FEB22 1927
DER ANTEIL DES ELSASS
AN DEN GEISTIGEN BEWEGUNGEN
DES MITTELALTERS
REDE
ZUR FEIER
DES GEBURTSTAGES SR. MAJESTÄT DES KAISERS
AM 27. JANUAR 1912
IN DER AULA DEK
KAISER WILHELMS-UNI VERSI TÄT STRASSBURG
GEHALTEN VON
Dr. CLEMENS ^AEUMKER
SIRASSBURG
J. H. El). Hkcfz (Heitz & xMündel)
1912
Vkhi.aü von J. H. ED. HEI TZ (HEITZ 6c MÜNDEL).
Das
REICHSLAND ELSASS-LOTHRINGEX
Landes- und Ortsbesclireihniii:
lieransgcgebeii
vom Statistischen B'ireau des Ministeriums für Elsass-Lothringen.
Mit '21 Kreiskalten.
Preis des gebundenen Werkes in Ganzleinen in 3 Jiänden M. -20.—
Halbfranz, • » M. 24.—
Diese nach einheillichein Plant gearbeitete Landes- und Ortsbeschreibung
ist für jeden der sich mit der Geschichte und den Verhältnissen Elsass-
Lothringens beschäftigt, unentbehrlich. Der ungemein billige Preis von iM. 20
oder M '^4 für ein Werl; von drei starken Bänden, XV III u. 1/68 S. mit 21
Karten umfassend, erleichterl die .Anschaflung. Prospekte mit genauer Inhalts- ■
any.Hbe und Probeseite aus dem Onschaftsverzeichnis stehen auf \ erlangen
zu Itiensten.
OrtsbesL'hnMljendt's und Geschichtliches
WÖHTERBUCH
aller in Elsaß-Lothringen vorkommenden Denkmäler, Städte. Dörfer,
Höfe, Bäche, Flüsse, Seen, Berge etc. Separatausgabe aus : «Das
Reichsland Elsaß-Lothringen. Landes- und Ortsbeschreibung. Heraus-
gegeben vom statistischen Bureau des Ministeriums.» IlL Teil.
gr. 8". 1258 Seiten.
In Halbfranz mit echtem Kalblcder gebd. herabgesetzt auf M. 8.50.
Davon eine kleine Anzahl mit 21 Kreiskarten versehen, ebenso ge-
bunden M. LS — .
Dr. JOS. KNEPPER.
DAS SCHUL- UND UN TERRICHTS-
WESEN IM ELSASS
von den Anfängen bis gegen das Jahr 1530.
Mit 12 Abbildungen. 3L 12.-; gebd. M. 14.-
Inbalt : 1. Die Klusu rschiilcn. 11 Die Siili-sciuilcn. III. Die Stadlschulen
«nd veru-md'e .Anslaiieri, 1\', Die Disziplin. Lehtn •.uul Treiben der Schüler.
V. Der Unterricht im allgemeinen. VI. Der elsässischc Humanismus. VII. Bilder
aus dem eKä>sischen Schüllehen Vlll. Der Lehrer, sein Amt und seine Stellung.
IX. Sorge für arme Schüler, der Kirchendienst der Schule. X. Feiern und Feste.
Spezialkataloge des Verlags werden auf Wunsch zugesandt.
hs sind erschienen I. Kunst und Kunstgeschichte; II. Schrif-
ten über Elsass-Lothringen; III. Theologie, Philosophie; IV.
Geschichte, Biographie, Kulturgeschichte, Geographie; V.
Bibliographie, Jurisprudenz, Mathematilc und Naturwissen-
schaft, Erzählungen, Reiseskizzen. Gedichte, Theater; VI.
Holzschnitte, Schratblätter, Teigdrucke und Kupferstiche
des 15. Jahrh. (Einzelblätter) meist handkoloriert in Fak-
simile: VII. a) Reden gehalten an der Kaiser Wilhelms-
Universität Strassburg, b) Sonstige Reden und Vorträge,
c) Predigten. — VIII. Bibliotheca Romanica.
DER ANTEIL DES ELSASS AN DEN
GEISTIGEN BEWEGUNGEN DES MITTELALTERS
FEe23 1927
DER ANTEIL DES ELSASS
AN DEN GEISTIGEN BEWEGUNGEN
DES MITTELALTERS
REDE
ZUR FEIER
DES GEBURTSTAGES SR. MAJESTÄT DES KAISERS
AM 27. JANUAR 1912
IN DER AULA DER
KAISER WILHELMS-UNIVKRSITÄT STRASSBURG
GEHALTEN VON
Dr CLEMENS -^AEUMKER
STRASSBURG
J. H. Ed. Heitz (Heitz & Mündel)
1912
Digitized by the Internet Archive
in 2015
https://archive.org/details/deranteildeselsaOObaeu
Hochansehnliche Festversammlung !
Der heutige Tag ist des Kaisers. —
Drei Tage erst sind verflossen, da hallte ganz Deutsch-
land wieder vom Preise des glorreichen Königs aus dem
Hohenzollernstamm, der Deutschlands Vormacht, die Wurzel,
aus der der Organismus des neuen Reiches erwachsen, und
die tragende Stütze seines Baues, der Preußen in den
schwersten Kämpfen um seine Existenz durch alle P"'ährnis
geführt und es zur Bedeutung einer europäischen Macht
erhoben hat. Nicht -nur wo preußische, nein überall wo
deutsche Herzen schlagen, gedachte man in warmer Be-
wunderung der gewaltigen Herrschergestalt, die vor zwei-
hundert Jahren am 24. Januar im alten Königsschloß an
der Spree das Licht der Welt erblickte : Friedrichs des
Großen. W^ir gedachten des genialen Feldherrn und aus-
dauernden Soldaten, der auch m der Niederlage nicht
verzweifelte und so sein Heer zuletzt von Sieg zu Sieg
führte, des klugen Politikers, der zur rechten Zeit los-
schlagen und zur rechten Zeit warten konnte, des weit-
ausschauenden Gesetzgebers, der zu dem Preußischen
Landrecht den Grund legte, des schöpferischen Staats-
mannes, der einem verarmten Staate durch seine viel-
verkannte Wirtschaftspolitik neue Hilfsquellen zu eröffnen
und neu gewonnene Provinzen auf das engste mit den
alten zu verschmelzen wußte. Wir gedachten auch des
Philosophen auf dem Throne, der, von Haus aus eine
leichtlebige Frohnatur, in des Lebens harter Schule zu
der ernsten Lebensauffassung des Stoikers sich empor-
gerungen, des geborenen Schriftstellers und des edlen,
aufopferungsvollen Menschen, der zarte Regungen der
Freundschaft mit einer unerhörten Strenge gegen sich
selbst vereinte. Wir gedachten des Königs mit dem
leuchtenden Auge und dem von der Anstrengung ge-
beugten Körper, dem das eiserne Pflichtbewußtsein des
Lebens Leitstern geworden war, dessen Leben in Sorge
und Mühe für das ihm anvertraute Volk sich verzehrte
und der — nicht staatsrechtlich, aber moralisch — sich
selbst als seines Staates ersten Diener betrachtete. Stolz
und freudig nannten wir Friedrichs Namen, auch in
diesem elsässischen Lande und diesem Straßburg, dem
er dereinst, Erfahrungen suchend, einen, wenn auch
kurzen. Besuch gemacht hat.
Von dem großen König auf Preußens Thron, dessen
hohe Verdienste nicht nur auf dem Felde kriegerischer
Ehre, sondern auch für die stilleren Güter der geistigen
Kultur schon der Festredner des vorigen Jahres schilderte,
wenden wir uns heute mit besonderer Freude zu seinem
erhabenen Nachfolger, unserm geliebten Kaiser Wilhelm.
Ihn zu feiern ist heut frohe Pflicht, wie für das ganze
weite Reich, so besonders für des Reiches jüngsten Sproß,
unser elsaß-lothringisches Land. Denn dankerfüllten Herzens
und frohen Mutes gedenken wir gerade in diesem Jahre
dessen, der in schwerer Zeit voll offenbarer und ver-
steckter Gefahren treusorgend des Reiches als Schützer und
Mehrer waltete. Dankbar schauen wir zu dem, der freund-
wohlwollend und tatkräftig dafür sich einsetzte, daß eine
neue Verfassung unser Land als Teilglied des Reiches der
glücklichen Zukunft entgegenführe, die wir alle ihm erhoffen.
Wo wie nunmehr, nach Ausschaltung des Bundes-
— 7 —
rates aus unserem Verfassungsbau, in gewissem Sinne
ein Kaiserland geworden, wo daher die staatsrechtlichen
Bande des Kaisers Person noch enger mit den Landen
zwischen Wasgenwald und Rheinstrom verknüpfen,
da ziemt es sich wohl, zur Vergangenheit uns zurückzu-
wenden und der Jahrhunderte uns zu erinnern, da auch
ein deutscher Kaiseraar schirmend über jenen Gauen
schwebte, jener Aar, den unser überraschtes Auge noch
jetzt mancherorts an städtischen Gebäuden wie an länd-
lichen Gehöften, in Steingebild und in Holzschnitzerei,
als Wappenzeichen finden kann. Was heimattreue Männer
auch in den Jahren, da Elsaß vom Reiche getrennt war,
gehütet, was sie so rühmlich erforscht und uns zu weiterer
wissenschaftlicher Arbeit übergeben haben, das gewinnt
ja neue Bedeutung, seitdem diese Erinnerungen wieder in
dem Zusammenhange leben, in dem sie ursprünglich er-
wachsen sind.
Doch Arbeitsteilung ist die unentbehrliche Voraus-
setzung wissenschaftlichen Fortschritts. Wenn darum der
Philosophiehistoriker jener Vorzeit unseres Landes gedenkt,
so wird er, treu dem löblichen akademischen Grundsatz,
auch bei den Feiern der Universität den Stoff dem eigenen
Arbeitsgebiet zu entnehmen, auf des Landes politische
Geschichte, auf seine wirtschaftliche Entwickelung, auf
den Gang seiner Kunst und manches andere nicht näher
eingehen dürfen. Was ihn beschäftigt, ist die geistige
und intellektuelle Kultur, in der die Denkweise der Zeit
und der leitenden Persönlichkeiten sich ausdrückt.
Freilich nötigt auch hier die Kürze der Zeit und das
Bewußtsein der Grenzen des eigenen Forschens zu man-
cherlei Beschränkungen.
Nur von dem Elsaß, nicht auch von Lothringen, sei
hier die Rede; denn wie politisch, so gingen auch kultu-
rell das Land an der III und das Land an der Mosel ihre
eigenen Wege.
Was ich aber vor allem bedaure, das ist die zeit-
liche Beschränkung. Denn des Elsasses goldenes Litera-
turzeitalter ist die Periode des Humanismus und der Re-
formation. Als Sebastian Brant mit dem echt elsässischen
Sinn für das Lächerliche des Lebens, aber auch mit dem
grimmig ernsten Daraufgehen des Alemannen auf das
Falsche, innerlich Unwahre, sich Spreizende sein «Narren-
schiff» schrieb, als das stammverwandte Schweizerkind
Gailer von Kaysersberg, die «helltönende Posaune von
Straßburg», alle Torheit und Entartung bei Hoch und
Niedrig, bei Geistlich und Weltlich geißelte, als Fischart
und Murner ihre Funkengarben bitterer Satire und
sprühenden Witzes in den Religionskampf ihrer Zeit
schleuderten, als Johannes Pauli, .Jörg Wickram und in
weiterem Abstände der von jenseits des Rheines gekom-
mene Moscherosch mit lustig zwinkerndem Auge ernste
Mahnungen gaben, als Lehrer und Altertumskenner, wie
der Westfale Dringenberg, der Straßburger Peter Schott,
die Schlettstädter Wimpfeling und Beatus Rhenanus, der
Colmarer Sebastian Murrho, der Rufacher Jost Galtz und
der den Eifelbergen entstammte große Schulmann Johannes
Sturm in Wort und Schrift die neue humanistische Bildung
förderten und verbreiteten: da stand das Elsaß mit in
der vordersten Reihe der literarischen Geistesbewegung.
Doch jene Periode ist so oft und so gut behandelt worden \
daß ich es Berufeneren überlassen muß, hier Neues und
Eigenartiges zu bringen.
Deshalb werde ich auf die voraufgehende Zeit mich be-
schränken, auf das Mittelalter, auf die Glanzzeit des alten Kai-
sertums. Den Anteil des Elsaß an den geistigen Bewegungen
des Mittelalters Ihnen vorzuführen, soll meine Aufgabe sein.
Wenn ich dabei auf systematische Vollständigkeit
verzichte und nur Charakteristisches in einzelnen Bildern
herauszuarbeiten suche, so möge auch das die Kürze der
Stunde rechtfertigen.
— 9 —
1.
Ein erstes Bild. Klar hebt es, dank zwei günstigen
Sternen in der sonst so dunklen Überlieferung, sich ab von
dem Dämmer, der in frühmittelalterlicher Zeit auch über
der Geschichte des Elsaß liegt Ermoldus Nigellus % ein
Romane aus Aquitanien, Geistlicher und wohlbewandert in
der lateinischen Antike, die unter Karl dem Großen ihre
erste Wiedergeburt erfahren hatte, befreundet mit Pippin,
dem Sohne Ludwigs des Frommen, ist von Ludwig, der
seinem Einfluß auf den Sohn mißtraut, nach Straßburg
verbannt. Ein Gedicht in elegischem Versmaß, in dem
er Ludwigs Taten feiert, 826 vollendet, und ein zweites,
in dem er Pippin um seine Fürsprache bittet, sollen die
Heimkehr erflehen. In beiden Gedichten gedenkt er seines
erzwungenen Aufenthaltsortes. Der Holz und Wildpret
liefernde Wasgenwald und der fischreiche, Goldsand
führende Rhein schließen ein wohlbebautes fruchtbares
Land ein, das an seinen Hängen Wein und in seinen
Ebenen Korn die Fülle trägt. Volkreich und wohlhabend
ist die Hauptstadt des Landes.
«Mich ruft Straßengeräusch fort zu den Giebeln der Stadt.
Volifreich istsie gar sehr und — wert solch prangenden Namens —
Argentei-ata hat einst sie der Römer genannt 3.
Heut, da neu sie erblüht, nur Straßburg wird sie geheißen,
Weil sturmfest an der Haupt-Straße der Völker sie liegt«.
Allein das Volk ist arg. Des Reichtums hat es ge-
nug; jedoch von Liebe zu Gott weiß es nichts. Aber
ein eifriger Hirte wacht sorgend über ihm, Bischof Ber-
nald, der Sproß eines vornehmen Geschlechts aus
Sachsenland :
«Denn er bemüht sich, die Bibel dem Volk in der heimischen
Mundart
Näher zu legen und pflügt kräftig die Herzen und treu * »
Der Geist des großen Karl, der als Schutzvogt der
Kirche seine pohtische und kulturelle Aufgabe zugleich
— 10 —
als christlich-religiöse Sendung auffaßt, weht uns hier
entgegen. Was Karl am Herzen liegt: das trotz der Taufe
noch halb heidnische Volk auch innerlich in der Ge-
danken- und Gefühlswelt des Christentums heimisch zu
machen, das erstrebt auch Bernald, der in der heimischen
Sprache das Volk in der Religion unterweist. Sein Wort
ist schUchte deutsche Prosa. Aber noch wenige Jahr-
zehnte, und Otfried, der Mönch von Weißenburg, wird in
seinem «Krist» das Lob des Herrn in deutschen Versen
singen, wie vor ihm in Bernaids Heimat der sächsische
Dichter des «Heliand» in heimischen Lauten es hatte
erklingen lassen.
Und noch ein zweiter Lichtstrahl erhellt das Dunkel:
ein Bibliothekskatalog des Benediktinerklosters Murbach
im Oberelsaß aus der Mitte des neunten Jahrhunderts,
mit einem Nachtrag aus etwas späterer Zeit\ Wir finden
da einen reichen Besitz an Werken geistlichen und welt-
lichen Inhalts. Die Kirchenväter machen den Anfang,
Augustinus vor allem mit der Mehrzahl seiner philoso-
phischen und theologischen Schriften, doch auch viele
andere, selbst griechische, wie Origenes und Gregor von
Nazianz, diese natürlich in Rufins lateinischen Über-
setzungen. Es folgen Historiker — kirchliche und profane
— , christliche und heidnische Dichter, gelehrte Sammel-
werke für den Betrieb der freien Künste, wie die des
Cassiodor und des Isidor von Sevilla. Auch die Philo-
sophie ist vertreten, außer durch Augustins philosophische
Schriften durch den gesprächigen Cicero, durch des
Lucretius naturalistisches Lehrgedicht, durch den dem
Neuplatonismus folgenden, doch auch an Aristoteles ge-
bildeten Boethius, durch das geistige Haupt der karo-
lingischen Renaissance, Alkuin, den «modernus magister»,
wie der Katalog ihn nennt. Selbst des Plinius Natur-
geschichte, Vitruvs Schrift über die Architektur und der
Mediziner Oribasius fehlen nicht.
— 11 —
So lehren uns die dürren Titel in jenem Bücher-
katalog, wie das Elsaß teilnimmt an der großen Geistes-
erneuerung, der Karls herrschgewaltiger und bildungs-
dürstender Geist, beraten von dem Angelsachsen Alkuin,
nach den Stürmen der wilden Merowingerzeit die Lebens-
bedingungen und die Lebensantriebe gegeben hatte. Auch
über dem Elsaß geht jene römisch-christliche Bildung der
karolingischen Zeit auf, die aus theologischen und aus
klassischen Elementen erwachsen ist und die — Alkuins
Werke zeigen es — in den philosophischen Fragen, die
über die formale Logik hinausgehen, auf dem christ-
lichen Piatonismus Augustins und des Boethius sich
aufbaut
Aber woher kam dem Elsaß, kam Straßburg und
Marbach jene Bildung zugeflossen? Leicht möchte man
an Lothringen als unmittelbare Quelle denken, wo die
spätrömisehe Kultur eine Heimstätte gefunden hatte und
wo St. Marlin in Metz als Stätte blnhender Bildung sich
hervortat. In Wirklichkeit führen nicht zur Mosel, sondern
zum östlichen alemannischen Nachbarlande die Spuren.
Dort, in Kloster Reichenau bei Konstanz, Pirmins Gründung
auf der Insel des üntersees, hatte der edle Sachse Bernald
seine Bildung genossen, wohl als Geisel dorthin gebracht:
von Reichenau war er, wie vor ihm Bischof Heddo, nach
Straßburg gekommen. Mit Reichenau steht auch Murbach
in Verbindung, durch Briefwechsel und Gebetsverbrüder-
ung; von dorther stammte auch nachgewiesenermaßen
wenigstens ein Teil der Murbacher Handschriften
So umschließt das Elsaß und die Alemannen jenseits
des Schwarzwalds nicht nur die Stammesbrüdeischaft,
sondern auch die geistige Kulturgemeinschaft des christ-
lich-klassischen Bildungsideals.
Eine neue Kulturwelle, eine zweite Renaissance, er-
hebt sich unter den sächsischen Kaisern, den Ottonen.
Aber das nunmehr peripherisch gelegene Elsaß scheint
— 12 —
sie nicht stärker zu bewegen. Ich überspringe darum
zwei .lahrhunderte, bis in die Zeit der fränkischen Kaiser.
2.
Ein neues Bild \ — Es ist'' im Jahre 1083, in der
guten Jahreszeit, die ins Freie lockt. Da wandeln im
Garten des arg beschädigten Stiftes der regulierten Chor-
herrn zu Lautenbach bei Gebweiler zwei im Wissen ihrer
Zeit wohl bewanderte Männer einher, der Elsässer Mane-
gold und der Kölner Wolfhelm ; und wie es bei Freunden
der Gelehrsamkeit und in erregten Zeiten natürlich,
kommt ihre Rede bald auf die Wissenschaft, bald auf die
großen Fragen der Zeit. Es sind die Jahre, in denen
der Investiturstreit am heftigsten tobt. Mächtig hob sich
wieder Heinrichs IV. Banner. Vergessen war sein
Canossagang; der nach langem Zögern auch von Gregor VII.
anerkannte Gegenkönig Rudolf von Schwaben, den die
streitenden Fürsten dem Salier entgegengesetzt hatten,
hatte bei Zeitz den tötlichen Streich empfangen. Dem
Papste selbst war in Wiberl ein Gegenpapst gegenüber-
gestellt und es nahte für ihn die trübe Zeit des Exils,
aus dem in Salerno der Tod ihn befreite. Heftig platzen
in dieser Siedehitze des Kampfes auch im Klostergarten
zu Lautenbach die Geister aneinander; denn der Elsässer
Maneg(jld war ein eifriger Anhänger Gregors, der Rhein-
länder Wolf heim aber hielt es mit dem König und Gregors
Gegenpapst Wibert.
Und nicht nur die Politik trennt die beiden. Auch
in der Wissenschaft stehen sie in verschiedenen Heer-
lagern. Hier scheidet die Stellung zur Philosophie, zur
Weisheit des Altertums, die Geister. Sie sprechen von
dem in jener Zeit viel gelesenen Kommentar, den Makro-
bius, ein Neuplatoniker des fünften Jahrhunderts, zu dem
«Traum des Scipio», einer Episode aus Ciceros verlorenem
sechsten Buch über den Staat, geschrieben hat. Während
- 13 -
Wolfhelm bei den alten Philosophen überhaupt und bei
Makrobius insbesondere nur wenig findet, was ihm miß-
fällt, sieht Manegold die Bücher der Philosophen erfüllt
von schädlichen Irrtümern und voll von Widersprüchen
gegen den Glauben. So mischt sich der Kampf um den
Makrobius mit dem Streit um Gregor. Hartnäckig ist der
Kölner; in laute Scheltworte bricht der Elsä.sser aus. In
Unfrieden gehen sie auseinander. Aber doch hofft Mane-
gold seinen Gegner zu überzeugen. Er schreibt an Wolf-
helm eine Abhandlung, deren dramatisch bewegte Ein-
leitung uns das Bild vorführt, das wir soeben erzählen.
Darin handelt er ausführlich von den vielen Irrtümern
bei Makrobius sowie bei anderen griechischen Philosophen
und sucht zugleich Gregors Sache gegen den Gegen-
papst Wibert und gegen den König Heinrich zu führen.
Auf die letztere Frage kommt er freilich nur in den
Schlußkapiteln des Werkes. Um so ausführlicher geht er
in einer zweiten Streitschrift darauf ein, an der er gleich-
zeitig mit jenem Werke arbeitete. Sie ist dem salzburger
Erzbischof Gebhard gewidmet und richtet sich gegen den
trierer Scholastikas Wenrich, der die Königsgewalt als
eine von Gott gebilligte ursprüngliche Einrichtung ver-
fochten und es für empörend erklärt hatte, den König
absetzen zu wollen wie einen beliebigen Hausmeier.
Radikal sind Manegolds Theorien. Nicht nur wird, wie
bei der kurialistischen Partei üblich, aus der Strafgewalt
des höchsten Oberhauptes der Kirche über alle ihre Ange-
hörigen und aus der minderen Würde der königlichen
Gewalt gegenüber der päpstlichen das Recht des Papstes
zur Entthronung des Königs abgeleitet, nicht nur wird das
Amt des Königs als etwas von dem Träger desselben
Trennbares hingestellt, sondern Manegold vertritt auch
die Lehre von der Entstehung der Herrschergewalt im
Staate durch einen Vertrag zwischen Fürst und Volk,
der dem Fürsten, solange er seine Amtspflicht erfüllt, das
— U —
Herrscherrecht verleiht, aber auch dem Volke, wenn jener
zum Tyrannen geworden, das Recht zu seiner Entsetzung.
Niehl zwar Rousseaus Theorie von der Volkssouveränität, die
den Regierenden zum jederzeit absetzbaren bloßen Reauf-
traglen macht, wohl aber die der Monarchomachen des
sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts ist hier vor-
gebildet.
In der Polemik fallen scharfe Hiebe auf den König
und seinen Anhang unter den Rischöfen ; selbst an rohen
Worten und niedrigen Vergleichen fehlt es nicht. «Jener
Manegold war ein rücksichtsloser Mensch und ist jetzt
begraben. Daher wünschen wir, daß auch sein Ruch mit
ihm begraben sei» : so läßt der Propst Gerhoh von Reichers-
berg einen weltlichen Kleriker sagen Aber eines
müssen wir dem Lautenbacher lassen: geradeaus war er
und ehrlich. Dixi quod sensi, sagt er, «ich habe ge-
sprochen wie ich"s mein'»: und das wird auch wahr
sein.
Aber in welchen geistigen Verband fügt sich der
Elsässer ein? Wo ist der Ursprung seiner Lehren und
in welchen Zusammenhang weist die von ihm vertretene
Bewegung?
Nicht ganz leicht ist die Frage zu beantworten,
wegen der mancherlei Unsicherheiten, die sich an die
Person Manegolds anknüpfen. Wenn wir den jüngsten
Forschungen uns anschließen dürfen'^ — und ich bin
aus verschiedenen Gründen geneigt, es zu tun — , so ist
der Verfasser jener Streitschriften, Heinrichs Gegner, der
nach der Verwüstung Lautenbachs durch die Anhänger
Heinrichs sich nach Rottenbuch in Oberbayern zurück-
zog, bald aber nach dem Elsaß heimkehrte, wo er bei
Einrichtung des Augustinerklosters Marbach (südwest-
lich von Colmar) half und später Propst desselben
wurde, trotz aller Einwendungen doch derselbe mit jenem
gefeierten deutschen Lehrer Manegold, der um 1060 an-
— 15 —
fing in Frankreich sich einen Namen zu erwerben, und
den eine nicht lange nach Manegolds Tode in Deutsch-
land entstandene, in einer Handschrift des Klosters Melk
an der Donau erhaltene kirchliehe Literaturgeschichte''^,
die gleichfalls den Lehrer und den Anhänger Gregors
identifiziert, als «modernorum magister magistrorum»
feiert. Sollten aber doch jener Lehrer und der Lauten-
bacher, wie Giesebrecht wollte, verschiedene Personen
sein: nun, so möge das alemannische Land — denn auf
dieses. weist der Name hin — sich freuen, daß es zwei
solcher Männer hervorgebracht hat.
Von jenem magister Manegold nun wissen wir, daß
er, wie der vielgereiste Anselm von Besäte, wie Petrus
Damiani und der gleichfalls aus Italien nach Frankreich
gekommene Lanfranc, zu den Männern gehörte, die, gleich
den Lehrern der allgemeinen Bildung itn alten Hellas,
den Sophisten, als Privat- und Wanderlehrer umherzogen,
bald hier, bald dort durch künstlich abgezirkelte Reden
voll dialektischer Überraschungen Bewunderung erregend'*.
In den ruhig schlichten Gang der klassischen und christ-
lichen Studien, wie die Kloster- und Domschulen sie seit
der Karolingerzeit betrieben hatten, war damals nämlich
ein neuer Zug gekommen. Wohl im Zusammenhang mit
der Neubelebung des Rechtsstudiums in Italien war ein
neuer Eifer für die freien Künste: Grammatik, Rhetorik
und Dialektik, erwacht, und jene Wanderlehrer waren
Hauptträger dieser Bewegung. Manegold, der im Franken-
lande umherzog, fand hierbei, wie es heißt, an seiner
Gattin eine Genossin der Arbeit und in seinen Töchtern
Gehilfinnen für die Lehrtätigkeit. Wir denken dabei
an die weiblichen Lehrer der Medizin in Salerno'\
Frauen und Töchter der Professoren, und an die freilich
etwas mythische schöne Juristentochter in Bologna, Novella,
des Johannes Andreä Kind, die hinter herabgelassenem
Vorhang in Vertretung des Vaters die Vorlesung hielt
— 16 -
Aber stete Wanderfahrt macht matt. Wie Damiani
und Lanfrane, so klopfte auch Manegold wandermüde an
die Klosterpforte, im Kloster zunächst wohl weiter lehrend.
Mancherlei Wissen hat er mitgebracht Noch in den
Streitschriften macht er aus Dichtern und Geschicht-
schreibern, aus Philosophen und des Boethius Arithmetik
Anführungen, und auch die aristotelische Dialektik er-
wähnt er in der Widmung seiner Schrift an Gebhard^*:
jetzt freilich, um sie als aristotelische Sophismen abzu-
lehnen ' '.
Denn um die Dialektik ist ein heftiger Kampf ent-
brannt'*. Ist sie doch auch in die Theologie einge-
drungen und hat hier Beunruhigung und Streit erregt.
Vor allem war Berengar von Tours, bekannt aus den
Abendmahlsstreitigkeiten, auf diese Weise zur Leug-
nung geltender Glaubenslehren gekommen. Da erwacht
eine theologische Reaktion gegen die Dialektik und die
Philosophie überhaupt. Und merkwürdig, aber psycholo-
gisch erklärlich : gerade in den Kreisen jener ehemaligen
Lehrer der freien Künste gewinnt diese Stimmung den
schärfsten Ausdruck. Petrus Damiani, jetzt Bußprediger
und zuletzt Kardinal, wird der heftigste Antidialektiker.
Ebenso Berengars Gegner Lanfrane, wenn dieser auch in
Wirklichkeit nicht ganz von der dialektischen Methode
lassen kann und damit die Begründung der eigentlichen
Scholastik durch Anselm von Canterbury und Abälard
vorbereitet. Auch Manegold, dessen geistige Beziehungen
zu Damiani durch dessen Benutzung in beiden Streit-
schriften bewiesen werden macht diese Wendung mit.
Der Elsässer ist jetzt Gegner der im Frankenlande sich
vorbereitenden neuen begrifflich-dialektisch spekulierenden
Wissenschaft. Er bekämpft die Philosophie, in der er,
wie Otloh von St. Emmeram in Regensburg, eine Gefahr
für den Glauben und wohl auch für den rechten Ordens-
gei.st erblickt.
- 17 -
Es ist hier nicht möglich, auszuführen, wie aus dieser
Stimmung heraus auch die Schärfen in Manegolds kirchen
politischen Darlegungen verständlich werden. Nachgehen
kann ich auch nicht den jüngst mehrfach erforschten
literarischen Abhängigkeiten, die hier vom Elsaß zum
deutschen Südosten, insbesondere zu dem Schwaben
Gebhard von Salzburg hinführen ^"^j ebensowenig wie den
Ursprüngen jener aus römischrechthchen, kanonistischen
und germanischen Elementen erwachsenen demokratisch
angehauchten Staatstheorie die zu dem kirchlichen
Konservativismus ihres Urhebers nur anscheinend im
Widerspruch steht. Nur auf einen kleinen, doch bedeut-
samen Zug sei hingewiesen, der für den Untergrund von
Manegolds Empfinden bezeichnend ist. Wo er von dem
Vertragsbruch redet, den ein Fürst, der die Gerechtigkeit
nicht wahre, dem Volk gegenüber begehe, da spricht er
nicht von den Rechten des Volkes, die der Fürst ver-
letze; nach echt germanischem Gefühl vielmehr sieht
Manegold darin ein Verletzen der Treue, die Fürst und
Volk aneinander binden solF^.
3.
Als Propst von Marbach hat Manegold schon den
Anfang der großen Bewegung erlebt, die der europäischen
Kulturwelt eine neue Gestalt gab, ja wahrscheinlich war
er sogar auf der berühmten Synode zu Clermont zugegen
wo der erste Kreuzzug beschlossen wurde Er konnte
noch mit einstimmen in den Jubel der Christenheit, als
noch vor Schluß des Jahrhunderts die Stätten, die des
Erlösers Fuß geweiht, den Muselmännern wieder entrissen
waren. Ob er, der derbe Mann aus dem Volke und strenge
Anhänger asketischer Reform, wohl auch der glanzvollen
Kulturentwickelung sich gefreut hätte, die nunmehr von
ihrer französischen Heimat aus auch über die deutschen
Lande sich verbreitete^'? Damals entwickelt das fran-
2
— ^s —
zösische Rittertum in Krieg und Spiel, in heiterem und
ernstem Lebensverkehr neue Formen, die bald interna-
tionale Geltung erhalten und, wo nur Rittertum herrscht,
das höfische Leben verfeinern. Eine europäische Kultur-
gemeinschaft bahnt sich an. Was der französische Ritter
und Spielmann singt, das Lied und die Weise, die Fabel
und ihr sinnlich bildhaftes Kleid, das wird Muster für
alle, die dilettantisch oder berufsmäßig der Poesie huldigen.
Auch in der lateinischen Bildung des Klerikers tritt, von
Frankreich her sich verbreitend, dieser Zug ins Geglättete
und Elegante hervor. Feiner humanistischer Geist herrscht
in der philosophischen Schule des kunstberühmten
Chartres^\ wo die beiden bretonischen Brüder Bernhard
und Thierry die platonische Ideenwelt erneuern, wo
Bernhard Silvester die Bildung des Makrokosmus und
des Mikrokosmus in poetischer Prosa und in Versen,
mit Boethius wetteifernd, schildert und wo der dem nor-
mannisch gewordenen England entstammte gelehrte Johannes
von Salisbury, der spätere Bischof von Chartres, vorher
Thomas Beckets Kanzler, ernste ethische Mahnungen in
Verse nach dem Vorbild von Ovid, Persius und Juvenal
kleidet. Nicht minder herrscht jener humanistische Geist
bei dem Magister Alanus von Lille, dessen schwunghafte
allegorischen Poeme nicht auf die gelehrte Welt be-
schränkt bleiben, sondern auch von französischen, deut-
. sehen und englischen Dichtern erwähnt werden Auch
historische Gedichte in glatten lateinischen Versen gibt
es in großer Zahl, und der Vaganten unverwüstlich lebens-
frohe, spottlustige Schar erneuert Ovid und Horaz in den
Formen der rhythmischen lateinischen Poesie des zwölften
Jahrhunderts. — Nicht minder nimmt die neue Bauweise
und die neue Bildnerkunst vom Frankenreiche her ihren
Siegeslauf.
So wird in jenen Tagen das Westreich der Führer
zur Schönheit froher Sinneskultur. Sein Einfluß steigert
— 19 —
im zwölften Jahrhundert sich zusehends vom ersten Ein-
setzen an, um iu der ersten Hälfte des dreizehnten den
Höhepunkt zu erreichen. Uas ist die glanzvolle Staufer-
zeit, da des Reiches Herrscher zugleich des elsässischen
Landes Herzöge sind.
Uem Westreiche Grenznachbar, steht das Elsaß der
von dorther kommenden befruchtenden P'lut offen. Am
sinnfälligsten tritt dies in der Baukunst zutage. Nicht
leicht zwar ringt sich die etwas schwere und derbe Art
des Landes los von der ererbten Bauweise. Dann aber
eilt es, seit Meister Rudolf am straßburger Münster baut,
allen voran in dem neuen Stil, der den logischen Geist
der neuen Scholastik mit der phantastischen Kühnheit
des Rittertums eint. Das ist die Zeit, da der elsässische
Spielmann Heinrich der Glichezare für einen elsässischen
Edelmann nach französischem Vorbild den verschlagenen
Helden des Tierepos, Reinhard den Fuchs, besingt, da
der Minnesinger Reinmar der Alte, die «Nachtigall von
Hagenau», obzwar meist in Österreich lebend, durch seine
auch von Walter gepriesene edle Kunst der Heimat zu
hohen Ehren gereicht, da Meister Gottfried von Straßburg
dem schwülen keltisch-französischen Sang von Tristan
und Isold so manche psychologische Feinheit abzuge-
winnen und ihm ein so schimmerndes und geschmeidiges
Gewand zu geben weiß.
Und auch in der geistlichen Welt des Elsaß herrscht
neues Leben. Noch im zweiten Drittel des zwölften Jahr-
hunderts entsteht auf dem Odilienberge der «Lustgarten»
Herrads von Landsberg in dem die Äbtissin von Hohen-
burg wie in einem Orbis" pictus mit frischem Griff ins
Menschenleben «einem Bienchen gleich» alles der Frau
wissenswert Erscheinende zusammenträgt und es in fast
siebenhundert sorgsam ausgeführten Bildern erläutert.
Auch die neue lateinische Verskunst macht hier Schule.
Für Barbarossas Söhne dichtet der wohl auf französischen
— 2ü —
Schulen gebildete Scholastikus Gunther später Mönch
im elsässischen Zisterzienserkloster Pairis, den Sang von
Jerusalems Eroberung und den «^Ligurinus», in dem er
Friedrichs Talen vor Mailand, des allen Liguriens Haupt-
stadt, in so tadellosen Versen schildert, daß man lange Zeit
das Werk, das Gaston Paris als Kleinod in Deutschlands
Dichterkrone preist, für eine Fälschung der Humanisten-
zeit glaubte erklären zu müssen. Selbst in seinem mit
allerhand Schulgelehrsamkeit prunkenden^'' asketischen
Werke über «Beten, Fasten und Almosengeben» greift
Gunther gern in die klassische Welt hinein und gibt z. B.
durch die allegorische Ausdeutung der Ulyssessage ein
poetisches Bild von den Gefahren, die der Christ auf der
Fahrt durch das Meer des Lebens zu bestehen hat
4.
Aber eins ist merkwürdig. So vielfach und reich
auch der Einfluß der westlichen Kultur auf das Elsaß ist,
den dieses Bild aus der Wende des zwölften und drei-
zehnten Jahrhunderts uns erkennen läßt, so vermissen
wir doch mit Überraschung einen Zug darin. Von der
gewaltigen philosophischen Bewegung, die zu der Zeit
viele tausende von Scholaren, jung und alt, nach Frank-
reich zog, finden wir im Elsaß keinen Widerhall. Und
doch war es Großes, was auf dem Gebiete der philoso-
phisch-theologischen Wissenschaft der französische Geist
damals hervorbrachte. Es war die neue Scholastik, da-
mals ein junges, lebensfrisches Gebild. Auch sie ist zu-
nächst ein französisches Gewächs. Ein Abälard, ein
Gilbert de la Porree, ein Bernhard und Thierry von
Chartres, ein Alain de Lille bauen an ihr. Nur der
mystisch gefärbten Scholastik von St. Viktor bei Paris
wird durch den von augustinischen Traditionen erfüllten
sächsischen Grafensohn Hugo von St. Viktor ein anderer
Keim eingepflanzt.
— 21 —
An sich stand der Verbreitung dieses neuen Wissens-
ideals über Frankreichs Grenzen hinaus nichts entgegen.
Das beweist uns z. B. Otto von Freising, des Gilbert de
la Porree Schüler^*. Aber in das Elsaß ist damals die
neue Scholastik nicht gedrungen. Hatte vielleicht zu der
Zeit das kleine Land zufällig keinen bedeutenderen philo-
sophischen Kopf? Oder liegt daneben auch ein tieferer
Grund vor? War vielleicht Abälards Denkweise und
Methode der geistigen Eigenart des Elsässers weniger ge-
rnäß? Denn anders wird das Verhältnis des Elsaß zur
Philosophie und zur spekulativen Theologie, als aus der
Frühscholastik des zwölften die Hochscholastik des drei-
zehnten Jahrhunderts hervorwächst. Jetzt ist Paris noch
immer, wie Albert der Große sie nennt, «die Stadt der
Philosophen»*^; aber die Scholastik hat das spezifisch
Französische abgestreift. Zwar gibt es auch im dreizehnten
und noch mehr im vierzehnten Jahrhundert unter ihren
Vertretern hervorragende Denker französischer Abstam-
mung; aber die eigentlichen Baumeister kommen jetzt
von außen. Haies kommt von England, Albert aus
Deutschland; Bonaventura und Thomas von Aquino sind
Italiener, Siger Brabanter; Heinrich von Gent ist Vlaeme,
Duns Scotus Ire, und die Engländer Grosseteste und
Bacon haben auch etwas zu sagen.
Jetzt hat auch das Elsaß seinen Anschluß gefunden-''.
Jetzt verfaßt Ulrich Engelberti von Straßburg — nach
einer Angabe bei C. Schmidt gehörte er zur Familie der
Zorn'* — unter dem Titel: «Vom höchsten Gute» ein
spekulatives theologisch-philosophisches Riesenwerk, von
dessen Inhalt vor kurzem Martin Grabmann weiteren
Kreisen einige Kenntnis gegeben hat ; denn noch harrt
es der Herausgabe und ist uns nur aus den Handschriften
näher bekannt^". Jetzt schreibt Hugo Ripelin von Straß-
burg — auch er aus der Verwandtschaft der Zorn 3' —
sein oftgedrucktes «Kompendium der theologischen Wahr-
— 22 —
heit», das dem Elsässer mit Unrecht so oft strittig ge-
macht wurde Und im folgenden Jahrhundert erhalten
wir von Thomas von Straßburg*'', aus Hagenau gebürtig,
ein theologisches System, das die Lehre des größten Theo-
logen des Augustinerordens, Ägidius von Rom, in muster-
hafter Klarheit zusammenfaßt.
Freilich fehlen, wenigstens im vierzehnten Jahrhundert,
auch weniger erfreuliche Seiten nicht. Als bloßer Aus-
schreiber fremder Werke ist Nikolaus von Straßburg
erwiesen. Und wenn Johann von Dambach, den man
einen Mystiker nennt, weil man ihn nicht gelesen hat,
unter dem seltsamen Titel : «^Über die sinnfälligen Freuden
des himmlischen Paradieses» eine Untersuchung anstellt,
wie es mit Gesicht, Gehör, Geschmack, Geruch und Getast
der Seligen im Himmel, mit ihrer Stimme und ihrem Gesang
usw. beschaffen sei, so hat er zwar nebenbei auch die
Absicht, den plumpsinnlichen Paradiesesvorstellungen der
Mohammedaner und anderer entgegenzutreten ; aber sein
eigenes, glücklicherweise bis jetzt nicht gedrucktes Werk
gehört doch mit zu dem Schlimmsten, was als scholastische
Spitzfindigkeiten gerügt wird. Er steht da zur Seite der
Schwester Katrei von Straßburg, die in einem zu Unrecht
dem Meister Eckhart zugeschriebenen, in Wirklichkeit ganz
oder halb beghardischen Traktat genau anzugeben weiß, wie-
viel Selige im Himmel auf einer Nadelspitze sitzen*-. Und doch
konnte dieser Johann von Dambach auch anders schreiben.
Sein in Straßburg, Köln und Basel gedrucktes «Theolo-
gisches Trostbüchlein», ist ein Seitenstück zu des Boethius
«Trost der Philosopliie» das mit dem eigenen Wort eine
reiche Blütenlese nicht nur aus kirchlichen Schriftstellern,
sondern auch aus Cicero, Valerius Maximus und besonders
aus Seneca, dem weltlichen Seelsorger des Altertums, verbin-
det. Soerinnerl es stark an eine gleichzeitige ähnliche Schrift
aus ganz anderem Kreise, an das «Heilmittel in Freud und
Leid» von dem Vater des Humanismus, Francesco Petrarca
- 23 —
Aber das sind Nebenerscheinungen, wie sie überall
sich finden. Jenes straßburger Dreigestirn Ulrich, Hugo
und Thomas zeigt uns, auf wie fruchtbaren Boden die
neue Bewegung im Elsaß gefallen war ' "'.
Der bedeutendste unter den drei ist Ulrich. Früh
in den Dominikanerorden getreten, saß er in Köln zu
den Füßen Alberts des Großen, wohl zwischen den Jahren
1248 bis 1254. Seinem Lehrer bleibt er in lebensläng-
licher Dankbarkeit verbunden. Mehr als eine Stelle in
in den von Heinrich Finke aufgefundenen Briefen aus
der Zeit seiner späteren Tätigkeit als Provinzialoberer
des Ordens — vorher war er Lesemeister in Straßburg
— legt rührendes Zeugnis davon ab**; wie denn über-
haupt jene Briefe einen tiefen Blick in Ulrichs Geistesart
geben. Auch seine politische Stellung lassen sie erkennen.
Es ist die Zeit, da der Glanz der Staufer erloschen ist
und die Wirren des Interregnums schwer ülfer den
deutschen Landen lasten. Da macht auch Ulrich Stimmung
für die Wahl Budolfs von Habsburg, die der Not ein
Ende gebracht haf''.
Ulrich ist ein Denker von besonderer Prägung, kein
bloßer Kompendienschreiber. So weist er uns zugleich
hin auf die Eigenart des elsässischen Geistes, in der Zeit
der Hochscholastik nicht nur, sondern noch lange darüber
hinaus. Denn auch in der Mystik des vierzehnten Jahr-
hunderts finden wir einen ähnlichen Stimmungscharakter.
Jene Eigenart erkennen wir aus der besonderen
Bichtung, welche Ulrich in seinem theologischen und be-
sonders in seinem philosophischen Denken verfolgt. Sie
war bis vor wenigen Jahren so gut wie unbekannt. Jetzt
zeigt sich mehr und mehr, daß wir es mit einer ganzen
Gruppe von Denkern, mit einer Art von Schule, zu tun
haben Innerhalb derselben fängt zwar jeder in seiner
Art an ; aber alle werden doch geeint durch das Band
gemeinsamer Grundgedanken und Grundstimmungen. Ihre
Heimat hat diese Schule in den Ländern am Rhein und
im mittleren und oberen Deutschland, in Köln, Straßburg
und Freiburg •''^ vor allem. Man möchte sie darum die
südwestdeutsche Scholastik nennen. Die durchsichtige
Klarheit und geschlossene Konsequenz des thomistischen
Systems geht ihr ab. Dafür aber zeigt sie hohe Kraft
der Phantasie; und starke Antriebe empfängt sie wolil
auch aus den Unterschwingungen des Gemütes.
Wollen wir diese Richtung und mit ihr die Denk-
weise des straßburger Philosophen aus dem dreizehnten
Jahrhundert verstehen, so müssen wir an Ulrichs Lehrer
Albertus Magnus, den großen Schwaben, anknüpfen.
Dieser Albert ist ein grundgelehrter Denker und ein
ebenso empfindsamer wie reicher Geist, der jede ihn
treffende Bewegung aufnimmt und verarbeitet. Er stellt
in einer Periode mächtigster Erregung in der Welt der
philosophischen und theologischen Spekulation, die durch
mancherlei treibende Kräfte, insbesondere das aus der
hellenischen Wissenschaft und dem Orient neu zuströmende
Material, in eine gewaltige Gärung versetzt ist^-. Vor-
anstürmende Philosophen und der Tradition getreue Theo-
logen stehen sich als Extreme gegenüber. Zwischen diesen
versuchen andere — mit nachhaltigstem Erfolge der an-
fangs von beiden Seiten bekämpfte Thomas von Aquino
— auf verschiedene Weise eine mittlere Linie zu ge-
winnen, auf der Altes und Neues zu geeinter Stoßkraft
zusammentreten soll.
Albert überschaut dies alles. Mit anschmiegsamer
Biegsamkeit umfaßt er Vielerlei: philosophische Spekula-
tionen und positive theologische Wissenschaft, exakte
Naturbeobachtung und gemütvolles Glauben, Scholastik
und Mystik. Aber noch wird er des vielseitigen Gedanken-
stoffs nicht Herr. Sein Denken wird nicht selten zwie-
spältig nach verschiedenen Richtungen auseinander ge-
trieben. Darum kann er denn auch nach verschiedenen
Richtungen hin Anregung geben. Wenn Albert wie ein
Mann der Tradition, nur wenig erst von den neuen
aristotelischen Gedanken beeinflußt, seinen Sentenzen-
kommentar schreibt, so bietet er den Stoff, den Hugo
Ripelin von Straßburg in seinem Kompendium zusammen-
faßt ^-^ Wenn er in seiner theologischen Summe und der
Summe über die Kreaturen Augustins platonisierende
Metaphysik und die Begriffe des christlich gewendeten
Aristoteles zu einheitlicher Synthese zusammenzufassen
sucht, so ist das die Aufgabe, die das Lebenswerk von
Alberts Schüler Thomas von Aquino ausmacht.
Aber neben der aristotelischen Philosophie hat noch
eine andere Denkweise starken Eindruck auf Albert ge-
macht. Das ist der von Plotin begründete Neuplatonis-
mus, den er teils aus den Ausläufern der griechischen
Literatur kennt, teils aus arabischen Quellen, insbesondere
dem arabischen Philosophen Avicenna, der ihn mit dem
Aristotelismus verbunden hatte. Von der nüchternen
Metaphysik des Stagiriten stehen die phantasievollen
Konstruktionen weit ab, welche der Neuplatonismus
von dem stufenweisen Hervorgang der Dinge aus der
ersten Ursache gibt, und von dem sympathischen
Zusammenhang, der die Hochwelt und die Niederwelt
durchziehen soll. Und doch sind, trotz aller Phantastik,
auch tiefsinnige Denkmotive darin enthalten, die einen
sinnigen Geist, wie den Alberts, wohl anziehen konnten.
So ist er denn mit diesem Neuplatonismus sehr weit mit-
gegangen, oft so weit, daß er überrascht stille steht
und alles Gesagte als einen bloßen historischen Bericht
hinstellt.
Hier liegt die Erklärung für Ulrichs Denkweise. Die
auf augustinischer Grundlage erwachsene Theologie ver-
bindet er mit Alberts neuplatonisch durchsetztem Aristo-
telismus. Dieses neuplatonische Element gibt ihm und
jener ganzen Richtung das charakteristische Gepräge. Das
— '26 —
Einzelne freilich läßt sich nur in fachwissenschaftlichem
Zusammenhange dartun. Sonst müßte ich sprechen vom
schöpferischen Flusse aller [)inge, von den über der
Menschheit stehenden Intelligenzen, insbesondere von ihrer
untersten, dem wirkenden Verstände, von dessen Ver-
bindung mit der Seele, von der göttlichen Erleuchtung,
die sich mit der von den Intelligenzen kommenden vereint,
von der Idealwelt und von den Formen, die von da
durch die Welt der Intelligenzen hindurch niedersteigen,
von Lichtmetaphysik und von den in der Materie liegen-
den Keimen, von Dionysius dem Pseudo-Areopagiten, von
dem Uber de causis und Avicenna und von vielem anderen,
was sich in Kürze doch nicht anschaulich machen läßt'*.
Möge man es bald in einer Veröffentlichung von Ulrichs
Werk selbst lesen können !
Ulrichs Geistesrichtung findet Fortsetzung bei seinem
in Süddeutschland wirkenden Ordensgenossen, dem Meister
Dietrich von Freiberg ''^ Nicht minder stark tritt sie
hervor in den zuerst von Denifle angezogenen scholasti-
schen Schriften des in Straßburg und in Köln lehrenden
Mystikers Meister Eckhart. Sie wird offenbar geteilt auch
von Eckharts Verteidiger, dem Elsässer Nikolaus von Straß-
burg (dem Älteren).
Wollen wir so recht diese Eigenart des elsässischen
Geistes innerhalb der Scholastik empfinden, so mögen
wir Lothringen zum Vergleich heranziehen. Dort wird
im Jahre 1350 Domdechant zu Metz der vorher als Lehrer
in Paris tätige Nikolaus von Autrecourt einer Ortschaft
in der Nähe von Bar-le-Duc. Kritisch bis zum Zermürben
der Wirklichkeit ist der Geist des dem Nominalismus
huldigenden , Mannes, dessen Lehre uns gleichfalls erst in
den letzten Jahren näher bekannt geworden ist. Scharf-
sinnig untersucht er die Berechtigung des Substanz- und
des Kausalbegriffs. Da ist er vor Locke und Hume zu
Aufstellungen gekommen, die gelegentlich sogar wörtliche
— '27 —
Ijbereinstimimmg mit Kant aufweisen. — So der Loth-
ringer. Während des wuchs im Elsaß im Zusammenhange
mit dem Neuplatonismus eine neue Bewegung heran.
5.
Und nun ein letztes Bild. Es führt nicht, wie das
vorige, in unbekannte Gebiete, und darum kann ich mich
kurz fassen, kürzer als es der Bedeutung der Sache ent-
spricht. Die Mystik im Elsaß soll es vorführen, insbe-
sondere die deutsche Mystik, die dem geistigen Leben des
Landes im vierzehnten Jahrhundert und darüber hinaus
ihren Stempel aufdrückt'''.
Die Kunde von dieser Mystik war niemals verschollen,
wie die von der Scholastik der voraufgehenden Zeit.
Mancherlei Gründe hielten ihr Andenken wach, zutreffende
und weniger oder gar nicht zutreffende. Wer weiß nicht
von dem großen Prediger Tauler, dessen Grabdenkmal
noch jetzt sein Andenken lebendig erhält in der Neuen
Kirche zu Straßburg, die an der Stelle der ehemaligen
Dominikanerkirche sich erhebt, der Stätte von Taulers
Wirken? Wer nicht von Rulman Merswin und von dessen
Stiftung auf dem «Grünen Wörth», einst unter der Pflege
der Zorn, der Kageneck und anderer Geschlechter eine
blühende Stätte frommen Lebens ^""j jetzt zum Gefängnis, zum
«Uaspelhüs» degradiert? Selbst die Ausartungen jener Mystik
werden noch jetzt gar anschaulich vor Augen gestellt durch
einen Grabstein im Querschiff der straßburger Thomaskirche
vom Jahre 1410, das furchtbar realistische Bild des zu
einem Gerippe zusammengeschrumpften «Mannes auf der
Matte», der, wie es in einer gedruckten Erklärung heißt,
*aus Gottesliebe und Frömmigkeit sich den Hungertod
gab»"". Und auch die deutschen Werke jener Mystiker,
Taulers Predigten und Merswins Traktate, sein Buch von
den neun Felsen wie die dem angeblichen Gottesfreunde
vom Oberland unterschobenen Schriften, sind allgemein
— 28 —
bekannt durch die Arbeiten der Historiker und Germa-
nisten, von Carl Schmidt und Jundt, Preger, Denifle und
Strauch bis zu Lauchert, Rieder und Spamer. Freilich,
zu tun ist auch da noch genug. War bis jetzt doch noch
nicht einmal eine kritische Ausgabe von Taulers Predigten
möglieh !
Uns Jetztlebenden ist jene Mystik leicht ein bloßes
Wort, eine unlebendige Vorstellung von einer traumhaft
fernen Sache. Aber damals haben in ernster Entsagung
viel hundert Herzen nach jenen mystischen Schauern
gerungen, in der Klosterzelle und in der Welt; und wenn
wir die mystischen Schriften jener Zeit lesen, so weht
uns ein Hauch daraus entgegen von inbrünstigem Sehnen
und tiefem Frieden zugleich.
Nicht jede innerliche Frömmigkeit werden wir freilich
als Mystik bezeichnen können. Die Lebensbeschreibungen,
welche die Priorin des Dominikanerinnenklosters Unter-
linden bei Colmar, Katharina von Gebweiler, von dem er-
baulichen Lebenswandel der ersten Schwestern jenes
Klosters gab''\ werden wir darum wohl der asketischen,
al)er nicht der mystischen Literatur zuzählen. Die Mystik
hat ihren besonderen Zug. «Entbildet werden von der
Kreatur, gebildet werden mit Christo, überbildet werden
in der Gottheit», so bestimmt Seuse ihren Gang^^. Man-
cherlei Wege zu jenem Ziele hatte die mystische Denk-
weise eingeschlagen, mehr praktische und anschauliche
und mehr spekulative. Für diese spekulative Art hatten
Augustin und Dionysius der Pseudo-Areopagit den Grund
gelegt. Richard von St. Viktor und Thomas von Vercelli
gaben ihr die spezifisch mittelalterliche Form
Hier setzt die deutsche Mystik ein, die David von
Augsburg und Albertus Magnus** vorbereiten, deren
eigentlicher Regründer aber der viel umstrittene Meister
Eckhart ist. Von Geburl zwar nicht, wie man wohl an-
nahm ein straßburger Kind, sondern einem bei Gotha
— '29 —
ansässigen thüringischen Rittergeschlecht entstammend
steht Eckhart zu Straßburg doch in engen Beziehungen*".
Hier, wie in Köln und Erfurt, ist er mehrfach tätig ge-
wesen. Auf seiner Lehre fußen Tauler, der straßburger
Bürgersohn, und Seuse das konstanzer Patrizierkind ''^ ;
und auch Rulmann Merswin , der ehemalige straß-
burger Hiandelsherr, steht noch in der Nachwirkung seiner
Lehre.
Diese Lehre Eckharts bietet in dem, was sie von Gott
und dem göttlichen Leben sagt, im wesentlichen dasselbe,
wie die übliche Scholastik, insbesondere die Ihomistische.
Nur Unkenntnis, vor allem von Eckharts lateinischen
Schriften"", und Mißverständnis hatten hier anderes ge-
funden. Aber in der Art, wie sie des Menschen Ver-
hältnis zu Gott und die Weise iener mystischen Schauung
deutet, steht jene Lehre stark unter dem Einfluß der
neuplatonischen'" Scholastik, als deren Vertreter neben
Ulrich von Straßburg wir soeben den Meister Eckhart
kennen lernten. Nicht als religiöse Bewegung — die lag
von je im Christentum — , wohl aber nach ihrer meta-
physischen und psychologischen Begründung ist die Mystik
aus jener neuplatonisierenden Scholastik hervorgegangen,
die zugleich die Stimmung für sie vorbereitete'^.
Aber wie ist diese Mystik eine spezifisch deutsche
geworden, d. h. eine solche, die nicht nur in Deutschland
gepflegt wurde, sondern die auch ihren literarischen
Niederschlag in deutscher Sprache fand? Das geschah
vor allem durch die Predigt die Predigt in den Klöstern
und die Predigt vor dem Volke.
Teils der religiöse Sinn des Mittelalters, teils auch
die schon damals in der Frauenfrage liegenden sozialen
Schwierigkeiten hatten einer großen Zahl von Frauenklöstern
und weiblichen religiösen Lebensgemeinschaften die Entsteh-
ung gegeben: Klöstern der Dominikanerinnen und anderen
für die städtischen Geschlechter, Beginenhäusern für die
— 30 -
arbeitsgewühnten Handwerkertöchter'''. Für die Mehrzahl
dieser Klöster, insbesondere auch in Straßburg, Colmar,
Freiburg und Köln, wurde den Predigermönchen die Seel-
sorge übertragen. Ein Johann von Sterngassen''', ein Eck-
hart, ein Nikolaus von Straßburg' % ein Tauler, ein Seuse,
waren in dieser Weise tätig. Entsprechend einem psycho-
logisch sehr wohl erklärlichen Zuge jener weiblichen Zu-
hörer verlangten auch sie in der Frömmigkeit nach hohen
Dingen, und so nahmen die Predigten naturgemäß jenen
spekulativ mystischen Charakter an, der sich von hier
aus dann, wie Tauler zeigt, überhaupt auf die Predigt-
weise übertrug. Klosterfrauen haben Eckharts Predigten
zuerst in deutscher Sprache aufgezeichnet, und auch
deutsche mystische Traktate in Menge sind in jenem
Kreise entstanden. Von solchen Traktaten, die nachweis-
bar dem Elsaß angehören, sei hier ein leider unvollständig
erhaltener aus dem Kloster Unterlinden zu Colmar hervor-
gehobenin dem sich religiöse Gemütsinnigkeit und ein
ofTenes Auge für die Schönheit der Natur in sinniger
Weise vereinen ".
Aber auch in den Laienkreisen des Elsaß fand jene
Bewegung lebhaftesten Widerhall '**. Rulman Merswin '■'
beweist es uns. Und wenn in dem, was man uns von
dem Bunde der «Gottesfreunde» erz;ihlt, auch vieles
romanhaft sein mag, wenn insbesondere der geheimnis-
volle «Gottesfreund vom Oberland> dem Tauler seine
geistige Erweckung verdanken soll, Merswins oder seines
Schülers Nikolaus von Löwen Erdichtung ist: das bleibt
bestehen, daß auch das Laienelement, insbesondere das
bürgerlich städtische, in den Ländern am Rhein in dieser
Zeit des schwarzen Todes und der Geißlerfahrten, des
päpstlichen Schismas und der sozialen Erschütterungen, aber
auch des aufblühenden Bürgertums, von jener mystischen
Geistesbewegung in nicht geringem Maße ergriffen ist.
Hat man doch auch in der Kunst jener Zeiten, in Köln
— 31 —
wie im Süden, diesseits und jenseits des Rheins, ihre
Schwingungen zu verspüren geglaubt
Und diese Laienmystik, wie Merswin sie uns reprä-
sentiert, hat trotz aller Gleichheit des rein betrachtenden
Inhalts doch auch ihren besonderen Zug. Es ist der Ton
scheltender Rüge die gegen alle Entartung und Ver-
äußerlichung sich richtet, nicht nur bei den Laien, sondern
auch im geistlichen Stand, vom Kaiser bis zum Bürgers-
mann, vom Papst und Kardinal bis zum Mönch und Leut-
priester. So hatte einst auch Bernhard von Clairvaux
zu Papst Eugen III. von der Entartung in der Kirche
gesprochen ; so redete auch Merswins Zeitgenossin, die
Dominikanerin Katharina von Siena. Aber mehr noch
werden wir an die spätere Entwickelung im Elsaß selbst
gemahnt, an Gailer von Kaysersberg und Sebastian Brant.
Doch nicht nur eine starke Welle edler Mystik ist
durch das Land gegangen. Auch jene schlimme Pseudo-
mystik, die seit dem Anfang des zwölften Jahrhunderts
Frankreich, Deutschland und die Niederlande beunruhigt,
ist dem Lande nicht fremd geblieben. Entstellte Sätze
von der göttlichen Allwirksamkeit mißdeutend, wähnten
diese «Schwestern und Brüder vom freien Geiste» den,
der zur Höhe der Schauung und zum Einssein mit Gott
gelangt sei, von allem Gesetz und allem äußeren Werk
entbunden. In frechem Hinwegselzen über Zucht und
Sitte gestatteten sie sich deshalb jegliche Ausschweifung.
L>er straßburger Bischof Johann von Dirpheim**' schritt
1317 gegen diesen sittlichen Anarchismus ein, der be-
sonders unter den bettelnd umherziehenden Begharden
seinen Anhang hatte und auch einzelne Beginenhäuser zu
ergreifen drohte. Sein 'Nachfolger Berthold von ßucheck
erheß mehrfache Synodalbestimmungen gegen das schlimme
Treiben *\ Eckhart und Tauler sowie Seuse lassen nicht
nach, gegen solch wilde Reden zu eifern Freilich ge-
braucht auch Eckhart im Streben nach neuem, kühnem
— 32 —
Ausdruck gelegentlich Redewendungen, die der Metaphysik
jener Kreise bedenklich sich nähern"'. Aber nie wird
der ernste Mann müde, vor jener Unmoral mit heiligem
Feuer zu warnen.
Doch genug von diesen unerfreulichen Lehren, die,
soweit wir wissen, in dieser Form zuerst von den An-
hängern des Amalric von Bennes im Distrikt von Chartres
ausgebildet wurden In einen engeren Zusammenhang
als jene internationale Bewegung führt uns die Mystik
Taalers. War schon in der Scholastik des dreizehnten
Jahrhunderts auf dem Gebiete der intellektuellen Geistes-
kultur das Elsaß mit dem westlichen und südlichen
Deutschland vereint, so ist dieser Zusammenhang ein noch
stärkerer in der Mystik des vierzehnten und fünfzehnten,
die nicht nur auf die gelehrten Kreise sich beschränkt,
sondern zu einer volkstümlichen Bewegung sich auswächst.
Es ist wie in der baugeschichtlichen Entwickelung, wo
um 1300 die Fäden, die zum französischen Westen leiten,
plötzlich abbrechen, um fast nur noch die Beziehungen
nach dem Unterrhein und nach Schwaben bestehen zu
lassen Der Schwabe Ulrich von Ensingen führt Erwins
Bau weiter, und nicht viel später setzt der Kölner
Johann Hültz dem ragenden Münsterturm die mystische
Spitze auf.
Wenigstens ein Zug von Mystik scheint im elsässi-
schen Blute zu stecken. Zur Zeit der großen Revolution
noch vereinigt jener Pfarrer Oberlin, den uns Lienhards
Feder so packend geschildert hat, hohe praktische Tüch-
tigkeit mit der Mystik Swedenborgs. Gut hundert Jahre
vorher läßt ein unbekannter Dichter im Oberland in
Nachahmung des rheinischen Dichters der Trutznachti-
gall», des mystisch gerichteten Friedrich von Spee, sein
Gemüt in sinnigen Versen ausströmen — Chrislophorus^"
• hat sie 185:^ in der «Alsatia» veröffentlicht — . In charak-
teristischen Strophen voll feiner Naturbeobachtung fordert
— 33 -
er alle Vögel, groß und klein, auf, das Lob Gottes zu
singen. Ihnen allen voran steht der Adler; denn, so
redet der Dichter ihn an :
Kein Vogel ist dir gleich;
Drum dich im Wappen führet
Das heilig römisch Reich.
Mit dieser Strophe des elsässischen Dichters stehen
wir wieder dort, von wo wir ausgegangen sind. Es grüßt
aus dem Elsaß des deutschen Reiches Aar. Ehe wir
scheiden, blicken wir darum noch einmal zu dem er-
habenen Herrscher, in dem des deutschen Reiches Gewalt
die persönliche Spitze hat.
Gott schütze, Gott erhalte, Gott segne den Kaiser!
ANMERKUNGEN
' Es sei beispielsweise hingewiesen auf A.W. S tv o b e 1, Vater-
ländische Geschichte des Elsasses, fortg-esetzt von L. H. Engel-
hardt. 2. A. 1851. Bd. III. 453 f. IV. 134-149. Ottokar Lorenz
und Wilh. Sch erer. Geschichte des Elsasses. 3. A. Berlin 1886.
S. 157ff. 2.56fr. Rud. Reuß De scriptoribns rerum Alsaticarum
historicis inde a primordiis ad saeculi XVIII exitiim. Straßburg 1898.
S. 72— S6 ; auf die großzügige Charakteristik im wirtschaftlichen
Zusammenhang bei Gustav Sch moller, Straßburg zur Zeit der
Zunftkämpfe und die Reform seiner Verfassung und Verwaltung im
XV Jahrhundert. .Straßburg ISTö. S. 68—73 und für das rein Lite-
rarische und Biographische besonders auf die eingehende Darstel-
lung bei Charles Schmidt, Histoire litteraire de I'Älsace k la fin
du XV-- et au commencement du XVI« siecle. I-II. Paris 1879 (mit
Bibliographie II, 317—431). Speziell für den Humanismus im El-
saß — außer kürzeren Erwähnungen in den allgemeinen Weiken zur
Geschichte der klassischen Philologie, des Unterrichtswesens und der
Pädagogik von C. Bursian, Paulsen, K. A Schmid (II. 2,
von Hartfelder undG. Schmid), Th. Z i e g 1 e r — : Heinr. Jul.
Kaemmel. Geschichte des deutschen Schulwesens im ('bergans' vom
Mittelalter zur Neuzeit. Leipzig 1882 S. 232-2:;'.». 2;ilt :;(;2-377
and Jos. K nepp er. Das Schul- und Unterrichts wesen im Elsaß
von den Anfängen bis gegen das Jahr 1530. Straßburg 1905. S. 319
-364.
2 Benutzt wurde die Ausgabe von E Düm mler. Foetae latini
aevi Carolini II, 5—91. Die metrisch übersetzten Stellen aus: Dicht-
ungen des Ermoldus Nigellus übersetzt von Tli. Rc inhart Pseu-
donym für Renauil in : .lahrbiich des Vogesen-(Jlubs. II. Straßburg
1886. S. 61— 71 (mit Vorbemerkungen von Ernst Martin, die in
Form einer »literarischen Phantasie» ein feinsinnig empfundenes
literarisches Kulturbild bieten'. — Karl Manitius, Geschichte der
lateinischen Literatur des Mittelalters. I München 1911 (in Iwan von
Müllers Handbuch der klassischen Altertumswissenschaft JX, 2. 1).
S. 552—557. Denkmäler der Baukunst im Elsaß Herausgegeben von
S. Hausmann und E. Polaczek. In geschichtlichem Zusammenhange
dargestellt von E. Polaczek. Straßburg 19 (;. S. 2 ff.
3 Diese lateinische Etymologie des schon vorrömischen, kelti-
schen Argentorate ist natürlich unrichtig, wenn auch der Sinn
— 38 —
< Silberburg». «Schatzburg» richtig getroffen ist. Vgl. Rud. Henning,
Argentorate , in : Jahrbuch [des Vogesen-Clubs] für Geschichte,
Sprache und Literatur Elsaß-Lothringens. XVL 1900. S, 34.3—349.
Ders. Aus den Anfängen Straßburgs, in: Straßburger Festschrift
zur XVI. Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner,
herausgegeben von der philosophischen Fakultät der Kaiser Wil-
helms-Universität. Straßburg 1901. S. 81—90 (insbesondere S. 84 f.).
* Statt des unverständlichen (Pipp. I, l.öTf.):
Hic populis noto Scripturas frangere verbo
Certat . . .
vermutet Traube (Poet. lat. II, 722) c längere.
s Hermann Bloch, Ein karolingischer Bibliothekskatalog aus
Kloster Murbach, in : Straßburger Festschrift usw. 1901. S. 2.57 —
285. Derselbe, Geistesleben im Elsaß zur Karolingerzeit, in ;
Illustrierte Elsässische Rundschau. III. Straßburg 1901. S. lGl-192.
Jos. Knepper, a. a. 0., S. 16—24. — Der Katalog gibt nach
Bloch den Bücherbestand der Murbacher Klosterbibliothek um die
Mitte des 9. Jahrhunderts, nicht gar zu lange nach 840, wieder ;
der Anhang (das breviarium librorum Isghteri abbatis) weist auf
den Abt Isker, der eine gewisse Zeit vor 876 an der Spitze des
Klosters gestanden hat (Festschrift S. 275 f.).
6 Vgl. meine Darstellung der Philosophie der europäischen
Völker des Mittelalters in Hinnebergs Kultur der Gegenwart I,
Abt. V. Berlin und Leipzig 1909. S 313. 321.
H. Bloch in: lUustr. Eis. Rundschau IIL 1901. S. 189ff.
8 Die Unterlagen zu dem folgenden Bilde sind im Prolog zu
Manegolds Opusculum contra Wolfelmum Coloniensem gegeben.
Diese Schrift gegen Wolfhelm nach Muratoris Editio princeps bei
Migne PL. 155, H'^S., die Einleitung und die auf den kirchenpoli-
tischen Streit bezüglichen Schlußkapitel in verbesserter Form von
K. Francke in MG. Libelli de lite imperatorum et pontificum
saeculis XI et XII conseripti. I (Hannover 1.H91), 303 ff. Dort auch
Manegoldi ad Gebehardum über, S. .308 ff., zum erstenmale von
Francke nach der Karlsruher Handschrift herausgegeben.
Für die Manegoldfrage wurden herangezogen : Histoire lite-
raire de la France. IX. p. 280 -290 . Ph. And. Grandidier. (Eu-
vres historiques inedites. II. Colmar 1865. p. 257—285. W. Giese-
bre ch t, Über Magister Manegold von Lautenbach und seine Schrift
gegen den Scholasticus Wenrich, in: Sitzungsberichte der Münchener
Akademie der Wissenschaften 1868. II. S 297-330. P.Ewald,
Chronologie der Schriften Manegolds von Lautenbach, in : Forsch-
ungen zur deutschen Geschichte. XVI. 1876. S. 383—385. W. Wat-
ten b ach, Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter, 6. Aufl.
II. Berlin 1894. S. .52 f. N. Paulus, Etudes nouvelles sur Mane-
golde de Lautenbach, in : Revue catholique d Alsace. Nouv. ser. V.
1886. p. 209—220. 279-289. 337—345. K. Francke. MG. Libelli
de lite I, 300—302. J. A. Endres. Manegold von Lautenbach.
— 39 —
Ein Beitrag zur Philosophiegeschichte des 11. Jahrhunderts, in:
Historisch-politische Blätter für das kathol. Deutschland, Bd. 127.
München 1901. S. 389-401. 48Ü— 495. Derselbe, Manegold von
Lautenbach, <inodernorum magister magistroruni>, in: Historisches
Jahrbuch der Görresgesellschaft. XXV. 1904. S. 1G8— 17«. J. Knep-
p er, a. a. 0., S. 154 -l.'i«. Nach der staatsrechtlichen Seite : F. v on
Bezold, Die Lehre von der Volkssouveränität während des Mittel-
alters, in : Historische Zeitschritt. XXXVI. 1876. S. 313—367 (insbes.
322 f.). 0. Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht. III. 1881.
5? 11, S. 501— G44: Die publizistischen Lehren des Mittelalters ibeide
berücksichtigen den erst unvollständig bekannten Manegold nur ge-
legentlich). C. Mi rb t, Die Stellung Augustins in der Publizistik
des Gregorianischen Kirchenstreits. Leipzig 1888. S. 92 — 94. Ders
Die Publizistik im Zeitalter Gregors VII. Leipzig 1894. S. 26-29.
144 f. 227— 2.3.5. 299 f. 483-488. 546—548. H. Rehm. Geschichte
der Staatsrechtswissenschaft. Freiburg i. Br. 1896. S. 165- 167, und
besonders: Georg Koch , Manegold von Lautenbach und die Lehre
von der Volkssouveränität unter Heinrich IV. (Histor. Studien, ver-
öffentlicht von E. Ebering. XXXIV). Berlin 1902.
3 Das Jahr 1083 ist hier als das wahrscheinlichste angenommen.
Denn das in der Einleitung der Schrift gegen Wolfhelm geschilderte
Begegnis geht der Abfassung des Werkes jedenfalls nicht lange vor-
her. An diesem Werke aber arbeitete er gleichzeitig mit der Schrift
gegen Wenrich. die ihrerseits erst einige Zeit nach der Abfassung
von Wenrichs Schrift, also nach 1081 ^M i r b t , a. a. 0., S. 25)
entstanden sein kann, während anderseits zur Zeit der Abfassung
derselben Gregor VII. (f 25. Mai l(i85) noch lebte.
10 In dem um 11.31 von Gerhoh (damals noch in Regensburg)
verfaßten Dialogus de differentia clerici saecularis et regularis :
nie Manegoldus etiam fuit homo iniportunus, et iam est defunctus.
Unde optamus, ut über ipsius etiam cum eo sit sepultus.
n J. A. End res, Histor. Jahrbuch XXV. 1904. S. 168—176.
In der früheren Arbeit (Hist.-pol. Blätter 127) hatte auch Endres
sich an Giesebrecht angeschlossen, der die Identität von Manegold
von Raitenbuch (jetzt Rottenbuch in Oberbayern), Manegold von
Lautenbach uud Manegold von Marbach erwiesen hatte, aber zwi-
schen dem Magister Manegold, dessen Geburt er um 1030 ansetzte,
und Manegold von Lautenbach, der um lü()0 geboren sei. unter-
scheiden wollte. Natürlich muß Endres jetzt die Geburt des Lauten-
bachers früher ansetzen, etwa um 1045, was auch weit besser als
der Giesebrechtsche Ansatz dazu stimmt, daß wir ihn bald nach
10cS6 als Dekan im oberbayrischen Rottenbuch finden. Dazu machte
man doch nicht so leicht einen noch in den Zwanzigern stehenden
jungen Mann. Manegolds Worte im Liber ad Gebehardum (Lib. de
lite I, 311, 25): presertim cum sim etate immaturus. levis moribus,
ingenio rudis, lingua inpeditus, genere abiectus, sermone rusticus,
ut ne vulgari quidem eloquio sufficiam nedum literis quicquam com-
minisci, von denen Giesebrecht als Basis seines Beweises für Mane-
— 40 —
golds Geburt um 106Ü ausgeht, tragen so offensichtlich den Stempel
phrasenhafter Übertreibung, daß aus ihnen nichts Bestimmtes über
Manegolds damaliges Alter zu folgern ist, ebensowenig wie aus dem
«more scholarium» im Prolog der Schrift gegen Wolfhelm (Migne
PL. 15.Ö. 149 A), was durchaus nicht zu sagen braucht, daß beide
damals selbst noch die Schule besuchende Scholaren waren. Im
Gegenteil: dürfen wir mit W a 1 1 e n b a c h (Deutschlands Geschichts-
quellen " II. 140) und anderen diesen Kölner Wolfhelm mit jenem
Wolflielm identifizieren, der 1065 bis 1091 Abt des Klosters Brau-
weiler war, so ist damit erwiesen, daß dieses «more scholarium>
nicht beide ünterredner zu Schülern machen will, und ist zugleich ein
Hinweis auf ein höheres Alter des Lautenbacher Manegold gewonnen,
als Giesebrecht ihm zuweisen will. Nach einem Vierundzwauzig-
jährigen, wie Giesebrecht annehmen müßte, sehen die beiden Streit-
schriften übrigens auch wahrlich nicht aus.
Vielleicht läßt auch aus dem um 1091 geschriebenen Briefe,
den Ivo von Chartres an den Magister Manegold richtete und der
uns diesen als einen Mann vorführt welcher post multos circuitus
die leichte Last Christi auf sich genommen hat. d. h. der nach vielen
Wanderungen in der Welt in ein Kloster eingetreten ist. wo er
jetzt <lectiones. gibt (epist. 40. Migne PL. 162, 81 BC. 82 A), sich
für die Identität jenes Manegold mit dem von Lantenbach und Mar-
bach noch ein neues Argument (zu ilem schon von anderen Gesagten»
gewinnen. Denn das als Benediktinerkloster gegründete Lautenbach
war im 11. Jahrhundert in ein Chorherrnstift umgewandelt, und
ebenso ist Marbach mit Manegolds Beirat nach der Augustiner-Chor-
herrenregel eingerichtet (vgl. Alois Schulte, Die elsässische Ana-
listik in staufischer Zeit, in : Mitteilungen des Instituts für öster-
reichische Geschichtsforschung. V 1884. S. 513-5;-i8. insbes. S. 526).
Auch das 1074 von Herzog Weif I. gegründete Kloster Rottenbuch
war Augustiner-Chorherrenstift. Das aber ist gerade die Gemein-
schaft, für welche Ivo als Prior des Augustiner-Chorherrenstifts
St. Quentin und auch später einen besonderen Eifer entwickelte.
Natürlich würde an sich nichts die Annahme verbieten, daß auch
ein von dem Lautenbacher verschiedener deutscher Magister Mane-
gold irgendwo zu jener Zeit Augustiner-Chorherr geworden und
dadurch Ivo nahe gebracht sei; aber etwas verwunderlich wäre
eine so weitgehende Duplizität der Ereignisse doch. Gegenüber dem
bestimmten Zeugnis des wohlunterrichteten Anonj'mus Mellicensis,
dessen Wert Endres mit Recht betont, wird sich die Trennung nicht
aufrecht erhalten lassen, falls die entgegenstehenden Gründe zurück-
gewiesen werden können. Und das ist der Fall; denn auch der An-
gabe des Richard von Poitiers — Giesebrechts Gewährsmann — . der
die Blüte des in Frankreich wirkenden deutschen Magister Mane-
gold schon unter Henri I. (1030—1060) beginnen — aber aach
nur beginnen! — läßt, steht die Historia Francorum entgegen,
welche jenen Magister unter Philipp I. 1 1080— 1108) setzt.
Auch Martin Grabmann iDie Geschichte der scholastischen
— 41 —
Methode. IL Freiburg i. Br. 1911. S. 11) identifiziert den Magister
und den Lautenbacher. Dagegen ist der von Grabmann II, 114 er-
wähnte Manegold, an den Wibald von Stablo 1149 über alberne
Sophismen des Gualo schreibt — P. Mandonnet (Siger de Bra-
bant et Faverroisme au XIII" siecle I ed. 2. Louvain 1911. p. 122)
hat diesen Gualo mit dem aus Johann von Salisbury bekannten
Cornificius zu identifizieren versucht — . natürlich von dem Lauten-
bacher verschieden, der 1112 bereits tot ist.
12 Der Anonymus Mellicensis De scriptoribus ecclesia-
sticis. Migne PL. 213. 959ff (über Manegold col. 981).
'3 Ein anschauliches Bild von der Tätigkeit dieser Wander-
lehrer gibt die Klietorimachia (mit dem angehängten Briefe an
Drogo' Anselms des Peripatetikers oder Anselms von Besäte, über
den vgl. Barth. Ha u reau, Singularites historiques et litt6raires.
Paris 1861. p. 179—200. Ernst Dümmle r, Anselm der Peripatetiker.
Nebst Beiträgen /,ur Literaturgeschichte Italiens im eilften Jahr-
hundert. Halle 1872 (mit Ausgabe). Harry Breßlau, Zu Anselm
dem Peripatetiker. Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche
Gescliichtskundp. IIL 1878. S. 419 f. — Zu der ganzen Bewegung:
W G i e s c b r e c h t. De litterarum studiis apud Italos primis medii
aevi saeculis. Berlin 184.0. p. l.')-18. Jos. Ant. Endres, Die Dia-
lektiker und ihre Gegner im 11. Jahrhundert. Philos Jahrbuch,
hrsg. von Gutberiet XIX (190(5) S 20 - ;53. Ders. Petrus Damiani
und die weltliche Wissenschaft ^Beitr. zur Gesch. d. Philos. des
Mittelalters hrsg. von Baeumkor VIII. 3). Münster 191U. Reginald
Biron, St. Pierre Damien. Paris 1908 (S. 189ff. über Damianis
Wissenschaft). Mart. G ra b ni an n. Die Geschichte der scholastischen
Methüde I. Freiburg i. Br. 1909. 8. 21(; ff. Auch Carl Mirbt, Die
Publizistik im Zeitalter Gregors VII. S. 117f. 127 f.
" Heinr Denifle, Die Universitäten des Mittelalters bis
1400. Bd. I. Berlin 188.5. S. 23.'). - Nach E. Michael, Geschichte
des deutschen Volkes vom dreizehnten Jahrhundert bis zum Aus-
gang des Mittelalters. Bd. III. Freiburg i Br. 1903. S. 128, 3 hat
Denifle später die Erzählung von den über die heilige Schrift unter-
richtenden Töchtern Manegolds für eine Fabel gehalten. Daß es
sich um einen theologischen Unterricht handelte, wie die Histoire
literaire de la France IX, 281 auf Grund des Wortlautes bei Richard
von Poitiers imultam in scripturis habuere noticiam) annahm, ist
in der Tat höchst unwahrscheinlich. Aber jene Wanderlehrer ver-
treten ja auch die freien Künste, zu denen die Dialektik gehörte.
Fr. von Schulte, Die Geschichte der Quellen und Lite-
ratur des Canonischen Rechts von Gratian bis auf die Gegenwart.
Bd. IL Stuttgart 1877. S. 211. Der 1312 geborenen jüngsten Tochter
Novella zu Ehren benannte Johannes Andrea 'f 1348; sein großes
Werk über die Dekretalen. Die erst später bezeugte Erzählung selbst
stützt sich anscheinend nur auf mündliche Überlieferung.
"> Die Nachweise für die Schrift an Gebhard bei Francke, im
Apparat seiner Ausgabe der Schrift, Lib. de lite I (wozu Ernst
— ¥1 —
Düniniler. Neues Archiv der Gcs für ältere deutsche Geschichts-
kunde. XXIII. 1898. S. 7«9f.). - Die Schrift gegen Wolfhelm stützt
sich ganz auf llakrobius. So bietet, um nur weniges herauszugreifen,
c. 6 (PL. 1.').'), l.w C -D) ein langes wörtliches Zitat aus Makrobius
in somn. Scip. I 14, 6—7 (p. 528, 20 -2^ Eyssenhardt), das zugleich
erlaubt, mehrere offenbare Fehler — sei es der Mailänder Hand-
schrift von Jlanegolds Schrift gegen Wolfhelm, sei es der Ausgabe
von Muratori und von Mignes Nachdruck — zu verbessern. Die
Kenntnis über die platonische Bezeichnung des Leibes als carcer
und sepulcrum c. i'l, p. 170 C stammt aus Makrobius I, 11.3, und
ebenso die Einteilung der Tugenden c 22, p, 170 B aus Makrobius
I. 8. .j, wo von Plotins Unterscheidung der Tugenden in politicae.
purgatoriae. animi iam purgati und exempiares berichtet wird (vgl.
Plotin Enn. I 2 und noch mehr Porphyr. Sent. ad intelligib.
ducentes. § :j4'. Anderes bei Endres. Hist.-pol. Blätter 127 U9"l)i
S. 39S-401.
Lib. de lite I. 31;!, 10: In quo denique non Aristotelicorum
sophismatum acumen non Tuliiane eloquencie prestolamur disertitu-
dinem.
'8 J. A. Endres, Die Dialektiker und ihre Gegner im 11.
Jahrhundert. Philos. Jahrb. XIX (190Ü). S. 20—33.
1-' Die Nachweise für die Schrift an Gebhard bei Giesebrecht,
Sitzungsber. d. Münchener Ak. d. W. Ibti«. II. S. 32ii-33(): Mii bt,
a. a. Ü., S. 97 , für die Schrift gegen Wolfhelm bei E n d r e s,
Histor.-poiit. Blätter, Bd. 127 (1901). S. 4^9 L (Entlehnungen aus
Damiani, De divina omnipotentia).
Koch, a. a 0. S. 62 ff lOß— 130 sucht in Gebhards ver-
lorener «hystoria», einer an Dokumenten reichen Geschichte des
Investiturstreits, eine Hauptquello für Manegold nachzuweisen.
■-f Vgl. z B. von Bezold. Hist. Zeitschr. 1876. S. 322 f. Mirbt.
Die Stellung Augustins in der Publizistik dos Gregor. Kirchenstreits.
S. 92. R e h ni, a. a. 0., S 16(1 und besonders Koch. a. a. ()., S.
8.T-99. 131 -läi;.
-'^ Ad Gebeh. c. 47 : At vero si quando pactum quo eligitur
infringit . . . iuste rationis consideratione populum subiectionis de-
bito absolvit, quippe cum fidem ipse prius desererif, que alteru-
trum alteri fidelitate colligavit.
N. Paulus in: Revue catholique d'Alsace. Nouv. ser. V.
188(i. p. 343.
-* Für die folgende Schilderung seien aus der reichen Lite-
ratur genannt, weil hier besonders herangezogen : Wilhelm Scherer,
Gesch. d. deutschen Literatur. H.A. Berlin 1910. Ottokar Lorenz
und W. Scherer, Geschichte des Elsasses. 3. A. Berlin 1886. G. D e-
hio, Über den Einfluß der französischen auf die deutsche Kunst
im 13. Jahrhundert, in : Historische Zeitschrift, Bd. 86, N. F. 50
(1901). S. 385—400. E. Polaczek, Das Elsaß und seine Stellung
in der künstlerischen Entwickelung. Straßburg 1905. die Zusammen-
stellungen bei Emil Michael, Geschichte des deutschen Volkes
— 43 -
vom dreizehnten Jahrhundert bis zum Ausgang des Mittelalters.
Bd. IV und V. Freiburg i. Br. 1906-1911, und für das Politische
und das Wirtscliaftiiche : Nitzsch, Die oberrheinische Tiefebene
und das deutsche Reich im Mittelalter. II. in : Preußische Jahr-
bücher. Bd. 3n (1«72), S. -2:59 — 26.'), sowie die Straßburger Rekto-
ratsrede von Gustav Schmoll er, Straßburgs Blüte und die volks-
wirtschaftliche Revolution im XIII. Jahrhundert (Quellen und Forsch-
ungen zur Sprach- und Culturgesch. d. german. Völker VI). Straß -
bürg 1875.
2.i Für die persönlichen Verhältnisse von Bernhard und Thierry
von Chartres und Bernhard Silvester schließe ich mich an A. C I e r-
val, Les ecoles de Chartres au moyen-äge (Memoires de la societe
archeologique d'Eure-et-Loir XI), Oliartres ISHö, an (vgl. meinen
Bericht Archiv f. Gesch d. Pliilos. X. l.s'.tl. S. 279 ff.).
^6 Beispielsweise sei auf zwei Diclitor iiiiii^ewiesen. für die
sorgsame Zusammenstellungen zur Verfügung stehen: Jehan de
Meung, den Fortsetzer des «Roman de la Rose» von Guillaume de
Lorris. und Chaucer. Vgl. E. Langlois, Origines du Eoman de
la Rose. Paris 1891 (Bibl. des Ecoles franc.aises d'Athenes et de
Rome. fasc. .51). p. 95—9(5. 148— ].')() und E Koeppel. Chaucer
und Alauns de Insulis. in: Horrigs Archiv, Bd. 90 (189;!), 8. I49-1.Ö1.
^1 Aus der bezüglichen Literatur sei iiier hingewiesen auf das
vor dem Verlust der Handschrift (1870) verfaßte Werk von Chr.
Mor. Engelhardt, Herrad von Landsperg und ihr Werk: Hor-
tus deiiciarum, Stuttgart 1818 (mit 12 Kupfertafeln in Folio, die
in dem Exemplar der Straßburger üniversitäts- und Laudesbiblio-
thek nach dem Original koloriert sind). Charles Schmidt, Herrade
de Landsberg (2. Ausgabe). Straßburg (1897. Heinr. Reumont,
Die deutschen Glossen im Hortus deiiciarum der Herrad von Lands-
berg. Metz 1900. A. Mo linier. Quchiues mots sur I Hortus de-
iiciarum d'Herrade de Laudsbcrg. in: L'Art. LX 1901. p. 97—112,
und auf das große Tafelwerk von A. Straub und (t. K e 1 1 e i' ,
Herrade de Landsberg. Hortus deiiciarum 1S79— 1S99. Straßburg.
'« Das Material und die Literatur bei W. Watten b ach.
Deutschlands Geschichtsqueileii im Mittelalter '• II, 2<S(; -290. — De
oratione. ieiunio et eleemosyna. die Historia Constantinopolitana
(ohne die Verse) und der Ligurinus (nach Düuige, Heidelberg 1812)
bei Migne, PL. 212, 9.')— 475, wonach hier zitiert ist.
2» Charakteristisch für diese pedantische Sucht zum Ge-
lehrttun ist sogleich der -Anfang der Schrift über Beten, Fasten und
Almosengebeu. Anstatt oratio von Anfang au in dem Sinne zu
nehmen, in welchem es für die Schrift allein in Betracht kommt,
als Gebet, wird zunächst in weitschweifiger Erörteiung eine vier-
fache Bedeutung von oratio unterschieden . die grammatische (Satz),
logische (Urteil), rhetorische (Rede) und ikatholischo (Gebet), wo-
bei uns sogar eine Erörterung über das Verhältnis vom Satz und
Urteil mit besonderer Anwendung auf die Impersonalsätze nicht er-
spart wird (De orat, ieiun. et eleem. I. 1; PL. 212, lO.'Jff.J.
Ebd. III, 5 ; PL. -212. 129ff.
^' Jos. Schniidlin. Die Philosophie Ottos von Freising, in:
Philos. Jahrbuch, hrsg-. von Gutberiet. XVIII. 1905. S. I.n6-175.
312— ;323. 407—423. D e r s. Die g-eschichtsphilosophische und kir-
chenpoiitische Weltanschauung Ottos von Freising (Studien und
Darstelluni;en aus dem Gebiete der Geschichte, hrsg. von H. Grauert,
IV. 2-3). Freiburg i. Br. 190Ö.
Parisius quae est civitas philosophorum. Albertus Ma-
gnus. De natura locorum III, c. 2, T. IX. p. 571 a ed. Borgnet
33 Eine Übersicht über die geistige Entwickelung Straßburgs
im Mittelalter gibt Eugen Müller. Art. «Straßburg» in Wetzer -
Weltes Kirchenlexikon. 2. AuH. Bd. XI. Freihurg i. Br. 1899. Sp.
867-904. insbes. SSO ff.
34 C. Schmidt, Notice sur le couvent et l'eglise des Domi-
nicains de Strasbourg jnsqu'au seizieme siecle (Bulletin de la Societe
pour la conservalion des monumcnts historiques d'Alsace. 2'' ser
Vol. IX, 1874 — 7.5. p. 161—224). p. 170. — Zur Familie der Zorn
selbst gehörte Ulrich nun wohl nicht (dort ist der Vorname Ulrich
auch nicht üblichi. wohl abei- in ihren Verwandtschaftskreis. Ein
Claus Zorn heiratete nämlich im 14. Jahrhundert eine Engelbert
(Engilbert. Engilberhtj; vgl. Straßburger Urkundenbuch III. S. 229,
Xr. 7,0,0. S. 232, Nr. 756. S. oH, Nr. 1053 (in den Jahren 1313 bis
1324). Im Jahre 1343 begegnet uns infolgedessen ein Nicolaus Zorn
dictus Engilbreht niiles Arg. ; Straßburger Urkundenbuch VII. S. 113.
Nr. 380. (Für gütige Xachweisungcn bin ich Herrn Geheimrat Pro-
fessor Dr. Alois Schulte in Bonn und Herrn Privatdozenten Dr. Kiener
in Straßburg verbunden.)
3"' Martin Grabmann. Studien über Ulrich von Straßburg,
in: Zeitschrift für kathol. Theologie. XXIX. Innsbruck 1905. S. 82
-107. 315-330.482-499. Vgl. auch Q u e t i f- E c h a r d , Scrip-
tores Ordinis Praedicatorum. I. Paris 1719. p. S.iGff. Alb. Fabri-
cius. Bibliotheca latina mediae et infimae aetatis, ed. Florent.
1858-59, VI. p. 59t. C. Schmidt in: Bulletin de la Societe pour
la conserv. des monum. histor. d'Alsace, 2<; ser, IX, p. 175— 176.
Heinr. Finke, Ungedruckte Dominikanerbriefe des 13. Jahrhun-
derts. Paderborn 1891. S. 18 — 22. Paulus von Loe in Wetzer-
Weltes Kirchenlexikon. 2. Aufl. XII. 1901. Sp 222 f.
36 Handschriften von Ulrichs \Veik <I)e sumnio bono» nennt
Grabniann elf: Rum. Cod. Vat. lat 1311, s XIV; Paris. Bibl.
nat lat. 15 900/01, s. XV; St. Omer Cod. 120, s. XV; ebdas. Cod.
152. s. XV; Loewen i^durch Dr. Postina nachgewiesen. Durch
Vermittlung von Herrn P. Paulus von Loe in Düsseldorf und Herrn
P. Augustin Daniels in Maria Laach standen mir aus diesem Kodex
Abschriften zur Verfügung); Erlangen, Universitätsbibliothek Cod.
619 u. 819. s. XV (von diesen durch Herrn Professor Dr. Albert
E hrhard in Straßburg als zusammengehörig erkannten Handschrif-
ten hat Herr Professor Dr. Eugen Müller in Straßburg eine Abschrift
anfertigen lassen, zum Zwecke einer seit langem von beiden Herren
— 45 —
ffcplanten Ausgabe) ; Berlin, Königl. Bibliothek Cod. lat. Electoral.
446 theol fol., s. XV; Wien. k. k. Hofbibliotliek Cod. lat. 3924, s. XV;
ebd. Cod 4948, s. XV (Exzerpt) ; Erfurt. Aniplon. Cod. 294 fol. (Ex-
zerpt). Zu diesen elf Handschriften habe ich eine zwölfte in der
Münchener Hof- und Staatsbibliothek aufgefunden. Clm 649(5, s. XV
(geschrieben 14021, die sich deshalb der Beachtung entzogen hatte,
weil auf dem alten Einband das Werk Thomas — es ist wohl
der von Aquino gemeint — zugeschrieben M ar (S. To'e de Suninio
Bono) und denigeniäß auch katalogisiert ist. — Sehr häufig an-
gezogen wird Ulrich von dem in Köln gebildeten Dion^-sius dem
Karthäusci- (■{- 1471).
^' Die Zorn sind aus den Ripelin hervorgegangen.
Das Compcndium theologicae veritatis ist öfters gedruckt,
z. B. als Werk Alberts in dessen Opera, ed. Borgnet. XXXIV (Paris
1895), 1—306 Daß es wirklich Hugo ßipeiin von Straßburg zuzu-
schreiben ist. zeigt Luzian Pfleger, Hugo von Straßburg und
das Compendiuni theologicae veritatis, in: Zeitschrift für kathol.
Theologie XXVIII. Innsbruck 1904. S. 429-440 und M. G r a b -
mann, ebd. XXIX 190.Ö S. H22-330. — Über Hugo vgl. auch Q u e-
tif-Echard. Script. Ord. Praed. I. 470f. ; Fabricius. ed.
Florent. I. 267 f. Gius. Boffito, Dante e Ugo di Strasburgo. in:
Atti della R. Academia delle scienze di Torino. Ciasse di scienze
morale. storiche e filologiche. XXXIX 1903-1904. p. 285-293.
L Pfleger, Dante und Hugo von Straßburg, in. Straßburger
Diözesanblatt. XXIII. Jahrg. N F. VI. 1904. S. 364—366.
■^^ Über ihn Morgott in Wetzer-Weltes Kirchenlexikon. 2. A.
XI, 1689 f. — Eine charakteristische Probe seines Verhältnisses zu
Ägidius von Rom z. B. bei Ba e u m k e r , Witelo Ein Philosoph und
Naturforscher des dreizehnten Jahrhunderts. Münster 190S, S. 301. 4.
''0 H. Denifle, Der Plagiator Nicolaus \on Straßburg, in:
Archiv fiir Literatur- und Kirchengeschichte des Mittelalters lirsg.
von Deniilc und Ehrlc. IV. 1888. S. 312-329 (die Schrift des Niko-
laus De adventu Christi ist zu einem großen Teile aus zwei Schriften
des Johann von Paris mit dem Beinamen Qui dort ausgeschrieben .
— Deutsche Predigten von Nikolaus bei Franz Pfeiffer, Deutsche
Mystiker des vierzehnten Jahrhunderts. Bd. I. Leipzig 1845. 8. 259 —
305, worüber W. P reg er. Gesch. der deutschen Mystik im Mittel-
alter. II Leipzig 18.S1. S. 67—79. Über seine Verteidigung Meister
Eckharts : W. P reger, Meister Eckhart und die Inquisition, in:
Abhandlungen der Münchener Akademie des Wissensch,, histor.
Klasse, Xi. 2. 1869. G. Denifle, Aktenstücke zu Meister Eckharts
Prozeß, in: Zeitschrift fiir deutsches Altertum und deutsche Literatur.
XXIX (N. F. XVII) 1885, S- 259—266. Übrigens wirkt Nikolaus, so
viel wir wissen, nicht in Straßburg, sondern meist in Köln und
Fieiburg. Über ihn vgl. Nikolaus Paulus in Wetzer-Weltes Kii-
chenlexikon. 2. Aufl. IX. 336—338, woselbst 3:-i8f. auch die .Nachrich-
ten über einen jüngeren Nikolaus von Straßburg (1397— 1497) zusam-
mengestellt sind, der in Wien studierte und in Oesterreich wirkte.
- 46 —
^' Johannes de Tambaco, De sensibilibus delicüs caelestis pa-
radisi. Die Schrift enthält drei Teile und wurde laut Subskription
von ihrem Verfasser Papst Clemens VI. im Jahre 1350 gewidmet. Ich
benutzte die in nicht wenigen Handschriften erhaltene Schrift im
Miinchoner Codex Clni 18 422, geschrieben 1454 für das Kloster
Tegernsee. Die Scliiift steht dort fol 80ff.
12 Deutsche Mystiker des vierzehnten Jahrhunderts, hrsg. von
Franz Pfeifer. II. Meister Eckharr. Leipzig 1857. S. 474. 34: Die
meister sprecheut : tüsend seien sitzen in dem himel uf einer nadel-
spitze, bei A. B i V 1 i n g e r , Alemannia, III. Bonn 187.5, wo der Traktat
S. 14—45 iti anderer Form abgedruckt ist, S. 44. 34 — 35. — Daß der
Traktat von Schwester Katrei, der noch bei Lorenz und
Scher er, Geschichte des Elsasses 3. A. S. 82 f. (doch' vgl.
S. 542) bei der Cliarakteristik Meister Eckharts eine nicht geringe
Rolle spielt, nicht von Eckhart herrühre, sondern aus beghardischen
Kreisen stamme, erkannte schon Denifle mit gewohntem Scharf-
sinn; vgl. Hist.-pol. Blätter, Bd. 75 i'1875i S. 904. !i24f. (wo zuerst
das Beghardische hervorgehoben wird, ohne daß an Eckharts Verfasser-
schaft noch Zweifel erhoben würde); Taulers Bekehrung kritisch
untersucht. 1879. S. 132, 2 ; Die deutschen Schriften des sei. Hein-
rich Sense I. München 1880 S. VIII und .5t;4. 4 : Archiv f. Lit.- u.
Kirchengesch, des Mittelalters, hrsg. von Denifie und Ehrle, II,
1886, S. 624, 2. Durch Ph. Strauch, auf den schon Denitie an
der zuletzt angegebenen Stelle hinwies, angeregt hat Otto Simon
(Überlieferung und Handsehriftenverhältnis des Traktates «Schwester
Katrei». Halle 1906) die verwickelte handschriftliche Überlieferung
des vielbenutzten seltsamen Traktates untersucht und denselben als
ein aus allerhand Stücken zusammengesetztes Konglomerat erwiesen,
das. wie Otto B e h a g h e 1 (Zur Kritik von Meister Eckhart. Bei-
träge zur Gesch. d. deutschen Sprache und Literatur, hrsg. von Braune.
XXXIV. 1908. S. 530 -552) zeigt, auch formell von den echten Eckehart-
werken durchaus abweicht. So wird denn, wie Adolf Spamer in seiner
grundlegenden Arbeit: Zur Überlieferung der Pfeifferschen Eckehart-
texte (Braunes Beiträge XXXIV, 307 —420 sagt, dem Meister Eckhart
es heute wohl niemand mehr zuschreiben wollen (a. a. 0., S. 377).
Jlagistri Johannis de Tambaco Consolatorium theologicum(ich
benutzte den Druck : Basileae per magistrum Johannen! de Amerbach,
1492i. — Die Schrift des Münchs enthält bittere Klagen über die Ver-
weltlichung der Weltgeistlichkeit, der Bischöfe und Prälaten, denen
Habsucht und Liebe zu weltlichen Händeln vorgeworfen wird. Lib. V,
c. 5: Taceo de guerris episcoporum, ex quibus saepius sauciantur
conscientiae eorum. Accipiunt a regibus seu imperatoribus regalia,
quasi haec in guerris excusarentur a culpa. Sed profecto reges et
imperatores potius deberent ab episcopis accipere cilicia et cetera poe-
nitentiae arnia. Auch daß die Exkommunikation manchmal ungerecht-
fertigter Weise verhängt werde, wird gerügt; von dieser ungerechten
Exkommunikation heißt es : eam patienter ferens caelestem coronam
secundnni Augustinnm jnereberis XI. 9V
— 47 —
** De remediis utriusque fortunae, ein l^GG vollendetes Alters-
weik Petrarkas (Johann von Dambach starb 3. Januar 1H72 zu
Freiburgj, zu dessen Würdigung vgl. Gustav Koerting, Ge-
schichte der Literatur Italiens im Zeitalter der Renaissance, I.
Leipzig 1K78. S. 542 — 564. Adolf G a s pa r y , Geschichte der Italieni-
schen Literatur, I. Berlin ]mi>. S. 439-441,
WennH. B 1 och , lUustr, elsäss, Rundschau, III (1901), S. 161 f.
meint: «Erst zu der Entfaltung der Laienfrömmigkeit in der Mystik
des 14 Jahrhunderts mag das Elsaß neue ihm eigene Züge hinzn-
getragen haben ; aber wahrhaft befruchtet worden ist von ihm aus
eine geistige Bewegung erst im Zeitalter des Humanismus und der
Reformation», so erklärt sich dieses völlige Hinwegsehen über die
eigenartigen Leistungen des Elsaß auf dem Gebiete der scholastischen
Spekulation daraus, daß dieselbe größtenteils in den Handschriften
vergraben liegt.
'•'^ Jedenfalls ist Ulrich nicht in Straß bürg Alberts Schüler
gewesen, wo Albert in den dreißiger Jahren war.
Bei H. Finke, Ungedruckte Dominikanerbriefe, beziehen
sich die Briefe Nr. 4.S-81 (S. 78-104) auf Ulrich.
<8 Als Ulrich auf dem Provinzialkapitel zu Basel 1272 mit
dieser Würde trotz seines Widerstrebens bekleidet wird, bittet er
seinen ehemaligen Lehrer, ihm «Wagen und Wagenlenker zugleich»
zu sein (Finke, S. 80, Nr. 47). Zu ihm blickt er «wie der Sohn zum
Vater, der Schüler zum Lehrer, der Diener zum Herrn, der Arme
zum Spender reicher Gabe» auf ebd. S. 82, Nr. 50). — Sein Amt
als Provinzial hat Ulrich, wie die noch erhaltenen Briefe zeigen,
mit unermüdlichem Eifer ausgeübt. Den «man von großer tugenden
und hoher knnsL» nennt ein von A. Jundt, Histoire du pantheisme
popnlairc au moyen-äge et au seizieme siecle (Paris 1875) abge-
drucktes Verzeichnis der deutschen Ordensprovinziale ihn (S. 287'.
Aber es verlangt ihn doch zurück nach der Wissenschaft, zu-
mal auch Kränklichkeii ihn drückt. Auf dringendste Bitten seines
Amtes entbunden, geht er 1277 nach Paris, um dort den theologischen
Magistergrad zu erwerben, wie das auch sonst in jener Zeit bei
gelehrten Brüdern, die Provinzial der deutschen oder der sächsischen
Provinz ge\\esen, im Dominikanerorden der Brauch (Denifle-
Chatelain, Chartularium Universitatis Parisiensis. IL Paris 1891.
Nr. 682, p. 143 und Nr. 69(J, p. 148; vgl Krebs, Meister Dietrich,
S. 10.) Dort ist er zum Baccalar der Theologie promoviert. Doch
noch vor Erreichung seines Zieles starb er. Auch sein großes Werk
De sumnio bono hinterließ er als Torso, wenngleich von den ge-
planten acht Büchern nur zwei fehlen. Es blieb unvollendet, wie die
Snmma des Begründers der älteren Franziskanerschule, Alexander
von Haies, wie die theologische Summe des Aquinaten und wie so
mancher Dom, an dem das Mittelalter baute.
49 Finke. Nr. 59. S. 87 ff.
5 " Ich verweise dafür auf meine Darlegungen : Witelo,
S. 599 ff. 606 ff. 639 f. Kultur der Gegenwart I, Abt. V, S. 360.
— 48 —
öl Meister Dietrich freilich stammt iiiciit von Freibiirg im
Breisgau, sondern von Freiberg- in Sachsen Krebs. S. 20—26.
Darüber u. a. der grundlegende Aufsatz von Fr. E hr 1 e, John
Peckhani über den Kampf des Augustinismus und Aristotelisnius in
der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, in: Zeitschr. für kathol.
Theologie, XIII. Innsbruck 1889. S. 172—193. Ders. Der Augustinis-
mus und der Aristotelismus in der Scholastik gegen Ende des 13.
Jahrhunderts, in: Archiv für Literatur- u. Kirchengesch. d. Mittel-
alters. V, 1«89, S. 603—635, und die ebenso gründlichen v^'ie ergeb-
nisreichen Darlegungen Pierre Mandonnets, Siger de Brabant
et l'averroisme latin au XIII^' siecle. I™ partie. 2" ed. Louvain 1911
(wo ich aber wegen 127, 4 und 180, 6 auf meine Antwort, Philos.
Jahrb., hrsg. von Gatberlet, XXIV. 1911, S. 177-202. 369—381.
517 — 519 verweise). Ferner die lebensvolle und anschauliche Schil-
derung bei G. von Hertling, Wissenschaftliche Richtungen und
philosophische Probleme im dreizehnten Jahrhundert. München 1910,
sowie meine Darlegungen, Kultur der Gegenwart 1, Abt. V, S. 327 ff.
Von dem neuen Aristotelismus, wie ihn Thomas von Aquino
vertrat, ist Hugos Werk noch ganz unberührt. Fehlt doch — wie
bei Albert, wo er als Theologe redet (vgl Artur Schneider, Die
Psychologie Aiberts des Großen. Beitr. zur Gesch. d. Phil d. Mittel-
alters IV, 5-6, Münster 1903-1906. S. 3'38ff.) — II, c. 29 unter
den vielen Definitionen der Seele gerade die des Aristoteles von der
Seele als Entelechie des Körpers (II, c. 30, im Borgnetschen Albert.
Bd XXXIV. S. 61 b, ist sie nur ganz nebenbei auf Grund der älteren
scholastischen Tradition erwähnt). Eher ist bei Hugo der schon
früh einsetzende Einfluß Avicennas zu verspüren, besonders in der
Lehre von den Seelenvermögen.
Da aus Ulrichs Werk bisher noch nichts Zusammenhängen-
des veröffentlicht wurde, sei hier zum erstenmale ein charakteri-
stisches größeres Stück auf Grund des Münchener Codex Clm 6496
und der Löwener Handschrift mitgeteilt.
Lib. I c. 7. De naturali dispositione intellectus ad cognoscen-
duni Deum.
Quintus modus cognitiouis est, cum intellectus possibilis sit
formalis ])er conceptionem terniiiiorum, et ex illa formalitate fit
habitus principiorum, qui et intellectus vocatur, et priiicipia co-
gnoscimus cognitione terminornni ; et ex his fit intellectus in effectu
per reductionem eius ex principiis in scienliam ; et ab inteliectu in
effectu fit intellectus adeptus. cum scilicet investigatione omnium
scibilium intellectus possibilis adeptus est suum proprium actum,
ita quod intellectus agens coniunctus est ei totaliter ut forma; et
ex inteliectu adepto fit intellectus sanctus et mundus ab omni ma-
teriaiitate et conditione impuritatis; et ex inteliectu adepto fit intellec-
tus assiniilatus per hoc qund intellectus sanctus in lumine adepti intel-
lectus, Cügnoscens per siniilitudinem lucis intellectus agentis ut per
similitudinem substantias separatus. eis unitur ut intellectus intelli-
gibili, et per hoc lunien illarum substantiarum in ipsum diffunditur
per quod plenius ipsas cognoscit et eis assimilatur ; et ex intellectu
assimilato fit intellectus divinus, seilieet cum in lumine intelligentiae
recipimus lumen divinum, quia per lumeu intelligentiae amplius
cognoscentes divina et cognitione unimur Deo, ab ipso illuminamur,
et in hoc lumine cognoscimus Deum. Nec dicimus hoc de lumine
gratiae gratum facientis, sed de lumine quo Deus illuminat omnem
horainem (Jo. 1,9) et quo Deus illis, id est philosophis, revelavit,
ut dicitur Rom. 1 (v. IS)). De his tarnen plenius dicemus, cum de
intellectus perfectione erit sermo.
Hoc autcm luiiien uiium compositum ex lumine intellectus
agentis et lumine intelligentiae et lumine divino est expressior Dei
similitudo, quam naturaliter in nobis esse potest: et ideo in ipso
non solum cognoscimus (|uia est Deus, sed sicut quiditas rci co.
gnoscitur per speciem suae similitudinis, sie haec cognitio accedit ad
talem cognitionem Dei qiiaiitum ex naturalibus est possibile. Unde
multis quaerentibus : »tjuis ostendit nobis bona?> respondet psal-
mista : «Signatum est super nos lumen vultus tui Domine» (Ps. 4,
6-7).
Ex his patet quod Deus naturali cognitione cognoscitur non
per essentiam suam, sed per naturalem similitudinem. Quae tamen
similitudo non est abstracta ab ipso, quia abstractio nulla potest
fieri a simplicissimo - oportet enim abstractum gsse sinjpiicins — ;
sed potius est illa cansata ab ipso et impressa oirinibus creaturis
diversimode, et specialiter nostro intellectui est inserta, qui est eins
imago et similitudo. Nec tamen haec similitudo specialiter requi-
ritur ex parte obiecti quod Deus est. sicut in materialibus rebus —
quae propter individuationem in materia de se sunt inintelligibilia,
intellectus vero abstrahens ea facit ea universalia et per lioc intelligi-
biiia — , quia Deus in sua natura est pura, simplicissima et univer-
salissima lux intelligibilis, quae per se coguoscibilis est ; sed requiritur
similitudo ex defectu nostri intellectus, quia cum ad manifestissima
naturae, quae sunt tamen emanationes primae illius lucis, se
habet ut oculus noctuae ad lucem solis (Arist. Metaph, II 1, 993
b 9—10), multo fortius sie se habebit ad ipsam puram et summam
lucem, quod ipsam in se intueri non potest. sed tantum obumbra-
tam in sui participatione, quia requiritur proportio potentiae ad
obiectum. Quamvis auteni lumen gratiae superveniens lumini na-
turae perficiat intellectum nostrum ampliori Dei cognitione quam
posset esse sola naturali cognitione, sicut gratia perficit naturam,
tarnen ad ipsam naturalem cognitionem non requiritur gratia super-
addita naturalibus, quia intellectus per se sufficit cognoscere illud,
cuius in se habet similitudinem vel per sensura accipere potest.
Utrumque enim herum habet in se noster intellectus respectu obiecti
quod est Deus, quia etiam habet eins similitudinem sibi naturaliter
insertam, quae est lux intellectus agentis, et per sensum a rebus
corporalibus huius mundi abstraKit eins similitudinem. Nec sensus
tamen primo accipiens haue similitudinem potest in ea Deum co-
gnoscere, quia accipit speciem corporalem secundum illud quod est,
4
— 50 —
et non in quantum Dei similitudo est, quia hoc esset auferre quod
proprium est rationis, et hoc esset a forma naturali (materiali ?)
abstrahere lumen intelligibile, quod solius intellectus est.
Et ex hoc patet differentia huius cognitionis ad cognitionem
huius fidei quae est gratiae, scilicet quia fidei cognitio est super-
naturalis et a Deo infunditur ; et maior est cognitione naturali
quantitate extensiva, quia plura de Deo cognoscit, et quantitate
intensiva, quia divina limpidius videntur in luce divina quam in
luce humana.
Für Ulrichs Stil und Gedankenweise sagt diese Probe alles,
letzteres freilich nur dem, welchem die arabistische Nuslehre, ins-
besondere die Avicennas. geläufig ist, an den sich Ulrich hier an-
schlielk, wie A Ib e r t u s M a g n u s, De iiitellectu et intelllgibili II
c. 3 ff. (T. IX, p. 306 ff. ed. Borgnet); vgl. auch A. Schneider,
Die Psychologie Alberts des Großen S. 334 ff.
*ä Engelb. Krebs, Meister Dietrich (Theodoricus Teutonicus
de Vriberg . Sein Leben, seine Werke, seine Wissenschaft (Beitr z.
Gesch. d. Philos. d. Mittelalters, hrsg. von Baeumker u. von Bertling,
V, .'j-6). Münster 190«.
Meister Dietrich wurde auf dem 1293 zu Straßburg als
General- und Provinzialkapitel abgehaltenen Tage zum Provinzial
von Deutschland gewählt. Krebs, S. 5.
*6 Jos. Lappe, Nicolaus von Autrecourt. Sein Leben, seine
Philosophie, seine Schriften (Beitr. zur Gesch. d. Phil. d. Mittel-
alters VI, 2). Münster 1908. — Zur Zeit des Nikolaus waren zwar
Ulrich und Eckhart tot; aber ihr Geist lebte im Elsaß in der My-
stik fort.
67 Das Hauptwerk, das aber in sehr vielem durch die Einzel-
forschung überholt ist: |Wilh. Prege r, Geschichte der deutschen My-
stik im Mittelalter. I— IIL Leipzig 1S74— 1893. Vgl. auch J. B.
Dalgairns, The German Mystics of the fourteenth Century. Lon-
don 18.58, und H. Delacroix, Essai sur le mysticisme speculatif
en Allemagne au quatorzieme siecle. Paris 1900, sowie Lorenz
und Sc her er, Geschichte des Elsasses. 3. A. S. 75—87. — Da im
Texte selbst Zeit und Ort jede Begründung und jede Polemik auf
diesem so umstrittenen Gebiete, auf dem die letzten Jahrzehnte so
viel neues Material und so viele neue Probleme gebracht haben,
verboten, so mußte im folgenden wenigstens in den Anmerkungen
auf die spezielle Literatur eingehender Rücksicht genommen werden.
»8 Eine Abbildung des Grabsteins bei Carl Schmidt, Jo-
hannes Tauler von Straßburg. Hamburg 1841, — Die Tauler-Lite-
ratur, welche für die vorliegende Skizze positiv oder negativ be-
rücksichtigt wurde, ist meist unten Anm. 78 und 79 bei der Gottes-
freundfrage und bei Rulman Merswin aufgezählt. Außerdem Preger
in der Allgem. deutschen Biographie. XXXVII- München 1894.
S. 458—465 und Gesch. d. deutschen Mystik, III, S. 3—241, sowie
H. Denifle in der wertvollen Einleitung zu: Das Buch von geist-
— 51 -
lieber Armuth, bisher bekannt als Johann Taulers Nachfolgung des
armen Lebens Christi München 1877. Ferd. Gohrs, Realencykl.
f. Protest. Theol. u. Kirche. 3. Aufl. XIX. 1907. S. 451-459. — Die
in den Literaturaufzählungen (z. B. bei Gohrs. S. 451 1 Ob erlin
beigelegte Schrift : De Johannis Tauleri Ord. Praed. Dictione Ver-
nacula et Mystica — sie enthält u. a. eine Konkordanz der Predigten
nach den drei Handschriften in Straßburg und den Ausgaben Leipzig
1498 und Basel 1581 sowie ein mhd. Vokabular — trägt, worauf schon
Max Pahncke, Kleine Beiträge zur Eckhartphilologie (Progr.
Neuhadersleben 1909) S. 5 aufmerksam machte, auf dem Titel den
Vermerk: «De Johannis . . . Mystica Praeside Jacobo Oberlino dispu-
tabit A uc 1 0 r Johannes Jacobus Beck Argentoratensis die 16. Hart.
1786>, ist also nicht von Uberlin, sondern von J. J. Beck verfaßt.
=9 Vgl. Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland eine
Erfindung des slraßburger Johanniterbruders Nikolaus von Löwen.
Innsbruck 1905, S. 254* (Kageneck), ^BS* (Zorn).
6" Die Verantwortung für den «Hungertod aus Gottesliebe und
Frömmigkeit» muß ich freilich den Lokalhistorikern und der in drei
Sprachen gedruckte« Erklärung überlassen, die in der Thomaskirche
neben dem Denkmal sich befindet. In der Umschrift auf dem Stein
heißt es nur :
Das ist mir bliben, das ich hab geben,
Was ich hab behalten, hat mich begeben.
0 Gott, gib uns allen das ewig leben.
1410.
Das Denkmal befand sich vor den siebziger Jahren des vorigen
Jahrhunderts an der Mauer des Gartens des jetzt abgebrochenen
Pfarrhauses und wurde nach Friedr. Garl Heitz, Die St. Thomas-
Kirche in Straßburg. Straßburg 1841. S. 94 «von Nicolaus Röderer,
Bürger von Straßburg, befohlen ihm nach seinem Tode neben den
durch ihn gestifteten Ölberg zu setzen, an welchem Platz er auch
begraben sein wollte».
81 Catharinae de Geweswiler de vitis primarum sororum mo-
nasterii sui über, in: Bern. Pez, Bibliotheca aseetica antiquo-nova.
Vm. Regensburg 1725. S. 35-399. Vgl. C. Greith, Die deutsche
Mystik im Predigerorden (von 1250—1350) nach ihren Grundlehren,
Liedern und Lebensbildern aus handschriftlichen Quellen. Freiburg
i. Br. 1861. S. 291—293. W. Preger, Geschichte der deutscheu
Mystik im Mittelalter. IL München 1881. S. 264 f. — Wie viel in
jenen Klosterlegenden bei Katharina von Gebweiler, die natürlich
nach dem Maße ihrer Zeit gemessen und gewertet sein wollen,
gemeinsames Wandergut ist, zeigen die reichhaltigen Belege bei
Engelbert Krebs, Die Mystik in Adelshausen, in der cFestgabe
für Heinrich Finke», Münster 1904, S. 41—105 (woselbst S. 104, 3
auch der Nachweis einer wörtlichen Entlehnung in Katharinas
Vorrede aus Dietrich von Apolda, Vita Dominici). Für die Ge-
schichte des 1232 gegründeten Dominikanerinnenklosters Unter-
linden bei (jet/.t in) Colmar, deren Kirchenchor 12G9 von Albertus
Magnus eingeweiht wird, vgl. A. M. P. Ingold, Le iiionastere des
Unterlinden de Colmar au treizieme siecle. 1'« partie : Fondation,
Regestes. Straßburg und Paris 1896. — Ein Gegenstück aus dem
Laienstand bildet das deutsch geschriebene Leben der Schererin,
einer 1409 gestorbenen Handwerkersfrau, im Ms. der Kgl. Eibl, zu
Berlin, Ms. germ. quarto 191, das Bihlmeyer iSeuse 19*) in Straß-
burg lokalisiert (doch erhebt A. Spam er in Braunes Beitr.
XXXIV, 380 Einwendungen).
6- Leben Seuses, Kap. 40 (Heinrich Seuse, Deutsche Schriften,
hrsg. von Karl Bihlmeyer. Stuttgart 1907. S. I(i8, 9—11): Ein
gelassener mensch mftss entbildet werden von der creatur, gebildet
werden mit Cristo, und überbildet in der gotheit (der Dativ nicht
ohne Absicht). So will auch Tau 1er in der Predigt auf den L
bonntag nach Ostern (Ausgabe Frankfurt 1826, Bd. II. S. 42) lehren;
«Wie wir durch unser selbst und aller Dinge Verlassung durch drei
Staffeln aufsteigen sollen zu wahrem Frieden und ßeinigkeit unsers
Herzens.^ Diese drei Staffeln sind die drei Wege der Reinigung.
Erleuchtung und Einigung, die in den Grundgedanken wenn nicht
schon auf Plato. so doch auf Philo, Plotiu und Proklus zurück-
gehen und besonders bei Dionysius dem Pseudoareopagiten ausge-
bildet sind, dessen ganzes System sie beherrschen (Hugo Koch.
Pseudo Dionysius Areopagita in seinen Beziehungen zum Neuplato-
nismus und Mysterienwesen. Mainz 1900. S. 174 — 178) und die man
auch bei Augustin glaubte nachweisen zu können; vgl. Engelbert
Krebs, .Meister Dietrich (Theodoricus Teutonicus de Vriberg).
Münster 1906. S. 127-134.
i'lier die besondere Bedeutung von Richard von St. Viktor
und Thomas Gallus, Abt von Vercelli (der «abbas Vercellensis" bei
Nikolaus von Kuesi für die Ausbildung der mittelalterlichen Mystik
vgl. Heinr. Denifl e in : Historisch-politische Blätter, Bd. 75 (1875).
S." 784-787.
Daß Albert in seiner mystischen Schrift De adhaerendo Deo
(in der neuen Ausgabe der Werke Alberts von Borgnct Bd. XXXVII.
Paris 1898 S. 323—342) von David von Augsburg abhängig ist
ic 3 ist aus c. 36 von Davids De septem processibus entnommen),
weist Denif le , a. a 0., S. 788 nach.
6^ So Auguste Jundt, Essai sur le raysticisme speculatif de
maitre Eckhart. Straßburg 1871. S. 39—45. Ders. Histoire du pan-
theisme populaire au moyen-äge et au seizieme siecle. Paris 1875.
S. 57—69 Anni. Schon Franz Pfeiffer, Deutsche Mystiker. Bd. II,
S. XIII nannte Straßburg «Eckharts Heimats- und Geburtsort».
86 Heinr. Denifle, Die Heimat Meister Eckeharts, in: Ar-
chiv für Literatur- und Kirchengeschichte des Mittelalters, hrsg.
von Denifle und Ehrle, V, 1889, S. 349-364 weist Hochheim bei
Gotha als Eckharts Heimat nach. Vgl. auch Ant. P u m m e r e r ,
Der gegenwärtige Stand der Eckhartforschung. I. Jleister Eckharts
Lebensgang. Progr. Feldkirch 1903.
— 5.1 —
67 Straßburger Urkuntlenbiich. III, S. 236, Nr. 768 (1314 April
13): presentibus testibus . . . fratribus magistro Eckehardo profes-
sore sacre theologie . . . predicti orditiis predicatoruni.
68 Karl B i h 1 ni eye V in seiner Ausgabe Seuses (Stuttgart 1907)
S. 66* ff.
69 Aus diesen lateinisciien Schriften Eckharts iiat Denifle,
Meister Eckeharts lateinische Schriften und die Grundanschauungen
seiner Lehre, in: Archiv f. Lit.- u. Kirchengeschichte des Slittelalters,
II. 1886, S. 417 — 6r)-2. 673—687 größere Stücke des Opns tripartitum
mitgeteilt. Adolf S p a m e r in seinem schönen Buch : Texte aus der
deutschen Mystik des 14. und lö. .Jahrhunderts. Jena 1912 teilt
mehrere Stücke aus dem Opus sermonum mit. Ich selbst habe die
Kueser Eckeharthandschrift kennen gelernt, sowie das von Hermann
Büttner, (Meister Eckeharts Schriften und Predigten. Aus dem
Mittelhochdeutschen übersetzt und herausgegeben, II. Jena 1909.
5. Vlllf., 219. 221. 224) erwähnte Manuskript von Eckharts Ver-
teidigungsschrift aus dem Jahre 1326, das schon vor längerer Zeit
von dem damaligen Archivdirektor Dr. Ludwig Keller aufgefunden
wurde — weiteres teile auch ich über dieses Manuskript nicht
mit, um in keine Prioritätsrechte einzugreifen — und das für
die Echtheitsfragen tatsächlich noch viel wichtiger ist als die
von E. Vansteenberghe, Le «De ignota litteratura»
de Jean Wenck de Herrenberg contre Nicolas de Cuse (Beiträge
zur Gesch. d. Philos. d. Mittelalters, hrsg. von Baeumker, VIII,
6. Münster 1910) nach der Mainzer Handschrift veröffentlichte Schrift
des 1443 in Maulbronn gestorbenen Zisterziensers Johann Wenck
gegen den Eckhart nahestehenden Nikolaus von Kues, auf deren
Bedeutung für die Eckhartfrage schon vorher Ad. Spamer, der
sie aus der trierer Handschrift kannte iBeitr. zur Gesch. der deutschen
Sprache u. Literatur hrsg. von Braune. XXXIV. 1908. S. 374—376)
und Ph. Strauch (Meister Eckharts Buch der göttlichen Tröstung
und von dem edlen Menschen. Bonn 1910. S. 3) hingewiesen hatten.
Ich kann nach allem, was mir selbst aus diesen Handschriften be-
kannt geworden ist, im Avesentlichen der Auffassung Denifles nur
beitreten, freilich mit dem Zusatz, den ich schon vor zwanzig
Jahren gemacht habe (Archiv für Gesch. der Philos.. V, 1892, S. 135):
«Übrigens wird man — was auch Denifle selbst wohl nicht ernst-
lich in Frage stellen wird — auch nach dieser Entdeckung daran
festhalten müssen, daß die eigentliche historische Bedeutung
Eckharts, die Seite seines Wirkens, welche ihn als einen wichtigen
Faktor in einer allgemeinen Zeitbewegung erscheinen läßt,
nicht in seineu weniggelesenen lateinischen Schriften, sondern in seinen
deutschen Traktaten und Sermonen zu suchen ist. Aber für das
Verständnis ist uns in den neu entdeckten lateinischen Schriften
Eckharts und in dem Vergleiche mit der gleichzeitigen lateinischen
Scholastik der sichere Schlüssel geboten». — Möchten P. Augustin
Daniels und Dr. Spamer, die beiden gründlichen Kenner Eckharts. uns
bald das gesamte Material vorlegen und allgemein zugänglich machen!
— 5i —
'0 Die Quelle enes Neuplatonismus ist — außer den vereinzelten
Elementen, die auf dem Umwege über die Araber, insbesondere
Avicenna, zuflössen — vornehmlich Pseudo-Dionysius Areopagita und
Proklus. Aus des letzteren otor/suoa'.Q &soXoif!xyj war der unter des
Aristoteles Namen gehende Liber de causis von einem christlichen
Araber kompiliert (,0. Barden he wer. Die pseudo-aristotelische
Schrift Über das reine Gute, bekannt unter dem Namen Liber de
causis Freiburg i. Br. 1882). Diese ozor/doiO'.- Ö-srAc/Yi/.-/; selbst
hatte Eckharts und Taulers Ordensgenosse Wilhelm von Sloerbeke
12B8 zu Viterbo ins Lateinische übertragen und hatte ihr als Bischof
von Korinth 1280 die Ubersetzung von drei weiteren Werken des
Proklus, insbesondere der so wichtigen Schrift De malorum sub-
sistentia, folgten lassen. Dionysius, Plato, der Liber de causis, Proklus
werden unzähligemale von Eckhart in lateinischen und deutschen
Schriften genannt. Audi bei Tauler ist nicht selten von den «großen
Meistern» Proklus und Plato die Rede, die von dem «lauteren
Grunde» der Seele denen, die es von sich selbst nicht finden konnten,
einen «klaren Unterschied» gaben (Ausgabe Frankfurt 1826. Predigt
119, Bd. II, 71; vgLNr. 69, II, 174; Nr. 93, II, 360 u. ö.). Wie
beliebt diese neuplatonische Literatur in der Mystik war. zeigt recht
deutlich der Umstand, daß sogar in die Predigt ganze Texte daraus
neben Bibelstellen Avörtlich übernommen werden, z. B. in der von
Adolf 8 p a m e r , Texte aus der Mystik des 14. und 15. Jahrhun-
derts (Jena 1912) jüngst herausgegebenen Predigt über Ps. 2, 7 aus
einem der Schule Meister Eckharts angehörigen Predigtzyklus, wo
(S, 68. 3—7) ein wörtliches lateinisches Zitat aus dem Liber de
causis § 1 (p. 163, 3—6, Bardenhewer) zu Grunde g'eiegt wird.
Hier stimme ich dem bei, was B. Nardi, Rivista di Filo-
sofia Neo-scolastica, III, 1911, p. 717, über E. Krebs, Meister Diet-
rich, S. 141 — 145 hinausgehend, bemerkt.
''^ H. Denifle, Uber die Anfänge der Predigtweise der
deutschen Mystiker. Archiv f. Literatur- u. Kirchengesch. d. Mittel-
alters, lirsg. von Denifle u. Ehrle, II, 1886, S. 641—6.52.
"Über die Frauenklöster in Straßburg: Wilh. Kothe,
Kirchliche Zustände Straßburgs im vierzehnten Jahrhundert. Ein
Beitrag zur Stadt- und Kulturgeschichte des Mittelalters. Freiburg
i Br. 1903. S. 45 -52; insbesondere über die dortigen Beginenhäuser:
C. Schmidt, Die Straßburger Beginenhäuser im Mittelalter, in:
Alsatia, Beiträge zur elsässischen Geschichte, Sage, Sitte und Sprache,
hrsg. von August Stöber, 1858—1861, S. 149—248. Für die soziale
Seite des Beginenwesens : Carl Bücher, Die Fraaenfrage im Mittel-
alter. Tübingen 1882. S. 23-32.
^* Über Johann von Sterngassen vgl, Preger, 11, 116—123.
Preger läßt den zu Straßburg wirkenden Dominikaner in Köln ge-
boren sein.
'5 Über Nikolaus von Straßburg und seine mehr praktischen,
von der Spekulation noch weniger berührten deutschen Predigten
s, oben S. 45 Anm. 40.
Verlag von J. H. Ed. Heitz (Heitz & Mündel).
ReiUenslein, Richard, Werden und Wesen der Humani-
tät im Altertum. Rede gehalten am 26. Januar 1907. 1 —
Reye, Theodor, Die synthetische Geometrie im Altertum
und in der Neuzeit. Rede gehalten am 1. Mai 1886.
2. Aufl. — 40
Schwalbe, Gustav, Ueber einige Probleme der physi-
schen Anthropologie. Rede geh. am 1. Mai 1893. — 60
Sraend, Julius, Die politische Predigt Schleiermachers
von 1806 bis 1808. Rede gehalten am 1. Mai 1906. 1 —
— • «Dem Volke muß die Religion erhallen werden.» Rede
gehalten am 27. Januar 1911. 1 20
len Brink, Bernhard, Ueber die Aufgabe der Litera-
turgeschichte. Rede gehalten am 1. Mai 1890. — 60
Thiele, Johannes, Reine und technische Chemie. Rede
gehalten am 27. Januar 1904. 1 —
— Ueber den Verlauf chemischer Reaktionen. Rede ge-
halten am 30. April 1910. 1 20
Varrenlrapp, Conrad, Der Große Kurfiirst und die
Universitäten. Rede geh. am 27. Januar 1894. — 80
Weber, Heinrich, Ueber die Eniwicklung unserer me-
chanischen Naturanschauung im neunzehnten Jahr-
hundert. Rede gehalten am 1. Mai 1900. — 80
Wiegand, Willielm, Das politische Testament Fried-
richs des Großen vom Jahre 1752. Rede gehalten am
27. Januar 1908. 1 20
Windelband, Wilhelm, Geschichte und Naturwissen-
schall. Rede gehalten am 1. Mai 1894. 3. Aufl. — 60
— Festrede, Ansprachen und Erwiderungen beim 25-
jährigen Stiftungsfest der Kaiser Wilhelms-Universität
Straßburg, am 1. Mai 1897. 1 20
Ziegler, Theobald, Thomas Morus und seine Schrift von
der Insel Utopia. Rede geh. am 27. Januar 1889. — 50
— Glauben und Wissen. Rede gehalten am 1. Mai 1899.
2. Aufl. — 80
— Rede bei der Schillerfeier der Kaiser Wilhelms- üniver-
silät Straßburg. Am 9. Mai 1905. — 80
Zoepflel, Richard, Johannes Sturm, der erste Rektor der
Straßburger Akademie. Rede am 30. April 1887, — 40
VERLAG VON J. H. ED. HEITZ (HEITZ & MÜNDEL).
GUSTAV GRÖBER,
WAHRNEHMUNGEN undGEDANKEN
(1875—1910)
M. 1.80, gebd. M. 2.50.
In aphoristischer Form oder in kurzen Erörterungen
teilt hier der bekannte Straßburger Romanist, Professor
Dr. G. Gröber, scharfsinnige Wahrnehmungen aus den letz-
ten 35 Jahren mit («Aus der Zeit»), zu denen ihm die
Zeit und Zeitereignisse, der Wechsel in Grundsätzen des
Handelns, in Bewertungen und Beurteilungen literarischer
und künstlerischer Richtungen und Erscheinungen Anlaß
gaben. Dazu gehören auch die Würdigungen, die der Ver-
fasser dem ihm persönlich bekannt gewesenen Fr. Nietzsche
zuteil werden läßt auf Grund seiner Werke und der von
ihm vertretenen Anschauungen; endlich beleuchtet er auch
mehrfach den Charakter der bekannten Völker. Er be-
trachtet ferner in einem zweiten Teile («Für die Zeit»)
menschliches Denken und Empfinden vom Standpunkt einer
idealistischen Ethik und belehrt über die Herrschaft von
Schein und Selbsttäuschung, über den Mangel an Selbst-
kritik und ihre Nachteile in politischem, kultuiellem und
praktischem Leben. Endlich beleuchtet der dritte Teil
(«Zur Klärung») den Sinn wichtiger philosophischer Be-
griffe und sucht allgemeinverständliche philosophische
Bestimmungen zu treffen, wo noch die Sprache der heu-
tigen Philosophie sich in subjektiver Ausdrucksweise oder
schwerverständlicher Definition gefällt. Die Begriffsbestimm-
ungen sind im allgemeinen sensualistisch ; sie sind ge-
eignet über philosophische Fragen aufzuklären und zum
Nachdenken anzuregen über menschliche Erkenntnis und
ihre Grenzen, über Sprache und Denken, über logische
BegrifTe und psychologische Funktionen u. dgl.
Das Büchlein gibt 350 solcher Wahrnehmungen und
Gedanken in präziser Fassung und wird mit Befriedigung
und Gewinn von denkenden Lesern entgegengenommen
werden.
Zu beziehen durch jede Buchhandlung.
Verlag von J. H. Ed. Heitz (Heitz & Mündel).
Reden
gehalten an der Uuiversitäl Straßburg.
Boeumker, Clemens, Der Anteil des Elsaß an den
geistigen Bewegungen des Millelalters. Rede gehalten
am 27. Januar 1912. 2 —
Baumgar len, Hermann, Zum Gedächtnis Kaiser Fried-
richs. Rede gehalten bei der Gedenkfeier der Kaiser
Wilhelms-Universität am 30. Juni 1888. — 40
Braun, Ferdinand, Ueber physikalische Forschungsart.
Rede gehalten am 27. Januar 1899. — 80
— Ueber drahtlose Telegraphie und neuere physikalische
Forschungen. Rede geh. am 1. Mai 1905. 1 20
Bresslau, Harry, Aufgaben mittelalterlicher Quellen-
forschung. Rede gehalten am 30. April 1904. 1 —
Calker, Fritz van, Politik als Wissenschaft. Rede ge-
halten am 27. Januar 1898. 1 —
Dehio, GeorgGottfried, Denkmalschulzu. Denkmalpflege
im XIX. Jahrb. Rede geh. am 27. Januar 1905. 1 —
Ehrhard, Albert, Das Christentum im römischen Reiche
bis Konstantin, seine äußere Lage und innere Entwick-
lung. Rede gehalten am 1. Mai 1911. 1 20
Fehling, Hermann, Wundinfektion und Wundbe-
handlung im Wandel der Zeiten und Anschauungen.
Rede gehalten am 1. Mai 1908. 1 20
Ficker, Johannes, Allchristliche Denkmäler und An-
fänge des Christentums im Rheingebiet. Rede gehalten
am 27. Januar 1909, 1 20
Fittig, Rudolph, Ziele und Erfolge der wissenschaftlich
chemischen Forschung. Rede geh, am 1. Mai 1895. — 60
Forster, Joseph, Warum und was essen wir? Rede ge-
halten am 27. Januar 1901. 1 —
— Bakteriologie u. Hygiene. Rede am 1. Mai 1903. — 80
Gerland, Georg, Ueber Ziele und Erfolge der Polar-
forschung. Rede gehalten am 27. Januar 1897. — 60
Goelte, Alexander, Ueber Vererbung und Anpassung.
Rede gehalten am 30. April 1898. — 80
Verlag von J. H. Ed. Heitz (Heitz & Mündel).
Goltz, Friedrich, Gedenkfeier des verewigten Stifters
der Universität weiland Seiner Majestät Kaiser Wilhelms.
Rede gehalten am 1. Mai 1888. — 40
Heitz, Emil, Zur Geschichte der alten Straßburger Uni-
versität. Rede gehalten am 1. Mai 1885. 2. Aufl. — 60
Hohzmann, Heinrich, Das Neue Testament und der
römische Staat. Rede geh. am 27. Januar 1892. — 60
Koeppel, Emil, Deutsche Strömungen in der englischen
Literatur. Rede gehalten am 27. Januar 1910. 1 20
Laband, Paul, Das deutsche Kaisertum. Rede gehalten
am 27. Januar 1896. — 60
Lenel, Otto, Das bürgerliche Gesetzbuch und das Studium
des römischen Rechts. Rede geh. am 1. Mai 1896. — 60
Martin, Ernst, Wolfram von Eschenbach. Rede geh. am
27. Januar 1903. 1 —
Mayer, E. W., Das psychologische Wesen der Religion
u. die Religionen. Rede geh. am 27. Januar 1906. 1 —
Mayer, Otto, Portalis und die organischen Artikel.
Rede gehalten am 27. Januar 1902. — 80
— Justiz und Verwaltung. Rede gehalten am 1. Mai
1902. 1 -
Merkel, Adolf, Ueber den Zusammenhang zwischen der
Entwickelung des Strafrechts und der Gesamtent-
wickelung der öflenllichen Zustände und des geistigen
Lebens der Völker. Rede gehalten am 30. April 1889.
— 40
Michaelis, Adolf, Allallische Kunst. Rede gehalten am
27. Januar 1893. — 80
Neumann, Karl, Die Grundherrschaft der römischen
Republik, die Bauernbefreiung und die Entstehung der
servianischen Verfassung. Rede gehalten am 27. Januar
1900. 1 -
— Entwicklung und Aufgaben der alten Geschichte. Rede
gehalten am 1. Mai 1909. 3 — , gebd. 4 —
Nowack, Wilhelm, Die sozialen Probleme in Israel u.
deren Bedeutung für die religiöse Entwicklung dieses
Volkes. Rede gehalten am 30. April 1892. — 60
— Die Entstehung der israelitischen Religion. Rede ge-
halten am 27. Januar 1895. 2. Aufl. — 80
— 55 —
'6 Karl R i e d e r, Mystischer Traktat aus dem Kloster ünter-
linden zu Colmar i. Eis., in: Zeitschrift für deutsche Mundarten,
hrsg. von Heilig u. Lenz, I, 1900, S. 80-90.
Mau vgl. z. B. die Schilderung des Klosters Unterlinden
(a. a. 0., S. 85) : . . . welches doster in sinem zirlichen garten liget
und ist och gar vaste grünenden und blüenden. genant Unterlinden,
darinne vil heidc und velde stet und och schöner linden, die über-
treffenlich gar vast fruchtber sint. Do sint och vil schöner vogel
und engel uf den zwigen derselben linden, die alle mit lutem schalle
sussiclichen singen; darinne ist och die oberste tübe in den höchsten
tolden derselben linden nisten. Och entspringet in demselben closter
der stet quelbrunnen aller gnoden und andacht, der gar meister-
lichen umbgegeben ist und beslossen in höher meisterschaft, do
noch nymant usgetrank, danne der allein, der do daselbest allen
creaturen ist engangen.
"8 Über die Gottesfreunde u. a. : Th. W. Rö h r i c h. Die Gottes-
freunde und die Winkler am Oberrhein, in: Zeitschrift für die hi-
storische Theologie, hrsg von Illgeu. X, 1 (1840), 118-161. Carl
Schmidt, Johannes Tauler. 1841. Anhang S. 161—208: Die
Gottesfreunde. Ders. Die Gottesfreunde im 14. Jahrhundert. Histo-
rische Nachrichten und Urkunden, in : Beiträge zu den theologischen
Wissenschaften, hrsg. von Reuß u. Cunitz. V. Jena 1851. S. 1 -191.
A. Jundt. Les arais de Dien au quatorzieme siecle. Paris 1879.
M. Rieger, Die Gottesfreunde im deutschen Mittelalter (Samml.
von Vorträgen, hrsg. von Frommel u. Pfaff, I, 8i Heidelberg 1879.
Fr. Ehrle, Das Einst und Jetzt der Geschichte des Gottesfreunde-
Bundes, in: Stimmen aus Maria-Laach, XXXI. 1886 S. 38ff. 252ff.
Kessel, Art. «Gottesfreundev in Wetzerund Weltes Kirchenlexikon,
2. Aufl. Bd. V. Freiburg 1888. S. 893-900. Philipp Strauch, in:
Realencyklopädie für protest. Theologie u. Kirche, hrsg. von Herzog
u. Hauck XVII. 1906. S. 204-206.
Über Rulman Merswin: Grandidier, Nouvelles (Euvres
inedites, V. Colmar 1900. p. 29 ff. 387 ff. C.Schmidt, Johannes
Tauler, S. 177 — 190. A. Jundt, Rulman Merswin et l'Ami de Dieu
de rOberland. Paris 1890. P r e g e r, Gesch. d. deutschen Mystik III,
337—354. Phil. Strauch, Art. «Rulman Merswin» in: Allgemeine
deutsche Biographie XXI. München 1885. S. 459— 468, und in: Real-
encyclopädie f. prot. Theol. u. Kirche, 8. Aufl. XVII. 1906. S. 203-227.
Ausgaben der Schriften Merswins und seines Kreises: Das
Buch von den Neim Felsen von C. Schmidt, Leipzig 1859; dazu
handschriftlicher Apparat von Ph. Strauch in : Zeitschr f. deutsche
Phil. XXXIV. 1902. S. 267-269 (Merswins Quelle, das anonyme
Neunfelsenbuch von 13.52, in den Seusedrucken von 1482 und 1512
und in Diepenbrocks Erneuerung Seuses ; über deren Überlieferung
Strauch, a. a. 0., S. 236 ff.). Das Fünf- Mannen buch von C. Schmidt,
Die Gottesfreunde im vierzehnten Jahrhundert (Reuß und Cunitz,
Beiträge zu den theologischen Wissenschaften V. Jena 1854. S.
1 — 191), S. 76—120, wiederabgedruckt in desselben Nikolaus
— 56 —
von Basel Leben und ausgewählte Schriften. Wien 186B. S. 102
— 1;-38. Das Zwei-Mannenbuc/i von C. Schmidt, Nik. v. Basel 205
—277 und von Fr. L a u c h e r t, Bonn 189(i. Das Meisterhuch von
C. Schmidt. Nikolaus von Basel Bericht von der Bekehrung
Taulers. Straßburg 1875, Die meisten der im < Großen deutschen
Memorial' und im 'Briefhucli^ vom Grünen Wörth enthaltenen
Traktate (Inhaltsangaben derselben bei P reger, Deutsche Mystik
III, 313 ff.) und Briefe bei C. Schmidt, Die Gottesfreunde usw..
und in desselben: Nikolaus von Basel ; in den Werken von A.
Jundt. Histoire du pantheisme populaire au nioyen-äge et au sei-
zieme siecle. Paris 1875; Les amis de Dien au quatorzieme siecle.
Paris 1879, und: Rulman Merswin et l'Ami de Dieu de l'Oberland,
Paris 1890. Die Auszüge Rulmans aus Ruusbroecs «Geistlicher
Hochzeit» bei J. G. V, Engelhardt, Richard von St. Viktor und
Johannes Ruysbrock. Erlangen 1838. S. 345 ff. Für den Gesamtin-
halt der Straßburger Handschriften, in denen diese Traktate ent-
halten sind: Karl Ried er, Der Gottesfreund vom Oberland eine
Erfindung des Straßburger Johanniterbruders Nikolaus von Löwen.
Innsbruck 1905. Vgl. ferner Phil. Strauch, Zur Gottesfreundfrage.
I. Das Neunfelsenbuch, in: Zeitschr. für deutsche Philologie. XXIV.
1902. S. 235-311. IL Schürebrand. Ein Traktat aus dem Kreise
der Straßburger Gottesfreunde, in: Festgabe der germanist. Abteil-
ung der 47. Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner
in Halle zur Begrüßung dargebracht. Halle 1903.
Rulmans Selbständigkeit ist, wie jetzt erwiesen, eine sehr ge-
ringe. Fast überall liegen fremde Traktate zugrunde, die er überarbeitet
und »mit sinen inbrünstigen hitzigen zuogeleiten niinnewor(en> ver-
mischt, wie denn iibeihaupt die neuere Forschung sein Bild mehr
und mehr an Sympathie verlieren ließ. Für die QucUenfrage : H.
Denifle, Taulers Bekehrung kritisch nntcrsncht (Quellen u. Forsch-
ungen zur Sprach- u. Kulturgesch. der german Völker XXXVI)
Straßburg 1S79. S. 37 ff. 137 ff. Ph. Strauch. Zeitschr. f. deutsche
Philül. XXXIV. 1902. S. 235—311 (woselbst S. 2S8-311 der Traktat
«Von dreierlei geistlichem Sterben», die letzte nachweisbare Quelle
des eigentlichen Neunfelsenbuches. Den Tite 1 führte auch eine davon
verschiedene beghardische Schrift).
8" Auf den mysteriösen «Gottesfreund vom Oberland» und die
zu einem großen Teil in den beiden voraufgehenden Anmerkungen
verzeichnete Literatur (über die K. Rieder, Der Gottesfreund usw.
S. 3—14 eine Übersicht gibt) kann hier begreiflicher Weise nicht
eingegangen werden. Nachdem der unglückliche Gedanke von C.
Schmidt, ihn mit dem Begharden Nikolaus von Basel zu identifi-
zieren (dagegen Denifle, Der Gottesfreund und Nikolaus von Basel,
in: Histor.-polit. Blätter. Bd. 75, 1875, S. 17—38, 93—122,245-266,
340— :^54), ebenso wie P reger s Versuch (Gesch. d. deutschen Mystik
III, 245—407: Der Gottesfreund vom Oberlande und Merswin),
wenigstens seine historische Existenz zu rechtfertigen, durch D e-
nifle und Ph. Strauch gründlich abgetan sind, kann jetzt wohl
nur noch das die Frage sein, ob dieser «Gottesfreund vom Oberland>
mit D e nif i e (^insbesondere: Tauiers Bekehrung, kritisch untersucht.
Straßburg- i879, und: Die Dichtungen des Gottesfreundes im Ober-
lande, in: Zeitschr. f. deutsches Altert, u. deutsche Literatur, hrsg.
von MüUenhoff u. Scherer, N. F. XII 1880. S. 20Ü-219. 280 -324.
463—540. XIII. 1881. S. 101—122; als Erfindung ßulman Merswins,
oder mit Ried er als eine solche von Merswins Schüler Nikolaus
von Löwen zu betrachten ist (Karl Rieder, Zur Frage der Gottes-
freunde. I. Rulman llerswin oder Nikolaus von Laufen ? II. Bischof
Heinrich III. von Konstanz und die Gottesfreunde, in: Zeitschrift
für Geschichte des Oberrheins. N. F. XVII. ia02. S. 20.j -21(3, 480
— 49G, und besonders in dem S. 5(i Anm. 79 zitierten Buche). Gegen-
über Rieder sucht Ph. Strauch in seiner Ausgabe des »Schür-
brand» und in Realenc_ycl. f. protest. Theol. u. Kirclie 3. Aufl. XVII,
224 — 227 die DeniÜesche These aufrecht zu erhalten.
81 So z. B. Alfred P e 1 t z e r, Deutsche Mystik und deutsche
Kunst (Studien zur deutschen Kunstgeschichte, Heft 21). Straßburg
1899. Freilich ist im einzelnen mit Peltzers Ausführungen nicht viel
anzufangen. Seine Darlegungen entbehren nur zu oft der sicheren
Grundlage, da seine Vorstellungen von der Mystik, ihrem Inhalt
und ihrer Geschichte an mehr als einer Stelle dem wirklichen Tat-
bestande nicht entsprechen und ebensowenig überall dem Fortgang
der neueren Untersuchungen gefolgt sind. Sein Buch ist daher, was
die Mystik betrifft, voll von Mißveiständnissen und schiefen, ja
völlig verkehrten Urteilen.
8^ Wenn ein großer Teil der Klagen im ersten Abschnitt von
Merswins Buch von den Neunfelsen, dem «Rügenbuch», auch aus
dem anonymen Traktat von 1352 herübergenomnien ist, so hat
Merswin jenen ihm offenbar sehr sympathischen Ton doch noch
weiter verschärft und durchgeführt, wie Ph. Strauch, Z. f. deut-
sche Philologie XXXIV, S. 278, 282ff. zeigt. ^Der Grundton aller
Merswinsclien Zusätze ist die Klage über die Verderblheit, in der
sich die christliche Gemeinde gegenwärtig befindet» (Strauch, S.
282).
83 Aug. Jundt, Histoire du pauth. popul. p. 42 — lu9. Preger,
Gesch. d. deutschen Mystik, I, 207-216. Für Straßburg: Carl
Schmidt, Über die Sectcn zu Straßburg im Mittelalter, in : Zeitschr.
f. d. histor. Theol , hrsg. von lügen, X, 2 (1840), S. 30—73.
Das Rundschreiben Johanns von Dirpheim (1317) bei J. L.
Mosheim, De Beghardis et Beguinabus Commentarius. Leipzig
1790. S. 255—261. Mosiieim nennt S. 253 den straßburger Bischof
irrig Johann von Ochsenstein, was ihm Schmidt, a. a. 0., S. 60,
sowie Preger I, 2141". nachschreiben und noch Ph. Strauch.
Zeitschr. f. deutsche Philologie XXXIV. 1902. S. 285 wiederholt.
8ä Erste Diözesanstatuten Bertholds II. von Bucheck (1341) §53;
Begehardos quoque et beginas se disputacionibus et erroribus in-
volventes et in vita et in habitu ab aliis honiinibus sub ficte san-
ctitatis excellencia discrepantes, quas Viennense concilium (1311;
— 58 —
die Ballen Clemens V. z. B. bei Mosheim, a. a. 0 , 618-622)
dampnat et reprobat, reprobamus (wiederholt im zweiten Statut
von 134.'). Vgl. Max Sdralek, Die Straßburger Diözesansynoden,
(Straßburger Theologische Studien, hrsg. von Alb. Ehrhard u. Eugen
Müller, II. 1). Freiburg i Br. 1897. S. 134. 147.
Eckhart 232, 27 Pfeiffer: Nu sprechent etliche menschen :
hän ich got unde gotes minne, sö mac ich wol tuon allez, daz ich
wil. Diz wort verstau sie unrechte. Die wile du kein dinc vermaht,
daz wider got ist und wider sin gebot, sö enhästu gotes minne
niht; dii maht die weit wol betriegen. als habest du si Tau 1er,
Frankfurter Ausg. II, 412 : Dies ist wider die freien Geister, die mit
ihrem falschen Lichte die Wahrheit bekannt zu haben wähnen
und damit aufschwingen in ihre eigene Gefälligkeit. Seuse, Büch-
lein der Wahrheit. Kap. 6. (S. 352 ff. Bihlmeyer) : Uff welen puncten
dien menschen gebristet, die valsche friheit ffirent - wo die beghar-
dische Lehre personifiziert als das <namelos wilde» eingeführt
wird. Ruusbroec, Zierde der Geistl. Hochzeit II c. 76, warnt
vor denen, die «nach ihrer Ansicht gottschauende Menschen sind
und wähnen, die heiligsten zu sein>, die 'dafür halten, daß sie
frei und mit Gott unmittelbar vereinigt seien., aber «Gott und allen
Heiligen wie auch allen guten Menschen entgegengesetzt und un-
ähnlich siniU (Übers, von Fr. A. Lambert, S. 143). Auch der so
unspekulative M e rs w i n, Buch von den Neun Felsen (S. 33 Schmidt)
tadelt in einer aus dem Traktate vou 1352 herübergenommenen
Stelle die Begharden, die «münehe, die brftder die after wege
loffent». Solcher Stellen gibt es eine große Zahl.
87 Nachweise bei Denifle, Historisch-polit. Blätter, Bd. 75.
1875. S. 903 ff. Archiv für Literatur- u. Kirchengesch. d. Mittelalt.
U. 1886. S. 474 ff. 489 ff. 513 ff. — In der oben Anm. 69 erwähnten noch
unedierten Verteidigungsschrift vom Jahr 1326 bezeichnet Eckhart
manche Sätze als «emphatisch^ gesagt oder als nicht ihrem Wort-
laute nach zu nehmen; manches gibt er auch Preis. — Auf gelegent-
liche Unstimmigkeiten bei Tau 1er weist E. Krebs, Meister Die-
trich, S. 142 hin.
88 Diese amalrikanische Lehre ist am genauesten zu ersehen
aus der von mir herausgegebenen Schrift des Garnier von Rochefort
Contra Amaurianos; vgl. Gl. Baeumker, Ein Traktat gegen die
Amalricianer aus dem Anfang des XIII. Jahrhunderts. Nach der
Handschrift zu Troyes herausgegeben. Paderborn 1893, mit Nachtrag
in: Jahrb. f. Philos. u. spekul. Theol. VIII, 1894. S. 217-222. Im
übrigen vgl. Preger I, 173 — 184. Jundt, Bist, du panth. pop.
20-31.
89 G. Dehio, Hist. Zeitschr. Bd. 86 (N. F. 50), 397 f. Ernst
Polaczek, Das Elsaß u. seine Stellung in der kunstgesch. Entw.
S. lOf.
^ Vier ältere geistliche Gesänge, mitgeteilt von Chris to-
phorus, in: Alsatia, Beiträge zur elsässischen Geschichte, Sage,
Sitte und Sprache, hrsg. von August Stöber. 1852, S. 95—119. (Die
- 59 -
Strophe stammt aus I. "Das geistliche Vog-elgesang". S. 97.) -
Nach gütiger Mitteilung von Herrn Ober-Bibliothekar Professor Dr.
E. Marckwald in Straßburg verbirgt sich unter dem Pseudonym
«Christophorusi der Colmarer Stadtbibliothekar Georg Stoffel
].^19-1880).
BIBLIOTHEC^ ROMANICA.
Jede Nummer bposolilept kostet 40 Pfennige. Gebunden in
roter Leinwand mit Golddruck auf Decke und Rücken kostet
ä 1 Nummer 0.80; k 2 Nrn. 1.40; ä 3 Nrn. 2.-; ä 4 Nrn. 2.40;
ä 5 Nrn. 2.80; ä 6 Nrn. 3.20; ä 7 Nrn. 3.60; a 8 Nrn. 4.-.
Bibliothdque franQaise.
Balzac, Eugenie Grandel. Nr. 8i|83.
— Le Cabinet des Antiques. Nr. 96/98.
Beaamai'chais, Le Barbier de Seville. Nr. 23124,
Bernai-din de Saint-Pierre, Paul et Virginie. Nr. 117(118.
Boileau, Art poetique. Nr. 84,
— l-e Lutrin. Nr. 101.
Chateaubriand, Atala, ou les amours de deux sauvages dans
le desert. Nr. 64|6r.
Corneille, Le Cid. Nr. 3.
— Horace. Nr. 21.
— Cinna. Nr. 5o.
— Polyeucte. Nr. 80.
— Le Menteur. Nr. q2.
Descartes, Discours de la methode. Nr. 4.
Goerin, Maurice de, Journal, Lettres, Poemes et Fragments.
Nr. i32|i3tS.
La Bruyere, Caracieres. Nr. 102(107.
Lamartine, Meditations. Nr. 75,(77.
Moliere, Le Misanthrope. Nr. 1.
— Les Kemmes savantes. Nr. 2.
— [^'Avare. Nr. 46.
— Tartuffe. Nr. 119.
Slusset. Alfred de, Comedies et Proverbes: La Nuit veni-
tienne; Andre del Sarto; Les Caprices de Marianne; Fan-
tasio; On ne badine pas avec ramour. Nr. 26(28.
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— — Quarta giornata. Nr. 59.
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— — Giornata scsta e settima. Nr. 85|86.
— — Giornata ottava. Nr. 89(90.
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— La Fiammetta. Nr. 120(122.
— II Filostrato. Nr. 146I148.
— 11 Corbaccio o il laberinto d'amore Nr. 157/1 58,
Dante, Divina Commedia 1: Inferno. Nr. 5(6.
— Dnina Lommedia II: Purgatorio. Nr. 16(17.
— Divina Commedia III: Paradiso. Nr. 3o(3i.
— La \'ita Nova. Nr. 40.
Goldoni, La Locandiera. Nr. 109.
— Le Donne Curiose. Nr. 124.
Guarini. II Pastor Fido. Nr. 154(1 56.
Latino, Drunetto, II Tesoretto e II Favolello Nr. 94'95.
Le cento novelle antiche, (II novellino.) Nr. 71/72.
Leopardi. Canii. Nr. 62|63.
Pensieri. Nr. 91.
Siachiavelli, Mandragola. Nr. i23.
Maflei. Merope. Nr. 108.
Metastasio, Didone abbandonata. Nr. 110(111.
Petrarca, Rerum vulgarium Iragmenia. Nr. 12(1 5.
— 1 Trionfi. Nr. 47.
Poliziano, 1,'Orfeo e le Stanze. Nr. i3oli3i.
Redi. Poesie Toscane. Nr. ii5(ii6.
Strozzi, Giambattista, 1 madrigaü. .Nr. 78(79.
Biblioteca portuguesa.
Camöes, Os Lusiadas: Canto I, IL Nr. 10.
— Os Lusiadas Canto III, IV. Nr. 25.
— Os Lusiadas: Canto V, VI, Vll. Nr. 45.
— Os Lusiadas: Canto VIII, IX, X. Nr. 5i(52.
Weitere Bändchen in Vorbereitung,
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[PAMPHLET BINDER
, Monufocturad toy
CAYLORD BROS. Ine.
I Syrocuie, N.Y.
itocKton, Calit.