otte 


- .. ber entfhiebene Anhänger des Kaiſers Lothar und des Faiferlihen 


Schwiegerfohnd, des Herzogs Heinrich von Bayern und Sachſen, 
befien Nachfolge im Reich von den wenigften nur bezweifelt 
wurde. Als jedoch nicht der ſtolze Herzog, fondern Konrad von 
Staufen den erledigten Thron beflieg, fand Dtto vielfältige 
Beranlaffung, feinen politiſchen Irrthum zu bereuen. Der Aw 
fpruch feines Sohnes auf die von den Weimarifchen Pfalzgrafes 
binterlaffenen ausgebehnten Beſitzungen begegnete der eutfchiedem 
ften Ungunft, feine Bewerbungen um die Pfalzgrafenwärde wurden 
zum zweitenmal abgewiefen, indem, wie Heinrich Sochfamer fie 
um bie ihm angefallene Marfgrafichaft Deftreih aufgab, Graf 
Hermann von Stahled zum Pfalzgrafen ernannt wurde. Ned 
tödtlicher ergab fich die Beleidigung, als der Kaiſer auch die Burg 
Treiß an Hermann von Stahleck verlieh. Verzweifelnd, jemaler 


Pfalzgraf Bits san Niheinch, 007 


zum Befite von Treiß zu gelangen, verſcheulte Otto die Burg 
an den Trierifhen Erzbifchof Adalbero, der fofort durch Ans 
wendung von Waffengewalt den Pfalzgrafen aus dem Befige warf. 

Die Freigebigfeit des Grafen von Rheine! gegen die Tries 
riſche Kirche follte, indem fie feinem Haſſe diente, ihn vermuthlich 
nebenbei zur Ausföhnung mit dem wegen früherer Unbilden 
zürnenden Erzbifchof verhelfen. Gleichwie Erzbiſchof Adalbero 
war Otto dem Kaiſer Lothar in die Römerfahrt gefolgt. Beide 
weilten noch in Italien, als Otto feinen Getreuen, den Gebrüdern 
von Nantersburg den Befehl zukommen ließ, das der Trieriſchen 
Kirche zuſtändige Schloß Arras bei Bertrich zu. nehmen. Diefen 
Befehl vollſtreckten ſie auf der Stelle, zogen aber hierdurch ſich 
und ihrem Herren den vollen Unwillen des Prälaten zu, der nicht 
nur Arras wiedergewann, ſondern auch die unweit Luzerath in 
dem Burgwald gelegene Nantersburg zu Grunde richtete 1139. 
Wie beharrlich aber Otto nachmalen in ſeinen Beſtrebungen ſich 
die Gunſt ſeiner geiſtlichen Nachbarn und damit eine maͤchtige 
Vermittlung bei dem Kaiſer zu gewinnen — fo hat er z. B. 
buch Urkunde vom 4, Febr. 1144 bie Bogtei und Schuß 
berrlichfeit der Abtei Laach, die ihm eigen ald „praefatorum 
prineipum (der Pfalzgrafen Siegfried und Wilhelm) successor, 
propria sponte cum uxore Gertrude et filio Ottone ‚‘‘ an die 
Eölnifche Kirche abgetreten — fo binderlich wurde dieſem Zwecke 
die hochfahrende Gemüthsart feines Sohnes, bes jüngern u 
von Rheined. 

Dem jungen Danne hatte feine Mutter bie ihr eigenthum⸗ 
liche Grafſchaft Bentheim überlaſſen, und in Folge deſſen eine 
nicht unbedeutende Hausmacht mit freudigem Muthe verbindend, 
fhien er ganz eigentlich berufen, das finfende Glüd bes Hauſes 
Rheine! zu beben und Race zu üben für die bemfelben ans 
gethane Beeinträchtigung und Beichimpfung. Dieſes anerfennend, 
geben die niederländifchen Chroniken ihm ungleich häufiger als 
feinem Bater das Prädicat eines Comes Palatinus. Aber von 
den älteften Zeiten ber walteten zwifchen ber Landfehaft. Over⸗ 
el, dem Bifchof von Utrecht und ber Grafſchaft Bentheim 
Streitigfeiten wegen der Grenze und ber Lehensherrlichleit, und 


808 - piaidt. 


indem Graf Otto vielmehr feinem Degen als einer rechtlichen 
Ausführung vertraute, fiel er verheerend der Twenthe ein. Seinem 
Deginnen flellte der Biſchof muthig fih entgegen und fam «4 
bei Ootmarſum zur Schlacht, die mit der Niederlage der Bent 
beimer und der Gefangennehmung des Grafen endigte 1146. 
Um die Freiheit wieder zu erlangen, mußte Otto in Bentheim 
ein Lehen ber Kirche von Utrecht anerfennen, im Gefolge einer 
Unterhandlung,, welche der Gemahl feiner Schweſter Sophia, | 
Graf Theoderih von Holland, als Bermittler leitete. In der | 
gereizteften Stimmung verließ ber bochftrebende Jüngling den 
Schauplag feiner Demüthigung. Eben, Anfang Sept. 1147, | 
kehrte Pfalzgraf Hermann heim von einem gegen die wendifcen 
Stämme an der Oſtſee gerichteten Kreuzzuge. Grollend bem | 
Haufe Rheineck, berausgeforbert vielleicht Durch neue, von dem 
füngern. Otto ausgehende Beleidigungen, kam er mit ihm fofort 
zur Fehde, in deren Lauf Dtto ber Gefangene feines Gegnerd 
wurde. Den langwierigen Steeit um die Pfalzgraffchaft für 
immer zu fehlichten, Tieß Hermann im Gefängniffe ihn erbroffeln 
1148. Die tragifche Begebenheit behandelt 3. 3. Reiff in Dito 
von Rheined, ein Trauerfpiel in 5 Akten. Coblenz, 
Hölfher, 1828, in 129 Zwei volle Jahre, bis 1150, über 
lebte der Ältere Otto dem ſchrecklichen Ereigniß, dann, 1151, 
wurde bie Burg Rheine von K. Konrad III. erobert und nieder 
gebrannt. Ein Jahr fpäter hat Gertrude, in Trauer von wegen 
des Mannes und des Sohnes Verluſt, als Eigenthümerin der 
Grafſchaft Bentheim, für Erbauung eines Klofters zu Witmarfen 
ben Grund und Boden bergegeben. Sie lebte noch 1152 um 
yererbte Bentheim auf ihre Tochter, bie Gräfin von Holland, 
Sie empfängt, gleichwie ihr Gemahl, das Lob hoher Frömmig 
feitz den Grafen, „virum sicut videbatur Deum timentem,“ 
haben bie Nonnen des neugeflifteten Kloſters Rolandswerth zu 
ihrem Schirmvogt erwählt, 1. Aug. 1126. Neben der Gräfin von 
Holland ſcheint Frau Gertrudis noch mehre Töchter gehabt zu 
haben, wie eine uralte Ballade andeutet. Diefe Ballade, is, 
welcher Gertrudis, als der Kaiferin Richenza Schweſter, bie 
Koͤnigstochter genannt wird, gebe ich nach ben Erinnerunges 








alzscaf Otte son Mheinch, 609 


meiner frühehen Kindheit, manden Verſtoß gegen: Beröban und 
Reim wolle man deshalb nicht allzu fireng beurtheifen. 


N'es wohnt ein Pfalzgraf an dem Rhein, 
Dere hat drei fhöne Töchterlein; 

Die eine kam ind Nieberiand, 

Die andre Fam nit weit davon. 

Die dritte Fam vor der Schwefter Thür, 
Sie flund drei Tag und Racht dafür. 
Wer fleht denn draußen vor meiner Thür, 
Wer fteht drei Tag und Nacht dafür ? 
Das ift ein ſchwarzbrauns Mäbdelein, 
Das möcht fo gern eure Dienftmagd fein, 
Rad Mädche du bift mir viel zu fein, 
Du fchläfft mir bei dem Herre mein. 

Ach nein, ad) nein, das thu ich nit, 

Mein Ehr die ift mir viel zu lieb. 

Sie dingt es auf ein halbes Jahr, 
Sieben ganzer Jahre blieb fie do. 

Und ale die fieben Jahr herumer waren, 
Da ward das Mädchen krank und ſchwach. 
Nah Mädche, wann du krank willft fein, 
So fag und doch, wer bein Eltern fein. 

Ja ſoll ih Ihe fagen, wer mein Eltern fein, 
Der Pfalzgraf an dem Rhein und die Königstöchterlein, 
N'ach nein, n'ach nein, das kann nit fein, 
Sonft wärft du mein Geſchwiſter mein, 

Du haft von Gold kein Ringelein. 

So geh Sie über das Kiflle mein, 

Do wird Sie finden ein Briefalein. 

Und do fie fiber das Kiftle kam, 

Ihr fhwarzbraung Aug en Waffer gab. 
N'ach Mädche, warumer haft bu nit gefat, 
Daß du mein jüngfte Schweſter warft, 

In Sammet und Seiden hätt ich dich gekleid, 
Zu der ewigften Ewigkeit. 

Sammet und Seiden mag id) nit, 

Ich bin es ein Kind zum Tod bereit. 

Ein weißes Kleid und hölzernes Haus, 
Damit trägt man mid zur Thür hinaus. 

Die Todelad fol mein Häusche fein, 

Die Schüpp und der Kasft mein Hausrath fein, 


Hermann von Stahled, der Mörder des jüngern Otto, 
hatte zum Bater einen Grafen Goswin von Stahled und Höch⸗ 
ſtaͤt (Oſtfranken), zur-Wutter jene Lufardis aus Ripuarien, 
bie in erſter Ehe mit dem 1102 verfiorbenen Grafen Heinrich 


Rhein, Antiquarius, 3. Abth. 2, Br. 39 


610 pliaidt. 


von Katzenellenbogen verheurathet geweſen, und die, aus dem 
Haufe der Grafen von Gladbach entſproſſen, Stahled und Glad⸗ 
bach ihrem Gemahl Goswin zubradhte. Auch des Vaters Namen, 
Goswin, läßt auf eine ripuarifche Abkunft, auf Verwandtſchaft 
mit den Herren von Balfenburg und Heinsberg , denen jener 
Namen vorzüglich eigen, ſchließen: durch neuere Forſchungen, wel: 
hen Goswins Befigungen in Oftfranfen als Bafis gedient haben, 
ir diefer Schluß beinahe zur Gewißheit erhoben. Befagter Graf: 
Goswin wurde am mehrfien befannt durch feine Beziehungen 
zu der feligen Hildegundid. Seine nahe Anverwwandte, nahm er. 
fie, die eben vaters und mutterlofe Waife geworben, zu fi, um 
bei ihr DBaterfielle zu vertreten. Sie wohnte bei ihm in einer 
Stadt, „welche nicht weit von Babenberg gelegen, Höchftet beißt,” 
und wurde folchergeftalten behandelt, daß Fremde, welche nach vor⸗ 
nehmer Herren Sitte, zum Beſuche oder auch aus andern Gründen: 
bei dem Grafen einfehrten, fie für eine feiner Töchter ‚hielten. ° 

Unter den vielen Fremden befand fih ein Züngling, ent 
fproffen aus hochvornehmem Geſchlechte in Bayern; er verlangte 
Hildegunden zur Frau. Der Pflegevater berieth ſich Darüber mit 
verftändigen Männern, zog in Bayern Erfundigungen ein, und, 
gab dem Freiersmann das Jawort. Davon hatte Hildegundis 
feine Ahnung, fie ſtaunte, als Graf Goswin die Mittheilung 
ihr machte, denn bei ihrer Eltern Hintritt hatte fie gelobt Junge 
frau zu bleiben. Die Gnade, ſolches Gelübde erfüllen zu können, 
erbat fie von jest an in verdoppelter Inbrunſt von dem Himmel. 
In dem Dertchen Urach, welches, gleihwie Höchftatt, dem Grafen 
Goswin unterthänig , befucdhte er häufig, von Frau Luitgarden 
begleitet, die dem b. Petrus geweihte Gapelle. Da weilte das 
Ehepaar gern, um, fern dem Getümmel der Welt, ſtiller Andacht 
“zu leben. Dort follte die Verlobte übergeben werben; ber BDräus 
tigam hatte ſich eingefunden, Freude flrafte auf den Geſichtern. 
Hildegunde fommt zur Capelle, wechfelt insgeheim mit dem Priefler 
einige Worte, empfängt das Sarrament des Altars, kehrt darauf 
zur Geſellſchaft zurüd, läßt ſich nieder an der hochzeitlichen Tafel, 
ohne doch eine ber Speifen zu berühren. Borgeführt find die 
Roffe, zum Aufbruch wird Das Zeichen gegeben, als eine Gunſt 





Die felige Hildegunde. ir 


erbittet ſich Hildegundis, nochmals in der Capelle um Segen für 
isre Reife fleben zu dürfen. 

Niedergelaffen auf die Knie, betete fie lange; darım 
Ungeduld empfindend,, überfchritten einige der vor der Thüre . 
Harrenden die Schwelle. Sie fanden die Jungfrau, bingegeben, 
fo fhien ed, ſüßem Schlaf, und ruhig erwarteten fie dag Er⸗ 
wachen. Damit verzog es fi über alle Gebür, die Ungeduldig« 
ſten nahten ſich der Schläferin, und in Thränen, in laute Weh⸗ 
Hage brachen fie aus. Alles eilte zur Stelle, allgemein wurde 
ber Jammer, als man fi) überzeugte, daß nimmer erwachen 
würde bie Tieblihe Braut. Es war der 14. October. „So 
will ich doch,“ alſo klagte der Bräutigam, „entfeelt fie in meine 
Heimath bringen, deren ſchöne Sitte im Leben mich nicht erfreuen 
fol. Schaffet die theuern Reſte auf meinen Wagen.” Allein 
wie eingewurzelt, fehwer als eine Eiche Tag der Leichnam, Feiner 
Kraft beweglich. Alle erkannten den Fingerzeig einer höhern 
Macht; einmüthig wurde befchloffen, an der Stelle, wo Hifdes 
gundens Geift entfloben, ihren Leichnam zu beerdigen. 

Fahre vergingen, und Goswin, in defien Händen Hilde 
gundend Erbtheil geblieben, hatte in dem Drange weltlicher 
Angelegenheiten feiner Mündel, höherer Dinge überhaupt, bei= 
nahe vergeffen, nur daß er aufrichtig feinem Caplan Albert zuges 
than, Diefer vernahm über einem Geficht ber feligen Hildegunde 
Stimme, und die Worte: „Mahne Goswinen, daß er zum Lobe 
Gottes mein Andenken fleißig ehre.” Der Kaplan, vorausfegend, 
bag feine Erzählung dem Grafen mißfallen würde, beobachtete ein 
vorfichtiges Schweigen. Zum andernmal wurde Hifdegunde ihm 
fihtbar, und die Stimme erhebend, redete fie nachbrüdficher ihn 
an: „Bon meinem Erbgut fol Goswin Kirchliche Perfonen einfegen, 
bie Chriſto gehorchen: mahne ihn, daß er der Ahndung Gottes 
entgehe.” Dazu berührte fie mit der Hand Alberts Wange, und 
wie in Marmor abgedrüdt, trug er das Mal diefer Berührung 
bis zum Ende feiner Tage, Jetzt endlich wagte er es, dem 
Grafen Goswin zu verfündigen, was er gefehben, und was er 
gehört, feine Mittheilung fand aber Feine günftige Aufnahme, 


39 * 


619 | Pleidt, 


Sm J. 1128 zog Konrad von Staufen, der Herzog von 
Schwaben, über die Alpen, um aud in Italien den König, 
welchem er und feine Anhänger die Anerkennung verweigerten, 
ben Sachſen Lothar zu beftreiten. Graf Goswin, gleich den | 
mehrften Großen Franconiens und Alemanniens einer Sade, 
welche ganz eigentlich jene des füdlichen Deutfchlande, anhängend, 
hatte für diefen Zug fein Eontingent geftellt, daffelbe der Kührung 
feines Erfigebornen anvertraut. Herzog Konrad, nachdem er in 
Monza und Mailand die eiferne Krone empfangen, von ber 
Mehrzahl der Lombarden als ihr König aufgenommen worden, 
gedachte auch Tuscien fich zu unterwerfen. Die Apenninen hatte 
er überfchritten, fein Hauptquartier in einer Stadt am Fuße der 
äußerfien Höhe aufgefchlagen, und in berjelben Nacht wurde 
‚unter einem Bergfturz die Stadt und ein großer Theil der Bes 
völferung, minder nicht der beutfchen Säfte, begraben. Unter 
den vielen Opfern jener Schreckensnacht erregte befonders das 
Schickſal von Goswins hoffnungsvollen Sohne aflgemeines 
Dedauern. Die Unglüdsbotfchaft vernehmend, wurde der Vater 
von Schreden und Zerknirſchung ergriffen, denn jegt endlich ver« 
fand er den Sinn der von feinem Caplan ihm mitgetheilten 
Warnung, Ohne Säumen ftiftete er aus Hildegundes Erbgut, 
an der durch ihr Scheiden geheiligten Stelle, ein Kloſter, bie 
nachmalige Abtei Mönch⸗ oder HerrensAurad, In diefem Kofler 
haben Goswin und feine Gemahlin, Frau Ruitgarde, ihre Tage 
beſchloſſen. Luitgarde, Lufardis, von fünf Dienerinen begleitet, 
hatte darin eine abgefonderte Wohnung. Goswin, der noch 1130 
urfundlih vorkommt, befaß, außer Höchftatt, an der Werra eine 
ganze Graffchaft, zu. welcher namentlich Breitungen gehörte. 
Der Sohn, welcher ihm geblieben, heurathete die Schweher 
bes Biſchofs Hermann von Bamberg, die Gertrudis, welche in 
dem Haufe der Marfgrafen von Meiffen geboren, eine Tochter 
war von K. Konrads III. Schwefler. Diefer nahen Verwandi⸗ 
fhaft mit dem .Raiferhaufe von Staufen mag er vornehmlich bie 
pfalzgräfliche Würde verdankt haben, fie bewahrte ihn jede 
nicht. vor fchimpflicher Strafe. Während K. Friedrichs I. Aufeni 
halt in Italien gerieth der Pfalzgraf mit Erzbifchof Arnold von 
































Pfelsgraf Hermann von Stahleck. 613 


Mainz zu Fehde, die einem namhaften Theile der Rheinprovinz 
arge Berheerung zuzog. Bon feiner Römerfahrt heimgefehrt, 
bielt der Kaifer zu Weihnachten in Worms Hof; hier wurden 
Arnold und Hermann wegen der von ihnen verübten Gewalts 
thätigfeiten und der Störung des Randfriedeng ‚zur Rechenfchaft 
gezogen und fchuldig befunden. Der Erzbifchof erhielt Erlaß der 
Strafe, von wegen feiner geiftlihen Würde und feines hohen 
Alters, Pfalzgraf Hermann aber und feine Mitfchuldigen mußten 
nach den Gefegen der Franfen büßen, eine Meile weit Hunde 
tragen. Solcher Schimpf machte dem Pfalzgrafen ven Aufenthalt 
in der Welt unerträglich; er fliftete auf feinem Erbgut, unweit 
Meinungen , das Klofter Bildhaufen , Ciſtercienſerordens, und 
beichloß feine Tage als Mönd in der Abtei Eberach, vor 1158. 
Bon Eberach find feine Gebeine 1164 nad Bildhauſen über- 
tragen worden. Frau Gertrud verſchloß ſich Anfangs in dem 
unlängſt geſtifteten Frauenkloſter Wächterswinkel, Ciſtercienſer⸗ 
ordens, dann wendete ſie ſich, zuſamt mehren der daſigen Kloſter⸗ 
frauen, nach Bamberg, um St. Theodors Hospital in ein Kloſter, 
ebenfalls Ciſtercienſerordens, umzuſchaffen. Dieſem Kloſier ſchenkte 
Gertrud, was ſie von dem Biſchof Eberhard von Bamberg tauſch⸗ 
weiſe für Burg und Herrſchaft Höchſtätt empfangen hatte 1157; 
in dieſem Kloſter iſt ſie 1191 geſtorben. 

Pfalzgraf Hermann war ohne Kinder geblieben, K. Fried⸗ 
rich I. konnte demnach über die erledigte Würde frei verfügen, 
und er vergab fie an feinen Halbbruder Konrad von Staufen 
1156. Der neue Pfalzgraf befaß ein veichliches Antheil von 
den Erbgütern feines Haufes in dem Speier» und Wormögau, 
daneben fand er in der Schirm= und Kaftenvogtei der Erz« und 
Hochſtifte Trier, Worms und Speier, dann der Abteien Fuld, 
Weiſſenburg, Selz, Lori, Limburg und Ravengiersburg manich⸗ 
faltige Gelegenheit, fein Anſehen und Beſitzthum auszubehnen. 
Bon dem Hochſtift Worms empfing er zu Lehen die Burg Heidel⸗ 
berg famt der Graffchaft auf dem Stahlbühel oder in dent Lohden- 
gau, die dem Erzftift Coln lehenbare Burg Stahleck nebft. der 
Bogtei zu Bacharach wurde, feiner Tochter zu Gute, aus einem 
Mann» in ein Erblehen verwandelt. Er hat nämlich das Un⸗ 


614 Plaidt. 


glück gehabt, ſeinen Söhnen Friedrich und Konrad überleben zu 
muͤſſen; feiner Tochter Agnes die Erwerbungen, welche die Auf: 
gabe feines Lebens geweſen, zu fihern, verwendete er bie ihm 
übrigen Jahre, und ſchloß er zu dem Ende mit den Lehensherren 
eine Reihe von Verträgen ab, die meift dem J. 1189 angehören. 
Nachdem er alfo die durch ihn zufammengebrachten Elemente einer 
rheiniſchen Pfalz confolivirt, it er im I. 1195 geflorben. 
Seine Tochter war in der Wiege ſchon dem 1170 gebornen 
ölteften Sohne des Sadhfenherzogs Heinrich der Löwe verheißen. 
„Als nun aber der Herzog von Sachen bald darauf vom Kaiſer 
Friedrich abfiel und die grimmige Fehde zwifchen Hohenflaufen 
und Welfen wieder ausbrach, fo zerriffen auch diefe zarten Bande 
und Agnes wurde nicht bloß als reihe Erbtochter, fondern noch 
mehr darum von Nittern geehrt und von Fürften geminnt, weil 
fie reich an Tugend und herrlich in Schönheit emporblühte. Aud 
König Philipp Auguft von Frankreich befam hievon Kunde, und 
hielt es in feiner damaligen Stellung zu Richard Löwenherz für 
gerathen, fi mit dem Kaifer durch die Heirath feiner nächſten 
Berwandtinn noch enger zu verbinden. Gern unterftügte Heins 
rich VE. des Königs Antrag bei feinem Oheim Konrad, und da 
nun auch diefer beiftimmte,, fo fchien der Ehe Fein Hinberniß 
mehr im Wege zu ftehen. Aber Konrads Gemahlinn Irmengard, 
eine geborne Gräfinn von Henneberg, war bem Plane in ber 
Stille abgeneigt, eifte zu ihrer Tochter und ſprach, biete er⸗ 
forichend : „„ein suhmvolles Scidfal, liebe Tochter, ein koͤnig⸗ 
. liches Ehebett bietet fih dir dar, Philipp Auguf von Frankreich 
verlangt dich zu feiner Gemahlinn."" Da antwortete Agnes 
beſtürzt: „„Mutter, ich babe oft gehört, daß der König bie 
fhöne Ingeburg von Dänemarf ohne Grund beſchimpfte und 
verſtieß; ich fürchte folch Beiſpiel!““ — „„Aber wen,““ fuhr 
bie Mutter fort, „„möchteft bu Lieber zum Gemaple?"" — „„Bon 
dem,” erwieberte Agnes, „„werde ich mich nie trennen, beffen 
Draus ih ſchon in frühfter Jugend hieß und beffen Schönheit, 
Muth und Tugend jest alle Stimmen preifen. Er allein, — 
benn was Fümmern mich die wilden Fehden der Männer, — ex 
allein war im Stillen der Freund und Geliebte meines Herzens, 


Pie Yfalsgrafin Agnes, 815 


er allein wird mein Herr und Gemahl ſeyn.““ — Als Irmen- 
gard diefen feiten Willen ihrer Tochter fah, ſprach fie erfreut: 
„„deine Wünfche follen erfüllt werden,"" und ſchickte fichere Boten 
nach dem Hoflager des Kaifers, mit geheimen Briefen an Bein 
rich den jüngern. 

„Sogleich eilte diefer nach Stalecke bei Bacharach , dem 
Schloſſe der Pfalzgräfinn, und wurde hier, da die geringſte Zö⸗ 
gerung mit der größten Gefahr des Mißlingens verbunden ſchien, 
noch an demſelben Abende ſeiner treuen Agnes angetrauet (im 
März oder April 1194). Auch war der folgende Tag kaum 
angebrochen, ſo hieß es: Pfalzgraf Konrad ſey vor den Thoren. 
Irmengard ging ihm ſchnell entgegen und zeigte ſich ſo freundlich, 
ſo dienſtfertig und dabei doch ſo ängſtlich, daß der Pfalzgraf, es 
bemerkend, fragte: was neues geſchehen ſei? „„Herr,““ ant⸗ 
wortete Irmengard, „„geſtern kam ein Falke übers Feld geflogen 
mit braunem Haupte und weißer Kehle. Gut gekrümmt find 
ihm Klauen und Schnabel zu mächtigem Fange, und die Schwung⸗ 
federn reichen fo weit, daß man wohl fieht, fein Bater habe ihn 
auf einem hohen Afte erzogen. Diefen Falken, nie ſaht Ihr 
einen fchönern, habe ich gefangen und behalten." — Ehe noch 
ber Pfalzgraf den Sinn diefer Worte genauer faffen und erforfchen 
fonnte , führte Srmengard ihn ſchon weiter in ein Zimmer, wo 
Heinrich und Agnes Schach fpielten. Sie flanden, ihre Hände 
traulich in einander legend, auf und Irmengard fagte: „Herr, 
bag ift ber Sohn des Fürften von Braunfchweig,, des edlen 
Löwen; dem habe ich unfere Tochter zum Weibe gegeben; möge 
es Euch. Tieb und genehm ſeyn.““ Da erfchrad Konrad fehr 
und fehwieg lange Zeit; endlid aber hub er an: „„es ift ges 
ſchehen ohne mein Wiffen und Zuthun, das möge mich entſchul⸗ 
digen beim Kaifer."" Auch gerieth biefer, über das Berfchmähen 
feines Antrags für den König von Frankreich und über die Er— 
hebung feines Feindes, in den hejtigften Zorn und fagte zu Kon 
rad: „„Geh hin und löſe das Band auf, das Ihr mit diefem 
Zaugenichts gefchloften habt.““ Erft als der Pfalzgraf feine 
Unfchufd befchwur und die Trennung ber Ehe feiner Tochter 
beihimpfend , ja in Hinfiht auf die Kirche unmöglich nannte, 





616 | Pleidi. 


mußte der Kaiſer ſich beruhigen. Auch ſchien es ihm wohl bei 
näherer Ueberlegung gerathener, dieſe unerwartete Verſchwäge⸗ 
rung der Welfen und Gibellinen für einen allgemeinen Frieden 
zu benutzen, und die fünftige Belehnung Heinrichs des füngern 
mit der Pfalzgrafichaft am Rheine von deſſen Benehmen und 
feiner Mitwirkung für die itafienifchen Plane abhängig zu machen. 

„Dem gemäß eilte der jüngere Heinrich nach Braunſchweig 
und überrebete feinen Vater, nicht ohne einige Mühe, fich dem 
Ausfpruche des Kaiſers und der Fürſten auf einem Reichstag in 
Salfeld zu ſtellen. Unterwegs aber ftürzte der bejahrte Herzog 
bei Bothfeld mit dem Pferde, bejchädigte den Yuß und wurde 
franf nad) Walfenried gebradt. Als man den Kaifer hievon 
benachrichtigte, bieft er anfangs die Entfchuldigung des Außen⸗ 
bleibens für erfunden ; fpäter jedoch von der Wahrheit bes Un 
falls überzeugt, Tegte er die Tagfagung, dem Herzog bequemer, 
nach Dullethe oder Tilleda bei Kifhaufen (April oder Mat 1194), 
— Hier traten nun bie Häupter der beiden mächtigften deutſchen 
Häufer, nach langen blutigen Fehden, perfönlich einander gegen 
über ; aber Heinrich war nicht mehr der grimme Löwe, fondern 
durch Alter und Unglüd gezähmt und gemildert. Ihm fehien es 
hinreichender Gewinn, des Friedens mit allen Nachbarn ficher 
zu werden, nicht mehr als Begner des Kaifers halb geächtet zu 
erfcheinen und für feinen Sohn, gegen das Verfprechen ernfer 
Theilnahme ami italienifhen Zuge, die Belehnung mit ber wich⸗ 
tigen Pfalzgrafichaft am Rheine zu erhalten. Auf der andern 
Seite riefen fo dringende Gründe den Kaiſer nach Neapel, daß 
er um jeden Preis den Frieden innerhalb Deutſchlands begründen 


und Unterfiägung aus Deutfchland gewinnen wollte.” Beinahe | 


gleichzeitig zum Beige der Pfalzgraffchaft und der Braun 
fohweigifchen Erblande, diefe in Gemeinfchaft mit den Brüdern, 
gelangt, nahm Heinrich 1196 das Kreuz, und tapfere Thaten 
bat er in bem Laufe des folgenden Jahres im Morgenlande vers 
richtet, wie es denn namentlich Feineswegs feine Schuld, daß bie 
Delagerung von Thoron oder Chorut unweit Tprus mißlang. 
Bergleute vom Rammelsberg bei Goslar, die unter feinem Banner 
ſich geſchart, ließ er bie Felſen, auf welche die Burg gegründet, 


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Yfalsgsaf Heinrich, der Welfe. 617 


anterminiven, daß auf mehren Stellen die Mauern ben Einfturg 
drohten. 

Bor feinem Auszuge, am Oſtertage, 6. April 1197, hatte 
Pfalzgraf Heinrich zu Trier, in dem erzbifhöflihen Hdfe, zu 
Handen bes Erzbiihofs Johann, die Vogtei des Erzſtiftes auf« 
gegeben und feierlich folche Abtretung beſchworen. Getreulich 
hielt er zu feinem Bruder Otto, deffen Königswahl gegen Phi- 
lipp von Schwaben zu befördern und aufrecht zu erhalten, nach 
Kräften er. fih bemühte, bis dahin deſſen Weigerung, ihm für 
die aufgewendeten Kriegskoſten Braunfchweig und Lichtenberg 
abzutreten, ihn beflimmte, 1204 zur entgegengefegten Partei 
überzugehen. Dod mag ber beiden Brüder Zwift bald wieder 
ausgeglichen worden fein, uud Otto IV., feines Gegners ents . 
ledigt und allgemein als König anerfannt, beftellte den Bruder, 
für die Dauer feines Zuges nad Welfchland 1209, zum Reichs⸗ 
verwefer. Diefes Vertrauen rechtfertigend, hat Heinrich dem 
neu aufgeftellten. Thronprätendenten, K. Friedrich II. Tebhaften 
Widerfiand entgegengefegt, dafür aber die Rache bes Sieger 
empfinden ſollen. Ihr auszuweichen, zog er fih in feine Braun⸗ 
fhweigifhen Erblande zurüd, während er die Pfalzgrafichaft 
feinem einzigen Sohne, ebenfalls Heinrich‘ genannt, überließ. 
Diefer jüngere Heinrih fommt 1213 ald Pfalzgraf vor, ift aber 
bald darauf mit Tod abgegangen. Der Vater nahm auf das 
im 3. 1218 erfolgte Ableben feines Bruders, K. Ottos IV., 
deffen hinterlaffene Lande in Beſitz, Tieferte die Reichsinfignien 
aus, und beſchloß fein Leben 1227. Zwei Töchter wenigfteng, 
Agnes und’ Irmgard waren ihm geblieben, 

Die Pfalzgrafishaft hatte K. Friedrich II, feinem getreuen 
Anhänger, dem Herzog Ludwig von Bayern verliehen, über bie 
von dem Pfalzgrafen Konrad zufammengebradten Lande konnte 
ex nicht verfügen, eine Möglichkeit aber, feinem Haufe fie zu 
gewinnen, wahrnehmend , verlobte Herzog Ludwig 1113 feinen 
Sohn Dite, den man den Erlaudten nennt, mit Agnes, ber 
ältern Tochter des Pfalzgrafen Heinrich. Sie ift der mütterlichen 
Bande alleinige Erbin geworden, und hat folglich in das Haus 
Wittelsbach den ganzen großen Güterfiod getragen, welcher durch 


618 Plaidt. 


Konrad von Staufen vereinigt, in dem Raufe-ber Zeiten zu einer 
ber bedeutendſten kandſchaften von Deutſchland, die Pfalz, er⸗ 
wachſen iſt. 

Als die Pfalzgrafen am Oberrhein ſich feſtſetzten, eine aus⸗ 
gebehnte Herrſchaft begründeten, verloren für fie die zerſtreuten 
abgelegenen Gebiete, die von wegen: ihrer vormaligen Abhängig. 
feit von der Pfalz zu Aachen den Namen Pellenz behielten, ihre 
Wichtigkeit, und haben fie das dem Erzftift Trier lehnrührige 
Territorium zu Afterlehen, leglih an die Grafen von Birnen 
burg ausgethan. Die Grafen erlangten damit nicht viel mehr 
als die gräfliche Gerichtsbarkeit und einzelne Höfe, denn der 
größte Theil des Grundeigenthums und der grundherrlichen Ges. 
sichtsbarfeiten war bereits an Klöfter und abfiche Familien übers 
gegangen. Der fortgebende Berfall ihrer Finanzen nöthigte bie 
Grafen von Virnenburg, die Hälfte der Pellenz an Trier zu 
verlaufen, dann mit den Gemeinden der Pellenz einen Bertrag 
einzugeben, worin biefe alle Schulden des gräfliden Haufes und 
zugleich deffen Grundeigenthbum übernahmen. Die Güter wurden 
auf Betreiben ber Gemeinden verfauft, als welche fi) bierdurd 
die für die Befriedigung der Gläubiger erforderlichen Summen 
verſchafften. Donnerftag nad Petri Kettenfeier 1545 bewilligte 
Kurfürft Friedrich II. von der Pfalz, daß nach Kunos, des legten 
Grafen von Birnenburg Abgang, die große oder vordere, und 
bie Feine oder hintere Pellenz an Trier fallen mögen, gegen 
Erlegung von 12,000 Goldgulden für die Hoheit» und Lehens⸗ 
gerechtigfeit, und von 10,000 Goldgulden für die jährlichen 
Renten. Graf Kuno ftarb 1550 und Trier mußte, die in dem 
Bertrage von 1545 erworbenen Bortheile zu behaupten, ben 
fiipulirten 22,000 noch weitere 9000 Goldgulden Hinzufügen. 
Seitdem ift Trier, obgleich vielfältig von Kurpfalz wegen bes 
nicht erbrachten agnatifchen Conſenſes angefochten, in dem Befige 
ber Pellenz geblieben, hat auch berfelben ben von Alters her⸗ 
gebrachten Genuß ihrer Berfaflung und Freiheit bewahrt. 

Die Heine, nene, hintere Pellenz verfünbet jchon in ben 
beiden erſten Beinamen die großen mit ihr vorgegangenen Ber 
änderungen. Sie beftand im 3. 1794 nur mehr aus den Orks 


Pir kleine Pellenz. 648 


ſchaften Berresheim, Allenz, Kerig, Boos und Nachtöheim. Es 
ift aber aus dem Pfälzischen Lehenbrief von 1525 erfichtlich, daß 
fie einft im Umfang die fogenannte große Pellenz übertraf, 
dap von ihr abhingen die Gerichte Münfter, Fell und Brohl, 
bas Seriht auf Thomen oder den Drei Tonnen, das Bovens 
heimer oder Bubenheimer Gericht in der nädften Umgebung 
von Coblenz, das Masburger Geriht unweit des Stäbtcheng 
Raifersefch, ‚die Gerichte Beltheim und Sabershaufen im Süden 
ber Mofel, unweit Caftellaun, unabhängig von vielen einzel- 
nen Stüden, fo die Brafen von Birnenburg veräußert, oder 
zu Afterlehen weggegeben hatten, wie 3. B. das Alfler Gericht 
an die von Winnenburg, das Naſſer Kirchfpiel an die von 
Braunsberg, die Bogtei zu Mertloh und Einig. Nicht wird 
dieſe Pellenz, gleich der großen, von ihren Beziehungen zu den 
Pfalzgrafen den Namen entlehnen, er wird vielmehr daher ent» 
fanden fein, daß dieſes ganze Gebiet einftens einer Föniglichen 
Pfalz zugetheilt gewefen, wie diefes ber Fall mit der Pellenz 
von Zülpich. Es Fönnte allenfalls fein, daß Monreal diefe Pfalz 
geweien, es fpricht aber auch von einem Palatio Offtendinck bie 
Legende der h. Genofeva. 

Aus einer Verhandlung vom Samflag nad Drei Königen 
1274 ergibt fih, daß damals erft eine Grenze gezogen wurde 
zwiſchen der Grafen von Virnenburg Beſitzthum Monreal und 
wwilhen den von dem Polcher Dingtag abhängenden Forften 
Polcherholz, Cumbd und Hohpochten. Es ift demnach der Polcher 
Dingtag urſprünglich ein Appendix der Pellenz geweſen, und 
die Sage, daß die den Verſammlungen der Ritterſchaft dieſes 
Dingtages dienende St. Georgencapelle in Polch einſtens den 
ganzen, aus maſſivem Gold geformten Schaztz einer kaiſerlichen 
Feldcapelle befeffen habe, gewinnt die Möglichkeit einer Hiftori= 
(hen Begründung. Der Berirag von 1274 iſt auch merkwürdig, 
weil er den Namen des dem Gegenfland der Berhandlung fo 
nahe anliegenden Drtes Mayen-nicht nennt. Mapen, von dem 
man vielfältig den Namen des Maifeldes ableiten wollen, muß 
demnach 1274 noch ein höchſt unbebeutender Ort gewefen fein, 
gleihwie der ausgedehnte Mayener Stadtwald damals noch, als 


620 | Plaidt. 

eine Abtheilung des alten königlichen Bannforſtes, eine Reichs⸗ 
domaine geweſen ſein könnte. Denn viele einzelne Stücke waren 
immer noch überſehen worden von jenen, welche ſich Verleihungen 
über des Reiches Kammergüter zu verſchaffen wußten; man weiß, 
daß Kaiſer Karl V. 1528 den Jacob Schilling und den Jacob 
Merklin von Waldkirch mit dem von der Pellenz übrig geblie 
benen Reichsdorf Kerig, als einem Reichslehen, begnadigte. Das 
Städtchen Kaifersefch trägt in feinem Namen fchon die Spur 
pormaliger Verbindung mit der Pellenz, zu deren gänzlicher Zer⸗ 
Rüdelung die unaufhörlihen Gefdverlegenheiten der Grafen von 
Birnenburg dad Mehrfte beigetragen haben müffen. Nur einzelne 
Trümmer fonnten deshalb an Trier übergehen, und bie Einheit 
Diefer Trümmer, wie die vordere Pellenz fie bewahrte, Tag aufer 
dem Reihe der Möglichfeiten. Das mehrmals abgedrudie 
Weisthum von den Trierifhen und Birnenburgifchen Rechten in 
der Pellenz, vom J. 1417, ſcheint der hintern Pellenz anzu⸗ 
gehören, denn es wird darin von 24 Heimburgen geredet, auch 
allerwärts das Gericht zu Münfter an die Spitze geflellt. Hin 
gegen betrifft die am 29. Sept. 1516 von Erzbifhof Richard 
von Trier und bem Grafen Philipp von Birnenburg beliebte 
Reformation der peinlichen Gerichtsordnung in der Pellenz ledige 
lich die vordere Pellenz, die deutlich genug als die „Pellentz uf 
Mendicher Berg” bezeichnet wird. 

Wie auf dem Maifeld überhaupt, fo haben aud in der 
Pellenz alte Gebräuche, die kriegeriſchen befonders, am Tängften 
fih erhalten. Der Bifhof von Würzburg hatte im Harniſch das 
Landgericht zu hegen, der Graf von Savoyen in halb goldener, 
bald flählerner Räftung Yon dem König die Lehen zu empfangen, 
„weil er balb durch Gold, Halb durch Waffen die Wadt erworben,“ 
and von dem Dorf Plaidt heißt es noch 1784: „Das Grafflid 
Leyifche Hoffgeding zu Plaidt ift merfwürbig, welches dreymal 
im Zahr gehalten wird, und weißen die Scheffen und Höffer die 
Hoffgerechtigfeit. Im felbigen Geding figet der Gräfffich Leyiſche 
Hoffſchultheiß oben an, nad ihm der Graͤfflich von Keffelftattifche 
Vogt des Hoffs, ein Schwerbt mit der Scheld und aus der Scheib 
halb ausgezogen in der Hand haltend, darnach feynd 7 Scheffen.” 


Pie Grafen von der Feyen. ot 


Saftig, Saffig, Tiegt auf dem ſüdlichen Ufer der Nette, eine 
Heine Biertelftunde von ihr entfernt , zwifchen Miefenheim und 
Plaidt etwan die Mitte einnehmend. Es iſt ein nettes, freunds 
lich gelegenes Kirchdorf, mweiland , fo hieß es in Bonn, eine 
"Unterberrlichfeit und Eölnifches Lehen. „Die Grafen von der 
Leyen werden damit belehnt und deswegen zu den Tandtagen 
beſchrieben, gibt auch feine Landſteuern an das Erzſtift. Die 
Grafen wagten es 1590 und 1602 Saffig für eine unmittelbare 
reicheritterfchaftliche Unterherrlichfeit auszugeben und zu behaups 
ten, daß dem Erzftift Cöln dafelbft nichts zuftebe.” Und fo vers 
hielt es fih in der That, bis auf die ungezweifelt Cölniſche 
Lebensherrlichfeit: Saftig war dem reicheritterfchaftlichen Canton 
. Niederrhein einverleibt. Am Freitag nach Lamberti 1449 wird 
Simon Maucenheimer von Zweibrüden von Erzbifchof Dietrich) 
von Cöln belehnt mit dem Dorfe genannt Saffig mit feinem 
Zubehör, wie das Peter von Schöne gehabt. Simons Haus 
frau Eva war eine Tochter von Peter von Schöned zu Olbrück 
und von Hedwig von Kempenich. Simons einzige Tochter, Eva 
Mauchenheimer, heurathete den Georg von der Leyen, und hat 
diefer 1480, festo Gereonis, wegen Saftig ſich reverfirt, wie bag 
fein Schwiegervater zu Lehen gehabt. In dem Lehen folgte ihm 
fein Sopn Bartholomäus von ber Leyen, und nannte fih von 
Saftig eine Linie in dem Leyifchen Haufe, deren Beſitzthum doch 
zu Anfang des vorigen Jahrhunderts der Hauptlinie anftarb. 
Am 4. Januar 1741 ſtellt Friedrich Kerdinand „des h. R. R 
Graf von und zu der Leyen, Herr zu Hohengeroldsed, Adendorf, 
Bliescaftel, Saffig, Arenfels, Burweiler, Münchweiler, Forbach, 
Otterbach, Nievern, Leiningen und Bongard” Bollmadt aus 
zum Empfang der durch Ableben feines Vetters ihm angefallenen 
Köfnifhen Lehen Saftig und Münchaufen, zufamt dem Zehnten 
in Kievenheim. 

Ungemein gnädig war, wie aller Orten, au in Saftig 
bie Leyifche Herrfchaft, wie das in hohem Grabe gelegentlich 
eines im J. 1784 das Dorf verzehrenden Brandes fih ergab; 
damals wurde die Pfarrkirche ganz neu, im italienifchen Ge⸗ 
fhmade erbauet, „Bey. dem Luſtſchloß — ifolirte Pavillons 





022 Svaftig. 


vielmehr — find ſchöne Luſtgaärten, Springbrunnen, Luſtwäld⸗ 
hen und eine ſehr angenehme Grotte, in einem tiefen Fühlen 
Thal, und mit hohen Linden umgeben.” Sn ber That, eben fo 
eigenthümlich als pittoresf ifl, dem unpoetifchen Namen zu Trog, 
das Waͤldchesloch, mit der herrlichen Quelle, fo dem Felſen 
entfpringt und mit ihrem filberflaren unübertrefflichen Waſſer, 
yon A Brad Wärme, nebenan einen Fleinen Weiher bildet. Häufig 
weilte auch bie gräflihe Familie in dem Tieblichen Befisthum, 
bis die Ereigniffe des 3. 1794 für immer von dannen fie ver 
trieben. AU ihr Eigenthum wurbe mit Sequefler belegt, und 
als es nach Jahren zurüdgegeben worden, dachte der edle Graf 
weniger an fi, denn an die Leiden, denen eine lange Zeit bins 
durch feine brodlos gewordenen Beamten ausgefegt. Sie vor 
züglich bei der unvermeidlich gewordenen Beräußerung ber Güter 
zu berüdfichtigen,, wurde befchloffen, und find ihnen für deren 
Ankauf die bedeutendften Erleichterungen zugeflanden worben. 
Einen namhaften Theil der werthvollen Güter in Saftig, 
abfonderlich die am Fuße der Höhe, welche die Pavillons, und 
früher das alte Schloß trug, belegenen Stall» und Drangerie- 
gebäude brachte der vormalige Kellner, Hr. Kleubgen an fi, 
und find fie, zu einer freundlichen Wohnung umgeſchaffen, an den 
heutigen Eigenthbümer übergegangen. Dort Tebt feinem Amte, 
den Mufen und den Blumen ber gemüthlihe Dichter Clemens 
Joſeph Lenne, geb. 13. Jun. 1794, und wird ſelbſt der Laie mit 
Staunen nur feine blumiſtiſchen Schäte, abfonderlich den umüber- 
trefflichen Flor von Camelien, Gloxineen und Achimenen betrachten 
fönnen. Die Pfarrkirche iſt der h. Cäcilia geweihet, und fällt 
die Kirmes demnach in eine an Volksfeſten ungewöhnlich arme 
Zeit, dafür ihre Unterthanen zu eniſchädigen, hatten die Grafen 
ber Gäcilienfirmes eine Dauer von drei Wochen beigelegt. Man 
cherlei Sagen von Bennruhigung und Spuf, einem gewiffen 
Haufe geltend, bieten des Eigenthümlichen zu wenig, um hier 
wiedergegeben zu werden. Wie bedeutend der Aderbau geworden, 
laͤßt fih aus dem Preife der Ländereien erfennen, ber Morgen 
fommt über 400 Rihlr. Ein Bach, der am Fuße der ben 


Aurfürſt Werner von Stier. 635 


Kamillenberg begleitenden Hochfläche entipringt , durchfließt das 
Dorf, und geht der Noldensmühle gegenüber in die Nette. 
Seitwärts von Saftig erheben fich die merfwärbigen Wahner 
Köpfe, an deren Abhang der Weg nah Dehtendung binläuft, 
und von benen zu handeln, ich der geologiihen Schilderung des 
Nettethales vorbehalten muß, auf dem nördlichen Ufer der Nette 
aber, eine halbe Stunde oberhalb Plaidt, trägt ein Hügel, der auf 
drei Seiten von dem Flüßchen umgeben, die Ruine Wernerged oder 
Kelterhaus, wie fie gemeiniglich nach einem am Fuße des Hügeld 
gelagerten Hofe genannt wird, Um das Kelterhaus hat am Tängften 
ber vorbem von der Mündung der Nette bis nady Hohpochten hinan« 
reichende Weinbau ſich erhalten; das von Plaidt an bedeutend 
verengte Thal ift merkwürdig durch die Menge von Nachtigallen, 
die am zahfreichften in der unmittelbaren Umgebung von Wers 
nerged niften. Die Burg hat Kurfürft Werner von Fallenſtein, 
Abth. IE. Bd, A. S. 159, angelegt, 1402, als einen Stügpunft 
der son ihm der Cölniſchen Grenze entgegengefeßten Landwehr. 
Am 23. Febr. 1401 m. T. befennt Graf Rupredt von Virnen⸗ 
burg, daß er feine Forderung oder Anſpruch an den Kurfürften 
tbun fol, von wegen des burgliden Baues von Wernerded auf 
einem Berg, „den wir meinten, baß er unfer und unfer Graf⸗ 
haft von Virnenburg Erbe und in der Pellenz gelegen wäre, 
und fagen denfelben unfern Herren und feinen Stift von Trier 
quit und ledig an diefem Brief, und follen wir'noch unfere Erben 
ihm und dem Stift von Trier um ben Berg und den burglichen 
Bau nimmermehr zufpredhen,, noch einige Forderung darum an 
fe thun. Auch bat ung der vorg. unfer Here folde Gnade 
getban, daß unfere Leute in der Pellenz gefeffen, zu dem Haufe 
Wernerseck nicht mehr dienen noch achten follen, dann fie von 
Alters unferm Herren und feinem Stifte fohuldig und pflichtig 
find zu dienen.” Im J. 1407 wird Peter von Treiß als Burg⸗ 
graf auf Wernersek genannt. Am 26. März 1409 vergleichen, 
fih die beiden Kurfürken Werner von Trier und Friedrich von 
Ein in Anfehung verfchievener flreitigen Punkte, worunter 
namentlich das dem benachbarten Andernach bedrohlide Wer- 
nerded. Am 13. Nov. 1542 übergibt Kurfürft Johann Ludwig 





024 | Weruersch, 


„unfer. Haus Wernerser mit allem feinem Begriff und Beifang 
hinten und vorn, wie das gelegen iſt,“ amts⸗ und pfandweile 
an Georg von Eis, und erlaubt ihm dazu „Daß er an baffelbig 
unfer Haus Wernerded mit guter Rundfchaft und Befcheidenheit 
taufend Goldgulden verbauen möge, wie er bag dem Haus am 
nüglichften thun kann, und ſollen nun hinfurter er und feine 
Erben, oder Inhalter diefes Briefs, das Haus inhaben und 
befigen, auch darauf ſtets einen Burggrafen oder Diener auf 
ihre Koften Halten, und folhes Haus an Porten, Thürmen, 
Mauern und allem feinem Bau, der fei binnen oder bauffen deu 
Gedach, aufrihtig und unvergänglich handhaben, dazu das Haus 
bei Tag und Nacht, früh und fpät, alles auf ihre Koften, Angf 
und Berluft wohl hüten und bewahren laften, damit bemfelben 
durch Brand oder in andere Wege ihrenthalben fein Schaben 
geſchehe. Sie follen auch unfer Haus Wernerseck alſo beftellen 
und verwahren, bag wir und unfer Stift ung des zu allen unfern 
Nöthen bei Tag und bei Nacht, nach unferm Willen, doch ohne 
Schaden ihrer Pfandfchaft gebrauhen mögen. Sie follen auch 
feinen Krieg daraus führen wider jemand, ber fei wer er wolle, 
bergleichen niemand daraus oder darin fehädigen laſſen, fie thun 
ed dann mit unferm, unferer Nachlommen und Stiffts Wiſſen 
und Willen, das fie mit unfern offenen verfiegelten Briefen be 
weifen können.” | 

In dem Umfang der Burg Tiegen außerordentliche Schäge 
begraben, wie bas ein Schäfer, an des Berges Rande feine 
Herde weidend, einem meiner Freunde vertrauet hat. Da hauſeten 
nämlich einft Tempelherren, die wie aller Orten, fo auch bier, 
Geld hatten die Hülle und die Fülle, und die in Wollüſten alkr 
Art erfäuft, doch nicht wußten, wohin fie mit dem vielen Gelde 
follten. Denn fie hatten, fo will verlauten, mit dem Böfen einen- 
Bund gemacht, und bevor der eine Malterfad mit Kronentpalern 
geleert war, fand ſchon wieder der andere in Bereitfchaft. Nie - 
bat auch der Böfe mit den guten Herren von Wernersed ſich 
einen Spaß gemacht, wie man bergleichen wohl anderer Orten 
von ihm erzählt, wo bie in ber Nacht befcherten Dubfonen, 
Dulaten, Patakons am Morgen fi in Laub, Kohlen oder noch 


Die Sempelberren. 625 


Schlimmeres verwandelt hatten. Allein es findet alles Menſch⸗ 
liche fein Ende, und mit großen Schritten ging feinem Ablauf 
entgegen der Termin, von weldhem an des Teufels zu fein die 
guten Herren ſich verfchrieben hatten. Glücklicher Weife waren 
fie an einen manierlihen Gläubiger geratben, vielleicht fogar 
glaubte der Seelenfäufer ihnen Berbindlichfeiten ſchuldig zu fein, 
um daß er ihnen einige Bosheiten abgelernt, die von felbfi dem 
dummen Teufel nicht eingefallen wären. 

Deshalb konnte er ſich nicht entfchließen zu thun, was feinen 
Collegen die größte Luft macht, den -Ausfteller eines verfallenen 
Wechſels bei lebendigem Leibe abzuholen, und ihm eigenhändig 
den Hals zu brechen, er begnägte fih, nachdem er zum letzten⸗ 
mal mit einem Malterfad voll harter Thaler feine Schäflein 
erfreuet, fie dem über fie verhängten Schidfal anheim zu geben. 
Ihr follt nämlich wiffen, dag nicht allein auf Wernersed die 
Tempelherren aller Schelmenftreiche voll, fondern daß im ganzen 
Orden Fein ehrlicher Dann zu finden gewefen; davon wär viel ” 
zu erzählen, Für jest mag ed genug fein anzuführen,, daß bie 
höchſte Obrigkeit, geiſt- und weltliche, zufammengetreten ift, bie 
gottlofe Gefellfchaft auszurotten, Die Anklage gegen fie hat ber 
Raifer Joſeph erhoben, die Unterfuchung wurde durch eine Bers 
ſammlung von 365 Bifchöfen geführt, das Urtheil gefprochen 
von dem Papſt. Vermöge deſſelben follte der Namen und bie 
Geſellſchaft für immer abgethan fein, al diejenigen, bie über 
fünf Jahr darin geftanden,, verbrannt, die andern über Meer 
geſchickt werden, um Zeitlebens als Sträflinge gegen den Türken 
ju dienen, das Land und fonfliges Gut war dem Kaifer zu« 
geiprochen. 

Dem war das Waffer auf die Mühl, dann ber brauchte 
Geld, und viel Geld und immer Geld, ließ darum alfer Orten 
das Urtheil publiciren, die Tempelhäufer befeten, das Gut auf: 
nehmen , die Tempelherren einfteden, und fie demnächſt wie bie 
Ratten verbrennen. Dazu war die Juſtiz gern bebülflich und 
fann man wohl von ihr rühmen, daß fie niemals fo flinf gewefen, 
als bei diefer Gelegenheit, dann wo Geld ift, hat Die Juſtiz eine 
feine Spürnafe und lange Arme, wo fein Geld if, fein Geld 


Rhein, Antiquarius, 3. Abth. 2. Bd, 40 


0236 Wernersech. 


zu holen iſt, da geht fie ſchläfriger zu Werk, ſchläͤft oftmals gar 
ein. An den meiften Orten Tießen die Tempelherren fih fangen 
und quifen wie die Hämmel, bin und wieder festen fie ſich 
zur Wehr. Das war namentlich der Fall auf Wernerded, und 
mußten das Regiment und bie Jäger von Coblenz herangezogen 
werben, um den Widerfland zu. befiegen. Die Burg capitulicte, 
nachdem die Lebensmittel zu End, die Ritter-wurden nach Frauen⸗ 
kirchen gebracht, da nach ihrem Alter im Orden gefchieden, und 
dann verbrannt, bis auf einen einzigen. Gleich bei den Bahner- 
höf find fie verbrennt worden, und hat ein flarfer Regen zu 
mehrmalen das Feuer ausgelöfcht, bis dag ein Jäger, der da 
vorüber kam, fih ausbat, Das Feuer wieder anzünden zu bürfen, 
Der lachte ganz freifelih, wollte gar nicht aufhören zu lachen, 
als die Flamme in die Höhe fhlug, einen nad dem andern 
wegblies: man glaubt Deswegen, es fei der Jäger der Teufel 
gewefen, dem vormals die Ritter fich verfchrieben, und der zuletzt 
bo die frühere Bedenklichkeit, Hand an fie zu legen, übers 
wunden babe. | 

An einem wollte bie Alamme nicht vecht greifen, ber ſchrie 
und zappelte fürchterlich, vorgebend,, daß er noch feine vollen 
fünf Jahre im Orden geweſen — es follen in der That ned 
13 Stunden an dem fünften Jahr gefehlt haben — als aber bie 
Flamme ihn ergriff, niemand feiner Einwendungen achtete, hat 
er den ungerechten Richter, der ihn zum Tode ſchicke, binnen 
40 Tagen und den Kaifer, der feinen Tod gebiete, binnen einem 
Jahr ſechs Wochen und drei Tagen vor Gottes Richterſtuhl 
gefordert. Diefe Citation wurbe in das Protokoll von der Hins 
rihtung aufgenommen, und das Protofoll, fo wie der Tempels 
herr, beffen man wegen feiner Jugend verfchont, nach Wien 
geſchickt. Schätze hat man. feine beifügen können, indem feine 
auf Wernersed gefunden worden: fie hatten fie zu rechter Zeit 
vergraben. Bielleicht, daß ich noch die Zeit erfebe, wo id fie 
heben darf, den Ort weiß ih. Der Kaifer, das Protofol 
empfangend, und fein Gelb dabei, fchüttelte gewaltig den Kopf, 
es wurde ihm aber zumal unheimlich, als er, das Protokoll 
nochleſend, die ihm geltende Citation fand, Gleich ließ er bie 


Die Gempelherren. 697 


fämtlihen,, bisher no in den Feftungen verwahrten jungen 
Tempelherren nach ber Türkei abführen, und in dem Glauben 
biermit ein gerechter Richter geworben zu fein, verſucht er es, 
Citation und Termin aus dem Sinne fih zu fohlagen. Das 
wollt ihm aber nicht glüäden, im Gegentheil nahm mit jeder 
Woche feine Unruhe zu, daß er letzlich, fein Gewiſſen zu bes 
Ihwidtigen, eine Wallfahrt nach Serufalem als das einzige 
Mittel erfannte. Hat dahero den Pilgerftab ergriffen, und als ein 
armer Pilgrim, von Niemanden beachtet, bis Jeruſalem ſich durch⸗ 
gebettelt, daſelbſt feine Andacht verrichtet, und glüdlich wiederum 
Sonftantinopel erreicht. Hier wollt er nach dem langen mühfeligen 
Marfch den Guten fih anthun, beftellt alfo ein Fußbad von 
Champagner Wein und Rofenwafler. Das erregte Auffehen im 
Wirthshaus, der armfelige Pilgersnann wurde genauer beobachtet, 
und machte ſich dermaßen verdächtig, daß die Polizei Hand an 
ihn legte. Er wurde vor den Sultan gebracht und vielfältig quäs 
ſtionirt, wußte aber über alles die befriedigendfte Ausfunft zu geben, 
fo daß der Sultan bereits befohlen hatte, ihn Taufen zu Laffen. Er 
wollte die Stube verlaffen und in der Thüre traf er zufammen 
mit einem Pagen des Sultans, der ſcharf ihn anfchauend, voll 
Berwunderung audrief: „das ift ja ber Römifche Kaifer, wie 
lommt ber her? den wollt Ihr doch fo nicht Taufen Taffen I” 
Der Page war fein anderer, ale der Tempelherr,, deffen man 
von wegen feiner Jugend zu Wernerseck verſchont batte, und ber . 
anflatt gegen die Türken zu fechten, zu ihnen defertirt und feinem 
Glauben abgefallen war, jest aber als des Sultans Liebling in 
hohem Anfehen ftand. Seine Yeußerung veränderte bie ganze 
Rage der Dinge. Der Pilgrim wurde dem Sultan nochmals 
vorgeführt und bedeutet, Daß er entweder ben türkifchen Glauben 
anzunehmen, oder ben Feuertod zu erleiden habe. Ein Renegat 
gu werden, verfhmähte der Kaiſer, alfo wurde ex verbrannt, 
und das gefhah ein Jahr ſechs Wochen und drei Tage nad) 
dem Feuer bei den Bahnerhöf. 

Das Zufammentreffen in der Thüre, fo unheilvoll jenem 
Yilger, erinnert mich an ein ähnliches Zufammentreffen,, von 
welchem einer meiner Befannten, des Staatsrathes Ferber Sohn 


40 * 


6238 | Wernerseck. 
erzählte. Lieutenant und dem fächfifchen Corps zugetheilt, fe 


unter Regniers Befehlen 1812 Volhynien bedrohte, bradte er . 


eine nicht eben freundliche Nacht im Bivouac zu. Sie war über 
flanden , mit Kaffeefochen befchäftigt der Lieutenant, als eine 
öftreichifche Patrouille vorüberzog, geführt von einem Feldwebel, 
ber, in Jahren vorgerüdt, das Ungemach der Nacht ſchmerz⸗ 
ich empfunden haben mußte, und ber jegt noch, an bem 
falten Morgen, vom Fieberſchauer zu Teiden ſchien. Der junge 
Mann, von Mitleiven ergriffen, lud ihn ein, den Kaffee mit 
ihm zu theilen, und das ließ nicht zweimal der Deftreicher fih 
fagen. Das Feuer und das erwärmende Getränf thaten ihm 
fichtlich wohl, als ein Licht, fo dem Erlöfchen nahe, ging er at, 
und in den lebendigften Ausprüden hat er dem Wohlthäter feine 
Dankbarkeit ausgedruͤckt, letzlich auch fcheidend , defien Namen 
zu wiffen begehrt. „Was haben⸗Sie an meinem Namen %” 
entgegnete Ferber, „wir fehen uns -boch nimmer wieder.” Das 
- wollte der Feldwebel nicht gelten Taffen, und feinen Bitten nach⸗ 
gebend, hat Ferber feinen Namen genannt, welchen der Brieftaſche 
einzutragen, der Andere nicht verfehlte. Ein volles Jahr verging, 
es wurde bei Leipzig geftritten. Nicht alle Sachjen find über 
getreten, und Ferber gerietb mit einem Theil feines Regiments 
in Sefangenfchaft. Nach Böhmen wurden die Gefangenen trands 
portirt, für eine Naht zu Rochlitz untergebradt. Bor dem 
Aufbruch, am Morgen, wurden fie Angeſichts des Schlofles ges 
muftert ; da hat das Amt feinen Sig, und mit dem Perſonal, 
wie mit ben Einrichtungen des Haufes war Ferber wohl befannt, 


Einen günftigen Augenbfid ergreifend, trat er aus der Linie | 


hervor, um einer Seitenthüre zuzueilen. Die Hand hatte er 
bem Drüder angelegt, da wurbe von innen geöffnet und heraus⸗ 
trat der Bekannte von jenem Frühftüd in VBolhynien her. Angen- 
biictich feinen Dann erfennend, feine Abficht erratbend, ſprach 
ber Seldwebel: „hab ichs nicht gefagt, daß uns wieberjehen 
werden? gehens mit Gott!” Damit zog er feines Wege, Ferber 
aber rannte die Treppe hinan, und ber verrätberifchen ‚Abs 
‚zeichen fi entledigend, in einen @ivtlanzug ſich werfend, ward 
er der Gefangenfihaft ledig. Des Schäfers Erzählung habe id 


Der Freſſenhoſ. | 629 


lediglich aufgenommen, um den Unfinn barzuftellen, welchen die 
Tradition, hiftorifche Mißverſtaͤndniſſe ihren Geweben einflechtend, 
zu erzeugen vermag. 


Ochtendung, die Brei Tonnen, Frauenkirchen. 


Gleich über Wernersed nimmt die Marfung von Ochtendung 
ihren Anfang. In jeder Richtung mehr denn eine volle Wegftunde 
meflend, über beide Ufes der Nette fi ausdehnend, hält fie über 
11,000 Morgen. Der ihr einbezirkte Freſſenhof, zunädhft mit 
Wernerseck grenzend, war eine Befigung der Grafen yon ber 
Leyen, von beiläufig 180 Morgen Gehalt, und gibt in feinem 
gegenwärtigen Zuftande das treuefie Bild von den immenfen Fort⸗ 
fhritten, fo ber Aderbau des Maifeldes überhaupt gemacht hat. 
Das ganze Belände bes, Hofes, die Nette entlang, weiland eine 
öde Viehweide, hat fih in bie fruchtbarſten Weizenäder verwandelt. 
Am 29. Nov, 1103 beftätigt Erzbifhof Bruno yon Trier die von 
feinem Borgänger,. Erzbifchof Egilbert, dem Stift zu Münfter- 
maifeld gemachte Schenkung einer Tänderei, die 8 Solidos ers 
tragend, zu der Villa Brefene, „quae subjacet banno Often- 
medenc“, gehört. Ochtendung felbft liegt auf dem entgegen 
geiegten Ufer der Nette, ein Fleines Viertelſtündchen von dem 
Fluſſe, und wird der Länge nach von der Eoblenz-Lütticher Lands 
frage, die zunähft von Baſſenheim herkommt, durchſchnitten. 
Das jehr große Dorf, in mehr denn 260 Häufern über 1600 
Einwohner zählend, bat von uralter Zeit her eine Pfarrkirche 
zu St. Martin, deren Patronatrecht, wie es Jacob, ein Bafall 
der Trierifchen Kirche befeffen, durch deſſen Ableben aber bers 
felben beimgefallen, Erzbifchof Johann 1. feinem Domcapitel 
verlieh, 1189—1190, „quia jus feodale ad filias transferri- _ 
non solet““, heißt es in der Urkunde, Zwölf Jahre fpäter, 1200 
bat er diefe Kirche, zufamt jener von Perl, dem Domcapitel 
einverleibt. Schwerlich aber ift e8 diefem Umftand zuzufchreiben,. 
dag von Dehtendung eines der drei Landcapitel bed Cardener 
oder St. Caſtor⸗Archidiaconats benannt worden. Diefe Ehre: 


630 Oqhtendung. 


ſcheint vielmehr, wie zu Piesport, durch das hohe Alterthum des 
Ortes begründet. Das Landeapitel Ochtendung enthielt in vier 
Definitionen 74 Pfarreien. Dem Landdehant war ein Ficarius 
Capituli, auf die fogenannte Landeaplanei fundirt, beigegeben. 

Des Dorfes und einer demfelben angebauten Pfalz gedenft 
bereits die Legende von der bh. Genofeva, nun haben fi) zwar 
bier feine Trümmer eines palaftartigen Gebäudes vorgefunden, 
allein es erinnerte ſchon Gibbon gelegentlih der 160 Baläfte 
der langhaarigen Könige: „a title which need not exeile 
any unseasonable ideas of art and luxury, and if some migkt 
claim the honours of a fortress, the far greater part could 
be esteemed only in the light of profitable farms““ Die Ur⸗ 
funde, mittels welcher Graf Hermann an St. Martins Muͤnſter 
einen Weingarten bei Eilba, ‚in Maginensi pago‘“ überträgt, 
ift Datirt Dfpemodinge, 10. Zun. 963. In einer andern Urkunde 
von 1103 wird der Ort Dftenmedene, 1121 Ophtemedine, 1179 
Dftindinge, 1216 und 1231 DOftemedind, 1265 Dftindind ges 
nannt. In allen diefen Benennungen ift eine deutſche Grundform 
unverfennbar, wogegen ber in der Neuzeit herrfchend gewordene 
Namen keltiſchen Urfprungs fein fünnte. Ochtendung heißt der 
brennende Berg, und daß er unterhalb bes Dorfes, auf dem 
rechten Ufer, in dem Abhange zu dem Flüßchen, in der Spalte 
eines Steinbruches Hitze verfpürt, aus derſelben Raud habe 
auffteigen fehen, erzählt ein eben fo verfländiger als zuver⸗ 
läffiger Beobachter, gleichwie er von Schuͤlern aus Ochtendung 
vernommen haben will, daß die Arbeiter in den Spalten des 
Steinbruches ihr Frühſtück zu wärmen pflegten. Hingegen ver⸗ 
ſichern Perſonen, die in Ochtendung zu Hauſe, daß ſie von ſolchen 
Spuren eines Erdbrandes nie gehört hätten. Leider vermag ich 
es nicht mehr, an jenem Uferrand herumzuklettern, um bie 
Stelle aufzufuhen. Jedenfalls ift es nicht wahrſcheinlich, daß 


ein Ort, dem eine fo ausgedehnte Markung zugewiefen, der auf | 


allen Seiten von Ortfehaften umgeben, in deren Namen ber 
feltifche Urfprung unverkennbar, erft in der fränfifchen Periode 
entitanden fein, einen fränfifchen Namen empfangen haben follte. 
Am Mittwoch nach Heminisgere 1306 verkaufen die Gebrüder 


Pie Prei Gsiunen. 651 


von Iſenburg, Gerlad und Theoberich, Die Bogtei zu Oftendynch, 
welche fie von dem Erzftiift Trier zu Lehen tragen, und ihre 
dafigen Allodial- und Patrimonialgüter um die Summe von 
300 Mark an Erzbifchof Dieter. Der Verkauf ſcheint jedoch 
tüdgängig geworben zu fein, denn am 21. Jan. 1337 (m. T.?2) 
teverfirt fi Gerlah von Iſenburg von wegen feiner Trierifchen 
Lehen, unter welchen auch die Bogtei zu Ufftending genannt, und 
am 30. Sun. 1353 verkauft Gerlach von Iſenburg die befagte. 
Bogtei wiederfäuflih um 800 Gulden, und 1358 ohne Vorbehalt 
bes Wiederfaufsrechtes um 1800 Gulden an das Erzftift Trier. 
Der Bogteihof, von 190 Morgen, ift auch bis in die neuefle Zeit 
ber Trierifchen Hoffammer Eigenthum geblieben, gleichwie der 
Großhof von 220 und der Zenfigerhof von 100 Morgen. Außer- 
dem waren bier begütert Graf Baffenheim, die Abteien Marien 
Ratt und Laach, Kloſter Niederwerth, St. Laurentien Altar zu 
Monreal, deflen Nachfolger die Liebfrauenfirdhe zu Cobfenz 
geworden ift, endlich die Dominicaner in Coblenz. Die Feuers⸗ 
brunft von 1809 iſt Abth. 1. Bd. 2. S. 666 befproden. 

Eine Feine halbe Stunde füdlih von Ochtendung liegt ber 
Baldorferhof, weiland der Deutfchordensconmthurei Coblenz Beſitz⸗ 
thum, und etwas weiter erheben ſich in des Hofes Feldern, zur 
Linfen der von Coblenz nah Trier führenden Straße, dicht an 
derfelben bie unter dem Namen der Drei Tonnen befannten, 
ſichtlich von Menfchenhänden aufgeworfenen Hügel. Hier wurbe 
ein das Pellenzgeriht auf Tumbe gebegt, bier find früher 
Dinge von ganz anderer Bedeutung, als fie in einer gewöhnlichen 
Gerichtsfigung vorkommen fünnen, verhandelt worden, wenn 
anders begründet die Anficht derjenigen, welche den Namen des 
Maifeldgaues von den darauf abgehaltenen Verſammlungen des 
-fränfifhen Bolfes, von dem Maifelde herleiten. Für dergleichen 
zahlreiche Verſammlungen ſcheint vorzüglich geeignet die weite, 
amphitheatralifch fich erhebende Ebene, Behufs deren Lleberficht 
bie Drei Tonnen einen ungemein vortheilhaften Standpunft 
gewähren. Dieſes Maifeld, im Lande der Salier, an ber Grenze 
der Ripuarier, die bei Tirlemont ihr eigenes, ebenfalls durch 
Zonnen, Tombes, bezeichnete Maifeld hatten, konnte gar füglich 


633 Ochtendang. 


bie beiden. großen Hauptſtämme bes Volkes vereinigen. Sehr 
bedeutend ift in biefer Hinfiht der Namen Waldorf, an eine 
Walftatt mahnend, nicht minder bedeutfam heißt ein anderer Hof, 
am entgegengefegten Ende der Ebne, Raifersed. Der Namen 
von Ochtendung felbft, wie er in Urkunden vorkommt, faun kaum 
anderes heißen als auf dem Ding, auf dem Ding vorzugsmeile, 
auf dem Storthing. Gegen die Anfiht im Allgemeinen erhebt Herr 
von Ledebur Bedenklichfeiten, die allerdings von Belang. Er weiſet 
nad, daß feiner der alten Schriftfteller von ferne nur der in ber 
Nähe von Ochtendung abgehaltenen Maifelde gebenft, er ift ber 
Anficht, dag nicht von ſolchen Berfammlungen, fondern von Mayen 
ber Namen des pagus Maginensis, in der Urkunde vom 10. Jun. 
963, des pagus Megonovelt 964, herzuleiten. Diefer Ableitung 
ift, neben der Unbedeutendheit von Mayen, das erft ſich zu heben 
begann, nachdem Kurfürft Balduin dahin das Klofter Lonnig über« 
tragen, der Umftand entgegenzufegen, daß nach dem heutigen, ohne 
Zweifel uralten Zeiten entflammenden Sprachgebrauch, Mayen 
nicht mehr im Maifeld, fondern, gleichwie das obere Thal ber 
Nette überhaupt, in der Eifel belegen if. Das Schweigen ber 
Chroniken anbelangend, fo hat fich vielleicht mit ihnen zugetragen, 
was fo häufig den claffiihen Gefchichtfehreibern begegnet, fie bes 
fchäftigen ſich höchſt felten mit Iocalen Beziehungen, als befannt 
fie vorausfegend. Nirgend findet fih bei den Schreibern eine 
Andeutung, wo das. Maifeld gehalten worden , irgendwo mußte 
ed doch im offenen Felde, wie in Stalien auf den Roncalifchen 
Gefilden, zufammenfommen, wenn aud die bafelbft gefaßten 
Befchlüffe nachmalen aus einer benachbarten Stadt Datirt wurden, 

ebenfalls hat der Maifeldgau in eigenthümlichen Bezie⸗ 
hungen zu ben fränfifhen Königen geftanden, vielleicht einen 
Königs-Sundergau vorgeftellt, von bem die Pellenz, der ausge 
dehnte Bannforft, das Polcher Holz, mit dem königlichen Holz⸗ 
geriht, mit dem Polcher Dingtag, nur Fragmente find. As 
des Maifeldes Gaugraf wird genannt 888 Megingoz, auf deſſen 
Bitten K. Arnulf die villa Rübenach „in pago Meinefeld‘““ au 
die Abtei St. Marimin verfchenfte. Megingoz ift eine Perfon 
mit jenem Megingaud, von welchem Rhegino 892 ſchreibt: 


— 





\ Die Capetiager. 633 


„Megingaud, Neffe von König Odo Chem Capetingifchen König 
ber Weſtfranken), wurde von Alberich und deffen Spiesgefellen 
zu Rettel in dem Kloſter des h. Sixtus ermordet; der Leichnam 
wurde nach Trier gebradht und in St. Marimin beerdigt.” Das 
Ereigni weiter befprechend, fügt Echhart, Rerum Francicarum, 
lb. 28,.n. 266 binzu: „So viel fi aus den Handlungen ber 
Nachkommen Roberts des Starken (des Grafen von Tours) er» 
fehen läßt, war Robert, ber Aganı Gemahl und Roberts bes 
Starten Bater , in dem Trierifihen. Sprengel zu Haufe.” Der 
Capetinger Abflammung von einem rbeinifihen Gefchlecht werde 
ich bei dem .Rupertsberg nachweiſen. Als Grafen des Maifeldes 
kommen ferner vor 905 Burdard, „in pago Meginovelt“‘, 964 
Ubs „in page Megonovelt“‘, 998 und 1005, Becelinus, Bethes 
Imus ‚‚in pago Meinefeld, Meinvelt“, 1012, Bertold ‚in pago 
Meineveldensi“, 1056 Bertolphus ..in pago Meynvelt“. 

Die Drei Tonnen und die Landſtraße begrenzen die Ochten⸗ 
dunger Marfung gegen Süden, gegen Norden, jenfeits der Nette, 
veicht fie bis beinahe Frauenkfirchen bin. Die Mapen-Lütticher 
Straße, fobald fie von Ochtendung kommend, das Flüßchen über⸗ 
fhritten hat, zieht ſich durch das romantifche, vordem wegen 
Unficherheit übel berufene Wolfersthal, sartus Wolfgeri, in 
vieffachen Krümmungen, zu beiden Seiten von Wald begleitet, 
zur Höhe hinan. Der prächtige Hof Emming, weiland ber. 
Abtei Laach zuftändig, bleibt ihr zur Linken. Ihn hat Theoderich 
von Ulmen, Ritter, den 5. San. 1274 um 140 Mark Aachener 
Pennige an die Abtei verfauft. Damals hielt das Gut, außer 
einem nicht berechneten Walddiſtriet, etwan 155 Morgen; auf 
bie Wiederherfielflung der verfallenen Gebäude verwendete das 
Klofter 20 Mark, Um die Mitte des 18. Jahrhunderts gab ber 
Hof 40 Malter Pacht. Seit dem 17. Jahrhundert befand er fich 
" pachtweife in den Händen der Familie Albrecht, wie dann Karl 
Albrecht, der Kellner zu Laach, und nachmalige Paftor an ber Lieb⸗ 
franenficche zu Eoblenz, wo des Frommen Andenfen unvergeßlich, 
ben 16. Dec. 1747 zu Emming geboren worden (Abth. II. Bd. 2, 
6. 68-69). Am 23. April 1812 wurde der Hof für 20,085 
Franken verfleigert: Unter ben 200 Morgen, welche bie franz 


634 Feanenkirchen. 


zoͤſiſchen Verzeichniſſe ihm beilegen, befanden ſich 1577 Stöd 
Wingert. 

In weitem Abſtande von der Landſtraße, rechts derſelben, 
von Ochtendung eine gute Stunde entlegen, in ber gegen Kruft 
fih herabſenkenden Hochfläche, gleich neben dem Thürer Bad, 
fteht das Kirchlein Srauenfirchen, weltbefannt durch die herrlige 
Legende von ber Pfalzgräfin Genofeva, die ber Historiela de 
exordio capellae Frauenkirchen entlehnen zu können, ich mid 
freue. „Zu Zeiten Hildolfi, des feligen Erzbifchofs von Trier, 
welcher zu Offiendind in der Pfalz refidirte, wurde eine Paflage 
gegen die Heiden vorgenommen. Damals lebte in der Pfalz zu 
Trier der hochedle allerchriftlichfte Pfalzgraf Syfrid, der zu Weibe 
genommen hatte die Tochter des aus königlichem Geblüte ent 
fproffenen Herzogs von Brabant. Genofeva, fo war fie genannt, 
fhön über alle Maafen, diente getreulich bei Tag und bei Nacht, 
wann die Zeit ed nur erlaubte, oder ein Augenblid ihr abzu⸗ 
‚gewinnen, ber allerfeligften Mutter Gottes, liebte fie auch der 
geftalten, daß alle weltlichen Güter, fo viel deren Genofeva nur 
haben fonnte, um ber Liebe zur Mutter der ſchönen Liebe auss 
getheilt wurden. | 

„Wegen ber auffallenden Schönheit feiner Gemahlin, wollte 
ber Pfalzgraf, daß fie während der Zeit er abweſend fein würde, 
das Schloß Simmern in dem Maifeldgau bewohne, wo er fie 
vor allem Ungebürlichen verwahrt glaubte. Denn er befürchtete, 
dag die übermäßige Schönheit ihr Veranlaſſung zum Strauceln 
werben könne, zumalen er nod) Fein Kind von ihr hatte, Wie 
es ihm wohl anfländig, bereitete ſich der Pfalzgraf fobald wie 
‚möglid mit ben Seinen auszuziehen: vorher rief er zufammen 
alfe feine Barone und Ritter, wie fie die Paffage mitzumachen, 
geeignet; darunter befand fih Ritter Golo, der Gleven Haupt 
mann und von wegen feiner Tapferkeit dem Pfalzgrafen fehr 
wertb. Als fie fämtlich in dem vorgenannten Schloß oder deſſen 
nädjften Umgebung vereinigt, ſprach zu ihnen, Rath begehrend, 
der Pfalzgraf: „„Rathet mir, wen ich das Meine anvertrauen, 
wen ich zu meinem Generalbevollmächtigten ernennen kann ?““ 
Alle die Anmwefenden vereinigten fich, den Golo zu nennen, uud 


- t 


Pie 5. Gensfivn, 655 


er wurbe, nach ihm abgenommenem ide, zum Generalbevoll- 
mächtigten beftellt. In der Nacht theilte der Pfalzgraf der 
Gemahlin Lager, und fie empfing durch Gottes Willen, wie der 
fromme Glauben annimmt. Als der Morgen gelommen , Tief 
der Pfalzgraf den Ritter Golo zu fih fordern, alfo benfelben 
anredend: „„Golo! fieh, dir übergeben wir hiermit unfere innigft 
geliebte Haugehre und alfe unfere Gebiete, mit treuen Händen 
fie zu bewahren.” Das vernehmend, ift die Pfalzgräfin zu 
breimalen niedergefunfen, als eine Scheintodte am Boden Liegen 
geblieben, Db des Anblicks erichroden, hob der Pfalzgraf fie 
in die Höhe, dann ſprach er wiederum: „„Oh gebenedeyte Jung⸗ 
frau Maria, bir und feinem andern übergebe ich meine herz⸗ 
liebfte Ehefrau, Du wolleſt fie bewahren!““ Weinend, uns 
armend und Füffend, unter allen Zeichen der herzlichſten Zu⸗ 
neigung , denn die beiden Leutchen waren in wunderbarer Liebe 
zu einander befangen, wechfelte Here Syfrid den bittern Scheides 
gruß. Fort ging es. 

„Biele Zeit war nicht verfloffen, unb Golo, der falfche Ritter, 
entbrannte in Liebe zu der Pfalzgräfin, unterfing ſich, zum Ehebruch 
fie verleiten zu wollen. Zum öftern redete er in fihmeichefhaften 
Worten fie an, „„O Herrin!” Flagte er einftene, „„Gott weiß, 
daß ich- aus unmäßiger Liebe, die ich zu Euch trage, Tange 
Zeit ſchon getragen babe, faum mehr weiß, was ich thue: 
rogo igitar ut vobis condarmire valeam. “ Aber die gute 
Herrin, die allerhriftlichfte Frau börte das mit Abfcheu und 
erHlärte, fie wolle lieber fterben,, als das Ehebett ihres Herren 
und Gemahls befleden. Indeſſen begann ihr Leib fih zu 
runden, dem falfchen Ritter zur Freude. Und trat eines Tages 
befagter Solo vor feine Herrin, die Pfalzgräfin,, einen Brief, 
durch feine Hände gefhrieben, hielt er ihr dar, und einen Betrug 
im Schilde führend, hob er an: „„Wertheſte Herrin, dieſes 
Schreiben ift an mich gerichtet, und fo Ihr befehlet, werbe ich. 
bie Binde Idfen.”” Darauf fie fprach: „„Lefet.”” Und als bie 
Pfalzgräfin, unter Seufjzen, die Botfchaft vernommen, daß ihr 
berzliebfter Herr und Ehegemahl mit feinem ganzen Gefolge im 
Meer umgefommen fei, da weinte-fie bitterlich und richtete ihr 





650 Franenkirchen. 


Gebet zu der Jungfrau Maria, ſprechend: „„O meine jungfrän⸗ 
liche Königin, du einzige Zuflucht mein, ſchau auf mid, ſchau auf 
mih Elendige.““ Und darüber ift fie in bem Uebermaas bee 
Leides entfchlummert. Demnächſt erfchien ihr die Jungfrau Maria 
in lihtem Glanz, ſprach: „„Sei ftanbhaft, meine Tochter; der 
Pfalzgraf Iebt, nur einige ber Seinen find in Frieden ent⸗ 
ſchlafen.““ 

„Es erwachte die Frau Pfalzgräfin, und getröſtet durch die 
glorreiche Jungfrau, begehrte fie Speiſe. Der nichtswüͤrdige 
Golo ließ die Tederften Gerichte ihr vorfegen, trat zugleich zu 
ihr heran, in der Hoffnung , zur Sünde fie zu verleiten, unb 
ſprach: „„D Herrin, wie Ihr aus jenem Schreiben vernahmt, 
ift unfer Herr geftorben und besgleihen meine Frau: da nun 
bie ganze Pfalz mir untertbänig, Fönnt Ihr füglich als Euern 
Gemahl mich annehmen.” Zugleich wollt. er fie umfaffen; ale 
er aber einen Kuß ihr zu geben verfuchte, hat die Pfalzgräfn, 
dem Beiftand der Jungfrau Maria vertrauend, in das Angeſicht 
ihn gefchlagen, fo herzhaft fie das vermochte. Und als der Golo 
in feiner Abficht fich betrogen fand, hat er verzweifelnd fchier, 
alsbald die Kämmerlinge famt und ſonders von ihr entfernt, des⸗ 
gleichen die Zofen. Es fam die Zeit der Entbindung, und fie gebar 
einen gar fchönen und Tieblihen Knaben, und es wagte feine 
Weibsperfon ihr beizuftehen oder fie zu tröften, ausgenommen 
bie alte Amme, die Wehmutter, die, was nur Schlimmes zu ers 
denken, an ihr verfuchte. Und während fie alfo das jammervoffke 
- Reben führte, fam ein Bote, an die Pfalzgräftn von ihrem Herren 
entfendet, und berichtete: „„Unfer Herr, ber Pfalzgraf lebt, aber 
einige der Seinen find geſtorben.““ Fragt die Pfalzgräfin: „„Wo 
weilt mein Herr, der Pfalzgraf? Sprich hurtig.““ Und ex 
antwortete: „„in ber Stadt Straßburg.” Sie empfand hohe 
Freude, mehr Freude, als fih erzählen läßt, in dem Glauben, 
daß fie hiermit von dem gottiofen Ritter befreiet werden follte 

„Darüber fam der nichtswürdige Golo, und dem hat bie 
Pfalzgräfin mitgetheilt, was fie vernommen. Ob ihrer Erzählung 
fluste der ungetreue Ritter, voll Entfegen und Furcht, unter 
einer Flut von Thränen jammerte er: „„Ich Armer, weiß nicht, 








- 


Die h. Genoſeva. 637 


was ich thun ſoll!““ Das gewahrte die alte Vettel, fo am 
Buße des Schloßberges haufete, fie trat zu Golo hin, redete ihn 
an: „„D Herr, was ift, mas drückt Euch? Sagt mir das, und 
Ihr werdet, fo Ihr meinen Rath hören wolle, bald der Trauer 
und Gefahr enthoben fein.” Antwortet der Ritter: „„Weißt 
du, wie ich mit unferer Herrin ber Pfalzgräfin,, / und wie, übel 
id) mit ihr verfahren bin ? Ich weiß, daß, wenn der Herr fommt, 
ich der Todesftrafe nicht entgehen fol. Kannfl du mir einen 
vernünftigen Rath geben, wie ich ihr auszumweichen vermöchte, 
das follte die und deinem ganzen Haufe gut befommen.”” Und 
es Sprach die Vettel: „„Das wäre mein Rath: unfere Herrin 
bat geboren, wer weiß, ob der Koch oder ein anderer fie ers 
fannte,”” Und fie feste fich nieder, zu berechnen den Tag des 
Auszugs, und jenen der Niederfunft, und es ergab fi, daß bie 
Pfalzgräfin an dem legten Tage vor dem Auszug empfangen. 
Und es ſprach bie Alte: „„Wer mag dag genau wiffen, da feiner 
babei war ? Gehet darum zu dem Herrn Pfalzgrafen, und fagt 
ihm, daß feine Frau, die Pfalzgräfin, von dem Koche empfangen 
und geboren hat. Ich weiß, daß er fie in den Tod fchiden 
wird, und Ihr feid geborgen.”” Antwortet der Ritter: ‚bein 
Rath ift gut““, und ließ fich ihn gefallen. 

„Mit feinem Herren, dem Pfalzgrafen zufammentreffend, 
berichtet Golo, was er von der Vettel gelernt hatte. Als der 
Pfalzgraf ſolche Dinge hörte, durch den treulofen Ritter vor⸗ 
gebracht, wurde er von Kummer ergriffen, und ſprach unter 
fhweren Seufzern und Wehflagen: „„O du heilige Jungfrau 
und Herrin Maria! Dir babe ih meine herzliebſte Ehefrau 
anempfoblen, warum haft Du fie zu Fall kommen Laffen? Was 
anfangen ? Ich weiß es nicht. O Bott, Schöpfer Himmels und 
ber Erde gib, daß die Erbe fi öffne und mich verfchlinge, 
benn beffer iſt, daß ich flerbe, denn mit den Sündern lebe.“ 
Wieder fpricht ihm zu, nach der Vettel Rath, der nichtswürdige 
Ritter: „„O Herr, bei meinem Eide, es ift Euch nicht erlaubt, 
noch fchicflich, ein folches Weib zu haben.““ — „„Was ſoll ich‘ 
denn beginnen ?““ fragt der Pfalzgraf, und Golo, der Ungetreue 
ſpricht: „Sch gebe, und Taffe fie mit dem Kindlein nach dem 


658 Stanenkicchen. 


See führen, beide in dem Wafler ertränken.““ — „„Das fleht 
mir wohl an,”” verfegt der Pfalzgraf. 

„Sogleich ſchickt, von dem Teufel getrieben, der faliche 
Ritter fih an, das Befprocene zur Ausführung zu bringen. Er 
drängt fi der Stube der Wöchnerin ein, legt Hand an feine 
Herrin, die Pfalzgräfin und an ihr Söhnlein. Den umſtehen⸗ 
ben Dienern gebietet er: „„Ergreifet fie und ihr Kind und ex 
füllet den Befehl unferes Herren !"” Die antworten: „„was 
bat unfer Herr befohlen?““ Und er: „„fie follen ſterben.“ 
Fragen die Diener wiederum: „„was haben fie denn Böfes ges 
than ?““ Und ber Treulofe fpricht: „„Geht, und thut, wie der 
Herr befiehlt, oder Ihr feid des Todes.” Wiverwillig erheben 
bie Diener aus dem Worchenbett die Gebieterin und den Säug— 
ling, um fie zur Richtftätte zu fohleppen, in den Wald, Darüber 
hebt einer ber Diener an: „„was können dieſe Unfchuldigen 
verbrocen haben ?”” Sie gerathen zu Streit. Da fprach der 
eine: „„D ihr Brüder und geliebten Freunde ! wir wiffen nicht, 
was und wie es ſich zugetragen mit unferer Herrin und ihrem 
Knaben, die ung übergeben worden, um fie zu richten.” Und 
fie antworteten einftimmig : „„wir wiffen es nicht.”” Fragie 
ber eine Diener, ber getreue: „„was hat fie denn Boͤſes ges 
than?““ Sie erwiderten Alle, mit einem Schwur bie Worte 
befräftigend: „„Nichts, frei ift fie von jedem Verbrechen.“ Da 
fährt fort der getreue Diener: „„warum follen wir fie benz 
famt dem Söhnlein richten?“ Und es fragt ein anderer: „„Wer 
"mag und einen Weg zeigen, wie wir fie entwifchen Taffen fönns 
ten ?”” Und es fpricht der Getreue: „„Wir wollen ihnen aufs 
erlegen, bier zu bleiben. Denn es ift befier, daß die Thiere fie 
yerfchlingen, als dag wir unfere Hände befudeln.”” Dem ftellten 
einige entgegen: „„Wie aber, wenn fie von. bannen gehen 9“* 
Berfegt der Andere: „„Unfere Herrin wird ihr Wort geben, 
daß fie bleiben werde, und ohne Zweifel bleiben.”” So gefhaf 
ed. Sie gingen zu Rath um ein Malzeichen ber vollbradten 
That. Der Geireue ſprach: „„ein Hund iſt uns nachgelaufen, 
yon Bott geſchickt, wie ih glaube. Dem fchneiden wir Die Zunge 
aus, bamit ein Malzeichen zu haben yon ihrer Hinrichtung.”” Wie 


, 


Die h. Genofens, oo 639 


das gefchehen, gingen fie ihres Weges. Als der treulofe Solo der 
Männer anſichtig wurde, fragte er: „„wo habt Ihr fie gelaffen 2“ 
und ed wurde geantwortet: „„Sie find getöbtet, bier geben wir 
End das Malzeihen.”” Dazu zeigten fie die Zunge vor. Sprach 
ber ungetreue Ritter: „„Ihr werdet bem Herren und mir werth 
fein, um daß Ihr des Herren Gebot erfülltet,”“ in der Meinung, 
Daß es alfo ſich verhalte. 

„Mit ihrem Knäblein zurüdgelaflen in der fürdterlichen 
Einöbe, hob unter Thränen an die Pfalzgräfin: „„Ach ich 
Aermſte! aufgezogen, groß geworden im Weberfluffe, jet von 
Allem entblößt, wie entjeglih if meine Lage!““ Das Kind 
war noch feine dreißig Tage alt. Es zu nähren, hatte die gute 
Mutter Feine Milch, fie weinte, aller menfchlichen Tröfung fern; 
vertrauend dem Beiftand der Jungfrau Maria, bat fie alfo zu 
ihr gefprochen : „„Du Himmelstönigin, erhöre die Sünderin, bie 
verdammt worden, obgleich fie, wie Dir bewußt, frei von dem 
Verbrechen, deſſen man fie bezüchtigt; verlaß mich nicht. Ich 
weiß, daß Du allein und dein eingeborner Sohn, fein anderer, 
mich zu befreien und zu erhalten vermögen. Schüge mid, o 
Herrin: und glorwürdigſte Jungfrau Marta, gegen die reißenden 
Thiere.”” Alsbald vernahm fie eine wunberfüße Stimme, uud 
bie Worte: „„Meine füßefle Freundin! nimmermehr werde ich 
dich verlaffen.”” Nachmalen. hat fie die Stimme nicht mehr 
gehört, aber es kam, nad; dem Willen bes Allmächtigen Gottes, 
eine Hirfchfub und Hat diefe zu den Füßen des Kindleins fich 
niedergelegt. Das ſchauend, reichte die Mutter ungefäumt bie 
Euter der Hirfchfuh dem Knaben dar, und hat er daran gefugen. 

„Sechs Jahre und drei Monate haben die Pfalzgräfin und 
ihr Kind an demfelben Drte zugebradt. Sie. ernährte fich von 
ben Kräutern bes Waldes, ihre Wohnung war eine Aufhänfung 
son Keifern und eine Umzäunung, von Dornen, fo gut wie bie 
beforgte Mutter gefonnt hatte, zufammengeflochten. Als die ſechs 
Fahre und drei Monate verlaufen, gefiel es dem Pfalzgrafen 
alle feine Ritter und Vaſallen einzuberufen, damit fie einem für 
den Tag der Erfcheinung bes Herren veranflalteten großen Gaſt⸗ 
mal beimshnen könnten. Cinige, und wohl bie meiften, waren 


8340 Frauenkirchen. 


ſchon den Tag vorher, zum Theil noch früher, eingetroffen; ihnen 
Unterhaltung zu verfchaffen, hat ber Pfalzgraf eine Jagd am 
geordnet. Kaum hatten bie Jäger die Hunde losgelaſſen, fa 
wurde man ber Hirſchkuh, welche den Knaben ſäugte, anſichtig. 
Der Spur folgten anfchlagend die Hunde, mit Jagdruf bie 
Jäger, der Pfalzgraf in feiner Säfte Mitte, Golo aber, der 
ungetreue Ritter, bielt fih nicht zus Meute, folgte nur vor 
ferne. Keinen Ausweg. findend, rannte die Hirfchfuh dem Lager 
zu, wo fie ihren Säugling zu flillen gewohnt, ba angefommen, 
legte fie nach ihrem Brauche ızu ben Füßen des Knaben ſich 
nieder. Die Hunde unter Gebell ftürmten heran, wähnend der 


Hirſchkuh Dieifter zu werden. Die gute Mutter aber, als fe 


das. von. bem Himmel ihr zugefenbete Thier in ber Gefahr ber 
Hunde erblidte, fuchte, fo viel das möglich, mit dem Stocke, den 
fie in der Hand trug, die Hunde abzutreiben. 

„Darüber gelangte mit feinen Gefährten ber Pfalzgraf zur 
Stelle, und das Wunder fhauend, gebot er: „„Rufet die Hunde 
ab!““Das geſchah, und dem Pfalzgrafen gefiel es, mit dem 
Weib zu fprechen, das er nicht fannte, und er fragte: „„Biſt 
du ein Chriſtenmenſch?““ Enigegnet das Weib: „„Ich bin eine 
Ehriftin, und aller Bedeckung bar, wie du fiehft, gib mir den 


Mantel, den bu trägft, Damit ich Die Unehrbarfeit meines Leibes 


bedecke.“ — „Das fol gleich gefchehen,”” erwiderte ber Pfahs 
graf. Als fie den Mantel um fich geworfen, fprach ber Pfalzgraf: 
„„du baft ohne Speife, ohne Kleidung gelebt ?““ Antwortete fie: 
„„Brod hab ich nicht, ich ernährte mich von den Kräutern, welde 
‚ in diefem Walde wachfen, meine Kleider find Alters halber zerriffen 
und vergangen.”” — „Sag mir, ich bitte dich, wie viel Jahre 
find es, daß du hierhin kamſt ?““ Sie erwiderte: „„ſechs Jahrt 
und drei Donate lang wohne ich hier.” Weiter fragte der 
Pfalzgraf: „„weflen Sohn ift diefer ?”” Und fie verfeßte: „es 
tft mein Sohn.““ Höchlich erfreute er fi) in dem Anblid bed 
Knaben, und er fragte: „„Wer iſt des Knaben Bater ?““ She 
entgegnete: „„Gott weiß es.““ Fragte der Pfalzgraf weiter: 
„„wie bit Du hierhin gefommen, wie beißef Du! Sag mi 


dag,” — „„Genofeva ift mein Namen.’” Wie er den Namen 


Pie h. —* | “ar 


Genofeva hörte, dachte er gleich, das mäfle feine Gemahlin fein. 
Und es trat einer hinzu, der vordem ber Pfalzgräfin Kärkmerling 
gewefen: „„Bei Gott, mir fcheint es, als fei das unfere 
Gebieterin, die doch Tange fhon todt; fie hatte eine Narbe im 
Geſicht. Laſſet fehen, ob die Narbe fich findet.”” Alle fchauten 
auf, und fanden, was der Kämmerling angegeben hatte. est 
fagte der Pfahzgraf: „fie hatte einen Treuring.”” Zwei Ritter 
raten näher, darnach zu fuchen ; fie fanden den Treuring. Es 
amarmte, es füßte der Pfalzgraf die Wiedergefundene : flennend 
ſprach er: „„du bift wahrlich meine Frau,“ und zu dem Kna⸗ 
ben: „„du bift mein wahrhaftiger Sohn.““ 
nu Was fol ich weiter berichten ? Die gute Frau erzählte in 
Aller Gegenwart, von Wort zu Wort, was ſich mit ihr zuge⸗ 
tagen. Es weinte darob der Pfalzgraf, mit allen den Seinen. 
Und während Alle Thränen der Freude weinten, fam hinzu der 
ungetreue Ritter, und augenblidlicy fielen fie ſämtlich über ihn, der 
Meinung, ihn zu tödten. Sprad der Pfalzgraf: „„Haltet ihn, 
daß wir die ihm aufzuerlegende Strafe bedenken.” So thaten. 
fe. Demnächſt befahl der Pfalzgraf, man folle vier Ochſen, die 
dem Pfluge noch nicht vorgefpannt geweien, berantreiben, und 
Warde jedem ber vier Theile von des Boshaften Leib ein Ochs 
angeheftet, die Hände an zwei und an die andern zwei die Füße, 
ben Ochfen wurde er preisgegeben. Nachdem die Ochfen alſo vors 
gelegt, fegte fi ein jeder mit feinem Stüd in Bewegung, fo daß 
bes ungetreuen Solo Leib in vier Theile zerriffen wurbe. Darauf 
wollte der Pfalzgraf feine Herzliebſte und das Söhnlein nach Haufe 
führen. Deſſen weigerte fie fi, erflärend: „„Maria, die Aller« 
fligfte Jungfrau bat mich und mein Söhnlein in diefer Wildniß 
vor reißenden Thieren bewahrt, durch eine Hirfchfuh meinen Knaben 
ernähren laſſen; ich werde nicht von bannen weichen, es fei dann 
biefer Ort ihr zu Ehren geweihet und geheiliget worben.”” Ohne 
Berweilen ſchickte der Pfalzgraf einen Boten an den Trieriſchen 
Biſchof Hildulfus, von wegen ber Einweihung dieſes Ortes. 
Und als der völlige Hergang dem heiligen Erzbifhof Hildulfus 
berichtet worden, empfand er Herzensfreude, er fam auh am 
Tage der Erfiheinung des Herren und weihete jenen. Ort zu: 


Rhein, Antiquarius, 3. Abth. 2. Bd, Ai 





649 FStanenhichen, 


Ehren der heiligen ungetheiften Dreifaltigfelt und der allerfelig« 
Ren Jungfrauen Maria. 

„Rah der Einweihung des Ortes führte der Pfalzgraf die 
Pralzgräfin feine Gemahlin mit ihrem Söhnlein von dannen. 
Kin großes Gaftgebot wurde angeſtellt für alle, die fi einfinden 
wollten. Die Pfalzgräfin aber bat ihrem Herren eine Ditte 
vorgetragen, fprechend: „„Herr, ich bitte dich, daf du an jenem 
geweihten Orte eine Kirchen bauen laffen, auch mit einem zur 
reihenden Einfommen fie ausftatten wollef.’’’. Das bewilligte 
der Pfalzgraf. Außerdem ließ er alle Speifen, die feiner Gemahlin 
und ihrer Leibesbefchaffenheit zufagen konnten, beiführen, um 
ihre. Eßluſt zu weden; es konnte aber die Pfalzgräfin Feinerlei 
Speifen vertragen, fondern nur ungefochte Kräuter, die Nahrung, 
an welche fie in den fechs Jahren und drei Monaten ſich gewöhnt 
hatte, Die ließ fie einfammeln. Sie lebte von dem Tage, daß 
fie gefunden worben, von der Bigil ber Ericheinung des Herren 
bis zum vierten der Nonen Aprils, an welchem Tage fie hinüber 
gegangen iſt in die Sreude des Herren. (2. April.) 

. „Der Pfalzgraf aber ließ, wie er verheißen, an berfelben 
Stelle eine Capelle zu Ehren ber heiligen Jungfrauen Maria 
aufführen, und in berfelben, unter Jammer und Thränen, feine 
Liebſte beifegen. Diefe Eapelle hat der heilige Hildulfus ger 
weihet und mit vierzigtägigem Ablag befchenft. Am Tage ber 


Einweihung famen zwei Miracul vor, denen nach der Hand 


viele, die in dem gegenwärtigen Büchlein nicht verzeichnet find, 
folgten. Ein Blinder und ein Stummer waren zu gleicher Zeit 
dahin gefommen: der Blinde empfing der Augen Licht, ber 
Stumme den Gebraud der Sprache ; beide verfündigten das Lob 
Gottes und der Jungfrau Maria, die bergleichen Miracul gewirkt 
oder erbeten haben, Solches fchauend und hörend, hat der Pfalz 
graf.an den apoſtoliſchen Stuhl ſich gewendet, die Verleihung 
fernen Ablaſſes zu erhalten, und hat der heilige Bater allen, 
welche die vom Pfalzgrafen zu Ehren der h. Jungfrau erbaute 
Capelle an fämtlihen Marienfeften, zu Weihnachten, Oftern, 
Pfingften, am Feſttage der Erfcheinung des Herren und in ber 
Kichweihe, auch während der Octaven biefer Feſte befuchen 


— — — — 


Pie Segende non der h. Gensfeva. 648, 


werden, für ein ganzes Jahr den Nachlaß ber ihnen auferlegten 
Strafen bewilligt.” 

Drower, und nah ihm Hontheim find der Meinung, dag 
Matthias Empithus (Brower, bei Hontheim heißt er Matthäus 
Emihius), ein Karmelit in dem Kloſter zu Boppard, ber 
Berfaffer der durch ihn 1472 zu Papier gebrachten Legende 
fi. Sie bedachten nicht, daß ein Theologe, ein Dialeftifer 
des 15ten Jahrhunderts unmöglich die einfache Erhabenheit, die. 
einfältige Pracht bes Ausdrudes, bie fi) in der Historiola fund 
gibt, befigen konnte. Manches, die Gebete abfonderlih,, mag 
der fromme Karmelit wohl interpolirt haben, die Erzählung felbft 
gehört offenbar einer viel ältern Zeit an. Wie hätte ein Kar 
melit in dem 15. Jahrhundert zu der Frage fommen können: 
„esne homo christianus?“ Brower, ber verfländige, gewöhnlich 
fp genau unterrichtete Brower hat fich aber noch weiter an dem 
Auffag verfündigt durch den Vorſchlag, den Eingang der Legende: 
Temporibus beati Hyldolfi durch die Lesart, Temporibus beati 
Hilini, zu verbeffern, Allerdings Fennen wir zu Anfang bes 
12, Jahrhunderts einen Pfalzgrafen Siegfried; geft. 1113, iſt 
er aber Feineswegs ein Zeitgenoffe des Trierifhen Erzbifchofs 
Hillin, get. 1169, es if auch ungezweifelt, daß nicht Genofeva, 
fondern Gertrudis yon Norbheim, der Kaiferin Richenza Schwefter, 
die Gemahlin jenes Siegfried gewefen. Browers Hypothefe, 
durch des angeblichen Pfalzgrafen Zug gegen bie Heiden, unter 
benen er ſich Lediglich die Inhaber des gelobten Landes dachte, 
veranlaßt, wird demnach ganz unhaltbar, verſchuldet zugleich 
den andern Irrthum, welchem der gelehrte Neller verfallen 
iR, Diefem hat Thomas Kupp , der fleipige und fharffinnige 
Benedictiner von Ranch, feine Bearbeitung der Legende von ber 
h. Genofeva mitgetheilt, und dafür den Beſcheid empfangen, baß 
fie jeglichen biftorifchen Grundes entbehre. Dergleichen Urtheil 
würde Neller ſchwerlich haben fällen Eönnen, fo er, den Urtext 
der Regende, und ben verzweifelten Kampf, ben immer nord, 
trog Karl Martels grofem Siege bei Tours, die Franken mit 
den Saracenen in Septimanien zu führen hatten, berüdfichtigend, 
bie ältere Gefchichte des Maifeldes beleuchtet hätte. Dort übten 


41 * 


044 Frauenkirchen. 


einf, gleichwie in dem anſtoßenden Ahrgau, bie mächtigen Sige⸗ 
bodonen von Are, Nachkommen vielleicht. der vormerovingifchen 
Könige von Cöln, das Grafenamt, ihnen war zugleich die Schirm 
vogtei der Trierifhen Kirche, in deren Genuß die Pfalzgrafen 
son Aachen und bei Rhein ihre Nachfolger wurden, erblich, und 
einer von ihnen, der Stifter yon Steinfeld vielleicht, wird jener 


angebliche Pfalzgraf fein, welcher, dem Heerbanne folgend und 


bie Heiden am Fuß der Pyrenäen beflreitend, das fchwere Leiden 
über ein treues Weib verhängte. Unter den Händen unwiffender 
Abſchreiber Fonnte, bei der Gleichheit der übrigen Umftände, ber 
öbfolete Namen Sigebodo gar leicht in Siegfried fih verwandeln. 
Triumphirend erflärt darum auch Hr. Meefen, nach vorläufiger 
Beſprechung der Legende: „Daß diefe Geſchichte ganz wahrhaft, 
glaubet Schreibender gegen diejenige, fo biefe Gefchichte theils 
shnwahrhafft finden, theils auf eine andere Zeit hinſchieben wol⸗ 
len, in des Amtes Mayen Lagerbuh, Tom. 1. a fol. 1 bis 67 


deutlich erwiefen zu haben.” Bon dieſem Lagerbuch find leider 


nur mehr Fragmente übrig. 

Unbegrüundet ift Demnach die Angabe, daß die auf der Stelke, 
wo ber Pfalzgraf die Heilige wiederfand , erbaute Kirche von 
Erzbiſchof Hillin im 3. 1156 geweihet worden, wiewohl es an 
fh nicht unwahrfceintih, dag ein Neubau des allmälig zu 
Berfall gerathenen Gotteshaufes im 12. Jahrhundert nöthig ger 


worden, Bon dieſem Bau ift aber nur mehr das Mittelſchiff, 


vielleicht aud) der Altar übrig, Das Bildwerf des Altars, bie 
Hauptmomente aus dem Leben der h. Genofeva darftellend, ges 
hört dem 17. Jahrhundert an, der fchöne Chor mag im 14. 
oder 15. Jahrhundert erneuert worden fein. Die Grabmonus 
mente eines Ritters und einer Fran hat man vordem auf bie 
h. Genofeva und ihren Gemahl, fpäterhin auf den Pfalzgrafen 
Siegfried und die Norbheimifhe Gertrubis beziehen wollen, 
darum auch mit dem Pfälzifchen Löwen fie bezeichnet, es if 
aber daran der Styl des 14. Jahrhunderts faum zu verfennen. 
Die vom Präfecten Chaban angeorbneten Excavationen, mittels 


— — — — — LI —— —— — —— —— —— —— —— — — —— — 


deren man das Grab der h. Genofeva aufzufinden hoffte, haben 


kein Reſultat ergeben. Vorlängſt iſt in Abgang gerathen ein 


Pie Oſtermontagoproceſſton. 648 


Gebrauch, welcher Jahr für Jahr das Gedächtniß der gerecht⸗ 
fertigten Unſchuld erneuern ſollte. Am Vorabend des Feſtes der 
hh. Drei Könige, als dem Jahrtag der Wiederauffindung der 
Genofeva, war die Stadt Mayen verpflichtet, die zu einem 
Freudenfeuer beflimmten Kohlen nad) Frauenfirchen liefern und 
daſelbſt anzünden zu laſſen. Der Stadtfnecht, welcher die Kohlen 
bahin beforgte, das Feuer anzündete, erhielt für feine Demühung 
ein Malter Korn, jeder Scheffen eine Portion Wein, wie dieſes 
aus einem Bericht nom %. 1713 hervorgeht. Bon wegen biefer 
Berpflichtung befaß die Stadt ein Haus und verfchiedene Wingerte. 

Die Kirche, von jeher ein berühmter Walfahrtsort, blieb 
es auch, nachdem der Abt von Laach, Johann VII. Arräus, geſt. 
1613, das hiefige Gnadenbild nad) Ebernach, und dagegen jenes 
yon Ebernach nah Frauenkirchen übertragen laſſen. Ein Ablaß- 
brief ift vom %. 1326, die von dem Grafen Wilheln I. von 
Birnenburg 1459 geftiftete Bruderfchaft hatte ſich weit verbreitet. 
Alljährlich kam am 2, April, ale dem Sterbetage ber h. Geno⸗ 
feva, nachmalen am Dftermontag, aus Mayen eine große Pro⸗ 
ceffion, angeorbnet, wie, die Sage will, von dem Gemahl ber 
Heiligen. Diefer Oftermontagsproceffion gilt eine Verfügung des 
Coblenzer Officialats, 1497, worin dem Altariften zu Frauen⸗ 
firhen aufgegeben, den Prieftern, welche die Proceffion begleiten, 
zwei Viertel Wein, oder A Albus, wie ed von Alters hergebracht, 
zu reichen. Es follte diefelbe, wie eine Urkunde vom Montag 
nach Palmarum 1556 m. T. bejagt, eine Erinnerung fein an bie 
yon dem Begründer von Frauenfirchen beftandenen Kämpfe mit 
den Sararenen. Darum erfihien Die eine Hälfte der Mayener 
Bürger in voller Rüftung, während die andere Hälfte ſich zu 
Saracenen geftaltete. Vermuthlich ift dabei Das Coſtume nad 
feiner ganzen Strenge beobachtet worden. War die Anhöhe vor 
Frauenkirchen erreiht, dann fchieden fich Franken und Sarar 
cenen, jene von dem Amtmann geleitet, und es entſpann ſich ein 
Gefecht, welches wie billig mit der Niederlage ‘der Heiden 
endigte. In Demuth fhloffen den Siegern die Befiegten fih an, 
um alle zufammen der Kirche einzuziehen. Nady verrichtetem 
Gottesdienſt Tagerten fie fih auf dem weiten Anger, und bei 


* 





646 Stanenhirchen, 


Speife und Trank wurden die überfiandenen Mühfeligfeiten und 
Gefahren vergeffen. In der Ordnung wie fie gefommen, trat 
die Proceffion den Rüdweg an. Bebeutenden Zuwachs hat ein 
Ereigniß des dreißigjährigen Krieges ihr verſchafft. Eine ſchwe⸗ 
difhe Partei war dem Dorfe Kruft eingebrochen, plünderte bie 
Kirche, entführte die heiligen Gefäße, fette ſich demnächſt in 
Marſch, um das Bleihe in Mayen zu treiben. Das wurde 
zu rechter Zeit dahin gemeldet, die Bürger traten unter bie 
Waffen, zogen dem Feind entgegen, überfielen die zu über 
fallen vermeinten und zwangen fie den Raub herauszugeben. 
Der wurde nach Kruft zurüdgebradht, und kamen feitbem die 
Krufter, ihre Dankbarkeit zu bezeigen, der Mayener Proceffion 
jedesmal bis zu der Höhe bei Frauenkirchen entgegen. Dann 
wurden die Fahnen gefchwenft, und Mayener und Krufter ver 
einigt betraten die Kirche. Diefe Huldigung ihren Nachbarn dars 
zubringen, haben die von Kruft bei Strafe einer Ohm Wein 
für jeden Uebertretungsfall fi verpflichtet. In fpätern Zeiten 
wurde das Friegerifche Gepränge abgefchafft, und der Proceffton 
eine rein firchliche Geftalt gegeben. Mit der Berorbnung bed 
Kurfürften Clemens Wenceslaus, wodurch alle Bittgänge nad 
entfernten Orten unterfagt, 1785, nahm auch diefe Proceffion 
ein Ende. 
| Das gläubige Schwaben hält bis heute feinen Blutritt, 
von dem Klofter Weingarten ausgehend, in Ehren. Die Stadt 
Mantua, vielmehr ihre Domkirche zu St. Andreas, pranget von den 
älteften Zeiten her mit einer unfchäßbaren Reliquie, mit dem von 
dem h. Longinus gefammelten Blute Jeſu Ehrifti, wie es auf Gol⸗ 
gatha vergoffen worden. Einer vor der Kirchenthüre angebrachten 
Inſchrift zufolge feheint dieſe Neliquie längere Zeit vergeffen, 
dann zu Zeiten Karla ded Großen oder des Papftes Leo III. 
wieder aufgefunden worden zu fein. Bon dem an ift fie mit ber 
ausgezeichneteften Sorgfalt bewacht worden, Im J. 1608 ftifs 
tete Herzog Vincenz I. von Mantua, gelegentlich ber Vermäh— 
tung feines Erſtgebornen, des Prinzen Franz, den Ritterorden 
Sanguinis pretiosi oder Redemptoris, und hat er ſelbſt, am 
Pfingffonntag, in der Schloßcapelle, des Ordens Kleid und 


—8 


m — — — — — 


Per Plutriti. | 647 


Bette aus den Händen feines jüngern Sohnes, des Carbinals 
Ferdinand von Gonzaga empfangen, diefelben hierauf in der Doms 
kirche an vierzehn andere Ritter verlieben. Das Großmeiſterthum 
follte feinen Nachfolgern, den vegierenden Herzogen von Mantua 
vorbehalten fein, bie Zahl der Ritter niemalen 20 überfleigen ; 
anßerbem beftellte er die Orbensofficianten, ein Kanzler, ber 
jedesmalige Primicerius des Domcapitels, ein Ceremonienmeifter, 
& Wappenfönige oder Herolde, ein Schagmeifter, ein Maffirer. 
„An dem Orbensbande Tieft man um zween Engel, die einen 
gefrönten Kelch (vielmehr eine Monftranz, Ostensoire) mit drey 
Blutstropfen halten, Die Worte: MNihil isto triste recepto. An 
der OÖrbensfette werben bie Worte: Domine probasti me, aus 
bem fechözigfien Pfalme, auf abwechfelnden Schildlein bemerfet. 
Zwölfe son diefen Ritteen haben die Schlüffel zu dem Käftchen, 
worinnen das heil. Blut aufgehoben wird, und eines jeden 
Schlüſſel öffnet fein befonderes Schloß, dergeſtalt, daß feine 
völlige Eröffnung des Käſtchens anders, als in Beyſeyn aller 
Diefer zwölf Perfonen vorgenommen werden kann. Jetzgedachte 
Reliquie wird alle Charfreytage Öffentlih zur Verehrung des 
Volkes ausgeftellet, und die übrige Zeit in bem weitläuftigen 
unterirbifchen Gewölbe der Kirche auf einem Altare verwahret.” 

Wie in der Drudihrift: Wunderwürfender auf dem 
heil. Calvariberg entfprungener Gnadenbrunnen, d. i. 
gründliher Beriht und außführlide Befhreibung 
dep Hocdheiligen Herz- und Seiten-Bluts Chrifti 
Jeſu, weldes von Longino, dem Soldaten, erfili 
nah Mantua gebragt etc. Altdorf, 1735, weiter aus— 
geführt, hat Longinus bem Erlöjer mit einem Speer die Seite 
geöffnet ‚. gläubig einen. Theil des Bluts in einem Gefäße aufs - 
gefaflet, und fpäter dasjelbe in Diantua, wo er felbft feine Ruhe⸗ 
flätte fand, vergraben. Nach deffen Wiederauffindung wurde es 
getheilt, ein Theil blieb zu Mantua, der andere kam nad Rom, 
der dritte, an Kaiſer Heinrich III. gelangt, wurde von biefem 
an den Grafen Balduin von Flandern gegeben, und durch des 
Grafen Tochter ihrem Gemahl, Welf IV. zugebracht. Bon dieſem 
bat das Kloſter Weingarten, der Welfen Stiftung, die werthuofle 


648 Franenkirchen. 


Reliquie erhalten. Dort wird alle Jahre ihr zu Ehren ein Feſt 
gefeiert und der fogenannte Blutritt gehalten, weldem Andäch⸗ 
tige fcharenweife zuftrömen. 

„Eine große Anzahl der Wallfahrer,” ſchreibt zu Ende. des 
18. Jahrhunderts ein Augenzeuge, „eine große Anzahl der Walle 
fahrer ift beritten , in Soldatenuniform gekleidet, und immer 
einige taufend ſtark. Sie find in Compagnien eingetheilt, einige 
als Dragoner, andere ald Hufaren gekleidet, die aus Biberach, 
Havensburg, der Graffhaft Waldburg und andern umliegendeg - 
Gegenden zufammen fommen. Ihre Uniformen werden ihnen zu 
diefem Blutritt aus den Landſchaftskaſſen angefchafft, die auch 
immer daher refrutirt werden. Jeder dieſer militärifchen Blut⸗ 
reiter hat feinen natürlichen Schnurrbart, den er fih 6 Woden 
wachſen läffet, und ihn am Paradetag wichſet. 

„Am Borabende des h. Blutfreitags, am Feſte der Himmele 
fahrt rüden die entfernten Compagnien ein, und nehmen ihr 
Duartier theils in Altdorf, theils in der umliegenden Gegend. | 
Die Beierlichfeit nimmt, am beftimmten Tage, ihren Anfang 
früh um 6 Uhr. Das ganze Convent begiebt fih zu dem Blut» 
altar, wo der Pater Cuſtos in roth famminem Ornat mit Gold, , 
dag heil. Blut, in einem filbernen Behältniß, an den Hals hängt, - 
und fih unter Läutung ber Gloden im Kloſterhofe zu Pferde fest, 
wo ihn die Blutritter erwarten und mit auf das Feld reiten.. 

„Zuerſt eröffnet den Zug eine Compagnie Studenten, mit 
Feldmuſik, des Klofters Weingarten Zehendamt, Reuter-Eontingent 
und Bediente in Livree, die bürgerlihe Schügencompagnie von 
Altdorf, Die das heil. Blut, als eine Garde begleitet. Auf diefen 
Bortrab folgt ein Reuter in altrömifchen Drnat, ber den Sols 
baten Longin vorftellt, der Pater Cuſtos mit dem heil. Blute, 
mit 6 geharnifhten Männern umgeben, und A Reutern, die 
Standarten führen, nebft einigen Geiftlichen zu Pferde. Auf diefeg 
folgen die Chevaurlegers, Jäger, Dragoner, Huſaren, Grena- 
diers à cheval und andere in Uniform geftedte Blutreuter. 
Während des Zuge werden die Evangelien viermal gelejen, und 
bie Feldfrüchte mit dem Blute gefegnet, damit fie vor Ungewitter 
bewahrt werden. Vieles Volk mat den Umgang zu Fuß mit. 








Per Pitritt, . 649 


Nabe bei Altborf.it ein Zelt aufgeſchlagen, in welchem der Cuſtos 
wartet, bis fich die Ritter wieder in Drdnung geftellt haben. 

„In der Kirche werden viele Mefien gelefen, und Wein 
getrunfen, der mit dem heil. Blute gejegnet iſt, wodurd volle 
tommener Ablag erlangt wird, welchen der Papſt Clemens X. 
verliehen bat. Der Reichsprälat, oder ein anderer, mit einer 
geiflichen hohen Würde befleideter Gaſt, empfängt in reichem 
Ornat; von feinen Geiftlichen umgeben, unter einer vor dem 
Thore aufgefchlagenen Bühne, das heil. Blut, das gleichfam 
im Triumph zurüdgebradht wird. Sobald e8 bei der Bühne 
angelangt if, ſo empfängt es ber Untercuftog, der dem Volk das 
mit den Segen giebt. Unter Abfingung des 79. Pfalm geht die 
Prozeſſion in die Kirche, vor den Hochaltar, wo ber legte Segen 
gegeben und der ganze Akt mit einem Hochamt befchloffen wird, 
Diefe Prozeffion fol nicht nur wegen des Ablaffes für Menſchen 
heilbringend, fondern auch für Pferde gut fein; deswegen werben 
eine Menge Pferde an diefem Tage hieher gebracht. Eine Buch 
druderei ift mit Verfertigung verfchiedener geiftlicher Bilder und 
Zettel befchäftigt, welche durch Die Reliquie berührt und geweihet, 
als kräftig und wunderthätig durch das ganze Fatholifche Schwa⸗ 
ben ausgebreitet und verfchlifien werden.” | 

Sm 53.1319 wurde zu Frauenkirchen des Erzbifchofs Hein 
cih von Eöln Zwift mit ber Stadt Cöln durch eine von Erz⸗ 
biihof Balduin von Trier vermittelte Sühne abgethan. Hein« 
ih, ein geborner Graf von Virnenburg, mußte als folder 
eine Vorliebe für Frauenkirchen haben, für den Ort, wo bie 
Großen des Maifeldes und ber Eifel fih zu vereinigen, Bera⸗ 
thungen anzuftellen,, Verträge abzufchliegen gewohnt. Den 29, 
Jul. 1327 befennen Ehriftian genannt Hein von Kottenheim und 
Gertrud, fein ehelich Weib, daß fie mit Willen Rollmanns von 
Bell, der ein Lehensherr des Wingarts ift, verkauft haben um 
16 Mark Eöln, ein Ohm Weind, zu 17 Viertel, „fährlich zu 
Herbſt an ben Kirchherren in Frauenkirchen zu entrichten, von 
dem Gewähs wie das fällt auf des Ehriftian Hoin Stüd auf 
dem Ravinberg zu Cottenheim. Vortme wäre dad Sade, daß 
der Graf von Virnenburg, welcher das Geld für den Anfauf 








830 AMÆaneunkirchen. 


der Ohm Wein zum Heil feiner Seelen gab, oder feine Erben, 
die Ohm Weins wollte kehren an einen andern Altar in bew 
felben Kirchen, fo follen wir oder unfere Erben die Ohm Weine 
alljährlich dem Priefter Tiefern, der den Altar befingt, und beffen 
der Altar if.” Späterhin wurde die Kirche son Laach aus ber 
dient ; feit 1650 hatte ein dafiger Eonventual in Krauenkicchen 
feinen Wohnfig, und waren alle geifllihe Berrichtungen ihm 
übertragen. Im %. 1804 wurden Gapelle und Hofhaus, famt 
einigen 70 Morgen Aderland von der Domainenverwaltung um 
die Summe von 3425 Franken verkauft. Das an dem Hofgebäube 
angebrachte Chronoſtichon DoMYs Ista posIta fVIt ab HenrICs 
abbate LaCensI gibt die Jahrzahl 1765. Die Kirche, 1814— 
1815 durch Frevler befchädigt, tft in der legten Zeit nothbürftig 
wieder hergeftellt worden. 

Bon des Ortes Frauenfirchen vormaliger politifchen Wichtig 
keit zeugte das fogenannte Pellenzhaus, „wo Gemwaltsbott in ber 
Pellentz, der ein zeitlicher Kellner zu Mayen if, den Montag 
nach Oftern und den erfien Sonntag im Auguft mit benen Burgen 
meifteren in der Pelleng bie gerichtliche Brief verfiegelet, und 
da auf St, Johannestag im Winter die gerichtliche Brief mit 
Zuziehung deren befagten Burgermeifteren auf hiefiger Kellnerey 
verfiegelt werben, fo weiß Schreibender feinen Grund zu finden, 
wozu biefes Haus zum Belaft deren großen Pelleng Unterthanen 
ferner zu unterhalten feye.” Ohne Zweifel iR diefe Verſamm⸗ 
Yung der Heimburgen ein Ueberbleifel des Landgerichtes, welches 
vormals auf Meniger Berg gehalten worden. 


Weling, Trimbs, Bebing, Haufen. 


Seitwärts yon Frauenfirhen, der Mayener Straße linke, 
auf einer gegen die Nette abfallenden Höhe iſt Welling gelegen, 
Das Kirchdorf, von welchem es In der Mayener Amtsbefchreibung 
heißt: „Es ware vor Alters ein vömifches Eaftell, mit welcem, 
fo wie mit den Caftelen von Mayen und Ochtendung, nachdem 
fie von ihrem Lager zu Hohpochten durch die Waldungen bis au 


| 


Welling. 681 


den Rhein ſich durchgehauen hatten, die Roͤmer das Maifeld be⸗ 
ſchützten. Auch in ſpätern Zeiten iſt der Ort eine Feſte geblieben, 
deren Oeffnung Herr Jacob von Bentzdorff gegen Empfang von 200 
Bulden dem Erzſtift verſchrieb. Hernächſt haben ſolches Castrum 
die Herren von Lohnſtein als ein Trieriſches Lehen innegehabt. 
Dieſer Herren Güter beſitzet gegenwärtig Freiherr von Büres⸗ 
beim, die mehrſten Grundſtücke aber hat das Domcapitel zu Cöln 
inne, an welches, und resp. an ben Bordinger, oder Schutz⸗ und 
Schirmherren, d. i. an den Inhaber des Schöneder Haufes zu 
Büresheim, Freiherren von Büresheim, jährlich im Ort Welling 
die Pächte abgeliefert werden. Das aus dem Castrum erwachfene 
Dorf, nachdem es anfänglich nur 20 Burger ſtark gewefen, iſt 
anfego bis in die AO angewachſen. Die Zahl deren Hofleute 
bat fich auch fehr vermehret: folgende Herrfchaften Haben ihre 
Hofgüter Dafelbft, und zwar vorderſamſt das Domcapitel zu Eöln, 
welchem auch die noch vorhandene, alte, zerfallene und unbewohnte 
Burg angehöret. Dann find hier begätert Freiherr von Büres⸗ 
beim, Graf von Metternich, Kloſter Marienftatt, Klofter Himmes 
voth oder resp. Probft zu Andernach, Stift zu Mayen, Kofler 
St. Thomas bei Andernach , Herr von Umbeſcheiden, die Kar⸗ 
meliten und Hr. Pottgießer zu Eoblenz, das Hospital zu Mayen. 
Der Ort iſt mit Heu⸗ und Obſtwachs genugfam verfehen, hat 1271 
Morgen Aderland, 21 Morgen Wiefen, dann einen Eichenwalb, 
ungefähr 30 Morgen groß, lange den Ochtendunger Wald gelegen: 
in dDiefem Wald find viele Berg und Steinflippen. Ferners ift die 
Gemeind, gleich dem Schloß Büresheim zur Beholzigung und Eder, 
niegung in den Waldungen Peterswald und Namersbach berechtigt. 

Allgemeiner Zehenth pet das Domcapitel zu Cöln, fo 
auch Collator der Pfarre, wird außer Frag gefegt feyn, 
daß hochſelbiges, als ber allgemeine Zehentherr, die Kirche zu 
erbauen habe, Die Erbauung und Unterhaltung des Pfarr: und 
Schufhaufes Liegen der Gemeinde auf. Die Kirche, zu St. Pau⸗ 
finus, hat wenig zu bedeuten. Zur Jagd find berechtigt das 
Erzftift Zrier, das Domcapitel zu Coͤln, Graf von der Leyen, 
Freiherr von Büresheim. Im 3. 1342 tragen Ritter Simon 
Beyer von Boppard und Eliſabeth, Eheleute, ihren von Goswin 





65% Brimbs; 


Walbott erworbenen Hof zu Welling dem Erzbifhof Walram 


von Cöln zu Lehen auf, von wegen der 40 Marf Heller, fo fein 
Borfahr ihnen gegeben. 

Keine 10 Minuten find e8 von Welling nad) dem Dicht am 
der Nette gelegenen Trimbs. „Diefer Ort ware vor Alters viel 
größer und folle in 70 Burger beftanden haben, dann der Weins 
ſtock ift vor älteſten Zeiten fehr flarf in die Felſen gepflanzet 
worden, alfo dag nad Ausfag deren ao. 1776 abgehörten, vers 


eideten alter Gemeindsleuten, die Holländifche Kaufleute um Wein 


einzufaufen ſich dafelbften eingefunden hätten. Der Burger An 


zahl ift nunmehro bis auf 15 bis 19 eingegangen, weilen der’ 


Weinbau den Abfall erlitten, und wenige Ländereien, weilen das 
Klofter St. Thomas bei Andernach den vierten Theil berfelben 
befiget , die Burgerfchafft eigenthümlich hat, dahero die daſelbſt 
feyende Burger, etliche wenige ausgenommen, von der gemeinen 
Weid, welcher der Drt hinlänglich hat, mit der Viehzucht fid 
fümmerlich ernähren. Das Klofter St, Thomas hat anjego einen 
einzigen Hofmann bdafelbfien, da doch vorhin dieſer Hof unter 
die Burgerfchafft eingetheilet gewefen. Diefer Hof traget nun⸗ 
mehro mit allem Zugehör und der Ohligsmühlen 94 Malter_Korn 
und 30 Rthlr. aus: das Klofter hat aud eine Mahlmühle das 
felbften. Ferner haben dafelbften Güter die Herren von Stauden 
aus dem Luremburgifchen, 14 Stund ober Trier zu Preisdorf, 
7 Malt., Hr. v. Umbefheiden zu Coblenz 13 Mitr, Hr. Affeffor 
v. Coll 10 Mitr, die Bicarie zu Monreal 14 Mitr jährkicher 
Pfacht. Ueberhaupt hat Trimbs 822 Morgen Aderland und 
16 Morgen Wiefen. An Bau⸗ und Brennholz hat der Ort 
Mangel, könnte aber in feinen 







en fchöne Heden und Wals 


dungen anpflanzen, wie — auch geweſen, hatte 


auch wirklich vor etlichen Saprer angefangen, dieſe Berge durch 
das Churfürftliche Forftamt behegen zu laffen, der Gräflich Met- 
ternichifche Hofmann von Netterfürich, und der Abtei St. Mattheis 
Schulteis son Polch aber waren mit ihren Schafen, fa mit bei 
ſich gehabtem Spiel hinein gefahren und wieder alles verborben, 

„Der allgemeine Zehendherr zu Trimbs iſt das Kloſter zu 
St. Thomas. Zur Jagd iſt ein zeitiges Erzſtift und Das Kloſter 


Danfen. 633 
St. Thomas bereihtiget. Die Pfarre begiebt ‚das Kloſter St. 


Thomas und dem Pfarrherren die Eompetenz. Die Kirch hat 


das Klofter 1738 neu erbauet, Das Pfarrhaus hat Die Gemeind, 
aus was Gründen ift Schreibendem unbefannt, 1748 erneuert, 
wird mithin auch nunmehro felbiges neu zu erbauen angehalten 
werben. Bor das Schulhaus hat die Gemeind zu ſorgen.“ In 
der neuefien Zeit iſt Trimbs als eine Schweiterfirche der Pfarrei 
Belling einverleibt worden. 


In gleiher Höhe mit Trimbs, an der Mayener Straße: 


liegt das einzelne Haus Straßburg, dann folgt, in kurzem Abs 
Hand von der Straße, das Dürfen Haufen, „Lieget einerfeits 
an Cottenheim, oben mit Beging, unten mit Trimbs eingefchlofe 
fen. Es waren vor Alters wegen ber Leyenfaullen mehrere 
Burger dafelbften, ift mit Besing 18 bis 19 Burger ſtark. Hofe 
feut haben dafelbft das Stift Mayen, Klofler St. Barbara zu 
Coblenz , Bicarie Monreal, die Erben Stauber und Pesgen zu’ 
Coblenz, ferner Liefert der Drt an Bede 10 Mitr Korn, wels 
des auf das Gut gehoben wird, Diefe 10 Mitr fommen von. 
Einziehung der Einfünfte deren Beneficien zu Dionreal. Zehend⸗ 
herr zu Haufen und Besing iſt dag Stift Mayen, zur Jagd⸗ 
gerechtigfeit find im Beſitzſtand ein zeitliche Ersftift, Graf von 
ber Leyen, Herr von Büresheim, Eltz⸗Rübenach und Stift 
Mayen. Die Kirch, zu St. Syloefter, hat das Stift Mayen 
noch nicht vor langen Sahren ganz neu erbauet, ift auch fein 
Pfarrhaus dafelbfien, weilen die Pfarr von dem Stift aus 
beforgt wird,” Gegenwärtig pfarret Haufen als Filial nad. 
Mayen. Die Marfung enthält 1000 Morgen Aderland und. 


68 Morgen Wiefen, wobei aber auch Being, in größerer Nähe. 


zu der Nette, betheiligt. „Brding gränzet.an die Stadt Mayen, 
Haufen, Trimbs, Thür und Cottenheim, enthaltet ungefähr 
6 Burger, welche in denen Hofleuten, als Churfärft, Eig-Rübes 
nah und von Umbefcheiden beſtehen. Lieget auf einer hoben 
Felſen, ſedannoch gleih als in einem Keffel. Gute Früchten 
werden auf der Ebene, gleichwie zu Haufen gezogen; Betzing 
dat mehr Wiefen an der Nette ald Haufen.” Im J. 1341 
befennt Johann von Eig, Ritter, des Erzfiftes Trier Lehenmann 


m 





034 Pebing, der Ritter von Kurben. 


geworden zu fein von wegen des Gutes zu Betzing, fo Exrzbifchef: 
Balduin 1336 von der Abtei Malmedy gegen eine Rente von 
25 Mitr. Korn, auf den Zehnten zu Andernach angewiefen, eins 
getaufcht hatte. Dafür das Erzflift zu entſchädigen, verfprick 
ber von Ele jährlih 25 Mitr. Korn nah Mayen auf die Burg. 
zu liefern. Am 24. Febr. 1344 übertragt Gifo von. Molsberg am. 
das Erzflift Trier „alſolche Mannfchaft, als Herr Johann von Eltz, 


Ritter, ung verbunden if von dem Gut oder Vogtei zu Beging. 


bey Mayen gelegen, mit allem das. dazu gehört.” Die genanns 


ten Ortfchaften liegen fämtlih auf dem nördlichen ober Linken . 


Ufer des Flüßchens, auf dem. rechten Ufer kommen von Ochtendung 
an nur Ruitſch, Netterfürfh und Kurben, in größerm oder 
geringerm Abſtand von demfelben zu. bemerfen. Das Dörfchen 
Ruitſch ift gleichſam ein Ableger von Pol, auch der Gemeinde und. 
Pfarrei einverleibt. Netterſürſch war ein flattlicher, gräflich Metter⸗ 
nichifher Hof, welcher. zwar zu Unrecht den Namen Sürfch trägt. 
Die wahre Benennung ift Sivſch, aus der alten Form Sebiſche 
gebildet. Den Hof Rurben, dag dazu gehörige Höfchen zu Polch, 
das Baffenheimer Lehen zu Fidell, 426 Rihlr., einen Portuga⸗ 
lefer und „eine Kohe“ erhielten durch Vertrag vom 16. Januar 
1652 Johann Ritter und Margaretha Dorothea Tochter von Ela 
und Pirmont, tauſchweiſe für die durch Urtheil und. Recht ihnen 
zuerfannte halbe. Hexrſchaft Pirmont, welche fie dagegen an bie 
Gebrüder Johann Lothar und Franz Emmerich Kaspar Freiberren 
Walbott zu Baffenheim überliegen. Johann Ritter ſcheint des 
Päcters oder Hofmanns von Kurben Sohn gewefen. zu fein, es 
gab daher, ihre Hand ihm veichend, die Tochter zu Eltz den Zeite 
genoffen fein geringes Scandal, Nicht viel über ein Jahrhundert 
blieb die Familie Ritter im Beſitze des fehr fhönen, von Wald 
umfchloffenen Kurbener Hofes, wie dann bei ung, gleichwie in 
Weftphalen eine Bauernfamilie gewöhnlich nicht über ein Jahr⸗ 
hundert auf einem Hofe bleibt, der Namen des Ritters yon Kurs 
ben, von vielen als ein Amtstitel betrachtet, bat fih jedoch big 
in bie neuefte Zeit vererbt. 

Die eintönige ermübende Hochebene, über welche von Emming 
an bie Heerfiraße hinführt, beginnt ſich zu fenfen, es wirb St, Veit 


— —— — — 


St. vein a8 


ſichtbar, für Mayen feit 1786 bie Begräbnißcapelle famt dem 
Kichhof, und inmitten der ernſten Betrachtungen, - welche ein 
folder Anblick hervorzurufen geeignet, wird der Wanderer nicht 
umhin Fönnen, die glüdliche Wahl diefes Kirchhofs, die Schönheit 
ber Lage zu beivundern. „Das Stift St. Florin, wie man zu⸗ 
verläßig in einem Geſpräch vernommen, faget aus, daß .die 
Pfarrkirch in Mayen wieder aufzubauen, nicht gehalten feye, weilen 
bie Kicche fonften zu St. Veit geftanden, und wirklich noch ein 
zeitlicher Dechant dafelbften jährlich 18 Meffen zu lefen habe, und 
feven die zu beiden Seiten Tiegende und gleichfam mit Mauren 
umfangene Gelder, welche der jüngſte Cananicus benust, ber 
Kichhof gewefen. Erzbiſchof Balduinus hätte felbige bei die neu⸗ 
erbaute Kirche ad S! Clementem in die Stadt verfeget, und würde 
bafür der Clemensihag ad 200. flor. Zrierifch hiefiger Kellnerey 
noch jährlich entrichtet: Es ſey dem, wie ihm wolle, das Stifft 
St. Florin iſt als allgemeiner Zehendherr in dem ohnserhofften 
Fall die Kirch neu zu erbauen gehalten, bis es durch Fare Urs 
fanden, welche fihwerlich werben ‚beyzubringem feyn, das Gegen⸗ 
theil erwiefen haben wird.” Alſo die Amtsbefchreibung. 
Johann von Polh, Ritter, trägt, unter mehrem, feinen 

anferhalb der Mauern von Mayen, bei St. Beit gelegenen 
Garten, der vordem des Johann Bruni von Ulmen gewefen, 
dem Erzſtift zu Lehen auf, 6. April 1332. In frühern Zeiten. 
wor eine der ‚Stiftspräbenden auf die Capelle zu St. Veit: 
fundirt. Bekanntlich genoß der h. Veit, Yitus et Modestus, 
15. Junius, im Mittelalter der ausgezeichueteſten Verehrung, 
Die fih fogar den heidniſchen Wenden mitgetheil? zu haben ſcheint, 
wenn anders in der Rügianer Suantewit der h. Weit zu erfennen. 
Als einer der Bierzehn Nothhelfer wird St. Vitus genannt, unb- 
das lindliche Vertrauen zu ihm. fpricht fih zur Genüge aus in: 
dem allen rheinischen Kinderfiuben befannten Reim : 

Heiliger Sanct Belt, 

Med mic zu vechter Zeit, 

Nit zu früh un nit zu fpät, 

Dann ich gere p...e thät. 


Mayen. 
Bon St, Beit aus überfieht man das Tiefthal bei Mayen, 
ber Sage nach in der Vorzeit ein See, den ein römifcher Kaifer, 
mdem er bei dem Sumpfesloch, wo heutzutage die Papiermuͤhle 
fiebt, den Durchbruch erweitern ließ, vollſtaͤndig abgezapft 


haben fol, Des Thales Kefielform und ganze Befchaffenheit 
fiheinen jene Sage dem wefentlichen Inhalte nad zu beflätigen. 


Der Boden befleht aus abwechfelnden Thon: , Lett» und Sands 


ſchichten. If eine gewifle Tiefe durchſtochen, fo ſtoͤßt man auf 


feften Lehmboden, der über eine waſſerreiche Sandfchichte gelagert. | 


Will man einen trodenen Keller haben, fo muß man fich hüten, 
jene Lehmfchichte zu durchbrechen: Mayen hat aus diefer Urfache, 
an feinen niedern Stellen wenigftens, Feine tiefen Keller. Daß eine 
römiſche Niederlaffung , nicht zwar auf der Stelle der heutigen 
Stadt, auf dem rechten Ufer der Nette, fondern auf dem andern 
Ufer, dem Mayen unferer Tage gegenüber, fih befand, dieſes 
wird Durch die römsfchen Gräber, namentlich auf dem fogenannten 


Heidenkirchhof, Durch die vielen aufgefundenen Münzen, Krüge und 


Töpfe, durch die Subftructionen alter Gebäude, fo von Zeit zu 
Zeit in den Gärten aufgedeckt werden, zur Gewißheit erhoben. 
„Die Gebäude find, nad der voth gebrannten Erde, dem ges 
ſchmolzenen Erze, und den vielen Kohlen u. f. w., welche fid 
auf diefem Gemäuer finden, zu fihliegen, durch Feuek zerſtört 


worden.” Daß ber Gemahl ber h. Genofeva die Burg Symern 
in dem Maifeldgau bewohnte, erzählt die Legende, und ſucht 


man diefe Burg,” der ganz unbegründeten Anfprücde von Sims 
mern auf dem Hundsrüden und von Pfalzel nicht zu gebenfen, 
auf dem Berge Hohen-Sümmer, der in geringer Entfernung von 
ber Stadt, das Kinfe Ufer der Netie überragt, wo zwar feine 
Spur von Gebäulichkeiten zu entdeden, oder auf dem Andern 
Ufer, auf der Anhöhe, welche das nachmalige Furfürftliche Schloß 
trug. Diefe Anhöhe warb vordem der Feine Sümmer genannt. 

Sehr unbedeutend muß längere Zeit die Anftedelung auf 
bem rechten Ufer der Nette geblieben fein, indem Erzbifchof Poppo, 
1016—1047, ſich entichließen fonnte, den Ort Megena mit allem 


— nn. 


Des Ortes Aufnehmen, 057 


feinem Zubehör , vorbehaltlich doch desjenigen, was bie Brüder 
bei der Domficche daſelbſt befisen, an die Wittwe Gerberg zu 
überlaffen, aus Dankbarkeit dafür, daß fie ihr Gut Hönningen 
dem b. Petrus zugewendet. Nach der Gerberg Ableben foll jedoch 
DMegena an bas Erzbisthum zurüdfallen. Daß er die beiden 
‚Höfe in Megena und Hunbach ‚;magno meorum bonorum de- 
trimento““ erworben habe, fagt der nämliche Erzbifchof in der 
Urkunde, worin er feinem Domcapitel den Hof Eurei (Chür) 
verleihet. Wie fehr aber der Ort Mayen vor Ablauf eines Jahr⸗ 
Junderts ſich gehoben Habe, befundet die Stiftungsurkunde des 
Hospitals zu Coblenz, 1. Aug. 1110, in den Worten: „Con- 
vicini de Meina pro animarum suarum salute Curenberch, 
Nitelke, Akada et que ad easdem villas pertinent, bona vo- 
luntate et legitima iraditione eisdem sanctis attribuerunt mi- 
nisterüs.“ Am Freitag nach Invocavit 1276 erHlärt Hermann 
son Mülenarf, daß er die Guter in Mayen, „cum umnibus 
juribus et pertinentiis suis, hominibus videlicet, jurisdictionibus, 
pratis, pascuis, nemoribus,‘“ welche fein Better, der edle Herr 
Konrad von Saffenberg von der Trierifchen Kirche zu Lehen trug, 
von demfelben um 1100 Mark Aachner Pfennige erfauft und dem 
Erzbiſchof Heinrich zur Verfügung geftelt habe, worauf denn die 
fraglichen Güter ihm von dem Erzbifchof pfandweife, als Sicher» 
heit eines Darlehens von 1100 Mark eingeräumt worden. Das 
Pfand mag der Erzbifchof, heißt es ferner, fo das ihm gefällig, 
annoch in des Jahres Lauf einlöfen, ift das Jahr aber verftrichen, 
fo muß, nad Landesbraud die Löſe vor Petri Stuhlfeier ges 
fhehen. 40. 1280, erzählen die Gesta Trevirorum gang kurz, 
bat der nämliche Erzbifchof Heinrich die Burg zu Mayen erbaues, 
was indefien Teineswegs bie Möglichkeit ausfchließt, daß ſchon 
früher auf berfelben Stelle eine Burg befanden habe. 

Deutlich ergibt ſich hieraus des Ortes wachfende Bedeutung, 
welche aud ben Erzbiſchof Boemund von Warsberg beflimmte, 
für denfelben Stadtrecht zu fuchen. Die Faiferliche Urkunde, laut 
welcher die Einwohner von Mayen aller Rechte, Ehre und 
Bräuche, „quibus cetera nostra et imperü oppida muniuntur,‘‘ 


fih erfreuen follen, it vom 1. Juni 1291, Es ſcheint au un⸗ 
Rhein. Antiquarius, 3. Abth. 2. Wb. 42 


658 | layer. 


gefäumt mit der Befeftigung der neuen Stadt der Anfang gemacht 
worden zu fein, benn eine Urkunde, gegeben ao. Domini Millesimo 
tricentesimo septimo feria tertia post Dominicam qua cantatur 


in Ecclesia, Circumdederunt me gemitus morlis, seu post Do- | 


minicam Septuagesimae zeigt im Siegel „ſchon das prächtige aus 
Quaderſteinen aufgeführte Thor, ein vierediger und zwei runde 
Thürme, eben diejenige Stüd fo anjebo noch zu fehen”, ober 
das Mayener Wappen aus dem J. 1320, wie es bei Günther, 


Bd. 3, Nr. 12, abgebildet. Die Behauptung, daß Erzbifgef 
Balduin 1317 einen Theil der von Kaifer Ludwig empfangenen | 


Kriegsgelder zur Aufführung der Mayener Stadtmauer hergegeben 
babe, wird dadurch fehr zweifelhaft, zumal der Kaifer, indem er 
befennt, dem Erzbifchof wegen des Eflinger Zuges 4000 Mark 
Silber fehuldig geworben zu fein, 19. Zuni 1317, Tediglich ſich 
anheifhig macht, bis zum nächſten Oſterfeſt dieſe Summe zu 
bezahlen. Durch Urkunde vom 1. Dec. 1326 bat Erzbifchof 
Balduin das Klofter Lonnig nah Mayen transferirt, was un» 
gezweifelt der Stadt von vielfältigem Nugen fein mußte. Im 
% 1333 erfaufte er von den Gebrüdern Kuno und Hermann 
von Ulmen ihr aus Häufern und Zinfen beflehendes Gut auf 
dem Bruhl in der Stadt Mayen. 


Am Sonntag Jubilate 1334 erfolgte die Sühne zwifhen 
Erzbiſchof Balduin von Trier und dem Grafen Heinrich von 


Virnenburg, vermittelt durch des Grafen Schwager, den Erzbifhef 
Walram von Cöln, geborner Graf von Jülich, Die Fehde, über 
der Stadt Mayen Irrungen mit dem Nachbar entflanden, hatte 
für mehre Bürger Tod, Gefangenfchaft oder Schakung zur Folge 
gehabt. Es verordnet daher der Vermittler, 1) daß bie Ges 
fangenen von beiden Seiten los und ledig fein follen, wobei er 
noch ausbrüdlich erwähnt, daß Graf Heinrih „um des Beſten 
willen” auf die Vergätung ber feinen ©efangenen zu Monreal 
gereihten Atzung verzichtet hat. 2) Das Korn und Gut, fo vor 
ber. Zweiung und Auflauf aus dem Birnenburgifchen in die Stabt 


Mayen gefchafft worben, ſoll freigegeben werben, ledig und Io 


ohne Argeliſt. Und damit Heinrich und feine Erben um fo mehr 
der Bunft eines jeweiligen Erzbifchofe von Trier fih empfehlen, 


Sühne mit Wirnenburg. 6459 


fob Hr. Heinrich von feinem eigenthümlichen Gute 40 Marl, 
3 Heller für 2 Pfennig gerechnet, dem Erzbifchof beweiſen, auf⸗ 
tragen und von ihm empfangen, aud darum des Erzftiftes Dann 
fein und, gleichwie feine Erben, das Lehen treulich verbienen, 
ale das Recht if. Und foll auch derfelbe Heinrich binnen einem 
Monat den Herren von Trier bitten, daß er vergeben wolle, was 
der Graf in diefen oder andern Stüden mißthan haben mörhte, 
und dagegen verheißen das getreulih zu erfegen mit feinem 
Dienfte. - 

D. D. Stolgenfeld, 13. Aug. 1405, nahm Erzbifchof eine 
Beränderung vor in Anfehung der von feinen Vorfahren für bie 
feftlihen Tage von Marien Berfündigung, Himmelfahrt und 
Geburt bewilligten Märkte. Sie follten insfünftige an den Sonn⸗ 
tagen nad) Laetare, nad ber Kirchweihe und nah St, Lucas 
gehalten werden , er bemilligte zugleich denen, welche an biefen 
Markttagen die Kirche B. M. V. (die Pfarrkirche) befuchen wuͤr⸗ 
den, vierzigtägigen Ablaß. In dem Streite um die Trierifche 
Inful, der fih nah Ottos von Ziegenhain Ableben entipann, 
war die Mayener Bürgerfchaft für Ulrich von Manderjcheid, 
und hat fie feinem eifrigfien Verfechter, dem Grafen Rupredt 
von Birnendburg Stadt und Burg gefffnet. Darum fand es Ras 
ban, der leglich von dem Papft als Aq maͤßiger Erzbiſchof an⸗ 
erlannt worden, von wegen ber Virtgenburgiſchen Nachbarſchaft 
nicht räthlich, nach Mayen ſich zu Khaben, um daſelbſt, wie an 
andern Drten, die Huldigung einzunehmen. Bielmehr wurde zu 
dem Ende die Bürgerfhaft nad Andernach beſchieden, und dafelbft 
hat Namens der Stadt eine Deputation am Sonntag, Simen 
ud Judas 1436 die Huldigung geleiftet. Diefelbe Angelegenheit 
führte nach kurzen Jahren den Erzbifchof Jacob von Sirf nach 
Mayen, und bat er auf dem Schloſſe, durch Urkunde vom 21. 
Sanuar 1439 m. T. der Stadt eine Acciſe, von allem kaufmän⸗ 
nifhen Gut, groß ober Fein, welches in Stadt und Gericht 
verfauft und verbraucht würde, von ber Mark eiten Heller zu 
erheben bewilligt, um, wie es in der Urkunde weiter heißt, nach⸗ 
ben fie in den füngft vergangenen Jahren dur Krieg, Miß⸗ 
wachs und andere Widerwärtigfeiten viel gelitten, ihr aufzubelfen, 


42 * 


680 | Mayen.‘ 


und ihr die Mittel für die Aufführung und Unterhaltung ber 
gemeinen Bauten zu verfchaffen. Am Sonntag nad) Petri Ketten 

feier 1457 verfpricht Johann von Baden, der unlängft pofulirte 
‚Erzbischof, die Bürger der Stadt Mayen bei ihrem Herkommen, 
bei ihren Freiheiten und Gewohnheiten zu belaffen, auch bie 
bergebrachte Schatung von 200 Gulden nicht zu fleigern. Im 
%. 1474 wurde Georg von der Teyen, der Amtmann zu Mayen, 
angewiefen, gegen die ungehorfamen Mönde von Laach gewalts 
fam einzufchreiten. Er forderte die Bürgerfhaft zu den Waffen, 
. rüdte an ihrer Spige gen Laach, und nahm, weil der friedliche 
Eingang ihm verweigert worden, das Klofter mit Gewalt, den 
20. Aug. 1474. Die Vorſteher mit den ihnen treu gebliebenen 
Eonventualen kehrten zurüd, die in dem Ungehorfam Verharren⸗ 
den wurden auf ber Stelle ausgemwiefen. Der Sieg der Ordnung, 
der 20. Aug. wurde bis zur Auflöfung bes Kloſters feierlich 
barin begangen. 

Das Zahr 1549 wird durch: die Polizeiordnung vom 2. Aug. 
bezeichnet. Laut derfelben, verglichen mit dee Eorrection vom 25. 
San. 1556 more Trev. wurden jedem, ber fih um Aufnahme in 
die Bürgerfchaft bewarb, drei Fragen vorgelegt: 1) ob er eines 
Sunfers oder andern Hexren Kellner geweſen, und noch Rech⸗ 
nung zu ſtellen habe, Wob er efnen Todtſchlag begangen und 
nicht gebüßt habe, 3) ob ep wi offener Fehde begriffen ſei. Konnte 
er ſich dieſer Punkte los md ledig erflären, und die VBerneinung 
dur einen Eidſchwur befräftigen, fo wurde ihm ber vorfchrifte- 
mäßige Bürgereid abgenommen. Er hatte aber an den Amtmann 
einen Gulden, an bie Scheffen 7 Raderalbus, und in das flädtifche 
Aerarium 10 Gulden zu entrichten, als womit er aller ſtädti⸗ 
fhen Freiheiten und Gerechtſame theilhaftig wurde. Noch mußte 
eine Armbruft in die gemeine Rüſtkammer geliefert werben. 
Heurathete der angehende Bürger eine Bürgerstochter, fo hatte 
er lediglich bie Scheffengebür zu entrichten. 

Die Scheffen wählten ihre Nachfolger, in Gegenwart und mit 
Deirath des Amtmanng, dem, wie den Scheffen, für ſolche Wahl 
unverbrürhliches Schweigen auferlegt. Die erwählten Indivi⸗ 
ben wurden dem Kurfürften genannt und von ihm beftätigt. 





Die Polizeiordnung von 1549 und 1556. 661 


Bevor der Gewählte in die durch den Tod feines Vorgängers 
erledigte Stelle einrädte, mußte er in Beifein des Amtmannd, 
von wegen des Kurfürften, und des Bürgermeifterd, von wegen 
der Stadt, den Eid der Treue ſchwören, und geloben, das Her⸗ 
fommen und die wohlerworbenen Rechte und Freiheiten der Stadt 
erhalten und vertheidigen zu wollen. Nach abgelegtem Eid ſprach 
der Scheffenmeifter zu ihm: „Ihr follt meines gnädigen Herren 
Gericht befigen ,„” dann wurde er in hergebrachter Form dem 
Scheffenſtuhl eingeführt. Den 14 Scheffen folen 14 Männer aus 
der Bürgerfchaft beigefellet werden, und bilden die 28 zufammen 
den Rath, welcher in wichtigen Fällen fein Gutachten abzugeben 
bat, es folen auch die Rathbsmänner die Verhandlungen den 
gemeinen Bürgern mittheilen, damit dieſe in den nächſten 3 oder 
A Tagen ihre Anfiht von dem zu verhandelnden Gegenitand 
ausfprechen mögen. Im Allgemeinen lag die Verwaltung in den 
Händen des Amtmanns, des Schultheißen und der Scheffen. 
Jährlich am Samflag nad) dem gefchwornen Montag follen die 
Scheffen die 14 Rathsmänner einberufen, auf daß fie mit dem 
Amtmann von wegen bes Kurfürften aus den Scheffen einen 
neuen Bürgermeifter erfiefen, wie das in frühern Zeiten dur 
bie Zunftmeifter geſchehen. Dagegen follen die Scheffen aus den 
14 Rathsverwandten yon wegen der Gemeind einen Bürgermeifter 
erwählen. War die Wahl vollbracht, fo nahm der Amtmann die 
Bürgermeifter in Eid und Pflichten, nachdem er ihnen vorher 
aus einander gejeßt, was fie von wegen ihres Amtes zu thun 
fhuldig. Bon Befoldung oder Eremtionen war für die Raths⸗ 
verwandten Feine Rebe; ihre Accidentien befchränften fi) auf die 
Theilnahme bei der alljährlich am gefhwornen Montag veran« 
Ralteten Mahlzeit. Der Montag nach ber Erfcheinung des Herren 
oder nach Dreiföntgen heißt allerwärts im Lande der gefchiworne 
Montag, weil an ihm die neueingeführten Beamten eingefchworen 
wurden; in dem Sprachgebrauch der Neuzeit hat fidh der ge⸗ 
ſchworne oder Schwörmontag in einen ſchweren Montag verivans 
beit, in Betracht vermuthlich der ſchweren Köpfe, welche ber- 
gleichen Feierlichkeien, Bolfsverfammlungen im Kleinen, zu 
hinterlaffen pflegen. | 


66% Kay, 


„Wenn eim neuer Churfürft zu Trier erwählt und beflätigt 
if, fo fol er zu Mayen an der Pforte Huldigung an die Scheffen, 
Bürgermeifter und die gemeinen Bürger gefinnen, wie von Alters 
berfommen und bränchlich ift, worauf die Bürger antworten : 
Gnädigfter lieber Herr, wir wollen Ew. Churfürſtlichen Gnaden 
Huldigung thun wie unfere Boreltern, und wie Ew. Churf. Gn. 
Borfahren. in dem Stift nach altem Herfommen getban haben, 
sorbehaltlih unfer Einigung und Borfchreibung. Und wenn 
ſolches gefchehen, fo follen wir ihn empfangen, und. ein jeglicher 
in feine Hand taften, zwei Finger ausſtrecken und ſchwören: 
„„Ihr ſollt N. N. Erzbifchofen zu Trier etc. und feinem Gtift 
treu und hold fein, vor Schaden warnen, das Befte werben und 
gewarten ; gehorfam fein nach altem Herkommen.““ Darnach foll 
unfer gnädigfter Herr gleich den Bürgermeiftern, Scheffen und 
Bürgern den Huldigungsbrief geben. 

„Wer fi an Amtmann , Bürgermeifter, Scheffen u. f. w. 
vergreift, oder demſelben ſich ungehorſam erzeigt, wirb in den 
Thurm auf die Burg gefegt, und Weib und Kind auf Jahr und 
Tag aus der Stadt verwiefen, wie es Herkommens.“ (Diefes hat 
der Kurfürft dahin gemildert, daß ein folder Delinquent auf dem 
Stadtthburm Kronenburg 8 oder 14 Tage feſtzuhalten. Den 
Thurm foll man aber nicht fehließen, fondern offen Taffen, damit 
ber Bürger in feiner Haft einer züchtigen Gefelfchaft von feines 
Gleichen genießen könne.) Iſt das Verbrechen vorfäglich bes 
gangen worden, fo muß daffelbe 14 Tage lang bei Waffer und 
Brod gebüßet werden. „Wann ein Bürger ein Kind beftatten 
würd, geiftlich oder weltlich, und wird an Mofel oder Rhein 
ein Stüd Weing , oder fo viel ihm nöthig, holen wollen, foll 
ihm der Kellner eine Schrift an den Zöllner des Orts er den 
Wein zu holen Willens, geben, und er alsdann darvon nichts 
zu geben fchuldig fein.” Bon dem Wein aber, den ein Bürs 
ger zum Haustrunf oder zum DBerzapfen faufte, hatte er ben 
halben Zoll zu entrichten. Eigenes Wahsthum an Mofel oder 
Rhein war zollfrei, gleichwie alles Hab und.Gut eines Bürgers, 
das von außen hereingebracht wurde. „Wannehr und was Zeit 
ein Bürger oder Bürgerin eine erfie Meß, Hochzeit, Kindbett 


aa re rer nn nn a EEE nn EEE TE But BEE EEE. 1 ideen nannten He. Zi en ne BE nn ———— —— —— — 


Pie Yelizeisrduung son 1549 und 1556. 663 


oder eilihe Freundſchaft beifammen haben würde, follen einen 
Kellner umb Erlauben ein Hafen zu fangen bitten,. und von Kell: 
ner nicht verweigert werden. Wann ein Kellner ſolches abfchlagen 
und der Bürger zu fangen ausgangen und darüber befunden 
würbe, foll er zu geben nichts ſchuldig ſeyn. In eines Scheffen 
Wohnungen foll man Niemand fümmern, richten oder wältigen,. 
darin er wohnhaftig if. Iſt aber Sach, dag er Wein fchenft 
und fo lange die Wirtbfchaft währet, ift des Kümmers Gut, fo 
von Frembden verſchafft, nicht frei. Wenn er einer fi eines 
Kümmerers beforgte, und nähme einen Scheffen mit der Hand, 
oder mit feinen Kleider, fo Tange er fih an den Scheffen haltet, 
foll er Kümmer frey ſeyn, den Todfchläger ausgenommen, 

„Es fol ein jeglicher Bürger und Inwohner binnen der 
Stadt Mayen ein gerüft Harniih binnen feinem Haus ‚haben 
und ein gut flarf Gewehr, und das folle man befeben und wer 
das nit binnen 14 Tagen hätte und beftellen würde, wie ihm 
gepuͤrlich iſt und er es vermag, ift fräflih und muß es dennoch 
ftellen, darnach weiß ein jeglicher fich zu richten.” Die Bürger, 
zu verichiedenen Abtheilungen geordnet, hatten für jede Abtheilung 
einen Führer, alle Abtheilungen vereinigten fi) unter den Befehlen 
bes Amtmanns. Wer im Falle eines Auszugs vor Ablauf einer 
halben Stund nach gegebenem Zeichen nicht wohl gewaflnet und 
gerüftet auf dem Markte erfchien, hatte ſchwere Strafe verwirft, 
fo er nicht einen gültigen Verhinderungsfall nachweiſen konnte. 
Die vier Höfe des Kurfürften, des Priors, der deutfchen Herren 
und ber Abtei Marienftait flellten die Suhren für den Transport 
von Lebensmitteln und Waffen. Die betagten und ſchwächlichen 
Dürger mußten fofort die Hut der Stadt übernehmen. 

. „Wenn ein Bürger oder fonft jemand zu Mayen einen Küm⸗ 
mer thun wollte oder thäte uff einen, der nit einheimifch, oder 
hinweggehe, und man nit wüßte, wo er zu finden, dann foll der 
Frohn zu einer jeglichen Pforte ausgehen und rufen und aus⸗ 
forehen: der N. bat beine Güter gefümmert, und komm und 
verantworte beine Güter etc.” War der Borgeladene binnen. 
beftimmter Friſt nicht erfohienen , fo wurde mit der Kümmerung 
fortgefahren. „Wann zwey Scheffen am Gericht oder ſonſt zu- 


664 SHayen. 


fammen zu thun haben, fo follen fie beydt an dem andern Scheffen 
bleiben , if von Alters ein Gebrauch. Wenn ein Bürger Leib 
und Gut verwirfet hat, und er, ober bie feinen das Geraidt⸗ 
Gut uff die Straß oder in eines andern Manns Haus mögen 
bringen; ehe es die Scheffen verwieft hätten, foll ein Gnädigfter 
Herr oder fein Befelchhaber, diefelbige anzutaften nit Macht 
haben, aber die unbewegliche Güter fegnd ausgenommen und 
‚überall frey. Iſt ein altes Herfommen, Freyheit und Gebrauch.“ 
Wollte ein Bürger einem Fremden, der augenblidlich in der 
Stadt fih aufhielt, Kümmerung thun, fo war ihm vergönnet, 
ein Standgericht zu begehren, und mußte dieſes ungeſäumt zu- 
fammentreten. Das Gleiche gegen einen Bürger vorzunehmen, 
wurde aber, von wegen ber ftäbtifchen Freiheit, dem Fremden 
niemals geftattet. Sm Falle einer Hinrichtung hatten bie vier 
oben genannten Höfe die Fuhren zu ftellen. Der Furfürftliche 
Hof, beforgte den Transport der Verbrecher und gab nöthigenfalls 
das zum Scheiterhaufen nöthige Stroh , die drei andern Höfe 
Iteferten die Räder. Die übrigen Koften hatten die Bürgermeifter 
zu tragen. Für jeden Hingeridhteten erhielt der Henfer einen 
Schild, welcher um 26 Raderalbus einlösbar. 

In Anſehnng verſchiedener diefer Beftimmungen haben nad» 
malen Beränderungen vorgenommen Kurfürft Lothar 1612, Karl 
Kaspar 1665, Johann Hugo 1677, und wurde die Zahl ber 
Scheffen, einfchließlich des Schultheißen, auf fieben herabgefest, 
denen ein Gerichtöfchreiber beigegeben. Mit den fieben Raths⸗ 
verwandten vereinigt, flellten fie den Stadtrath vor; von diefem 
war der Stadtfehreiber abhängig. Das Gerihtsperfonale befteflte 
der Kurfürft, die Rathsherren wurden von der Bürgerfchaft in 
Vorſchlag gebracht, und von dem Sceffenftufl ernannt, Die 
militatrifhen Einrichtungen in der zweiten Hälfte des 16. Jahr⸗ 
hunderts befpricht ziemlich umftänblich ein an alle Aemter gerichte⸗ 
tes furfürftliches Nefeript. „Laut deffelben muflen alle Landwehren 
an den Gräntzen aufgerichtet und mit flarfen Schangen verfehen 
werden. Der Landmann ware in allen Aemtern in zwey Theil 
getheilet ; der halbe ſtarck und reichefle Theil ware mit Harnifd, 
Langen und furgen Spiefen, der andere Theil, als füngfte und 





Ariegeverſaſſung. 605 | 


geratheſte zu Schügen mit guten Rohren, Sturmhauben, Pulver 
und Zinnflafhen verfeben. Damit biefe, junge Leuth auch im 
fhießen geübet werben, hatten die Ehurfürften aus Wetten und 
Brüchten in jedem Amt 40 bis 50 Goldgulden verwilliget, da⸗ 
mit durch diefe Tu, Zinnwerd und fonften eingefaufft, und 
darum - auf Sonn= und Feyertag zum Beften gegeben wurden. 
Auch wurde denen Städten zugelaffen, Schußſpiel anzurichten, 
bie Schügen zu befehreiben, und einen Ochſen, Hammel oder was 
ihnen gut gebendte, zum Schießen. auszuftellen. Aus denen 
Schüsen wurden die Junggefellen und Burgersſöhn ausgewählter, 
fie wurden Freyſchützen genannt, zogen alle ſtädtiſche Nutzbar⸗ 
feiten ohne alle Laſten, und hatten dabey dieſen Vortheil, daß 
wann ein Burger einen Pfenning zoge, diefe zwey Pfenninge 
erhielten; es wurden jedem ein Paar Pfund Pulver ertheilet, 
jedennoch muſten fich felbe auf Soldatifch ausftaffieren und nad 
des Amtmanns Befehl fertig halten.” 

Das 3. 1564 hatte für Mayen eine traurige Bedeutung. 
Die unruhigen Trierer zu Paaren zu treiben, mußte die Stadt 
ihr Contingent ausfenden. Deß Anführer, „der wadere Junder 
Bernard von Elauer, Amtmann zu Mayen und Hammerftein, 
ber Fendrich Hachenburg, Michel Nachtsheim und Kaspar Wirtz, 
ein Scheffenſohn,“ fanden auf diefem Zuge den Tod bei Treiß 
an der Mofel, den 22. April 1564. Im J. 1623 richtete die 
Peſt arge Berwäflung an, dagegen fcheint Die Stadt wenig 
unter den Drangfalen bes dreißigfährigen Krieges gelitten zu 
haben. Bon Durchgügen, von Plünderung iſt nirgends Rede, 
vielmehr diente Mayen den Bewohnern der Umgegend häufig 
als Zufluchtsort. Diefe mögen wohl auch der Dürgerfchaft und 
ber - geringen Befasung Beiftand geleitet haben, vereinzelte 
Angriffe abzuweifen. Bon einem foldhen Heißt ed: „Anno Do- 
mini 1643 den 23. Septembris haben die Hagfeldifchen Wälder, 
als Obriſt Sparr, Yung-Naffau und Mandelsloh zu Fuß, zu 
- Pferd Obriſt Knigge, Ept und Bünau die Pforten zu Mayen 
mit einer Petarden zerfprengt und mit ſechs Feldſtücken Feuer 
darin geben, aber unverrichter Sachen darvon abziehen müffen. 
Iſt darvor ein Feldwebel todt plieben, Hauptmann Kramer und 


666 Mayen. 


ein Konſtabel jeber durch ein Schenkel geſchoſſen. Seynd naqh⸗ 
dem noch drey Wochen zu Obermendig liegen plieben, alle Früchten 
und Gefütter in allen umbliegenden Oerter verderbt, und nach 
unſäglichem Verderben aller Orten den 8. Octobris wiederumb 
über den Rhein marſchirt.“ 

Ernftligere Anfehtung hatte Mayen in den Kriegen Lud⸗ 
wigs XIV. zu erleiden. Die Tebhaftigfeit in den Bewegungen 
feiner Armeen zu erhöhen, war der Monarch am 23. Jul, 
1673 zu Thionville eingetroffen. Bon dort deiadhirte er den 
Marechal-de-camp gendral be Fourilles mit einem Reitergefchwas 
ber, weldes die Sage bis zu dem Belauf von 20,000 Mann 
vergrößerte, nach dem Trierifchen, dem zugleich eine Contribution 
von 120,000 Rthlr. abgefordert wurde. Ihr erfied Lager bezogen 
die Feinde bei Igel, 1'/, Stunde von Triers fie oceupirten 
Saarburg, Pfalzel, Wittlich, am 3. Aug. die Conzer Brüde 
Während alfo die Stadt Trier von allen Seiten eingefchloffen, 
verbreiteten ſich franzöfiihe Parteien burch die Aemter Hunols 
fein, Baldenau, Berncaftel, und die Moſel abwärts big beis 
nahe zu den Thoren von Coblenz hin, und au die entlegens 
fen Winkel der Eifel blieben von ihnen nicht verfchont. Aller 
Orten wurden Brandfehagungen eingetrieben, und hat es an Er 
cefien jeglicher Art nicht gefehlt: der Soldat Tebte auf Discretion. 
Auch Mayen wurde angetaftet. General Markgraff Troussius, 
wie ein Zeitgenoffe ihn nennt, legte ſich mit einem fliegenden 
Corps von 3500 Mann, worunter 1500 Mann Infanterie, famt 
drei Kanonen, vor die Stadt, Bon einer Schanze aus, berem 
Veberbleibfel noch auf der Mayener Hol, bei dem Fichtenwaͤld⸗ 
hen ſichtbar, wurde fie befchoffen, zugleich an den Thurm der 
Dberpforte eine Mine gelegt. Der Commandant Kob, vielleicht 
ein Better des mannhaften failerlihen Generald Wolfgang 
Friedrich Kob von Neiding, wies jedod mit feiner Befagung 
son 130 Maun, denen fi) die Bürgerfchaft und ‚die zahlreichen 
Flüchtlinge aus benachbarten Ortfchaften angefchloffen, den erflen 
Angriff blutig ab; 9 feindliche Neiter und 4 Pferde wurden 
getöbtet, Die Franzoſen wichen, um nad einer Turzen Ruhe 
ihre Anfirengungen zu verboppeln, fanden aber jedesmal ent 


Die Pelagerung von 1673, 067 


fehloffene Gegenwehr. Nachdem fie in dem Laufe einer zehn⸗ 
tägigen Belagerung der Todten und Berwundeten 150 gehabt, auch 
die Mine die gehoffte Wirkung nicht hervorbringen wollen, fehlen 
fa Trouffe nicht ungeneigt, auf die von dem Kurfürften gemachten 
Borfchläge einzugehen. Es follten laut derfelben an ihn von den 
Acmtern Mayen, Münfter und Bergpfleg 11,000 Rthlr. entrichtet 
werden, Nachdem er aber einige bereits empfangene Taufende 
zu quittiren, auch den Accord zu unterfchreiben fich weigerte, unter« 
blieb die fernere Zahlung, und es rächte ſich der General, von 
Mayen ablaffend, durch barbarifche Verheerungen, wie dann 
16 Dörfer oder Höfe, darunter Allenz, Kottenheim, Geished, 
Kerig, Spurzem, in die Afche gelegt wurden. Bon jener Bes 
lagerung fchreibt fih vermuthlich her das Sprichwort: hinten 
berum bat Mayen gewonnen, den Commentar zu diefem Sprids 
wort, wie er in des Volkes Munde Tebt, mitzutheilen, finde ich 
Doch Bedenfen. Aud der Ausdrud, Mayener Pferbsfchinder mag 
fih von der Belagerung herfchreiben. Die Pferde der Franzofen 
wurden von den Mauern herab mit fiedendem Waffer begoflen. 

Der Marquis de la Trouffe, fo fürchterlich dem Mai- 
felde, erfcheint in einem andern Lichte in ber Correspondenz ber 
berühmten Sévigneé. Der Staatsrath Philipp de Coulanges, 
mit Maria be Beze verheurathet, „gens pleins d’honneur et de 
vertus,““ nennt fie der adelftolge Buffy-Rabutin, war ein Vater 
von fünf Kindern geworden. Der ältefle Sohn, Philipp genannt 
wie der Vater, ift hinwiederum der Vater bes Liederdichters 
Eoulanges geworden, des treuen Freundes der Sevigné, deſſen 
Memoiren Monmerque, aller Seoigniften Oberhaupt, herausgab, 
1820, der jüngftle Sohn Chriftopp, Abt von Livry, wird ges 
wöhnlich von feiner Nichte ald le bien bon bezeichnet, bie ältere 
Tochter, Henriette, wurde an Franz le Hardi, Marquis von la 
Trouffe, die füngere, Marie, an Celſus Benignus,von Rabutin 
verheurathet. Diefer fand den Tod in der Vertheidigung der Infel 
Re, 16275 die töbtliche Bunde fol, wie der freilich höchſt unzuver⸗ 
läffige Gregorio Leti will, Cromwell ihm gefchlagen haben, Seine 
einzige Tochter, Maria von Rabutin, geb. 6. Febr. 1626, wurde 
den 1. Ang. 1644 dem Marquis Heinrich von Seyigne angetrauts 


668 “Sagen. 


„Ce Sevigny n'dtoit point un honndte homme, et il ruinoit sa 
femme, qui est une des plus aimables et des plus honndtes 
personnes,“ fıhreibt Tallemant des Neaur, vor dem doch nur 
wenige, Frauen am wenigften Gnade finden. Seinem Zeugniffe 
fügt der morofe Conrart die vollgültigſte Beftätigung Hinzu: 
„Sevignd avoit Epouse la fille unique du baron de Chantal. 
Quoiqw’elle soit fort jolie et fort aimable, il ne vivoit pas 
bien avec elle, ei avoit toujours des galanieries @ Paris. Eile 
de son cöle, qui est d’humeur gaie et enjoude, se divertissoit 
autant quelle pouvoit, de sorle qu'il n’y avoit pas grande 
correspondance entre eux. On dit qu'il disoit quelguefois d 
sa femme qu'il croyoit qu’elle eüt ei tr&s-agreable pour un 
auire, mais que, pour lui, elle ne lui pouvoit plaire. On disoit 
aussi qu'il y avoit cette difference entre son mars et elle, quiil 
Vestimoit et ne laimoit point, au lieu qu’elle Faimoit et ne 
Testimoit point. En effet, elle lui temoignoit de Taffection ; 
mais comme elle a lesprit vif et delicat, elle ne l’estimoit pas 
beaucoup; et elle avoit cela de commun avec la plupart des 
honndies gens; car bien qu’il eüt quelque. esprit, et qu'il füt 
assez bien fait de sa personne, on ne sıaccomodoit point de 
lui, et il passoit presque partout pour fächeuz.“ 

Ueber einer der vielen Liebfchaften fand endlich Sevigné den 
Tod. „Lo chevalier d’Albret, cadet de Miossens, dtant amou- 
reuxr de madame de Gondran, sut que le marquis de Sevigne 
qui, selon le bruit commun, n’eloit pas mal avec elle, lui avoit 
tenu des discours a son desavantage, depuis lesquels elle lui 
avoit fait dire trois ou quatre fois quelle n’dtoit pas chez 
elle, lorsqu'il Iy etoit aller chercher. Pour s’en Eclaircir, il 
pria Saucourt, qui est de ses amis, de savoir du marquis de 
Sevignd si ce qu’on lui avoit dit etoit vrai, parce qu’il ne lui 
avoit jamais donne sujet de Iui rendre de mauvais offices. 
Sevigne dit 4 Saucourt qu’il n’avoit jamais parld au desavan- 
tage du chevalier d’Albret; mais qu'il ne le lui disoit que 
pour rendre t&moignage d la verite, et non pas pour se jusii- 
fer, parce qu'il ne le faisoit jamais que lepdee @ la main. 
Saucourt lia la partie avec lui pour vendredi apr&s midi, 
4. fevrier 1651, et s’obligea de faire trouser le chevalier 
d’Albret derriöre Picpus. 


Die Marquiſe von Sevigne. 660 


„Ce dernier 8’y rendit à Theure qui avoit did dite, et 
Sevigned aussi qui avoit fait porter des épées. Il dit d’abord 
au chevalier d’Albrei qu'il n’avoit jamais parle de ce qu'on 
lui avoit rapporte, et quiil dtoit son’ serviteur. En disant 
cela ils sembrasserent, et ensuite le chevalier dit qu'il ne 
falloit pas laisser de se baltre. Sevignd repondit qu'il Ven- 
tendoit bien ainsi, et qu'il n’eit pas voulu ne se point battre. 
Aussitöt ils se. mirent en presence et Sevignd porta trois ou 
quatre bottes au chevalier, qui eut ses chausses percdes, mais 
ne fut point blesse. Sevigne, continuant & lui porter, se de- 
couvril; et laulre, ayant pris son temps, lui presenta l’Epde 
pour purer, dans laquelle Sevignd s’enferra lui-m&me, et recut 
un coup au travers du corps, de biais, mais qui ne pergoit 
pas d’outre en outre. Le combat finit par lä, car Sevignd 
tomba de ce coup; et ayant éêtéâ ramened d Paris, les chirurgiens 
le jugerent mort, des qu’ils eurent vu sa blessure. Il en regut 
la nouvelle avec chagrin, et ne se pouvoit resoudre A mourir 
al’dge de 27 ans. Ilne dura que jusqu’au lendemain malin, 
2 fev. 1651.“ 

Dier Tage vor dem Zweikampf hatte Sevigne aus ber 
Bretagne, wohin er die Unbequeme verwiefen, ein Schreiben von 
feiner Frau erhalten, des Inhalts, fie höre mit Verdruß, bag 
er fich in einen Duell eingelafien, und darin eine Stichwunde 
empfangen habe. Die 25jährige Wittwe unterzog ſich dem 
ſchwierigen Geſchäfte, ein durch die Thorheiten des Berfiorbenen 
zerrüttetes Vermögen zu ordnen, während fie zugleich die ges 
treuefte und gejegnetefle Sorgfalt der Erziehung ihrer zwei Kin⸗ 
ber zuwendete. Weber dem Unterrichtgeben Tonnte fie zugleich 
die Mängel desjenigen , deijen fie genoſſen, ergänzen, fich be⸗ 
fähigen zu der glänzenden Yiterarifchen Stellung, die für alle 
Jahrhunderte ihr gefichert. Die Unfterblichfeit ihres Namens 
verdanft fie einem Briefwechfel, deffen unmittelbare Beranlaffung 
ihrer Tochter Verheurathung nad) weiter Ferne. Dieſer Tochter 
war fie in unausfprechlicher Zärtlichkeit zugethban. In jenem 
Briefwechfel werden Perfonen und Gegenftände in der bunteften 
Manichfaltigfeit behandelt, und daß häufig darin Rede von dem 
Marquis de la Trouffe, darf um fo weniger befremden, da, wie 


670 ° ’ Mayen. 


wir gehört haben, feine und der Sevigne Mutter Schweftern. - 


Darum verfehlte Buffy-Rabutin nicht, feiner Muhme anzuzeigen, 
wie daß fa Trouffe, gelegentlich der Erflürmung der Linien von 
Balenciennes, 16. Zul. 1656, zufamt dem Marſchall von Ta 
Ferte und vielen andern hohen Dfficieren der Spanier Gefangner 
geworden. „Ze 17. j’envoyai mon trompette savoir ce qu’dtoit 
devenu La Trousse; il revint le lendemain sans avoir pu 
parler @ lui, mais ayant appris qu'il se portoit fort bien“ 
Den 30. Der. 1671 fihreibt die Sevigne an ihre Tochter: „Le 
pauvre La Trousse s’en va, et Sevigned s’achemine dejd; ils 
vont a Cologne, cette equipde les desespere.“ Den 27. April 
1672 befpricht fie der Marquife de la Trouffe, der Mutter, 
Krankheit. ‚Je Ius dis mille tendresses de votre part, qu’elle 
recoit (res bien. M. de la Trousse lui en a écrit d’excessives; 
ce sont des amities de lagonie, dont je ne fais pas grand 
cas; jen quitte ceux qui ne commenceroient que lä d m’aimer. 
Ma fille, il faut aimer pendant la vie, comme vous failes, la 
rendre douce et agreable, ne point noyer d’amertume et .com- 
bler de douleur ceur qui nous aiment, il est trop tard de 
changer quand on espire“ Der Marquis fcheint demnach 
feineswegs ein zärtlicher Sohn geweſen zu fein, daß er für ans 
verwandtfchaftlihe Gefühle überhaupt nicht empfänglich, wird 
"fi ferner ergeben. 

Den 24. Febr. 1673 heißt ed: „Nos pauvres amis sont 
repartis, c’est-d-dire M. de la Trousse, sur la nouvelle qu’a 
eue le roi d’une revolie en Franche-Comtd: comme il n’aime- 
roit point que les Espagnols envoyassent des troupes qui pas- 
seroient sur ses terres, ıl a nommed Vaubrun ei la Trousse 
pour aller coommander en’ce pays-lä. La Trousse a beaucoup 
de peine d se rejouir de cetie distinction; cependant c’en est 
une, qui pourroit ne pas deplaire d un homme moins faligud 
de voyages; celui-ci joindra la campagne; cela est fort triste 
pour ses amis ; le guidon nous demeure.“ Seoigne, der Sohn, 
war guidon oder Cornet bei der Sompagnie von gendarmes- 
dauphin, von welden la Trouffe capitaine-lieutenant. Bon ber 
Schlacht an der Conzer Brüde handelnd, ſchreibt die Sevigne: „Jar 
cvuru tout le matin pour savoir des nouvelles de la Trousse 


— —— Lu — — N ͤ⏑—— 


Der Marquis de la Sroufe. 074 


et de Sansei: on ne dit rien de ce dernier: on dit que la 
Trousse. est blesse, et puis d’autres disent qu’on.ne sait ou il 
est: ce qui paroft säür, c’est qu'il n’est pas mort, puisgu’on 
sait le nom de tant de gens au-dessous de lui.“ Zwei Tage 
darauf, den 16. Aug. meldet fie: Enſin M. de la Trousse est 
trouve ; admires son bonheur dans toute ceite affaire: apres 
avoir fait des merveilles d la téête de ce bataillon, il est en- 
veloppd de deu.r escadrons, et si bien enveloppe, qu’on ne sait 
ce que tout.cela est devenu: tout d’un coup il se trouve qu'il 
est prisonnier; de qui? du marquis de Grana quil a vu 
pendant sir mois & Cologne, et qui s’dioit lid d’amitid avec 
ui. Vous pouves penser comme il sera traiid; il a aus 
une jolie petite blessure, et pourra fort bien faire ses ven- 
danges ü la Trousse ; car il viendra très assurdment sur sa 
parole; et, pour mieur dire, il sera regu ir&s agreablement 
a la cour. Je n’ai jamais vu tant de soins et tant d’amities 
que tous ses amis lui en ont temeignd: je le plains d’avoir 
tant de remerciemenis da faire; mais n’esi-il pas vrai que 8 
on avoit fait espres une destinde, on n’auroit pas imagind 
autre chose que ce qui lui est arrivd.“ 

„Le cousin (la Zroufje) est toujours très sujet; mais il 
we parolt pour le moins une cöle rompue, depuis lassiduited 
qu'il a eue pendant trois mois ches la vieille maitresse (die 
Gräfin von Spiffons, des Prinzen Eugen Mutter) du charmunt 
(Billerop). Celu fit regarder notre amie (die Eoulanges, des 
Liederdichterd Frau) au relour du cousin, comme une amante 
delaissee ; mais quoique rien ne fül vrai, le personnage fut 
desagreable. M. de la Trousse ne s’en va que dans quinze 
jours a larmee-du marechal de Rochefort ; tout le resle est 
deja loin (22. April 1676). J’admire la fortune, c'est le jeu 
qui soulient M. de la Trousse (10. Mai 1676). M. de la 
Trousse demeure sur la frontiere, et prend soin des places 
corquises; cet emploi est un morceau de favori; c'est par oü 
a passe le marechal de Rochefori; la Trousse marche sur ses 
pas. M. de Iouvois demanda pardon a madame de Coulanges 
de lui öter pendant Ühiver cette douce socieid: au milieu de 
toute la France, elle soutint fort bien cette atiaque: elle eut 


672 Mayen. 


le bonheur de ne point rougir, et repondit precisement ce 
quil felloit‘“ (22. Det. 1676). Dagegen wird den 5. Januar 
1680 geichrieben: „Madame de Coulanges est a Saint-Germain; 
elle a étâ fort employde pour les etrennes; et ce pauvre la 
Trousse en a eu par hasard toute la faligue: il est loujours 
assidu; et elle loujours dure, meprisante et amöre: leur cos- 
duite ne peut se concevoir. La marquise (de la Trousse) 
toujours enragede, la fille desesperde.“ Der guten Frau wird 
ed an Gründen zur Eiferſucht nicht gefehlt haben. Die Con 
langes war im Sept. 1676 ſchwer erfranft, während die Freunde 
für ihr Leben zitterten, „la marquise de la Trousse, qui 
en eioit demeurde en Berry, sur la nouvelle de son es- 
trémité, éêtoit seule & mourir de peur d’apprendre une resur- 
rection.“ Es fchreibt auch die Seoigne, 20. Sept. 1679 
„J apprends dans ce moment que la Trousse est parti pour 
Ypres; sa femme n’a jamais voulu lui dire adieu, c’est un 
'etat pitoyable que le sien; je la plains, puisque c’est la ten- 
dresse qui la fait souffrir: il y a bien de lapparence que les 
sujels de sa douleur ne finiront point.“ 

Aber nicht allein der Frau hat la Trouffe Berdruß bereitet, 
auch der Sevigné gibt er zu Hagen Beranlaflung. Sie fhreibt, 
31. Zul. 1680: „Mon fils est parti, et pour Fachever il a su 
par madame de Coulanges que M. de la Trousse avoit dessein 
de demander que sa charge fut assurde ü Bouligneur, en lu 
faisant épouser sa fille: vous jugez bien que cela coupe la 
gorge a votre pauvre frere; car le moyen qu'il put demeurer 
& cette place? Et comment la quitter, quand l’esperance de 


monier seroit ölde? Nous verrons s’il est possible, que M. de 


la Trousse ne nous donne point quelque porte un peu moins 
inhumaine pour sortir dun labyrinthe oü il nous a mis,“ 
ferner 21. Aug. 1680: „Madame de Lavardin, madame de la 
Fayette, et madame de Coulanges m’assurent fort que nous 
trouverons cet hiver quelgque moyen de le tirer de la place 
‚od il est (ihr Sohn war damals Unter⸗Lieutenant in bes fa 
Trouffe Compagnie von den gendarmes-dauphin), dent le de- 
godüt seroit insupportable, si M. de la Trousse repandoit 
froidement dans le monde le dessein qu'il a pour M. de Bou- 





Der Marquis de la Trouſſe. 673 


ligneuæ (die Heurath hat fi) doch zerfchlagen). Je vous avoue 
que jai pense aussi mechamment que vous au got qu'il trou- 
veroit a donner ce coup mortel ä son pelil subalterne: nous 
avons le malheur de lui deplaire, et de n’avoir jamais eu 
nulle part d son amitie,“ endlich den 28. Aug.: „Mon ſils 
m’a rendu compte d’une conversation qu'il eut avec M. de 
la Trousse, le croyunt, sur la parvle de Brancas, tout sucre 
et tout miel; mais les nuages couvrirent bientöt la surface 
de la terre; des que mon fils commenta a parler, le temps 
se brouilla, et, de periode en periode, un vint A demander 
pourqguoi on s’elait engage dans cette charge. Cela m’a fait 
souvenir d’Hermione, quand elle demande ä Oresie, apres 
qu’il a tue Pyrrhus par son ordre, qui te l’a dit? Oreste, 
d cette parole, devint furieus. Je pense que votre petit frere 
auroit fait comme lui, si lange qui le garde ne lavoit sou- 
tenu ; enfin nous verrons. Il est certain que rien ne presse, 
pourvu qu'il ne repande point le bruit des desseins de la 
Trousse, qui ne sont quasi pas formes pour Bouligneux.“ 
Dergleihen Gleichgültigkeit für ihre Intereſſen mag ber 
Driefftellerin um fo empfindlicher gefallen fein, je größer bie 
Berdienfte, welche fie in der frühern Zeit um ben Undanfbaren 
fi) erworben, Abfonderlich hatte fie ihm die Hand einer reichen 
Erbin, der Margaretha de Lafond, durch die Vermittlung eines 
Freundes verfehafft, wie denn der getreue Pomponne an Arnaufd 
D’Andilfy fchreibt, 19. April 1669: „Je z’ar point ecrit @ M. 
de la Trousse sur sa charge (die Gendarmencompagnie), parce- 
que nous ne sommes pas en cetie grande amilie; ce seroit 
plutöt connoissance ; quoique jagisse fort du temps de M. 
Fouquet, sous les ordres de madame de Sevigne, pour faire 
‚reussir son mariuge.“ Mit allem Rechte Fonnte daher die Se= 
vigne, nachdem la Trouffe, der General-Lieutenant, unlängft das 
Gouvernement von Ypern, mehr denn 45,000 Livres jährlich 
abmwerfend, erhalten, am 15. Nov. 1684 der Tochter zufchreiben: 
„Parlons du bonheur de M. de la Trousse, qui marche & 
grands pas dans le chemin de la fortune. Connoissez vous la 
beaute de la machine toute simple qu’on appelle un levier? 
Il me semble que je lai et à son egard: trouvez-vous que 


Rhein, Antiquarius, 3. Abth. 2. Bd. 43 





674 Mayen, 


je me vante trop? Celia me fait prendre un grand interdt d 
toute la suile de sa vie, oü il a reuni et bien de Uhonneur, 
et bien du bonheur, et bien de la faveur.“‘ 

Im Jahre 1680 hatte Ta Trouffe den Anfang gemacht mit 
dem Umbau feines Schloffes, „ce chdieau que nous trouvions 
deja si beau, ne sera pas reconnotsable.“ Schon fein Groß⸗ 
vater, Nicolaus le Hardi, prevöt de !hötel im J. 1558, befaß 
bie Herrfchaft Ta Zrouffe, in der Käfelandfchaft Brie; für 
feinen Vater, Franz le Hardi, war fie im Aug. 1615 zu einem 
Marquifat erhoben worben. 

Am 23. Juk 1685 fehreibt die Sevigné: „Je ze savois pas 
que la Trousse fut & un camp sur la Saöne,“ wo 10,000 
Mann Tavalerie unter feinen Befehlen vereinigt. Im 3. 1686 
führte er das Commando in der Provinz Languedoc; im 3. 1688 
mußte er Taut föniglichen Befehls Avignon und fein Gebiet vreus 
piren, und erhielt ex den h. Geiftorden,, als den Lohn für bie 
feichte Eroberung. Die Promotion, vom 31. Dec. 1688, war uns 
gemein zahlreidh. „Toute la troupe etoit magnifique,““ berichtet 
von der Snftallation die Sevigne. „M. de la Trousse des mieuæ; 
id y.eut un embarras dans sa perruque, qui lui fit passer ce 
qui eloit à côté assez long-temps derriere; de sorte que sa 
joue etoit fort decouverte ; il tiroit toujours ce qui lembar- 
rassoil, qui ne voulost pas venir; cela fit un petit chagrin. 
Mais, sur la m&me ligne, M. de Montchevreuil et M. de 
Villars s’accrocherent Tun ä lautre d’une telle furie; les 
épées, les rubans, les dentelles, les clinquants, tout se trouva 
‚tellement mele, brouille, embarrasse, toutes les pelites parties 
crochues etoient si parfaitement entrelacdes, que nulle main 

dhomme ne put les separer; plus on y tdchoit, plus on les 
 brouilloit, comme les anneaux des armes de Roger '): enfin 


) L’arnese il tenne, che bisognd trarre, 
et contra il suo disir mise le sbarre. 


Frettoloso, or da questo, or da quel canto 
Confusamente l’arme si levava, 

Non gli parve altra volta mai star tanto; 
Che s’un laccio sciogliea, duo n’annodava. 


Orlando furioso, canto X. stanza 414 e 115. 





— —— — — — 


Der Marquis de ia Trouſſe. 675 


toute la ceremonie, toules les reuerences, tout le manege de- 
meurant arreid, il fallut les arracher de force, et le plus 
fort lemporta. Mais ce qui deconcerta enlierement la gra- 
vild de la cer&monie, ce fut la negligence du bon d’ Hocquin- 
court, qui eloit tellement habillE comme les Provengaur et 
les Bretons, que ses chausses de page etant moins commodes 
que celles qu'il avoit d’ordinaire, sa chemise ne vouloit jamais 
y demeurer, quelque priere qu'il lui en fit; car, sachant son 
etal, il tdchoit incessamment d’y douner ordre, et ce fut tou- 
jours inulilement ; de sorte que madame la dauphine ne put 
tenir plus long-temps les eclais de rire: ce fut une grande 
pitie ; la majeste du roi en pensa dire ebranlde, et jamais il 
ne s’eloit vu, dans les registres de l’ordre, l’exemple d’une 
telle aventure. Le roi dit le svir: „„„C’est toujours moi qui 
soutieus le pauvre M. d’Hocquincourt, car c’etoit la faute de 
son taslleur.‘“ “ 

Zwei Tage fpäter, 5. Januar 1689, fihreibt die Sevigne: 
„Je menai hier mon marquis (ihren Enkel) avec moi; nous 
commengames par chez M. de la Trousse, qui voulut bien 
avoir la complaisance de se r'habiller, et en novice et en 
profes, comme le jour de la ceremunie: ces deux sortes d’ha- 
bils sont fort avanlageus aux gens bien faits. Cel habit de 
page est fort joli; je ne m’elonne point que mudame de 
Cleves aimdi M. de Nemours avec ses belles jambes. Pour 
le manteau, c'est une representation de la majeste royale; il 
en a colie huit cents pistoles à la Trousse, car il a achetd 
le manteau. Apres avoir vu celte belle mascarade, je menai 
votre fils chez toutes les dames de ce quartier.“ Aber bereits 
näherte fih Ta Trouſſe dem Ziele aller menfchlichen Herrlichkeit. 
In den erften Junitagen 1689 ift von feinen höchſt bedenflichen 
Gefundheitsumftänden Rede. Am 28. Sept. 1689 ſchreibt feine 
Muhme: „Vous m’etonnez de me conter la sorte d’incommo- 
dite de M. de la Trousse; on m’avoit bien mande que depuis 
da ceinture en bas c’etoit une espece de paralysie: mais cette 
circonstance est affreuse, et le met hors de combal, c’est-d- 
dire, hors de toute societe, et par consequent sans consola- 
tion. C'est une infirmil que je ne comprends pas que les 


43 * 


676 Mayen. 


eausz de Bourbon puissent guerir: oü va-t-on prendre que 
des eauz qui ne font qu’ouvrir, soient propres ü rajuster et 
a resserrer ce qui est reldche et insensible? Enfin, ma fille, 
voilä un mal des plus ertraordinaires: je plains M. de la 
Trousse plus qu’il ne me plaindroit.“ 

Nach den Anforderungen des ceremoniöfen Zeitalters ſchickte 
bie Sevigne einftens ihren Kammerdiener aus, nach bes Herren 
Vetters Befinden zu fragen, und fchreibt fie von ſolcher Ges 
fandtfchaft, A. Januar 1690: „Beaulieu a et chez M. de la 
Trousse de ma part; il me mande quil prit son temps; que 
ses gens lui dirent qu'il n’avoit qu'â entrer, mais qu’@ la 
porte il entendit quil disoit: „„Qu'il n’entre pas, qu'on lui 
dise que je remercie madame de Sevigne de son compliment,““ 
et fut renvoye. Ma fille, tout ce qui dit Beaulieu lä-dessus, 
Iui qui est bien regu par-tout, a qui lon demande en detail 
de mes nouvelles ; comme il est offense, comme il est en co- 
lere, comme il dit-que c'est le Saint-Esprit qui le rend 
glorieur; mais qu’il ne falloit donc pas envoyer tous ces ınu- 
lets et tout son train dans notre &curie pour y meltre le feu, 
comme chez M. de la Rochefoucauld ; tout ce qu'il écrit lä- 
dessus est la plus plaisanie et la plus naturelle chose du 
monde, et l’a tellement grippe, que je ne sais point du tout 
comme se porte M. de la Trousse.“ Der viel Befprodene ift 
im Det. 1691 zu Paris verſtorben, die einzige Tochter, Maria 
Henriette Te Hardi hinterlaffend. rau auf Erepoil und Liſy⸗ 
fur-Durg, war fie feit 16. Febr. 1684 an Amadeus Alfons dal 
Pozzo, Prinz von Eifterna und Marcheſe von Voghera, auf 
Ober⸗-Jäger- und Falfenmeifter an dem Hofe von Turin verheu- 
rathet. Das Marquifat Ia Trouffe fiel an einen Better, des 
Namens le Harbi. 

Des Marquis de la Trouffe thut nicht minder ausdrüdfiche 
Erwähnung Kurfürft Karl Kaspar in feinem an den Kaifer gerich— 
teten Klagefchreiben, d. d. Ehrenbreitftein, 27, Aug. 1673: „Ewer 
Kayferlihen Majeftät gebe fernerweit unterthänigft klagend zu 
erfennen, welder geftalt die Frantzöſiſche Thätlichfeiten in meinem 
Ersftifft fih je länger je mehr verärgeren, indeme als jüngfthin 
der Marquis de la Trousse ein Städtlein, Mayen genannt, einige 





Pes Aurfürften Karl Kaspar Peſchwerdeſchrift. 877 


Zeit bloquirt gehalten ‚ alfo daß niemand weder ein⸗ noch aus⸗ 
fommen fönnen, felbiges auch folgende formaliter belägert, und 
deme mit Approchen und Minen hart zugefeget; und obwohl bie 
Belägerte fi) dapffer dargegen gewehret, alfo dag, bevorab da 
auch einiger Succurs hineingebradht , fie fo Teichtlich fich deſſen 
wohl nicht würden bemädhtiget haben, dannoch ich, um fernerem 
beforgenden Unheyl vorzufommen, und fothbane Belägerung neben 
anderen Extremitäten zu remediren, endlich gefchehen Laffen, daß 
mit obgemeldtem Marquis auf die Summe ber 11,000 Reichs⸗ 
thaler, welche er yon dreyen Aemtern, als Münfter, Mayen und 
Bergpfleg prätendiret, und worauf er ſchon einige 1000 erpreffet, 
möchte accordiret, und der Neft von gemelter Summe ihme 
nachgetragen werden. Wie aber ich den hierüber aufgefegten 
Accord von ihme Marquis figniret, oder fonft einen Scein, 
wegen bes Empfangs über diefe Gelder haben, er weder ein 
noch das ander eingehen, mithinlich auch die Zahlung nicht thun 
Iaffen wollen, feynd die Frantzoſen, nachdem fie das Städtlein 
Mayen verlaffen, in meine Ersftifftifche Dörffer eingefallen, deren 
verfchiedene an der Mofel und auf dem Lande in Brand gefteret, 
und vielen anderen, wenn fie die Brandfchagung nicht fogleich 
mit Geld, fo fie pro lubitu fordern, Lößen und abfauffen würden, 
ein gleihmäßiges anbedrohet, ja fogar vor meiner hiefigen Stadt 
ein Dorff eingeäfchert; dergleichen thätliche Feinbfeligfeiten nun 
forbers immer mehr und mehr augenblidiich zu befahren habe, 
und was hierüber aud meiner Hauptſtadt Trier zugemuthet und 
anbedrohet worden, gibt der Einfluß mit mehrerem zu ver- 
nehmen. Mit weitern Specialitäten mag Ewer Kayferl. Mas 
jeftät ich vor diesmals ferners nicht moleft feyn ; dann, mit einem 
Wort, in meinem unfchuldigen Erpftifft fo gehaufet und verfahren 
wird, als wann ihnen bdaffelbe preiß gegeben, und es mit ber 
Eron Frandreih in offener Feindſchafft flünde, da doc bisher 
mich immer in einer auffridhtigen Neutralität conferviret, und 
berofelben bie geringfte befugte Urſach nicht gegeben, fie zwar aud 
verſchiedentlich mir ein anders finceriren, ein wibriges aber im 
Were erweißen Taffen, alfo, daß bey deffen Verfolg und aus⸗— 
bleibender Hülffe mir und meinem Ersftifft die äußerſte Ruin 





678 Mayen. 


und Deſolation unvermeidlich bevorſtehet, mithin auch alle die 
Mittel zu Beſtreitung meiner eigenen Defenſion, und Unter⸗ 
haltung derer auf den Beinen habender Mannſchafft zumalen 
entgehen.“ | 

Neue Schrediniffe und Leiden brachte der Krieg von 1688. 
Den Sommer hindurch hatte Mayen den Obrift-Tieutenant Pons 
celet und die ihm beigegebene Grenadiereompagnie zum Schuß. 
Sie wurde feboch, als Das Ungewitter über Coblenz fi entladen 
zu wollen ſchien, abgerufen, und der Kurfürft begnügte fi) mit 
einer Adreſſe an die Bürger von Mayen, 2. Det. 1688, worin fie 
aufgefordert, zu einer ftandhaften Vertheidigung ſich zu rüften, es 
wurde ihnen aud) das erforderliche Pulver aus den Magazinen 
von Ehrenbreitftein geliefert: vermuthlich war bie Pulvermühle, 
beren das Rathsprotokoll von 1597 gedenft, eingegangen. Bouff« 
lers, der franzöfifhe General, fiheint aber von den Mayenern 
feine fonderlihen Anftrengungen beforgt zu haben, forderte viel- 
mehr von ihnen am 4. Nov., den Tag vor feinem Abzug von 
Coblenz, außer einer bedeutenden Contribution, bie Lieferung von 
700 Malter Hafer, 250 Wagen Heu und 100 Kühen. Dieſes 
meldete der Stabtrath dem Kurfürften, zugleich eine Befagung, der 
Stadt zum Schuß, ſich erbittend. Daß er dieſe nicht gewähren fönne, 
beffagte Johann Hugo in feinem Antwortfchreiben vom 6. Nov., 
dagegen gab er den Rath, die beiten Habfeligfeiten in die Wäl« 
der zu flüdhten. In einem fpätern Schreiben, vom 10. Januar 
1689 drüdt er den Wunfch aus, daß man, größeres Unglüd zu 
verhüten, von Seiten der Stabt mit den franzöfifchen Generalen 
um Entrichtung einer Contribution fich vergleichen möge. 

„Die franzöfifchen Generale Montal und Labretefche hatten 
1689 mit 10,000 Mann die Stadt Cochem umringet, welche mit 
6 Compagnien Maynsifher und 3 Compagnien Trierifher Sol⸗ 
daten an Befagung verfehben ware, und ob auch würdlich dieſe 
nad) getöbteten 2000 Mann Franzoſen vier Stürm abgeſchlagen 
hatten, fo gelunge es Doch den Franzoſen, daß fie den 26. Jug. 
des Abends um 5 Uhren unter continuirlihem Bombardiren und 
Canoniren, nebft Beflürmung an drey Orten die Stabt eroberten. 
Diefe ruckten hierauf nad verfchiedenen ‚in Brand geftediten 


Ein Tagebuch aus Cochem. 679 


adelichen Schlößer, als Pirmont, Ele, Kempenih und denen 
Städtlein Monreal und Kayfersefh, zum zweytenmal gegen Die 
Stadt Mayen. Die große Macht der Sranzofen fehend, ganz 
gar Feine Beihülff zu hoffend, von dem Cochemer Bepfpiel abs 
gefchredet, auf die Zufag der Franzoſen gehend, eröffneten bie _ 
Bürger mithin dem nichts Leids zufügen wollenden Feind bie 
Stadtthoren; die Franzofen waren kaum eingelaffen, fo haben 
jelbige, doc) ohne Morden und Blutvergießen, die Stadt geplün- 
dert und in Brand geſteckt, jedannoch wurde das noch nicht in 
Brand geratbene hernächſt wieder gelöfchet.” Alfo Tautet der 
yon dem Amt Mayen aufgeftellte Bericht, von dem jedoch bes 
deutend abweicht eine gleichzeitige Relation, die zwar eigentlich 
die Drangfale der Stadt Cochem befchreibt, die aber nebenbei den 
Zuftand der ganzen Provinz in feiner Troftfofigfeit ſchildert, und 
namentlich den Beweis führet, daß während dem Bombardement 
von Coblenz Mayen fi in den Händen der Franzofen befand, 
und nur für eine furze Zeit, um den 21. Mai 1689, von ihnen 
geräumt wurde. 

„Den 9. Novembris ahn der Nacht feind 11 Reuther in 
bie Stadt fommen von Montroyal, habende ordre yon Monsieur 
Montal, daß alhie uf Monsieur de Saxis warten follten, fo 
biefen Abend mit 30 Dragonern und ungefähr AO Mousquetire, 
oder morgen gleich frühe ahnkommen folle. 

„Der Offizie, fo Bei den Neuthern gewefen, ift mit 3 andern 
Dragonern in den Engel gewiefen worden, Bei Hrn. Gerharts 
Heinrih A Reuther, und Hang Michel Hölzebein 3 Reuther. 

„NB. Hr Burgermeifter hat die 32 Dragoner behalten, in- 
halts, daß deren Zehrung vom Ampt gleich zahlt und Durch 
hiefigen Commandanten darzu angehalten werben follte, 

„Den 10, Ibris find die eingegebene Wirthszettel in curia 
in Beifein Hrn. Amtsyerwalters überfchlagen und taxirt worden, 
ut in fine agnoscat. 

„Eodem Domini Maass et Schwang a Montroyal reverst, 
cum misso, quod solummodo commendanti aliquid discretionis 
per mensem deberemus praestare et si contra ageretur, pelüt 
desuper notificalionem, cum promissione inevitabilis uon solum 


680 Mlanen, 


emendationis et correctionis erga personam etiam propriam, 
sed etiam realis executionis, Hierauf hatt: der commandant 
tanquam furia in die umb das Schloß herumb ftehende ſtadtliche 
Apfel» und Birnbäume saevirt, der Schaden tft nach eingenom- 
menem Augenfchein ad minimum taxirt ad 1000 Rthlr. 

„Sreitag 12, Ibris feind ahn Monsieur de Roussillon, 
Comissarium ihm Lager vor Koblenz per Dominum Petrum 
Driesch per Discretion, womit etwas ahn Haber und Hew nad 
gelaffen, überfchict worden, 215 Rthlr. plus fünfzig, welche burg 
die hernachfolgende zahlt worden. It. 2 Rthlr. Zehrgeld, 

Died 2. — 

Sriderih 2.6 — 

Hr. Franeif. Bin. . A — 

Johannes Cochembs . 12 — 
worunter per A Thlr. uehrige ahn gemeine Gulden, Noch hat 
berfelbe erlegt 2 Rthlr. Iſt alles wenige Tage hernach resti- 
tuirt worden, AB. Bon Herren Einnehmer Wirz folle dieſes Gelt 
ex communi collecta restituirt werden, 

„NB. Der Clottner und Pommerer Berg famdt 2: Fuder 
Wein find darauf frei geblieben, die Stadt aber mehr nicht als 
wegen bes Hew frei gelaffen, fo in der Stadt consumirt. 

„INotandum. Daß alle Tage ahn Frohneren aus der Stadt 
a primo ingressu bei 30 Dann hergeben müfjen, 

„Eodem. Philipfe Eornirig Leyededern, welcher uf Monts 
royal 14 Tag gearbeitet, durch feinen Vater Hauperichen ablöfen 
laffen auf 14 Tag. 

„Den 13. Ibris ift Monsieur de Saxis Lieutinant de Roy ans 
kommen mit 100 Dragonern, und hat in curia mit allen Officiren 
gefpeifet magnis sumptibus solius civitatis. Die Pferd find ein« 
quartirt worden, 

„Item find oben herab fommen von Montroyal 114 Gra- 
nadir, welde alle in der Stadt einquartirt worden, fo alle fols 
genden Tages nacher Mayen marchirt. Neben dem Koft und 
Zranf viel Gelt erpreſt vi et metu, 

„Rod circa decimam de nocte {1 Dragoner noch 50 mus- 
quelir. volento jamer quando finieris. 





Ein Tagebuch aus Cochem. 88 


„Den 14. Hr. Baumeifler und Commissarius yon Monsieur 
Intendent de la Goupilliere anfommen mit A5 Mann, wie aud 
bie Artillerie mit Hew und Haber ingens sumunt ad 103 Pferd. 

„Den 15. die völlige Schiffung zur Brüd mit ungezähltem 
Volk anfommen. 

„Eodem find gefommen 6 Oſſicire mit 50 Dragonern, welche 
in Stadt und Burgfrieden einquartirt worden. 

‚„Notandum. Der Schaden, fo einem bier, dem andern da 
ihn Abhauung der Baum unter dem Schloß, in specie Hrn. Driefch 
gefhehen, muß fünftig considerirt werden , abfonderlich, weil 
man dem Hrn. Commandanten die praetendirte Gelder nit 
mehr ahnfchaffen wollen. 

„Den 16. find 8 Bothen, welche A Tage ausgebließen, über 
Kop und Hals abgeſchickt worden. 

„ven 17. abermalen 2 Bothen naher Mayen und Belds 
heim auf den Hunderüd zu Monsieur de Boufller. 

„Zur Armee vor Koblenz benebent dem Hew und Haber pro 
quota civitatis auf 700 Mitt. Haber und 250 Wagen Hew, 
20 Fuder Wein, 

„Die vier Fuder Wein haben hergegeben 
33 Rthlr. Hr. Servatius Welfh Scabinus 1 Fud. de 1686, 
3 vv nn Dil - 2 0 en. 1 m de 1683, 
3 „ „ Singer. «2 . 4 um de 1686, 
16 „ „ Karl Jacob Shen . . 1 „ de 168. 

„Diefe A Fuder Wein müflen von der Stadt und dem 
Burgfrieden Fünftig der Billigfeit nad) zahlt werben, 

„Den 17. 9bris abermahlen nebft den vorigen 112 Rthlr. 
per Drum Driefh et Neuß abgeihidt worden = 100 Rift. 

„Den 19. 9bris ift Monsieur de Saxis mit 53 Dragonern 
dahier anfommen, und find einquartirt, auch mit Koft und Tranf 
benebſt 5 Offieire fampt Knechten verfehen worden, 

„Den 20. Morgens nad genofnem Frühftüd in curia wies 
derumb abmarfchiert. 

„Den 21. Ibris von Diayen ahnkommen ein Marfchal de 
Logis mit 17 Pferd, ein tresorier, ein &eutinant mit 5 Pfer« 
den fambt Knechten, fo einguartirt und dem Burgfrieden mehr 





68% Mayen. 


nicht dan der Marechal de Logis, ein Dragoner und der Both 
zugetheilt, vom Rath aber die Fourage fo viel das kurze Fuder 
ahnlangt, herbeigebracht worden. 

„Eodem ahn Doppelhacken uf das Schloß, 8 von Meſſing, 
fo fauber und fein, Item von Eifen 25 Stüd. Ahn Bettungen 


fampt allem Zugehör uf das Schloß hergeben 25 und noch ferner. 


den 23. hujus 12, 

„Den 24. Iris 1688 hat Hr. Amtsverwalter befohlen 

in consideratione höchſter Noth Holz vor alhiefige Wachten zu 

führen und den 26, zu liefern. 

| Greimersburg . . 2 Wagen, 

Landfern . . 

.e Mh .... 

Riff -. » 

Sambud . » .» 

Zettingen . . 

Bradtendorf . . 

Kaiffenheim . . - 

Drieden und Rail. 


Summa 15 Wagen. 
„as ahm 26. hujus ein unter Herr Obriften und zur Zeit 
Commandanten zu Koblenz Hr. von Hartingshaufen eigenhändi- 
ger subscription und ordentlihem nfiegel gefertigtes Befelch 


WW ma eh OD aD je 
S 


[dd 


naher Mayen vermittelfi Ueberfchrift gefchidt per expressum | 


nihillominus ignotum rusticum, ahn Hrn, Amtsverwaltern und 
Magiftrat übermadht und in curia praesentirt worden, des 
Inhalts daß ahn Hew und Haber,, Strohefaden und Matrazen 
fihere Quantität nad) gedachtes Koblenz intra Sduum zu liefern, 


und dieſes unter Straf ohnausbleiblicher militairı[her Execu- | 


tion , welches Befelch gleich wie es unmöglicd) wegen der Guar- 
nison zur perfection einzurichten. Alfo auch bie äußerſte un 
vermeidliche Noth angefehen, wollen von ſothanem Befeld den 
Amtsvorſtehern apertur zu thun, womit nicht ungewarneter Sade 
vielleicht mit Dem Leib oder ahn ihren Güthern betroheter Maßen 
molestirt und befhädigt werden mögten. Unter diefem nupn if 
dem bdabhiefigen Commandanten etwas Nachricht zugefommen, 


Ein Tagebuch aus Cochem. 683 


welches alfo longe in Erfahrung gebracht, hat man erwähnten 
'Commandanten ebenfalls apertur darvon gethan, welcher bei 
deſſen Erffärung cum notabili furore erumpebat, c’est une affaire 
pendable, und wan es verfehlet bliebe, follte man feines Falle 
nicht verfichert geweien feyn, hatte auch ſothanes Ausfchreiben 
fogleih ahn Monsieur de Montal per expressum uf Montroyal 
ſchicken, cum comminatione, follte fid fein Unterthan gelüften 
Iaffen ehtwas herzugeben, bie auff ordre wohlg. Hr. Grafen und 
Generals von Montal. In idem H. S. Schwang, Staptfihreiber. 

„Donnerftag den 2, Abris feind A Compagnien Dragoner 
mit A Capitains, 7 Lieutinants, andere Ober und unter Officiere 
zu gefchweigen, ahnkommen und mit quartier verfehen worden. 
Gott weiß den Abzug und Ausgang. 

„Den A. hujus iſt ordre von Worms von Monsieur In- 

tendant la Goupilliere auf eine Summa yon 32,000 itemer alfo 
genannter Contribution fprechend angekommen, und darauf ahn 
Monsieur le comte de Montal Gouverneur uff Montroyal per 
| deputatos Dominum Welſch et pruetorem ex Bruttig Dominum 
Pauly , die Ohnmöglichfeit zu remonstriren,, zugleih um Vers 
haltungsbefehl zu bitten, uff und Die Commission ahngetragen 
worden. 

„Den 6. hujus ift abermahlen ordre von Montroyal avisirt, 
inhalts deren täglich 800 rationes ahn Haber, 800 Pfd. Fleiſch, 
800 rationes Hew incessement liefern follten, weswegen Dominus 
Praefectus den vorigen zwey Herrn nad) marschirt, um wegen 
augenblidlihen VBerderbens den Bortrag zu thun und pro reme- 
diatione hei Monsieur de Gresillemont Commissario de guerre 
iu sollicitiren. 

„Mittwoch den 15. Xbris iſt Monsieur le comte de Mon- 
tal mit einer großen suite ahnhero kommen, welcher auf dem 
Schloß vor Seine Perfon blieben, die übrige Dfficire aber fampt 
den Dragonern find in bie Stadt verlegt und einguartirt worben. 
Wohlged. Hr. General de Montal brachte Fönigliche Ordres mit, 
deren Inhalts auf jeden Capitaine täglih 6 libr. Ochſen⸗, 
Rind» oder Schweinefleifh, dahn taglich 6 qr. Wein und Loco 
servicen 20 Alb. ein Lieutinant A Pfd. Fleiſch, A art. Wein, 


684 Hagen. 


412 Alb. ein marchal de Logis oder Quartirmadher 2 Pſd. 
Fleiſch, 2 qrt. Wein, 5 Alb. an Geld gegeben werben fole, 
wobei gleichwohl den Dfficirer die option geftattet worden, ent 
weder Die rationes in natura oder Geld darvor zu nehmen. 
Auf jeden Dragoner, deren 144, auf jeden täglich 1 Pfd. Fleiſch, 
dann 1 Duart Wein; Freitags oder Samſtags aber ſtatt des 
Fleiſches 2 Albus Gelb. 
An Hauptleuhe . A thun 24 rationes 
„ Lieutinant,. . 7 „ 28 „ \ Sunma 60 rationes. Ä 
„ Marchal de Logis4 „ 8 Vêñ | 
.„Hierauf hat man auf 8 Täg müffen zahlen 213 Rtihlr. | 
und weilen uff die ander 8 Tag eben fo viel extorquiren wollen, | 
iſt die Unmöglichkeit durch mich und Hrn. Petern Driefch dem 
Hrn. de Gresillemont, Conmissaire de querre remonstrirt und 
demnechſt durch wohlg. Hrn. de Gresillemont ordinirt worben, 
daß über die königliche ordre nicht ſchreiten follten. Ueber bieß 
ift heute den 24, Xbris de novo mit den Officiren von ben 
Dragonern nachfolgender Maßen tractirt worden, | 
„And zwar haben auf 14 verfloffener Tag müflen einfchließs 
Yich mit den 213 Rthlr. dieſes per avance erlegt werden, noch 
ferner abftatten 187 Rthlr. Summa Summarum 400 Rthir. Und 
fünftig vor die Dfficire täglich 15 Rthlr. Bor Die abmefenden Ä 
Dragoner quotidie 2 Rthlr., fecit per mensem 465 Rthlr. | 
„Nota. Anno 1689 circa 2°” Januarii. Als Monsieur de | 
la Fosse Capitain de Dragons und respect. Commandant dahier 
anfommen, hat derfelbe mit obigem accort nicht wollen zufrieden 
feyn, fondern hat man noch ferner auf jedweden Dragoner drei 
Sols, fo täglich belauft ad 7 Rthlr., tractiren müffen, und find 
albereits zahlt worden 919 Rthlr. und etliche Albus. Das von . 
Monsieur la Goupilliere Intendant yon Mainz ung angewiefene 
Bourgognifche Regiment hat bereits vom 20. Ybris bis den 1. 
currentis ahn fladt Ustensilien 3000 Rthlr. empfangen. Dies 
Regiment ift unfer meiftes Verberben. Die Contribution belauft 
fih, fo Monsieur Machir yon Quzenburg ausgefchrieben, ad 
32,000 livres, zu Rthlr. zehntaufend fehshundert fechzig und - 
ſechs 36 Albus. Die Mainzer Deputation hat gefoftet 50 Rthlr. 


\ 


Ein Bagebad; une Cochem. 685 


28 Alb, vermöge Quittung. Deputati fuerunt Messieurs Maas 
und Welfh Scabinus. Ferner zu wiflfen, daß Hr. Einnehmer 
Wirz nebft all obigem auch auf Licht und Ohlig von einem ehr 
famben Rath und dem Ampt ahngemwiefen worden, uti computus 
docebit. | 

„Anno quo supra ben 21. Januarii feind Hr. Schwang und 
Driefch nachher Coblenz umb Geld zu entlehnen zwar deputirt, 
auch genugfamb vom Magistratu vervollmächtigt, fogar au von 
Ihro Churfl. Sn, ſchriftlich applacidirt, aber re infecta zurüde 
unter allerhand gefuchten praetexten remittirt worben. 

„Eodem ift Hr. Servatius Welfh in Zuftand Hrn. Carls 
Casparn Armbruſters Schultheiffen zu Luzerath nacher Luzen⸗ 
burg zum Intendanten de Machir wegen bes Bourgogniſchen 
Regiments und deren ohnbeibringlichen Gehalts deputirt worden, 

„Sampftags den 29. kujus tft eine uberauß harte Betrohung 
von Monsieur de Machir de dato Trier den 24, currentis 
Herrn Ampisverwaltern per expressum zugekommen, deren 
Inhalts. die ahndiktirte Contribution ohngefaumbt einliefern, 
widrigenfalls gewertig fein, daß vier Compagnien Dragoner 
ahnhero commendirt werden, und mehrere Eoften und Schaden 
verurfachen. folten, als die Contribution belauffen würde. Item 
ift austrucklich darinnen vermeldet, daß die Vornehmbſte auff ben 
Aushleibungsfall mitfchleppen und nacher Lüzenburg en Prison 
führen follten. Gott feye vnſer Herzenleidt geclagt, und wolle 
ſolches vätterliche vermittelen. 

„Dienftags den 21, Febr. Re infecta ratione compositionis 
von ben Hrn. Offiziren de Dragons wegen deren Pension abs 
geſchieden. | 

„Eodem feind 2 Capitain mit AO Pferden von Bonn ahn⸗ 
lommen, welche mit Koft und Tranf nebft der Fourage fampt 
der Convoy von Mayen ad 12 Mann von der Stadt verpflegt 
worden, - Das Hew tft ex loco Hrn. Amtöverwaltern una cum 
avena subministrirt worden. 

. „Den 3. Febr. ift Hr. Einnehmer Wirtz naher Trier vers 
teift, umb einen Ahnfang zu machen wegen Liefferung der Con- 
tribution. 


686 Mayen. 


„Eodem ſeind die Churfürſtl. Wein und Früchten in großer 
Quantität dahier per commisarium yon Monsieur de Gresille- 
mont Comnissaire de guerres abgeſchickt, eingeſchifft und wegen 
deren Menge der 4. und 5. Tag diefes Monats dahezu em- 
ployirt worden, | 

„Notandum. Hac occasione hat Monsieur de Gresillemont 
ben Zulaft de Anno 1684, einen herrlihen Drunf, welchen Statt 
und Ampt per AO Rthlr. erhandelet und von Stattfchreibern 
erfauft, mit einfchiffen und vberbringen laßen. Iſt zahlt worden 
durch Hr. Einnehmer Ebentheurer den 23, Febr. vermöge Quit- 
- tung. Hr. Amptsverwalter hat ebenmäßig einen achtziger Zulafl 
Cafeler Wein vor Monsieur de Montal hergeben per 37 Rihlr. 
fo auch mit abgeführt worden. 

„Den 3, Febr. hat man den Dragoner Officiren zahlen 
müffen 558 Rthlr. 

„Den 7. hujus ifi der maior Monsieur de Barre yon den 
Bourgognifchen fambt 3 Capitain und 8 Pferden mit Knechten 
anfommen, und haben auf Hinterfiand exequirt ad 1227 Rthlr. 
welche auch incessement ahngefchafft werden muften. Monsieur 
la Fosse Commandant mutuavit 400 Rthlr. Nota. Diefe 400 
Rthlr. find restituirt. 

„Den 8. hujus if der Grand Preuost yon Lüzenburg mit 
8 Dragonern anfommen welche in continenti Hrn. Amptever: 
waltern und Stabtvogten bie Gefangenfchaft ahngeſagt, und das 
Haus mit Wachten beftellt, folgenden Tages 9. in der Frühe 
biefe beiden Herren fampt dem Vogt von Clotten mit nader 
Lüzenburg hinweg gefchleypt. Gott wolle. deren Entlaſſung 
maluriren. 

„Den 11, hujus iſt Servatius Welfch gerichtlich uffs nen Stadt 
und Ampts wegen nacher Montroyal geritten, umb daheſelbſten 
bei der Generalitaet submissime zu bitten, Daß wegen deß ver- 
berblichen Bourgognifchen Regiments Linderung gedeihe; ahnbei - 
biefige Hr. Dfficire commendirt werden möchten, weilen feine 
Fourage mehr in Natura, fondern ahn Geld bezahlt haben. 
wollen, daß mit der ahngemwiefenen Fourage ſich befriedigen 
follen laſſen. 





Ein Tagebuch aus Cochem. 687 


„Den 12. hujus hatt man per expressum nacher Hoff den 
elenden Zuftand eaptivorum und der Stadt und Amts Beträngs 
niß fohriftlic) denuntürt, auch nachmahlen fußfäligft umb eine 
erträgliche Summe Geldes angeftanden, ift aber fo wenig ahn 
Geld, als zur wieder Ahntwort ertheilt worden. 

„Den 20. Febr. feind Hr. Commandant la Fosse, Capitain 
de Zibier und übrigen Offtciren in Abfchlag des Monats Februar 
zahlt worden 400 Rthlr. durch Herrn Einnehmer Wirz und 
Ebentheurer in Zuftandt Hr. Bürgermeifters und Maaſen. 

„kodem iſt concludirt und in Senatu befchloffen worden, 
bag zu völliger Auszahlung der DOfficire, wie aud der aug- 
mentation halber die Brandihag noch einmahl zur Halbfchied 
oder wenigfteng pro tertia gehoben und zu obigem Endt employirt 
werden folle, in curia ut supru. 

„Mittwochs den 23. Februar ift der wohlehrwürdige Pater 
Benedictus vom Ballwiger Berg mit Hr, Zollbefeher Matheifen 
Burdart naher Andernach umb Geld zu Zahlung der Contri- 

bution zu entlehnen mit Vollmacht abgeſchickt worden, 
| „Eodem in hunc finem 9. Petrus Driefh mit einem Bothen 
naher Maynz zu Monsieur la Goupilliere, abfonderlich aber wegen 
des Bourgognifchen verderblihen Regiments deputirt worden. 
,„Kodem find mit Ordre von Monsieur le comte de Montal 
angefommen 2 Lieutinant, 2 Marchal de Logis mit 27 Dras 
gonern, welche mit Quartier verfehen worden. 

„Dienftags den 2, Marti Hr. Matthias Burdart Zollbeſeher 
in Zuftandt Hr. Schwangen. naher Andernach verreift, umb die 
Sad wegen bei dafigem Hr. Befeher Caspar Paffrath entlehnter 
thanfendt Thlr. richtig zu machen, wie dann darauf Hrn, Creditori 
obligatio onterm gröferem Statt- und des Burgfriedens⸗Gerichts⸗ 
fiegel nebft Unterfchreibung E. E. Raths Frau Ampte-Berwalterin 
und Vogtin in absentia dero Eheherren Erml. Burgfriedeng 
Scheffen fampt deren Ampts-Deputirten und Ausfchüffen, extra- 
hirt und gegen Empfang eines Wechfelbrieffes auff 1000 Rthlr. 
fprechendt , welcher auf Montroyal zahlt und auff Ahnweifung 
Hrn. Commissarii de la Parre belegt werden folle, zugeflellt 
worben. | 


688 Mayen. 


„Samſtag den 5. Aujus nacher Lüzenburg deputirt worden 
zu Monsieur de Machir Intendant daheſelbſten, wegen des 
Bourgogniſchen Regiments, Hr. Petrus Drieſch, redux ex Maynz 
und Montropal. 

„Eodem nacher Montroyal den Wechſel zu empfangen ab⸗ 
geſandt worden Unterſchriebener, als welcher zu erwehntem An⸗ 
dernach den advis Brieff abgehohlt, zugleich auch Commission 
in scriptis von Monsieur de la Parre empfangen unferer der 
Statt: und Ampts Gefangener halber, geftalten dahedurch deren 
Entlaßung zu poussiren. Deus del suam gratiam maxime wegen 
des Letzteren. Die Einthaufendt Rthlr. feind in 240 Species 
Piftoletten dur) Monsieur Le Villier Commissaire general de 
Vivres in Traben zahlt, und Hr. Petern Driefh in praesentia 
Hr. Kirzers junioris, in continenti mit nadyer Trier ahn Mon- 


sieur Tresorier gegeben worden geftalten in ferneren Abichlag 


fothbane 240 Piſtolen fo ausmachen 1000 Rthlr. zu zahlen und 
Quittung darüber zu begehren. Montroyal ben 8. Martii 1689. 
In fidem Schwang, Stabtfihreiber. 

„Den 22. hujus ift Hr. Servatins Welſch Scabinus wies 
berumb zurüf von Montroyal fommen, mit Bertröftung , daß 
durch Vorfchreibfung und recommendation Monsieur le comie de 
Montal die ustensiles wegen ber Bourgognier folle guthgemacht 
werben, und hat demnächſt Monsieur Driefch feine Reif nader 
Trier mit dem Contribution-Geld ad thaufendt 200 Rthlr. forts 
gefegt, von danen derſelbe nader Rüzenburg reiten und nechſt 
Borzeigung der Quittance und daß beinahe auszahlt, darthun 
wird, womit die gefangene Herrn dermahleins liberirt und in 
vorige Freiheit gefett werben mögten. 

„Eodem circa actam pomeridianam feind abnfommen 1 
Obriſt-Lieutinant, nahmens Monsieur de Belnau, 8 Capitain, 
19 Lieutinant , 12 Sergeanten,, ahn gemeinen Knechten 450 
Mann, fo alle mit Koft und Trank verpflegt worden. 

„Den 26. hujus hatt der Obrifter von dieſer Bataillion aus 
bößer nachbahrlicher Ahnftiftung,, und in specie alß wann ber 
Stattfchreiber wegen nit in aller frühe gefommener Karren fo 
ammunition naher Mayen führen follten, faumig und bie Bes 





Ein Tagebuch aus Eodem, : | 689 


fürderung ihm Ampt zu thun follten, fo aber falfchlich ahngeges 
ben worden, 17 Mann. mit Einem Sergeunten dergeftalt furios 
ahngewieſen, daß biefelben mit ihme auff Discretion leben und 
ebendter nit abweichen folten, bi dahin die begehrten Karren 
und Wagen ahn der Hand. Wan heifchet auff Discretion leben, 
daß alles ihm Haug in Stüder gefchlagen, die Türen mit Pal⸗ 
liſaden aufgelauffen, die Einwohner übel tractirt, der Brodt⸗ 
fhanf ausgeleert, der Schorenftein gefeget, der Wein mit großen 
Bütten aus dem Keller getragen, bie fchönen Senftern zerfchlagen, 
in Summa all bafienige gethan werden muß, waß fothanen 
tafendten Commendirten ahnftendig, dan fan ber Stattfchreiber 
von Discretion jagen, aber verzeibe Gott dem böfen Nachbar 
und Deftiffter, der Schad wird verhoffentlicd von Statt und Ampt 
eonsiderirt und gutbgemadt werden. 

„Den 25. biefes feind abermahlen ahnfommen 2 Compaq. 
Reuther beftehbend in 2 Capit. 2 Lieut. 2 Marchal de Logis, 
ahn gemeinen Soldaten und Reitern 80 Man. Diefe feind alle 
auß Befelch Hr. Generals le comte de Montal einquartirt und 
yor den erſten Abend mit Koft, Trank und Fourage verfehen 
worden. 

„Notandum. Diefe 2 Compagnien haben zwar follen aus 
bem Ampt Zell fournirt werden, dieſem gleihwohl ohnerachtet 
hatt die Bürgerfchaft Eoft und Trank ahnſchaffen müffen und 
if weiter aus gedachtem Ampt Zell nichts als die Fourage hers 
gebracht worden. 

Den 26, hujus feind beide Hrn. Schöffen Welfh und Schwang 
nach Montroyal deputirt worden, geftallten bey daßigem Hrn. 
Gubernatoren wegen der ahn das Bourgognifche Regiment zahl- 
ter und noch einmahl von Monsieur de Machir forberendter 
ustensiles Clag und Bitt zu thun, wie dan barauf alle Vers 
tröftung erhalten und demnechſt mit Monsieur de Barre Major 
dudit Regiment general Rechnung gepflogen, und allen Hinters 
Hand außzahlt mit 4327 Rhtlr., worauf man mit guthem Ber- 
fHändnuß und daß dieſe vnbeibringlidhe Summe’ Geldes ferner 
nicht zahlt werben Joh, wohlgetröftet abgefchieden. 


Rhein. Antiquarius, 3. Abth. 2. Bd, AA 


a 


: 690 Mayen. 


„Notandum. Das Leiden iſt mehr als gemein ihm Landie, 
worvon Hr. Servatius Welfh Schöffen dieſes Ordts, unter ans 
deren auch Häglich reden fann, dan als dem tobendten Mam- 
millon in feine abfchmadte praetensionen ahn Geld in con- 
tinenti nicht gefolgen wollen, und die Zahlung in etwa re- 
tardirt ausblieben, haben deſſen unterm Schloß noch geftandene 
und ubrige ftattliche Obftbäume herhalten und abgehauen werben 
müffen, dergleichen Inſolenz weniger nicht ahn deme ahn ben 
Schloßberg floßendten Weingarten in Abhawung der Stode vnd 
Hinwegnehmung der Pfähle verübet. 

„Den 11. Aprilis ift von Mayen arrivirt 1 Capitain, 
2 Lieutinant, 2 Sergeanten mit 50 gemeinen Knechten und 
einem Tambour, fo alle verlogirt und verpflegt worden. 

„Den 18, hujus ift Monsieur de Saxis Lieutinant de Roy 
albier anfommen mit 50 Mauernbredern und Minirern fampt 
einem Capitain Doniack genannt, welche den folgenden Tag 
ahngefangen das Haus Cochem und die Winnenburg zu miniren, 
und ift der Saxis darauf naher Mayen, desgleichen daſelbſten 
ahnzurichten, abmarfhirt, mit denen 50 Minirern aber ift man 
Hund übel darahn geweien, und haben von der Stadt Wein 
vber Wein nebft dem verorbneten Fleifch erzwungen und gewalts 
thätig abgenommen, deffen Hr. Burgermeifter Shauften in feinem 
Keller gewahr worden. 

„Den 20. dito ift der grand Prevot yon Tüzenburg bahier 
mit 9 Padahn zu Pferd gefommen, derſelb hat ongewöhnlide 
executiones wegen restirendten Contributions-Geldern in ber 
Statt verübt, mit Häufereinfchlagen und die einwohnenden Buͤr⸗ 
ger vbel zu fractiren. Diefer ift 5 ganzer Tag magnis sumpti- 
bus civitatis mit Berfagung fehler aller Heren und gemeiner 
Bürger bahier geblieben und bei ber Burgerichaft das Gelb, 
welches nicht die Statt, fondern das Ambt ſchuldig, gewalithätiger 
oberzäblter Weiße erpreßt. 

„Den 27. hujus ift Mousieur de Visae chevalier und Lieufi- 
nant Colonel mit einem Major, A Capitain, 8 Lieutinant vndi 
210 gemeinen Soldaten von Montroyal ankommen, und zwar 
immitten der Nacht zwifchen 12 und Einer Uhr, diefe find den 


Ein Tagebuch aus Cochem. 694 


barauf folgenden Tag in die Stadt und Burgfrieden repartirt 
vnd mit nöthigem logement vorlauffig verfehen worden, mit ber 
Sinquartirung aber ohne Ehen und Trinfen wahre benfelben 
nicht geholfen, obſchon Monsieur de Montal in ber mitgebrachter 
ordre ausdruͤcklich befohlen, man folle weiter nichts als daß 
bloſſe Vffdach und Lager verichaffen, dahero einige Bürger und 
Bürgerinnen elendig zerfchlagen und vbel gehalten worben , bis 
dahin diefe furiosen begüthigt. 

„Eodem Abendts zwifchen neun und zehn Bhren if Ein 
Offieir mit acht‘ Reuthern von Mayen mit Brieffen ahn Hr. 
Commandant de Visac ankommen, diefe feind mit Nachtslager 
und ferneren Benöthigungen verfehen worden. 

„Den 29. Aprilis feind abermahlen anfommen 1 Lieutinant 
vndt acht Reuther mit Brieffen von Mayen ond hatt man per 
ordre a Monsieur de Visac diefelben accommodiren müffen. 
D Gott wahn fehen wir arme troflloße vnd verlaflene Cochemer 
diefes Herzenleids ein Ende? Zur Rettung Hr. Stattvogtenf, 
alß welcher in die zwölfte Woch zu Lüzenburg wegen nicht aus⸗ 
jahlter Contribution vffgehalten und wegen deß Ampts nicht 
relaxirt werden wollen , ift ahnheuth attestatum yon Hr. Eins 
nehmern und Monsieur la Fosse Commandanten la A, vorher⸗ 
benanten Compagnie Dragener ges vnd unterfährieben, vigore 
deſſelben remonstrirt vnd ahn Monsieur de Machir deutlich dar⸗ 
gethan worden, daß derſelbe billig zu relaxiren vnd ihn ſeine 
vorige Freyheit zu ſtellen ſeye. Der liebe Gott gebe, daß dieſes 
Intentum erreichen vnd zu fernerer franzöfifchen Zxaction nicht 
gelangen möge. Die Statt Cocheme vbell dahrahn wahr alß 
man zahlte daß 1689. Jahr. Gott gebe Seinen Segen barzu, 
daß man gefegt moge werden in guthbe Ruhe — Amen. 

„Den 3. Maji ao. quo retro ift Hr. Obrifter Lieutinant 
de Pelnaw dahier mit 450 Musquetiren, nachdeme bie Mauern 
zu Mayen barnieder gelegt, ankommen, biefelben hat man mit 
Coſt und Trank verfehen müffen. 

„Nota. Obgg. Hr. Obrift. Lieut. hat coram plurimis, oſſi- 
ciantibus publice protestirt gegen den actum folder auß Ahnftif- 
tung feiner gewefener Rathin zum Schwarz . . .. alß naher Mayen 


44 * 


69% | Mayen. 


marschiren ſollen, gegen den Stattſchreiber verübt worden, mit 
Bermelden follten fih den Schaden zahlen laſſen, wäre ihme 
leidt dag alfo betrogen und belogen worben. 

„Den A. May circa meridiem mit denen Schiffen, fo bie 
Mobilia, Stück vnd andere Saden vom Hauß oder Schloß 
Cochem geladen, 2 Compagnien por eine Convoy nad Montroyal 
marchirt, bie obrigen aber in ber Stadt verblieben. 

„Den 8. hujus. Den 16. dito feind die A Compagnier 
Dragoner abmarchirt, undt denfelben Abendt Monsieur de Saxis 
Lieutinant de Roy mit 50 Reuthern, dan 70 Musquetiren 
ahngelangt. 

„Eodem gegen ben Abendt dad Schloß Winnenburg ahn 
den Himmel gehenckt uhd jämerlich verbrannt worden, nachdeme 
daß die Minen allererft ahngezündtet, diefes Spectacul ware grau⸗ 
fam in der Nacht abnzufehen und folte man vermeint haben bie 
Höll fündte offen. 

„Den 17. hujus feind bie 50 Reutper ‘mit Monsieur de 
Saxis, und Monsieur Donſchakt von Winnendburg abmarchirt, 
bie Fußgänger aber umbilfetirt worden. 

„Eodem Monsieur Damian vnd Hr. Gobelius praevia ci- 
tatione off Montroyal zu Monseigneur de Montal verſchickt worden. 

„Den 18. reversi cum Misso 20 Wagen, dan 150 Frohner 
incessement bei Straff plündern und’ brennen naher Montroyal 
zu fenden, 

„Freitags den 19. dito if Monsieur de Saxis Lieutinant 
de Roy mit 150 Reuthern, dan 100 Musquetire und fehr vielen 
Officiren zurüd und anfommen derſelbe hat ordre mitgebracht, 
bie Execution mit dem Schloß vnd fonften vorzunehmen, daher 
dan circa 5” et 6%" pomeridianam gefampte Dfficire vff dag 
Schloß Cochem gangen undt bei hellem Sonnenfchein daffelbe 
dem Vaulcano aufgeopfert, wohlerwogen, eine fo graufambe 
Fewersbrunft erwedt, daß leider Gottes nicht ohne wehe thun 
und Zähren Vergießung die Ruin diefes Haufes ahnzufehen ges 
weſen, und was bie heiße und überaus große Flamme nicht 
verzehrt, haben die ahn 10 big 12 Ohrten gelegie Minen zu 
Grund gerichtet, und gleichfalls zu einem Steinhaufen und ödter 


Ein Tagebuch aus | Cochem. 695 


Wüften assimilirt, dieſes Fewr hatt big in den 3ten Tag conti- 
nuirt vndt ohne Vnterlaß auffgefreffen, was zu erreichen geweſen. 

„Sambftag den 21. dito ift der Mordtbrenner de Saxis mit 
feiner Schergen rotte die Mofel nauf marchirt, und hat bem Haufe 
Beilftein und andern dergleichen mehr ben Rest geben, tworunter 
auch das Mesenhaufifche zu Neff zu zeblen. 

„Eodem ift Monsieur de Visac chevalier mit allen fran= 
söfifchen Truppen in folher guther Ordnung abgezogen, daß die 
Einwohner fih nicht gnugfamb auff diefes Hrn, guthes Verftänd- 
niß verwunderen fünnen, in Consideration fein Hahn gefrebet, 
noch die geringfte Vngelegenheit verübet. Wohlg. Hr. de Fisac 
hat, ordre hinterlaffen, die 3 vornehmbfte, nämlich bie Marting, 
Endert und Bachgaſſer Pforte außzumerfen, welches dan aud 
Nachmittags gleich bewürcket und mehreres Vnheyll zu verhüthen, 
fothaner ordre parition geleiftet worden. Was nun dießer guth⸗ 
licher Abzuc unter der fo lange Zeit hart geprefter Burgerfchaft 
vor eine Frewdt verurſachet, ein folches ftelle einem jeden bee 
trüäbten und fo viellen Monathen beängftigt und gequälten Ges 
mürh und Herzen ahnheimb,, nicht zweifelnd,, jedermann werde 
ſich mit benfelben und vor fie erfrewen. Dem Allerhöchſten 
Barmherzigen Gott feye vor dieße Erlößung vnendlicher ewiger 
Dand und wolle vnß vor einem foldhen Tyranniſchen Joch Fünfs 
tig vätterlichft behüthen und verwahren. Amen. 

„Sonntags den -22, hujus ift Hr. Obrifter Chizzola vom 
Loͤblichen Gräfflihen Mar Starenbergiſchen Regiment, als wels 
des zu Philippsburg einlogirt gewefen, umd zehn nacheinander 
folgenden Jahren daſelbſt geftanden, mit etlichen Compagnien 
Churtrierifchen Bölfern zufammen ad 1200 wohl mundirt und 
bewehrter Mann anfommen und nad etlichen flundigem campiren 
unterhalb der Statt off den Wießen eingezogen vnd vmbillettirt 
worden. 

„Dienftag den 23. Maji feind beide Deputirte Welſch und 
Schwang von Ihro Gräf. und Churfürft. Gn. mit ordre von Hr. 
Graffen de Wallis General Feldmarchal Lieutinant, anfommen, 
eraft deren Die Guarnison fiehen bleiben vnd mit Obdach und Servis 
verſehen werben folle, als Holz, Salz, Licht, Pfeffer und Effig. 





694 Mayen. 


„Mittwochs den 1. Juni feind Ihro Excellene Hr. Gene- 
ral Feld Marchal Baron de Wallis, mit verfchiedenen Hr. Ca- 
vallieren von Hoff, ſampt dem Lieutinant von der Churtrieri- 
fchen Reutherei und act Einfpenigern dahier anfommen vnd 
vbernacht mit allen Nothwendigfeiten verfehen worden, Hochwohlg. 
Geine Excellenz feind nachdehme die Poften visitirt vnd ſonſten 
verfehen wahren, wie uff den benöthigten Kal dem Feind zu 
begegnen, den folgenden darauf zu Wafler wiederumb nader 
Koblenz gefahren, die Pferde aber zu Landt hinunter gehen laſſen. 

„Berordnung, wohin ein jeder Rothmeifter bei entftebendem 
Alların fich. hin zu verfügen, und mit unterhabendter Burgerfcaft 
zu advigiliren. Ehriftian Hölzer: Endertöpfort; Jan Peter Hey: 
Endertpfort 5; Hilgert Schenf: Hauptwacht; Auguftinus Neuß: 
Cannelgaß; Philipp Marr: Cannelgaß; Hans Peter Eonradi: 
Löhrgaß; Sotthart Henrichs: Kerngaß; Hand Georg Georgi: 
Kloſter; Hand Dietrich Beumer: Klofer; Hans Michel Hülzen⸗ 
bein: Hauptwacht. 

„Mittwochs den 15. Juni ift Herr Jacobus Schnabelins 
Stadtvogt feiner lang gnug gethauert und gewehrter Lüzenburger 
franzöftfher Gefangenfchaft dermalen eins entlaffen, dahier Gott 
Lob wiederumb glüdlih anfommen vnd were zu wünfchen,, daf 
bie Ampts Bürgermeifter ebenfalß relaxirt vnd in ihre vorige 
Freyheit geflellt weren. 

„Rahmen der fernern Officire des Hr. Graffen Mar 
Starenbergifchen Regiments, vnd deren darauß dahier verlegier 
Compagnie : Hr. Baron. Zeniner Compagnie als Capitain, Hr, 
Hauptmann Brudart, Hr. Hauptmann Jacqui, Hr. Hauptmann 
Seignali, Hr. Capitain vnd Regiments Quartirm. Wallenbed, Hr. 
Capitain Mosburg, Hr.. Lieutinant vnd respeet. Wachtmeifter 
Lieuti. Angermann, Hr. Capitain Blavin, Hr. Baron Sobek 
Regiments Secretaer, Hr. Capitain Carl. Churtrierifche Herrn 
Officire: Hr. Obrift- Lieutinant Poncellet, Hr. Hauptınaun 
Greffenih, Hr. Hauptmann de Wentz, Hr. Hauptmann Pouvois, 
Hr. Lieutinans Meelbaum, Hr. Lieutinant Pouvois, Hr. Fendirich 
von Wenz, Hr. Fendtrich Longen, Hr. Fendtrid) von Monsieur 
Pouvois, Hr. Lieutinant Türk von Poncelet, 





Ein Tagebuch aus Cochem. 695 


„Anno quo retro ahm erſten Julii if} ber Hr. Obriſter vnd 
Freiherr de Chizzola mit all feinen dahier gehabten Officiren 
vnd Soldaten per ordre Ihro Durchlaucht dep Hrn. Herzugen 
von Lothringen dahier abmurchirt, vndt ift Die Plaz wiederumb 
bergeftalt hauffig und vberflüßig erfegt worden, daß man fehler 
fein Außfommeng erfeben Fünnen, wohlerwogen. Erſtlich vor 
den Regiments Stab, ihn einem Obriften Wachtmeifter, Agtg 
Quartiermeifter, Capellan, Wachtmeiſter, Rieutinant, Secretario, 
Proviantmeifter, Wagenmeifter, 3 Schallmeyen vnd einem Regi- 
ments Tambour beftehbend, Quartier gezogen werden, Item bie 
Leib-Compagnie, beftebend in 137 Köpfen, worunter mit gezehlt 
onter Commando Hr. Cap. Wazebriff, ein Lieutinant, ein Haupt 
mann, ein Fendtrich, Feldwebel, Führer, Fuhriere, Mufterfchrbr., 
Feldfehrbr., 6 Corporals, A Fuhrier Schügen, A Spielleuth, ad 
22 Perfohnen, It. Hr. Obriften Araiczgaga Compagnie beftehend 
in 136 Köpfen, nemblich 114 Gemeine, Bbrige zur prima plana 
gehörig. Ft. Hr. Capitain Sulzbach Compagnie ad 135 Köpf, 
worunter bie prima plana mitgezehlt. It. Hr. Kapitein Krebs 
Compagnie ad 136 Köpffe. Diefer hat bei der Belagerung gezeigt, 
daß er ein Krebs, fo eben fo bald hinter ald vorwärts gehet, 
dan er feinen Poften vff dem Schloß verlaffen wie ein Schelm 
ber erfle, et sic capta arx cum civitate. It. Hr. Hauptmann 
Kollbarg Compag. 136 Köpff. Notandum. Bon Hr. Capitain 
Krebfen Compagnie find zu der dem jungen Hergogen von Loth 
ringen. zuftehbender Compagnie ad 136 Köpff, 92 Köpf in ben 
Burgfrieden verlogiert worden fambt einem Capitain vnd Fendt⸗ 
rich von felbiger Compagnie, vbrige 42 Mann cum Lieutinantio 
in die Stadt einquartirt. Summa 816 Köpf nebenft dem Stab. 
Gott helfe ferner. . 

„In diefen Monath haben die Morbibrenner von Mont» 
soyal das Gotteshaus Marienburg verbrennt, vnd ber Stabt 
Zei ihre Thurnpforte ond Mauern zu Grunde gerichtet, vnd fie 
beren beraubet. Der guthe Gott behüthe vor fernerem Schaden. 

„In perpetuam rei memoriam. Anno millesimo sescen- 
tesimo octuagesimo nono, vigesima quinta Augusti, a Marquis 
de Pouffleur Generali Lieutinantio, civitas Cochemiensis proh 





696 WMahen. 


dolor, quatuordecim millibus seleclorum dragonum, equifum 
ac peditum vlsessa, altera, vigesima sesta nempe, subsecuta 
die, circa 3" pomeridianam, vi ac armala manu, repulso primi 
diei impeiu, occupaia, cives maciati, Cuesareani cum Tre- 
virensibus non aliter ac canes trucidati, qui nihilominus Duce 
Barone Craiz, fortiter et ut generosi reslitlere milites plu- 
rimosque hostium interfecere, inter quos colonelli duo, capitanei . 
in numero octo, Lieutinanti et signiferi plurimi, per quam 
‚siragem ad insaniam fere redactus Generalis praememoralus, . 
omnis generis nequilias, insolentias, et ul verius loquar 
Tyranni crudelitates exerceri mandavit, mulieres quippe eliam 
honestissimae violatae, quaedam etiam” quamvis gravidae ei 
partui proximae, gladio interfeciae, virgines cum ingentibus 
clamoribus defloratae, et inaudilo modo deperdilae, parvuli 
mactati, Religiosi vestibus eruti, nudi captivi ducti, tandem 
occisi, templa profanata, altaria polluta, sacrae reliquiae pe- 
dibus conculcalae, Venerabile dishonoratum, Sacra hostia in 
terram projecta confractaque, cranium sancti Martini Paro- 
chialis nostrae Ecclesiae Palroni, cum argenteo, cus inclusum, 
pectore, ublatum, ornamenta reliqua potiori ex parte in 
Gallias avecta, sepulchra spe praedae aperta, molestati mortui, 
tota civitas denique spoliata, depraedata igneque lotaliter non 
secus ac Sodoma et Gomorra, consumpta,' summa, omnes quos 
ercogitari poluerunt extremilales, aclae executaeque, ito ut a 
condito orbe vir ullus adeo deperdilus locus. Paucis elapsis 
diebus, ipsa scilicet Nativitatis Beatissimae Virginis Mariae, 
reversi praedatores, et quod religquum ezstitit, abstulerunt, 
una cum campanis e regione sili er medielate combusti pagi, 
Condt dieti, equis nauvigiis, ut eo major existeret per- 
ditio, auzerunt, quae ultlima spolia miseros spoliatos magis, 
quam priora damna cruciarunt. Quod vero inter kaec omnia 
durissimum, Jecit captivitas ad ertremas miserias redaetorum 
civium, quorum uliqui in Monte Regali permanserunt, caeteri 
in numero undecim cum captivis militibus in Gallias, dein 
usque Challons civitatem ditionis Champagnien, ad satiandos 
offensi hostis animos abducti, et in vituperium toti mundo 
quasi praesenlati, in qua miserabili conditione huo usque cum 





Ein Sagebu aus Cochem, 697 


omissione plurimorum mililum nec non oclo civium, qui in 
Domino obierunt, miseri perstilerunt in pane et aqua viventes. 
Talis miseria non solum inaudita, sed sanguineis deploranda 
lachrymis. Vindex omnium iniquitatum Deus, misereatur 
nostri, defunctorumque recordetur in miserscordia et misera- 
tionibus suis infinitis. Amen. Tandem facta pax Deo sint 
daudes Anne 1697.“ 

Endlich doch aus dem untern Eraftift weichend, hoben die 
Sranzofen aller Orten Beifel aus. Bon Mayen entführten fie 
die beiden ältefien Scheffen, welche zu befreien, 2000 Rthlr. 
nach Montroyal geliefert werden mußten. . Weil auch die fhwere, 
der Stadt auferlegte Eontribution nicht fofort aufzubringen, fam 
ein flarfes Executionscommando, und mit ihm eine ganze Reihe 
von Pladereien, Erpreffungen und Gewaltthätigfeiten. in 
Bürger wurde erichoffen. Unter dem 16. März 1700 bewilligte 
der Kurfürft die Erhebung einer Heinen Aceife, von deren Er- 
trag die Thürme und Stadtmauern auszubeffern. Diefe, wohl 
auch das Schloß und das Rathhaus, die Mitte bes heutigen 
Marftplapes einnehmend, Tagen theilweife, feit dem J. 1689 in 
Ruinen. Der fpanifhe Erbfolgefrieg brachte der Stadt nicht 
minder ſchwere Einbuße. Der Schaden, durch Raub und Brand 
von 1700 bis 1714 ihr angethan, wurde, das abgebrannte Schloß 
und die befchädigten Stadtmauern ungerechnet, zu 138,173 Rthlr. 
53 Albus 6 Heller gewürdigt. Minder hart wurde fie burch ben 
Krieg von 1734 betroffen, wiewohl die Verpflegung von Freund 
und Feind, Lieferungen und Plünderung der Stadt und den mit- 
Ieidenden Dörfern Kürrendberg und Reudelſterz, 18,379 Gulden 
55 fr. fofteten, unabhängig der 5634 Rthlr. 51 Stüber, welche 
man zu erborgen genöthigt, von denen jedoch vermöge Furfürft« 
lichen Befehls den Forenfen 1250 Rthlr. zur Laſt fielen. Einzig 
bie Servicegelder für den Föniglich polnifchen und Furfächfifchen 
Generalstieutenant, Zreiheren Chriftian Auguft von riefen be= 
rugen für wenige Tage die Summe von 1467 Gulden 46 fr. 
Befagter General „mufle im J. 1735 dag Commando über die 
Sächſiſchen Auxiliar-Trouppen über fid) nehmen, die zu ber 
Reihsarmee ſtoßen und wider die Franzoſen am Rheinſtrom 





698 Mayen. 


dienen ſollten. Ob es nun wohl zu feiner Haupt⸗Action daſelbſt 


kam, fo war es doch ein ſehr beſchwerlicher Feldzug. Im Oct. | 


wohnte er unter dem Grafen von Seckendorff der Expedition an 
der Salm bey, die aber wenig auf fih hatte,” Laut eines gleich⸗ 
zeitigen Berzeichniffes hat man in den J. 1734 und 1735 zu 
Mayen gefehen Franzofen und Dentfche, Eontingente von Bader 
born, Dortmund, Walde, Bamberg, Kurfachfen, die Faiferlichen 
Büraffier-Regimenter des Landgrafen von Heffen« Darmftadt, 
Nr. 6, und des Infanten Dom Emanuel von Portugal , biefes 
jegt Dragoner, Nr. 1, die illyrifchen Hufaren ic. Es wurde 
auch in der Nähe von Mayen, zwifchen Ober⸗ und Niedermendig 
ein Gefecht geliefert, worin die Franzofen, von Niedermendig 
ausgehend, die Deftreicher zurüddrängten, ihnen mehre Leute 
töbteten, und Gefangene machten. Am 17. Det. 1794 wurde 
Mayen von den Vortruppen der franzöfifhen Sambre-et- Meuse- 
Armee befegt, und mag der hiermit eintretenden neuen Aera bie 
Schilderung eines Zuftandes, welchen der Amtsverwalter, Hr. 
- Karl Kaspar Meefen im 3. 1784 beſchrieb, vorausgehen, famt 
einigen Worten über des Amtsverwalters zwei Rinder. Im J. 
1767 oder 1768 an einem fehönen Sommertage faß ein Mädchen, 
fhöner nod als der Tag, die Schwefter des etwan 1820 ver⸗ 
fiorbenen Mayener Friedensrichters Meefen (Bruder und Schwer 
ſter follen ganz Feine Aehnlichkeit mit einander gehabt haben) 
zu Wehlen, wo ber gepriefene Wein wählt, am Zenfter und 
ſtrickte, ſehr emſig, wie es ſcheint. Denn die holde Striderin 
gewahrte nicht, wie ringsum ein furchtbares Ungewitter fich aufs 
thürmte, und erwachte nicht aus ihrer Träumerei, bis über einem 
Donnerfchlag fonder Gleichen Haus und Stube erbebten. Gie 
wollte fi erheben, um das Fenſter zu ſchließen, und in dem 
Augenblick fiel ein Blisfiral dem Mädchen in das Halstuch. Er 
umfränzte mit feurigem Baden , was der Engländer, eben nit 
melodiſch, the paps nennt, und wag ich für jest, in gewohnter 
Ehrbarkeit ebenfo nennen will, feste Bann unaufhaltfam feinen 
Weg fort, . fchmelzte das Metal an dem Schnürriemen — ber 
geneigte Lefer wolle hierbei bebenfen, daß die Schnürbruft 
in der Regel nicht auf dem Rüden gefchnärt wurde, wie bad 


Pie lebten Beiten der TSrieriſchen Herrſchaſt. 699 


“ fhon dur ihren Namen angedeutet — ſchmelzte bie metallenen 
Schloßchen an den Kniebändern, die filbernen Schuhfchnallen, 
um letzlich fpurlos unter dem Stuhl fich zu verlieren. Weiteres 
Uebel, als das befprocdhene, wurde durch den verliebten Blitz 
nicht angerichtet. So nannte ihn nämlich das Tiebende, ober, 
nad) Napoleons Definition, das unbefchäftigte Zeitalter, vielerlei 
Witze mußte jedoch um feinetwillen zeitlebens die Heimgefuchte 
erbulden. , 

„Hiefige Stadt,” fchreibt Meefen der Vater, „biefige Stadt 
liegt an dem Fluß Nett, ihre Angränzere find die Herrſchaft 
Büresheim, die -Waldungen Peterswald und Ramersbach, bas 
Kichhfpiel Langenfeld, die Herrfchaft Birnendburg , die Amtsorte 
Berresheim, Allenz , Haufen, Betzing, Eottenheim, Ettringen, 
und der Büresheimifhe Drt St. Johann. Die Stadt Mayen 
hatte vor Zeiten einen guten Weinwachs, deswegen eine Wein⸗ 
gartenzunft ; die fernere Anpflanzung bes Weins iſt aber wegen 
ben Anfangs dieſes Jahrhunderts eingefallenen Sröften und ers 
frornen Stöden gänzlich unterblieben. Man fagt, das decima- 
torifche Stift ad St Florinum hätte vor Alters 20 Fuder Wein⸗ 
zehnten allhier gezogen. 

„Das Land ift zu Erziehung aller Früchten bequem — der 
Kleebau wird anjego nicht auſſer Acht gelaſſen — hat einen fürs 
trefflichen Heuwachs, die Stadt Lieget fehr angenehm an dem 
Buße des Bergs, worauf das fogenannte Eurfürftliche Schloß 
Sümmeren ftebet ; ift berühmt wegen benen Mühlenftein, welche 
weit und breit verführet werden. Die Tuffftein werden bei Gretz 
und Plaidt, woraus der Traß gemacht wird, die Grauftein für . 
die Gewölber bei Mayen, Cottenheim und Ettringen gegraben, 
bie Barkofenflein bei Weiberen und Bell, alle in der Gegend bei 
Laach herum, gebrodhen: in diefen beflehet in Mayen der meifte 
Handel. Bor Alters waren auch in hiefiger Gegend Erzgruben;z 
bie Anzeigen davon befinden fich noch im Mayener Wald bei dem 
Schloß Büresheim, bie Schmelz ſcheinet an der Nette, wo man 
nad Ettringen zugehet, geflanden zu haben, 

„Die Stadt hat einen Stabtfehultheiß, fieben Scheffen und 
einen Gerichtsfchreiberen ; bas Gericht wird wochentlich alle Frey⸗ 


700 Mayen. 


tags gehalten, wo die actus voluntariue et contentiosae juris- 
dictionis verhandelt werden. In contentiosis hat es mit dem 
Amt, und eben fo in denen Ortfchaften Eürrenberg, Reidelfter;, 
Berresheim, Allenz, Kerig, Boos und Nachtsheim concurrentem 
jurisdictionem. In eriminalibus betragt fih das Stadtgericht 
nach der gnädigfien Verordnung de ao. 1773. Es ift zwar ein 
Nachrichter dahier, befchäftigt fi aber mit dem Wafenthum, und 
giebt jährlichs 18 Alor. Pfacht auf hiefige Kellerey. Der Stabt- 
ſchultheiß, Gerichtfchreiber und Scheffen werden von Ihro Ehurf. 
Durchl. angefegt, nachdem vorher hiefiges Stabtgericht nach Ab- 
gang eines Sceffen in Zeit 6 Wochen drey taugliche Subjecta 
ber Regierung per majora präfentiret. Zu Berwaltung ber 
Polizey gehören ferner zu diefen fieben Scheffen fieben Raths⸗ 
herren und der Stadtfchreiber — ed wird monatlich ein Raths⸗ 
tag gehalten — flirbt ein Rathsherr, fo präfentiren die Zünften 
aus denen Burgern drey Perfonen, von welchen der Rath einen 
per majora erwählet. Der Amtmann bat zwey Stimmen zu 
geben, wann er gegenwärtig ift, wo nicht, fo hat er weder bey 
der Scheffenpräfentation, noch in Erwählung ber Rathsherren 
eine Stimme, wohl aber ziehet der Amtmann von einem Raths⸗ 
herren und jedem neu anfommenden Scheffen 10 Rthlr. 

„Die Burgerfchaft bat ihren Hauptmann, Wachtmeifter, 
Lieutenant, Fendrih, Corporal, Gefreitere und Tambour. Die 
Stadt bat 402 numerirte Wohnhäufer ; die ganzen Chen, Witt 
männer und Wittmeiber beftunden ao. 1782 in 431, deren 
ordentlichen Zünften find neun, als erſtens die Wöllenweberzunft, 
fo die ältefte, auch die Burgerfchaftsbrief in Verwahr hat. Zu 
diefer gehören auch die Strumpfweber, welche 1783 den 1. Zul. 
nad erhaltenen gnädigften Zunftarticulen derſelben einverleibet 
worden. 2) Die Hammerzunft, in welcher eingefchloffen Schmibt, 
Schioffer, Zimmerleut, Wagner, Leyendeder, Jaßbinder, Hafner 
und Weißpinter. 3) Die Steinhauerzunft, in welcher die Stein⸗ 
bauer zu Ober- und Niedermendig, nad) denen gnädigften Conelusis 
de 21. Mai 1778, 23. Sept. und 21. Det. 1779, 15. Mai 1781, 
18, April 1782, 25. Januar und 24. Mat 1783 einverleibet. 
Berner gehören hierzu Schreiner und Maurermeifter. 4) Die 


Die lebten Beiten der Trieriſchen Herrſchaft. 7041 


Schuhmacherzunft; in ſelbiger ſind Weißgerber, Seiler und Satt⸗ 
ler eingeſchloſſen. 5) Die Schneiderzunft. 6) Die Metzgerzunft, 
deren Artikelsbrief vom J. 1558. Sie hat auf hieſigen dreyen Jahr⸗ 
märkten den ſogenannten Unterkauf; dieſer beſtehet vom Pferd 
3 Alb., von einem Ochſen 3 Alb., von einer Kuhe 2 Alb., von 
einer Geiß 1 Alb. und von einem s. v. Schwein 1 Alb., welches 
die Mebgerzunft für diefen inftehenden Laurmarft 1784 dem 
Mebgermeifter Peter Rüb für 18 Gulden Rheinifch, als mehreft 
Bietenden verfleigert, wo er aber 3 Tag vor dem Marfttag 
reufauffig würde, der Mepgerzunft zwey Viertel Wein zu ent⸗ 
richten babe. 

„U Die Leineweberzunft. Dieſe iſt entſtanden, als die Wein⸗ 
gartszunft abgelommen iſt, da feine Weinberg mehr angepflanzet 
worden. Dieſe hat der Leineweberzunft den heiligen Papft Ur- 
banum zu Berehrung mit noch dreyen vorhandenen Meflen gen 
Engelen übergeben, daß fie jährlich das hohe Amt halten, und 
das jährliche Geleucht unterhalten folle.” Indeſſen batirt der 
Leineweber Erneuerungsrolle von den Jahren 1644 und 1651. 
„8) Die Bäderzunft. 9) Die Zunft der Aderleute, Diefer neun 
Zünften: hat jegliche zwey Zunftmeiftere, zufammen 18, und präs 
fentiren die 18, wenn ein Rathsherr abgehet, drey taugliche 
Subjecta hiefigem Stadtrath, welcher dann einen neuen Raths⸗ 
herr aus felbigen per majora erwählet. — Welcher Burger auf 
Dftermontag den Vogel ſchießet, erlanget die Perfonalfreyheit, 
und befommt von der Schügen-Bruderfchaft des h. Sebastian 
einen neuen Hut. In hieſiger Stadt find. noch zwey Zünften, 
als die Lauer: und Hutmacherzunft, welche aber zu der Präfen« 
tation eines Rathsherren nicht in Befisftand fein Das Burger: 
geld ift ohnlängft von 10 bis auf 20 Rthlr. erhöhet worben. 
Der Amtsyerwalter ift, da die Amtleut nicht mehr allhier ihren 
Sig haben, vermöge Refeript vom 18. Sept. 1773 zu Mitbes 
forgung der Polizey angewiefen worden. 

„Die berrfchaftlichen Hoffeut feynd folgende, ale des Herren 
yon Eltz⸗Rübenach, Grafen von der Ley, Deutfhherren, Klofter 
Marienftatt und hiefiges Stift; deren übrigen forensium Güter 
werben übergangen, weilen folde fhier alle 10-20 Jahr abs 


708 Maoyien. 


wechſeln. Ferner ſind auch kurfürſtliche Hofleut allhier, welche 
aber alle verburgert. Freyherr von Eltz⸗Rübenach hat ein frey⸗ 
adliches Haus in der Stadt, hat auch daneben mehre bürgerliche 
Güter an ſich gebracht, nämlich des Doctor Langen verfallenes 
Haus und Bongart in der Döppengaflen, das Glotzen Haus in 
ber Göbelögaffen, fo nunmehro ein Garten und zu dem adelichen 
Garten gezogen, endlich die Einfahrt, oder das Pfortenhaus zu 
dem Efsifchen Hof. 

„Die Stadt Mayen hat die fhönfte Waldungen, und haben 
in der Länge 2, in dem Umfang aber 6 Stund. In denſelben 
feynd beredhtiget hiefige Burgerfchaft, vermög Policeyorbnung 
‚de ao 1556, wo folgendes enthalten: Es folle ſich auch ein 
gemeine Burgerfchaft der Wälder zu gebraudhen Macht haben, 
mit allem Weidgang, Eder und Behölzigung zu allen Zeiten zu 
ihrem Behuf und Bau, auch Bauholz zu hauen, als nemblid 
Buchholz voran bis zu dem Ende aus, dann Stuttig, Alten und 
Neuen Wald und Cbershell, und dieſelbe Ebershell liegt im 
Berbott unferes Gnädigften Herren und der Stadt, und daß 
unferes Gnädigften Herren Kellner in demfelbigen vorgemelten 
Wald, die Eberghell genannt, fol Macht haben zum Bau uns 
jeres Gnädigften Herren Holz zu hauen binnen Mayen, und es 
bat auch der Burgermeifter zu Mayen, fo er der Stabt etwas 
bauen will, Macht, in felbiger Eberghell Bauholz fonder einige 
Einrede von jemand zu hauen; Und fo einige Rugen vorfielen 
oder anbradt, bie in der Eberghell geruget würden, foll der 
Burgermeifter allein mit Hülff deren Scheffen zu firafen Madt 
haben, und in den gemeinen Nugen fehren, und Tieget Buchhelz 
voran bis in den Winfel im Verbott der Stadt Mayen allein, 
beögleishen der Neue und der Alte Wald und der Stuttig Liegen 
im Verbott der Stabt Mayen allein. 

„Einen Jahrmarkt hat Kurfürft Werner der Stadt bewils 
ligt, d. d. Stolzenfels, Freitag nah St. Maria Magdalena 
1405, und allen, welche die Kirch zu Unferer Lieben Frauen 
zu Mayen auf diefen Jahrmarkt befuchen, wann fie wohl 
gebeichtet, A0tägigen Ablag verliehen. Anjeto find ber Jahr⸗ 
märft drey, nemblih zu Halbfaften, den Donnerfiag nad 


z 


Die letzten Seiten der Trieriſchen Herrſchaſt. 703 


St. Laurentü, und Dienſtag nah St, Laux⸗ oder Lucastag 
Cdiefer, von der Nachbarſchaft ſtark befucht, ift berühmt wie ber 
Birnkraut⸗ oder Zwiebelmarkt). Das Standgeld auf dem Halbe 
faftenmarft ziehet biefige KRellnerey, auf den andern zwey Marfte 
tägen die Stadt. Das Vieh, fo unverfauft abgetrieben,, ober. 
von einem Burger aus feinem Stall verkauft wird,, iſt frep, 
feine Accis wird davon bezahlt, Kurfürft Johann von Schönen« 
burg ertheilte den 15. Dec, 1591 biefiger Stadt die Erlaubs 
niß, einen Wochenmarft zu halten, welchem anjego der Dienftag 
beftimmt. Wann ein Fremder mit Waaren baufiren will, hat 
er fih mit Burgermeifteren abzufinden, und zahlt felbiger durch“ 
gehends 6 Alb. Wegen denen Weinen, welche yon der Mofel 
anhero gebracht, wird nur der halbe Zoll bezahlt. Auf biefige 
zwey Churfürfilihe Mahlmühlen ſeynd gebannet Ettringen, Ber⸗ 
resheim, Haufen und Beging, dann der Hof Geisheck. 

„Der allgemeine Zehendherr in biefigem Stabtgeredht und 
eingepfarrten Ortfchaften Cürrenberg, Reudelſterz und Trierifch= 
Nig ift das Stift St. Florin zu Coblenz, wiewohl fid nicht bie 
mindefte Spur findet, wie felbiges zu befagtem Zehenden gelangt 
ſeyn Fönnte. So viel ift gewiß, daß dag Stift St. Florin pastor 
primitivus geweſen und einen Yicarium curatum perpetuum 
alfhier gehabt hat. Nachdem Kurfürft Balduin die Chorherren 
von Lonnig nach Mayen übertragen, auch das Stift St. Florin 
ihnen feine eigenthüämlichen Güter zugewendet, hat es ſich gleich⸗ 
wohlen den Zehendhof mit dem Hauptzehenden, ale Frucht, 
Wein, Heu, vorbehalten. Jeder Burger ift zum Fiſchen in ber 
Ketten, fo weit die Mayener Gerechtigfeit gehet, berechtiget. 
Zur Jagd find beredhtiget das hohe Erzſtift, Hiefiges Stift 
Sa Glementis, dag Haus Büresheim, Graf von der Leyen, Herr 
son Eltz⸗Rubenach, endlich das Haus Virnenburg, ſo viel den 
Mayener Wald betrifft. u 
„Die ſtaͤdtiſche Einfünfte find, ohne was aus dem Holz 
verkauf erföfet werden fönnte, jährlich plus minus ad 1100 Rthlr., 
bie fländige Ausgab plus minus 321 Rthlr., und obwohl bie 
Stadt noch circa 10,000 Rthlr. Schuld hat, welche an jährlichen 
interesse zu 4 pro cento 400 Rthlr. thun, bleiben ihr nichtig 


704 Mayen. 


deſtoweniger jährlich auffländig 379 Rthlr. Hiefiger Stadt wäre 
alfo nichts Dienficher, als wann ein beftändiger,, oder allenfalls 
ein zehnjähriger Nentmeifter angeordnet würde, ber ale Gefälle 
ohne Ausnahme einzunehmen, und dem Amt in conereto im 
Zuftand eines Scheffens, eines Rathsherren und zwey ftäbtifcher 
Deputirten Rechnung abzulegen hätte. Denn da das Burger 
meifteramt unter denen Scheffen, und das Bargemeifteramt unter 
benen Rathsherren fjährlihg umgehet, fo werden die Sachen alſo 
bedecket, daß ein zeitlicher Amtsverwalter mit einem ſcharffeſten 
Aug was der Stadt zum Beten oder Nachtheil geichehet, dermal 
nicht einfeben Tann. | 

„Die Judenſchaft Hat fi zum Nachtheil handeln wollender 
Burgerfchaft in hiefiger Stadt fehr vermehret. ‚Die Juden haben 
das Lebergewicht : will fi ein Handelsmann in biefiger Stadt 
feftfegen, fo Hafen fie den Preis der Waaren doch mit ihrem 
Schaben alfo fallen, daß ber neu angehende entlaufen muf. 
Anjego find in hieftger Stadt neun jüdiſche Hausgeſeſſen und ein 
jüdischer Schulmeifter. Hiefige Stadt, um den ausfchweifenden 
jüdifhen Handel zu dämpfen, hat ſchon ao 1681 und 1697 ger 
klaget, jeynd auch unterfchiebliche conclusa, als den 11. Sept. 
1687 und 26. Nov. 1697 zum Beften der Stadt ergangen, Die 
Sach bat fih 1740 und 1750 zu einem Rechisſtreit angelaffen, 
welcher aber in der Folg liegen blieben. Er gienge aber, nad 
ber Berordnung vom 8. Mai 1781 wiederum an, und if bie 
hierhin zu feiner Endfchaft gediehen. Die Juden find ordents 
liche Handelsleuth, fie verkaufen alle Wanren im Großen und 
Kleinen, und kann fein Chriſt in hiefiger Stadt eine vortheil⸗ 
hafte Handelfchaft treiben.” 

Das Amt Mayen umfaßte, außer ber Stadt und den das 
ſelbſt Halb verbürgerten Drtfchaften Kürrenberg, Reudelſterz und 
Nitz, das Amt Kaifersefh mit den Ortfchaften Gammelen, Eul⸗ 
gen, Dünchenheim, Urmersbad , das Amt Monreal, Kicchfpiel 
Masburg mit den Ortſchaften Hauroth, Bermel, Müllenbach und 
Laubach, die Landeshoheit über die Gräflih Leyiſchen Dörfer 
Calenborn und Eppenberg, das Kirchſpiel Langenfeld, die Fleine 
Pellenz, worin Derresheim, Allenz, Kerig, Boos und Nachtsheim 





Easton und Mairie Mayen. - 705 


gelegen, die große Pellenz mit ihren 14 Dörfern, die Herrfchaft 
Kempenich. 

Mit dem J. 1798 wurden die alten Behörden außer Thätig⸗ 
Seit gefegt, Mayen gab feitdem einer Cantonalverwaltung ben 
Namen, die nah ihrem ganzen Organismus eine höchſt unbes 
huͤlfliche Einrichtung, deshalb auch, wie allerwärts, gleich beim 
Eutftehen der Eonfularherrihaft, dem Spftem der Mairien weichen 
mußte. Der Kanton Mayen, fortan nur mehr eine gerichtliche 
Einheit, zerfiel in die Mairien Mayen und St. Johann. Daß 
viel zu ausgedehnt jene von Mayen, indem ihr, außer ber 
Stabt, das Städtchen Monreal und die Dörfer Alfenz, Haufen, 
Rottenheim, Kürrenberg und Reudelfterz zugetheilt, wurde febr 
bald bemerft, allein man hatte für fie einen ausgezeichneten 
Berwalter ermittelt, daneben empfand bie revolutionaire frans 
zöfifche Regierung eine grenzenlofe Scheu für Berrüdung ein» 
mal angenommener adminiftrativen Grenzen. Wie verwidelt 
und fcheinbar unbequem auch die Begrenzung des Niederrhein 
bepartements gegen jenes bed Dounersberges, des Mofeldepartes 
ments gegen Donnersberg und Saar, des Wälderdepartements 
gegen das Saardepartement,, der Niedermaas gegen das Roers 
Departement, niemand wollte daran rütteln, in Betradht der 
mancdherlei, aus der Wandelbarkeit der adminiftrativen Scheide⸗ 
linien hervorgehenden Nadhtheile. Hirigegen werden dieſe Nach⸗ 
theife häufig von conjervativen Regierungen überfehen, vermuth⸗ 
Jih weil irgend ein auffirebender Auscultator oder Referendar 
die Entdbedung gemacht bat, daß nicht wohlfeiler zu der Re⸗ 
putation eines tiefen Denkers, eines vollendeten Adminiftrators 
zu gelangen, als in dem unaufhörlichen Zerren und Mädeln 
an Einrichtungen, in welche fich zu fchiden, die Verwalteten 
eben angefangen haben. Diefes ereignete ſich namentlich mit 
den 90 Mairien bes vormaligen Rhein» und Mofelvepatte- 
ments, bie, obgleich durch eine fünfzehnjährige Erfahrung ge— 
präft, famt und fonders 1816 umgefchmolzen wurden, wobei 
man der bereits viel zu ausgedehnten Mairie Mayen noch die 
halbe, ungeheuere Mairie Birnenburg hinzufügte. Glücklicher— 
weife ereignete ſich das zu Gunften des ſchon oben nad) Verdienſt 


Rhein, Antiquarius, 3. Abth. 2. Bd. 45 


706 Mayen. 


gerühmten Verwalters, ber demnächſt auch als Landrath dem 
neu gebildeten Kreiſe Mayen vorſtehen ſollte. 

Als Landrath, und gleich ſehr als Maire hat der ſelige Hartung 
ausgezeichnetes Verdienſt um die Stadt Mayen ſich erworben, 
großentheils durch ihn veranlaßt wurde die Bewegung, welche das 
früher ziemlich todte Städtchen in einen der lebhafteſten, gewerb⸗ 
reichten Drte des Regierungsbezirtes umfchaffen ſollte. Ungemein 
bat der Wohlſtand fi) gehoben, wie das namentlich Durch die 
vielen neuen fchönen Häufer befundet. Auch an bie Umgebung 
bat Hartung eine kunſtgerechte Hand gelegt, zu manchen ges 
ſchmackvollen Anlagen fie benutzt. Was er unternahm, gebieh, 
denn er befaß in feltenem Maaſe die Kunft, mit Menfchen zu 
verkehren, in den Wechfel der Perfonen und ber Zeiten fich zu 
ſchicken. Wie aber dieſe Gefchmeidigfeit den Grundzug feines 
Charakters ausmachte, fo war dagegen feinem Bruder, dem Arzt, 
ein flarrer, origineller Unabhängigfeitsfinn verliehen, der feiner 
Perfönlichkeit eine ganz eigenthümliche Färbung verlieh. Don 
Schlegel und Jahn in dem einen Punkt ein Nebenbuhler, trug er, 
lange vor der Bartepidemie der Gegenwart, einen langen Bart, 
weiß wie der Brahminentalar, der feine regelmäßige Befleidung, 
weißer als ber lederne Mantel, den er in feiner lebten Lebenszeit 
fich zulegen wolfte, um den ganzen Tag unbeweglich, nur Durch ein 
Dach gefihügt, in feinem Garten der freien Quft genießen zu fönnen, 
ohne daß er von einem Windzuge zu leiden habe, Dabei war 
ber Einfiebler vom Hohen Sümmer, wie er fih zu nennen liebte, 
ein ausgemachter Eynifer, frei in feiner Rebe, „qui ne se retenait 
et ne se refusait & rien ‚pour se procurer toute sorte de sou- 
lagement““ (Abth. II. Bd. 2, S. 331), Fürftlih Wied -Neus 
wiebifcher Hofrathb war er weit und breit lediglich unter dieſem 
Amtstitel befannt, etwan wie in America Columbus und Corte 
ausfchlieplic el Almirante, el Marques heißen, eine hohe Auszeich⸗ 
nung, buch eine ganze Reihe von glücklichen Curen verdient. 
Gewiſſermaßen findet fi fogar eine Anerfennung feiner ärztlichen 
Berdienfte in dem Borwurf, zu welchem ein trauernder Sohn fid 
berechtigt glaubte. Es wurde demfelben die Ehre, zu einer Depu⸗ 
tation gezogen zu werben, welche des regierenden Könige Majeftät, 


Das Aioſter Fonnig. 707 


damals noch Kronprinz, gelegentlich einer Moſelfahrt zu begrüßen 
hatte. Des Mannes Namen vernehmend, ſprach der hohe Reiſende, 
„wir ſind Bekannte, haben uns ſchon geſehen.“ Entgegnet der 
Interpellirte: „Königliche Hoheit wollen verzeihen, das iſt mein 
Vater geweſen.“ — „Wo iſt der für jetzt geblieben?“ fragt der 
Prinz. „Ach Gott, der gute Mann iſt nicht mehr.“ — „Wie 
kam denn das?” fragt weiter, Bedauern äußernd, der gnädige 
Fürſt. „Ja, das wiſſen wir ſelber nicht. Er hat ſchon lange 
gekränkelt. Erſt brauchten wir den D. Comes von Cochem, der 
hat drei Jahr an ihm gepfläſtert und es wollt nicht anders mit 
Ähm werden. Dann riefen wir den Hrn. Hofrath hinzu: drei 
Jahr lang hat der gedoctert und es blieb beim Alten, Des 
wurden mir auch müb, ließen den D. Leberforg kommen, ber 
gov ehm ei Pülverche, fort wor.e,” und hat bei diefen Worten 
ber Berichterftatter eine dankbare Rührung zu verbergen nicht 
vermocht. | 

Der Höhe von St. Veit entfitegen, Fehrt der Neifende dem 
- Koblenzer oder -Brüdenthor ein, er beſchaut fi) ben alteribüme 
Iihen Thurm über. dem Thor, der unlängft noch als Gefängniß 
biente, und befindet fih in Mayen, wo zunächſt die Pfarr-, vors 
malige Stiftskirche feine Aufmerkffamfeit in Anſpruch nehmen 
wird, Ihren Urfprung verdankt diefe Kirche dem Kurfürften 
Balduin, ale welcher das Gedeihen von Mayen zu fördern, dahin 
das Klofter Lonnig verlegte. Zu Lonnig, unweit der Drei Tonnen, 
S. 631, bat ein Dienfimann bes Erzbifchofs Adalbero , jener 
Werner, der vermuthlich des Haufes von Gondorf oder von ber 
Leyen Ahnherr, eine ihm eigenthümliche Capelle dem frommen 
Priefter Leutold, und nach deſſen Ableben dem Abt Richard von 
Springiersbad übergeben. Unter des heiligen Abtes treuer 
Pflege erwuchs das befcheidene Capellchen zu einem vollfländigen 
Kiofter , das bedeutend genug, um eines eigenen Vorſtandes zu 
bedürfen. Ein folder war der Propft Folmar, auf befien An- 
fuhen Papſt Innocentius IE. am 17. April 1137 dem Klofter 
Unferer Lieben Frauen zu Lonnig, Auguſtinerordens, die Bes 
fätigung ertheilte. In Betracht vermuthlich der Entfernung hat 
Abt Richard die neue Schöpfung in Tonnig, fo Damals nocd der 


45 * 


j 
| 


708 Mayen. 


| 

| 
Pfarrei Covern unterworfen, in bie Hände des Erzbiſchofs Adal⸗ 
bero refignirt, worauf diefer durch Urkunde vom 22. Det. 1142 ' 
das Klofter vollends conftituirte, auch demfelben das Recht ber 
freien Abtswahl, vorbehaltlich jedoch der Berathung mit dem 
zeitlichen Erzbifchof, verlieh. Ein Jahr fpäter hat Adalbero, 
wie er dem Abt Folmar zu Lonnig den 24. Det. 1143 mittheilt, 
„unfere lieben Töchter zu Lonnig, unter der Regel St. Auguftini 
löblich aufgezogen, um manichfaltiger Nothdurft, die fie daſelbſt | 
ſchädlich gelitten Haben,” nach Schönftatt bei Ballendar (Abth. 111. 
Bd. 1. S. 87—89) verfegt. Es fcheint demnach Lonnig bis 
dahin ein Doppelkloſter gewefen zu fein. Dur Bulle vom | 
13. Febr. 1147 beflätigte Papſt Eugen HIT. dem Abt Folmar 
von Lonnig feines Klofters Befigungen, den Hof in Mendig und 
das Gut zu Minfelfeld mit der Capelle. Im J. 1180 einigte ſich 
Abt Wichmann von Lonnig, der bereits 1156 und 1163 vor 
fommt, von wegen einer Befigung zu Winningen , welche bem 
rechtmäßigen Eigenthümer, dem Liebfrauenftift zu Aachen, ‚minus 
legitime““ vorenthalten worden. Am 27. Januar 1218 erlaffen 
die Gebrüder Heinrich und Ernſt von Virnenburg, beide Ritter, 
dem Klofter die Berbindlichfeit, dreimal im Jahr ihr Hofgeding 
zu Kerben zu befhiden, ‚;propter dominum Deum, propter hoc 
etiam, quod Österlindam amitam nostram , sanctimonialem 







































ibidem, honestius tenerent, melius et benignius pertractarent. 
Es follte demnach faft fcheinen, als feien, der Translation um- 
beſchadet, immer noch einige Klofterfrauen in Lonnig zurüds 
geblieben ; eine Recluſe kann die Ofterlinda, für die eine befjere 
Verpflegung erbeten wird, nicht gewefen fein. Im J. 1220 
gebietet Erzbifchof Theoderich dem Marfilius von Gondorf, ber | 
fih von wegen eines erblichen Vogteirechtes zu mancdherlei Des 
brüdung des Klofters berechtigt hielt, von ſolchem Unfug abzu⸗ 
laffen. Der damalige Abt, Johannes, wird noch 1221 genannt. 
Bald darauf ergeben fi) mancherlei Spuren des Verfalls. Erz 
bifhof Theoderih (1212—1242) verleihet Ablaß allen Wohl 
thätern des Klofters, zugleich beflagend, daß die Kirche noch nicht 
volftändig ausgebauet, wie denn im Winter nicht felten durd 
Schneegeftöber der Chorbienft unterbrochen werbe, daß die Winde 


8 


Pas Aloſter Sennig, 709 


den Einflurz drohen, unvollendet das Hospital flehe; „wie wir 
das mit eigenen Augen gefchauet haben.” Der Erſparniß halber 
it -an des Abten Stelle ein Prior getreten, als dergleichen Engels 
bert 1247, Heinrich 1327 genannt werden. Bon bedeutenden 
Unordnungen im Kloſter ift 1235 Rede. 

Auch in dem Verfegungsinftrument vom 1. Dec, 1326 fpricht 
Kurfürft Balduin von der Arınuth des Klofters, welche vornehm- 
lih durch den Andrang der Gaftfreundfchaft fuchenden Reifenden 
veranlaßt, dag man kaum die nöthigen Lebensmittel aufbringen, 
viel weniger das Holz, fo aus entferntern Orten herbeizuführen, 
bezahlen könne. Diefem und andern Uebelſtänden abzubelfen, 
trangferirte der Kurfürft das Klofter in feine Stadt Mayen, es 
wurde demfelben zugleich Die Pfarrei Mayen incorporirt, und das 
Slorinsftift veranlaßt, dem Klofter 60 Morgen Land zu ſchenken, 
auch dem Patronat der Pfarrfirche zu verzichten, wogegen dem 
Propſt zu St. Tlorin die Vergebung der zwei zunächſt vacant 
werdenden Präbenden in dem Klofter B. M. V. in Lonniche 
intra muros de Meyene für jest und alle folgende Zeiten zu= 
gefichert wurde. Es verging indeffen noch mehre Jahre, bevor 
biefe Translation, zu welcher Papft Johann AXU. im J. 1332 
feinen Willen gab, vollfkändig zur Ausführung kommen fonnte. 
Die Elauftralgebäude waren vorberfamft aufzuführen, dann mußte 
mit der Kirche ein Neubau vorgenommen werden, wonit man 
ſich keineswegs übereilt zu haben fcheint, denn noch im Anfang 
bed folgenden Jahrhunderts widmete eine Frau durch Teftament 
ihr ganzes Vermögen zur Fortfegung des Kirchenbaued. Das 
Gotteshaus erhielt: die für Stiftskirchen, in welchen zugleich Der 
pfarrliche Gottesdienft abzuhalten, hergebrachte Einrichtung. Der 
Chor, jet Capella B. M. V. de Lonniche genannt, blieb auge 
fchlieglich dem Klofter, vor den Chor wurde der dem h. Clemens 
gewidmete Pfarraltar geſetzt. 

In den Zeiten Ulrichs von Manderjcheid und Rabans von 
Helmflatt wurde das Kiofter von dem Grafen Ruprecht von Birnen 
burg hart mitgenommen, es erholte fich jedoch dergeftalten, daß der 
Prior Johann Baum, 1535—1571, bedeutende Bauten auszu⸗ 
führen vermochte, Mit feiner Refignation ſcheinen jedoch im 


710 Mayen. 


Convent die Unordnungen ausgebrochen zu fein, welche Kurfürft 
Johann von Schönenburg dur bie im %. 1592 gegebenen Sta⸗ 
tnten zu meiftern fuchte. Daß er feine Abficht nicht erreichte, 
ergibt fih aus ber Abfeßung des Priord Reinerus Sinzig, defien 
Nachfolger durch Wahl vom 26. Yun. 1596 Nicolaus Adenau ges 
worden if. Am Ende wurde eine Säeularifation unvermeidlich, 
die gemeinfchaftliche Lebensweiſe abgefchaftt, das Eigenthum ges 


—— ——— — —— —— —— — — —— — — 


theilt, um daraus Allodien für die einzelnen Chorherren, deren 
jeder feine abgefonderte Wohnung erhielt, zu fchaffen. Der bis⸗ 


herige Prior Adenau blieb als Dechant an der Spitze des im 
3. 1601 zu feiner Bollftändigfeit gelangten Stiftes, beffen zehn 


Präbenden doc auf acht reducirt wurden, baber das Mayener 


Stift fpottweife den Namen die Eorporalfchaft trug. Die Präben- 
den hießen Se Andreae, SÜ Antoni, SÜ Clementis, S’ Catha- 
rinae, S' Crucis, SÜ Michaelis, SÜ Bartholomaei, S' Annae. 
Der St. Antoniusaltar wurde den 23. Sept. 1332 von Winanb, 
dem Paftor zu Ettringen und Conforten, der Katharinenaltar von 
dem Scheffen Heinrich Grunften 1348, St. Midhaelsaltar von 
der Wittwe Nefa 1363 geftiftet. Bon dem Gapitel wurden in 
Gemeinfchaft benugt die Bicarie zum h. Geiſt im Hospital, bie 
Präbenden S“ Viti und B. M. V. in castro, der Altar SE Jo- 
doci, son zwei Fräulein von Geisbuſch geftiftet. Die Dotation 
des St. Johannisaltars beftätigte Erzbifhof Werner den 17. Oct. 
1409. St. Stephans Altar wurde im J. 1501 geftiftet, ein 


— U m — — 


Altar B. M. V. ftand im Salvechörchen. Alle Canonici waren 
verpflichtet, dem Dechanten in der Seelſorge beizuſtehen, wes⸗ 


halb ſie insgeſamt ſich zur Uebernahme der Cura befähigen 
mußten. Zu dem Generalcapitel, Freitag vor St. Johannis 
Bapt. ſchickte das St. Florinsſtift einen Abgeordneten, der nicht 
nur das Präfidium führte, fondern auch die wechfelfeitigen Klagen 
ber GStiftögeiftlichfeit und des Dechants anhörte. Mancherlei 
Zerwärfniffe im Stift fanden ihre Heilung in den erzbifchöflichen 
Drbdinaten vom J. 1763, andere fehr zwedmäßige Ordinate hat 
Clemens Wenceslaus 1788 gegeben. 

Trog der Reduction und der Incorporation der Beneficien 
waren die Präbenden immer noch fehr Tärglich dotirt. „Die 


Das Stift. | 71 


ſtifftiſche Renten find durch den im vorigen Jahrhundert land⸗ 
und leutverdberblichen Krieg wegen Brandſchatzung und deſſent⸗ 
wegen verfegten und nicht wieder befommenen Höfen gefehmälert 
worden, wie die Pfaffenheck und etliche Höfe bei Giondorf ver« 
Ioren gegangen find. In Lonnig war dem Stift, von ber erften 
Sundation ber fehr werthuolles Eigenthum, außer dem ZJehnten 
zwei Höfe, an die 350 Morgen enthaltend, geblieben. Alles 
wurde von der franzöfifchen Domainenverwaltung verfchlungen, 
bag für die Dotation des Paftors nur ein fchlechtes Haus ſamt 
Garten übrig blieb, Die neuefte Zeit hat einen Pfarrhof gefchaffen, 
wie er dem Amte und zugleich dem Reichthum der Gemeinde ans 
gemeſſen. Auch der Kirche wurden mehre, ihrem ernften, firengen 
Styl zufagende Berfchönerungen. Eine zweite Renovation, vom 
J. 1839, „it aber kaum bemerfenswerth, indem fie nur den Ber 
putz und die Reparatur ber Fenfter betraf.” Aus der älteften 
Zeit ift der Kirche ein Sarramentshäuschen von vorzüglicher 
Arbeit geblieben. Das vormalige Beinhaus famt der Michaels⸗ 
eapelle, bei welder Nefa, des Ernſt von Mayen Wittwe 1363 
brei Mefjen ftiftete, wurbe 1786 abgetragen. Statt ber um bag 
5. 1806 von ber Pfarrei getrennten Filialfircchen in Rürrenberg, 
zu St. Bernhard Abt, und in Reudelſterz, zu St. Bartholos 
mäns, ift ihr das Filial Haufen zugetheilt worden. 

Sn der Pfarrfirhe läßt die DVeteranengefellichaft jährlich 
ein feierliches Hochamt halten, zum Gedächtniß ihrer in den 
Kriegen von 1805— 1815 vor dem Feind gefallenen Waffenbrüder. 
Deren waren überhaupt 150, ale in Mayen zu Haufe. Die 
Geſellſchaft, in ihren Zweden und ihrer Einrichtung dem Cob⸗ 
lenzer Beteranenverein (Abth. I. Bd. 2, S. 72-75) ähnlich, 
trat im J. 1825 zufammen , und zählte damals 80 Mitglieder. 
Wie viele bdiefer Männer, diefer Trümmer bes franzöfifchen: 
Kaiferreihs, dieſer Mitglieder einer Zodtenbruderfchaft, mögen 
ſeitdem heimgegangen fein. Einer andern, weiland von diefer 
Kicche abhängenden Bruderfchaft gedenft eine Urkunde vom 18. 
April 1550, worin Katharina, Wittwe von Hilger Rupert, an ben 
Zinsmeifter „der armen Mäde” um 6 Goldgulden ein halbes 
Malter Kornrente verkauft. Eine milde Stiftung zu Gunften ber 


719 Mayen. 


armen Mäbe, der beffagenswertben Gefchöpfe, die fo häufig von 
dem härteften Schickſal verfolgt, fo vielen Mißhandlungen ausge 
fegt find, die fo häufig durch die vollftändigfte Selbftverläugnung, 
durch treue Anhänglichkeit unentbehrlich werden den Familien, 
welche folche Aufopferung zu ſchätzen wiffen, eine folche Stiftung 
beruhet wahrlich auf einem finnigen, einem chriftfichen Gedanten. 
* Die evangelifche Kirche entflammt der neueften Zeit. „Im 
J. 1815,” berichtet Hr. Paſtor Hanfen, „zählte man blos 6-8 
Eyangelifche bier, die fpäterhin Durch den Landmehrfiamm und 
dann durch die Civil-Organiſation, wodurd einige Evangelifche 
bier Anftelungen erhielten, vermehrt wurden, Endlich traten 
bie Herren, D. uno, Kreis-Phyfifus, Sicherer, Kreis⸗Kaſſen⸗ 
Pendant, und Heberlein, Predigt: und Schul-Amts-Candidat, 
der fi bier niedergelaffen hatte, zufammen, um eine Gemeinde 
ihrer Eonfeffion zu conftituiren. Sie Tiefen ſich zu dieſem Behufe 
bie Verzeichniffe der evangelifchen Individuen des Kreifes Mayen 
dur die Kreis-Behörden geben, und mietheten dann ein Local 
auf der Burg zur Einrichtung. eines Betfaales. Die Eonftitution 
biefer neuen Pfarrgemeinde wurde am 9, Dez. 1821 entworfen 
und angenommen. Am 10. Nov. 1822 geſchah die Einweihung 
des Betſaales, und am 17. Dezember deffelben Jahres wurde 
biefe Gemeinde vom Königlihen Eonfifterium anerkannt. Der 
Gottesdienſt an den Hauptfefttagen des Kirchenjahres wurde von 
den evangelifchen Geiftlichen der Imgegend verfehben, und bie 
Koften wurden theils durch freiwillige Beiträge, theils durd 
Unterflügungen ausmwärtiger Freunde aufgebradit. Im 3. 1826 
bewilligten Se. Maj. der König für den Pfarrer diefer Ger 
meinde aus der Staatsfaffe einen jährlichen Gehalt von 262 
Thlr. 15 Sgr., und am 4, Juni deffelben Jahrs wurde ber 
Pfarr-Bilar zu Winningen, Herr Mes, feierlih als Pfarrer 
inftallirt. Diefe Gemeinde ‚zählte 1823 97 evangelifche Köpfe, 
die aber in Mayen, Adenau, Ahrweiler und in ber Umgegend 
zerftreut lebten, und zum Theil aus weit entfernten Geburtes 
ändern, namentlid) aus der. Gegend von Coblenz, Aachen, Ere 
feld, Elberfeld, aus dem Wied’fhen und vom Hundsrück, ben 
Gegenden von St. Goar, Kreuznach, Landau, dem Elſaß und 


Pie Schule, 113 


Breisgau, von Weblar, Marburg und Kaffel, aus dem Naffau’- 
- Shen und Darmftädt’fchen, der Gegend um Fulda und Regens- 
burg, Dresden und Leipzig, aus Sadhfen-Meinungen und Gotha, 
Quedlinburg, dem Anhalt-Bernburg’fchen Theile des Harzeg, 
aus Braunfhweig, Magdeburg, Berlin, Käftrin, Schlefien, 
Königsberg in Preußen und aus Litthauen, fich bier zufammen 
gefunden haben. Ihre Zahl iſt bald größer, bald geringer, wie 
ed der Wechfel der Beamten und das Wandern ber Handwerks 
gefellen mit fih bringen. Im Jahre 1828 ift Behufs der Er» 
bauung einer Pfarr Wohnung, eines Schulhaufes, und eventua- 
üter einer Kirche eine evangelifche Kicchen- und HaussEollecte 
in. den Rhein Provinzen bewilligt worden.“ Der Bau der Kirche 
wurde im 5%. 1835 vollſtändig zur Ausführung gebracht. 

Das ftattlihe Schulgebäude, in den J. 1821—1824 ents 
fanden, veranlaßte einen Aufwand von 12,000 Rthlr. Bereits 
im %. 1549 gefhieht eines Schulmeifters Erwähnung. Im J. 
1557 fupplicirte der Stadtmagiſtrat bei Kurfürft Johann von 
der Leyen um die Stiftsvicarie.zu St. Johann, deren Ertrag 
zur Befoldung des Schulmeifters verwendet werden follte, es 
bat auch der Kurfürft die Bitte gewährt, unter der Bedingung, 
dag der Stadtmagiftrat die auf der Pfründe haftenden Meflen 
Iefen laſſe. Die Stiftung, das fogenannte Johanneshütchen, hat 
fih bis auf die neuefte Zeit erhalten. Ein Rathsprotokoll vom 
%. 1573 beflimmt die Emolumente, deren ein zeitliher Schul- 
meifter genießen fol. „Zur Beförderung bes Schulwefens, und 
damit die Jugend gotiesfürdhtig erzogen werde, und täglid dem 
Öottesdienft beimohnen möge, follen bie Bürgermeifter alle 
Fahre, von einem gefhwornen Montag zum andern, dem Schuls 
meifter quartaliter 5'/, Rthlr. auszahlen Auch ſoll ber 
Spendenzinsmeifter wegen der armen Kinder ihm zwei Malter 
Korn reihen, dann 4 Wagen Holz ihm anfahren Taffen. Zu 
Dftern follen die Bürgermeifter ihm, wie jedem andern Stadt» 
biener, 6 Ellen Wollentud geben für ein Kleid, daneben ein 
Haus ihm beftellen. Er fol frei fein von allen ſtaͤdtiſchen Laſten 
und Dienſten. Prior und Eonvent werden ihm, Laut kurfuͤrſt⸗ 
lichen Befehls, quartaliter ein Malter Korn liefern. Die Abs 


714 Mayen. 


gaben der Schulfinder werden ebenfalls regulirt. Bon einem 
Rädtifchen Knaben, der das Abe und das Pater noster erlernt, 
hat der Schulmeifter quartaliter 3 Albus, von einem welder 
den Donat treibt 6, von einem Grammatiker 9 Albus zu be 
zieben. Bon den Mädchen nach Geftalt der Sachen, Kirmeß⸗ 
geld fol er nur viermal im Jahr von ben Knaben erheben, 
nämlich zu Halbfaftenlirmeg, zu Pfingiten, Johannis Enthaups 
tung und zu St. Lucas, und zwar von einem Abeſchüler zwei, von 
jenen, welche über das Abe hinausgehen, 4 Pfennige, Mit ben 
fremden Knaben fol ber Schulmeifter nach Billigfeit verfahren.” 

Bon der Eriftenz des Hospitals zeugt eine Ablaßbulle, ges 


geben den 14. Sept. 1355 von 16. Bifchöfen, meint -Staliener, - 


doch auch einige Epiroten. Laut derfelben war das Haus zu 
Ehren der bh. Dreifaltigkeit, des h. Apoftels Jacobus, der bh. 
Leonhard, Jodocus, Elifabetb und Katharina geweihet. Durch 


Teflament vom 6; Det. 1380 ernannte Paſtor Winand von Eis ° 


ringen das Hospital zu feinem Erben. Die Gapelle hatte 
ihren eigenen Geiftlihen, wurde im 3. 1592 als Yicaria Spi- 
ritus sancti dem Stift einverleibt, und ſeitdem von ben Stifte- 
geiftlihen bedient. Kurfürft Johann von Schönenburg erwei⸗ 
terte ‘die. den Hospitaliten beftimmten Räume. Das jebige Ges 
bäude entſtammt jedoch einer fpätern Zeitz; bie Kirche wurde 
um die Mitte des vorigen Jahrhunderts erbaut, . „Hieſiges 
Hospital,” heißt es in der Amtsbefchreibung, „ift eines der vor- 
nehmften Hospitäler, welche auf dem Lande feynd. Es ift wohl 
erbauet, und hat eine fchöne Capelle; es hat jährliche 100 Malt. 
Frucht, worunter 80 Malt, Korn zu rechnen, an Geld 17,000 
Rthlr. auf Interefie ſtehen. Vorhero hat felbiges nod mehrere 
Gapitalia gehabt.” In der eigentlichen Blüthezeit von Mayen, 
um das J. 1830, diente die Capelle den theatralifchen Vorſtel⸗ 
lungen einer Liebhabergefellichaft, während das Nationaltheater 
ſich in einer Scheuer niedergelaffen hatte. Unter dem Wettfampf 
der beiden Gefellichaften bat die Kunſt Außerordeniliches geleiftel. 
Doch ſcheint den Liebhabern die Siegespalme geblieben zu fein. 
Selbſt Göthes Fauft haben fie dargeftellt, und damit raufchenden 
Beifall fih verdient. Daß auch ſchon vor einem halben Jahr: 





Bie Burg. 715 


taufend in Mayen für öffentliche Vergnägungen geforgt gewefen, 
lehrt ein dem Mag. Heinrich von Sporen ausgeftellter Pachtrevers 
über eine Hofftatt ‚hinter dem Spielhaus, vom 2. März 1345. 
Der Spielhäufer mag es vordem mehre hier gegeben haben, Noch 
zeigt man auf dem Markt die Stube eines Erbgefchoffes, worin bie 
Gefpenfterfiunde der Chriſtnacht eine Gefellichaft von Spielern 
in ihrer unfeligen Thätigfeit betraf, daß der Gottfeibeiung ſelbſt ſich 
nicht enthalten konnte, den Ruchlofen eine Warnung zuzufchiden. 
Den Pferdefug hat er vom Knie abgebrochen und dur das 
offene Fenfter in der Spieler Mitte geworfen. Lange wurbe, zur 
Erinnerung an Frevel und Strafe, jener Fuß des höllifchen 
Hegafus aufbewahrt. Ein flarf befuchtes-Lafino befteht feit einer 
ganzen Reihe von Jahren. 

Das furfürftliche Schloß auf dem Kleinen Sümmer, auf ber 
Höhe, zu weldher man vom Markte hinan gehet, galt das 
ganze Mittefalter hindurch als des Erzfiftes Bollwerk gegen 
Norden, und war darum mit Sorgfalt befefligt und durch eine 
zahlreihe Burgmannfchaft gehütet. Konrad von Kottenheim, 
Wäpeling, wird Burgmann zu Mayen und bes Erzbifchofs Dienft- 
mann gegen K. Albrecht, und verfpricht, im Falle perfönlicher 
Berhinderung, zwei Neifige zu ftellen, alles in Betracht ber 60 
Mark, welche er auf feine Allodien zu beweifen verheißet, Dienflag 
post SS. Processi et Martiniani 1301. Burgmänner find ebens 
falls geworden Henne von Büresheim, 3. Febr. 1319, und fein 
Bruder Heinrich, 31. März 1320, Nicolaus Strogbufh von 
Umen, an St. Brictien Tag 1323, Gerhard von Landskron 
1326 , Johaun von Polch 1332, Johann von Ele 1337, Gers 
hard und Adolf, des Grafen Ruprecht von Virnenburg Söhne, 
28. Det. 1341, Karl von Monreal 1346, Johann von Birnens 
burg 1347, Gobelin von Polch, 8. Januar 1350, Emmerid) 
Schilling von Lahnftein 1353, Welter yon Belle, Mittwoch vor 
Sohanni 1358, und wird zugleih die Fehde, fo er wegen ber 
Büter zu Mayen mit dem Erzbifchof gehabt, gefühner, Karl 
von Monreal 1420; Johann von Mielen genannt von Dienelich 
1440, Wilhelm von Ela 1440, Georg von der Leyen 1479. 


716 | Mayen. 


Außerdem waren für bie Hut der Burg Mayen und des 
davon abhängenden Amtes Turfürftliche Amtleute beſtellt. Als 
folche reverfirten fi) Dietrich von Rheinberg, Ritter, Samflag 
nad Bartholomät 1340, Gerlah von Iſenburg, Mittwoch vor 
Marienverfündigung 1350. Johann von Eltz wird 1345, Werner 
von der Leyen, Ritter, 1384 ald Amtmann genannt. Es finden 
fih auch die Beftallungsbriefe für Eberhard son der Arken 1497 
und 1438, Dtto Walbott von Baffenheim 1446, Kuno von 
Schöneden 1453 und 1458, Georg von der Leyen 1466, Wil⸗ 
heim von Pol 1482, Reinhard von dem Burgthor 1496, Ger: 
lab Husmann von Namedy 1507, Dietrih von Montreal 1510 
und 1512, Wilhelm yon Elg 1541, Bernhard Clauer 1548. 
Wilhelm yon Metternich wird 1612, Joh. Jacob von Ei 1675 
als Amtmann genannt. In der gleichen Eigenfchaft Fommen 
bis 1763 Graf Anfelm Karl Kafimir Franz, und von 1765— . 
1794 fein Sohn, Graf Hugo Philipp Karl von Eltz vor. Nicht 
nur durch die Feftigfeit, fondern auch durch die Schönheit feiner 
Gebäude war das Schloß der Stolz des Landes geworden. Am 
2. März 1361 befundet Kuno von Falfenftein, damals noch Coad⸗ 
futor, daß die Schloßeapelle zu U. Lieben Frauen von Johann 
Wickenheuwer, dem Burgmann zu Mayen, ihre Dotation, bes 
fiehend in Gütern zu Mayen, Kottenheim und Haufen, empfangen, 
berjelbe fich aber die Collation der fraglichen Capelle vorbehalten 
babe. Am 1. Sept. 1379 wird fie, auf Nefignation des bisherigen 
Gapellans, des Johann Wickenheuwer, von Erzbifchof Kuno dem 
Kloſter B. Mariae Virg. incorporirt, fo daß fortan einer ber 

Chorherren den Gottesdienft auf der Burg abwarten fol. Die 
franzöſiſche Zerfiörung zu Ende bes 17, Jahrhunderts ſcheint 
unvollſtaͤndig geblieben zu fein, oder es müßte die Reftauration 
genau den Styl des Mittelalters aufgefaßt haben. ebenfalls 
bat der Donjon, der noch heute aufrecht ftehende Genofeventhurm 
feiner Reftauration beburft. „Während fo manches Gebäude diefer 
Art in den Tagen ber neneften Zerfiörungsmwuth niebergeriffen 
worden, hatte diefes Schloß fich erhalten. Defto fohmerzlicher war 
es aber auch zu fehen, daß es nad) dem Sturme noch in Trüm- 
mer finfen mußte. Ein Bürger von Mayen fleigerte es an fih, 


— — 


Per Genofeventhurm. 717 


md riß ed, um bie Baumaterialien verkaufen zu können, uns 
barmherzig nieder. Gegenwärtig fliehen nur noch einige alte 
Thürme und Nebengebäude. Die Stadt Mayen hätte ein Feines 
Opfer bringen, und fich eines foldhen Gebäudes nicht berauben 
laſſen follen, welches ihr nicht nur flets eine Zierde, fondern 
auch vortheilhaft geweien feyn würde.” Ein Stein trägt das 
Rappen bes Kurfürften Johann Hugo von Orsbeck. Die Burg 
mit Scheuer, Stallungen, großem Garten und 2 Morgen Wiefe 
wurde den 20. Thermidor XII um 8100 Franfen verkauft. 

Im %. 1848 wurde bie breifarbige Sahne, das Symbol 
bes wieder erflandenen Deutfchlandes, dem Genofeventhburm aufs 
gelegt. Der Thurm, in deflen Berließ einft, der Sage nad, 
Genofeva weinte, in Erwartung des über fie verhängten Schick⸗ 
fals, ſcheint nur widerwillig zu Poſſen ſich hergegeben zu haben. 
Früher denn an irgend einer andern Stelle hat ber Wind bie 
bunten Lappen weggeblafen, der Fahnenſtange vermochte er nichts 
anzuhaben. Er mußte fih um Beiftand umſehen, und ber ifl 
nicht ausgeblieben. Im J. 1853, etwan 14 Tage vor Pfingften, 
gab es über einem nächtlichen Gewitter Feuerlärm, die Stadt 
gerieth in Aufruhr, Alles eilte dem Brande zu, boch werden 
nur Wenige eine Flamme geſchaut haben, ber alsbald bie 
Nahrung ausging. Der Blig war auf die Yahnenflange ge⸗ 
fallen, und bat fie bis auf den legten Span verzehrt. 

Der Diftriet jenfeits der Nette, vermuthlich einft einer rös 
mifhen ober gallifchen Niederlaffung dienend, iſt gegenwärtig 
mehrentheils in Gartenland umgefchaffen. An deſſen Ausgang 
beinahe nehmen die Steinbrüde, aufwärts bis zum Saume deg 
Kottenheimer Buches reichend, ihren Anfang. „Der Mittelpunkt . 
ber vulkaniſchen Gegend bed Departements,” berichtet Calmelet, 
‚ift der See bei der Abtei Laach. Diefer ungeheure Erater fcheint 


dieſe breiten Ströme von Bafaltlava ausgeworfen zu haben, 


weiche fi) bis gegen Mayen an das Ufer der Nett hinziehen. 
Nahe bei Niedermendig und Mayen wird dieſe ſchwarzgraue Lava 
gegraben, welche hart, aber nicht zähe, helltönig, fehr porös und 
Heinlöchericht, und vorzüglich durch dieſe Eigenfchaften zu Mühl⸗ 
feinen brauchbar iſt. Das Ausgraben berfelben ift ſchon fehr 





718 Mayen. 


alt; der Sage nach ſoll fle fchon vor dem 14. Jahrhundert bes- 


fannt gewefen feyn. Die erften Gruben, welche man zu biefer 
Arbeit beftimmte, wurden nicht weit von dem kuͤnſtlichen Kanal 
angelegt, woburd ber See feinen Ausflug bat, Da fie aber 
feine Ausbeute mehr gaben, entfernte man fich von biefem Punkte 
gegen die unteren Gegenden bes Gebirges hin. 

„1) Niedermendig.. Die poröfe Bafaltlaya liegt unter jehr 
dicken Beeten von angeſchwemmter Erde verborgen, die aus 
Bruchſtücken von Bimftein und vulfanifhen Schladen beftchen; 
dhngefehr 7 Meter tiefer findet man eine breite Schichte von 
grauem, fettem Thon, in dem man die Spuren von Mufcheln, 
Holsfpänen und einzelne Baſaliſtücke entvedt, und endlich noch 
12 Meter tiefer (welches aber vielen Berfchiedenheiten unters 
liegt) erfcheint ein Lavaftrom in priämatifcher Form oder verti⸗ 
falen 6 big Tfeitigen Säulen, die jedoch fehr unregelmäßig find. 
Sn biefem Lavaftrom , der wenigftens 7 bis 8 Dieter di iſt, 
find die ungeheuren Gruben der Steinbrüde eingegraben. Unter 
benfelben findet man eine Lava von berfelben Natur, Die aber 
weniger pords und äußerſt Schwer anzuhauen ift, die dem eigents 
lichen Bafalt näher kommt, und ohne Zweifel ihre Dichtigfeit 
ber ungeheuren Laſt verdankt, woburd die obern Materien fie 
in. ihrem flüffigen Zuftande zuſammendrückten. Die Arbeiter 
nennen biefe Steinart Dülftein. 

„Der Müblftein enthält fehr oft Kerne von. verfchiedenen 
Materialien, vorzüglich von Feldſpath, glasartigem Strahlflein 
und einer blauen glasartigen Subftanz, die noch felten tft, vor 
einigen Jahren zu Albano und Frascati, in der Nähe des Serd 
yon Nemi und vom Veſuv, neuerdings aber in Auvergne ent 
beit wurbe, unb den Ramen Hasyne erhalten bat, Diefe ein 
gemifchte Kerne fehaden der Qualität des Mühlfteins. Feldſpath⸗ 
ftüde, welche öfters fehr did find, veranlaffen leicht Das Springen 
ber Steine, wovon ber Grund ohne Zweifel in einer ungleichen 
Ausdehnung Liegt. Man nennt ihn auch Höllenſtein. Die 
Mühlfteine werden in den Gruben nur rauh ausgehauen, und 
mitteld eines fchlecht gebauten Krahnens, welcher durch ein Pferd 
ober Ochs in Bewegung gefeßt wird, durch runde 5 bis 6 Meter 


Die Bteinbrüde. | 719 


weite Schachte, deren oberer Theil durch eine Mauer gedeiht if, 
auf die Erde gebracht. Man unterfcheidet die Müpffteine nach 
ihrer Diele in Zollen berechnet, die mit der Breite in Berhältnig 
eben. Die größten find 17 Zoll did; man nennt fie Jungfern 
von 17 Zoll bis zu 12 Zell herunter; von 12 Zoll an heißen 
fie Wölfe. Auf dem Gebiete der Gemeinde Niedermendig finden 
ſich ohngefehr 9 Steinbrüde, welche 20 bis 30 Arbeiter beichäfs 
tigen. Jeder Bruch hat feine eigene Gefellfchaft, die den Namen 
Erben führe, und aus mehreren Eigenthümern der Oberfläche 
befteht. . 

„2) Dbermendig. Zwei Kilometer von Niebermendig ent⸗ 
ferns, bat man einige Arbeiten auf einer Bafaktlava unternoms 
men , welche ſich auf der Oberfläche des Bodens befindet, und 
urfprünglic zu einem Strom von Lava aus dem betachbarten 
Berge Hohenftein zu gehören fcheint. Diefe Lava iſt weniger 
porös, fehr ſchwer zu zerbrechen, und dadurch in der Dualität 
weit geringer ald der Mübhlenftein von Niedermendig, welcher 
überhaupt der befte in diefer Gegend if. Heutzutage find dieſe 
Brüche ganz verlafen, oder wenigſtens von geringer Ausbeute. 

„3) Mayen. Die Steinbrüde in der Mairie Mayen find 
"dagegen in voller Thätigfeit. Es find ihrer ohngefehr 20. Sie 
werben durch die Bewohner von Gottenheim und Mayen bears 
beitet. Ich habe nichts befonderes über ihre Ausbeute zu fagen. 

„A) Eich. In der Mairie Andernach auf dem Gebiete der 
Gemeinde Eich befindet fih ein Muͤhlſteinbruch, welcher feit 1785 
unter freiem Himmel ausgegraben wird. Sein Beet von poröfer 
Bafaltlava Tiegt unter einer Dede von angeſchwemmter Erbe, 
die aus Bimftein und Thonerde befteht, unter denen man vuls 
fanifche Schladen von einer röthlichbraunen Farbe findet. Sie 
hat 8 Meter in ber Dide. Der obere Theil davon hat Berän- 
derungen erlitten, und durch das Eindringen der Erde Riffe er⸗ 
halten 5; der härtefte Stein Liegt an ber unteren Fläche. 

„5) Plaidt. Man findet hier zwei Mühlfteinbrüche, wovon 
ber eine verlaffen ift, und ber andere nur einen einzigen Mann 
befhäftiget. Auch find die gegrabenen Mühffteine im Handel 
nicht gefucht, weil fie von einer zu großen Menge Poren durch⸗ 


730 Mayen. 


löchert find. Die vertikalen Riſſe, welche die Lavamaffen von 


einander trennen, find mit einem Kies von Bimſtein ausgefülli. 

„6) Baflenheim. In diefer. Gemeinde war ein Mühlftein- 
bruch, der aber wegen feiner. zu großen Härte nicht mehr bes 
arbeitet wird. 

„Diefe Müblfteine bilden einen fehr bedeutenden Handelds 
zweig; man führt fie nach Holland, England, in das nörblice 
Deutfhland und bis. nah Rußland. Der Seekrieg hat diefe 
voriheilbafte Handelsverbindungen unterbrochen, und wenn fie 
ein wieder hergeftellt werden follten, jo könnte man dieſe Stein 
brüche, wenn es nothwendig wäre, noch fehr vervielfältigen, 
nicht allein in den Mairien Mayen, St. Johann und Andernad, 
fondern auch an andern Orten, wo bisher das Dafeyn bed 
Müuͤhlſteins unbefannt war, wie zu Boos in der Mairie Birnen 
burg, u. a. m, Der Mübhlftein von Niedermendig und. Mayen 
wird auch als Bauſtein benugt. Man verwendet dazu vorzüglich 
nur die Stüde von geringerem Werth, Die häufigen Poren, 
womit er gleichfam durchſäet ift, binden ihn weit fefter mit dem 
Mergel, welcher fi in diefelben hineinlegt und mit ihnen an 
ber Luft erhärtet, Die Mauern davon aufgebaut, erhalten eine 
fehr große Feſtigkeit. Die alten Denfmähler in diefem Lande 
find fat alle von diefer Steinart gemacht. 

„Man giebt bier zu Lande ben Namen Grauftein eine 
bräunlichen verfchladten Lava, die. von einer zahlreichen Menge 
Poren, jedoch von mittlerer Größe, durchlöchert iſt. Er ift hart 
genug, um behauen werden zu können, und wird wegen feiner 
Leichtigfeit vorzüglich gewählt, um Gewölbe und ben inner 
- Ausbau der Häufer damit zu machen. Die beiden nahe bei 
Mayen und Eitringen Tiegenden Berge, Namens Billederg 
find fozufagen nur Haufen von diefer verfchladten Lava , bie ın 
getrennten Stüden neben einander liegen und durch einen vuls 
kaniſchen Sand von berfelben Art und Eigenfchaft getrennt find. 
Aus diefer Urſache Tann man Feine. fehr ‚große Stüde davon 
erhalten. Diefe Lava enthält ziemlich bedeutende Stüde von 
eingeftreutem weißen Feldſpath, ber zerreiblih und wie buch 
Feuer zerftört if, Die Oberflächen des Graufteins bebeden fi 


Pie Steiabrũche. 724 


an ber Luft mit einer Art von weißem Ueberzug. Der Kotten« 
heimerbufch und alle benachbarte Hügel beſtehen aus biefem Graus 
ftein.. Dan hat Nachgrabungen barin zum Nugen der Einwohner 
gemacht. Ehedem wurbe dieſe vulfanifche Lava wegen ihrer 
vorzüglichen Eigenfchaften zu den Bauarbeiten gefuht, wovon 
ih oben gefprocdhen habe. Man follte alle mögliche Mittel ans 
wenden, um biefen Handelszweig wieder in Aufnahme zu bringen. 

„Die vornehmften Brühe von Badofenftein find zu Bell 
in ber Mairie St. Johann. Diefer Tuff ift meißficht, von feinem 
Korn, ohne Boren und enthält Heine Bruchftüde von einem blauen 
Thonſchiefer und Kerne von einer gelben, leichten und pulverichten 
Materie, fo wie auch Feine erdige Kerne von vollfommen weißer 
Farbe. Die Lage von vulfanifhem Tuff zu Bell iſt fehr did; 
fie liegt unmittelbar unter der Dammerde, und wird durch vertis 
fale Riffe, die fih nad jeder Richtung durchkreuzen, in unregel- 
mäßige fäulenförmige Maflen getheilt. Man findet hier den guten 
Badofenflein nur in einer Höhe von 3 Met. 3 Centm. Ober⸗ 
halb dem Tuff. Tiegt der ſchlechteſte; er iſt von grobem Korn, 
und enthält viel dickere Körner, deren einige Bafalt, andere von 
poröfer Lava find, Unter ihm Tiegt ein härterer Stein von 
fhwärzerer Farbe, in dem man nichts frembartiges entdedt, und 
unter biefem eine gelbliche, erdige, zufammengeballte Maſſe, bie 
man Leim nennt. Der Badofenftein ift weich und in ber Erde 
grau von Farbe; an ber Luft bleicht er und wird. härter. Er 
wird mit dem Pidel ausgebrochen und in dünne oder breite 
Platten gefchnitten. Die Verfendung gefhieht nach Braband, 
Köln und Landau. Man unterfcheidet an den Badofenfteinen 
zwei Qualitäten oder vielmehr zwei Abflufungen von Qualität, 
wovon bie letzte dickere und fchwarzere Körner enthält. Ich 
glaube übrigens, daß bei der Claſſi ſicirung die Vorurtheile eine 
große Rolle ſpielen. 

„Der Kanton Wehr iſt mit ungeheuren Maßſſen von dieſem 
vulkaniſchen Tuff bedeckt. Vorzüglich findet man deſſen zu Wehr, 
Weiler und Rieden. Zu Weiler hat man dieſen Stein zur Be⸗ 
reitung des Traſſes verwendet, allein ſeine Entfernung vom 
Rhein und ſeine nur mittelmäßige Güte erlaubten nicht, zu die⸗ 


Rhein, Antiquarius, 3. Abth. 2. Bd. 46 


729 Mayen. 


ſem Zwecke das Ausbeuten deſſelben fortzuſetzen. Der Tuff auf 


dem Schladenberg bei Weiler findet ſich allda in horizontalen 


"Lagen, die fehr did find, und durch vertikale Riſſe durchſchnitten 
‚werden, welche dem Abhange tes Berges das Anfehen von einem 
Haufen gigantifcher Pfeiler geben. Diefer Stein ift nad feiner 
Lage fehr verſchieden; es gibt deffen mitunter, welcher zu Bad- 


und Küchenöfen fehr dienlich ifl, anderer aber, welcher im Feuer 
zerfpringt und zerfpaltet. Erſterer wird nur in einem einzigen 
Brude von 4 bis 5 Menfchen ausgegraben. Die-Erfennung 
feiner Berfihiedenheiten erfordert viel Uebung; der härtefle und 
grauefte ift im allgemeinen ber fehlechtefte; man benutzt dien . 
"als Bauftein, vorzüglich wegen feiner Leichtigkeit, zu den oben | 
Stodwerfen. Das fhöne Dorf Rieden ift ganz davon gebaut.“ | 


Diefe Steinbrüche befchäftigen eine große Anzahl von Men⸗ 
fen, die fogenannten Leyer, . deren Berhältniß zu den Eigen 
thümern der Gruben vordem lediglich durch das Herfommen bes 
flimmt wurde. In der neuern Zeit hat man angefangen, daffelbe 
dur regelmäßige Berträge feflzuftellen. Werben Steine von 
‘einem gewiffen Umfang zu Tage gefördert, fo erhalten die Leyer 
größere oder kleinere Prämien, welche die alte gute Zeit gewöhnlid 
in Wein berechnete, Ich erinnere mich des Urtheils, worin ber 


"Sriedensrichter einem Erben auferlegte, im Wirthshauſe mit ſei⸗ 


nen Leyern vier Mans Wein zu trinken. Diefe wohlverbiente 
Gebür den Arbeitern zukommen zu laffen, hatte der Erbe ver⸗ 
‘weigert und dadurch eine Klage ſich zugezogen. Die Leyer im 
allgemeinen find ein lebhaftes, leidenſchaftliches, dabei gutmuͤthi⸗ 
ges Bölfchen. 


Kottenheim, Thür, Hieder- und Obermendig. 


Sortwährend ſich erhebend, gelangt der Weg zu dem Kotten⸗ 
heimer Buſch, an deſſen füdlichem Rande von Alters her die Wiefe 
Bierling berühmt, als der Schauplag für des Verräthers Golo 
nächtliche Wanderungen und Erereitien. Häufig bat man ihn 
gefehen, wie er ſchwärzer denn die Mitternacht, beritten auf einem 


Der fpukende Gols. 725 


glühenden Stier vorüber braufete, ober wie es, angefpießt einer 
glübenden Pflugfchaar, von vier wüthigen Stieren durch did und 
dünn gefchleift wurde, und hat man alsdann befonders der GStiere 
Aehnlichfeit mit dem Wappen der Steiermark, wie es bie ältern 
Maler darzuftellen pflegten, bewundern müffen. Feuer fpeiet das 
feierifche Pantertbier, Blige fhießt ed aus den Augen, Raketen 
gleich entfleigen die Flammen den Ohren und mehren andern 
Stellen. Ungemein glüdlich ift für verwandte Gebilde der Bierling 
gewählt. Phantaftifch, wie der Kottenheimer Buſch ift Fein ande 
ver Wald; mit jedem Schritte bieten fih da wechfelnde auffallende 
Scenen, denen die vielen verlaffenen Steinbrücde, die Denkmäler 
vormaligen Grubenbaueg, einen eigenthbümlichen Zufag geben. 
Auch das Dorf Kottenheim hat eine höchft anmuthige Tage, 
darum es auch häufig von Mayen aus befucht wird. Die Markung, 
zu 602 Morgen Aderland und 137 Morgen Wiefe, ohne bie 
Weinberge, von dem Amt angegeben, grenzt mit Ober⸗ und 
Niedermendig, mit Thür, Haufen, Mayen, Eitringen. „Diefer 
Ort ift im Bezirk nicht zwar fo weitfchichtig, jedannoch in einer 
der beften Lagen, hat den meiften Heuwachs, ſchöne Gärten und 
Feldfrüchte, gutes Obft, auch einen guten rothen Weinwachs,“ 
von dem freilich heutzutage nur mehr ſchwache Spuren vorhanden. 
Roh im 3. 1794 bezog Graf Metternih aus feinem Antheil 
am biefigen Zehnten zwei Fuder Wein, „Die meiſten Inwohner 
feynd Leyer, und verdienen vieles Geld in denen Stadt Mayener 
Steinfaullen; der Bürger find über die 60.” Erzbifhof Megin⸗ 
gaud, 1008—1016, vergabte durch feines Schirmvogtes Sige⸗ 
bodo Hand an St. Martins Kirche (Münftermaifelo) Güter zu 
Kottenheim, Mertlocha und Alfena, im Gefamtbetrage 8 Manfen 
und 7 FZuder Wein. Konrad von Kottenheim, Wäpeling, fommt 
unter den Durgmännern zu Mayen vor, 1301. Johann von 
Seottenheim , Karl und Dietrid von Monreal, Wilhelm von 
Nauenheim, Wilhelm von Lahnftein werden als lehenbare Mannen 
des Dinghofes zu Nauenheim genannt, und famt dem Hofe, von 
Johann von der Schleiden gegen ein Kaufgeld von 1700 Mainzer 
Gulden an Erzbifhof Kuno überlafien, Freitag nad Lucas 1379, 
Am Dienftag nad) Quasimodo 1447 belehnte Graf Ruprecht von 


46 * 


724 j Asttenheim. 


Birnenburg den Dietrih von Monreal mit einem Antheif am 
Zehnten zu Kottenheim, deffen zu Burglehen in Virnenburg zu 
genießen. 

Derer von Kottenheim Erben feheinen die Schilling geworben 
zu fein, nachdem Daniel Schilling, ein ritterbürtiger Scheffe zu 
Andernach, geft. 28. Zul. 1561, fih des Konrad von Rottenheim 
und der Sophia von Ried Tochter Margaretha gefreiet hatte, 
Der legte Schilling von Kottenheim farb gegen Ausgang des 
16. Jahrhunderts, und wurde in St. Niclafen Pfarrkirche zu 
Kottenheim beerdigt. Seine Güter, namentlih die Mahlmühle 
und das Bannbackhaus find an die von der Leyen gefommen. 
Noh waren in Kottenheim begütert die Grafen von Metternid, 
der Johanniterorden, als der Zempelherren Nachfolger, die Klöſter 
St. Thomas und Rofenthal, und big in die neuefle Zeit Graf 
Neneffe mit 71/, Morgen Aderland und A'/, Morgen Wiefe, 
alles zufammen für 6 Malt. Korn verpachtet. Die Güter ber 
Miel von Dieblich und ber Wiltberg hatte der Lehenhof, wegen 
einer Lebensverfäumniß eingezogen und der Mayener Kelinerei 
zugetheilt. Was aus dem Befisthum derer von Berenkopf ges 
worden, fann ich nicht fagen. Den Zehnten bezog zu ?2/, Graf 
Metternich, zu ?/, der zeitliche Paftors zur Jagd waren bereds 
tigt das Ersftift, die Grafen von der Leyen und yon Metternid, 
‚ bie von Büresheim und die von Elg-Rübenad, 

Bon Kottenheim nah Thür ift es kaum eine Viertelftunde 
Wegs: „Bor Alters feynd zu Thür 38 Bürger gewefen, anjetzo 
ift e8 aber bis auf 70 angewachſen. Graf von ber Ley ziehet 
Beed und Pacht dafelbiten. Hofleuth haben zu Thür dag Kfofter 
St. Thomas bei Andernah, Abtei Laach, Marienrod, das St. 
Katharinenklofter bei Linz, die von Eltz zu Rodendorf. Das 
Domcapitel zu Trier bat den fogenannten Schultheißen freien 
Hof,” Hingegen des Anfprudes an die Civiljurisdiction, bie 
ed als eine Dependenz von Niedermendig betrachten wollte, in 
dem Bertrag vom 4. Juni 1761 fi begeben, Der Domhof 
wurde den 5. Nov. 1807 um 25,200, des St. Katharinenflofters 
Hof den 5. Nov. 1807 um 16,100 und an demfelben- Tage 

der Abtei Sayn Hof um 22,000 Franken verkauft. Der Abtel 





Pomainenfhader. | 725 


St. Thomas Hof, neben welchem fie noch andere Ländereien 
beſaß, war den 10. März 1806 um 18,200 Franken, des Stiftes 
Mayen Eigenthum um beinahe 18,000 Franken weggegeben 
worden. Unter den 78 Bürgern, welde Thür im J. 1794 zählte, 
befanden fih überhaupt 11 Hofleute.. Zu den 11 Höfen, welche 
fie pachtweife benugten, gehörten von der gefamten Länderei des 
Dorfes 17/, ,, von den übrigen °/, , war das meifte Eigenthum 
jener Hofleute, als welchen die regelmäßig fehr niedrig geftellten 
Pachtungen Gelegenheit gegeben hatten, Bermögen zu fammeln. 
Gleichwohl haben fie aus Anhänglichfeit für den alten Zuftand ber 
Dinge, in dem Miftrauen für die Dauer der neuen Einrich⸗ 
tungen, bei dem großen Handel mit den fogenannten Domainen- 
gütern, geftohfne Güter nad einer andern Lesart, hier fo wenig 
wie an den meiften Orten ſich betheifigt. Die fogenannten ſchwarzen 
Gefellfchaften fanden faft nirgends "für den Anfauf der zu ver- 
fteigernden Güter Concurrenz. Sie zu behalten, konnte nicht in 
ihren Abfichten Tiegen, deshalb wurde in den einzelnen Drtfchaften 
das große Eigenthum zerfchlagen und ftüdweife weggegeben. Bet 
biefen fecundairen Berfteigerungen haben bie alten Grundbeſitzer 
gleich wenig Antheil genommen, es fauften nur die ärmern Leute, die 
Nichts zu verlieren, Alles zu gewinnen hatten. Die Preife waren 
auch jegt noch mäßig, da bie Geſellſchaften Eile hatten, ihr Gelb 
einzuziehen , bie Loofe klein, die Anfteigerer fleißig, fie wurden 
som Glüde begünftigt, abfonderlih durch die erhöhten Fruchts 
preife, und aus den Armen find Wohlhabende geworden, während 
überall die weiland wohlhabenden Pächterfamilien in Armuth 
verfanfen. 

Das paßte vortrefflih zu dem Syftem ber Regierung, denn 
wie überhaupt feine Eroberung dauerhaft fein wird, ohne von 
einem allgemeinen Wechfel des Eigenthums begleitet zu fein, fo muß 
ſolcher Wechfel vollends eintreten, wenn bie Eroberung von einer 
Revolution ausging. Diefes ald eine Wahrheit anerfennend, hat 
bie revolutionaire Regierung vorzugsweife nur neue Leute gefucht, 
die alten Familien flets und aller Orten zurüdgedrängt; was aber 
von ihrer Seite ganz richtig verſtanden, dieſes erwächſt, durch 
die Nachfolger forigefegt, zu einem ſchweren politiichen Sehler, 


726 ...  * &har. 


Jeder Fehler in der Politik trägt früh oder fpät feine Strafe, 
Das außerordentliche Steigen der Güterpreife werden einige Bei- 
fpiele, dem Dorfe Thür entlehnt, befunden. Der von Breidbad- 
Büresheimifhe Hof, für etwa 50 Malt. Korn verpachtet, war 
‚unter ben lesten, die zur Verſteigerung gefommen find, und fie 
errug 50,000 Rthlr., die 8000 Rthlr., fo der Notar dabei 
verdiente, ungerechnet. Der St. Thomaferhof, vielleicht ein 
Drittel von jenem, und, wie wir gehört haben, im 3. 1806 von 
einem Hrn. Koch um 18,200 Franfen angefauft, bradte im 
J. 1853 feinen Erben in der Detaifverfleigerung reine 50,000 
Rthlr. In Allem Hat die franzöfifche Regierung im Umfange 
des Rheins und’ Mofeldepartements an Domainengätern und 
Renten bis zu dem Belaufe von 26 Millionen Franfen veräußert, 
die nämlichen Güter würden heute um hundert Millionen Thaler 
nicht zu haben fein. u 

„Der Bezirk der Gemeinde Thür, 1792 Morgen Aderland, 
191 Morgen Wiefen, aud Weinberge enthaltend, ift groß, und 
werden allerhand Früchten, Obſt, Flache, auch Wein, dafelbften 
gezogen, ift mit fchönen Wiefen 'verfehen. An dem Zehnten hat das 
Hochwürdige Domcapitul zu Trier 3 Theil, Klofter Sayn "/, 
Eltz⸗-Rübenach '/,, Klofter Marienroth ?/,, Hr. v. Brewer zu Bell 
und Hr. Paſtor Besing zu Ettring als ein Eigenthum !/,, und 
Hr. Domprobft zu Trier 1%. Zur Jagd feynd berechtigt Chur 
fürft, Graf von der Ley, von Büresheim und von Eltz-Rübenach. 


Collector der Pfarr ift ein Hochwürdiges Domcapitul zu Trier | 


Cnunmehro Hr. Domdechant), und ift fhuldig, den Chor zu 
bauen. Die Kirch werden ohne Zweifel die übrige Zehendherren, 
das Pfarrhaus die Gemeind, mit dem Schulhaus: zu erbauen 
haben.” Die Kirche ift zu Ehren des h. Johannes des Evan- 
geliften geweihet, Der Stiftungsbrief der Abtei Laach vom J. 
1112 nennt unter andern Zeugen den Derno de Thure. Am 
6. Juni 1230 befundet Graf Heinrich von Sayn das guͤtliche 
- Abkommen, das er von wegen feines Hofes mit den Inſaſſen 
von Thür in Betreff des Pellenzfornd und bes Herbergrechtes 
getroffen hatte, Frauenkirchen ift im Umfang des Thürer Ges 
sichte gelegen, und daß des Kirchleins Umgebung noch zu Anfang 


Der Vertrag von 1761. 797 


bes 18. Jahrhunderts bewaldet geweien, beſagen bie Berichtes 
bücher und die Gemeinderechnungen. 

Bermöge Verordnung des Erzbifchofs Poppo follte Nieder- 
mendig auf Ableben der Wittwe Gerberg den Brüdern von St. 
Peters Dom in Trier zufallen. Am 23. Aprif 1215 wurde ber 
Zwift bes Domcapiteld mit der Abtei Laach und verfchiedenen Rits 
tern, welche den Feldzehnten befaßen, während der Saalzehnte dem 

Domcapitel zuftändig, durch Erzbifchof Theoderich entfchieden. In 
dem unter ber Rubrif Tpür befprochenen Vertrag vom em 
1761 beißt es, Art. 2: „Ihre Churf. Gnaden und das Erzftifft 
übergiebt dem Würdigen Domecapitul die bemfelben bis hiehin 
wiberfprochene jurisdietionem civilem zu Niedermendig , fo viel 
bie erfie Inſtanz betrifft, dergeflalt daß das Domcapitularifche 
Gericht bafeldften in denen ad jura einſchlagenden partie-Sachen 
bie Rechtsavis beym Domcapitularifhen St. Petersgericht oder 
beym fogenannten frummen Stuhl zu Trier einzunehmen gehalten 
feyn, die von bannen eingehende Rechtsavisen aber denen Par⸗ 
tien zu Niedermendig bey und in Namen des Berichtes eröffnet 
und publicirt werden follen. Würde fich aber ein Theil durch 
bie bey Gericht zu Niedermendig ertheilte Decreta, Befcheiden 
und eröffnete Avisen oder andere Berfügungen befchwert achten, 
fofort davon apellicen wollen, fo gehet die appellation in se- 
cunda instantia and Churfürftliche Hofgericht zu Coblenz, und 
fo ferner ad Revisorium. Art. 5: Die Landshoheit, das Merum 
Imperium, die Criminaljurisdiction bleibet, wie bishin Dem Hohen 
Stifft Trier alfo, daß das Gericht zu Niedermendig alle Sachen, 
welche zu Criminaljurisdiction und zur Tandeshoheit quovis modo 
einfchlagen, fich allerdings zu enthalten hat, jedoch wollen Ihro 
Ehurf. Gnaden Ihrem Würdigen Domcapitul die Eleine politica 
zu Niedermendig auf eben bie Art und Weife, wie folches bie 
Churfuͤrſtliche Aemtern zu thun pflegen, und nicht anderfi, mithin 
dependenter yon ber Randeshoheit subordinate zu bejorgen gnä- 
digſt gefatten. Art. 8: Das Pellenger Landgericht zu Frauen⸗ 
kirchen, weilen die Strittigfeit wegen Thür gehoben ift, bleibet 
bey feinem alten Herfommen und Gerichtbarfeit, dergeflaft, daß 
ber Richter, Schultheis und. Gericht zu Niedermendig denen von 








728 Rirdermendig, 


dem Gewaltsbotten dahin gelangenben billigen Requisitionen 
jederzeit zu deferiren gehalten feyn fol.” 

Die Pfarrfirde iſt zu Ehren des h. Eyriacus (8. Aug.) 
geweiher, Neben dem Domcapitel, beffen Hof, mehr denn 300 
Morgen baltend, am 28. Nov. 1811 um 32,700 Franken vers 
fleigert worden, waren von jeher mehre Herrfchaften bier bes 
gütert; der Kröngeshof wirb 1498 als Cölniſches Lehen, fo an 
die Schilling von Lahnflein ausgethan, genannt. Der Abtei Laach 
Befisthum (der Marienhof?) wurde im 3. 1807 für 11,160 Fr. 
verfleigert. Sie beſaß auch Steinbrüche, mehre ganz eigenthüm« 
lich, von andern erhob fie den 12ten, den 1iten, den 10ten, bis 
zum sten Pfennig, ja von einem Steinbruch, durch Beſtimmung 
bes Schenfers, fogar den zweiten Stein. Des Marienhofs Bogtei 
war, laut des Weisthums von 1382 bei den Burggrafen von 
heine, die von ihrentwegen 7 Pfund Pfennige, 12 Malter 
Hafer und AO Hühner bezogen, jegliches Huhn mit 5, eins mit 
10 Eiern, eines ohne Ei, und außerdem von einem Bufh 1 Schil⸗ 
ling und von einer Mühlenſtatt 3 Pfennige. Dagegen mußte ber 
Burggrafen Schultheiß am dritten Freitag nach Oſtern, d. i. 
Freitag nad) Misericordia Domini den Scheffen ein Effen geben, 
Salmen, gefotten und gebraten mit einer grünen Salfen (Sauce), 
Käfe und Erbfen. Wenn aber Salmen nicht zu haben, mag 
der Schultheiß die Scheffen bitten, daß fie den Donnerftag davor 
mit Fleifch vorlieb nehmen, und gleihwohl am Freitag Nedt 
weifen. Item haben die 14 Scheffen dag Recht, zu Nieder 
mendig in einem hierzu beflimmten Haufe an St. Martinstag 
vier Viertel Wein zu trinfen, ale welche der Burggrafen Schultheiß 
ihnen zu reihen hat von einem bei dem Dinghaus gelegenen 
Wingert; dagegen fisen fie an demfelben Tage bis zu Sonnen 
untergang bei dem Schultheißen, um die Vogtpfennige zu em⸗ 
pfangen von allen, welde Ländereien, zu St. Marienhof gehoͤ⸗ 
rig, befigen. It. der Vogtdienſte find drei: zu Oftern, St. Jos 
hannis Meffen und zu Weihnachten, Zu Oftern fallen an Vogt 
dienſt 4 Biertel Wein, nicht des höchſten, nicht des geringfen, 
der zu Niedermendig verzapft wird, ', Pfund Wachs, 1/, Pfund 
Pfeffer, ein Schwein von 1 Schilling, ein Lamm von 6 Denaren, 


— — 


Das Weisthum. 729 


2 Hühner und 1 Denar für Speck. Auch mag der Burggraf 
von Rheine auf den von dem Hof herrüßrenden Gütern in 
Tiedermendig und Bell Herberge nehmen und rauh Futter zu 
allen feinen Nöthen.” In einem Nachtrag von 1435 wird. ges 
fagt, dag Rollmann von Bell, der ein halber Vogt ift auf St. 
Marien Hof, wenn feine drei Vogtdienfte ihm nicht würden, 
einen Hengft und ein Pferd in Befchlag nehmen könne, bis das 
hin ihm fein Recht geworden, j 
Des Dorfes Vogt war nad einem Weisthum, welches vor . 
dem J. 1563 gegeben, ber Herr von Ulmen. „Bann Sad 
wäre, daß einer den Scheffendienft nicht annehmen will, dann 
fol der Vogt den Frohnen nehmen, und dur ihn dem Wider⸗ 
fpenfligen einen Strohwiſch in den Hof fleden laſſen, und fol 
demnach denfelben mit zwei Scheffen einmal, zwei⸗ oder dreimal 
beſchicken; ift er gutwillig, fo ift es gut, iſt er nicht gutwillig, 
fo fol der Bogt ihn verurfunden, fo mannich Tebendig Herz auf 
dem Hof, fo manich, 15 Albus, und alle Tag nod fo viel, fo 
fang und go viel bis daß er meinem Junfer Gehör gibt. St. 
weift der Scheffen, Waffer und Weide haben wir von bem 
himmlifchen Vater zu Lehen, dabei fol mein Junfer von Ulmen 
einen jeden ſchützen und fehirmen nad feiner Nothdurft. Auch 
‚iR er mächtig zu geben Borwert und Geleit für Schuld und 
Schaden, fo weit bie Vogtei geht, fo weit als Menniger Gericht 
und Bann if. Und ob meinem Junker der Schirm zu ſchwer 
wird, follen Die Domberren von Trier ihm helfen und Beiftand 
thun. St. weift der Scheffen dem Junfer zu zapfen ein Fuder 
Wein, das fol er acht Tage zuvor verfündigen laſſen in ber 
Kirchen, und der Scheffen fol ihn da fhügen, und fol in 14 
Tagen zu zapfen und au 14 Tage borgen und jeglihem Hofs 
mann ein Kerb geben. Wenn ein Hausmann den Wein nicht 
holt, fo fol ein Bogt bemfelbigen den Wein mit bem Frohnen 
heimfchiden; will er das nicht, fo mag er ben Wein in den 
Schweinetrog fehätten, und darnach Pfände dafür holen. 
„Siem weift ber Sceffen, ob meinem Junker Rent und 
Sülten worden wären und nur verhalten würden, daß foll man 
‚ anfehen Rollen und Regifter, find fie pfandbar, foll man fie 


750 \ Biedermendig. 


pfänden ; ift es eigen Gut oder Erbe, fo foll man fiillen und 
wifchen, und drei 14 Tag nachgehen, als Recht. Das erfte Jahr 
foll es driefch Liegen, das zweite Jahr Difteln und Dornen tra- 
gen, das britte Jahr fol es der Junker unter feinen Pflug 
fhlagen. Kommt doch der Hausmann mit allen Unkoſten und 
Schaden, fo foll man ihn wiederum zu feinem Out kommen laſſen. 
St. weift der Scheffen, ob jemanden eine Richtftellung vonnöthen, 
foll er mit zweien Scheffen bei den Vogt gehen, der fol ihm 
die Gerichtſtellung thun, dann fol dem Bogt wegen feiner Ges 
zechtigfeit werden 15 Alb. biefelbigen follen der Bogt und ber 
Domberren Schultheiß gleich eines Schweines Fuß theilen. It. 
wei der Scheffen, ob jemand Güter verfaufen wollt, der fol 
mit zweien Scheffen zum Bogt gehen und ihm die Güter ans 
bieten ; will ex fie dann kaufen, die Macht bat er, will er fie 
aber nicht gelten oder faufen, fo fol er ihm einen Kaufmann 
yergönnen. Ob jemand fo vermeflen wäre, und dem Junker 
nicht anbietet, fo foll der Verfäufer fein um fein Feld und ber 
Käufer um fein Geld. Zt. weift der Scheffen, wann giner eines 
Kommers vonnöthen, ſoll er bei den Krohn gehen, Her foll ihm 
ben Kommer thun; ift er nit anheims, fo fol er des Frohnen 
Frau nehmen iſt Diefelbige auch nicht einheimifch, fo fol er bei 
ben Bogt geben, it der Bogt auch nicht einheimiſch, fo ſoll er 
ben naͤchſten Höfer nehmen, der fol ihm den Kommer thun bis 
an ben Frohnen. St. ob jemand binnen der Vogtei gefummert 
- würde, und feinen Glauben noch Bürgen befommen fünnte, fo 
foll allhie ein Eifen oder Feſſel, das befhlüfftg, fein, darin fol 
ihn der Krohn oder Bogt befchließen, und wann berfelb ſich 
weigert, fo follen fie fo viel Höfer zu fich nehmen, daß fie ihm 
ſtark genug find. Alsdann fol ihm derjenige, fo ihn gefummert, 
alle Tage vor 3 Heller Brod und ein halb Maas Waffer „geben, 
und wann berfelbe das einen Tag verfäumt,, und dem Gefüms 
merten ſolches nicht gäbe, fol man den andern Tag den Geküm⸗ 
merten los erfennen ; den foll auch ber Vogt zu dreien 14 Tagen 
allemal vor Gericht fielen, kann er fih dann verbedingen, fol 
man ihn los erkennen, iſt das aber nicht, fo fol der Vogt ihn 
wiederum einjchließen zum zweiten und brittenmal, Darnach fol 








. 
Das Weisthum. 751 


ihn der Bogt fragen, biemweil er nicht Bürgen noch Glauben hat, 
welchen Strid er hinaus wolle? und fol der Bogt ihn auf bie 
Sur führen und paffiren laſſen, damit fol ihm fein genug 
geſchehen. | 

„St. fo einer eine Gift oder Donation thun wollte, foll er 
68 zum wenigften vor dem Vogt und zweien Scheffen auf freier 
Straßen thun, und foll demnach die Güter Jahr und Tag meis 
den und berfelben müßig geben. St. fo ſemand Marfens vons 
nöthen, foll er es dem Vogt angefinnen, der fol ihm die Mar- 
fung thun vermittels des Scheffen. Bruder und Schwefter mögen 
nur einmal mit einander marken, und darachter nicht mehr. Auch 
fo jemand fo vermeffen, der Marffteine ausöre oder grübe, den 
fol man bis zum Gürtel in die Erde graben und mit einem 
Pflug ihm durch fein Herz fahren. Damit fol ihm genug und 
recht gefchehen fein. Zum Geding der Scheffen ſoll der füngfle 
Scheffen die Sopp kochen, und mein Junker ihm geben A Viertel 
Wein, 3 Alb. vor Urfund, und 20 Heller vor Kraut. Dies ift 
der Thugbherren Gerechtigkeit. Die Churmut fein alle den 
Thumbherren, fie feien groß oder Flein. Iſt es eine große Chur⸗ 
mut, fo mag der arme Mann bag befte Haupt vorher abnehmen, 
das andere darnach mögen die Thumbherren nehmen. Für eine 
große Ehurmut muß der Hausmann 15 Morgen Land haben, ift 
es ein Viertel weniger, fo ift es ein Flein Churmut, thut ein Hemd, 
das mag der Mann löſen mit 15 Heller, Item weift man ihme 
ferner zu alle Wetten und Bußen; die follen die Thumbherren 
und mein Junker gleich theilen und endtgeben als ein Schweins⸗ 
fuß, feiner ohne die andern.” 

Im 3. 1817 wurde die Bevölkerung von Niedermenbig zu 
921 Köpfen, darunter 21 Juden, angegeben, baß fie alfo fener 
von Obermendig vollkommen glei, 1843 zählte der Drt in 239 
Hänfern 1399 Einwohner, Seitdem hat ber fortwährend ſich 
erweiternde Grubenbau viele fremde Arbeiter herbeigezugen, und 
verdanfen biefen die vielen neuen Kleinen Häufer den Urfprung. 
Außerdem werben in dem Iebhaften Drte mancherlei ſtaͤdtiſche 
Gewerbe betrieben, namentlich Bierbrauerei, welcher in den vers 
laſſenen Gruben von außerorbentlicher Tiefe die herrlichſten Fel⸗ 





732 “ Gbermendig. 


ſenkeller geboten ſind. Das in dieſen Brauereien erzeugte Bier 
findet ſtarken Abſatz, ſelbſt in größerer Ferne. 

Obermendig, von Niedermendig nicht viel über eine halbe Vier⸗ 
telftunde abgelegen, hatte im J. 1817, einfchlieglich der 16 Juden, 
921 Einwohner, 1843 in 221 Häufern 1298 Menfhen, Obermen⸗ 
big, Bolfesfeld und der Zehnte in Mayen find ungezweifelt durch 
Schenfung eines der fogenannten ſächſiſchen Kaiſer an St. Florins 
Stift in Coblenz gelommen. Gegen befagtes Stift nahm Das Frauen 
Hofter Dünnwald bei Cöln ein Drittel von dem Patronatrechte der 
Kirche zu Obermendig in Anſpruch, bis dahin Erzbiſchof Theoderich 
son Trier am 21. Mai 1217 einen Vergleich vermittelte, laut 
deſſen das Klofter feinem Anfpruch verzichtete, und ſich lediglich 
den Zehnten ber von den Herren von Hardenberg erfauften Güter 
vorbehielt. Dreißig Jahre Ipäter rechteten der Propft von St. 
Florin und Rihwin, der Paſtor yon Obermendig, mit der Abtei 
Laach von wegen des Beſitzes der Capelle in dem benachbarten 
Dorfe Bel, welche doch Abt Heinrich von Laach im Januar 
1248 dem Paſtor überließ, unter der Bedingung, baß er ins⸗ 
Fünftige die Seelforge im Orte übernehme, wofür er jährlich von 
der Abtei 9 Mltr. Korn beziehen follte. In der Brudertheilung 
zwifchen den beiden Söhnen bes Grafen Johann von Sponheim, 
1265 , wird nicht nur Winningen, fondern auch Mendig, , oder 
genauer zu reden, das bafige Vogteirecht dem Grafen Heinrid 
zugetheilt. Im J. 1315 übertragt die Abtei Siegburg dem Burgs 
grafen von Rheineck eine Wachszinspflichtige zu Mendig, tauſch⸗ 
weife für den Zins, ein Pelz und zwei Sjagdftiefel, welchen bie 
Abtei dem Burggrafen zu entrichten fehuldig geweſen. Zu Lichts 
meſſen 1336 verfauft Graf Johann von Sponheim an Paulus 
von Eich Obermendig, Volkesfeld, Benbach und Trimbs um 
1200 Pfund Heller, wogegen Heinrich von Eih am 238. Okt, 
1343 befennt, daß er Fein Recht zu diefen weiland durch Herren 
Paulus von Eich angefauften Gütern habe, indem biefelben des 
Burggrafen Heinrich von Rheineck Eigenthum feien. Am Mons 
tag vor Philippi und Jacobi 1398 fteilt Graf Johann von 
Sponheim dem Pfalzgrafen Ruprecht einen Lehenrevers aus von 
wegen Enkirch, Winningen, it. des Dorfes Obermendig „mit dem 


Der Vertrag von 1662. 753 


bad und da gehöre”. Am 31. Det. 1461 entfcheidet Kurfürft 
Johann von Trier in Sachen des St, Florinsfliftes, als ber 
Ortsherrſchaft, und der Burggrafen von Rheineck als Stifts⸗ 
vögte zu Obermendig,, von wegen der Huldigung. Durch Ver» 
trag vom 28. Aug. 1662 hat das Stift förmlich die Trierifche 
Schugherrlichkeit für DObermendig und Bolfesfeld .anerfannt, 
„auch in Betracht und Recognition derfelben an der Trierifchen 
Geiſt- und weltlicher Landſchaft Special- und general Einnehmer 
jährlich Termino Bartholomaei 50 Rthlr., und weiter nichts, 
zu entrichten, verheißen, nachdem Dechant und Capitul und 
ihre Antecessores auf folhem Drt a primaeva fundatione yon 
dergleichen Recognitiongforberung frey herbracht, und fonften 
von männiglichen in Zxereirung ber obers und niederobrigfeit« 
licher jurisdiction ohne einige Eingriff oder Confradiction ruhig 
nnd unturbirt gelaffen worden, und daß fie an felbigen Ort mit 
einem Specialadvocaten und Schirmherren, als dem von Wars⸗ 
berg (der Burggrafen von Rheineck Nachfolger) verfehen, welcher 
gegen fichere anfehnliche recognition fie und bie Unterthanen 
contra quoscunque zu [hüten und zu manuteniren fchuldig.” 
Sn dem Weisthum von 1382 fagt Burggraf Heinridh von 
Rheineck: „In dem Hofe der Herren von St, Florin mag ich 
mit meinen 14 Sceffen dingen von all meinem Gericht und 
Herrlichfeit, und da müſſen mie die Herren von St. Florin ein 
Feuer machen ohne Raub, wie das der Scheffen erfannt hat, 
und follt es rauchen, find fie mir mwettfällig. Auch haben bie 
Scheffen geweifet, daß fie nun fein Badhaus haben, fondern 
baden in ben zwei Badhäufern, jo dem Herren von Obermendig 
zu verantworten fliehen, und das dritte Brod geben von den Bad 
häufern. Zt. fragte ich, wie viel bie zwei Bannfuder Wein halten 
folfen, die ich zu Obermendig verzapfen fol? Da erfannten fie, 
unter 11 Ohm nicht, Pellenzer Maas, und follte die Gemeinde 
den Wein holen zu Winningen oder zu Rheine mit ihrem ge⸗ 
fornen Heimburger und ihn nad Mendig führenz und der Wein 
follte 14 Tage gehen, und was dann in den. Fäffern bliebe, das 
follten die Scheffen umfenden und die nächſten 14 Tage darauf 
follte das Geld gehandreicht werben ; wer das nicht erlegte, den 


734 GObermendig. 


möge man bafür pfänden. Dann ſoll niemand zapfen, fo lange 
der Bannwein dauert, wer das aber thäte, ſoll der höchſten Buße 
verfallen fein.” Ein anderes Weisthum, von 1448, gilt ledig⸗ 
fh dem Hofe des Klofters Dünnwald. In jenem von 1531 
werben des Klofters Gerechtfame im Dorfe beſprochen. 

Der Dunnwalder oder Brüberhof kam mit dem gefamien 
Beftstbum des Kloſters Dünnwald an die Abtei Steinfeld, und 
wurde von biefer am 25. Juni 1724 um 8000 Rthlr. an bie 
Abtei Laach verkauft. Er gab 18 Mitr. Korn Pacht, und hat 
die Domatinenverwaltung ihn 1808 um 35,200 Franfen ver 
äußert, gleichwie 1809 um 8025 Franken die Hohenredhermühle 
und um 2500 Franken das ebenfalls der Abtei Laach zuftänbige 
Röderhöfchen. Des St, Florinsftiftes Hof, 148 Morgen, wurde 
am 26. Prairial XII verfleigert, um ben Preis von 25,500 
Sranfen. Ein Feines Gut befaßen die von Warsberg, als der 


Burggrafen von Rheineck Nachfolger. Heinrih von Mendig, 


Ritter, und feine Hausfrau Ottilia vergaben im Januar 1266 
ihre fämtlihen Weinberge zu Kettig an das Klofter Himmeroth, 
unter der Bedingung, daß von deren Ertrag am Tage ihres 
Jahrgedächtniſſes den Brüdern ein Zrunf gereicht werde, ‚ut 
tam pro nobis, quam etiam pro antecessoribus nostris apud 
Dominum devotius intercedant.““ Hierbei wird unter ben Zeugen 
Nitterfiandes Arnold von Mendig, gleichwie 1274 Heinrich yon 
Mendig genannt. 

Die Pfarrkirche tft der h. Genofeva geweihet, nicht zwar 
berjenigen, von welder bis auf diefen Tag die mandherlei Er 
- innerungen zu Mayen und Frauenkirchen ſich erhalten haben, 
fondern ber an ben Ufern ber Seine heimifchen Schugpaironin 
von Paris (3. Januar). Auch von diefer Genofeva zu handeln 
seranlaßt mich eine in Browers Metropolis aufbewahrte fromme 
Sage. Wenn, beißt es dort, in einem Gewitterfiurm auf dem 
Dad der Pfarrkirche zu Dbermendig Flammenſäulchen fichtbar 
werben, dann, fagen die Anwohner, hat St. Genofeva ihre 
Kerzen angezündet, das Gewitter iſt gefegnet, und wird ohne 
Schaden vorübergehen. Dem beruhigenden Glauben Tiegen ver 
ſchiedene der Heiligen zugefchriebene Wunder zum Grunde. Mehrs 


Pie 5. Genofeva von Paris. 755 


malen bat in ihren Händen eine erloſchene Kerze wiederum zu 
leuchten angefangen. Lange nach ihrem Ableben wurbe bas ihre 
zu Ehren erbaute Klofter dur die Normänner eingeäfchert, 
vorher hatten jedoch die Kloflerbrüder das Haus verlaſſen, ben 
Schrein der Heiligen mit fih führend. Auf einem ihrer Güter 
dachten fie den Sturm abzuwarten. Weit war ber Weg, viele 
Einwohner der bedrohten Stadt hatten ſich dem Zuge angefchlofs 
fen, fortwährend firömten neue Flüchtlinge hinzu, und die Nacht 
brach ein, bevor der Zufluchtsort erreicht. Bon Finſterniß ums 
geben, der Dertlichkeit unfundig, in fleter Gefahr von denen 
auf der Ferſe ihnen folgenden Maffen zertreten zu werben, wurden 
aus diefer Noth die Brüder durch die Zürbitte ihrer Schugheiligen 
gerettet. Der Wind hatte gleich Anfangs die dem Schrein vor 
getragene Kerze ausgelöſchet, ald aber die Reifenden des Lichtes 
am mehrften bedürftig, entzündete fi von felhft die Kerze, um 
die bedrängten Auswanderer zum Port des Heild zu geleiten. 
Das nämliche wiederholte fih, als bie Flüchtlinge, nachdem die 
Normänner abgefunden, den Heimweg furhten; in der Ueberfahrt 
der Seine wurde ihnen das Licht ausgeblafen, fie richteten ein 
Gebet an die Heilige, und augenblicklich brannte heil die Kerze, 
wie das die unzähligen Zufchauer, denn die ganze Bevölkerung 
befand fih auf den Beinen, bezeugen werben. 

Genofeva wurde um das J. 425 zu Nanterre, zwifchen Paris 
und Saint-Germain geboren ; ihre Eltern, Severus und Gerontia 
waren dort, und, wie es feheint, mit ziemlich bedeutenden Gütern 
anfäffig. Nach der einfachen Sitte des Zeitaltere hat bad Kind 
die Schafe gehütet, daneben aber von Jugend auf bie Anleitung 
zu einem frommen Wandel empfangen. Daß Genofeva dem 
Dienfte des Herren ſich weihen möge, war des Vaters fehnlicher 
Wunſch, und denfelben dereinft zu erfüllen hat fie in dem zartefien 
Alter fih angeſchikt. Der h. Germanus von Aurerre und der 
h. Lupus von Troyes befuchten auf ihrer Fahrt nad) Britannien, 


wo die Pelagianifche Kegerei zu befämpfen, das flille Nanterre, 


fo jedoch in Erwartung ihrer Anfunft ungemein Tebendig ges 
worden, Alles Volk Hatte fi) verfammelt, die Heiligen zu be= 
“grüßen und ihnen das Geleite nach der Kirche zu geben. In 


u} 


756 | Gbermendig. 


bem Gebränge ftel bie kaum fiebenjährige Genofeva dem b> Biſchef 
von Aurerre auf, er rief fie zw ſich, befragte fi. Das Kind 
ſprach von feiner Abſicht, dem Dienfte des Höchften ſich zu wib- 
men; der Bifchof legte ihm die Hände auf, ertbeilte ihm den 
Segen, gab dem Bater auf, ihm am andern Tage, vor ber 
Abreife, die Kleine zuzuführen. Der Weiſung gehorſam, fam 
Severus mit feiner Tochter. Germanus fragte, ob fie bei ihrem 
Entfchluffe beharre; die bejahende Antwort vernehmend , Tegte 
er ihr eine Fleine Fupferne Medaille, worauf das Zeichen ber 
Erlöfung, das Kreuz geprägt, um den Hals. „Das Krem,” 
ſprach er, „foll die einzige Zier einer Braut des Heilandes fein,” 
baneben ihr das Tragen von Koftbarfeiten, goldenen Halsbän 
dern und fonftigen Kleinodien unterfagend, Die Worte des Heis 
ligen bewahrte Genofeva treulih in ihrem Herzen, und führte 
fie von dem an ein Leben der Selbftverläugnung. 

Im Gebet nicht minder eifrig, hatte Genofeva einftens fih 
Rechnung gemacht, die Mutter nach ber Kirche begleiten zu bür 
fen. Das wollte Frau Gerontia nicht zugeben. Unter heißen 
Thränen beflagte das Kind, daß ihm nicht geſtatiet fein ſolle, 
das Haus des vom h. Germanus ihm verheißenen Bräutigams 
zu befuchen, und der Wehflage entgegnete Gerontia zürnend mit 
einer Ohrfeige. Die war nicht fobald gefallen, und die Stra 
fende wurde mit Blindheit gefchlagen. Zwei Jahre, weniger 
drei Monate, blieb fie des Augenlichtes beraubt, ba erinnerte fie 
fih der Worte, in welchen der h. Germanus des Kindes fünf 
tigen Beruf verfündigt. „Geh mein Kind,” ſprach fie zu der 
Kleinen, „nimm einen Schöpfel, fülle den am Brunnen und veide 
mir den Trunk.“ In Eile gelangte Genofeva zum Brunnen, 
fhmerzlihe Thränen vergoß fie an defien Rande über ber Be 
trachtung, daß um ihrentwillen die Mutter erblindet, fie fchöpfte, 
reichte den Becher, über welchen fie das Kreuz gemacht, der 
Mutter dar, Die erhob zum Himmel die Hände, tranf in Ehr⸗ 


furcht und feftem Glauben, und erblidte fofort einen Schimmer 


von Tageslicht. Noch zwei oder dreimal mußte fie Das wieder⸗ 
holen, und vollfländig war die Sehfraft ihr wiedergegeben. 


Die h. Genofeva son ‚Paris. 757 


In dem Alter von 15 Jahren empfing fie aus den Händen 
des Bifchofs Zulicus von Chartres den Schleier, ohne darum 
der Eltern Haus zu verlaffen. Erft nad deren Tode versog 
fie nach Paris, wo fie bei ihrer Pathin lebte. In einer Stadt 
voll der Müffiggänger bot die Haltung, die Führung ber Jungs 
frau den Berläumbdern reichlichen Stoff; daß eitel Verſtellung und 
Trug ihr andächtiges Wefen, wurde vielfältig behauptet und 
geglaubt. Als fie, bei Annäherung des Hunnenfönigs Attila 
den zitternden Parifern die Verfiherung gab, daß ihre Stadt 
von ben Feinden verfchont bleiben würde, erhob fich zumal gegen 
fie der heftigſte Sturm; die, welche einzig in der fehleunigften 
Flucht ihr Heil zu finden glaubten, behandelten fie als eine faljche 
Prophetin, als eine Berführerin des Volkes, und brachten es 
dahin, daß nur mehr die Frage, ob fie gefteinigt oder in den Ab⸗ 
grund geftürgt werden folle. Glücklicherweiſe kam gerade um diefe 
Zeit nad) Paris ber Archidiaconus von Aurerre: vernehmend, 
was man mit ber Aermften vorhabe, eingedenf bes hohen Lobes, 
fo vielfältig der hd. Germanus ihr gefpendet, brachte er durch 
fein Zureden die Rafenden zur Beſinnung, und die eben nod) 
ben Parifern eine tobeswürdige Verbrecherin erfchien, wurde 
ihnen mit dem Abzug der Hunnen, als wodurch die Prophezeiung - 
erfüllet, der Gegenftand der innigften Verehrung. Man hielt fih - 
überzeugt, daß vornehmlich durch der Genofeva inbrünftiges Gebet 
die Stadt gerettet worden. 

- Bon dem an mußte, was auch immer in den Angelegenheiten 
des gemeinen Wefeng vorzunehmen, vorderfamft mit der Demüthigen 
Jungfrau berathen, durch die Kraft ihres Gebetes eingefegnet 
werben. Bortheile vom höchſten Belang hat fie durch ihre Für- 
bitte, und auch durch ihren Rath der Stadt verfchafft, abfonderlich 
in den Zeiten bitterer Noth, die durch eine ganzer zehn Jahre 
fortgefegte Umfperrung veranlaßt. Durch fie allein wurden die 
Armen ernährt; dafür die Drittel fih zu verfchaffen, bat fie 
einſtens die feindlichen Linien durchbrochen und bis nach Troyes 
fi gewagt, von bannen fie eilf mit Lebensmitteln beladene Schiffe 
zurückbrachte. Nicht nur, daß Genofeva zur Befehrung des Franken⸗ 

koͤnigs Chlodwig eifrigſt wirkte, ſie hat ihn auch beſtimmt zu 


Rhein, Antiquarius, 3. Abth. 2. Bd. 47 


758 ’ ©bermendig, 


Ehren der bh. Apoftel Peter und Paul die Kirche zu erbauen, 
welche nachmalen unter Genofevens Anrufung fo berühmt werben 
follte. Desgleichen hat fie, mit anderer Frommen Beihülfe, auf 
der Stelle, wo der h. Dionyfius und feine Gefährten die Marter 
erlitten, eine Kirche erbauet, ein Unternehmen, von welchem fie 
abzubringen, man vornehmlich die Schwierigfeit der Beſchaffung 
des nöthigen Kalfes geltend machen wollen. „Gebet doch zur 
Brücke,“ ſprach Genofeva. zu den Abmahnern, „und berichtet 
mir, was Ihr dort hören werdet.” Die Herren, geiftlichen 
Standes, begaben fi auf den Weg, und waren nicht weit gefom« 
men, als das Iebhafte Gefpräc zweier Schweinehirten ihre Auf 
merffamfeit erregte; fie laufchten, und die Hirten erzählten einan⸗ 
der von zwei mächtigen, unlängft durch Zufall entdedten Kall⸗ 
brüchen in der Nähe der Stadt. An Verdienſten und an Sahren 
reich entfehlummerte Genofeva den 3. Jan., des Jahres 512, nad 
der wahrfcheinlichften Berechnung, Die Leiche wurde in St. Peter 
und Pauls Kirche beigefegt, nach Jahren erhoben, und einem 
Schrein, von der funftreihen Hand des h. Eligius gefertigt, 
eingefchloffen. Einen noch foftbarern Schrein, der mit Edelfteinen 
überfäet, hat im %. 1242 der Abt von Ste. Genevieve angefhafft. 
Den ließen die Beſtien, welchen Frankreich feit 1789 verfallen, 
wegnehmen, die darin enthaltenen Reliquien der h. Schußpatronin 
von Paris auf dem Greveplag verbrennen, während fie ihren 
Heiligen, ihren Marat in den neuen, neben der alten Genofeven« 
fire erbauten Tempel, „aus grands hommes la patrie recon- 
naissante,““ aufftellen ließen, bis nach wenigen Tagen bem Aaſe 
geihah, was des Aafes werth. 

Die. Andacht, das Bertrauen zur h. Genofeva hat die Re⸗ 
volution auszutilgen nicht vermocht. Zu Nanterre zeigt man 
noch das Kirchlein, la chapelle de Sainte-Genevieve, auf der 
Stelle, wo einſtens bes Severus und ber Gerontia Haus ges 
ftanden bat. „Au milieu,““ fehreibt Dulaure, „est un puils qui 
servoit, dil-on, au menage de cette sainte famille ; c’est pour- 
quo; l’eau qu’on en tire a la reputation de faire beaucoup 
de miracles; en consequence, le peuple vient en foule s'en 
abreuver; on en remplit yn baquet- de pierre, auquel sont 


Pie h. Genofeva van Paris, 739 


atiachdes, avse une chafne de fer, deux grandes cuillers de 
fer, oü les dévots boivent âà longs traiis oette ligqueur mi- 
raculeuse.“‘ 

In beredtern Worten befehreiben die fogenannten Sowvenirs 
de la marquise de Creqguy bie Wallfahrt nach Nanterre: „Mr 
de Marsan, avec gui je faisais souvent de petites devolions 
en parties fines, sen vint un jour me chercher pour aller 
boire de Feau du puits de sainte Greneviöve, a Nanterre, 
pendant la neuvaine de sa fete patronale, car elle avast nom 
‚ @enevidve ‚ et nous voildä parties dans son vis-d-vis dore, 
moitid disant nos patenötres, et moitie nous divertissant sur 
notre pelerinage, car il ne fallait pas, disait-elle, essuyer le 
godet de fer dans lequel on buvait de l’eau de sainie Grene- 
vieve : il était enichafnd a la fontaine; et, sur toute chose, 
ıl’ne fallait pas en laisser une seule goutte au fond du godet, 
qui tenait pour le moins un quart de pinte. La bonne prin- 
cesse était passde maitre en fait de pelerinages et de de- 
votionneties, comme disait le Cardinal de Fileury. 

„Il faut vous dire que ceiait ume eau souveraine pour 
les yeur, oü nous n’avions aucun mal, et lorsque nous fümes 
arrivees en vue de la fontaine, elle etait entourde d’une si 
grande yuantite de paysannes et de campagnardes qu'il etait 
impossible d’en approcher, ce qui fit que nous descendimes de 
carrosse et nous tinmes à l’ecart avec une modeslie charmante. 

„Il y a, suivant moi, dans la devotion des habilans de 
Paris pour sainte @eneviöve quelque chose de particulierement 
touchant, de local et de notoirement vrai. C’est comme un 
enfant de la paroisse; on dirait quelle est morte hier. En- 
suite, c’etait une humble fille, une simple villageoise ; on n’a 
pas di la flatter pendant sa vie, ni Vexalter injustement 
apres sa mort. Ilyatant de simplicite d’intention, de droiture 
et d’ingenuite dans cette chronique! On voit quil ya de 
T’authentique et de l'incontestable au fond de cette legende ! 
Et de plus, ce tombeau gaulois devant qui tous les chefs 
sicambres et les Rois chevelus se sont agenouilles; ces cou- 
ronnes de pierreries et lous ces dons royauz; ces reliques 
enchassdes dans lor ei la soie; ces ossemens vendres, sur qui 


47 * 


740 -  ©bermendig. 


les magistrats, les peuples et les princes francais ont toujours 
eu les yeur fires depuis quatorze siecles! — Enfin toutes ces 
traditions de notre vieux Paris, tous ces actes d’une charitt 
memorable et ces faits miraculeux qui sont enregistres jusque 
dans Ü'histoire profane, ont eu cela de particulier, du moins, 
qu'ils n’ont jamais été dementis ni contesies par aucun sec- 
taire, et lon dirait veritablement que la douceur et Ühumilile 
de' sainte Genevieve auraient desarme les ennemis de la fo. 
„»„Ayez donc.la justice et la bontd de ne pas m’attaquer sur 
‚les prodiges operes par cette bonne Gauloise (m’ecrivait un 
jour Voltaire, et je garde sa letire). Celui des Ardens, 
par esemple, m’est aussi bien demontre que la mort de 
Tibere ou la brutalitE de Calvin. J’eprouve une emotion 
d’enfant sitöt qu’il est question de Genevieve! C’est ma bergere, 
et c’est ma bonne vierge, @ moi! N’en parlons plus, Madame, 
à moins que vous n’ayez jurd de me persécuter. 
Jenes Miracul des Ardens trug fih zu im 5%, 1130. Eine 
anfterfende Krankheit, les Ardens genannt, weil die Leidenden einen 
innerlihen Brand empfanden, der Durch Fein Mittel zu ſtillen, hatte 
die ärgften Verheerungen angerichtet. Die Meberlebenden nahmen 
ihre Zuflucht zu der Heiligen. Ihr Schrein wurde in St. Gene 
feven Kirche erhoben und in feierlicher Proceffion nad) Notre- 
Dame getragen. Kaum hatte die Proceffion fih in Bewegung 
gefegt „ jo bemerkte man, zunächſt in den von ihr durchzogenen 
Straßen, das Abnehmen der Seuche, neue Erfranfungen famen 
nicht mehr vor, Die Siechen indgefamt erfianden in wenigen Tagen 
yon ihrem Lager, einzig Drei ausgenommen, „quia non est 
omnium fides““. Es haben feitdem in allen großen Calamitäten 
bie Pariſer zu der Heiligen ihre Zuflucht genommen, mit allem 
erdenflihen Pomp ihren Schrein erhoben, und demnächſt in einer 
Proceffion, welche die ganze Stadt vereinigte, ihn nach Notre- 
. Dame getragen, wo er während des Hochamtes ausgefegt blich, 
wie das umftändlich befchreibt L’Ordre et cer&monie observee, 
tant en la descente de la chasse Madame Sainte Genevieve, 
Patron’ de Paris, qu’en la procession d’icelle. Par E. Le 
Liepure Paris. A Paris 1611. Vorſchriftsmaͤßig mußten bie 


Pie h. Genofeoa von Paris. 741 


Domberren von Notre-Dame, um das Heiligthum abzunehmen, 
ben Schrein des h. Marcellus mit fich führen, „car Ton dit en 
commun: proverbe que saincte Geneviefve ne partiroit si sainct 
Marceau ne la venoit guerir.“ 


Geisbuſch, Monreal. 


Von Obermendig kehre ich nach Mayen zurück, doch nur 
um durch das von einem Thurm beſchützte Oberthor zu der gegen 
Monreal gerichteten Straße zu gelangen. Sie führt, fortwährend 
ſich erhebend, zum Theil durch Wald, den Hof Geisheck zur 
Linken laſſend, aus dem Thal der Nette nach jenem der Eltz, 
zunaͤchſt dem Geisbuſch zu. „Geisheck ware fonften fein Hof, 
fondern eine Schäferey zu dem Schopenhof nunmehr in dem Dorff 
Berresheim gelegen: biefer gehörte dem Junker Johann von 
Helffenftein , ift von Kurfürften Reichard von Greiffenflau nad 
dem frangöfifchen Krieg in Befig genommen, und aus biefer 
Schäferey ein befonderer Hof, welcher auch der Schäferephof 
denamfet, errichtet worden.” Er wurde den 24. Sept. 1812 um 
6000 Franken verfteigert, und Hielt damals 80 Morgen. Die 
Burg Geisbufh und den anliegenden Hof haben Johann von 
Bold, Ritter, und Bela, Eheleute, dem Erzbifhof Balduin 
son Trier, gegen Empfang von 200 Pfund Heller, zu Lehen 
aufgetragen, 6. April 1332. Befagter Johann war zugleich Burg⸗ 
mann zu Mayen von wegen eines in der Stadt beiegenen Hofes 
und mehrer Grundflüde. Bon dem Geisbufh ift ferner bie 
Rede in einer Urfunde vom Donnerflag nad Petri Kettenfeier 
1345, bes folgenden Inhalts: „Wir Heinrih von ©. ©. Land⸗ 
graf zu Heffen, Siegfried Graf zu Wittgenftein, Philipps Graf 
zu Solms, Kraft von Hohenfeld und Guntram von Hagfeld, 
Ritter, thun Fund, daß auf den nädhften Tag nach St. Peters 
Tag, als der Auguft angeht, wir dabei waren in einem Schiffe 
bei dem Dorfe Wallersheim, niedewendig Coblenz, auf dem 
Rhein, dag Adolf, des Grafen Rupredt von Birnenburg 
‚Sohn, bethädingte Heren Johann von Eltz, Ritter, vor dem 





742 | Der Geiobaſch. 


ehrwürdigen in Gott Bater Heren Baldein, Erzbifchof zu 
Trier, und daß ber vorgen. Adolf fagte Hr. Sohannen, daß 
die edel Frau, bie Gräfin von Cleve und Frau zu Montreal 
und die Ihren gebrannt und gebrandfchagt worden, und bas 
wäre gefchehen aus dem Geisbuſch und der Fefte zu Mapyen, 


- darin Hr. Johann ein Amtmann wäre, und da Hr. Johann das 


verantwortete und ſprach, den Geisbuſch wolle er nicht verants 
worten, aber von Mayen follte man das nicht finden, und wo 
man bas fände, wollte er gegen eine zehn Mark fegen, ſprach 
Adolf, er wolle es wohl beweifen, und Johann antwortete, es 
wäre nicht alfo, und daß darnach aud andern Worten Adolf 
Hrn. Zohann Rügen firafte, und ſprach Adolf wider Hrn. Johann 
diefe Wort: „„fo mir Gottes Kopf, Ihr lügt als ein Böfewicht 
und ich fage wahr,““ und griff mit demfelben Adolf mit ber 
rechten Hand in fein Meſſer und mit der linken Hand in fein 
Schwert und trat vorwärts, und dba griff der Herr von Trier 
nad) dem Adolf, und da er ihm entwifchte, bieß er ihn haften 
um ben Frevel, den er da begangen hatte. Diefe Gefchichte fahen 
und hörten wir und fpreden das auf unfere Befcheidenheit, und 
waren auch viel andere Herren, Grafen, Ritter und andere Leute 
dabei, die das auch fahen und hörten.” 

Johann von Geisbufh, Ritter, verheißer dem Erzbifchof 
Kuno bie Einlöfung der von ihm verfauften Kornrente von 30 
Mitr. zu Langenfeld, 1. Januar 1385, befiegelt auch einen Brief 
vom 6. März 1386. Am 8. Det. 1410 trägt Rollmann vom 
Geisbuſch dem Erzbifchof von Cöln den halben Zehnten in Kaiſers⸗ 
efh zu Burglehen in Nürburg auf, Am 15. Januar 1418 m. T. 
genehmigt Erzbifchof Dito von Trier den Bertrag, wodurch diefer 
Rollmann ber Witwe feines Bruders Heinrich, der Elifabeth 
von Schöned, die Wohnung in dem Haufe zum Geisbuſch ges 
ftattet. Zu Oculi 1428 befennt Graf Ruprecht yon Virnenburg, 
bag die 600 Gulden, weiche Heinrich von Geisbuſch bei ihm, 
unter Verpfändung feines Antheild der Herrlichkeit: Langenfeld 
entlehnt hatte, auf deſſen Ableben von Heinrichs Bruder Roll 
mann bezahlt worden feien. Am 10. Nov. 1432 erflärt der. 
nämliche Rollmann, dag er die Wingerte, den Zehnten und bie 


Die Ritter von Geisbuſch. 743: 


Kirchengift zu Kell von der Cölniſchen Kirche zu Leben trage. - 
Sein gleihnamiger Sohn empfängt die Lehen über den Geid- 
buſch am 29. Sept. 1448, vergabt im 5. 1463 mit Willen feiner 
‚Hausfrau Hillenberg von Schöne, der Erbin von Zievel, alle 
feine in die Gemarkung von Kell gehörigen Güter und Pächte an 
die Kirche in Tönnisftein,, übertragt 1485 ein Drittel von dem 
Cölniſchen Lehen Kell an Dietrich Wolf von Molendorf, und 
verkauft in Gemeinfhaft feiner Söhne Karl und Rollmann am 
31. Det. 1484 an das Stift Münftermaifeld die vor demfelben 
lehnrührige Vogtei des Stiftshofes zu Valwig, die er in Ge⸗ 
meinfhaft mit Safentin von Arentbal, der bei dem Verkauf 
betheiligt, befeffen hatte. Der Sohn Rollmann empfängt Mitts 
woh nad St. Lucas 1493, dann am Dienflag nah St. Ka⸗ 
tharinen 1503 und letzlich 1512 die Belehnung über ben Geis⸗ 
buſch, verfauft auch am Mittwoch nach Reminiscere 1503 m. T. 
mit Zufiimmung feiner Gemahlin Anna von Kettig genannt von 
Ringsheim die Vogtei zu Pülich, Birnenburgifches Lehen, an 
Rollmann von Gertzge, und tragt Dagegen dem Grafen Philipp 
von Birnenburg die im Dayener Gericht belegene Frau⸗Lieſenwieſe 
zu Lehen auf. Rollmanns Söhne Werner und Franz empfingen 
1521 die Lehen über den Geisbufh. Im J. 1532 wird Werner 
allein damit befehnt, und ift darin feine Nachfolgerin geworben, 
aut ber Lehenbriefe von 1538 und 1541 feine in zweiter Ehe 
an Karl von Monreal verbeurathete Wittwe Katharina Triftant 
von Trier. Nach ihrem Tode wurde 1547 der ihr überlebende 
Karl von Montreal mit dem Lehen begnadigt, deſſen für feine 
Lebtage zu genießen. Er haufete noch 1550 auf dem Gute, wel- 
ches endlich mit feinem Ableben, zufamt dem Reichsdorf Kerig, 
wo die Einwohner nad Geisbuſch Teibeigen, dem Ersftift Trier 
heimgefallen if. Seitdem galt der Hof Geisbuſch als eines der 
werthvollſten Pertinenzflüde der Kellnerei Mayen; unter fran« 
zöfifcher Herrichaft wurde er den 5. Sept. 1807 um 29,100 
Franken verfauft. Er hielt an die 200 Morgen, 

Zu Kaifersefh weiß man bie Stelle anzugeben, wo, eine 
halbe Stunde von dem Städtchen entfernt, die Eifel anhebt, zu 
Mayen iſt man nicht minder eiferfüchtig auf den Ruhm, in das 


744 Monreal. 


Maifeld zu gehören, und wird als deſſen Grenze gegen die Eifel 
ein Walddiſtrict gleich bei dem Geisbuſch gezeigt. Von dannen 
ſenkt ſich der Weg hinab gen Monreal, „das vor Alters ſoge⸗ 
nannte Städtchen“, heißt es in der Amtsbeſchreibung. „Der 
Flecken lieget in einem tiefen Thal, auf beiden Seiten mit Bers 
gen eingefchränft : mitten durch fließet Die Eltz, und wird mit 
einer fleinernen Brüde vereiniget. Gränzet einerfeits and Amt 
Birnenburg, anderer Seiten an dag Polcher Holz, an Dünden- 
beimer Gericht, Wüfteratber Hof, an die Stadt Mayen, und 
fhließet das Amt Montreal das Polher Holz und bie Kond, mit 
Allen; und Berresheim völlig ein, Der Feldbau ift in feinen 
Betracht zu ziehen, weilen die Einwohner felbigen, gleich an der 
Mofel gefchicht, in denen Bergen und auf denen Anhöhen. bes 
forgen müffen , fie haben jedod eine gute Viehzucht, da fie mit 
vielen Wiefengründen verfehen, und in der fogenannten Polder 
Kond zur Viehweid und zur Mitweid mit der Gemeind Bermel 
in Betreff deren Schafen auf einem gewiffen Diftriet an ber 
Dürrelg berechtiget find. Die Hofleut im Monrealer Bezirk feynd 
der Burg und der Schnurenhof und die Schäferey, welche drey 
Höf Churfürftlich ſeyn — ferner liegen im befagten Gericht ber 
Möfcherhof, worauf zwey Hoflent wohnen; biefer Hof if ein 
Erblehn von der Paftorat zu Monreal, welcher vorhero ber Hof 
MWüfterath zugehöret hat. Sind alle verburgert: daſelbſten find 
ferner zwey Churfürftliche Mahlmühlen, die eine in dem Fleden, 
die andere eine Biertelfiunde davon entfernet, die Augſtmuͤhl 
genannt.” Der Schnurenhof, an 100 Morgen, wurde am 16. 
Pluviofe XH um 4700, der Schäfereibof den 26. Pluviofe HU 
um 6150, der Burghof den 5. Nov. 1807 um 13,700 Franken 
verfauft. Sie waren beide etwas ftärfer als ber Hof Schnurenhof, 
Defien Anfteigerer, nachdem er fehr klein begonnen, bat einem 
jeden feiner fieben Kinder ein Bermögen von 8000 Rihlr. binters 
laffen. Gegenwärtig bezahlt man in Monreal die Ruthe Land 
mit 1 Rthlr., pr. Morgen 180 Rthlr., während er nod vor 
wenigen Jahren um 40—50 Rthlr. zu erfaufen. \ 
„Die alte Berfaffung ware wie in der Stadt Mayen, hat 
concurrentem jurisdictionem in contentiosis mit bem Amt Mayen 


Klofter Marterthal. 745 


zu Monreal und im Kicchfpiel Maßburg, iſt mit einem Schul« 
theißen (welcher die Freyheit hat, jedes Jahr zwey Fuder Wein 
aceisfrey zu verzayfen) und Gerichtfchreibern verſehen, beede 
werben von dem Churfürften ernenneti der Scheffen feynd ſieben 
‘an der Zahl, deren vier zu Monreal, drey im Kirchfpiel Maß⸗ 
burg wohnen. Der Amtmann hat felbige, nebft denen vier 
Ratheherren zu ernennen, aus’ welchen vier Scheffen und Raths⸗ 
herren jährlidy einer. dad Burgermeifteramt nad) der Ordnung 
verfehet, die fieben übrige aber felbigem mit Rath und That an 
die Hand gehen, Die burgerliche Poligeyordnung bes Thale 
Monreal ift vom 25. Januar 1588. Die Marterthaler Höf 


Reben unter dem Gerihiszwang Monreal, und find ein Befig- 


thum der Abtey Springiersbach, welche diefelben zu Zutheri Zeiten 
erhalten, da der Propft des adelichen Frauenkloſters im Marter- 
tbal zur Lutheriſchen Religion ſich bekennet, und deshalben das 
ganze Kloſter aufgehoben worden. Zwey Drittel deren Renten 
find zur Churfürftlichen Rentfammer gezogen worden, ein Drittel, 
worin befagte Höf begriffen, blieb der Abtey Springiersbad, 
davon fie die Kirche allda zu unterhalten bat. Es wohnet an⸗ 
jego dafelbften ein Eremit, und foll auf diefer Play ein Theil 
dber Thebaischen Legion gemartert, hernähfl das Klofter dahin 
erbauet worden feyn. 

„Monreal hat vor Altern Zeiten einen Landſtand auf den 
Landtag gefchidet, auch feinen Ausſchuß zu dem Regiment ober 
- Miligen geben, beputiret aber anjego nicht mehr auf den Lands 
tag, hat auch gleich dem Flecken Kaiferdeih und andern Ort⸗ 
fhaften feine junge mufterfähige Leut zu Miligen und Refruten 
bis hierhin hbergegeben. 46 1642 ben 30, Oct. wurde dem 
Städtlein Monreal sede vacante von einem Hochwürdigen Dom- 
capitul. zu Trier, um nad fo vielen gefchehenen Berheerungen 
ihre Mauern und Pforten wieder in Stand zu bringen, drey 
öffentliche Marktag eines jeden Jahrs, ald Montags nach dem 


heiligen Frohnleichnamstag, Exaltationis S Crucis, nad) gee 


endigtem Gottesdienft, wie auch ‘Montags vor der h. Jungfrau 
und Märtyrin Katharina Feſt gnädigſt geflattet. Der eigentliche 
Zehendherr iſt der zeitliche Pfarrherr zu Monreal, und fol der 


, 


746 Wonreal. 


Zehende, ein Jahr in das andere gerechnet, 500 Garben ein⸗ 
tragen. Die adliche Erben von Polch haben den Zehnden in der 
Cond von denen Waldſtauden⸗-Ländereyen. Zur Jagd ſi nd nur 
allein der Landesfürſt und die Grafen Eltz und von der Leyen 
berechtigt. Die Pfarre begiebt ein zeitlicher Erzbiſchof. 
„Monreal hat zwey Kirchen, eine vor dem Flecken, wo die 
Verſtorbenen auf daſigem Kirchhof begraben werden. Die mitten 
im Ort an ber Eltz, nächſt bei dem Pfarrhaus liegende Kir, 
unter bem Tit. Kreuzerhöhung, ift nach aller Lag und Berfaffung 
als eine alte, unter der Burg liegende Burgkirche zu betrachten. 
Die vielen darinen geftifteten geiftlichen Pfränden find, nebft der 
Lag ihrer Güter, die Haren Beweisthümer, daß felbige von den 
Grafen von Birnenburg errichtet worden. Bor Alters wurbe 
barin ein ordentlicher Chor gehalten. Man käutet noch alle Tage 
zur Vesper um A Uhr, ohne eine, außer Sonn⸗ und Feyertags, 
zu haltende Vesper. Alle Sambflags und auf denen VBorabenden 
aller Fefttägen” wird die Vesper, Winterszeit um 3 Uhr, Som⸗ 
merd aber um A Uhr gehalten. In festis Domini et B. V. 
Mariae primariis werden auch Metten gehalten.” Am 18. Zuni 
1477 bat Erzbifchof Johann yon Trier auf Anſuchen des Grafen 
Philipp U. von Virnenburg die Pfarrei zu Welmich am Rhein 
und das Perfonat zu Weiler bei Monreal der Kirche zu Monreal 
incorporirt. Am 14. Dec, 1480 erklärt derſelbe Graf Philipp, 
„ats die edle Johanna von Horn felige, ung liebe Hausfrau, auf 
dem Tobsbett ihr Teflament gemadht, und afle ihre feidenen 
Kleider, Bänder, Perlen, Silbergeſchirr ind Kleinodien zu ihrem 
Leibe gehörig, in Gottes Ehre gegeben, und damit begehret hat, 
in Ehren unfer Lieben Frauen Marien der Mutter Gottes eine 
Capelle zu ber linfen Hand, als man zu Monreal in der Kirchen 
zum Chor eingehen fol, da fie zur Erden beftastet iſt, zu fllften, 
und mit etfihen Mefen zu begulden. Und wann wir Die 
Kleinodien, Perlen und Silbergeſchirr durch Goldſchmiede und 
andere Sachverſtändige ſchätzen laſſen, und ſolche von denſelben 
auf 700 Rheiniſche Gulden geachtet worden, wir auch die dafür 
zu uns genommen, behalten und nach unſerm Willen der gebraucht 
haben, jo bekennen wir, daß wir für die vorgemeldte 700 Rhei⸗ 





Kirchliche Stiftungen. 747 


nifche Gulden die Capelle bauen und ftiften laſſen, und zu der⸗ 
felben beweifen und übergeben unfern Hof zu Freffen bei Ochten⸗ 
dung u. f. w. davon ein Bicarius unferes Patronats wöchentlich) 
vier Meilen auf befagtem Altar thun fol.” Einen andern Altar 
bat Maria von Eroy, des Grafen Georg von Birnenburg Wittwe 
geftiftet, wie das Graf Philipp II. von Virnenburg und Wal- 
purgis von Solms, Eheleute, befunden, Donnerflag nad Apol⸗ 
Ionien 149. 

Alle Herrlichkeit der Grafen von Virnenburg ift gefehwunden, 
einzig die Anordnungen, buch fie für die Verherrlichung des 
Gottesdienftes getroffen, haben ihnen überlebt, wenn auch Kurs 
fürft Franz Georg die bei der Kreuzkirche beſtehenden Beneftcien 
zu ben bb. Sylveſter, Antonius und Laurentius durch Berfügung 
vom 23. Ort. 1731 dem Priefterhaufe in Coblenz, die Vicarie 
zn St. Maria Magdalena der Pfarrei einverleibte. „Damit aber 
ber Chor feinen Abgang erleide, wurde ferner verfüget, daß am 
Platz deren Bicarien dem Paftoren und feinen Gaplänen fo viele 
im Singen erfahrne Chorgefellen beygeleget und zugeleget werden 
ſollen, welche auf denen höchſten Fefltägen die Morgenftunden 
fleißig abfingen, in der heiligen Wochen denen Kirchenverrich⸗ 
tungen fleißig beifleben, und endfich zu VBerherrlichung des Gottes» 
bienftes alles beytragen, und felbige auf diefe Täge, auf welchen 
die Vicarii vorhin beygewohnet, den beſtändigen Beyftand leiſten 
folfen. Zur Ergöglichkeit deffen haben felbige die Präfenzfrüchten, 
bie ſeynd A Malt, Korn und 8 Malt. Hafer aus dem Retteratber 
Hof zu ziehen, und Ünter fich zu vertheilen. Es bat aud ber 
biefige Paſtor Bantus Reinbad eine Vicarie B. 9. Marine ge» 
fliftet zu Hülf deren Paftoren in traetu Eifflensi, wenn einer 
franf würde, daß mithin der Flecken Monreal allemal mit vier 
Geiſtlichen verfehen iſt.“ 

Vordem glaubte ich in der Burg Monreal eine koͤnigliche 
Pfalz zu erkennen, die der Salzburg ober Harzburg vergleich⸗ 
bar, das ausgedehnte, einen weiten Strich des Maifeldes ein- 
nehmende koͤnigliche Patrimonium ſchirmen folle, .eine Anſicht, 
welche allerdings der lateiniſche Namen Mons Regalis rechtfer⸗ 
tigen lonnte. Bei Betrachtung des Brunnens auf dem Markt 


748 Monreal. 


zu Monreal empfand ich jedoch bedeutende Serupel von wegen 
diefer Hypotheſe. : Die Löwen, von denen er begleitet, verrathen 
in ihrer rohen Ausführung zu deutlich das Zeitalter, welchem 
fie entſtammen, und daß fie der Periode ber Kreuzzüge anger 
hören, Bei diefen haben bie Orafen von Virnenburg fich bes 
theiligt, wenn auch, in Gefolge des auf dem beutfchen Namen 
rubenden Fluches, von ihren Thaten wenig auf ung gefommen 
iſt; fie werden, noch in. fpätern Jahrhunderten, jenfeits des 
Meeres auf Abenteuer ausgegangen, ung begegnen. Als unter dem 
Panier des Kreuzes jene Grafen flritten, war von allen Burgen 
des Morgenlandes Montreal vielleicht die berühmteſte, zumalen 
feit fie das Eigenthum Reinalds von Chätillon geworden, 

‚ Einer der Gefährten 8. Ludwigs VIEL von Frankreich für 
den Rreuzsug von 1147, war NReinald hoch gehalten unter 
den gepriefenften Rittern der Chriftenheit, als Conſtantia, bie 
einzige Tochter und Erbin des Fürften Boemund Il. yon Ans 
tiochia fih ihn zum Gemahl erwählte. Sie war damals, 1152, 
Wittwe von Raimund von Poitiers, dem andern Sohne des Hers 
zogs Wilhelm IX. von Aquitanien, der im 3. 1135 ihr anges 
traut, vier Kinder zurüdgelaffen hatte. Es fcheint aber nicht 
allein der hehre Ruf des Ritters, fondern auch feine Schönpeit, 
welche nach ber Verfiherung des Wilhelm von Tyrus, allen 
chriſtlichen Baronen ein Gegenfland der Bewunderung, auf der 
Fürſtin Wahl gewirkt zu haben. Einzig für den Krieg gefchaffen, 
fand Reinald in dem Erwerb eines Fürftenthbums lediglich Ver⸗ 
anlaffung zu unausgefegten Fehden mit den Unglaͤubigen. Gleich 
im 3. 1153 entrig er ihnen drei Burgen. Um biefelbe Zeit 
wurde er von dem griechifchen Kaifer Manuel I. zu Hülfe ges 
zufen gegen den armenifchen Zürften Thoros, der in Eilicien arge 
Berheerung anrichtete. Der Armenier wurde von dem Fürften 
yon Antiochia dergeftalten in Die Enge getrieben, daß er bemüthig 
bei dem Kaifer Frieden fuchen mußte. Weil aber Manuel uns 
eingedenf der Verheißungen, durch welche er Reinalds Beiftand 
gewonnen, glaubte diefer ſich berechtigt, in Verheerung ber 
nächften griechifchen Provinzen die Wortbrüdigfeit feines Bere 
bündeten zu betrafen. Er landete auf Eypern 1154, befiegte 








Heinald von Ehatiln, 749 


das Feine ihm entgegengeftellte Heer und fuchte plündernd, mit 
Feuer und Schwert die ganze Inſel heim. Auch der heiligften 
Drte wurde nicht verfchont, und einen Raub von unberechens 
barem Werth Hat Reinalds Flotte nach bein Orontes getragen. 
Aber dergleichen Beleidigung fonnte der hochherzige Manuel nicht 
ungerädt hingehen Taffen, mit Heeresfraft legte er fih vor Ans . 
tiochia , und aller Mittel zu einer wirffamen. Gegenwehr ent« 
behrend, verfanf Reinafd in die tieffte Erniedrigung. In Lumpen 
gehüllt, einen Strid um ben Hals, trat er vor den griechifchen 
Kaifer, zu deffen Füßen fein Schwert nieberlegend. Durch ſolche 
Hingebung entwaffnet, gewährte Manuel Frieden. 

Die Liebe feiner Unterthanen ſcheint der Fürft von Antiochia 
weder geſucht noch gefunden zu haben: in der Hauptſtadt ſelbſt 
. erhob ſich gegen die tyrannifche Herrfihaft eine mächtige Partei. 
Sie wurde durch Grauſamkeit und Schrecken beftegt, den Pa⸗ 
triarchen ließ Reinald auf einem ber Thürme der Pfalz von 
Antiochia, mit Honig das entblößte Haupt beftrichen, einen gan⸗ 
zen Tag hindurch der glühenden Sonne und den Fliegen ausfegen. 
Raſtlos den Krieg mit ben Ungläubigen fortfegend, wurbe der 
Fürft in einem unglüdlichen Gefecht, 23. Nov. 1159, Nurebding, 
bes Sultans von Aleppo, Gefangner. Biele Jahre fchmachtete 
er im Kerfer, die Fürfin Conftantia ftarb, ihr Nachfolger, der 
erften Ehe Sohn, Boemund KH. wurde ebenfalls, in dem Treffen 
bei Harence, 10. Aug. 1165, des Sultans Gefangner, bag Bater 
und Sohn zu Aleppo in der Mazmorra fich zufammen finden 
fonnten, endlich brachte die Aufopferung treu ergebener Waffen- 
brüder Reinalden die Erlöfung. Die in einem glüdlichen Streifs 
zuge durch das Gebiet von Damascus gewonnene Beute gaben 
fie bin, flatt des unmäßigen für ihren Freund geforberten 
Löfegeldes. 

Seiner Feffeln entledigt 1176, begegnete Reinald über ber 
Erinnerung an feine Thaten, um des ſchweren Leidens, fo er für 
ben Chriftenglauben getragen, in Serufalem bei König und Ba- 
tonen der ehrenvollften Aufnahme. Das allgemeine, ihm zuge- 
wendete Intereſſe diente ihm als Brautwerber bei Stephanie von 
Montreal, der Tochter Philipps, bes Herren von Nenpolis, 


730 Montreal, 


der Wittwe Humfrieds von Thoron ; ihre Hand dem Gefeierten 
teichend, gab fie ihm den Befig von .Karaf und andern Schlöf 
fern, fo das Land der Moabiter beherrſchen, das ſchwer zugäng- 
liche Tiefthal, welches fich von dem Plateau Arabiens nad dem 
todbten Meer hinabzieht. Es ift dieſe Einſenkung der Schlüſſel 
zugleich von dem Peträifchen Arabien und yon dem gelobten ' 
Lande; von der Höhe von Karaf aus, das zu Zeiten von einem 
Bergfirom durchfehnittene Thal entlang, wird in weiter Ferne 
das tobte Meer und gegenüber Serufalem fihtbar. In gleicher. 
Weife, wie Karaf das Peträifche Arabien beherrſcht, ift Montreal, 
eine andere ber von Reinald erheuratbeten Burgen, norböftlich von 
Karaf, eine Tagreife weit im Oſten von EI Höffa, der Schlüſſel 
zu. dem wüſten Arabien. 

Daß von folden Localitäten Reinald von Chaͤtillon den 
moͤglichen Vortheil zu ziehen nicht verabſaͤumen werde, ließ ſich 
exwarten, ſie noch vollſtändiger auszubeuten, nahm er in die ihm 
unterworfenen Städte und Feſten eine Anzahl Tempelritter auf, 
fie für immer an feine Geſchicke feffelnd. Zu Angriff und Ber 
theidigung glei vollſtändig gerüfter, hat er wiederholt bie 
Grenzen von Arabien heimgefucht, und fam ihm höchſt ungelegen 
ber 1182 zwiſchen Saladin und dem Königreich Serufalem ab» 
geſchloſſene Waffenſtillſtand. Nichts defto weniger feste er, die 
Berbindlichfeit, VBerabredungen, um bie er nicht befragt worden, 
- anzuggfennen,, befireitend , feine tagtäglichen Streifereien gegen 
bie Nachbarfchaft von Karak fort, und hat er fogar bie auf ber 
Fahrt nad Mekka begriffenen mufelmännifhen Pilgrimme geplüns 
bert. Saladin beflagte fih bei König Balduin IV. über bie 
Berlegung ber Verträge, aber es fand nicht in der Macht des 
Königs von Jeruſalem, die geforderte Genugthuung zu geben. 
An unfhuldigen Walfahrern nahm Saladin feine Race, nit 
bedenfend ; daß es keineswegs Reinalds Art, bei des Nächften 
Leiden viel Antheil zu nehmen. Der Sultan zog abermals das 
Schwert, die Chriften zu betrafen, fie jedoch gegen fein Erwarten 
gerüftet findend, wendete er fich einflmeilen gegen die Atabelen 
in Moful, Des gefürchteten Gegners Entfernung wußte König 
Balduin allein zu unbedeutenden Streifereien in dem "Gebiete 











Keinald von Chaͤtillon. - 73 


von Damasceus zu benugen, aber Reinald, nachdem er mehr⸗ 
malen den ganzen Küftenrand bes mittelländifchen Meeres ald 
Sieger durchzogen, erfaßte den ungeheuern Gedanken, bis Meffa 
und Medina vorzudringen, bie Kaaba und des Propheten Grab 
zu plündern. Der Schreden des Todes ging vor ihm ber, und 
in unwiderftehlicher Haft durchzog er das niemals von Ehriften 
betretene Land. Schon hatten die verwegenen Scharen das Thal 
Rabi, fünf Meilen von Medina, erreicht, da wurden fie von 
einem aus Egypten herübergefommenen Heer überfallen und nad 
bartnädigem biutigen Gefecht überwältigt. Reinald, durd ein 
Wunder gleichjam ber Berfolgung entkommen, erreichte, von 
wenigen der Seinen begleitet, die Burg Karaf. Seine übrigen 
Gefährten wurden nah Egypten geführt und büßten, gleich ges 
meinen Berbrechern, nach dem Urtheile der Kadi, mit dem Tode, 
pis auf Ddiefenigen, welde für die Verberrlichung des großen 
Beiramfeftes zu Mekka aufgeipart, und daſelbſt zugleich mit dem 
gewöhnlichen Opferthieren gefchlachtet wurden. Nicht erfättigt 
in dieſem Menfchenopfer, ſchwur Saladin, den Schimpf zu rächen, 
welchen der unerhörte Frevel der Chriften in jenem verunglädten 
Unternehmen dem Islam anzuthun beabfichtigt hatte. 

Seitdem fchwebte der Sultan als eine drohende Wolfe über 
den Grenzen von Paläftina, ſtets fertig, die Nadläffigfeiten der 
Bertheidiger zu benugen und fürchterlich zu beftrafen. Es wurde 
ihm binterbracht, dag Reinald zu Karaf feines Stieffohnes, des 
Humfried yon Thoron Vermählung mit Iſabella, der Schwefter 
König Balduins IV. feiere, 1184, und in der Gefchwindigfeit 
des Bliges fuhr er nach jenem Schauplag ber Luſt. Bon Poffens 
reißern, Spielleuten und Tänzern fand er das Schloß erfüllt, 
alle Bewohner der umliegenden Gegend verfammelt, um den 
Seftlichfeiten beizuwohnen. Ohne Zeitverluft wurbe die Stadt 
von den Mufelmännern erfliegen, nur durch bie Unerfchrodenheit 
eines Zünglings die Burg gerettet. Ein anderer Horatius Cocles 
hielt der einzige Avesnes oder Ivenne ben Ungeſtümm der Sara- 
cenen auf, während man die Brüde, durch welche das Schloß 
mit der Stabt verbunden, hinter ihm abwarf. Getäufcht in 
feiner Berechnung, unternahm Saladin eine regelmäßige Bes 


733 Montreal. . 


fagerung ; während er mit acht großen Schleudermafchinen die 
Beſatzung ängſtigte, war das ganze Land der Plünderung und 
Verheerung bingegeben. Die aus feinen Gefhügen gemworfenen 
Mührfteine fchlugen als Donnerfeile gegen die Bollwerke, bie 
fefteften Gebäude fielen in Staub, gleihwohl troste einen ganzen 
Monat lang Reinald aller Kunft und Gewalt der Feinde, daß 
König Balduin Zeit gewann, den Entfat zu bewerfftelligen. 
In der Schlacht bei Tiberias, 3. Zul. 1187, wo die Mad 
von Serufalem unwiderruflich den: Streichen der Saracenen er 
lag, wurde, wie König Guido ſelbſt, wie der Großmeifter bes 
Tempels, wie die Blüthe der abendländifchen Ritterfchaft, auf 
Reinald ein Gefangner. Die vornehmften Anführer ließ der 
Sultan fi vorführen: den König behandelte er mit Güte, gebies 
tend, dag demfelben ein in Schnee gefühlter Tranf gereicht werde. 
Guido nippte und reichte dem Herren von Montreal den Becher. 
„Halt,“ vief der Sultan, „ich will nicht, daß diefer Treuloſe in 
meiner Gegenwart trinfe, denn ic) fann ihm nicht verzeihen,” und 
gegen Reinald gewendet, ſprach er: „endlich hat der gerechte Him⸗ 
mel dich in meine Hände gegeben, Erinnere dich der Untreue, ber 
Graufamfeiten, welche du auch im Frieden gegen die Mufelmänner 
übteſt. Erinnere dich deiner NRäubereien, wie du den Propheten 
geläftert haft, und deiner gottlofen Unternehmung gegen bie 
heiligen Städte Mekka und Medina. Die Zeit iſt gelommen, 
fo viele Verbrechen zu beftrafen, und daß id) meinen Eid erfülle. 
Geſchworen babe ich, du ſollſt durch meine Hand ſterben. Willſt du 
dem Tode entgehen, fo nimm meinen Glauben an, deffen Verfolger 
du gewefen.” Als ein Held, trogig und verächtlich, antwortete 
Reinald, während ſchon des Sultans Säbelhiebe den Wehrlofen 
trafen, auf ein gegebenes Zeichen eine Mörderbande in das Zelt 
flürzte. Unter den Streichen der Vielen, denn auch Saladin theilte 
fi) mit den Mördern in die blutige Arbeit, erlag der Gefangene, 
bes Märtyrers Haupt rollte dem König von Serufalem vor bie 
Füße. Reinalds zweite Che war finderlog geblieben, die Fürſtin 
son Antiochia aber hatte ihm die Töchter Agnes und Alix ger 
boren. Agnes, geft. 1196, wurde die erſte Gemahlin des Könige 
Bela III. von Ungern, die Großmutter der h. Eliſabeth, wie 


. Ueinald von Ehätillsn. _ 135 


wohl die ungrifchen Geſchichtſchreiber die Agnes irrthümlich für 
eine Tochter des Fürften Boemund III. von Antiochia halten. 

Boll der Erinnerungen an bie freifamen Thaten, an das 
glorreiche Eude des Burgherren auf Montreal, nachdem er viel 
leicht auch in ihren Trümmern die Burg, einft wie im Dlorgens, 
fo im Abendland fonder Gleichen, gefchauet, wird ein Graf von 
Birnenburg heimgefehrt von den Ufern des Jordans, an ben 
Ufern ber Eltz eine Stelle aufgefunden haben, nicht unähnlich 
der Lage jenes fernen Montreal: wie unlängft ber Trierifche 
Erzbiſchof Theoderih, in der felfichten Höhe über Humbach 
eine Acehnfichkeit mit den Formen des Berges Tabor erfennend, 
ihr die Burg Mons Tabor, Montabaur auffegte, fo wird ber 
Graf von Birnenburg gethan haben ; feinen Erinnerungen verbanft 
die- Burg Monreal ihren Urfprung , als deren Erbauer in dem 
Theilungsvertrag der beiden Brüder von Birnenburg, 1229, 
Graf Hermann genannt wird. Er war über den Bau der Fefte 
„Munrsial”, in feines Bruders Philipp Gebiet unternommen, 
init demfelben zu Streit gerathen, fie wurben aber vertragen, 
nachdem Philipp bie ihm gebotene Entfhädigung, 17 Mark, ſich 
gefallen laſſen. . 

Daß der Urfprung der Burg nicht hoch hinaufzufegent, 
ergibt fich noch ferner: aus ben Urkunden vom Samſtag nad - 
der Erfcheinung des Herren 1274, m. T., und vom Tage bed 
h. Severus 1275, worin die Limitatores et Haeredes und 
die Unradini de Polyche, der Polcher Dingtag in feiner Ges 
ſamtheit, fih mit, dem Grafen Heinrih von Birnenburg von 
‚wegen feiner und feiner Bafallen Eingriffe in der Erben von 
Polch Befigungen verfländigen, dem Grafen das gerodete Land, 
welches ihm zu entreißen, ſie zu ſchwach fih fühlen mochten, 
überlaffen, und bafür fich einen jährlichen Zins bedingen, 
nämlih von dem Grafen zwei Marf, von feinen Burg⸗ 
männern Nicolaus und Heinrich von Polhd A Schilling, von 
Siegfried von Polch 6 Denarien und von Karl von Meonrian 
6 Denarien, zugleich aber genau die Grenzen, mit dem That 
Monreal anhebend und ausgehend, beſtimmen, über welche ber 
Sraf ferner nicht hinausgehen fol. Diefer Vertrag würde, uns 


Rhein, Antiquarius, 3. Abth. 2. Bd. 48 


73& N Monreal. » 


abhängig von ber Urkunde von 1229, den bündigſten Beweis 
Liefern , daß Monreal eine neue Anfledelung, daß fie entftand, 
wie bereits alles Land an Gemeinden eder Corporationen aus⸗ 
gethan, und daß ber Graf gewaltfam, ‚‚violenter,“ für bie neue 
Schöpfung den nöthigen Raum gewinnen mußte. 

Unter Heinrichs und feiner unmittelbaren Nachfolger Händen 
it Monreal eine der flattlichften Burgen bed Landes geworben, 
wie das heute noch ihre Nuinen bezeugen. Die Grafen bielten 
ba regelmäßig Hof, und belebten das fest fo ftille Thal, big das 
hin ein ihre Kräfte überfteigender Aufwand den Untergang bes 
Haufes hHerbeiführte. Auf Ableben Kunos, bes legten Grafen 
von Virnenburg, hat Erzbifchof Johann Ludwig am 29. März 
1546, „umb angenemer, nuger und getreumwer Dienft willen, 
die unſerm nechften Vorfahrn feligen, auch uns und unſerm 
Stift, ber wolgeporn unfer Tieber Getreuwer Hans Heirrich 
Grave zu Leiningen und Dagspurd Herr zu Aspremont, ein 
Zeitlang von Jahren gethan hat, auch binfüro zu thun erbötig 
und willig iſt, denfelben von Leiningen begnadigt und ihm vur 
fih und feine Leibslehens-Erben zu rechtem Mannlehen angefegt, 
anfegen und leihen biemit und in Erafft dig Brieffs, das Schloß 
Monreal fampt dem Dale, Begriff und was dazu gehört, nem- 
lich den niederfien Hoff mit der Scyäferei, item den Ader auf 
bem Hane, it. was zu Monreal im Dale an Geldzinfen unges 
fährlich uff 206 Gulden geachtet, fallet, it. die Weiher, Wälder 
und Heugewachs zu dem Haus gehörig, dergleichen die hohe Ges 
richt famt Frevel, Wetten und Buflen in Monreal.” Am 21. 
April 1554 hat Graf Dietrich son Manderfcheid, die Grafſchaft 
Birnenburg von Erzbiſchof Johann Coon Sfenburg) zu Lehen 
empfangend,, allen Anfpruch und Forderungen, „bie wir von 
wegen ber Herrfchaft Monreal, dergleichen zu dem Reche, oder 
feinen Burg dafelbft, it. zu der großen und fleinen Pellenz mit 
ihren Kirfpeln, und auch der Höff halber zu Spurzenheim und 
Kerig, ganz und zumal renuncirt und verziehen.” Als Trierifches 
Eigentbum wurde die Burg Monreal 1689 yon den Franzofen 
eingeäfchert, daß fie feitdem in Ruinen liegt. Von ihren Burg⸗ 
männern weiß ich, außer denen von Monreal, nur zwei, Ger⸗ 


Die Ritter von Monrcal. 785 


hard von Dickſcheid, heute Dittfcheid, 1347, und Kraft von Nifes 


nid, 1393, gu nennen. 
Die Urfunde von bes h. Severus Tage 1275 nennt als Castrensis 
einen Karl von Monrian. Der nämliche, oder auch ein fpäterer Kart 


von Monreal, Ritter, übergibt zu Eigenthum an St, Remigienfeft‘ 
1300 dem Klofter Stuben jene Güter, welche feiner Schwerter: 
Mechtild, der Klofterfrau zu Stuben, von dem Bater Teibzüchtig ver⸗ 
fhrieben worden, und bedingt fi) Dagegen bereinft zu feinem und’ 
feiner Frauen Petriffa Seelenheil ein Jahrgedaͤchtniß. Werner von- 
Monreon, des Stetzo Sohn, wird 1305 genannt. Karl von’ 


Montreal erbaute zu Poltersporf auf feinem Gute eine Capelle, 
die er mit einer Rente von 9 Ohm Wein und 6 Malt. Korn 


zur Unterhaltung eines Priefterd begiftet, wie das Heinrid von: 


Pfaffendorf, der Archidiacon tit. S. Castoris durch Urfunde von 
der Dctave von Ehrifti Himmelfahrt 1308 bezeugt. Jutta, Karls 
yon Monxeal Wittwe, und ihre Kinder Gerlach, Karl, Life und 
Gäcilia verkaufen 1315 ihre Güter zu Cavelach an Heinrich und 


L; 


. Kuno, die Chorherren zu Garden, Yohann, Burggraf zu Cochem, -- 
erfheint als Zeuge 1347. Karl von Monreal der Junge, Ritter, 


tragt feinen halben Hof in Poltersborf famt einem Wingert das: 
ſelbſt dem Erzftift Trier zu Lehen auf, 21. Nov. 1361; mirihm: 


fiegeln fein Bater Karl von Monreal und fein Opeim Wilhelm 


von Nauenhbeim. Der nämlihe jüngere Karl von Monreal, 
Ritter, fielt am 6. Dee. 1369 dem Juden Bonnefaut yon Lin⸗ 
nih ein Schufdbefenntnig aus über 15 doppelte Moutonsd’or, 
die er, unter Bürgſchaft des Ritters Johann von Forft, bie zu 


Sohanni des fommenden Jahrs zu bezahlen verfpricht, bei Strafe 
von 2 Denarien von ber Mark für jede Woche Verfäumniß. 
Karl und Steg von Montreal, „unfe lieben Getruwen,“ bes 
fiegeln eine Urkunde des Grafen Gerhard von Birnenburg vom 
1. Aug. 1374. Steg oder Euſtach von Montreal wird auch ale 


Patron und Johann von Montreal ale Paflor der Capelle zu: 


Ernft genannt, als fie von Erzbifchof Kuno von ber Pfarrei 
Bruttig abgefondert und zu einer felbfiftändigen Pfarrkirche er⸗ 
hoben wurde, 5. März 1376 m. T. Karl und Dietrich, Gebrüder 
yon Monreal, werden genannt unter den Mannen des Dinghofes- 


48 * 


756 Mouonreal. 


zu Nauenheim, welchen Johann von der Schleiden an den 
Erzbiſchof von Trier verkaufte, Freitag nach St. Lucas 1379. 
Johann, Burggraf zu Cochem, wird 1389, 1399 ſeine Wittwe, 
Greta von Eynenberg genannt. Einen andern Johann von 
Monreal belehnen die Herren von Kempenich, die Gebrüder 
Simon und Johann, mit dem Kempenicher Hof zu Sehl, den 
vierten Sonntag im April 1407. Dietrich von Monreal, Gem. 
Anna von Dadenberg, reverſirt ſich am Donnerſtag nach dem 
Sonntag Pocem Jucunditatis 1439 von wegen bed Coͤlniſchen 
Lebens, Haus und Gut zur Leyen bei Linz, „iwie die weiland 
Hr. Rollmann von Dadenberg, mein Schwiegerherr, zu Leben 
gehalten hat,” wird auch am Sonntag Quasimodo 1447 von Graf 
Ruprecht von Virnenburg mit dem Burglehen zu Birnenburg umd 
den davon abhängenden zwei Drittel des Zehntens zu Kotten⸗ 
beim befehnt, nachdem der Graf, auf Ableben Royrs (Aroes, 
Arifioteles) und Karls von Montreal einen Antheil des Zehn: 
‚tens eingezogen und längere Zeit befeffen hatte. Dietrichs Sohn 
Karl veverfirt fih am 21. Zul. 1450 über feine Trierifche Lehen, 
die Höfe zu Nauenheim und Poltersdorf, Antheil am Zehnten 
und Kirchenfag zu Gappenach, und das Burglehen ‚zu Mayen, 
und verftändigt fi durch Bertrag vom 24, Juni 1461 mit Erz 
bifchof Johann von Trier um die Pfarrei Gappenach, in folder 
Weiſe, daß diefe abwechfelnd von Kurtrier und denen von Mons 
seal zu vergeben. In der Ehe mit Eva von Stein, verm. 1456, 
wurde er der Vater eines andern Karl, der 1482 und 1507 von 
wegen bes Lebens zur Leyen ſich gegen den Erzbifchof Hermann 
von Cöln reverfirte und mit Hildegard Breder von Hohenftein 
verheurathet, drei Söhne, Dietrih, Georg und Karl gewann. 
Diefen Brüdern gilt des Kurfürften Johann Ludwig Beftimmung 
yom 5. Sanuar 1542 m. T.: „Und aber die obgemelten Ges 
prüder alle drei uff diefe Zeit fein Mannslehenserben haben, 
alfo warn fie dergeftalt mit Todt abgeen, daß aledann die vor 
gefchrieben Lehengüter uns und unfern Nachkommen und Stift 
Iedigffichen heimfommen und erfallen wurden, fo haben wir ans. 
geſehen, auch gnedigklich zu Herzen geführt, daß Dietherich drei 
eheliche und natürliche Töchter hat, die vermöge unfers Erzſtiffts 


Die Capelle Mettburg. | 7157 


Rechten von ſolchen Lehengütern ganz und gar ußgefchloffen und 
zu denfelbigen nicht gelaſſen werden, wir wollten fie dann. ſun⸗ 
derlich darin begnadigen. Als darumb und damit biefelbigen 
Töchter, auch die andern, fo die Geprüder Fünfftiglich in der 
Ehe von Weibern, die des Adels wären, ferner zielen und be⸗ 
fommen mögen, zu den Ehren an ihres gleichen befto befler aus⸗ 
gefest und beftellt werden; wie dann gedachter Dietherich feine 
ältifte Tochter Annam uff unfere Underhandlung gewilliget hat 
unferm Amptmann zu Erembreitfiein Velten von Ellenbach eblichen 
zu vermählen, alfo haben wir“ den befagten Töchtern die Nach⸗ 
folge in den Trierifchen Lehen zugefihert. Es hat jedoch nad)» 
träglich, in der Ehe mit Anna von Helfenftein, Georg einen Sohn, 
Georg Balthafar von Monreal, Herr zu NRauenheim, gewonnen, 
der mit Wilhelma von Eltz verheuratbet, im %. 1585 als der 
legte Mann feines Haufes verftarb, die einzige an Johann 
Schweifard Bogt von Hunolſtein verheurathete Tochter Magda⸗ 
lena Margaretha hinterlaſſend. Die Eleine oder alte Burg zu 
Monreal, das Rech genannt, fo des Rittergefchlechtes Stammfig, 
hatte, beinahe zwei Jahrhunderte früher, eine Tochter Johanns 
und der Margaretha von Eynenberg ihrem Gemahl Dietrich von _ 
ber Brohl zugebracht. Auch das Haus Monreal zu Coblenz ift 
fonder Zweifel einftens des Nittergefchlechtes Beſitzthum gewefen. 

Bon Monreal an die 1000 Ruthen entfernt, die Eltz ab⸗ 
wärts, in gleicher Höhe far mit Kerig fleht die Capelle Mett⸗ 
burg. „Man faget, daß eine Tochter des Herren von Monreal 
bei angebrocdhenem Eiß mit einer Eisfchollen bis auf die Pag, 
wo bie jebige Capell flehet, hingetrieben, daſelbſten errettet, und 
auf fener Stelle zur Dankbarkeit von den Eltern die Capelle 
famt einem Beneficio, ſo das Stift Garden zu vergeben hat, 
geftiftet worden fey. Nicht weit ober biefer Capell ift in jüngern 
Zeiten eine Wohnung für einen Eremiten, welder dafelbft noch 
wohnet, errichtet worden.” Oberhalb Monreal, ebenfalls an ber 
Eis, führt der Weg durch die gehauene Ley, eine Pierrepertuis, 
Pietrapertosa im Kleinen, 

Zum Testenmal kehre ih nad Mayen zurüd, oder beftimmter 
na dem Widbennerthurm, durch welchen ber Stadt weftlicher 


788 Bürcsheim. 


Ausgang, bie Nette aufwärts beſchützt. In der Benennmg 
Midbenner möchte ich wohl eine Erinnerung an vormals in 
Mayen betriebenen Waidban,, von bem zwar feine Nachrichten 
vorhanden, erkennen. Bon bier an iſt bag rechte Ufer großen- 
theils Wald, der von allen Seiten das Dorf Kürrenberg ums 
Schließe. Die Nig welt hinauf reichen, hält der. Mayener Wald 
über 6000 Morgen. Die Nette treibt mehre Mühlen, von welchen 
bie dritte, am Kingange des Waldes eine aus der neueſten Zeit 
berfiammende Brüde neben fih hat. Schon früher war auf ber 


‚ selben Stelle, bei der fogenannten Schultheißgenmühle, eine Brüde 


auf den Fluß gelegt. Nachdem dieſe aber eingefallen, „if fie 
berzuftellen nicht vor rathfam befunden worben, weilen. vor Alters 
viel Diebfiähl und Mordthaten dafelbft begangen worben. Man 
bat vor etlichen Jahren eine folhe Deffnung im dafigen Felfen 


‚gefunden, wo 200 Dann fih nächtliher Weil aufhalten und bei 


Tag bafelbften die ganze Gegenb bis an die Stadt Mayen hat 
überjehen köñnnen. Diefe Höhl ift von Amtswegen, ale fie nur 
entdecket, zerfiöret worden.” Bon dem andern Ufer heißt es bei 
Galmelet, M.: „J’avais oublie d’indiquer qu’au-dessus de 
Mayen, sur la rive gauche de la Nette, on exploite une terre de 
pipe rougeätre que l’on faconne dans six fabriques de poleris 
grossiere, etablies dans cette ville. Cette terre de pipe est 
tres-melangee de matieres heterogenes ; on pretend quelle fait 
effervescence avec l’acide aceteux ; ce seruit, en ce cas, une 
espece de marne.““ 


St. Iohann, Büresheim. 


Das Dorf St. Johann mit einer Pfarrkirche zu St. Johannes 
Bapt. Tiegt in einigem Abfland von bem Tinten Ufer der Nette auf 
der Höhe, in weiterer Entfernung in ber Tiefe folgt, jenſeits 
der Nette, bie bier bie Nib aufnimmt, bas alterthümliche, doch 
wohl erhaltene Schloß Büresheim, vordem ber Hauptort einer 
dem Rittercanton Niederrhein zugetheilten Herrſchaft, welder 
auch St. Johann, Waldeſch, Rieden und Nitz zur größern, auf 


Kommt au die von Breidbad. 759 


dem linfen Ufer des Nitzbaches befegenen Hälfte unterthänig, 
Eberhard de Burgnesceim wird in ber 1164 errichteten Sühne 
des Erzbifchofs Hillin mit Friedrich) von Merzig unter den Zeugen: 
genannt. Ernſt von Burgisheim lebte 1268.. Henno von Büs 
resheim genannt Dune, Wäpeling, trägt feinen Hof zu Luxem 
dem Erzbiſchof zu Lehen auf, in Mehrung des Burgiehens in 
Mayen, fo er und fein Bruder Heinsih ſchon früher befeffen 
haben, unter Beftegelung feines Vetters, des Ritters Heinrich 
von Büresheim und der Stadt Mayen, 3. Febr. 1319. Friedrich 
von Büresheim, Ritter, wird 1341 genannt, und iſt vielleicht 
‚berfelde Friedrich, für welchen, für deffen Hausfrau Elfa und 
für mehre andere Verwandte Zriedrih von Schöne, Herr zu: 
Düresheim und Olbrück, als Wohlthäter des Gotteshaufes Unfer- 
Lieben Frauen zu Ronnig binnen der Mauern von Mayen zu den 
vier Frohnfaſten Bigilien, Meſſen und andere gute Werke ſich 
aushittet, 3. März 1386. Werner, Johann, Rorich und Ernſt, 
Bögte zu Leudesdorf, alle Gebrüder, überlaffen zu Erb und Eigen 
an Graf Ruprecht von Virnenburg, was ihnen zu Büresheim 
anerfiorben von ihrem Oheim Nather, zu wiſſen Schloß, Thurm, 
Haus, Hof, Fein und groß mit allem Zubehör, 23. Nov. 1422, 
Am 31. Dec, 1469 wird Kuno von Schöned von Erzbifchof 
Ruprecht von Coln belehnt mit dem halben Schloß Büresheim; 
Burghäuſer hatten daſelbſt bereits 1365 Johann und Friedrich 
von Schöneck, dergleichen die Vögte von Leudesdorf befeffen. Am 
Sonntag por St, Agnefen 1473 verkaufen Kuno und Johann 
von Schöne und Dibrüd an Gerlad von Breidbach, Ritter, 
„anfer Schloß und Herrfchaft Burengheim mit der Panttfchafft 
und aller Gerechtigkeit wir hain uff dem Eolliihen Deylle und 
fort die Dorffer und Gericht, Kirchſatz, Mannſchafft und Her⸗ 
lichkeit wie Die 30 dem Slois und Herrlichkeit Burengheim ges 
horent, mit allem In⸗ und Zugehören, mit Namen dad Dorff 
zu Reden, Kirchſatz und Gericht dafelbs, Waltefche, fant Johan, 
wie ich Cuno vurg. die gehabt und befeffen hain bis uff Datum 
dys Brieffs uff der Siten der Mofellen da das Slois Burentz⸗ 
heim licht. Item den Hoiff Naichtzheim, den Hoiff zu Srilingen, 
bie Gerechtigkeit und Hoiffgebinge zu Welling mit alle dem wir. 


— 


700 Büresheim, 


da hain.“ Später erwarben bie von Breidbach auch noch den 
Antheil an Büresheim, welchen von den Bögten von Leudesdorf 
Die Schilling von Lahnflein exerbt hatten, fo daß die ganze Herr: 
fhaft in ihren Händen vereinigt, Sie haben fie bie zum Ev 
Löfchen der ältern Linie, von welcher Abth. I Bd. 2. zu handeln, 
befeffen, worauf dann bes Freiberrn Franz Ludwig von Breid⸗ 
bach⸗Büresheim Univerſalerbe fein Großneffe, Graf Clemens 
Menceslaus von Neneffe geworben if. Bon biefem bat das 
Schloß famt einem bedeutenden Güterfiod, 2400 Morgen Wald, 
ein jüngerer Sphn, Graf Edmund ererbt, 

Den Namen entlehnen die Reneffe dem gleihnamigen Dorfe 
auf der Inſel Schouwen zwifchen Scheide und Maas, und if 
Das gleich bei Nenefle belegene Caſtell Moermond ihr älteſter 
Sig gewefen, An des Stammbaums Spitze wird herkömm⸗ 
licher Weife geftellt Dietrich, ein jüngerer Sohn Pilgrims, bed 
Burggrafen von Zeeland, und der Gräfin ven Sayn, und foll 
berfelbe, außer Renefje und Moermond, noch Haamftede und 
Burgt befeffen haben. Gonftantin (Eoftyn) von Reneffe hielt 
getrenlich zu Graf Florenz V. von Holland, in deſſen Dienſt er 
gegen die Rebellen vor Monzfoort große Ehre einlegte, und ſtarb 
1239, Sein Sohn Johann, unter Bermittlung des Herzogs 
von Brabant mit dem Grafen von Holland ausgeföhnt 1290, 
wurde auch, gelegentlich feiner Bermählung mit Sophia, ber 
Erbin von Gouda, von dem Grafen in der Weiſe begnabdigt, daß 
in Ermanglung von Mannserben der Sophia Töchter in ber 
Herrichaft Gouda ſuccediren ſollen, Laetare 1296, erwedte fih 
aber in des Grafen natürlihem Sohne Witte einen Feind, der 
in Teinerlei Weife zu begütigen. Bon Witte des Anſchlages, 
ben Grafen dem Herzog von Brabant zu überliefern, befchuldigt, 
wurde Johann aller feiner Güter entfegt, auch das confiscirie 
Eigenthum und Lehen an den Ritter Heinrich Wiffel gegeben, 
Reneſſe feste fih zur Wehre, wie er dann feine Burg Moermond 
mit 360 Knechten befegt hielt, während er zugleich freies Geleü 
ſuchte, um perfönlich feine Mechtfertigung vor dem Grafen ver 
fuchen zu können. Das Geleit wurde ihm aber verweigert, und 
Mosrmpnd durch eine Belagerung yon mehren Monaten jur 


— — — —— 


Die von Keueſſe. 761 


Uebergabe genötbigt, nichts befto weniger fuhr Johann fort, fein 
Recht mit den Waffen in der Hand zu verfechten. 

In dem Laufe der higigften Fehde farb Graf Johann von 
Holland den 10. Nov. 1299, und daß hiermit die Grafſchaft dem 
Reiche angeftorben feir behauptete Reneffe, infofern mit Erfolg, 
bag Kaifer Albrecht im Aug. 1300 mit einigem Bolf nach Nim- 
megen fi erhob, um des Reiches Recht geltend zu machen. 
Bewahrend indeffen der Holländer Zumeigung für Johann von 
Avesnes, ben nächften Blutsverwandten des verftorbenen Grafen, 
beftätigte er biefen in der Erbſchaft. Auf feine eigenen Mittel 
beſchränkt, belagerte Reneffe die Stadt Heusden zu Waffer und 
zu Lande, feine Schiffe wurden jedoch verbrannt, daß er bie 
Belagerung aufzuheben genöthigt. Dagegen fand er einen mäds 
tigen Verbündeten in dem Grafen von Flandern, der die Zee—⸗ 
ländiſchen Inſeln als heimgefallenes Lehen feinem Sohne Guido 
verlieh, Mit den Klamändern vereinigt, firitt Reneffe bei Cour⸗ 
tray 1303, große Ehre hat er an dem blutigen Tage eingelegt 
und ben tödtlichen Fall feines Hauptfeindes, Johanns von 
Avesnes, Altefter Sohn des Grafen von Holland, gefehen. Bes 
veits hatten die Seindfeligkeiten in Slandern und auf Walchern 
ihren Anfang genommen. Am 20. März 1304 wurden die Hola 
kinder von Johann von Neneffe und Florenz von DBorfelen auf 
Duiveland in einem nächtlichen Leberfall auf das Haupt ges - 
fihlagen, daß ihrer 3000 auf ber Wahlftatt oder in den Fluthen 
umfamen; unter ben Gefangnen befand fi) der Bifchof von 
Utrecht, Guido von Avesnes. Beinahe ganz Holland, desgleichen 
die Stadt Utrecht wurden von den Stegern eingenommen, in eines 
Statthaltere Eigenfchaft beberrfchte Reneſſe die Stiftslande, Aber 
das Treffen bei Haarlem brach der Flamänder Erfolge, gleichwie 


fie vor Zierickzee den Lebhafteften Widerftand fanden. Den Ent 


faß zu bewerfftelligen, führte Wilhelm von Avesnes die holländifche 

Flotte herbei, eine franzöftiche unter Grimaldi hatte fi ihr ange 

fchloffen. Wider den Rath Johaunns von Reneffe nahın ber flamaͤn⸗ 
diſche Prinz die Herausforderung zur Schladt an. 

| Gegen den Abend des 10. Aug. 1304 benugte er die aufs 

ſteigende Flush, um dem Feind sin Treffen zu bieten. Es währte 


702 Büresheim, 


ſolches bis tief in Die Nacht, und nah fchwerem Berluf, ber 
boch feine Entfcheidung gegeben, ließ man von beiden Seiten 
ab. Mit der neuen Fluth am andern Morgen wurde bas Ges 
fecht wieder aufgenommen; bie Sranzofen hatten ihre Schiffe 
mit Ketten, die Slamänder mit Tauen an-einander gehängt, al 
aber die Haltbarfeit der Taue zur Probe kommen follte, fanb 
man fie durchſchnitten: das Werk ohne Zweifel von Zeeländern, 
Die zu ben Holländern überzugehen gefonnen. Wenigftens fuchien 
mehre zeeländifche Schiffe gleich im Beginn des Treffens das 
Weite, was die ganze Flotte in Unordnung brachte, eine allges 
meine Flucht zur Folge hatte. Stand hielt allein noch Guide 
von Flandern, es gelang ihm, einige Schiffe wieder heranzu⸗ 
ziehen und alfo den Kampf zu erneuern, der jedoch zu ungleid, 
um bie Hoffnung eines günftigen Ausganges auffommen zu laſſen. 
Die Mannfhhaften warfen fih in bie Boote,. um Rettung zu 
fuchen, Guido wurbe ale des Grimaldi Gefangner nach Calais 
gefchiet. Die zur Hortfegung der Belagerung von Zieridzee 
zurüdgelaffene Mannfchaft erreichte fliehend Schouwen, von dan⸗ 
nen fie nach Flandern entfam. Den Holländern blieben an 3000 
Sefangne. Johann von Reneffe, deſſen die Schlacht verfchont 
hatte, fuchte in Utrecht füch zu behaupten, bald aber Die Unmög⸗ 
lichfeit erfennend, mit feinem wenigen Volk gegen die anrüdene 
den feindlichen Scharen bie weitläuftige Stabt zu behaupien, 
begab er fi) nochmals auf die Flucht, und ift er in beren Lauf, 
indem er bei Beufihem in einem Nachen über den Rhein fepen 
wollte, mit mehren andern Rittern und Edlen ertrunfen 130% 
Morrmond und Haamflede blieben für die Familie verloren, 
Der Urenkel biefes Johann, ebenfalls Johann genannt, auf 
Reinouwen, Hellenburg, Baarland geſeſſen, war in dem Streite 
am das Bisthum Utrecht für Rudolf von Diepholz gegen Sweder 
von Kuilenburg. Diefen hatten die Stabt und das eigentliche 
"Stift anerkannt, Johann von Reneſſe aber fiel mit 12 Reifigen 
den Sonntag vor Pfingflen 1426 der Stadt ein, und ift es ihm 
gelungen , deren fich zu bemeiftern, nachdem fofort Rudolfs Ans 
hänger fi ihm anſchloſſen, es hat auch in Gefolge der verweges 
nen That, nach einer Tangen und erbitterten Fehde, Rudolf anf 





Ber Sire de Chievres. | 63. 


dem bifhäflichen Stuhfe ſich behauptet. Johann von Meneffe 
ftarb 1438. | ü 

Diefes Johann Enkel, Johanns VIII. Sohn, Friedrich, 
erheurathete, wie es ſcheint, Ooſtmal bei Antwerpen mit Anna 
von Samale, daß er alfo der Schwager geworden von bem bes _ 
rühmten Sire de Chievres, von Wilhelm von Crop, jugenannt det 
Weife, Herzog von Sora und Arce, Marquis von ANerfchot, Graf 
von Beaument, Herr von Bierbeek, Rotfelaer, Heverle, der Kaiſer 
Marimilian 3. und Karl V., auch König Philipps I. Rath und 
Kämmerer, des Kaifers Karl V. Obrifl-Rämmerer, Vogt und 
Generalſtatthalter ber Fürftenthümer Lüttich und Stablo, der Grafs 
ſchaft Looz, der Städte und Schlöffer Huy, Nivelle, Montfort und 
Sluis, Lehenſtatthalter in Brabant, Commiffariug für die Er- 
neuerung der Geſetze in Flandern, General-Capitain und Grand» 
Bailli von Hennegau, Hauptmann über 50 Langen, Ritter des . 
goldenen Vließes, Chef des finances, Statthalter, Gouverneur und 
Generals@apitain für Die Niederlande und die anfloßenden Meere, 
LContador. mayor von Spanien, Admiral von Neapel und Generals 
Eapitain fämtliher Flotten K. Karls V. Als dieſes Kaiſers Er⸗ 
ziehen, Freund und Rathgeberhat Wilhelm die glänzendfte Stellung 
eingenommen , zugleich fih um ben Frieder und den Wohlftanb 
der Niederlande, dann um. bie Finanzen des Staates ungezwei⸗ 
feltes Berbienft erworben. Im Frühjahr 1485 geboren, diente ex 
den Königen Karl VIII. und Ludwig XII. in den neapolita- 
nischen und mailändifchen Zügen, bis bie zwiſchen Frankreich und 
den Niederlanden ausgebrochenen Mißhelligfeiten ihn beſtimmten, 
daheim, zu Chievres bei Ath, der Ruhe zu leben. Erzherzog 
Philipp, nach Baflilien fahrend, die Krone zu empfangen, bes 
flellte ihn zum Statthalter der Niederlande, Kaiſer Marimilian 
vertraute ihm die Erziehung des Erzherzogs Karl. M 

Als Statthalter befolgte der Sire be Chievres eine durchs 
aus friedliche Politif: den Kaiſer hielt er durch von Zeit zu 
Zeit gegebene Subftdien bei guter Laune, ben König von Eng⸗ 
land gewann er durch Hanbelsbegünftigungen, den von Frankreich 
durch die feinſte Aufmerkſamkeit, wie er denn, um auch der Zu⸗ 
kunft fih zu verfihern, mit des Thronfolgers, des Grafen von 





764 Püresheim. u 


Angouleme Hofmeifter, mit Arthur Gouffier das innigfte Freund 
fhaftsbündnig einging. Nur dem König von Aragon glaubte er 
trogen zu dürfen, biefem vergab er nicht die Kaltfinnigfeit und 
Abneigung, fo Ferdinand dem. Enkel bezeigte. Weit entfernt, den 
König in feinen Händeln mit Frankreich zu unterftügen, war er nur 
bedacht, das Mißvergnügen ber caftilianifchen Großen zu nähren, 
und während Ferdinand im Bunde mit Adrian von Utrecht ben 
von Croy ber VBormundfchaft zu entfegen fi) bemübete, be 
fämpfte diefer in Valladolid und Granada durch den Großcapitain 
und den Gondeftable von Gaftilien die der Einheit von Spanien 
bedrohlichen Anfchläge des von blinder Leidenſchaft beherrſchten 
Großvaters. Noch in den legten Augenbliden fuchte Ferdinand, 
in der Unmöglichkeit feinen Enfel um die Thronfolge zu bringen, 
wenigftend zu verhindern, daß Chievres auf Die Angelegenheiten 
ber Halbinfel den Einfluß gewinne, ben er jo lange in ben 
Niederlanden geübt, aber aud) dag mußte er unerreichbar finden. 
Chievres, der durch den mit Arthur Gouffier zu Noyon im Jahr 
1516 unterhandelten Bertrag feinem Herren freie Hände für bie 
Defisnahme der Kronen von Gaftilien und Aragon verſchafft und 
deſſen Anerfennung in der föniglichen Würde durchgefegt hatte, 
obgleich die Infantin Johanna nod bei Leben, mußte feinen 
Einfluß, feine Macht über die ganze, nur eben gefchaffene Mo: 
narchie auszudehnen. | 

Er zeigte ſich jedoch auf diefer Höhe keineswegs von ber 
vortheifhafteften Seite: nit nur daß er dem bochverbienten 
Ximenez mit dem bitterfien Undanf lohnte, er fol auch, wenn 
anders den eiferſüchtigen Spaniern zu trauen, alle Aemter feil 
‚gemacht, unermeßlihe Summen, der Sage nad) drei Millionen 
Gold, für feine Privatzwede erpreßt, überhaupt in feiner gan- 
zen Handelsweiſe einzig fein oder der Seinen Intereſſe beachtet 
haben. Gewiß ift, dag fein Benehmen großentheils den Auf 
fiand der Gemeinheiten verfchuldete, gleihwie der Aufruhr zu 
Balladolid, wie bedrohlih er auch dem König, doch nur gegen 
den Minifter gerichtet gewefen, Gleichwohl blieben ihm Karls V. 
Bertrauen und Anhänglichkeit, auch nachdem. die Conferenzen zu 
Montpellier, die Ausgleichung ber abermals mit Frankreich ent 


Pie Herren von Warfufee. 705 


ftandenen Irrungen bezweckend, durd des franzöfifchen Bevoll⸗ 
mädhtigten, bes Arthur Gouffier Ableben, fruchtlos abgelaufen _ 
waren. Nicht nur daß Chievres den für feine Stellung fo 
wichtigen Freund verloren hatte, gr follte au, wie die Sage 
geht, von den Yranzofen als Gefangner zurückbehalten werben, 
ein Schickfal, dem er durch die fehleunigfte Flucht nach Perpignan 
fih entzog. Er flarb zu Worms, während des Neichstages, 28. 
Mai 1521, und hat der Kaifer das feierliche Leichenbegängnig 
mit feiner Gegenwart beehrt. Mit Chievres wurde zugleich feine 
friedliche Politik zu "Grab getragen, und an bie Stelle ber end» 
Iofen unfruchtbaren Unterhandlungen, in denen allein er ſich ſtark 
und behaglich gefühlt hatte, trat ein der großen Monarchie würdts 
geres Syſtem; dem Erzieher Karls V. fcheint Thomas Leodius 
keineswegs Unrecht zu thun, wenn er ihn als einen in Heinliche 
Ränke verfunfenen, einzig auf die Beibehaltung feiner Stellung 
bedachten Höfling ſchildert. Chievres hat das prachtvolle Schloß 
zu Heverle famt dem Cöleftinerflofter, ein zweites Cöfeftinerfiofter 
zu Löwen erbauet, die dafige Karthaufe und den Beguinenhof 
hergeſtellt, auch das Schloß und vorzüglich die. Schloßfirche zu 
s'Heeren⸗Eldern verfrhiedentlich gebeſſert. Da er finderlog in 
feiner Ehe mit Maria Magdalena von Hamal, Adolfs von der 
Mark zu Aremberg Wittwe, fo if, nad) deren Abgang, 14. Nov. 
1546, ihr großes Befigthum, Elvern, Warfufee, Many, Steren, 
Kalkoven, Raucourt, Wasnes, Tamife, an ihrer Schwefter 
Sohn, an Johann von Reneffe, gefallen. 

Warfufee, die eine der auf folhe Weife in das Haus Res 
neffe gefommenen Befisungen, hat eine eigenthämliche Geſchichte, 
mit welcher Hemricourts Meifterwerf, Miroir des nobles de . 
Hasbaye, anhebt. „Zu dieſer Zeit lebte ein edler Ritter, genannt 
Raſo der Bärtige, Bruder des Grafen von Dampmartinen« 
Goyelle, welcher im Schilde führte eine Kirchenfahne mit drei 
Ringen, die Farben weiß ich nicht. Weber einer Unthat, von 
beren Befchaffenheit nichts gemeldet, fiel befagter Ritter in die 
Ungnade des Königs Philipp von Frankreich, des Gemahls 
“der Sfabella von Hennegau, und wurbe er bes Reiches ver—⸗ 
wiefen, Er begab fih auf den Weg, mit ſich führend eine reiche 


766 j Büresheim. 


Habe, viele Koftbatkeiten und Roſſe, und kehrte zunähft ber. 
Stadt Hup ein, wo er ein großes Haus machte, Jaͤger, Falco⸗ 
niere, Hunde und Stoßvdgel hielt. Jagd und Fifcherei waren 
ihm der gewöhnliche Zeitvertreib, Einſtens hatte er vom frühen 
Morgen an auf dem Gebiet von Warfufle gejagt, da ‚hörte er 
um die Mittagsftunde das Glöcklein, anfündigend wie eben in. 
der Schloßrapelle yon Warfufde der Priefter in dem geheimniß⸗ 
gollen Werfe der &fevation begriffen. Dahin wendet der von 
Dampmartin alsbald fein Roß, denn es drängt ihn, das Hoch⸗ 
wuͤrdige Gut zu verehrten, und nod zu rechter Zeit erreicht er bie 
Capelle, in welcher der Burgherr felbfi dem Meßopfer beimohnte, 
Die Elevation ift vollbracht, und des von Warfufee Blicke rich⸗ 
ten fih auf den Fremdling. Er läßt ihn zu Tifche bitten, bes 
‚ willfommt ihn, nachdem gelefen die Meſſe, mit traulichem Hand⸗ 
flag, dann den Gaft um Herfommen und Stand befragend, 
führt er ihn nah dem Saal. Hier läßt er die Tifche ordnen, 
demnächſt herbeirufen die feine einzige Wonne ausmacht: den 
Fremdling foll die Schöne Alix begrüßen. 

Auf des Vaters Gebot fommt ohne Säumen das Fräulein 
zur Stelle, wendet in zücdtiger Anmuth fich dem Ritter zu, 
heißt ihn willkommen, und verfehrt mit ihm voll anfländiger und 
lieblicher Freiheit. Die Beiden Täßt der gute Herr von Warfufte 
neben einander fißen, reihlih und mit freudigem Herzen werben 
ber fremde Ritter und fein Gefolge bewirtbet, daß fie deß Alfe 
ftaunen. Nachdem abgefpeifet, man noch einiger Kurzweil fih* 
hingegeben,, danfte Herr Rafo dem Baron von Warfufte und 
feiner Tochter von wegen empfangener Ehre und geleifleten guten 
Gefellfchaft, und beurfaubte ſich gar höflich, wogegen der Freis 
herr den Scheidenden wiederholt erſuchte, er moͤge, ſo oft ſein 
Weg in die Nähe ihn führen werde, Schloß Warfufee nicht un⸗ 
befucht laſſen, angefehen feine Gefellfchaft das höchfte Bergnügen, 
fo er dem Burgherren gewähren könne. Und Rafo, nachdem er 
bereits in Liebe verfallen zu Fräulein Alix, verfprach das willig, 
vervielfältigte auch dergeftalten feine Befuche, daß endlich, nad 
dem die beiden jungen Leute einander vollfommen kennen gelernt 
hatten, das Ehebündniß des Herren Rafo von Dampmartins 





. Graf Henat von Benefe-Woarfufee. 767 


en⸗Goyelle mit Fräulein Alix gefhloffen wurde. Und nicht 
lange darnach erbaute Raſo gleich bei Warfuſee einen Thurm, 
den nannt er Dampmartin, den Voreltern und der Herkunft 
sum Gedächtniß. Ein reicher Segen von Kindern und von Gütern 
wurde dem Ehepaar ; du follfi aber wiffen, daß die meiften Wars 
fufee, Männer wie Frauen, ein burchflachenes Ohrläppchen haben, 
durch defien Deffnung eine Nadel gezogen werden mag, ohne bad 
Ohr zu verlegen. Das haben fie geerbt von Raſo dem Bärtigen, 
beffen Ohr alſo durchſtochen war, wie die Veberlieferungen der 
Alten befagen”. Jahrhunderte hindurch blieben die von Warfufee 
zweiten Stammes mit ihren zahlloſen Nebenlinien, Sexraing,; Abte, 
Moge, Doumale, Dupey, Awpyr, Stendremale, Hanneffe u. f. w. 
Bas größte und vornehmfle Geflecht des Lüttiher Landes. 

Friedrich von Reneffe hat. den Anfall der reihen, von feinen 
Schwägerin befeflenen Güter nicht erlebt: er war den 19. Mai 
1538 mit Tod abgegangen, den einzigen Sohn Johann IX. 
hinterlaffend. Diefer gewann in ber erften Ehe mit Eliſabeth 
von Raſſau die Söhne Renat, Friedrih, Johann und Wilhelm. 
Johaun folgte dem Sohne Karls V. in den Siegeszug nad 
Lepanto, blieb unverlegt in der Schlacht, farb aber, bevor die 
Flotte den Heimweg angetreten, an einem higigen Sieber. Renat 
befaß, als der ältefte Sohn, s' Heeren⸗Elderen, Barfufle, Dany, 
Raucour, Wasnes, Hern, Schalfoven, Aveluys, blieb aber fin- 
derlos in zwei Ehen, Wilhelm, Vicomte von Montenaefen, auf 
Escauſſines u. |. w., erheurathete mit Anna von NRubempre die 
großen Güter ihres Haufes, Bievres, Reves, Haibes, Feloy, 
Montigny, Molhain, Bireur, Petit-Roeur, Scaillemont, Goffelieg, 
and wurde ein Bater von zwei Söhnen, beren jüngerer, Johann, 
in den Sefuitenorden trat, während der ältere, Renat, dem zu 
Gunſten Kaifer Rudolf II. am 20. Januar 1609 die Graffchaft 
Warfuſee errichtete, feinem großen Güterbefise auch noch die 
bedeutende Hersfchaft Gaesbeek durch Kauf vom 3. 1621 hine 
zufügte, daneben ald Chef des finances auf die Regierung ber 
Niederlande unbegrenzten Einfluß gewann. 

Die Handhabung der Finanzen ift eine Klippe, an welcher 
- jo mande Tugend feheiterte. Auch Warfufee feheint die Haͤnde 


708 . Bürcsheim. 


hicht allerdings rein gehalten zu haben, er hatte, „par une con: 
duite, indigpne d'un honndte homme, perdu son honneur et sd 
reputation dans les Pays-Bas,“ als ex verzweifelnd, vermuth⸗ 
lich an der Möglichkeit einer Rechnungsablage, wiewohl er be⸗ 
beutende Forderungen an den Staat zu haben verfiherte, zu noch 
ungleich ftrafbarerın Beginnen die Hände bot. Er Inüpfte Unter 
handlung mit dem Prinzen Friedrich Heinrich von Dranien an, 
1632, verpflichtete fi, gemeinfchaftlich mit dem Grafen Heinrich 
von Berg, deffen Operationen in dem bevorfteßenden Feldzug 
auf das wirffamfte zu unterflügen, und empfing bagegen bie 
Zufage einer Gratification von 100,000 Rihlr., die ihm auf 
bald darauf zu Venlo durch den Penflonarius von Hollaud, 
Adrian von Baum ausgezahlt wurden. Die gleiche Summe hatte 
er für den Grafen von Berg ftipulirt. Das Einverfändnig mit 
des Könige Feinden wurde jedoch bald ruchbar, und Renat mußte 
fein Heil in der fchleunigften Flucht fuchen. Während die Ges 
richte entehrende Strafen über ihn verhängten, befand er fih zu 
Lüttich in der vollfommenften Sicherheit, Rebelliſch ihrem Fürk- 
bifchof, hatte die Stadt, durch einige Demagogen beherrſcht, 
. den Schuß des Königs von Frankreich nachgefucht und erhalten. 
Der einflußreichfle jener Demagogen war Sebaftian fa Ruelle, 
der ſtädtiſche Syndiens, der auch 1630 und 1635 das Bürger 
meifteramt beffeidete: ber gute Mann hatte fi in den Kopf 
gefegt, mit Hülfe ber Franzoſen eine Art Perikles vorzuftellen, 
Sein hochmüthiges Streben zu vereiteln, das wichtige Land dem 
Gehorch von Kaifer und. Bifchof zurädzuführen, meinte Renat, 
würde ihm das ſicherſte Mittel werden, der Machthaber in Brüffel 
Berzeibung zu erhalten. Die Ausführung des Entwurfes fi 
zu erleichtern, Inüpfte er Verbindungen an mit den nädften 
fpanifchen Generalen, er fuchte auch in der Stadt ſelbſt Anhänger 
zu werben. „Si l!’on peut ajouter foi a un ecrit public dans 
ces tems de troubles, et qui a tous les caracteres. d’une grande 
veracite, le comte de Warfusee feignit d’etre de la faction 
de La Ruelle, et n’entreprit d’öter la vie à ce magistrat, que 
parce quil se vit seconde par les principaux auteurs de celle 
faction meme, lesquels suspecterent l’infortundE La Ruelle de 


Graf Uenat von Üeuefe-Warfufee 709. 


. vouloir rapprocher les Liegeois de Ferdinand de Baviere. C'est 
ce qui explique la temeritE du projet du comte de Warfusee; 
Ü erut sans doute, que les factieux le sauvernient de la fureur 
du peuple ; il fut trompe.“ Um das Ereigniß ſelbſt if der fol 
gende Bericht erfhienen : 

„zu Lüttih bat fich diefer Zeit eine ſchroͤckliche That bes 
geben an dem Heren Burgermeifter Sebaftian de la Ruelle, 
beffen nun zu vielen unterfchiedenen mahlen zuvor Meldung ges 
than, und angezeigt worden , in was groffer Leibe. und Lebens 
Gefahr er eine Zeitlang gelebet, und viel Mordtſtück auf ihne 
attentirt; demfelben aber, wegen gehabter guter Vorfichtigfeit, 
nicht beyfommen können: Als ift ed endlich fo weit gebracht, 
‚daß er den 16. (17.) dieſes Monats April unverfehener Weiſe, 
nach befchriebener maffen, über der Mahlzeit, zu welcher- man ihne 
freundlich invitirt hatte, umbgebracht worden. 

„Es befande fich zu Lüttich ein Graf von Warfufe, deffen Quar⸗ 
tier auf einem befchloffenen Plag zu S. Sean, in eines Thumbherrn 
Behaufung, geibefen, an welcher eine Hinderthür, fo an Die Seyten 
yon Bega hinauf gangen, dahin befagter Burgermeifter (das war ex 
damals nicht) de la Ruelle, nebenft dem Abbt von Mouffon, deß 
Königs in Franckreich Refidenten, und etlichen andern von dem 
Graffen von Warfufe zur Mittags Mahlzeit genötiget wurden. 
- Da fie nun, dergleichen ſich nichts verfehende, dafeldften erfchies 
nen, und man nun mit einander ungefehr eine Stundt zur Tafel 
gefeffen war, fieng der Graf von Warfufe an, auff die Gefund- 
heit König Ludwigs deß Gerechten zu trinden, welcher Gefunds 
heit Trunck, nachdem er verbracht war, Fame unverſehens in das 
Gemach hinein ein groß farder Mann, mit einem Schwarg- 
Sammeten Schärplein angethan, ein Graf von Milis, der Nas 
tion ein Burgundier, welcher in einer Hand ein bloſſes Rappier, 
in der andern aber ein Piftol führete, deme viel außerlefene 
Spanische Soldaten bewehrt nachgefolget, die man auß ben 
Beflungen Namur und Argenteau heimlich hinein practieirt 
hatte. Als er nun rings umb die Tafel herumb gangen, und 
einen jeglichen von den anmwefenden Gäſten genugfamb angefeben, 
welche. ſich darob, weil fie darvor gehalten, von dem Graffen 


Rhein. Antiquarius, 3. Abth. 2. Bd. j 49 


— 


776 ' Büresheim. 


von Warfufe ſolches nur kurtzweil halber angeſtellt wäre, gank 
und gar nicht entfeget, biß noch etliche andere, gleicher Geflalt 
mit bloffem Gewehr hinein kommen, welches dann die Gäfte zum 
aufffieben,, den Grafen von Warfufe aber, fie alfo anzureben 
bewegete: Entfegt euch nicht ihr Herren, dann dieſes iſt nicht 
auff euch angeſehen: Und nachdem er etlihen Vollziehern feines 


Wercks und Vorhabens ein Anzeigen gegeben, deß Burgermeis 


ſters eingigen Diener, fo er bey ſich hatte, auffzubalten, ſprach 
er zu ihme bem Burgermeifter: Ihr feyb ber jenige, umb ben 
es zu thun. Und als derfelbe antwortete: Wie mein Herr, habt 
ihr mich diefes Affronts wegen zu euch beruffen? ſprach ber 
Graf: Ihr müffet alfobald fterben, darfür ift fein Mittel, dann 
folches einmal befchloffen ; Gedendt allein an ewre &onfeffion 
und Glanbens⸗Bekandtnuß. Und alfobald ließ er ihn in eine 
Kammer führen, dahin er zuvor 2. Geiflliche zu ſolchem Ende 
fommen laſſen, welche, da fie den Burgermeifter der Stätte in 
ſolchem Zuftand fahen, fehr beflürgt feyn, und, daß fie umb 
eines ſolchen vorhabens willen ihn nicht zur Beicht nehmen wol« 
ten, zu erfennen gaben: Er aber umb der Ehre Gottes willen, 
weil er alfobald flerben müfte, ihm biefe Gnad zu ermeifen, ins 
fändig gebetten, bat er folches endlich erhalten. ‚Und nachdem 
er zweymahl gebeichtet, iſt er-von 11, unterfchienfichen Stichen 
mit Rappier und Dolchen erbärmlicher Weife hingerichtet worden. 

„Unterdefien nun, und indeme man mit folchem Proceß 
umbgangen, der von Warfufe auch anders nicht wolte, als daß 
der Abbt von Monffon, nebenft einem Frangöfifchen vom Adel, 
Monsieur de Saisan genandt, welde bereits auch gebunden 
waren, beichten folten, dann fie gleichfals, wie jet ber von 
Ruelle, fchleunig erwürget werden müſten. Siebe da iſt unver 
febens (als man fohreibt) von einem biefer oder deß Ermordeten 
Diener, jo durch Vorſchub eines Spanifihen Soldaten, fo ihm 
gar wohl befandt gemwefen, burch ein Fenſter hinauß entfommen 
war, in der Statt Lüttich ein Gefchrel auffgangen: Wie ber 
Burgermeifter de la Ruelle in des Graffen von Warfufe Haus 
jämmerlid) ermorbet worden wäre. 

„Als nun folches Gefchrey durch die ganze Statt erfchollen, 


ift dardurch bey der gantzen Burgerfchafft ein gefährlicher Auff- 


Graf Benat von Beneffe-Warfufee. 77 


fauff verurfacht worden, daß fie bey etlich taufend ſtarck in grofs 
fer Furj auff deß Graffen von Warfufe Behaufung, welche von 
Dnaterfteinen fehr ftard gebawet war, mit bewehrter Hand an⸗ 
gefallen. Und ob er ſich zwar gegen dieſelbe erftlich flard ent- 
ſchuldigen wollen, mit vorgeben, ber Burgermeifter la Ruelle 
hätte anjetzo (dieweil er die Statt Lüttich den Frantzoſen ver- 
kauffen, und zu überlieffern willend gewefen wäre) feinen Yang 
verdienten Lohn bekommen, deßwegen auch etliche Schrifften zu 
feinem Beweis vorgezeyget: Hat feboch ſolches alles nicht ge= 
fruchtet, fondern feynd die Gemüther der Bürger über den graw⸗ 
famen Mord eines bey Lebzeiten gegen männiglih fo Hoch mes 
ritirten Manns mehr und mehr erbittert worden, daß fie ſich 
anderft nicht, als mit dem. Blut derer, fo deffen eine Urfah und 
Gehülff geweſen, ftillen und zu vecht bringen Taffen wollen. 

„Ob nun zwar der Graff fampt denen bey ſich gehabten 
- Spanifohen Soldaten, derer zufampt ungefehr bey 70. bemwehrter 
Männer gemwefen, eine flarde Gegenwehr thaten, und vermeynten 
der Alarm unterdeffen geftilfet werben folte: Haben doch die 
Bürger nit ehe aäbgelaffen, biß fie ſich deß Haufes bemädhtiget, 
und die Confpiranten übermeiftert haben, barüber ihrer gleich 
etliche nidergemadt, den übrigen aber eine merdliche Furcht 
eingejagt worden. Da nun die Wächter (ſo über den gebundenen 
Abbt von Mousson und Monsieur de Saisan, fie zu verwahren, 
beftefft waren) vermerdt mie viel es gefchlagen, und die ihrigen 
übermannet fahen, verliefen fie ihre Gefangene, und retrahirten 
fich in eine wolverwahrte Kammer, worüber gebachter Abbt und. 
Sransöfifche von Adel, fampt noch einem Diener errettet worden. 
Unter ſolchem Tumult ward das Haus aller Orihen äberfallen, 
da man dann ohngefehr bey einer ganten Stund Yang beyber- 
feitd grimmiglich gefochten, wiewol die innerlide endlich von 
ber Gemeine bezwungen worden, fih alle mit einander im ein 
Gemach (als fie bereits die meiften, beſten und vornehmbften 
eingebüßt hatten) zu begeben. Dieweil dann nun fein Mittel 
mehr vorhanden, längern Wibderftand zu thun, weil fie ſchon fo 
viel Soldaten verlohren, fiengen fie zwar an umb Quartier zu 
bitten, welches ihnen aber verfagt worden. 


49 * 


772 Ä - Yüresheim. 


„Hierauff hat man fi) deß Gemachs ferner bemädhtiget, und 
den Grafen von Warfufe auß dem andern herauß genommen, 
ihn auff die Gaſſen gezogen, allda er von den erbitterten Bürgern 
in Stüde zerhauen, die Arm ihm von dem Leib gelöfe, und 
beyde an der Statt Pforten genagelt: auc der übel zerfleifchte 
Cörper durch die Gaſſen naher dem Marckt jämimerlich zerfchlep- 
yet, und daſelbſt an den Galgen bey den Füſſen auffgebendt 
worden, wohin man aud ein Quantität Stroh gebracht, die 
Cörper der Berrätherifhen Mörder bafelbften in Afchen zu ver- 
brennen, wie man dann den Reſt der übrigen Soldaten darauff 
auch elendig darnider gehawen , die andern aber, fo ſich ver- 
froden , zufampt dem gangen Haus, welches die Gemein mit 
Fewer angefledt, jämmerlich verbronnen,, daß alfo der Thäter 
und Thäters Helffern wenig oder gar feiner ſich ſalviren fönnen. 

„Rad fo graufamer Execution und verübten Raach an allen 
verdächtigen Perfonen (als man beyde Töchter deß Graffen von 
Warfufe nah Maftricht geführet) iſt der ermordte Leichnamb deß 
Burgermeifterd de la Ruelle, auf Erkandtnuß dep Ratbs zu 
Lüttich, nach allerfeitd genugfamb eingesogener Information in 
Mitte der Kirchen zu Sanct Lambert unter die groffe Cron ge 
bracht, und jedermann zu fehen vorgeftellt worden, worauff end« 
lich die Leichbegängnuß deſſelben gar Pringlih mit herrlichem 
Pomp gefolget, und bie erfte Klag durch den Abbt von Mouſſon, 
die zweyte durch den Burgermeifter Ber, die dritte durch Burger- 
meifter Lelis (welchen die Thumbherrn von S. Lambert mit aller 
Cleriſey, und barauff der Magiftrat und alle beruffene, wol in 
2000. ohne die fo die Fahnen und bey 200. Fackels getragen, 
welche von den Zünften gewefen, gerechnet, nachgefolget) geführet, 
und alle Glocken unter wehrender Begräbnuß geleutet worden. 

„Endlich hat die Statt zur Lüttich (ſchuldigen Erkandſamb⸗ 
feit deß abgeleibten und umb jederman fo hoch meritirten 9. 
Burgermeifters, als eines fehr Fugen Manns) deſſen hinder⸗ 
laſſener Frawen Wittib zu ihrer Unterhaltung 25000. Braban« 
bifhe Gülden assignirt, "welche dur die XRXXII. Empter oder 
Zunfften bewilliget worden. Und dieweil der gemeine Pöbel 
nahmahls und bey wehrender Unruhe unterfchiedliche Behau⸗ 














8 


Graf Wenat von Neneſſe⸗Warfuſee. 773 


fungen geplündert und außgeraubt, auch allerhand indisciplinirte 
Insolentz verübet, dahero drey gantze Tag lang die Häuſer, 
Windel und Pforten der Statt verfperret und geſchloſſen vers 
blieben, daß jedermann in Furcht der gänglichen Ruin und Plün⸗ 
derung geflanden, als hat der Magiftrat, umb weitern Ertremis 
täten und Unheil vorzubawen, ein offentlih Placat anfchlagen 
Iaffen müffen, deß Inhalts : daß. ein jeder fi zur Ruhe begeben, 
feine Gewalt mehr weder in Häufern, noch an den Perfonen 
verüben, fondern fih ruhig und ſtill halten, oder in Überfchreis 
tung dieſes Gebots, gewärtig feyn follen, daß die Thäter und 
Übertretter von ftunden an, fonder ergangeneg Urtheil und Recht 
am Leben geftraffet, und an den Galgen gehendet werden follen, 
worauff dann die Unruhe in etwas nachgelaffen, Diefer Graff 
von Warfufe war Graff Henrihs von Berge Tochter-Diann, 
welcher zwar vor biefem zu Brüffel vefidirt, aber umb Graf 
Henrichs von dem Berge willen feines SchwährBatters, hatte 
er auch außweichen müſſen, und weil er ein Luyder, und feine 
Wohnung daſelbſt hatte, hat er fich dafelbften nidergelaflen. Der 
von männiglichen beliebte Burgermeifter la Ruelle ward allentse 
halben fehr beflagt, und ihme zu Ehrn in Stein gehawen zur 
Grabſchrifft: 
Pour estre fidele à ma patrie, 
J’ay perdu mon sang et ma vie.‘ 

Daß dieſer Bericht im Intereſſe der Rebellen gefertigt, wird 
niemand verfennen, daneben enthält er materielle Unrichtigfeiten, 
wie denn Warfufde Feineswegs des Grafen von Berg Tochtermann 
gewefen. Es ward ihm 1611 Alberta, des Grafen Karl von 
Egmond Tochter angetrauet, von feinen Söhnen, Albert und 
Alexander, biefer Marquis von Gaesbeek betitelt, hat aber feiner 
männliche Nachkommenſchaft hinterlaffen. Als der Bater befeitigt, 
wurde das einftweilen, in Erwartung des Augganges der Dinge 
zu Lüttich, unterbrochene Verfahren bei den Gerichtshöfen der 
Niederlande wieder aufgenommen, und Fiscus und Ereditoren 
theilten fid) brüderlich in die ihnen zugänglichen Güter. Den 
Berfauf derfelben zu erleichtern, ließ der Fiscus 1639 zu Brüffel 
bei Luras van Dieerbeef ein Büchlein druden, enthaltend eine um⸗ 


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774 Vüres heim. 


ſtaͤndliche Beſchreibung der confiscirten Beſitzungen. Das Büchlein 
gibt eine hohe Idee von dem Reichthum des Beſitzers, iſt auch 
daneben merkwürdig als das Muſter zu den Domainenaffichen, die 
von 1803 an auf dem linken Rheinufer eine ſo große Rolle ſpielten. 

Etwas ſpäter mußten die Güter im Lütticher Lande ebenfalls 
verfauft werden, und hat namentlih Warfufle Theodor von 


Bappr von Schagen, Baron von Gaudrian, im 3. 1657 erflanden, 


Durch eine Erbtochter wurde nachmalen Die Grafſchaft, ſamt Dunen 
und Schagen in Weftfriesland, in das Haus Dultremont getragen. 
Das alterthümliche, doc, bedeutende Schloß Dultremont in Hass 
banien, unweit des Ufers der Mehaigne, ift mit feiner anfehn 
Yichen Herrichaft das Stammhaus eines uralten gräflichen, vordem 
freiherrlichen Geſchlechtes, welches, obgleih in mehre Linien 
getheilt, zu den befig= und einflußreichften der Provinz gehört, 
Bon den Befigungen kann ih, außer Dultremont und ber ur 


. alten Pradtburg Warfufee nur fa Malaife, Warat-l’Eveque, 


Andenne, Ham⸗ſur-Leſſe, Chevetoine,, Kamine, Malaig, Offour 
nennen. Karl Nicolaus Alerander Graf von Dultremont, geb. 
26. Jun. 1710, hatte ſich den geiftlihen Stand erwählt, und 
war Domherr zu Lüttich, Propft zu Tongern, ald der Cardinal 
von Bayern, Fürftbifchof Johann Theodor dag Zeitliche gefegnete. 
Während eine Partei im Domcapitel fi den von dem Taifers 


. lichen Hofe mächtig, von Frankreich Täffiger unterflügten Prinzen 


Siemens Wenreslaus von Sachſen zum Biſchof wünfchte, hatte 
bie andere Partei, im Einverftändniß mit ben, Generalftaaten, 


dem Grafen von Dultremont die Inful zugedadt. Alle Bemü—⸗ 
hungen, eine Bereinigung der Parteien zu erreichen, ergaben fid 


fruchtlos, und die fhon vor dem Wahltag, 20. April 1763, 


ausgefprodhene Trennung führte zu einer gedoppelten Wahl. 


Clemens Wenreslaus fowohl, als der Graf von Duftremont 
ſahen fih genöthigt, ihr Recht der Entfcherdung des Papſtes 
zu überlaffen. Indeſſen war die Majorität des Domeapitels für 
den Örafen, und galt er in ber Provinz als der vechtmäßige 
Bifchof, obgleich der Reichshofrath ihm jede Ausübung weltlicer 
Herrfchaft unterfagte, und das Domeapitel fein Provifortum fort 
jegen bieß, bis dahin des Papftes Ausfprud erfolgt fein würde, 


Pie Grafen Neneſſe. 773 


Dieſen hat Clemens XIIL, nachdem er in der außerordentlichen 
Congregation vom 20. Det. 1763 die Anfiht der Mehrheit ber 
Gardinäle vernommen, zu Gunften von Karl Nicolaus Aferander 
gegeben, und trat der Fürſtbiſchof qm 2. April 1764 die Regierung 
an, wobei ihm von den Landfländen, von dem Clerus und von ber 
Stadt Lüttih ein Don gratuit yon 160,000 Rthlr., damit Die 
Unfoften des römischen Proceffes zu beftreiten, dargebracht wor⸗ 
ben. Seine Regierung war mild, gefegnet und geräufchlos, fo 
geräufchlog, dag man außer einer goldenen und zwei filbernen 
Medaillen nur eine einzige Kupfermünze von ihm fennt, Bon 
dem Schlage gerührt, ftarb der Fürftbifchof fehr plötzlich auf 
Schloß Warfufee, 22. Det. 1771; noch an demfelben Tage hatte 
er ſich mit der Lerchenjagd ergögt. Am 26. Oct. wurde bie 
Leiche mit den gewöhnlichen Feierlichfeiten im Dom beigefegt. 
Johanus und der Eliſabeth von Naffau anderer Sohn, 
Sriebrich II, durch feines Altern Bruders Ableben in $’Heerens 
Elderen, Warfufee, Many, Raucour, Wasnes, Hern, Schalfoven, 
Herr, geſt. 1610, wurde unter mehren Kindern der Vater jenes 
Renat, der mit Wilhelms Sohn Renat um die Gefamtheit der 
Güter die ſchwerſten Proceffe zu führen hatte, dod am Ende nur 
das einzige Warfufde einbüßte. Renats Sohn, Georg Friedrich, 
auf Heeren-Efderen, Many, Cortreffum, Affeudeles, Ooſtmal, 
Hern, Schalfoven, Wintershoven, Wasnes, Raucour, Lewarde, 
Bireur, Molhain, Gubernator und Oberamtmann von Stockem, 
wurde in ber Ehe mit Anna Margaretha von Bocholts ein Vater 
von 15 Kindern, worunter Martmilian Heinrich, Franz Hyas 
einth, Johann Georg, Profeß in dem Brigittenkloſter zu Locafter, 
Friedrich, Deutfchordenscomthur zu Bernsheim, Anna Marga- 
retha zu Burfcheid, Lambertina Brigitta zu Münfterbilfen Aebtiffin, 
Anna Petronella Terefa, Stiftsdame zu Nivele und nachmalen 
FSranziscanernonne von ber Obfervanz, gepriefen im Leben und 
im Tod von wegen ber Heiligkeit ihres Wandeld. Marimilian 
Heinsih und Franz Hyarinthb haben beibe geheurathet; jenes 
Söhne find unverehlicht geftorben, feine ‚beiden Töchter aber, 
Maria Bernharbdina Zofepha, Gem, Ferdinand Alfons von Hamal 
anf Vierbes, und Anna Margaretha Joſepha, Gem. Johann 


Oheim, den Grafen Franz Hyacinth, den beften Theil der Bes 
ſitzungen des Hauſes, abfpnderlich die im Hennegan belegenen 
Güter in Anſpruch, und gab derfelbe Anlag zu einem Proceß, 
welcher die größten Rechtsgelehrten ber Niederlande befpäftigte 
und durch drei Generationen fich forterbte, . 

Der Schwerpunkt des Handels lag nicht ſowohl in ben Lans 
besbräucen der Provinz Hennegau, wie günftig auch diefe den 
Anfprüchen der weiblichen Erben, als vielmehr in einem ete. | 
Georg Friedrich von Neneffe und Anna Margaretha von Bocholts 
erflären in dem Eingang ihres Teftaments vom 14. Det. 1681 
die Abficht, ihre fämtlichen, namentlich aufgeführten Herrfchaften 
mit einem Fideieommiß zu Gunften des Mannsftammeg zu bes 

\ legen , ftatt aber in dem eigentlichen Dispofitiv dieſe Herrichaf« 
ten nochmals zu bezeichnen, fagen fie fur: s'Heeren⸗Elderen 
x. ꝛc. Eines mehren bedurfte es nicht für die Unfterblichfeit 
bes Proceffes, deffen Ende jedoch, fo viel dit Hamal betrifft, der 
öftreichifche Erbfolgekrieg herbeiführte. ‚Die Pompadour, König 
Ludwig XV. in feinen Feldzügen folgend, hatte regelmäßig zu 
Lille, in derer von Hamal Haufe, ihr Abfteigequartier gehabt. 
Man fprad ihr yon dem Proceß, und ihre Verwendung wirkte | 
unwiderfiehlich auf Die franzöſiſchen Gerichtshöfe, Die Graffchaft 
Many, von 80,000 Livres jährlichen Ertrags und die übrigen 
Güter im Hennegau wurden den Hamal zuerfannt, 

Den Proceß gegen die Canemburg feßten des Grafen Franz 
Hyacinth Sohn, Franz Lambert, Gem. eine von Breidbach⸗ 
Büresheim, und der Enfel, Johann Ludwig fort, Verm. mit ber 
Gräfin Sophie Boos von Waldeck hat diefer am 21. Jun. 1784 das | 
Zeitliche gejegnet. Es trat eine Bormundfchaft ein, da fein älterer 
Sohn, Clemens Wenceslaus Franz Runegunde Conftantin Johann 
Nepomucenug den 12, Febr. 1776 geboren, Gegen diefe Bormunds 
Schaft erwirften die yon Canemburg bei dem Hof von Brabant die 


776 Büreoheim. 
Friedrich von Iſendoorn zu Canemburg, nahmen gegen ihren 





Beſchlagnahme der Herrſchaft Ooſtmal, während man von Seiten 
der Reneſſe, repreſſalienweiſe, durch das Kammergericht zu Wetzlar 
der Herrſchaft Deſſeneer ſich immittiren ließ. Auf dem Rechts⸗ 
boden wuchern abenteuerliche Pflanzen. Deſſeneer war ſchon 


— 


Graf Clemens Wenceslaus von Neneſſe. 777 


früher der Reneſſe, noch früher des im 30fährigen Krieg viel: 
faliig genannten Tigiftifchen Generals Lamboy gewefen. Zu ber 
Herrichaft gehörten auch Wintershoven und der Flecken Eortreffum, 
wo ein Collegiatftift, für deffen Pfründen eine in aller Unſchuld 
betriebene Simonie hergebracht. Sie wurden von dem Gutsherren 
um den Preis von 100 Dukaten vergeben. Nach beendigter Vor⸗ 
mundfchaft wollte Graf Clemens Weneeslaus vor Allem des Pro⸗ 
ceſſes entledigt fein, er bot Die Hände zu einem Vergleich, worin 
man fi von beiden Seiten wegen ber fequeftrirten Herrfchaften 
berechnete. Die Canemburg hatten zu Ooſtmal in aller Form 
Rechtens gehaufet, von Jahr zu Jahr den Ueberſchuß der Eins 
fünfte deponirt. Dieſes Depofitum wiefen fie dem Gegner 
an, der aber, anflatt des baren Geldes, worauf er gerechnet hatte, 
nur Affignaten vorfand, Allerwärts in den Niederlanden waren 
die Depofiten der Franzofen Beute, gegen Affignaten eingewechfelt 
worden. Bon der andern Seite hatte die Bormundfchaft zu Defs 
feneer gleichwie mit anderm Eigenthum des Pupillen gewirthr 
ſchaftet, die Einkünfte erhoben und verbraudht. Graf Reneffe 
mußte fie demnach in Fingender Münze, weit über hundert⸗ 
taufend Gulden,. erfeten. 

Den Schaden zu heilen, kam höchſt gelegen bie Erbfchaft 
des Großoheims, des Freiherren Franz Ludwig von Büresheim, 
Etwan 1794 Hatte diefer dem Neffen eine Stelle bei des Kur⸗ 
fürften von Trier Leibgarde, als Supernumerair-Dfficier , mit 
Hauptmannsrang verfhafft, die weitern Abfichten für deſſen Bes 
förderung wurden durch bie Ereigniffe des J. 1794 vereitelt. 
Neben dem vielen Unheil haben diefe der Stadt Eoblenz doch ein 
fleines Glück gebradt. Der bifpfehöne Graf Reneſſe hätte da 
mancherlei Wirren anrichten fönnen. Einen guten Anfang hatte ex 
gemacht, als Anbeter der wunderfchönen, fechzehnjährigen, ſilber⸗ 
gelodten Seanette von Wiltberg (Abth. I. Bd. 1. S. 195). Er 
: fand aber. in feinen fehr ernſtlich gemeinten Bewerbungen einen - 
"mächtigen Concurrenten an feinem damals ebenfalls noch unver« 
heuratheten Oheim, dem Grafen Clemens Wenceslaus von Boos, 
sed. 24. Mai 1773. Bon dem Nebenbuhler wußte Feiner der 
beiben, um fo leichter mocht e8 dem Oheim einfallen, bem Neffen 


778 Bürcshrim. | 
zu vertrauen, daß er vor einer Stunde nur von ber Geliebten 
ein Schreiben des füßeften Inhaltes empfangen habe. Wer if 
benn die Schreiberin ?_ fragt, vielleicht von einer fchredfichen 
Ahnung ergriffen, der Neffe. — Wer anders, als das filherne 
Bräufein. — Unmöglih, die bat mir fo eben fchriftlich ewige 
Liebe verheißen. — Nicht möglid — und doch wahr, — © 
laß mich das Schreiben ſehen. — Das Schreiben wurde berbeis 
geholt, mit dem andern verglühen, gefunden, daß beide einer 
und berfelben Urfchrift gleichlautende Augfertigungen. Die Cor 
respondenz haben Die Freier abgebrochen, der Verlaffenen zu 
folhem Entfegen,, daß ihr Silberhaar, bleihen konnt es nicht, 
yon dem an in blaffes Gold ſich verwandelte. | 

Graf Clemens zog fih auf feine Burg S’Heeren-Eideren 
zurüd, fungirte eine Reihe von Fahren als Maire feiner Ges 
meinde, führte im 3. 1809 ein Bataillon Nationalgarde nad den 
Mündungen ber Schelde, den Angriff der Engländer abweifen zu 
helfen. In der ländlichen Einſamkeit befchäftigte er ſich mit dem 
Sammeln von Alterthümern, Kunftgegenfländen, Münzen; was 
Anfangs nur Zeitvertreib gewefen, wurde ihm allgemad ein 

Gegenſtand des Studiums, mittels deffen er manche Tücken feiner 

. frübern Bildung ausfüllen fonnte, Eine meift verfehlte Erziehung 
hatte den trefflichen Anlagen des Knaben und Jünglings nit 
bie gehörige Richtung zu geben vermocht, und erfcheint um fo vers 
dDienftlicher bes Grafen Streben, weil er durchaus Autodidact. 
Die gebürende Anerfennung hat gefunden feine Histoire numis- 
matique de l’evöche et principaute de Liege, depuis les temps 
les plus recules jusqu’a la reunion de ce pays a la republigue 


francaise, enrichie des dessins des principales medailles, me- 
daillons, jetons et monnaies. Par M. le comte de Benesse- 
Breidbach. Bruxelles, 1831. Die Abbildungen, 78 Tafeln, 
waren bag Jahr zuvor erfihienen. Den bei weitem größern 
Theil des für ſothanue Arbeit erforderlichen Materials fand der 
Graf in feiner eigenen Sammlung, bie fih jedoch Feineswegs 
auf Lüttihifche Münzen beſchränkte. Griechen und Nöwger ger 
fellten fih darin ven Erzeugniſſen des Mittelalters : ungemein 
xeichlich war das Eraflift Trier bedankt. Den ganzen Reichthun 





Die Capelle zu St. Iofl. 279 


der Sammlung zu beurtheilen, wird man ben nad des Grafen 
Ableben veröffentlichten Catalog, dem ein zweiter, die Urkunden 
enthaltend, beigegeben murde, zur Hand nehmen müflen. Dan 
hatte fich mit dem Gedanken getragen, die ganze Sammlung für die 
Rheinprovinz zu erwerben, das blieb aber ein frommer Wunſch, 
und die Schätze, einſt in Coblenz und Elderen vereinigt, haben ſich 
nach allen Weltgegenden hin ergoſſen. Graf Clemens von Reneſſe, 
als Ehemann, Vater, Freund, Gebieter gleich muſterhaft und 
geliebt, ſtarb den 26. April 1833, ein unvergeßliches Andenken 
Allen hinterlaſſend, denen das Glück geworden, mit ihm zu vers 
fehren. Die Gräfin, Kunegunde Shüg von Holzhaufen, der 
Schloß Büresheim ſtets ein Gegenftand unüberwindlicher Abs 
‚ neigung gewefen, ftarb Dafelbft den 29. März 1836. Es überleben - 
ihr vier Söhne und eine Tochter. Der Erfigeborne, Graf Louig, 
bat die Grafſchaft Hers erheurnthet. 


Yirnmenburg. 


Die Nis aufwärts erfcheint zuerſt das nad ihr genannte 
Dörfchen, dem folgt höher hinauf die einfame Gapelle St. Joſt 
famt der Mühle. „St. Sof if ein Capell in der Pfarrey 
Langenfeld, und wird weit und breit von Pilgrimmen wegen 
dahin habendem Vertrauen in vother Ruhr und Gliederfchmergen, 
beſonders auf den erften Sonntag im October befuchet. Vor⸗ 
hero hat das Kirchfpiel Langenfeld gegen Eingiehung des Stand» 
gelds, alle Unorbnungen zu verhüten, wie dann auf befagten 
Tag mehrere, ja oft tödtliche Schlägereyen vorgefallen, Die 
Wachten gehalten, Heine Händel daſelbſten stante pede gefchlich- 
tet, Gewicht und Maas pifitirt, waun auch fchon die Krämer⸗ 
fände auf dem fläbtifhen Eigenthum gehalten haben. Die Stadt 
fienge an das Standgeld von den Krämerftänden, die auf ihrem 
Eigenthum flunden, zu fordern. Bier gefchahe num Die gröfte 
Unordnung, mithin auf gefhehenen unterthänigftien Bericht die 
Sad in Consilio Electorali Aulico ben. 16. Novbris 1775 guäs 
digſt entfchieden worden, daß ein Jahr biefige Stadt Mayen, 


780 | virnenburg. 


das andere Jahr das Kirchſpiel Langenfeld das Standgeld auf 
beyden Seiten ziehen und das Nöthige beſorgen ſollte. St. Joſt 
iſt eine mit guten Renten verſehene, von den Grafen von Virnen⸗ 
burg geſtiftete Capell, gränzet an den Mayener Hinterwald und 
an das Virnenburgiſche, wird von Langenfeld aus«bedient und 
ſtehet befagte Eapell unter der Obforg des Hrn. Paftoren von 
Rangenfeld. Die Custors Dienften verfehen die zwey Churfürfs 
fihen Müller bei St. Joſt. Den erfien Sonntag im October 
ift allda Kirchweihe, und gefchehen weit und breit dahin zu Ehren 
des heiligen Jodoei, als Fürfprecher gegen die rothe Ruhr, Gidt 
und Gliederfchmergen, viele Walfahrten”, e8 werben auch nod 
heute Kirchweihe und Markt ſtark befucht. Gleich bei der Capelle 
an der fogenannten Silberfaul finden fi die Spuren eines ver 
laffenen Baues auf Silber. 

Weiter aufwärts, mittels eines Pfades, ber bei jedem Schritte 
befchwerlicher wird, gleichwie des Nisthales wilde Schönheit 
fortwährend im Zunehmen begriffen, gelangt man, nachdem wohl 
zwanzigmal die Nie, Nitissa, überfchritten worden, nad) Birnen 
burg, das heute nur mehr ein Dorf von nicht völlig 70 Häufern 
mit einer Capelle, das jedoch in alten Zeiten einer bedeutenden 
Sraffchaft den Namen gab. Der Grafen Burg liegt vorlängf in 
Ruinen; auf die ſchmale Koppe eines fpigigen Berges gelagert, war 
fie yon geringem Umfang, ber Bequemlichfeiten wenig bietend, 
daher die Grafen zeitig ihren Wohnfig nad) Monreal verlegt haben. 
Ueber ihr Herfommen können nur VBermuthungen aufgeftellt wer 
den: die dringendſte berubet auf ihren Beziehungen zu der Pellenz, 
aus welchen hervorzugehen feheint, daß ein jüngerer, weiter nicht 
befannter Sohn eines Pfalzgrafen von Aachen, vielleicht des ©. 
568--569 vorkommenden Hermann, mit Virnenburg und ber 
Statthalterfchaft, Vicomté, der großen maifeldifchen Pellenz abge⸗ 
funden worden. Die erften-Örafen von Virnenburg fcheinen den 
Strafen von Sayn mit ber Lehenspflicht zugethan geweſen zu fein, 
wie es denn in dem am 13, Det. 1248 zwifchen den Brüdern Simon 
‚Graf von Sponheim und Heinrih von Heinsberg errichteten, 
großentheils die von ihrem Großvater, dem Grafen Heinrich 
von. Sayn herrührenden Rande betreffenden Vertrag beißt: „Iten 


Bir erſten Grafen des Hanns Hermann. 781 


uierque nostrum sibi reservat omne jus et usumfructum, quem- 
cumque consequi poterit de castris dicti avunculi nostri, et 
aliis bonis deperditis, scilicet V. irneburg ; Waldenburg, Ge- 
none, Wettere et ceteris alienatis injuste, que tamen idem 
avunculus noster in sua potestate habuit et possessione.““ 


. Der Saynifhe Beſitz von Birnenburg kann einzig von einer 


Rehensherrlichfeit zu verſtehen fein, biefe wird aber, bei ber 
gegenfeitigen Stellung der beiden Orafenhäufer, faum einen andern 
Urfprung gehabt haben, als die gemeinfame Herkunft, ein Pas 
ragialverhältniß zwiſchen der ältern und ber jüngern Linie, 
zwifchen Sapn und Birnenburg. Allerdings babe ich früher bie 
Grafen von Sayn von den Gaugrafen des Auelgaues herzus 
feiten verſucht, ohne dabei zu erinnern, daß jener. Pfalzgraf 
Hermann, der mir ber Birnenburg Ahnherr fcheint, 948 ald 
Graf des Auelgaues genannt wird, Bon ihm fünnen demnach 


: ganz füglich beide Grafenhäufer abftammen, wie denn bie Graf⸗ 


fhaft Sayn jederzeit als der Pfalzgrafen Lehen betrachtet worden, 
und mag ed faum als Zufall gelten, dap Sayn und Birnen» 
burg fih in das Wappen der fpätern Pfalzgrafen getheilt haben, 
Sayn ben Löwen, Birnenburg die Weden oder Rauten führte, 
Bon eines Birnenburgifhen Zweiges näherm Zufammenhang mit 
den Grafen von Sayn werden ſich auch einige Spuren ergeben. 

Erabiichof Poppo von Trier, den Coblenzer Zoll dem Si⸗ 
meonsftift verleibend 1042, nennt unter den Zeugen einen Ber- . 
nardus de Wirnenburg, und if berfelbe ungezweifelt identiſch 
mit Bern de Virneburg und Bernardus de Virninburg, die in 
ber gleichen Eigenſchaft in des Erzbifchofs Eberhard Iirfunden von 
1052 und 1061 vorfommen. Wiederholt ift in ber neueften Zeit 
bie Aechtheit des Stiftungsbriefes von Laach 1093, unter deſſen 
Zeugen Hermannus comes de Virneburch genannt, angefochten 
worden, dem zweiten Stiftungsbrief, des Zeugen find Herman- 
nııs comes de Uerneburh et Ratro de eodem castello, 1112, 
wird wohl niemand etwas anhaben fünnen. Ein Sohn diefes 
Hermann könnte gewefen fein ein anderer Hermann, welder des 
Kaifers Konrad III. Beftätigungsbrief für das Klofter Springiere« 
bach, 1. Aug. 1144, und des Kaiſers Friedrich J. Urfunde vom 


182 virnenburg. 


6. Jannar 1157, die Abtei St. Maximin betreffend, unterfertigte, 
Gottfried und Friedrich, Gebrüder, Grafen von BVirnenburg, 
tragen Schloß und Grafſchaft Virnenburg, bie fie bisher, nad 
ihrer Verſicherung, als Allodium befeffen, dem Erzbifchof Jos 
bann 1. von Trier, von welchem fie 1600 Pfund Zrierifcher 
Pennige empfangen, zu Lehen auf, 9. Aug. 1187. Der Graf 
fchaft Befiger feheint aber damals und noch fpäter Gottfried ges 
mwefen zu fein, wenigftens beißt es in der Urkunde Cum 1195), 
worin Gerlah von Sfenburg die Trieriſche Lehensherrlichkeit 
über Covern anerfennt: „‚Gotfridus comes de Pirneburg et 
frater ejus Fridericus.““ Fridericus, frater comitis de Pirnen- 
burch wird auch 1204 genannt. Dagegen beglaubigen eine Urs 
funde vom Sept. 1210 „Friderieus comes de Virnenburch et 
frater suus. Ernestus et Henricus fratres de Firnenburch.“ 
Diefe, unmittelbar dem Grafen von Virnenburg folgend, find 
dem Bruno von Iſenburg vorgefest. Nochmals werden 1213 
Friedrich als des Grafen Hermann von Virnenburg patruus, 
dann .„‚Ernestus et frater ejus Henricus‘“ genannt. - 

Im %. 1219 überließ Graf Hermann LIII. dem Klofter Lon⸗ 
nig alles Recht, fo ihm „‚ratione commissie sue“, an des Klofters 
Hof Minfelfeld zuftand. Als Zeuge erfcheint er in des Trierifchen 
Erzbischofs Theoderich Entfcheid vom 9. Det. 1223, der, eben da⸗ 


[4 


ſelbſt genannte Heinrich von Virnenburg wirb jebocd ein Miniſte⸗ 


riafe fein. Des Streites, welchen Hermann mit feinem Bruder 
Philipp um den Ban der Burg Dionreal gehabt, iſt S. 753 gedacht. 
Den Bertrag um die Ausgleichung des Zwiftes hat unter mehren 
Emicho von Birnendburg, ein Minifteriale ungezweifelt, bekräftigt, 
Mit Lufardis, einer Tochter des Grafen Ruprecht IV: von Rafau, 
aus deffen Ehe mit Elifa von Leiningen, der Erbin von Schaum 
burg an ber Lahn, verheurathet, gertetb Hermann III. von wegen 
bes Erbes feiner Schwiegereltern mit dem Burggrafern Bruns von 
Querfurt zu Streit, den jedoch der Erzbifchof von Cöln, der h. 
Engelbert, in folcher Weife fchlichtete, Daß er dem Grafen Hermann 
Schaumburg und den vierten Theil der Burg Leiningen, dem von 
Querfurt den gleichen Antheil von der Laurenburg und den achten 
Theil von der Wefterhnrg zuerfannte, 1222. Die Schaumburg 


Graf Nuprecht 1. 785 


befaß aber Hermann in Gemeinfchaft mit denen von Sfenburg, 
welchen einftens die ganze Herrfchaft zufländig gewefen, und es 
. ergaben fi um einen von dem Grafen von Virnenburg beabs 
fihtigten Neubau Streitigfeiten mit Heinrich von Sfenburg, 
welchen des Trierifchen Erzbifhofs Theoderich Entfiheid vom J. 
1232 gilt. Laut deffelben fol der Zehnte in Zeuzheim und der 
Hof zu Hadamar, beides VBirnenburgifches Figenthum, dem von 
Iſenburg zufallen, fo der Graf den Beftimmungen des Entſcheids 
zuwider handeln würde. Am 26. Nov. 1238 vergabt Hermann, 
von Gottes Gnaden Graf von Birnenburg, an das Kloſter Him⸗ 
meroth 23 Morgen in Thür, fo er mit feinem Gelde erworben, 
und das Gut zu Boos. Den Gabebrief unterfertigen fein Bruder 
Philipp, feine Söhne Heinrich, Canonicus zu Garden, und 
Ruprecht, feine Burgmänner Emmerich von Treiß, Sibrecht von 
Ufmen, Werner yon ber Linden, Gottfried yon Eis, Franco von 
Elotten, Siegfried von Nachtsheim, Sibert von Eltz, Johann 
von Puͤlich, Emicho, Walter von Mertloh und Burkard von 
Kerig. Dieſe Berhandlung fcheint die Einleitung geworden zu 
fein dem Borhaben des Grafen, die Welt zu verlaffen. An 
bemfelben Tage, ebenfalls zu Monreal, wurde eine Berficherung 
ansgeftellt, des Inhalts, dag N. Graf von Birnenburg yon Abt 
und Eonvent in Himmeroth zu einem Mitbruder angenommen 
worden. Indem aber, nach defien Aufnahme, das Kloſter von 
wegen feiner Schulden oder auch aus andern Gründen angefochten 
werden könnte, habe er feinen Bruder Ph., feinen Sohn R. und 
feine Burgmänner beftimmt , in die Hände Walters, des Sub⸗ 
priors, und Arnolds von Braunshorn, des Möndhes zu Himme⸗ 
roth, als des Abtes Stellvertreter, in guter Treue zu erflären, 
baf fie das Kloſter jedesmal vertreten wollten, falls es wegen des 
Grafen. Schulden oder von wegen einer andern ihn betreffenden 
VBeranlaffung in Anfpruh genommen würde. Daß aud) bes 
Grafen Entſchluß zur Ausführung gefommen, ergibt fih aus 
Tit. XXIT. des Manipulus Hemmerodensis: ‚‚Assignatio alio- 
rum nobilium et illustrium virorum, qui in habitu monachorum 
et conversorum hic vixerunt, res tamen gestac et eorum vilne 
integritas ignoranlur, nomina autem in templi tabulis lequnter.““ 


784 | Liruenburg. 


Da heißt es: Hermannus comes de Virnenbury, conu., ferner 
Wilhelmus comes de Virnenburg. conv., Henricus comes de 
Virnenburg conv.““ 

Außer den Söhnen Ruprecht und Heinrich werden dem Orafen 
Hermann IH. die Töchter Gertrudis, Gem. Wilhelm von Mans 
berfcheid, und Maria zugefchrieben, diefe an Johann VII. von 
Arfel verheurathei, und heißt es von ihr: „Haar moeder was 
een dochter van Otto, Grave van Benthem, soene van Diderik, 
Grave van Holland.“ Einer tühtigen Race fcheint Frau Maria 
mgehört zu haben, denn ihr Sohn, Johann VIE. yon Arkel, 
fonnte, im Reiten einem Balken ſich anhängend, mit feinen Beis 
nen den Gaul vom Boden erheben oder aud) dergeftalten gegen 
eine Mauer ihn prefien, „dat het sijn tong van benautheid 
uytstuk.““ Ruprecht, ohne Zweifel alfo zu Ehren feines mütters 
lichen Großvaters getauft, wurde ber Vater des Grafen Hein» 
rich I., als welcher eine Urkunde vom 22. Januar 1245 befiegelt, 
und am Dienftag nach Oftern 1254 ein Bündniß mit dem Grafen 
Gottfried von Sponheim eingeht. In der Sühne des Erzbifchofs 
Konrad von Köln mit dem Grafen von Zülih, 15. Det. 1254, 
wird Graf Heinrich unter denjenigen genannt, welche dem Erz⸗ 
bifchof, im Halle derjelbe dem Vertrage zuwider handeln würde, 
nicht beifteben follen. Am 13. Zul, 1270 trugen Heinrich und 
fein Erfigeborner Ruprecht dem Grafen Heinrich von Luxemburg 
ihr Allod Welcherath,, um 200 Pfund Trierifh , zu Lehen auf. 
Durch die Verträge von 1274 und 1275, ©. 753, wurden 
bie Grenzen bes Birnenburgifchen Gebiets gegen das Eigen⸗ 
thum bes Polcher Dingtages feflgeftelt. Am 25. Nov. 1275 
verfaufen Graf Heinrich und Bonzetta, Bonitas, Eheleute, mit 
Willen ihrer Kinder, von denen doch nur Ruprecht und bie an 
Hermann von Mülenark verheurathete Tochter Mechtilde ger 
nannt werden, um 200 Marf Pfennige ihren Hof zu Kell an bie 
Abtei Laach. Unter den Zeugen erfcheint Hermann von Birnen 
burg, Sanonicus zu Münftermaifed, Dem am 7. April 1277 
von dem Biſchof Simon von Paderborn, dem Landgrafen Hein 
rich von Heflen, dem Grafen Wilhelm von Julich und vielen 
andern Großen, darunter aud ein Rimbertus de Virneburg, 


Graf Heintid J. 785 


errichteten Bündnig gegen den allen feinen Nachbarn bebrohlichen 
Erzbiſchof Siegfried von Cöln, Abth. II. Bd. 3. ©. 610—627, 
iſt Graf Heinrich von Virnenburg beigetreten. Am 10. Sept. 
1285 verſtändigte er ſich mit Heinrich von Vinſtingen, dem 
Erzbiſchof von Trier, in Betreff eines durch die Vogtei und 
die Bauten zu Münſtermaifeld veranlaßten Zwiſtes. Der Graf 
entſagte der Vogtei, gegen eine Entſchädigung von 200 Mark. 
In der Sühne, am 10. Mai 1289 zwiſchen dem Erzbifchof 
von Cöln und dem Grafen von Berg errichtet, wird Graf 
Heinrih von Birnenburg als einer der Helfer des Grafen 
“ von Berg genannt, und verpflichtet fich der Erzbifchof, feinen 
der dieſem Grafen und feinen Helfern feindlichen, ebenfalls 
namentlich aufgeführten Ritter in den Feflen bes Ersftiftes zu 
begen. Diefer, Berhandlung kann indefien Graf Heinrich nicht 
lange überlebt haben, denn am Mittwoch vor den Rogationen 
1290 erfcheint fein Sohn Rupredt HI. als rvegierender Graf von 
Birnenburg. Beiläufig will ich noch eine Urfunde des Erzbifchofs 
Konrad von Cöln vom 25. Febr. 1255 anführen, worin gefagt: 
Walbodo und Erneft von Vernenburg, viri nobiles, hätten einen 
Berg ihres Eigenthums, im der Pfarrei Puderbady über dem 
Waſſer Holzwied gelegen, der Cölnifchen Kirche zu Lehen aufs 
getragen, und würden fie in Folge deſſen ermächtigt, auf ihre 
Koften auf befagtem Berge eine Burg (den Reichenftein) zu ers 
bauen, mit welcher fie zugleich, und auf ihr Anfuchen Rorid von 
Rennenberg, Gerlach von Otgenbach, Heinrich von Arfcheid, der 
Bogt zu Hachenburg, Heinrich von Blankenberg und Johann von 
Andernach , ipsorum consanguinei, belehnt werben. Unter den 
Zeugen tft auch ber Graf von Birnenburg genannt. Zwei der 
Siegel führen das Birnenburgifche Wappen, mit der Umfchrift 
‚Sigill. Ernesti de Verneburch das eine, das andere mit ber 
Umfgrift S. Walbodonis de Novo Castro (von der Neuerburg). 

Des Walbodo Siegel zeigt drei Rauten, rechtsſchräg geſetzt, 
und darum die befagte Umfchrift, auch haben bie edlen Herren 
von Reichenftein, im Wiedifchen, jenes Siegel bie zu ihrem Er⸗ 
löſchen, zwifchen 1504 und 1513, beibehalten. Davon ift des 
Ernſt von Virnenburg Wappen, mit der Umfchrift, Sigill. Er- 


- Rhein. Antiquarius, 3. Abth. 2. Bd. 50 


786 Wirnenburg. 


nesti de Verneburch , im Wefentlihen nicht verfchleven. Des 
gleichen Siegeld bedient fi auch Ernft von Virnenburg, genannt 
von DBlanfenberg 1275. Dagegen find in dem ebenfalls dem 
% 1275 angehörenden Siegel des Edelherren Heinrich von 
Virnenburg die drei Rauten an einander gehängt, fo daß fie 
genau den edicht gezogenen Duerbalfen der Manderſcheid vors 
fielen , ein Umſtand, ber mich auf die Bermuthung führt, daß 
die Manderfheid mit den Birnenburg eines gemeinfamen Her 
fommens find, und daß aud das fogenannte Gitter der Herren 
von Daun nichts anders, .als die Virnenburgifchen Rauten in 
wunderlicher Berfchlingung. Endlich glaube ich in: dem Umftand, . 
dag in beinahe fämtlihen Wappen der Burgmänner der Pfal; 
Cohen die Rauten oder ber edicht gezogene Duerbalfen fid 
wiederholen, eine gewichtige Beftätigung der Vermuthung, daf 
die Grafen von Virnenburg dem älteften Geſchlechte der Pfalz⸗ 
grafen von Aachen entſproſſen, zu finden. 

Außer dem Nachfolger in der Grafſchaft hinterließ Graf 
Heinrich I. von Virnenburg noch die Söhne Heinrich und Eber⸗ 
bard, dann die 1328 als Aebtiſſin des Clarenkloſters in Neuß 
genannte Tochter Machtild. Eberhard kommt 1298—1304 als des 
Deutfhordeng Comthur zu Marienburg und von 1304—1309 als 
Comthur zu Königsberg vor. Im Winter 1304 fiel er mit einem 
Heer von 2000 KReitern ber Tithauifchen Landſchaft Pograuden 
ein. In demfelben Sabre, zur Faftenzeit, unternahm er einen 
zweiten Zug, nachdem ev vernommen’, daß der Hauptmann auf 
Onfaym, Swirtel, nit ungeneigt fey, ihm die Burg zu über 
liefern, auch die Taufe begehre. In der That wurde das Burzs 
tthor dem Ordensvolk geöffnet, die Mannfchaft erfihlagen, dech 

der Frauen und Kinder verfhont, dann die Burg bis auf den 
Grund zerflört. Am 21. Sept. 1309 wurde Eberhard zu ber 
Würde eines oberften Spittlers erhoben, er fiheint jedoch im 
Laufe des nächften Jahres fein Leben beſchloſſen zu haben. Sein 
Druder, Heinrich, geb. 1244 oder 1246, und dem geiſtlichen 
Stande beſtimmt, wurde auf Ableben des Trierifchen Er 
biſchofs, Boemund von Warsberg, 9. Sept. 1299, zu deffen 
Nachfolger erwählt, auch im Erzftift alfgemein anerfannt, es 


Aurſũrſt Heinrich von Köln, 787 


bat jedoch Papſt Bonifaeius VIII., „in odium Regis Al- 
berti⸗“, die Wahl nicht genehmigt, ſondern dag erledigte Erz⸗ 
bisthum an Dieter von Naffau gegeben. Nach weniger Sabre 
Berlauf farb Wichbold von Holte, der Cölniſche Erzbifchof, und 
es fonderte fi in der Wahl, 1303, das Domcapitel in drei 
Parteien. Die eine wählte den Dompropſt Heinrich von Virnen- 
burg, die andere den Reinhard von Wefterburg, die dritte ben 
Wilhelm von Zülih, Propft zu Maaftriht. Es ift das der 
freifame Held, weldhem bie behre Aufgabe. geworden, die Unabs 
bängigfeit von Flandern gegen die ganze Macht von Zranfreich 
nicht nur, fondern auch gegen einen großen, von unfeligem 
Schwindelgeiſt ergriffenen Theil der Bevölkerung zu behaupten. 
In der glorreichften Weife bat Wilhelm diefe ſchwierige Aufgabe 
gelöjet , in der glorreichſten Weife, in den Armen des Siege, 
den Tod auf dem Schladhtfelde von Mons-en-Puelle, 18. Aug, 
1304, gefunden. Der Art und Kriegsmanier ber Franzoſen Fundig, 
verfolgte er die Fliehenden in unermüdlicher Haft, dag ihm, von 
allen den Seinen getrennt, zuletzt das Schidfal Gaſtons von 
Feir geworden if. Einen Glüdsfall mochte darin Heinrih von 
Birnenburg erfennen : nimmermehr würde er gegen einen folchen 
Gegner haben auffommen fünnen. 

Auch der andere Gegner, Reinharb von Wefterburg, machte 
ihm der Sorgen genug, vornehmlich an dem päpftlihen Hofe, 
wohin beide Competenten, ihr Recht zu verfechten, fich verfügt 
hatten. Benediet XI. farb, bevor er eine Entfheidung geben 
: fönnen, Siemens V. fprach zu Gunſten bed von Birnenburg. Er 
wurde 1306 als Erzbifhof inſtallirt, Fonnte jedoch nur durch 
Gewalt feine Anerfennung ab Seiten der Anhänger NReinharde 
durchſetzen. Auch Fam er fofort mit dem Grafen Gerhard von 
Zulich zu Streit von wegen der Burg Ringsheim, wegen Broich, 
Zülpich, Lipp u. f. w. Der Streit wurde jedoch durch erbetene 
Schiedsrichter, Darunter Graf Ruprecht von Birmenburg, geſchlich⸗ 
tet, 1. Sept. 1306. Ueberhaupt hat in Vertheidigung der Rechte 
feines Erzſtiftes Heinrich nicht felten zur Gewalt feine Zuflucht 
nehmen mäffen, jedoch niemals ohne Urfache das Schwert gezogen, 
niemals ohne Ehre daſſelbe eingeſteckt. Seine Stimme für die 


\ 50 * 





788 Virnenburg. 


bevorſtehende Kaiſerwahl dem Grafen Heinrich von Luxemburg 
zu verheißen, wurde er durch die ausſchweifendſten Zuſagen, 
angeblich Erſatz für die Mühen und Auslagen des Wahlgeſchäftes, 
für die dem Reich geleiſteten Dienſte und für die von K. Albrecht 
angerichteten Berwüftungen beftimmt. Laut diefer Zufagen follte 
er fofort nach der Krönung erhalten Kaiſerswerth, Dortmund, 
Duisburg und Sinzig, die Neihshöfe Wefthoven und Elmenhorf 
mit dem Schultheißenamt und den Juden zu Dortmund, ben Hof 
zu Bracdelen und die Bogtei des Stiftes Eſſen, oder ftatt dieſer 
Reichsgüter hunderttaufend Darf reinen Silbers; 2) die Burg 
Zeltingen, welche, wie Brachelen und die Vogtei Effen in feinem 
Falle von dem Erzftift abgelöfet werben dürfe; 3) doch nur 
auf Lebenszeit, Düren, die Bogtei und das Schultheißenamt 
zu Nahen, Wefel und Boppard, dieſes ohne den Zoll, 4) Ber: 
fpricht der Graf, den Zoll zu Hammerftein aufzuheben, und nie 
und nirgends innerhalb des Cölniſchen Geleites oder Herzogthums 
wieder zu errichten; im Gebiete und in dem Sprengel von Coͤln 
feine Münze zu prägen oder prägen zu laffen, als Cöfnifche, es 
fey denn ſolche, wie fie von Alters von römiſchen Kaiſern ges 
ftattet worden ; alle Privilegien zu erneuern und zu beobachten, 
den Erzbifchof in der Erhebung des Zolles zu Andernad, Bonn 
und Neuß zu handhaben. 5) Bewilligt er dem Erzbifchof die Beſug⸗ 
niß, die Propfteien zu Aachen, St. Servatius in Maaftricht, Lüttich 
und Kaiferswerth einmal zu vergeben, und für die Ausübung des 
Rechtes der erfien Bitte die Individuen zu bezeichnen. 6) Ber 
fpricht er zu bewirfen, daß fein Bruder Walram, unter Bericht 
auf die Ausfteuer, eine der Schweftern bes Grafen Ruprecht von 
Birnenburg heurathe, und daß fein Bruder, der Erzbiſchof Bal⸗ 
duin von Trier diefen Grafen Ruprecht auf Lebenszeit zum Amts 
mann für Cochem, Münftermaifeld und Mayen beftelle. 7) Der 
Erzbifhof und feine Mannen follen zu feinem Reichszuge vers 
pflichtet fein. 8) Er fol für die von K. Albrecht im Erzſtift 
angerichteten Schäden 45,000 Pfund Feiner Turnofen , für die 
Wahlkoſten 5000, für feine Räthe 6000 Pfund habenz 9) wird 
ihm Schuß und Beiftand gegen feden verfprochen; 10) mag er 
Reichsburgen, Jurisdietionen, Güter und Gefälle Faufen , bie 





Aurfürſt Heinrich von Cöln. 780 


fobann feinen Reichslehen zumachen. 11) Berfpricht der Graf 
ben Erzbiſchof in den Beſitz des Geleites für alle Juden ber 
Diöcefe zu fegen, auch in dieſem Reichslehen ihn zu fügen, 
endlich 12) den Grafen Dito von Eleve in dem Genufle feiner 
Zolle, auch fonftiger Befigungen zu erhalten. Die ganze Ber- 
handlung wurde zu Ochtendung, 20. Sept. 1308 aufgenommen. 

Daß wenigftens theilweife diefe Bedingungen erfüllet wors 
“ ben, ergibt fih aus verfchiedenen, von K. Heinrih VII auss 
geftellten Urkunden, wie er denn am 26, Sept. 1309, als Erfag 
für Die KRoften der Wahl, die Erhebung des zu Bonn neuerdings 
angelegten Zolles dem Erzbifchof für die Dauer von vier Jahren 
überließ. Zu Fehde gerathen mit den Grafen von Jülich, Berg 
und Mark, dann mit Reinold von Montjoie und Balfenburg 
einigte fi mit ihnen Heinrich am 1. Jul. 1309 für die Beftellung 
von Schiedsrichtern, zum Behufe eines gütlichen Abfommeng. Der 
Streit mit dem. von Valfenburg muß aber auf dag Neue fid 
erhoben haben, denn am 19, April 1311 bewilligt Heinrich der 
Bürgerfhaft von Bonn eine Zollbefreiung von megen ihrer in 
dem Gefechte bei Eusfirchen, „in quo divina favente clementia 
' victoria nobis cessit,““ den Balfenburgern gegenüber bewiefenen 
Tapferkeit. Auf Ableben Kaifer Heinrichs VII. hat Erzbifchof 
. Heinrich fih für Friedrich von Oeſtreich, den einen der Kron⸗ 
candidaten gewinnen laſſen, durch das Verſprechen, daß feines 
Bruders, des Grafen Ruprecht Tochter, des Herzogs Heinrich 
von Deftreih Gemahlin werden folles; der Erzbifchof machte fich 
nicht nur anheifchig, dem Herzog Friedrich feine Stimme zu geben, 
fondern wollte aud der Wahl zum Schug mit 500 Reifigen aude 
rücken. Außerdem wurde durch ihn ein zweiter Kurfürft für Herzog 
Friedrich gewonnen. In der Urkunde vom 18. Nov. 1313 befennt 
Markgraf Waldemar von Brandenburg, daß er fih mit dem Erz⸗ 
bifchof von Eöln geeinigt habe, bei ber bevorftehenden Wahl ihre 
Stimmen einer und derfelben Perfon zu geben, und bei dem 
Neugewählten ihre gegenfeitigen Intereffen möglichſt zu fördern, 

„Die Unterhandlungen H. Friedrichs für feine Erhebung 
auf den Deutfchen Königsthron machten nun frhnelle Fortſchritte. 
Am 28. April 1314 verſprach ihm H. Rudolf von Bayern, Lud⸗ 


790 7 Birnenburg. j . 


wigs Bruder, eidfich feine Wahlſtimme. Würde Friedrich ned 
vor der Königswahl erben, fo verpflichtete er ſich, Deffelben 
Bruder Leopold zum Könige zu erwählen. Am 1. May ftellte 
der Markgraf Heinrich von Brandenburg; am 3. und 9. May 
der Erzbifchof Heinrich von Edln eine Urkunde des nämlichen 
Inhaltes aus. Der Markgraf Waldemar von Brandenburg hatte 
fih ſchon im verfloffenen Jahre verpflichtet, dag er nur dem« 
jenigen feine Stimme geben wolle, welchen ber Erzbifchof Hein 
sih von Cöln zum König erwählen würde. Der Erzbifchof hatte 
fih aber bereits in einer Urkunde feyerlich für unfern Friedrich 
erkläret; deſto ficherer durfte man alfe auch auf Waldemard 
Stimme rechnen. Deſſen ungeachtet mußte nad) der damaligen 
Sitte der Churfürften der Kauf der Wahlftimme ordentlich abs 
gefchloffen werden, bevor man derfelben vollfommen ſicher ſeyn 
fonnte. Am 9. May ertheilte der H. Leopold dem Erzbiſchof 
Heinrich von Cöln und dem Bifhof Johann von Straßburg bie 
Vollmacht, mit dem Marfgrafen über die Summe Geldes und 
über die Privilegien zu unterhandeln,, die er für feine Wahl 
ſtimme verlangen würde, mit dem Zufaß, der H. Friedrich werde 
als Römifcher König alles, was fie mit Waldemar feftfegen werden, 
beftätigen und getreulich erfüllen. An dem nämlichen Tage hat 
der H. Leopold auch den Kauf der Wahlſtimme mit dem Erzbifhof 
Heinrich von Cöln abgefchloffen. Die unerfättlihe Habfucht der 
Churfürften überftiege allen Glauben, wenn fie ung nicht durd 
unverwerfliche Urfunden fo ganz in ihrer Blöße dargeſtellt würde. 
Bon den vielen Bebingniffen, zu deren Bewilligung der H. eos 
pold von dem Erzbiſchof Heinrich für feine Wahlſtimme genöthiget 
wurde, wollen wir nur wenige anführen. Dem Erzbifchofe mußte 
bie ganz unglaublich große Summe von vierzigtaufend Marl 
reinen Silbers, und feinen Miniftern mußten zweytauſend Marl 
zugefidhert werden ; wegen der richtigen Erlegung diefer Summe 
in verfchiebenen Terminen ſchwor Leopold einen perfönlichen Eid, 
und ftellte über diefes nody mehrere Bürgen. Dem Bifchofe von 
Straßburg und den genannten Bürgen wurde ein vollfommener 
Koftenerfag für ihre Bemühung verheiffen. Der H. Rudolph 
von Bayern und der Herzog Rudolph yon Sachſen mußten ſich 


l 


KAurfürft Heinrich von Cöln. 70 


ebenfalls als Bürgen für die richtige Bezahlung der obengenannten 
Summe verfhreiben. Würde deffen ungeachtet die Bezahlung 
verfpätet, fo follte der Erzbiſchof das Recht haben, mehrere ge- 
nannte Ortfchaften in Beftg zu nehmen, und fie als fein Eigen 
thum zu behalten. — So fehr der H. Leopold dem Churfürften 
bie unverihämt großen Sorberungen verbürget hatte, fo mußte 
er ihm doch am 24. Sept. einen neuen fchriftlichen Zufagartifel 
ausftellen, in weldem von noch mehr Bürgen Meldung gemadt, 
und dem Grafen Rupredt von Birneburg, deffen Tochter Elifa- 
beth Leopold Bruder, der H. Heinrich, zur Gemahlin nehmen 
mußte, eine Summe von zwölftaufend Pfund Häller zugefichert 
werden.” Alſo der öftreichifche Gefchichtfehreiber Kurz. Ih muß 
aber erinnern, bag die Urfunde vom 9. Mai 1314, wie fie in 
‚Hrn. Lacomblets unfhäsbarer Sammlung abgedruckt, von ben 
40,000 Mark reinen Silbers für den Erzbifhof durchaus nichts 
weiß, während in der zweiten Urkunde von demfelben Datum die 
Bortheile, deren die Großen in des Erzbifchofs Gefolge genießen 
follen, namentlich aufgezählt werden. 

„Im Monathe May 1314 verfammelten fih die Kurfürften - 
zu Nenfe, um über bie fünftige Königswahl fih vorläufig zu 
beratbfchlagen, und ſich vorbinein über den Fürften mit einander 
zu verfländigen, welcher dem deutſchen Reiche vorfiehen follte. Der 
Abt Peter von Rönigsfaal, welcher wahrſcheinlich als Gefhäfts- 
träger des Königs Johann von Böhmen diefer Berfammlung 
der Fürſten beywohnte, erzäblet, daß fi) die Kurfürften Feineg- 
wegs in ihren. Urtheilen über den neu zu wählenden König ver- 
einigen fonnten. Im Monathe Juny ward eine zweyte Ber- 
- fammlung befiebet; aber auch dieſe löſete ſich wieder fruchtlos 
auf, denn die Erzbifchöfe von Maynz und Trier blieben unbe« 
weglich dabey, dag K. Johann von Böhmen erwählt werben 
follte 5; der Erzbifchof von Cöln wich nicht von feinem Friedrich 
von Defterreich, und die übrigen Fürften theilten ſich in verfchies 
dene Meinungen. Der Streit der Churfürften verbreitete ſich 
zufegt auch unter dem anweſenden Volle, und es entfland ein 
großer Lärm, der nur dadurch geftillet werben konnte, daß ein 
Ritter fi) erhob, mit einem Handzeichen Stillſchweigen gebot, 


792 Pirnenburg. 


und im Namen bes Erzbifchofes von Maynz befannt machte: Am 
19. Detober follten ſich die Churfürften oder ihre Abgefandten 
in Sranffurt zur Königswahl einfinden: wer von ihnen nidt 
erfcheinen würde, verlöre für diefes Mal das Recht, feine Wahl⸗ 
flimme abzugeben.“ 
| Nah Frankfurt, wohin ber .einzige Erzbifchof von Zrier 
4000 Reifige geführt hatte, ſich zu begeben , glaubte Erzbiſchof 
Heinrich nicht wagen zu dürfen. Er übertrug feine Wahlftimme 
dem Herzog Rudolf von Bayern, angefehen er, wegen ber’ feinds 
feligen Stimmung bes Erzbifhofs Balduin von Trier und bes 
Grafen von Luremburg — fo nannte er den König von Boͤh⸗ 
men, indem er als Friedrich Anhänger den Herzog Heinrich 
von Kärnthen für den rechtmäßigen König von Böhmen hielt — 
bie Fahrt nach Frankfurt ohne Gefahr nicht antreten Fönne. In 
der That hatte Peter von Aspelt, der Kurfürfi von Mainz, am 
13. Aug. erklärt: „quod ratione compromissi in nos per vene- 
rabiles patres, Dominum Henricum Coloniensis et Baldewinum 
Treuerensis Ectlesiarum Archiepiscopos, super .controversiüs 
inter eos subortis facti, non pronuntiabimus aliquid super ne- 
gotio electionis futuri Romanorum Regis nunc instantis, nee 
super jure conductus Domini Coloniensis Archiepiscopi ante- 
dicti“,- daß demnach Heinrich feinen Geleitshrief erhalten hat. 
Es erfolgte eine zwiefpaltige Wahl, Während Ludwig von 
Bayern in Frankfurt ald König aufgenommen wurde, eilte fein 
Gegner Friedrich nad) Bonn, dem befreundeten Erzbifchof von 
Cöln und der Krönungsftadt Aachen näher zu fein. Allein auf 
daſelbſt hat Ludwig ihm den Borfprung abgewonnen , als wo. 
für der Kurfürf von Trier in gewohnter Thätigfeit wirkte, 
Da ungezweifelt eines Erzbifchofs von Cöln Recht, in feiner 
Provinz den neu erwählten König zu Frönen, wurden mit dem- 
felben ab Seiten Ludwigs und feiner Anhänger Unterhand⸗ 
ungen eröffnet, die ſich jeboh an einer yon dem Erzbiſchof 
aufgeftellten Präliminar-Forderung alsbald zerfchlugen, indem 
er, nad dem Beifptel des päpftlichen Hofes, vermöge feines 
Krönungsrechtes ſich befugt hielt, die Wahlacten zu: prüfen, 
‚und verlangte, daß beide Parteien vor ihm erfihienen, um ihr 


KAurfürft Heinrich von Cölu. 793 


Recht nachzumeifen. Ludwig biieb aus, und wurde zu Aachen 
von Erzbifchof Peter von Mainz gekrönt, den 25. Nov. 1314, 
benfelben Tag alſo, daß der Erzbifchof von Eöln zu Bonn dem 
König Friedrih die Krone aufſetzte. Darum von allen feinen 


Nachbarn angefeindet, hat Heinrih , trotz mannhaften Wider- 


ftandes, die Burg Brühl an den Kurfürften Balduin von Trier 
verloren, auch, um diefelbe wieder zu haben, der Partei K. Fried» 
richs entfagen müffen, 1316. In dem folgenden Sahre belegte er 
den Grafen yon Zülich mit dem Bann, um daß diefer die Stadt 
Zülpich ihm vorenthielt, Seine Anlagen zu Brühl, ang welchem 
er, dem benachbarten Cöln zum Nachtheil, eine Handelsftabt zu 
machen gefonnen,, verwidelten ihn abermals in Fehde mit den 
Cölnern und mit dem Kurfürften Balduin, Peter von Aspelt, 
der Rurfürft von Mainz, verföhnte die beiden einander feindlichen 
Eolfegen 1318, und Balduin, dem eine Entfhädigung von 
200 Darf geworben,- vermittelte hinwiederum den Frieden mit ber 


Stadt 1319, Taut beffen die Feſte Brühl, famt den Häufern 


bes Fleckens gefchleift werden follte. Diefen Punkt zu erfüllen, 
fonnte Heinrich fich nicht entfchließen. Die Feindfeligfeiten kamen 


wiederholt zum Ausbruch, die Stadt wurde mit Bann und Inter⸗ 
. Diet belegt, deſſen Rechtmäßigkeit zu unterfuchen, Papſt Jo⸗ 
hann XXH. am 14. Det. 1319 eine Commiffion anordnete. 


Das beſtimmte den Erzbifchof, den Zwift dem Ausſpruche des 
Grafen Gerhard von Zülih anheimzugeben. Der Ausſpruch, 
pielerfei Befimmungen in Bezug auf Berfehr und Entfchädi«- 
gungen enthaltend, erfolgte den 15. Aug. 1320 5 nad) einer feiner 
wefentlichften Beflimmungen wurden Brühl, Burg und Stadt, 
dem Ritter Kuno von Bifchenich übergeben, um fie während der 
vier Jahre des hiermit beliebten Landfriedens zu hüten. Vorher 
fon, 30. Juni, hatten die päpftlichen Commiffarien Excommu⸗ 
nieation und Snterbiet aufgehoben. Bei allem dem Fam bie 
endliche Ausgleihung nicht eher, denn am 31. Det, 1330 zu 
Stande ; in derfelben tft für Brühl eine Art Neutralität ſtipulirt. 

Am 14. Aug. 1320 wurde ber Ehor der Domkirche zu Cöln 
dem allgemeinen Gottesdienft geöffnet, genau 72 Jahre nad: 
Dem zu dem Bau ber erfie Stein gelegt worden. Am 25. Sept, 


794 Virnenburg. 


1322 weihele der Erzbiſchof in ſeltener Feierlichkeit den alſo 
vollendeten Theil der Kirche ſamt den Nebencapellen; am 27. 
Sept. 1323, am Feſttage der bh. Cosmas und Damian hat er 
die bis dahin in der alten Domfirche aufbewahrten Leiber ber 
bh. Dreifönige nad) der ihnen zu Ehren geweihten Capelle dee 
heutigen Doms übertragen. Am 24, Sept. 1321 batte Reinold, 
des Grafen von Geldern Sohn, in dem Zwift bes Erzbiſchofs 
mit dem Grafen Gerhard von Zülih gefprocdhen: dem Grafen 
wurde, zur Abtödtung feiner Pfandfchaft an Zülpich, eine Hebung 
an dem Zolle zu Bonn zuerkannt, vielen Einzelnen follten Ent 
fhädigungen werben. Am 18. Juni 1322 verfpricht König Fried- 
rip HL, er werde ſich mit dem Grafen Gerhard von Jülich 
nicht einigen, dieſer babe ihm dann vorderfamft Die GStäbte 
Kaiferswerth, Düren und Sinzig, bie dem Erzbifchof als Pfand 
für die ihm verſchriebene Geldfumme dienen follen, eingeräumt. 
Am 7. Januar 1325 befunden der Erzbifchof, Heinrich der Propf 
zu Bonn und Graf Ruprecht von Virnenburg, daß fie mit dem 
König von Böhmen und den Grafen von Holland, Jülich, Berg 
und Mark für die Dauer eines Jahres Waffenſtillſtand einges 
gangen find ; ber Feldzug des 3. 1324 war, folchen übermächtigen 
Feinden gegenüber, nicht, glüdlih ausgefallen. Bonn Fonnte 
nur durch die außerordentlichſten Anftrengungen gerettet werben, 
die Schlöffer Bolmenftein und Hülchrath gingen verloren. 
Vollſtändig Hat Dagegen in der Fehde mit den Herren von Helpen⸗ 
ftein der Erzbifchof obgeftegt, die Burg Helpenftein gebroden, 
die Gebrüder Wilhelm und Friedrich von Helpenftein zu Ge 
fangenen gemacht, während ein britter Bruder, Ludolf im Laufe 
der Fehde erfchlagen worden, Alfo gedrängt, haben die von 
Helpenftein in der Sühne vom 13, Jul. 1329 verfprochen, ihre 
Burg nicht wieder aufzubauen, außerdem dem Burglehen Her, 
fo fie in Hülchrath gehabt, verzichtend. Zu Lahnſtein wurde am 
10. Jun. 1331 Frieden geſchloſſen zwiſchen Erzbiſchof Heinrich 
einer, uud Simon von Kempenich, Johann von Eltz und ihren 
Helfern andern Theils: ale Heinrichs Verbündete werden barin 
genannt der Kurfürft von Trier und bie ritterliche Geſellſchaft 
mit den rothen Aermeln. 


Graf Uuprecht I. 795 


Durch die unaufhörlichen Fehden hat der Erzbifchof gleich» 
wohl in den Bemühungen für die Aufnahme feiner Kirche 
ſich nit flören laſſen. Er befeftigte die Städte Uerdingen und 
Linz, erbaute die Burg zu Lechenich, erfaufte yon dem Edelherren 
Dierrih Loyf von Cleve Schloß und Herrſchaft Hülchrath um 
den Preis von 30,000 Mark Cölniſch, als für welche Summe 
er dem Berfäufer Stadt und Land Kempen zu Pfand feste, 12, 
Juni 1314. Die Kauffumme aufzubringen, entlehnte er von drei 
Lombarden 29,225 Mark, zugleich, 28. Juni 1314, erflärend, 
daß er denfelben aus einem frühern Darlehen noch 17,000 Marf 
fhulde: zur Dedung follen fie zu Bonn am alten Zoll 4, zu 
Andernah 2 Turnofen heben. Am 13. Sept. 1329 verſprechen 
Heinrich, der Burggraf von Alpen und feine Brüder, daß fie 
ihre Burg Alpen, falls fie derfelben wieder eingeführt würden, 
niemals dem Erzftift entfremden wollen. Sin einer 1323 zu Coͤln 
abgehaltenen Synodalverfammlung erließ Heinrich viele heilfame 
Berordnungen. Dem Stift Kaiferswerth hat er in Folge abges 
haltener Bifttation das unanfländige Treiben an den Fefltagen 
‚ der bh. Stephan und Johannes Evang. wie aud ber Unſchul⸗ 
digen Kinder, ‚‚insolentias per clamores laicales, coreas, bux- 
einas, tybias, liras et iympana ac talia instrumenta musica‘ 
unterfagt, indem fi in dem Haufe bes Herren und bes Gebetes 
nur die Orgel gezieme, 9. Aug. 1311. Erzbifchof Heinrich ſtarb 
zu Bonn, 7. Januar 1332, und wurde in ber von ihm ber 
Münſterkirche angebauten St. Barbaracapelle beigefegt. 

Sein Bruder, Graf Ruprecht 2. von Virnenburg, focht in 
der Schlacht bei Woringen gegen den Cölnifchen Exzbifchof Sieg- 
fried von Wefterburg und erhielt darum feinen Antheil an ber 
dem Befiegten abgewonnenen Beute, wie er denn am 20. Jun, 
1290 den Dompropft zu Edln und den Grafen von Berg ans 
weifet, das ihm zu Pfand gefegte Schloß zu Lechenich der Edlni- 
ſchen Kirche zurüdzugeben, gleichwie er ſchon früher mit Burg 
und Herrichaft Närburg gethan, indem er alles daran ihm zu«- 
ſtehende Recht dem Erzbifhof verkauft und übertragen habe, 
Am: 29. Mai 1294 wird er von König Adolf für das Neid) 
gewonnen zu einem Mann, mitteld der Summe von 500 Marf 


@ 


796 Wirnenburg. 


Cöolniſcher Pfennige, flatt deren binnen Jahresfrift aus ihm wohl 
gelegenen Reichsgütern eine Nente von 50 Mark ihm. zugefichert 
werden fol. Sind die 500 Mark entrichtet, fo wird der Graf 
den gleichen Betrag auf feine Allodien beweifen, und zugleid 
die feinem Bater von König Rudolf verpfändete Vogtei zu 
Clotten dem Reiche wieder zuftellen. Am 8. Det. 1295 tragt 
Graf Ruprecht der Stadt Eöln, wo er ein Bürger geworden, 
gegen Empfang von 150 Mark, feinen Hof Spurzem zu Lehen 
auf, zugleich verfprechend,, auf Erfordern der Stadt mit einem 
Nitter und anderweitigem flandesmäßigen Gefolg zu dienen, Der 
Lehensauftrag gefhah zu Eöln auf offener Straße, mit Willen 
der Gräfin Kunegunde, geborne Gräfin von Bentheim, die 
auch die Urkunde befiegelt bat. Am 24. Zul. 1306 erfaufen 
Graf Ruprecht und Kunegunde, Eheleute, von Siegfried von 
Epflein und feiner Hausfrauen Sfengard die Burgen Nieder 
Wied und Olbrück famt allen Zubehörungen, Gerichtsbarkeit, 
Bafallen, Meinifterialen, Burgmännern, eigenen Leuten, Patro⸗ 
naten, Aedern, Wäldern, mit Willen des Erzbifchofs von Eöln, 
der ein Lehensherr ift zu Wied, um 4500 Mark Pfennige, 
Am 21. Dec. 1306 übergeben Graf Ruprecht und Siegfried von 
Epflein das Schloß Nieder⸗Wied ihren Bettern Hermann von 
Solms und Dietrih von Runfel, baffelbe bis zu vollftändiger 
Ahtragung des Rauffchillings zu hüten. Am Samflag nach Pfingfien 
1307 erfucht Siegfried von Epftein den Pfalzgrafen Rupredt, 
die Lehen in der Grafihaft Wied fortan dem Grafen Rupredt 
von Virnenburg zu reichen, indem er an denfelben dag Schloß 
Wied Fäuflich überlaffen habe. Daß Rupredht vor dem 1. Aug. 
1308 verſtorben war, wird außer Zweifel geſetzt durch eine Ur⸗ 
funde des Erzbifchofs Heinrich, worin er dem Grafen Dito von 
Gleve 8000 Mark Brabänt. auf die Zölle zu Bonn und Ander- 
nah anweifet, als bie Ausfleuer der ihm beflimmten Gemahlin 
Mechtilde, „ſilia quondam BRoperti comitis de Virmenborg.“ 
Mechtilde, frühzeitig Wittwe, indem ihr Here, der Graf von 
Cleve nad dem 27. Sept. 1310, vor Pfingften 1311 verfiorben 
if, erhielt ihren Wittwenfig in Dinsladen, den fie jebocd 1338 
gegen eine Teibrente von 210 Marf dem Grafen Dietrich, von 


Graf Nuprechts DI. Zähne, 797 


Cleve abtrat. Als Ruprechts HI. Rinder werden ferner Heinrich, 
Etifabeth, Johann, Ruprecht III, Kunegunde, Adolf bezeichnet. 
Ausdrücklich nennt Graf Ruprecht BEE. in der Urkunde vom Sonn« 
tag vor Bonifarius 1319 als feine Brüder, Gerhard, den Archi⸗ 
diacon zu Trier, Heinrich, den Propft zu Bonn und Archidiacon 
zu Cöln, und Johann‘, den Propft zu Kerpen, gleichwie er am 
Montag nah Kreuzerfindung 1329 als feine Brüder bezeichnet 
Heinrichen, den Erzbifchof zu Mainz, den Chorbifhof zu Zrier, 
Gerhard, und den Propft zu Santen, Johann, Adolf hingegen 
war feinesiwegs des zweiten, fondern des dritten Rupredt Sohn. 
Am 17. Dec. 1348 flelt er zu Handen Johanns des Jüngern 
von Viſchenich, Bürgers zu Cöln, ein Schuldbekenntniß aus 
über 36 gofdene Schilde, am 1. Suni 1356 cebirt Adolf von 
Birnenburg, Domherr zu Cöln, die Pfarrei Walftadt, Mainzer 
Bisthums, endlich heißt es in dem Homagialdiplom über bie 
Einführung des Bifchofs zu Utrecht, Johann von Birnenburg, 
8. Sept. 1365, ‚nee non honorabilibus viris et discretis Dnis, 
Domicello Adulpho de Virnenburch fratre carnali ipsius, Dni 
Episcopi Trajeetensis praedicti, Joh. Paell, Colon. eccles. 
Canonicis.“* Diefer Bifchof, wenn aud für jest hier befprochen, 
iſt jedoch nicht der Propft zu Kerpen, fondern deffen Neffe. 
Gerhard von Virnenburg, dev Chorbifchof zu Trier, 1319 
und 1329, darf nicht verwechfelt werden mit dem gleichnamigen 
Sohne feines Bruders, Ruprecht III. Johann, zu Kerpen 1319, 
zu Santen 1329 Propft, hatte als Dombehant eine Partei im 
Domecapitel zu Cöln, welche ihm auf Ableben des Erzbifchofs 
Wilhelm von Gennep die Nachfolge in dem Ergzſtift zudachte, 
während eine andere Partei für den Dompropft Wilhelm von 
Schleiden flimmte. Die zwiefpaltige Wahl wurde durch den 
Dapft Urban V. caffirt, als welcher den Bifhof von Münfter, 
Adolf von der Marf, zum Erzbifhof von Cöln ernannte, und 
das Bisthfum Münfter an Johann von Birnenburg verlieh 1363. 
„Sn fothanem Stift machte ſich Johann durch den Verſuch, die 
fehr verderbten Sitten der Geiftlichen zu beffern, bey den jüngern 
Prälaten fo fehr verhaffet, daß fie fi weigerten, ihm Steuern 
zu bewilligen. Die Beamten, welche merften, daß er gutherzig, 


798 Virnenburg. 


leichtgläubig und einfältig war, verſprachen ihm die Steuer und 
andere Auflagen durch die Städte und den Adel zu verſchaffen, 
wenn er ihnen Quittungen, ohne daß ſie die Rechnungen ablegen 
dürften, über ihre Ausgabe und Einnahme ertheilte. Nachden 
er dieſes gethan hatte, nahmen fie ihr Wort zurück, und lieſſen 
ihn in dem gröffefen Mangel, der ihn zwang, nicht nur fein 
rignes DBermögen anzugreifen, ſondern auch feine Stiftsgüter zu : 
verpfänden. Der Pabſt nahm fih endlich feiner an, umd ver . 
fegte ihn nach Utrecht in den Platz feines Neven ober Better 
Johann von Arkel, ber das Stift Lüttich erhalten hatte (1364). 
In diefem Stifte war eine fehr gute Verfaſſung. Jedes Schloß 
batte einen beträchtlichen Borrath von Lebensmitteln, und fein | 
einiges Stüd bes Stiftsgutes war mit Schulden befchweret. Er 
empfieng die Huldigung zu Utrecht am 8, Sept, 1364, und zwang 
1366 feine widerfpenftigen Bürger zu Amersfort durch eine Ber 
Tagerung zum Gehorſam. Balb darauf mwurbe er von zwey 
münfterifchen Gefchlechtern, von Vehlen und Bruchhaufen bes 
fehdet, welches er durch einen Ueberfall mit 800 Mann rädte 
Bermuthlih war dieſer Zwift über unbezahlte alte Schulden 
entflanden : Denn er wurde von dieſen fo fehr gebrädt, daß er 
die utrechtifhen Schlößer Bredeland, Horft und Vollenhoven au 
Gisbert von Bianen, und Ema und Stoutenborg an Stephan 
Nyvelt verpfändete. Seine Bertraute mißbrauchten feine Güte, ' 
und fhwagten ihm um die Hälfte bes bisherigen Pachts die 
beften Stiftsäder ab. Dadurch wurde das Thumfapitel aufmerf- 
fam gemacht, und weil es befürchten mufte, daß alle bifchöflichen 
Tafelgüter von ihm verpfändet werden würben, nahm es ben 
bremifhen Erzbifhof Reynold von Cuylenborg, genannt von 
Wendeberch, zum Beſchuͤtzer an, welcher feit 1369 bey den Päb⸗ 
fien Urban V. und Gregorius XI. um feine Abfegung nachſuchte. 
Der legte Pabft verordnete endlih 1371 einige Kardinäle und 
Prälaten zur Unterfuhung. Allein der Bifchof warb am 2. 
Det. 1370 von einigen Rittersmännern des Nachts in feiner 
Stadt Goor überfallen und aufgehoben, von jenem Gisbert von 
Bianen aber mit 12,000 alten Schildern oder Ecus ausgeldfet, 
und farb plöglich am 23. Zunius 1371.” 





Pie Herzogin von Geſtreich. 789 


Bon Ruprechts M. Töchtern Tcheint die ältere, Eliſabeth, 
einer frühern Ehe anzugebören, und demnach Kunegundens Toch⸗ 
tev nicht gewefen zu fein, wie fig denn am 6. Aug. 1343 mit 
100 Pfund ein Anniverfarium in der Stifisfirche zu Aſchaffen⸗ 
burg anordnend, will, bag daſſelbe alljährlich an St. Blafientag 


begangen werbe, „in anniversario nostro, quondam mariti nostri 


predicti (des Herzogs von Deftreih), ac quondam Ruperti patris 
nostri et Cunequndis conthoralis ejus legitime‘“ (nicht matris 
naostre). Dem Herzog Heinrich dem Sreundlichen von Deftreich vers 

mählt im Det. 1314, Wittwe an St, Blaftentag, 3. Febr. 1327, 
ift die Herzogin Elifabeth den 14. Sept. 1343 mit Tod abgegangen. 
Ihre Schwefter Runegunde, Johanns X. von Arkel Wittwe feit 
24. Dec. 1324, bedenft in ihrem Teitament vom 25. Zul. 1328, 
den Confessor Domini Archiep. Coloniensis, und Machtild con- 
sanguinea et amila nostra Abbalissa sororum S. Clarae in 
Nuss, und ernennt zu Erecutoren dieſes Teflaments ‚‚reverendos 
et nobiles Dominos videlicet Everardum Commendatorem patruum 
nostrum, nec non germanos nostros Dominum Praepositum 
Bunensem et Chorepiscopum Trevirensem .... Bon den beiden 
andern Söhnen des Grafen Rupredt II., von dem Kurfürften 
Heinrih Bursmann yon Mainz und von dem Grafen Ruprecht LII. 
von Birnenburg zu handeln, muß dem nächſten Bande vorbehalten 
bleiben. 


800 
Zuſatz. 


* 


S. 711. 3. 14 v. u. In Bezug auf die Pfarrkirche zu 
Mayen iſt mir von ſehr werthen Freundes Hand eine Erinne⸗ 
rung zugekommen, die ich um ſo lieber benutze, da ſie zu⸗ 
gleich einen bei Beſchreibung der ehemaligen Franziscanerkirche 
zu Coblenz, Abth. I. Bo. 3. ©. 8. eingefchlihenen Irrthum 
berichtigt. Nicht die Gloden diefer Franziscanerkirche find nad 
Mayen gefommen, fondern ihre Orgel, ein ungemein vorzügs 
liches Inſtrument, dasjenige, fo Abbe Vogler vor allen andern 
der Stadt ausgewählt hatte, um feine Virtuofität zu bewähren. 
Um diefer Orgel willen wurden die 600 Franken an die Armen 
in Coblenz gegeben. Die Mittel dazu hat man gefunden in 
dem Berfauf der vielen, meift fhadhaften Kelche, welche von 
den alten Ehorherren herrührten. Später wurden für die Kirde 
zu Mayen aud noch der Hochaltar aus St. Florins Stiftsfirde, 
beögleichen die Kirchenftühle aus Laach von einem mit dem Prä- 
ferten Chaban befreundeten Kirchenvorfteher erbeten. Die Haupt 
zier der Sarriftei ift heute eine funftreihe Monftranz von vers 
goldetem Silber, 14 Pfund ſchwer, angefertigt zum Erſatz einer 
ältern, durch Diebe entführten Monftranz ; ein gewilfer Haus 
berih war wegen bdiefes Diebftähls hingerichtet worden. Eine 
außerordentlih Foftbare Capelle von Goldbrocat, welche eine 
franzöfifche Prinzeffin, vieleicht die Königin Maria Lesczindfa, 
in das St. Annen Klofter zu Trier gegeben, wurde nad ber 
allgemeinen Aufhebung ber Klöſter für die Pfarrfirhe in Mayen 
- erfauft. Gleichwie aber in der Wandelbarfeit aller Dinge mander 
Schmud Eoblenzer Gotteshäuſer an auswärtige Kirchen abgegeben 
worden, fo hat auch damals Coblenz von Außen mandes ems 
fangen. So fam bie Hauptglode von Frauenfirden an St. 
Caſtors Münfter und der Erlös der Glocken von Laach wurde 
auf die Herftellung des ungemein baufälligen Daches der Lieb 
frauenfirche verwendet, etwan 7000 Franfen. 








Veberficht des Inhalts. 


Seite. 
Das Kirchſpiel peimbach⸗Weiß 1 
Kommt' an Wied . 2 
Wird für das Erzſtift Trier era 
worden . . . 8— 
Das Königss, dad Bauerngericht 5—6 
Eigenthümlicher Traueranuug . 6 
Der trauernde Kurfürft von Trier 6 
Der Pfahlaraben .*. . 7228 
Kloſter Wülfereberg . « - 89 
Der Rothe Hammer, die Kon 
cordia, die Shampaniersmühle 9 
Die Familie Shampanier, nach: 
. malen von’ Kayfersfeld . - 9—10 
Dampierres Cüraffiere und ihe 
Privilegiuum... 1012 
Enger, die gallifhen Namen . 12 
Die Römerbrüde . . 
Der Engersgau »- . » 18 
Roland, der Graf von Engers 14—16 
Das Rolandslied . - . 16—23 
Roland und Bernhard del Carpio 24 
Rolands Perjönlichkeit, von Don 
Quixote gefchildert . . 25 
Die Wittwe und der Philofophifce 
Layendbruder . - 26 
Alte Ballade. . » "26-27 
Die Gapitanei leiten von Roland 
ihre Abftammung her . 2829 
Die Grafen des Engerögaues 29—30 
Lehen, fo in Engers die Grafen 
von Daffel vekgaben . . 
Gramers Adolf der Kühne, Rau: 
graf von Daffel . . - 
Beurteilung von Cramers Schriſ⸗ 
ten 1 
Engers "wird ben Grafen von 
Wied entriffen - » . 323 
Die Fefte, von bem Trierifhen 
Erzbiſchof Kuno von Falken⸗ 
ſtein erbaut . . 82 
Die von Falkenſtein, "des Ge 
fchlechtes Bolanden . . 8234 
Kunos von Kalkenftein erſte Bafe 
fenthatn -. . « 4 


Seite, 
Kuno regiert als Provifor das . 
Erzſtift Main . . 35—39 
Wird auf Klopp dic bie Bingener 
bebroht.. . 87-38 
Wird mit dem Raifer und dem 
Erzbifhof Gerlach ausgefähnt 39-40 
Sein flreitbares Wefen dem Kaifer 
anftößig. . « .. 4 
Die Trieriſche Coadjutorei er | 
Kuno tritt das Erzbisthum Trier an 42 
Wird Coabjutor zu Cöln. 48-48 
Seine Abminiftration zu Sötn . 43 
Widerfpenfltigfeit der Stadt Trier 44 
Erfter Zug gegen bie große welfche 
Geſellſchaft . 44- 45 
Wiediſche Fehde, Erwerbung von 
Engers . . 

Die Einleitung zu der wog 8. 
Wenzels . . . . 
Die Lomparben vor Meb . "48-49 
Ingelrams von Coucy nfprud 

zu Aargau und Elfaß . 


Geine Rüftung . . 50-55 
Beſchreibung mb Ordnung des 
Heeres . . 855—56 


Des Herzogs "von Deſireich An⸗ 
ſtalten zur Gegenwehr . 56—58 

Coucys Ridug . . 0... 88 

Die Alsatia zu London . . 8 


Gouens | Einfluß am franzoſi fen s0 


Der Zug nach Afriea ie. 
Coucy zum Führer des Prinzen 
von Burgund in dem Bug nad) 
der Donau erwählt . -. . . 6 
Der Marſch bis Rikopoli . . 6 
Coucy in ber Gefangenfchaft 63—61 


Stirbt, der Wittwe Trauer 
64—65 
Jevan ap Eynion ap Griffith 


durch —8 getödtet 65 — 68 
Letzte Ausübung bes Erzkanzler⸗ 
amtes durch Gallien und Arelat 69 


Rhein. Antiquarius, 8, Abth. 2. Bd. | 51 


802 
Seite, 
Des Erzbifchofs Kuno Hänbel mit 
der Stadt Trier. . . 70-71 


Belagerung von Hattftein .. mn 
Erwerbung von Schöne in der 
&i el ‘ + 73—74 
Kuno legt bie Regierung nieder, 
irbt o “ ® 0 0 74 
Seine Grabfährift Pe 73 
Charakterifit . . . 3—76 
Kunos Berdienft um die Kriegskunſt 76 
Ungewohnliche Thatigkeit ſeiner 
unze . + . 76—77 
Zoll und Salmenfang zu Engers 77 
Melchior von Hatzfeld, der bes 
rühmte Feldherr, bringt ben 
Abend feines Lebens in Engers zu 78 
Die von Hasfed . . . 00 
Sure Fehden mit Heflen . 
Entfag von Melnau . . - 8 
Erwerbung von -Wildenberg 81—82 
Kranz von — durſtbiſcho 
zu Würzbu —84 
Melchiors eeiſche Laufbahn —— 
Verdienſt um Polen... 
Seine Erwerbungen . . 380 
Die ältere fürftliche oder Trachen⸗ 
bergifche Linie bie ‚u ihrem 
Sriöfhen . . 90—91 
Heinrich Ludwig wird zu Roſtoc 
ermordet . . . . 
Die Linien in Weißweiler und 
Merten. . . .. 
Die Linie in Schönftein ... 9 
Die Gräfin von Goubenhoven . 95 
Theaterpolizei in Dainz gefhärft 
über dem Ball eines fpanifchen 
Rohre . 95—96 
Rechtsſtreit um Trachenberg 97—98 
Fürft Franz Ludwig von Hasfeld 97 
Die Fürftin von Hatzfeld und 
Kaifer Rapoleon . 
Die Pesciaften Wildenberg und 
Scönftein . . —100 
Streitigkeiten mit Neuwied » F 
Betreff der fliegenden Brücke 101 
Das Schloß zu Engers, von Kurs 
fürft Johann Philipp erbaut . 102 
Kurfürft Johann Philipp 102—1%0 
Smpfangsfeierlichleiten in Trier 
108—107 
Das ewige Gebet . . . 108—110 
Erftes Crfcheinen bes Staats: 
kalender . . . . 112 
Das erſte Billard zu Goblenz . 4183 
Der Seher Antivari und feine 
Stiftung oe. ...0 113—114 


93—94 


Heberfiht des SIuhalts. 


eite, 
Verfügungen gegen bie Epielwut 
und bie Freimaurer. „ 114 16 
Johann Philipp zum Bifchof in 
Worms erwählt . x... «+ 115 
Das Baumrecht . .. 
Erwerbung von Oberflein . . 117 
Genfurverordnung . . 118 
Anfauf der halben derrſchaft 
Vallendar . ‚1 
Des Kurfürften "Krankheit und 
Ableben . . 119 
Goldne Zeit bes Kurfürktenthums 1%) 
Wiederaufbau des buch Brand 
verheerten Ortes Engers . . ID 
Statiftifhe Nachrichten um Engers 121 
Das Sapellhen zu U. Lieben Frauen, 
die Rovan und die Genefun 
—123 


Seidvenbu . . . . +18 
Frescobilder,, Such. Januer Zick 
ausgeführt - . . . . 14-1 
Die Künftlerfamilie Bid . 123519 
Sohann Bid . . . , . 125-138 
Sanuar Bid, ein Schüler von 
Menge . . . 1% 


Läßt 18 in Ehrenbreitftein nieder 120 


Kurfürft Sohann Philipp erbittet 
fih bei Papſt Clemens XIIL 
einen ausgezeichneten Maler . 126 
Ein gewiffer Zick wird von dem 
Papft empfohlen . +49 
Der Unbekannte, buch g 
Deutfchlanh gefucht, ieh in in 
Ehrenbreitftein aufgefunden . 127 
Januars vornehmfte Arbeiten 127—128 
Stirbt. . . . 128 
Sein — der Lanoͤſchaftemaler, 
fein Enkel... 188- 129 
Baumſchule und Orangerie zu 
Engers „ . . 1% 
—* tdes Pomeranzenbaums 120 
Der Rennerberg 2.148 
Reul, Rigodulum . . . 18 
Der Petersberg auf dem ‚Linken 
Rheinufer, Marceaus Monument 
132—138. 855 
Der Bubenheimer Berg, weiland 
übel berüchtigt . . 
DBubenheim . . .. . 
Mülhenm . . 2.2... 
Sit 2 2. 
Die Boyle . . . 
Das Eurfürftliche Schloß . 
Wiebertäufer in wid. 
1 0111 . 488 


Ueberficht des Inhalte, 


Seite. 
Die Ritter von Kettig 189 —440 
Der Sicherheitshafen bei Goblenz 141 
Die Schartwiefe und bie Priegerifche 
Begeiflerung von 1794 . . 4142 
Reuendof . .T. 12145 
Der fromme Dulder Sob oder Hiob 148 
Das polnifche Haus und feine bes 
fremdlihe Auffheift. .. 
Der kühne Schiffer. . . » 
Wallecsheim . . . . 
Das Nonnenklofter . . . 145—147 
Das Bahrchen vom wohlfelen 
Salmen . 148 
Keſſelheim . 148 
Das Frauenklofter aus uralter Zeit 
149 —150 
. 150 


Schönbornsluft, das Schloß .. 
Seine poetifche Beſchreibung 151—156 
Die Grafen von Schönborn 156—428 
Johann Philipp von Schönborn, 
Kurfürft zu Mainz und Bifchof 
zu Würzburg . . . . 157191 
Project einer Bereinigung der 
Religionsparteien . 
Intriguen nad) dem ode X. Fer- 
dinands III. 161 
Johann Philipp mehr und mehr 
den franzöfifchen Intereffen fi J 
Dun meigend .. 
er Herzog von Gramont Fr 
Fest fcher Gefandter . 162—166 
Des Kurfürften unfelige Politik 
166167 
Unvernünftige dem Katfer geopolb 
vorgelegte Wahlcapitulation . 171 
Der rheinifche Bund , 174172 
Der Kurfürft erzwingt mit fran⸗ 
zöfifcher Hülfe die Unterwerfung 
von Erfurt . + 173—173 
Er bezeigt dem König von Frant. 
reich ſeine Dankbarkeit durch 
ein werthvolles Gefchent . . 178 
Die zu Zournay in dem Grab 
des K. Shitberid vorgefundenen 
Atertbümer „. . - . 176-177 
Sohann, Philippe Bemühungen 
Alan eine franzöfifch- oſtreichiſche 


Der Krieg über das Devolatione: 
Krieg um das Bildfangsrecht. 
Treffen bei Büdesheim 180-182 
Des Zurſücſten Aanaberung zu 
183 


Seine Berbienfte um das Kurfär- 
i ſtenthum r . . . . 183—185 


803 


Seite. 
Joh. Phil. vortrefflihe Minifter 
von Boineburg und Mehl, fein 
Kanzleirath Leibnik . . . 183 
Des v. Reifenberg Bemühungen, 
den v. Boineburg zu flürzen 
185 486 
Johann Priupp wohlthätige | 
Wirkfamkeit für Würzburg . 186 
Sein Ableben, Sharakteriftik 187—188 
Sraments Ürtheil von ihm 188190 
Seine Erwerbungen für die Familie 191 
Lothar Kranz, Fürſtbiſchof zu Bam⸗ 
berg und Erzbifhof zu Mainz E08 


Die Befignahme in Mainz, Gere 
monie mit ben Rheingauern 
192—193 
Fragment aus Lange Beihreibung 
der Kailerfeönung . . 
Des Kurfürften Verdienſt um die 
Aſſociation der vordern Kreiſe 195 
Verordnung für den rheingauif hen 
Weinhandel . 
Gabelungen und Weinmärkte 197 1202 
Der Kurfürft, Erbe ber Truchſeß 
von Pommersfelben, erbaut da⸗ 
felbft das prächtige Schloß 202-2083 
Des Kurfürften fernere Anlagen 
und Schöpfungen . . 204—205 
Die "Herausgabe von des Rai: 
mund Lullus Werken . . . 205 
u Zelchior Friedrich und ſeine 
. 206 
Son vphilipe Franz, Fuͤrſt⸗ 
biſchof zu Würzburg . 207—208 
Friedrich Karl, der Reichövices 
kanzler, auch Fürſtbiſchof von 
Bamberg und Würzburg 208—218 
Gebverbrüberung mit benen v. 
üdhem . 
Damian Hugo, Eardinal und 
Biſchof von Speier . . 213—218 
Franz Georg, Kurfürft von Trier 
-218—422 
Vergleich mit ber Reichsritterfchaft 219 
Snthronifation zu Trier . 220—224 
Der franzöfifhe Krieg, des Kur: 
fürften perfönliche Gefahr 226—228 
Gefecht bei Slaufen . . 229—283 
Der Arm bes Gnadenbildes .. 2833 
Fernere Kriegsdrangſal, Seieoen 
—291 
Die Kolgen von K. Karls vL * 
ld ... . 235 
Karl Ludw. Aug. Bouquet, der 
Marſchall von Bellisie. . . 


804 


Seite. 
Der Bouquet Herlommen 236—237 
Nicolaus Kouquet, Surintendant 
des finances ,„ . . 
- Seine Mutter unb feine Söhne 
245—246 
Die „Seiben Enkel beö Surinten- 
246—250 
Ar Maria almätiges Auf. 
fleigen . . 250—251 
Austauſch von Bellisle 252⸗251 
Der Marſchall in der Baftille 251—256 
Sein Einfluß auf den Cardinal 
Fleury. 
Er occupirt 1734 Trier und iäpt 
Trarbach nehmen . 
Dufaren im franzöftichen ie j 
8—25 
Des Marfchalls Ginmirkung ar, 
das beutfche Reih . 
Geht von wegen ber Kaiferwahi? 
als Geſandter an die Kurhöfe 
261—256 
Uebernimmt das Commando in 
Böhmen .. 0.266 
Wird in Prag belagert . 2867—269 
©ein Abzug von Prag 269-270 
Er wird zu Eibingerode verhaftet 
272—275 
Eilt nad) feiner Befreiung in des 
Königs Hauptquartier . . . 275 
Beſchützt die Grenzen der Provence 276 
Berliert den Bruder bei dem Ans 
griff auf den Eol de l'Aſſiette 
277—278 
Diefes Bruders Feldzug in Schwa- 
ben 1744 » . 278-2380 
Des Marhatis Feldzug in ‚der 
Bochetta . . . + 281 
Berliert den einzigen Sohn . 283 
Seine Wirkfamkeit als Krieges 
minifter . . . 283—281 


Zeftament und Tod . 281 
Charatterifit . ... . 285288 
Des Schloſſes Vaux Berfall . 286 


Zugleich mit Bellisle befand ſich 
zu Ehrenbreitftein ein fpanifcher 
- Gefandter, Graf Montijo . . 286 
Das Haus Acunha . . . 286297 
eudwig Acunha, der Diplomaten 
Neſtor, des Judenthume ver⸗ 
dächtig... . + 290—R91 
Des Nuño be Acunda, des Vice⸗ 
königs von Indien Heldenthaten 
293896 
Die Mandat nad Gaftilien vers 


pflan oo. . ...89 


237 —244 | 


Heberfiht des Inhalts. . 


Geite, - 


Der Herzog von Duete . . . 298 
Alfons Garrillo de Albornoz, der 
Erzbifhof von Toledo . 298—309 

Der Dichter Ferdinand de Arufia 

310—311 

Anton be Acuña y Oſorio, Biſhof 
von Bamora . . =» « —316 

Die Grafen von Balencia 310_300 

Die Brüder Johann Pachero und 
Deter Siron . : 

Peter Giron, Großmeifter von 
Galatrava , der Herzoge von 
Dfuna Ahnherr. . 320 —9233 

Der Graf von Urefia und bie 
Schlaht in der Sierra Vermeja 

324—829 

Peter Giron; fein Streit um bie 

Erbſchaft von Medina Sidonia 
329— 332 

Er ftellt fih an: die Spitze des 
Heeres ber aufrährifchen Ges 
meinheiten . . 0 . 832—334 

Creation bes Herzogthums Dfuna 334 

Peter Tellez Giron, der berühmte 
Herzog von Oſuna . 835 —849 

Der Uskokentiig . . - 339343 

Die ‚fpätern Herzoge von ofına 

49—855 

Johann Pacheco, Warques von 

Villena, allgewaltig in Gaftilien 


Diego Lopez Pacheco, Ravaues 

‘ von Billena und Herzog von 
Eöcalona . 2. . . 870-876 

Der Herzog von Escalona in den 
Zeiten bes ſpaniſchen Succeſ⸗ 
ſionskriegs.... 77-886 

Er wird zu Neapel Keriegtge 
fangner .. . 

Prügelt den. Garbinel Yiberoni 


382985 
Seine Nachkommenſchaft 
Der Herzog von Uzeda ertlaͤrt 
ſich für Oeſtreich. . 889-391 
Die Padheco-Puertocarrero 391-894 
Sohann Juertocarrero, Graf von 
Montijo. 
Graf Chriſtoph VI. von Montijo, 
der Geſandte bei den Kurhöfen 
und in Sranlfurt . . 305898 
Die Erbſchaft der Herzoge von 
Denaranda. . ; 
Montijo kommt durch Heurath an 
einen Palfr . . 
Graf Montijo und bie Revolur 
tion von 4808. . © .„ 899-401 


Ueberficht des —— 


Seite. 
Das Haus Montijo in der neu⸗ 
ſten Zeit, die Kaiſerin der Fran⸗ 
zoſen .406 - 408 
Des Kurfürften Franz Georg von 
. Beier Haltung in dem öftreichi- 
ſchen Grbfolgefieg . 408 -412 
Seine Beſorgniß um der Frei⸗ 
maurer Treiben..418-418 
Seine verſchiedenen Schöpfungen 416 
Die Coadjutorwahl . 16 
Des fterbenden Kurfürften Decla⸗ 
ration . + “ 090 . % 417 
Sein Ableben . . . . 
Charatteriftil . . 
Des Kellners von Berncaftel Beichte 
448-—419 
Des Kurfürften Nachlaß . 420—422 
Die Erbfhaft der Grafen von 
Dernbah . . 
Der Kornet von Peckern. ir i25 
Das böhmifche Fideicommiß . . 426 
Weberficht ber Beſitzungen 427428 
Wirklicher geheimer Ober⸗Volks⸗ 
vertreter . . . 429 
St. Sebaftian-Engers . .. . 429-485 
Die Marianifhe Sobalität zu 
Goblenz und ihre ſaͤhrliche 
Bsallfahrt nah St. Sebaftian- 
Engers . eo . 430—498 
Des Ambrofius Spinola Haupts 
auartier in Erigerd . . 485—436 
Der Zrierifhe Mari) + . 436 
Kahl⸗Engers “ ee et 9 0. 488 -—437 
Urmüg oe 0 200. 437-438 
Deißenthurm 000 0 4389—447 
Der Leinenfchlepper und Halfen 
Unterhandlung mit Raveaux 
und Rob. Blum . . + 440—441 
Erbauung einer Kirche . 442—444 
Die bh. Bierzehn Nothhelfer 445—447 
Das Monument bes General Hoche 447 
Lazarus Hohe, Kindheit und 
Zünglingsjahre . . . 447-448 
Seine revolutionaire Richtung . 448 
Zeichnet fi aus in der Verthei⸗ 
digung von Dünlichen . . 448 
Erhält das Commando der Mofel: 
arme . » 0 0.448 
Schlacht bei Raiferslautern 449 —452 
Hoche operirt auf der Oſtſeite 
ber VBogefen - . . 458 
Wiebereinnahme ber Weiffenbur⸗ 
ger Linien, Entſatz von Landau 458 
Hoc im Gefängniß . . . . 454 
Bird an die Epise der Armee 
von Sherbourg geftellt . . . 455 


Proclamation oo... 
Anficht von ber Natur des Kriegs 
456 —457 
Hoche erhält dad Commando der 
Armee von Breit . . 457—458 
Seine Inſtruction an die Generale'459 
Bemühungen für bie Bildung ber 
Arme . . » 0. 460 
Friebenshandlungen . 461 
Abermalige Inflructionen für bie 
Generale . 2. . 62 468 
Vertrag von la Mabilaye .. 464 
Des Generals Anſicht von den 
Bewegungen in der Norman⸗ 
die und in Maine.. 465 - 466 
Er hält den Frieden höchſtens für 
einen Waffenftillftand . 466—467 
Auf feinen Befehl wird Gormatin 
verhaftet, Ba eberauebruc der 
Beindfeligkeit . . + 458—469 
Die in England vorbereitete Ex⸗ 
pedition.... 469- 470 
Die Emigranten auögefchifft . . 470 
Segenanflalten . . x . 471475 
Die Expedition in ber Halbinfel 
von Quiberon eingezwängt . 476 
Der Verſuch, ihr Luft zu machen, 
vereitelt . . 477 
Bode bemeiftert ſich des Forts 
Denthievre . . » 478—179 
Der Emigrantenarmee sstige Ries 
derlage . . 
Die angebliche Gapitulation 480-481 
Scheußliche Mepelei . 483—484 
Die Aebtiffin von Cordillon 484485 
Latocnayes Bericht von bem Her⸗ 
gang . 08H 8 8 8 009 
Die Megelei, im Convent durch 
ein Bet begangen: . . 
Das Regiment Loyal-Emigrant 


487—496 
Die glänzende Waffenthat von 
Menin . . .. 489491 


Der Condeer Empfang, zu Drag 496 
Charette in Bebrängniß . . 497 
Bericht über den Krieg in ber 
Vendée im Allgemeinen 498590 
Vorläufige Einrichtungen zur Un 
terwerfung des Landes . « 500 
Bildung eines Neses, welches ſich 
allgemad) über die ganze Pros 
vinz außdehtt . . . . .50L 
Die Entwaffnungslinie . 501508 
Charette mehr und mehr eingeengt 508. 
Hoche in Paris, Napoleons Reben: 


806 
Seite. 
buhler um bie. Wittwe Beau: 
harnais . 0 46 508 


Sode echält das Commando ber 
gefamten Weflarmee . 

Weitere Aysbildung des Pacifi- 
eationsipftemd.-. -. 2.0. 

Stofflets Untergann .. 

Unannehmlichkeiten, denen Hodhe 

ausgeſetzt . - . 

Shareite Sefüngen und erſchoſſen 507 

Suwarows Schreiben an Gharette 


Wie Sharette von Hoche beur⸗ 
theilt wird . . 508 
Bänzliche Unterwerfung der Ben 
dee und Bretagne „ . . 
Mordverfudh gegen Hohe . . 510 
Mibglüdtes unternehmen auf Kr 0 
Pr zum Sommando am Rhein 
berufen. - . oo 0 0. + 
Seine Anordnungen in ben occu⸗ 
pirten Provinnen . . 5141—518 
Aheinübergang bei Neuwied 513 —515 
Unmwäürdige Lift, den öſtreichiſchen 
General zu bethören „. . . 51 
Dad Treffen vom 18. April 1797 
515—524 
Der Deftreicher Rückzug, Waffen: 
ſtillſtand . 524—526 
Arge Bedrücung der Rheinpro- 
vinz, die Gisrhenaner . 526529 
Hoche betheiligt bei -dem Kampf 
des Dieectoriums mit der Mas 
Vet des gefeßgebenden Kör⸗ 
Berlängeter Aufenthalt i in "Weplarss5 
Erzherzog Karl und die Schladht 
dei Weglar ... 536 —537 
Bode in Weglar beliebt von we⸗ 
gen feiner Gemüthlichteit . . 537 
Mas ein Hr. Erbes für Marceau, 
ift ihm ber. Stabtpoet geworden 


588—539 
Seine Krantheit . . 
rfiibt. oo. . 
Gerichte von einer Bergiftung 
541-542 


Die Leiche wirb zur Beerbinung 
nad) Coblenz gebradt, Ehren- 
bezeigungen . . 

Leichenfeier zu Paris . . 545—547 

Geſchichte des dem General ges . 

° festen Monumente . . 547554 

Die Ride neben jener. Dasceaud 
beerdigt . . . 555 


. 512—545 


-Die Drei Tonnen . . 


Wrberfiht des Inhaliv⸗ 


Seite. 
Die Generakin be Billy. . . 558 
Der Rheininfel beim Weißenthurm 
mörderifche Bertheidigung 555 —557 
Das Netterhbaus » 0. + .6558 
Die Kette . » 558560 
Burg und Hof zur Nette 561 - 568 
Der Netterhammer. . . 562-568 
Miefenheim .. . 0 . 564—565 
Plaidt. . . . 565—567 
Die Pellenz und bie Pfalzgrafen 
von Aachen = . . . 567568 
Pfalzgraf Hermann L . . «568 
Pfalzgraf 0. . . 569-576 
Die Königin Richza von "Polen M 
—5 
Grzbifhof Hermann von Sn 
580-588 
Graf ubof 2 2 2000. . 588 
Herzog Kuno von Bayern 582583 
Pfalzgraf Dtto . . » + 583—585 
Pfalzgraf Hezelin. - . . . 585 
Herzog Kuno von Kärnthen 585586 
Pfalzgraf Heinrich IL . 586—588 
Pfalzgraf Hermann II. . 588 589 
Pfalzgraf Heinrich IL von Laach 
589 —593 
Pfalzgraf Heinrich III....308 
Pfalzgraf Siegfried von Ballen⸗ 
adt, + 0 593 —595 
Pfalzgraf Gottfried von Kal 
696 —597 
Pfalzgraf Wilhelm. . . 597-—5% 
Pfalzgraf Heinrich Jochſamer 


Pfalzgraf Hermann von Stahleck 
606 613 
Die Grafen von Rheineck 606 608 
Das Lied von des Pfalzgrafen 
Töchterlein . - 
Die felige Hilgundis und Graf 
Goswin von Stahled . 609—618 
Pfalzgraf Konrad von Staufen 
und feine Zoditer- . . 813—616 
Pfalzgraf Heinrih von Braun: 
Si 2 . f ® . "N a 
ie Pfa F en aus dem Hauſe 
— on 
Der Heilen, legte Scicfale 618620 
au —* brauch in Plaidt 620 
.. 61633 
— en. 633-624 


Sage von den Tempelherren 624-487 
Seltenes Wiederfehen . . 627828 
Odtendung .... . . 629—034 
« 681—632 


Seite. 

Die Grafen bes Maifeldes und 
die Sapetinger * . . . 632-6838 
Das Wolfersthal, der Emmingpof 683 
Braumlichen . 2. _. . 634 

Die Legende von ber h. Genofeva 
684—6413 

Die, Legende bat den Karmelit 
Emyithus nicht zum Verfaffer 648 
Die Sigebodonen von Are . . 614 
Die Sraueniche . . . 644650 

Das Gebähtnißfeuer an ber bh. 

Dreifönige Abend . . 

Die Oftermontagsproceffion 645 —846 

Das h. Blut und der Orden 

Sanguinis pretiosi zu Mantua 


646—647 
Der Blutritt zu Weingarten 647—649 
Weling . . . 650652 
Srimbs und der deĩse Weinbau 
652—653 
Straßburg, Saufen . . . + 653 
Bes 653654 
en Netterſũrſch, Kurben 654 
St t. Veit 0 0 . . . 0 654655 
Dayın . . . . 656—722 


Stadtredt, dem Ort verliehen . 657 
Polizeiordnung von 4549 und 
1556 m. T. - . . 660-664 
Militaieifche Einrichtungen des 
- 46. Jahrhundert.. . 664 
Erinnerungen aus bem sojaͤhri⸗ 
gen Kriege 65 
Die Kriege Ludwigs XIV. 666—867 
Hinten herum hat Mayen ge- 
—wonnen.. 
Der Morauis de la Troufſe und 
die Sevignd . x . . 667-676 
Des Kurfürften Klagefehreiben . 676 
Der Krieg von 1688 . . 678-679 
Eines Cochemer Tagebuch 679 - 697 
Der ſpaniſche Erbfolgekrieg und 
des J. 1735 Laſten.. 697—698 
Der verliebte Blif . . . 698-699 
Die letzten Zeiten ber Trieriſchen 
Herrſchaft, Zuſtand der Stadt 


699 — 704 
Das Amt Mayen -. : . . . 704 
Santon und Mairie Mayen . . 705 


Wandelbarkeit adniiniftrativer Bes 


grenzungen . 020. .705 
Die Gebrüder Hartung + 706 
Das eine Pülverden . . 706-707 
Das Eollegiatitift . . . 707-711 
Das Klofter Lonnig . 707—708 
Seine Verfegung nad) Mayen . 709 
Die Säceularifation . . . . 710 


Vederficht des a 


003 

Seite. 

Des Stiſtes Praͤbenden - 710-711 
Die Veteranengefellfchaft . ‚711 


Der Sinsmeiſter der armen Made 
, 714-718 
Die evangeliſche Kirche712-718 
Das Johannehütchen..718 
Schulnachrichten aus alter Zeit 


718—7r4 

Das. Hospital . .714 
Das Liebhaber⸗ und das Rational: 

theater „ . » . 1 714 


Die Spieler und der Pferdsfuß 716 
Das Schloß und ſeine Burgmänner 715 
Die Amtleute: . . » . + 718 
Des Scloffes Verkauf und De 
molition . .» 
Der Senofeventhurm und bie drei⸗ 
farbige Fahyne . . . 
Calmelets Darftelung ber Stein. 
brühe in ber- Umgebung von 
Mayen 2 3... 17-729 
Die ver . . .7 
Der Bierling und des Verräthers 
Day. Ge uf oo. —— 
as Panterthier in dem Wappen 
der Steiermarl . . . + .7%8 
Kottenheim 2 «2. . 798724 
Thür . 00 2 8... 734—727 
Der Handel mit Domainen . . 738 
Die neuem Leute. bie alten 
milien fortwährend zurückge⸗ 
drängt « . . . 1725— 726 
Außerordentliche Steigen der 
Güterpreiſe - » 
Betrag ber von ber franzoͤſi fen 
Regierung verdußerten Güter 726 
Niedermendig 000. 727-7328 
Die Weisthümerr . . . , 128781 
Dbermendig . - . 732 -734 
Das Weisthum . . » + 733—734 
Pfarrkirche, der h. Genofeva von 
Paris geweiht . - 
St. Genofeva hat ihre Kerzen 
angezündet - . 0...» 73 
Die h. Genofeva von Paris 735741 
Geisheck, Geisbuſch- ..741 - 743 
Monreal.. 0% 744—747 
Das Marterthal ......7135 


Kirchliche Stiftungen zu Monreal 
746 - 747 


Die Burg und das Monument 
auf dem Markt..747- 748 


Reinald von Chaͤtillon und die 
Burg Montreal in Arabien 748758 


Der Gebrüder von PVirnenburg 


Beite. 
Gteeit, über bie Gebanung von 
Monreal . . 
Grenzirrungen mit dem Poicher 
Dingta g 4— ® ® ® ® ® 
Monreal an Seiningen gegeben . 754 
Die Ritter von Montreal 755—757 
Mettburg . - Pe || 
St. Zohann, Büresheim .. 
Die Herren von Büredheim . . 
Büresheim kommt an bie von 
Breidbach und bie von Reneſſe 


759 — 760 
Die Reneſſe..2760-779 
Johann von Reneſſe..761-762 
Friedrich von Reneſſe und ſein 
Schwager, der Sire de Chievres 
763 - 764 
Die Herren von Warfulde 765 — 767 
Renat von Renefle Graf von 
Varfuſse und der Aufruhr in 
eüttidh' . 0 ... 767—774 
Die Grafen von Hulteemont 774—775 
Der Proceß um ein eto.:. 776—777 
Graf Elemens Wenceslaus von 
Renefle “oe . 0 0 777779 
Die zwei Zreir . » „ + 777-778 
©t. Joſt 0 ..o Zu Zu | 770—780' 
Virnendurg . » » . . . 780 
Die Grafen von Birnenburg 1780-709 
Ihr erſtes Herlommen . 780781 


> ⏑ , ——— —»— 


Ueberſicht des Inhalts, 


Seite. 
Graf — III., Erwerbung 
von Schaumburg 0. 782783 
Graf Heinrich L oo. . 785 
Walbodo und Ernft von Birnen- 
burg - . 1785 


"Des Virnenburgiſchen und Man- 


beriheibifhen Wappens Iden· 
Eh von Virnenburg oo. , 786 
Erzbiſchof — von Cõoln 786—795 
Beftrittene Wahl . + 796 
Des Erzbifchofs Stipulationen 
gelegentlich der Kaiferwahl 768789 
Seine Berbindbungen und Verträge 
mit Friedrich von Oeſtreich 789792 
Briedrih TIL duch ihn geteint 793 
Kehden im Rihb . . . 798-794 
Der Chor ber Domlirche zu Cöln 793 
Heinrih8 Verdienfte um bas Erz⸗ 
ftift; fein Ableben . - . . 795 
Graf Ruprecht IL von Birnenburg 
795-796 
Seine Kinder . . . . .79 


Johann von Virnenburg, Bi 
zu Urcht. - . . » 
Die Herzogin Elifabeth von De 
reich und ihre Schweiter. Ku⸗ 
negunde » 2 2 0 0. . 
Nachtrag; bie Kirche zu Mayen 800 


MAR 3 - 195%