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Full text of "Der Civilingieur: Zeitschrift für das Ingenieurwesen"

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DER 



CIVILINGENIEUR 



-«- -«■ 



UNTER MITWIRKUNG DER PROFESSOREN AM K. S. POLYTECHNIKUM 



Dr W. FfiÄNKEL, 

PROF. FÜR BRÜCKEN-, STRASSEN- 
UND EISENBAHNBAV, 

A. NAGEL, 

PROF. FÜR GEODÄSIE, 



L. LEWICKI, 

PROF. FÜR MASCHINENBAU, 

T. RITTEßSHAUS, 

PROF. FÜR THEORETISCHE UND ANGEWANDTE 

KINEMATIK, 

Dr. G. ZEUNER, 

PROF. FÜR MECHANIK UND THEORETISCHE MASCHINENLEHRE 



0. C. MOHR, 

PROF. FÜR EISENBAHNBAU, 

J, B. SCHNEIDER, 

PROF. FÜR MASCHINENLEHRE 



HERAUSGEGEBEN VON 



Dr. E. HARTIG, 

PROF. FÜR MECHANISCHE TECHNOLOGIE. 



JAHRGANG 1877. 

(DER NEUEN FOLGE BAND XXIII.) 



• « 



MIT VIELEN IN DEN TEXT EINGEDRUCKTEN HOLZSCHNITTEN UND XXVIII TAFELN ABBILDUNGEN. 



LEIPZIG. 

VERLAG VON ARTHUR FELIX. 

1877. 



I THE HEW YORK 

PUBLIC LIBRARY 

95880 \ 

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V 



Inhaltsverzeiclmiss des Jalirganges 1877. 



I. Sachregister. 

[Die Zahlen zeigen die Seitenzahlen an; — (m. A.) bedeutet mit Abbildungen auf den Steindrucktafeln; 

— (m. H.) mit eingedruckten Holzschnitten.] 



843 



289 



21 



AusfluBS, über den — der permanenten Gase mit Beziehung 
auf die Hypothese von de Saint-Venant und Wan- 
tzel, Ton J. Illeck (m. H) 

Bassinw&nde, Untersuchung über die Stabflität und Festig- 
keit von cylindrischen — , von Undeutsch (m. A.) 

Bewegung f neuere Literatur über die — des Wassers in 
Flüssen und Can&len, von K. R. Bornemann (m. A.) 

Bewegungen, die Messung von — an Bauwerken mittels der 

Libelle, von Kopeke (m. A.) 379 

Chamierbogenbrücken, die durch den Winddruck erzeugten 

Spannungen in — , von R. Kohfahl (m. A.) • • . . 577 

Cupolöfen, über — , von A. Ledebur (m. H.) 633 

Dampfmaschine, einige Bemerkungen über den Einfluss der 
Cylinderwandungen auf das Verhalten des Dampfes in 
der — , von W. Rhien 76 

, über die reale Expansionslinie im Cylinder der — und 

deren Beeinflussung durch den Dampfinantel, von J. Il- 
leck (m. A.) 81 

Eisenbahnen, secundäre — und Bergbahnen, von C. Rother 551 

Expansion, variable — für Fördermaschinen, von H. Krause 

(m. A.) 687 

Expansionssteuerung, Constructionsregeln über die £y th'sche 

Expansionssteuerung von J. Schmidt (m. A.) . . . 391 

Fördergestelle, über eine Verbesserung an — (Metallbremse), 

von Menzel (m. A.) 803 

Führer, technische — , von 0. Grüner 166 

Gase, nochmals über den Ausfluss der permanten — , von 

J. Illeck 643 

Geodäsie, über die geschichtliche Entwickelung der — und 
ihre Beziehungen zur neueren Literatur, von A. Fuhr- 
mann 69 

Geodäsie, zur Literatur der — , von A. Nagel 185, 257, 611, 629 

Geometrie, die praktische — seit hundert Jahren, von A K a g e 1 186 

Geradführung, über die — durch das Kurbelgetriebe von 

L. Burmester (m. A.) 227, 819 

Heliotrop, Ursprung des Repsold-Bertram*schen — , von 
A. Nagel 629 

Kaomigamfabrikation, Versuche über Leistung und Arbeits- 
verbrauch der in der — angewendeten Maschinen, von 
K Hartig (m. A.) 1, 133 

Luft, Versuche über das Ausströmen der atmosphärischen 
Luft durch gut abgerundete Mündungen, von A. Flieg- 
ner (m. A.) 443 



Luft, Bemerkungen zu Herrn J. 111 eck 's Theorie des Aus- 
flusses der — durch ein cylindrisches Rohr, von E. 
Herrmann 571 

Maschine, über den Begriff — , Bemerkungen zu F. Reu- 

leaux*s Kinematik von Th. Beck 411 

, über die Definition der — , von F. Reuleaux . . 563 

, noch ein Wort über den Begriff — , von Th. Beck . 663 

Nietlöcher, Notiz, die Herstellung der — betreffend, von £. 

Hartig 171 

Pappentrockenmaschine, Beobachtungen an einer — , von £. 

Hartig (m. A.) 543 

Portland- Cement, Normen für die einheitliche Lieferung und 

Prüfung von — , nach den Beschlüssen mehrerer Vereine 647 

Propellerschraube, zur Theorie der — , von C. Szily (m. H.) 177 

Regulatoren, über directwirkende — , von J. Wischne- 

gradski (m. H.) 95 

Schraubenpumpe, Versuche über die Leistung einer — , von 

G. Chizzolini 173 

Soda, Beschreibung eines neuen Eindampf- und Calcinir- 
Ofens zur Wiedergewinnung der — aus der Lauge der 
Holz- und Stroh-Cellulose-Fabrikation, von R. Schnei- 
der (m. A.) 529 

Spanbildung, über die — beim Hobdn der Metalle, von G. 

H. Judenfeind-Hülsse (m. H) 616 

Stellschiene, verbesserte — mit Winkelmesser und Neigungs- 

scala, von E. Hotop (m. H.) 79 

Stickmaschine, die — , von H Fischer (m. A.) . . . . 417 

Tachymetrie von A« Nagel 511 

University College, der Lehrplan des Department of Civil 
and Mechanical Engineering am — in London . . . 

Ventilation, über — und über die Methodik der Prüfung 
diesbezüglicher Apparate und Anlagen, besonders in 
Rücksicht auf Eisenbahn-Lazareth wagen, von Th. Weiss 
H. 



249 



(m. H.) 



855 



Weberei, Schlichten und Leimen der Ketten in der mecha- 
nischen — , von £. Lembcke (m. A.) ....:. 206 

Webstuhl, die Mechanismen zur Eriialtung der Spannung 
und zur Längsbewegung der Kette am mechanischen — , 
von A. Lüdicke (^m. A.) 145 

WoUw&scherei, die Reinigung des zur — in der Vöslauer 

Karamgamfabrik verwendeten Wassers, von J. Stingl 261 

„Zwei Mal Waare'S die Herstellung von — im mechanischen 

Webstuhl von E. Lembeke (m. A.) 507 



# 



IL Namenregister. 



/ 



/ Beck, über den Begriff „Maschine". Bemerkungen zu F. 

Reuleaux^s Kinematik 411 

, noch ein Wort über den Begriff „Maschine" ... 668 

Bornemann, neuere Literatur über die Bewegung des 

Wassers in Flüssen und Canälen (m. A.) 21 

/Burmester, über die GeradfUhrung durch das Kurbelge- 
triebe (m. A.) 227, 819 

Chiz zolin!, Versuche über die Leistung einer Schrauben- 
pumpe 178 

Fischer, die Stickmaschine (m. A.) 417 

Fliegner, Versuche über das Ausströmen der atmosphäri- 
schen Luft durch gut abgerundete Mündungen (m. A.) 443 
Fuhrmann, über die geschichtliche Entwickelung der Geo- 
däsie und ihre Beziehungen zur neueren Literatur . . 59 

Grüner, technische Führer 166 

Hart ig , Versuche über Leistung und Arbeitsverbrauch der in 

der Kammgamfabrikation angewendeten Maschinen (m. A.) 1, 183 

, Notiz, die Herstellung der Nietlöcher betreffend . . 171 

, Beobachtungen an einer Pappentrockenmaschine (m. A.) 643 

Herr mann, Bemerkungen zu Herrn Illeck's Theorie des 

Ausflusses der Luft durch ein cylindrisches Rohr . .571 

Hotop, verstellbare Stellschiene mit Winkelmesser und 

Neigungsscala (m. H.) 79 

Illeck, über die reale fixpansionslinie im Cylinder der 
Dampfmaschine und deren Beeinflussung durch den 
Dampfmantel (m. A.) 81 

, aber den Ausfluss der permanenten Gase mit Beziehung 

auf die Hypothese von de Saint- Venant und Wan- 
tzel (m. H.) 848 

, nochmals über den Ausfluss der permanenten Gase . 648 

Jadenfeind-Hülsse, über die Spanbüdung beim Hobeki 

der Metalle (m. H.) 615 

Kopeke, die Messung von Bewegungen an Bauwerken mit- 
tels der Libelle (m. A.) 379 



Kohfahl, die durch den Winddruck erzeugten Spannungen 

in Ghamierbogenbrücken (m. A.) 677 

Krause, variable Ehcpansion für Fördermaschinen (m. A.) 537 

Ledebur, über Cupolöfen (m. H.) 633 

Lembcke, Schlichten und Leimen der Ketten in der me- 
chanischen Weberei (m. A.) . . , 205 

, die Herstellung von „Zwei Mal Waare" im mechani- 
schen Webstuhle (m. A.) 507 

Lud icke, die Mechanismen zur Erhaltung der Spannung 
und zur Längsbewegung der Kette am mechanischen 
Webstuhl (m. A.) 145 

Menzel, über eine Verbesserung an Fördergestellen (Me- 
tallbremse) (m. A.) 608 

Nagel, zur Literatur der Geodäsie . . . 185, 257, 511, 629 

Reuleaux, über die Definition der Maschine 563 

Rhien, einige Bemerkungen über den Einfluss der Cylinder- 
wandungen auf das Verhalten des Dampfes in der 
Dampfmaschine 75 

Roth'er, secundäre Eisenbahnen und Bergbahnen . . . 551 

Schmidt, Constructionsregeln für die Eyth*sche Expan- 
sionssteuerung (m. A.) 391 

Schneider, Beschreibung eines neuen Eindampf- und Cal- 
cinirofens zur Wiedergewinnung^ der Soda aus der Lauge 
der Holz- und Stroh-Cellulose-Fabrikation 529 

Stingl, die Reinigung des zur Wollwäscherei in der Vös- 
lauer Kammgamfabrik verwendeten Wassers .... 251 

Szily, zur Theorie der Propellerschraube (m. H.) . . . . 177 

Undeutsch, Untersuchung über die Stabilität und Festig- 
keit von cylindrischen Bassinwänden (m. A.) . . . . 289 

Weiss, über Ventilation und über die Methodik der Prü- 
fung diesbezüglicher Apparate und Anlagen, besonders 
in Rücksicht auf Eisenbahn-Läzarethwagen 355 

Wischnegradski, über directwirkende Ragulatoren (m. H.) 95 



IIL Verzeichni88 der Abbildungen. 



Tafel I, II, lU. H artig, Maschinen der Kammgamfabrikation. 

IV. Illeck, über die reale Expansionslinie. 

V. Hart ig, Maschinen der Kammgamfabrikation. 
VL Lü dicke, Spannung und Bewegung der Kette. 
VII. VUI, IX. Lembcke, Schlichten und Leimen der 

Ketten. 
X, XI. Burmester, über Geradführung. 
XII, XUL Undeutsch, cylindrische Bassinwände. 
XIV, XV, XVL Burmester, über Geradführung. 
XVIL Kopeke, Bewegungen an Bauwerken. 
XVni. Schmidt, die Eyth*sche Expansionssteuerung. 



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Tafel 



5? 



XXIX, XX, XXI. Fischer, Stickmaschinen. 

XXII. Fliegner, Ausfluss-Versuche. 

XXIII. Schneider, Eindampf- und Calcinirofen für Cel- 

lulosefabrikcn. 

XXIV. Krause, variable Expansion für Fördermaschinen. 

XXV. Hartig, Beobachtungen an einer Pappentrocken- 

maschine. 

XXVI. Kohfahl, Spannungen in Charnierbogeubriicken. 
XXVn. Lembcke, Herstellung von falschen Leisten, 
XXVin. Menzel, Metallbremse für Fördergestelle. 









Versuche über Leistung und Arbeitsverbrauch der in der Kammgamfabrikation 

angewendeten Maschinen. 



Von 



Dr. Hartig in Dresden. 

(Hierzu Tafel I—IH.) 



Nachdruck verboten. 

Die Versuche, deren Ergebnisse im Folgenden mit- 
getheilt werden, bilden eine Ergänzung und Fortsetzung 
der von mir früher ausgeführten ähnlichen Versuche 
über die Maschinen der Streichgamspinnerei und Tuch- 
fabrikation, der Flachs- und Wergspinnerei*); es lag 
schon damals die Absicht vor, nach und nach sämmt- 
liche Zweige der Textil- Industrie mit einer eingehen- 
den experimentellen Untersuchung zu bedenken. Die 
Ausführung dieser Absicht war jedoch durch die Ar- 
beiten des Verfassers über Werkzeugmaschinen**), 
welche auf Wunsch der Direction des Dresdener Poly- 
technikums zur Durchfuhrung gelangten, unterbrochen 
worden; auch musste eine passende Gelegenheit abge- 
wartet werden. Eine solche fand sich, indem die Di- 
rection der Vöslauer Kammgarnfabrik bei Wien den 
Verfasser zur Vornahme dynamometrischer Messungen 
aufforderte. Diese Fabrik steht hinsichtlich ihrer Ein- 
richtung auf der Höhe der Zeit, und ihre hochintelli- 
genten Leiter, die Herren Falk und Wolf, huldigen 
der Ansicht, dass die wahre Entwicklung eines Eta- 
blissements nicht durch Geheimhaltung der Fabrikations- 
mittel, vielmehr nur durch consequente Befolgung der 
als richtig erkannten Grundsätze der Fabrikation zu 
sichern ist; sie förderten daher nicht allein die Ar- 
beiten des Verfassers in der zuvorkommendsten Weise, 
sondern lüumten ihm auch mit grosser Liberalität das 



'*) Mittheilungen der E. S polytechnischen Schule zu Dresden. 
Heft I und II. Leipzig (B. G. Teubner) 1864 und 1869. 
•*) MittheUungen u. s w., Heft UI. 1873. 

Clvllingenienr XXIIT. 



Recht ein, die gewonnenen Resultate zu veröffentlichen. 
Die Kosten der Untersuchung gewährte, wie früher, 
das K. S. Ministerium des Linem, in die Arbeit theilte 
sich der Verfasser mit den Herren Zschörner aus 
Meissen, Haas und Lau bock aus Nürnberg, bisher 
Studirende des Dresdener Polytechnikums, von denen 
der Letztere die zu vorliegender Mittheilung gehörigen 
Zeichnungen anfertigte. Mehrfache willkommene För- 
derung der Arbeit durch persönliche Mitwirkung und 
Darleihung von Instrumenten gewährten mit dankens- 
werthester Bereitwilligkeit die Herren Regierungsrath 
Exner und Prof. Radinger in Wien. 

Es wurden im Ganzen (in der Zeit vom 16. August 
bis 14. December 1876) 56 Aufstellungen des dynamo- 
metrischen Apparates bewirkt; die Messung der für die 
Transmissionswellen erforderlichen Arbeit erfolgte mit- 
tels einiger Indicator- Versuche. 

üeber das bei den Messungen eingeschlagene Ver- 
fahren wolle der Leser die früheren Berichte (Streich- 
gamspinnerei und Tuchfabrikation, Seite 3 und 4, 
Flachs- und Wergspinnerei, S. 1 — 9) nachsehen. Die 
zu dem Dynamometer gehörigen 4 Paar Blattfedern (j4, 
jB, C, B) wurden im Laufe der Expedition (am 27. 
August) einer erneuten Prüfung unterworfen und zwar 
unter Benutzung eines eigens hierzu angefertigten 
Bremszaums, von welchem die nachfolgenden Holzschnitte 
Fig. 1 — 4 eine nähere Darstellung geben; a und h die 
beiden Wellen des Dynamometers; c die Festscheibe 
der Welle a, auf welche ein Treibriemen Drehung im 
Sinne des eingezeichneten Pfeiles überträgt, ä Fest- 
scheibe auf Welle 6, zur Aufnahme des Bremazaums 
bestimmt; Bremshebel e und federnder Bügel f bilden 



Bartig, Versuche über Leistong und Arbeitsverbraach 



eiD einziges Schmiedestück; Bügel f trägt im Innern 
drei bronzene Backen Sig^gs, welche genau auf die 
Festscheibe passen; die Anpressung dieser Backen er- 
folgte mittels Schraubenspindel h, Mutter i und an 
letzterer sitzenden Handrades k: ein untergelegter 
Gummiring l erleichterte wesentlich die Handliabung, 
indem er ein sanftes Anziehen ermöglichte; die Aus- 



bfllanoimng der Wagschale m und des Bremshebels 
erfolgte mittels eines Stellgewichtes n an der rückwär- 
tigen Verlängerung e* des Bremshebels; letztere ver- 
hinderte (durch Auftreffen auf die Losscheihe neben c) 
das Ueberschlagen des Bremszaums, so dass ein beson- 
derer Scilutzbau entbehrlich wurde ; es genügte ein hei 
untergesetzter Bock. Gewicht des Bremses, einschliess- 




/ 
/ 


\ 
\ 




/A' 


^— — 


\ 
\ 



lieh Wagschale 60,92^«; Länge des Bremshebels 0,8". 
Nach Einsetzung der zu prüfenden Feder in das Dyna- 
mometer wurde die Wagschale m so stark belastet, dass 
bei horizontal schwebendem Bremshehel eine mÖgÜchst 
grosse Federspannung sich ergab, worauf man den 
Schreibapparat in Gang setzte. Die Erhaltung des 
Gleichgewichtszustandes gelang besser, als im Voraus 
erwartet wurde, was Verfasser dem federnden Anzog 
bei l und der Verwendung von Bronze als Material 
der Bremsbacken, sowie der genauen Ausführung des 
ganzen Apparates (durch G. G. Thomass in Dresden) 
zuschreibt Vor und nach jedem Versuche liess man 
die Linie für die unbelastete Feder aufzeichnen. Bei 
der Berechnung der so gesammelten Daten wurde die 
aus dem Bremsgewicht sich ergehende Zunahme der 
Zapfenreihung (unter Anwendung des Werthes/i=0,ofi4 



für den Beibangscoefficienten) entsprechend berücksich- 
tigt. Man erhielt fiir den Cocfficionteo /, mit welchem 
die aus der (früher erfolgten) dii-ecten Belastung der 
Federn hergeleiteten Werthe der Federspannung, also 
auch die bei Ausmessung der Diagramme zunächst ab- 
gelesenen Zahlen S zu multipliciren sind, um den wahren 
(der übertragenen Kraft wirklich entsprechenden) Werth 
dieser Fcderspannung zu ergeben, die folgenden Zahlen : 
Bexeichnnng der Feder. Belaatang an der Welle. 
a h 

A 0,937 0,873 

B 0,91S 0,909 

C 0,953 0,909 

D 0,966 0,868. 

Um die Berechnung der Resultate jederzeit con- 
troliren zu können, ist in diejenige Golumne der mit- 



der in der Kammgamfabrikation angewendeteD Maschinen. 



zutheilcnden Tabelle, welche die (unmittelbar abgelesene) 
„mittlere Federspannung'* enthält, eine Angabe darüber 
au^enommen worden, welches der 4 Fedempaare A — D 
benutzt wurde und welche der beiden Dynamometer- 
wellen a und b die Federspannung beeinfiusste; die 
Bezeichnung (C, b) in der ersten weiter unten mitge- 
theilten Tabelle ist z. B. so zu verstehen, dass bei der 
betreffenden Versuchsreihe das Fodernpaar C eingelegt 
war und dass die Welle b des Dynamometers direct 
mit der Antriebscheibe der Arbeitsmaschine durch einen 
Treibriemen in Verbindung stand. 

Die Berechnung der übertragenen Betriebsarbeit 
aus Federspannung S und minutlicher Tourenzahl u 
der Apparatwellen erfolgte in der früher angegebenen 
Art (s. Bericht über Werkzeugmaschinen, S. 3); man 
ermittelte zunächst aus den Werthen S, y und D (Durch- 
messer der vom Dynamometer zunächst angetriebenen 
Scheibe) den auf den Halbmesser 1™ der Antriebwelle 
reducirten Widerstand O nach der Formel 



= y.-j^ Kilogr. 



(I) 



und berechnete hieraus den Arbeitsverbrauch der unter- 
suchten Maschine für die normale minutliche Touren- 
zahl ti| der Antriebwelle nach den Formeln 



nUt 



und 



A = 0, -— f Secunden-Meter-Kilograrara . . (II) 
30 



N= — Pferdestärken (m) 

75 ^ ^ 



Die specielle Form, welche die Gleichungen (I) 
und (II) für jede Versuchsreihe annahmen, ist in den 
Kopf der betreffenden Columnen eingetragen worden. 

Die Mittheilung der gewonnenen Resultate wird in 
8 getrennten Abschnitten nach folgender Disposition 
erfolgen : 

I. Maschinen zur Auflockerung imd Reinigung der 
Wolle (Wölfe und Waschmaschinen). 

n. Krempeln. 

ni. Kämmmaschinen nebst den vorarbeitenden 
Hülfsmaschinen, Plättmaschinen. 

IV. Frotteurstrecken und Vorspinnmaschinen. 

V. Feinspinnmaschinen (Selfactors und Water- 
maschinen). 

VI. Zwimmaschinen. 

Vn. Garntrockenmaschinen. 

VIII. Transmission. 

Die Einrichtung der untersuchten Maschinen ist 
in allen Fällen, wo ein Hinweis auf die vorhandenen 



literarischen Publicationen nicht genügend erschien, 
durch beigegebene Skizzen möglichst verdeutlicht 
worden. 



I. Maschinen zur Auf lookerung und Beinigung der 

Wolle. 

1) Schlagwolf von R. Herrmann in Brunn, 

(Vergl. Fig. 1, Tafel I.) Derselbe dient zur Auf- 
lockerung und mechanischen Reinigung grober walla- 
chischer Wollen (C C secunda) vor der Wäsche. Speise- 
tuch a von 892 °™ Breite liefert die ausgebreitete Wolle 
(0,76 ^K pro IQ") ^^ die Riffelwalzen b (Durchmesser 
öl™*", minutliche Tourenzahl 7,83, Umfangsweg pro 
Secunde 21"°»; Belastung 156 ^^ pro 1^'° Arlj^itsbrcite 
1,75^^); Tambour c bewirkt die Auflockerung der Wolle; 
Durchmesser desselben 953°™, Länge 1", normale 
Tourenzahl 270 pro Min., Umfangsweg pro Secunde 
13,47'"; Länge der (kegelförmigen) Stahlzähne 45"™, 
Dicke an der Basis 8 "" ; Zahl der Querreihen auf dem 
Trommelumfang = 100, Zähnezahl in jeder Reihe 21 ; 
Theilung in der Richtung des Umfangs 30"™, in der 
Richtung der Achse 47,6"". Die Trommel c ist nach 
unten von einem Sieb d umgeben, in einem Abstand 
von 30""; Maschenweite 12"". Die Wolle wird bei 
e in einen hölzernen Sammelkasten abgeworfen; Länge 
desselben 2,7ö", Höhe 1,25™ Breite 1,85". Durchmesser 
der Antriebscheihe 2) = 235"", Breite derselben 6 = 
90™", Höhe über dem Fussboden A = 750™". Stünd- 
liche Leistung L = 95^. Coefficient für normalen 
Arbeitsgang '^) /*== 0,883. Raumbedarf (ohne den Sam- 
melkasten) 2. 1,45== 2,90 □". 

Von den zur Ausführung gebrachten 11 Versuchen 
bezogen sich Nr. 1 — 3 und 7 auf den Leergang, die 
übrigen auf den Arbeitsgang der Maschine. (Siehe 
umstehende Tabelle 1.) 

Hiemach ist für diesen Reisswolf die Botriebs- 
arbeit anzusetzen 

im Leergange N^^=lyl%hPSy 
„ Arbeitsgange ^ = 1,310 „ 
woraus sich ein Wirkungsgrad 



^ = 



ergiebt. 



1,310 — 1,185 
1^31 



= 0,095 



*) Quotient aus der durchschnittlichen Betriebszeit der Ma- 
schine und der totalen Arbeitszeit für eine Woche oder einen 
längeren Zeitraum; vergl. Streichgamspiunerei S. 6, Flachsspin- 
nerei S. 9. 

1» 



Hartig, Versuche Über Leistung und Arbeitsverbranch 
1. Schlagwolf von B. Herrmann in Brunn. 





HiuuÜiche Tourenzahl 








dea 


am 


der 


der 


MitUere 


. Wideratand 
am Halbm. 
1 ^ der An- 


K =270 pro Min.) 


VersuchB. 




Antriebwelle, 

berechnet 
M. = l,70.u. 


Trommel, 


in KUogr. 

S 


triebweUe 
* = 0,01335.fi. 


Sec-MeL-Kil. 

^ = 28,27.*, 


Pferdeatirken 


1 


160 


272 


• ? 


(C, h) 231,s 


3,091 


87,88 




2 


161 


274 


273 


237,5 


3,171 


89,64 




3 


160,5 


273 


269 


224 


2,990 


84,58 




4 


159 


270 


269 


262 


3,498 


98,89 




5 


159 


270 


269 


295 


3,938 


ili,as 




6 


160 


272 


269 


233 


3,111 


87,96 




7 


160 


272 


269 


250 


3,338 


94,37 




8 


160 


272 


268 


253,5 


3,384 


95,67 




9 


158,5 


269 


264 


293,6 


3,918 


110,78 




10 


159 


270 


267 


238 


3,177 


89,81 




11 


160 


272 


269 


226,5 


3,0!4 


85,49 


1,14 



2. Schlagtoolf von Pierrar d- Parp aite tt ftl» t» RMm*. 

Dient zur Auflockerung und Reinigung feinerer 
Wollen vor der Fabrikwiische ; die Kinrichtung*) ergiebt 
sich aus Fig. 2 uud 3, Taf. I; a Speisetuch (Breite 
600"", Auflage pro 1Q'" = 0,51*«) mit Riffelwalze b 
(Durchmesser 65 ""f minutliche Tourenzahl 23,i, Um- 
faugsweg pro Secunde l^""); c Trommel von 527""° 
innerem, 982°"° äusserem Durchmesser, 2,0!5'° Länge, 
mit 6 Reihen kegelförmiger Schlagarme; Länge der- 
selben 230""", Querschnitt elliptisch, Dimensionen an 
der Basis 33 (in der Richtung der Achse) und 23 ; 
Anzahl in jeder Reihe 17—18; diese Schlaganne sind 
unter einem Winkel von 80''40' gegen die Achse ge- 
neigt, so dass sie die Wolle bei jedem Abwerfen in der 
Richtung vom Speiseapparat ab nach der Austrag- 
öffnung d befördern ; minutliche Tourenzahl der Trom- 
mel c = 200, Umfängsweg pro Secunde an den Enden 
der Schlagarme gemessen = 10,!6 ". Der Raum, in wel- 
chem die Trommel rotirt, ist nach oben durch einen 
hölzernen Mantel abgeschlossen (in der Zeichnung ab- 
genommen gedacht); bei e (Fig. 2) wird die Wolle 
durch eine Reihe feststehende Stäbe zurückgehalten, 
zwiechen denen die Trommelstäbe durchschlagen; die 
Abscheidung von Sand und erdigen Theilen erfolgt durch 
die Oeffnungen des Rostes f; derselbe besteht aus 
Dr^tstäben von 6""" Dicke, in Abständen von 10"" 
gehalten, so dass sich eine lichte Maschinenweite von 
4""° ergiebt; Abstand des Rostes von den Enden der 



*} Armengaud, Pubi. iud., 18. V., p. 14&. 



Schtagarmo 50°"". Die Austrittsöffnung d, in das Ge- 
häuse eiugescbuitten , hat eine Höhe von 4^"", eine 
Breite von 400"", welche mittels eines Schiebers auf 
800°" vergrössert werden kann. Durchmesser der An- 
triebscheibe D = 417°"", Breite ft = 100"", Höhe über 
dem Fussboden A = 910"'°. Stündliche Leistung 
L = 300 "f. Coefßcient für den normalen Arbeitsgang 
f = 0,8S3. Raumbedarf 2,64 . 1,9 = 5,0! □ ". 

Von den zur Ausfuhrung gelangten Versuchen be- 
zogen sich Nr. 1, 2 und 6 auf den Leei^ang, Nr. 3 
und 4 auf den Arbeitsgang; die Ergebnisse zeigt nach- 
stehende Tabelle 2. 

Hiernach ergiebt sich der Arbeitaverbrauch dieses 
Schlagwolfes 

im Leergange zu N^ = 0,i3s PS, 
im Arbeitsgange xn N = 2,660 „ 
der Wirkungsgrad fi =0,79s. 
Die während der Versuche bearbeitete Wolle war 
ungarische Rückenwäsche A. 



3) Rnttwolf {teuder hook WUlow) von Taylor Wordt- 
toorth if Co. M ZmA. 
Diese Maschine hat in der Anordnung ihrer wirk- 
samen Theile einige Aehuhchkeit mit einer Walzen- 
krempol, vergl. Fig. 4, Taf. I. Die aufzulockernde 
Wolle wird auf dem Lattentuche a ausgebreitet (0,35 'k 
pro IQ"), durch zwei Paar Stachelwalzen b, c dem 
Tambour d zugeführt, der mit nach vorwärts gekrümmten 
Stahlzähnen besetzt ist (Länge der Zähne 22"", Quer- 
schnittsdimensionen an der Basis 8 und 3"™, Theilung 
in der Richtung des Umianges 25"", nach der Breite 



der in der Kammgamfiabrikation angewendeten Maschinen. 



10 



2. Schlagwolf von Pierrard-Parpaite et fils in Reims. 



Nummer 
des 


Minutliche Tourenzahl 
am ^®'' der 


. Mittlere 
Federspannung 


Widerstand 
am Halbm. 
1™ der An- 


Arbeitsverbrauch für die normale 

Tourenzahl der Antriebwelle 

(tt, — 200 pro Min.) 


Versuchs. 


Dynamometer 
u. 


Antnebwelle, 

berechnet 
Wi = 0,969. w. 


Trommel, 
beobachtet. 


in Eologr. 
S. 


triebwelle 
— 0,0248.5. 


See -Met-Kü. 
/f =20,94.*. 


Pferdestärken 
^ Ib' 


1 


205 


197 


195 


{C, a) 75 


1,860 


38,95 


0,519 


2 


207 


199 


199 


71 


1,761 


36,88 


0,492 


3 


202,5 


194 


194 


302 


7,490 


156,8 


2,09 


4 


201 


193 


192 


466 


11,56 


242,0 


3,23 


5 


205 


197 


198(?) 


86 


2,133 


44,67 


0,596 



68 "", daher Zahl der Zähne pro in™ Trommelfläche 
588); drei Arbeiter 61626^ und drei Wender fif^fs be- 
wirken in der bekannten Weise die Auflösung der 
Haarbüschel und die gleichförmige Vertheilung der 
Wollhaare auf dem Trommelumfang; eine sehr schnell 
umlaufende Schlagtrommel g bewirkt die Ablösung des 
Fasermaterials, theils durch die 2 . 6 = 12 Reihen kegel- 
förmige Zähne a (Liänge 48 ™°, Basisdurchmesser 12 °™, 
Theilung SO"""), theils durch den mit 6 Lederstreifen 
ß erregten Luftstrom. Das aufgelockerte Material sam- 
melt sich in einem Kasten h. Arbeitsbreite 800™". 
Trommellänge DöO"™. Durchmesser der Antriebscheibe 
(auf der Achse der Trommel d) D = 616™"', Breite 
6 = 150™™, Höhe über dem Fussboden A = 910™™. 
Die übrigen Dimensionen und die Geschwindigkeiten 
der wirksamen Theile sind aus folgender Tabelle zu 
ersehen : 



Bezeichnung 

Speisewalzeu b, c 
Tambour d 
Ai'beiter 616263 

1. Wender /*i 

2. Wender f^ 

3. Wender f] 
Schlagtrommel g 



Durchmesser Minutliche Umfangsweg 



in Mm. 
130 
1100 
160 
130 
130 
130 
690 



Tourenzahl, pro See. in Mm. 



9,09 
106 

5,06 

379,5 
381,6 

384,8 
421,9 



62 
1943 
42 
2581 
2593 
2617 
15245 



Während der Versuche wurden gefärbte Abfälle 
aufgelockert und gemischt; die stündliche Leistung 
wurde zu L = 62,7 ^^ beobachtet. 

Von den zur Ausführung gebrachten Versuchen 
bezogen sich Nr. 1—6 auf den Leergang, Nr. 7 — 12 
auf den Arbeitsgang; die Diagramme der Versuche 6, 
7 und 8 sind in Fig. 5, Taf. I, verkleinert wieder- 
gegeben; die beträchtliche Steigerung des Widerstandes 



3. Tender hook Willow-Wordsworth. 



Nummer 
des 


Mi] 
am 


autliche Tourenza 
der 


der 


Mittlere 
Federspannung 


Widerstand 
am Halbm. 
1™ der An- 


Arbeitsverbrauch für die normale 

Tourenzahl der Antriebwello 

(Uj -= 106 pro Min.) 

1 


Versuchs. 


Dynamometer 
u. 


Antriebwelle, 

berechnet 
Ui^0,649.u. 


AntriebwcUe, 
beobachtet. 


in Kilogr. 
S 


triebwelle 
<^ = 0,0367. iS^. 


Sec-Met-Kil. 
^=11,1.*. 


Pferdestärken 
75 


1 


163,5 


106,1 


106 


(C, a) 220 


8,074 


89,62 


1,19 


2 


164 


106,4 


107 


191 


7,010 


77,81 


1,04 


3 


163,5 


106,1 


107 


189 


6,936 


76,99 


1,03 


4 


164 


106,4 


107 


206 


7,560 


83,92 


1,12 


5 


163 


105,8 


107 


185 


6,790 


75,37 


1,00 


6 


164 


106,4 


107 


182 


6,679 


74,14 


0,989 


7 


160,5 


104,2 


106 


292 


10,72 


119,0 


1,59 


8 


162 


105,1 


105 


413 


15,16 


168,3 


2,24 


9 


163 


105,8 


107 


235 


8,625 


95,74 


1,28 


10 


162,5 


105,5 


106 


234 


8,588 


95,33 


1,27 


11 


162,5 


105,5 


106 


258 


9,469 


105,1 


1,40 


12 


162,5 


105,5 


107 


310 


11,38 


126,3 


1,68 



11 



Uartig) Versuche über Leistung uud Arbeitsverbrauch 



12 



während Versuch Nr. 8 (Strecke ßy^ Fig. 5), sowie 
nach Beendigung desselben (Strecke y <J, abwechselndes 
Gleiten und Fassen des Treibriemens!) war durch den 
Umstand hervorgeioifen worden, dass der Sammelkasten 
Ä sich bis zur Höhe der Schlagtrommel g mit Wolle 
erfüllt hatte; hier stieg die Betriebsarbeit bis auf SPS. 
Die vorstehende Tabelle 3 enthält die beobachteten 
und berechneten Einzelwerthe. 

Hieraus ergiebt sich (unter Weglassung des Ver- 
suchs Nr. 8) der Arbeitsverbrauch 

im Leergange zu 1^^ = 1,062 PS, 
im Arbeitsgange zu ^ = l,44i „ 
der Wirkungsgrad /n =0,265. 

4. Waeehnuuchdne von AndrS Köchlin Sf Co. 
(Elsässische Maschiuenbau-Gesellschaft) in Mühlhausen. 

Diese Maschine besteht aus drei Passagen von der 
durch Fig. 1, Tafel II, dargestellten Einrichtung und 
einer Mehl'schen Trockentrommel mit Einölapparat, 
vergl. Taf. III. Die gesammte Disposition ist aus der 
Grundrissskizze Fig. 2, Taf. II, zu ersehen. Das Ein- 
weichen der Wolle (in Seifen wasser von 50^ C.) erfolgt 
in einem der Bottiche aQÜia^a^; die Ueberführung 
nach der ersten Transportkette b^ geschieht mit Hülfe 
einer von Hand geführten eisernen Gabel; c^ ist 
die erste Walzenpresse; ein Lattentuch 6^ befordert 
das Material nach dem Bottich a^^ , in welchem (bei {»2) 
mittels eines Schöpfapparates die Zuführung des Seifen- 
wassers erfolgt; hier wird die Wolle durch einen Plon- 
geur (thumbler) d (s. Fig. 1, Taf. II) schnell unter- 
getaucht, durch schwingende Rechen Cj e^ langsam vor- 
wärts bewegt, endlich durch einen selbstthätigen Aus- 
heber f auf die Transportkette 63 befordert; diese bringt 
die Wolle in die zweite Walzenpresse c^ ; es folgen der 
wie a4 ausgestattete Spülbottich «5, Transportkette 65, 
Walzenpresse c^ und Transportkette ftg, welche die 
feuchte Wolle in die von warmer Luft durchströmte 
Trockentrommel g befördert (vergl. Fig. 1 u. 2, Taf. III) ; 
hier gelangt sie unter wiederholtenl Aufsteigen und 
Herabfallen nach dem tieferen Ende hin, fällt endlich 
auf die Transportkette 67, gelangt durch diese in den 
Einölapparat h und endlich in den Transportkasten i 
(Fig. 1, Taf. HI); mit k ist in der Grundrissskizze 
Fig. 2, Taf. II, ein Schrauben Ventilator bezeichnet, 
welcher die einem Dampfofen erwärmte atmosphärische 
Luft ansaugt und durch einen Kanal l unter die 
Trockentrommel g befördert; dieser Canal setzt sich 
über die beschriebene Maschine weiter fort, weil der- 
selbe Ventilator noch zwei andere Waschmaschinen mit 
erwärmter Luft zu versorgen hat; durch Drehklappen 



m (Fig. 1, Taf. III) kann das Canalstück n unter der 
Trockentrommel abgeschlossen oder mit dem Luftcanal 
l in Verbindung gesetzt werden. 

Die Bottiche a stehen annähernd auf gleicher Höhe, 
weil die Ueberführung der Waschflüssigkeiten von a^ 
nach a^, von a^ nach a^ und a^ u. s. w. mit Hülfe 
Körting 'scher Strahlpumpen erfolgt, von denen eine 

(in Y(\ ^^^ wirklichen Grösse) in Fig. 3, Tafel II, im 

Langschnitt dargestellt ist; bei a tritt der Dampf ein 
(Mündungsweite 16"™)» bei ß die Waschflüssigkeit, bei 
y erfolgt der Austritt nach dem Leitungsrohr. 

Grösse der Bottiche. 

Länge. Breite. Höhe. Fassungsraum. 
Einweichbottiche a^ag 5" 1°^ 0,7" 3,294^^™, 
Waschbottiche a^^ar, 4,5" 0,97" 0,675" 2,i76°^". 

Geschwindigkeit der Transportketten 6 = 
66"" pro See; Breite derselben 500"". 

Der Eintaucher (d in Fig. 1, Taf. II) ist eine 
kupferne Hohlwalze von 612"" Durchmesser, mit -vier 
querlaufenden Wülsten versehen, welche die einfallende 
Wolle fassen und untertauchen; Umdrehungszahl pro 

Min. im Bottich a^==60.-^pj-.-rp^.-:r^==9,b, imBoi^^ 



\ich. a« = 60.- 



227 34 22 



= 7,8. 



354 •45' 100 
Die Transportrechen (e in Fig. 1, Taf. II) 
haben eine Breite von 840"'", enthalten 12 kegelför- 
mige Zinken von 18 "" Basisdurchmesser, 430"" Länge, 
Theilung 70""; die Zahl der Spiele pro Min. beträgt 

^^•"^^'Z^'«^^^ -^^'^ ^^^ ^®^ Rechen des Bottichs 04, 

60.-öv-^-.TE»?7^= 10,4 bei denen des Bottichs a.; zur 
354 45 85 ^ 

Bewegung dient die aus der Zeichnung ersichtliche 
Modification des Schubkurbelgetriebes. 

Der Ausheber f (Taf. II) enthält drei pendel- 
artig aufgehängte Rechen (Länge der Zinken 430"'", 
Dicke an der Basis 19"", Anzahl 6, Theilung 45""), 
welche freihängend in die Waschflüssigkeit eintauchen, 
jedoch durch die glattrandige Scheibe d, welche auf 
einer am Gestell (verstellbar) angeschraubten Achse 
drehbar aufgeschoben ist, und an welcher die auf den 
Rechenachsen sitzenden Führungsdaumen € unter Mit- 
wirkung der Gewichte cp während der aufsteigenden 
Bewegung der Rechen anliegen, eine solche Ablenkung 
von ihrer Bahn erfahren, dass die Spitzen der Rechen- 
stäbe in Linien 12 3 über die Transportkette 63 auf- 
steigen, alsdann (wenn die Daumen e die Scheibe d 
verlassen) auf diese Kette niederfallen (Weg 3—4), auf 
derselben zuiückgleiten und hierauf wieder freihängend 



13 



der in der Eammgamfabrikation angewendeten Maschinen. 



14 



1. und 2. Walzenpresse 
3. Walzenpresse 



Unterwalze 
Oberwalze 

Unterwalze 
Oberwalze 



Die normale Geschwindigkeit der Unterwalzen beträgt 
60 Umdrehungen pro Min., was einen Umfangsweg von 
1,524" pro Secunde ergiebt. 

Die Trockentrommel g (s. Taf. III) hat eine 
Länge von 3,54™, einen Durchmesser von 1,63'"; die 
Achsenlinie ist unter einem Winkel von 5^10' {sina = 
0,0S9) nach vom geneigt; indem die eingeführte Wolle 
in Ebenen, welche normal zur Achsenlinie liegen, auf- 
steigt und alsdann in verticalen Geraden herabfallen, 
erfolgt nach und nach die Beförderung nach dem un- 
teren Ende ; die äussere Wandung der Trommel besteht 
aus Drahtgewebe von 8 "" Maschenweite ; innerlich sind 
32 Holzschienen befestigt (s. Fig. 2, Taf. III), welche 
in Abständen von 150"" hölzerne (am tieferen Ende 
bronzene) Stifte von 95"" Länge und 18"" Dicke an 
der Basis tragen; dieselben sind um 21^ nach vorwärts 
geneigt und heben die einfallende Wolle bis zum Trom- 
melscheitel; minutliche Tourenzahl 3,23 pro Minute, 
daher Umfangsweg pro Secunde 276""; die Zeit, wäh- 
rend welcher die Wolle in der Trommel verweilt, be- 
trägt 2 Minuten 32 Secunden.**) 



*) Ohne Rücksicht auf das Eigengewicht der Hebel. 

**) Bezeichnet 
L die Länge der Trommel in Metern, soweit sie für die Be- 
wegung der Wolle in Betracht kommt, 
2> den (innem) Trommeldurchmesser in Metern, 
a den Neigungswinkel der Trommelachse, 
u die minutliche Tourenzahl der Trommel (deren Werth jeden- 



üalls unter der Grenze 



SO r\g 
n f D 



bleiben muss), 



g die Beschleunigung der Schwere, 

t die Zeit, w&hrend welcher die Wolle in der Trommel ver- 
weilt, so folgt 
die Zeit für jedes Aufsteigen der Wolle 

die Zeit für jedes Herabfallen 



in die kreisförmige Bahn zurücktreten; beim Zurück- 
gleiten auf 63, von 4 nach 5, erfolgt die Uebertragung 
der aufgenommenen Wolle an die Stäbe der Transport- 
kette in einer sehr befriedigenden Art; der Apparat ] 
vermeidet alle unnöthigen Bew^ungen der Wollhaare 
gegeneinander. 

Die minutliche Tourenzahl des Apparates beträgt 



338 20 
beim Bottich a, 60. ^y^^ • ^n^ == '»ic» beim Bottich a« 

* 354 160 ** 

277 20 

60. ö^. . -zrp^Tr- = 5,87, so dass auf bm 21, auf br 18 Auf- 
354 160 9 y o 

legungen pro Minute erfolgen. 

Die Walzenpressen haben eine Arbeitsbreite von 
550 mm. jjje übrigen Daten zeigt folgende Tabelle. 

Durchm. Zapfendicke. Walzengewicht. Belastung.*) 

485 mm 95 mm 510 k? i 7.0 kg 

560"" 100"" 568^ 4^40 , 



• 485 
560 



mm 



110 



mm 



607 ^K 



mm 



115"" 660^8^ 



9625*^8. 



Das Gewicht der Trommel beträgt 250^«; sie wird 
durch Laufrollen 00 gestützt (Durchmesser 255"", 
Zapfendicke 45""), welche von einer besonderen An- 
triebwelle aus Drehung empfangen und mittels Reibung 
an die Trommel übertragen, die an den betreffenden 
Stellen Ringe von T-Eisen trägt (Durchmesser 1,645") 
Die in der Zeichnung bei p ersichtlichen Bürsten haben 
den Zweck, die etwa auf den Kanten der Bretor q ver- 
bleibende Wolle abzustreifen. 

Der Oelapparat h (Taf. III) besteht aus einem 
Vorrathsbehältor r, aus welchem ein System in gerader 
Reihe stehende Schöpflöffel s (Länge der Tragarme 
150"", minutliche Tourenzahl 3,5) das Oel aufschöpfen, 
um es an der Kante des nach abwärts gekrümmten 
Bleches t abzustreifen ; hier fliesst es nach dem Walzen- 
paar u (Länge 675"", Durchmesser 273, minutliche 
Tourenzahl 25,3, Umfangsweg pro See. 362 ""), welches 
die Wolle von der Transportkette b-j in Empfang nimmt; 
die Bürste v soll das Oel gleichförmig vertheilen, die 
Riffel walzen w (Durchmesser 138"", Tourenzahl pro 
Min. 56,3, Umfangsweg pro See. 407"") streifen die 
anklebende Wolle von der Walzenumfläche ab. 

Der (für 3 Waschmaschinen bestimmte) Venti- 
lator k ist ein Sflügliger Schraubenventilator aus der 
Sachs. Maschinenfabrik in Chemnitz; Durchmesser der 
(kreisförmigen) Lufteintrittsöffnung 610"", Querschnitt 
derselben 0,292 □", Durchmesser des Flügelrades 640"", 
minutliche Tourenzahl desselben 979, Neigungswinkel 
der Schaufeln gegen die Umdrehungsebene 65 ^, grösste 

die Zahl der Auf- und Abbewegungen 

n = rr-i f somit 

IJ . tan a 

die Zeit des VerweUens 

* =B n (*, + L) = ^c ^ ( hl/ — ) Secuuden. 

Im vorliegenden Falle ist L =-- 2,22™ anzunehmeD, D = 1,48™, 
tana = 0,0973, u == 3,23, woraus sich * == 162 Secunden berechnet. 



15 



Hart ig, Versuche über Leistung und Arbeitsverbrauch 



16 



Länge der Schaufeln 430"", grösste Breite derselben 
200"", Querschnitt der (ringförmigen) Ausströmungs- 
öflfnung 0,269 □ ". Zu diesem Ventilator (dessen Durch- 
schnitt auf der später mitzutheilenden Zeichnung einer 
Gamtrockenmaschine enthalten ist) gehört eine Vor- 
gelegswelle von 60"" Dicke mit einer Antriebscheibe 
von 265"" Durchmesser und einer treibenden Scheibe 
von 470""; normale Tourenzahl 380 per Min. 

Die stündliche Leistung dieser Maschine betrug 
nach einer auf ein Quantum von 52645 Wiener Pfund 
= 29481^« bezüglichen Aufzeichnung der Direction an 
roher Wolle (ungarische Rückenwäsche JBI) 142,4 ^s, 
an gewaschener Wolle (Verlust 42,3 Proc.) 82,2^«. 

Für dieselbe Wollsorte wurde während der Ver- 
suche beobachtet die auf die Stunde wirklichen Arbeits- 
ganges bezogene Leistung 

an roher Wolle . . . 296,5»^, 
an gewaschener Wolle 171,o^«, 



woraus sich der Coef&cient für normalen Arbeitsgang zu 
/"=0,48 berechnet (d. h. Zeitverlust durch normale 
Stillstände = 100 — 48 = 52 Procent). Die Wäscherei 
ist zur Zeit noch nicht vollständig ausgenützt, da sie 
mit Rücksicht auf eine künftige Vergrösserung der 
Kämmerei angelegt wurde. 

Zur Ermittelung des Arbeitsverbrauchs waren für 
diese Maschine 5 Aufstellungen erforderlich, deren Ort 
in Fig. 2 auf Tafel II durch die Ziffern I— V be- 
zeichnet ist. 

Erste Aufstellung. Erste Walzenpresse nebst 
zwei Transportketten. 

Von den zur Ausführung gelangten 9 Versuchen, 
deren Resultate folgende Tabelle aufweist, beziehen sich 
Nr. 1 — 4 und Nr. 9 auf den Leergang, Nr. 5 — 8 auf 
den Arbeitsgang. Die Diagramme der Versuche Nr. 4 
und 5 sind in Fig. 4 und 5 der Tafel II in 7, der 
wirklichen Grösse wiedergegeben. 



Nummer 
des 


Mi 
am 


nutliche Tourenzj 
der 


der 


MitÜere 
Federspannung 


Widerstand 
am Halbm. 
1" der An- 


Arbeitsverbrauch für die normale 

Tourenzahl der Unterwalze 

(u, — 60 pro Min.) 


Versuchs. 


Dynamometer 
u. 


Antriebwelle, 

berechnet 
Uj — 0,496. t*. 


Antriebwelle, 
beobachtet. 


in Kilogr. 
S. 


triebwelle 
0— 0,0481. S. 


Sec-Met-Kil. 
i4=6,28.*. 


Pferdestärken 

^75* 


1 


125,5 


62,2 


64 


(C, a) 243 


11,69 


73,41 


0,98 


2 


126 


62,5 


63,5 


254 


12,22 


76,74 


1,02 


3 


126,5 


62,7 


64 


214 


10,29 


64,62 


0,86 


4 


119 


59,0 


60 


213 


10,25 


64,37 


0,86 


5 


120 


59,5 


60 


289 


13,90 


87,29 


1,16 


6 


120 


59,5 


60 


299 


14,38 


90,31 


1,20 


7 


120,5 


59,8 


60 


296 


14,24 


89,43 


1,19 


8 


121 


60,0 


61 


279 


13,42 


84,28 


1,12 


9 


124 


61,5 


63 


220 


10,58 


66,44 


0,89 



Hiernach erfordert diese erste Walzenpresse mit 
zugehörigen Transportketten ein Arbeitsquantum von 

Nq = 0,92 PS im Leergange, 
^ =1,17 „ im Arbeitsgange. 



Zweite Aufstellung. Zweite Walzenpresse nebst 
zwei Transportketten, ein Plongeur, zwei Rechen, ein 
Auflegapparat, ein Schöpfapparat für Seifenwasser 
(Construction von Ernst Mehl, ähnlich dem Schöpf- 



Nummer 
des 


Minutliche Tourenzi 

««, der 

am 1 


ähl 

der 


Mittlere 
Federspannung 


Widerstand 
am Halbm. 
1"* der An- 


Arbeitsverbrauch für die normale 

Tourenzahl der An trieb welle 

(m, « 60 pro Minute) 

1 


Versuchs. 


Dynamometer 
u. 


Aiitneb welle, 

berechnet 
Uji - 0,496. w. 


Antriebwelle, 
beobachtet 


in Kilogr. 
S. 


triebwelle 
= 0,0481 . S. 


Sec-Met-Kil. 
A — 6,28 . 0. 


Pferdestärken 
^- 75- 


1 


127 


63,0 


63 


(C, a) 239 


11,50 


72,22 


0,963 


2 


128,5 


63,7 


65 


270 


12,99 


81,58 


1,09 


3 


126 


62,5 


64 

1 


280 


13,47 


84,59 


1,13 


4 


125,5 


62,2 


63,5 


305 


14,C7 


92,13 


1,23 


5 


125,5 


62,2 


; 63,5 


243 


11,69 


73,41 


0,979 



17 



der in der Kammgamfabrikation aügöwendeten Maschined. 



Id 



apparat für Oel). Es wurden 5 Versuche angestellt, 
von denen Nr. 1 und 5 den Leergang, Nr. 2 — 4 den 
Arbeitsgang bei normaler Beschickung betrafen. 
Resultate vorstehend. 
Hiemach Betriebsarbeit ' 

im Leergange ^o==0,97PiS, 
im Arbeitsgange JV = l,i5 „ 



Dritte Aufstellung. Dritte Walzenpresse mit 
zwei Transportketten, ein Plongeur, zwei Rechen, ein 
Auflegapparat. 

Von den zur Ausfuhrung gelangten 9 Versuchen 
bezogen sich Nr. 1 — 4 und Nr. 9 auf den Leergang, 
Nr. 5 — 8 auf den Arbeitsgang. 

Folgende Tabelle zeigt die Ergebnisse: 





Minutliche Tourenzahl 




Widerstand 


Arbeitsverbrauch für die normale 


T^fnmmpr 








Mittlere 


am Halbm. 


Tourenzahl der Antriebwelle 


des 
Versuchs. 


ftm 


der 


dPT 


Federspannung 


1" der An- 


(tt, = 60 pro Min.) 


Dynamometer 


Antriebwelle, 
berechnet 


Antriebwelle, 


in Kilogr. 
8. 


triebwelle 

ro,o«n 

* \0,0487/ '^- 


Sec-Met-Kü. 


Pferdestärken 
A 




U. 


u,=s 0,496. u. 


beobachtet. 




^ = 6,28. (P. 


^ 75" 


1 


123,5 


61,3 


62,5 


(C, fl) 465 


22,37 


140,5 


1,87 


2 


124 


61,5 


62,5 


460 


22,13 


139,0 


1,85 


3 


125,6 


62,2 


63 


(2), a) 430 


20,94 


131,5 


1,75 


4 


123 


61,0 


62 


455 


22,16 


139,2 


1,85 


5 


123,5 


61,3 


62 


510 


24,84 


156,0 


2,08 


6 


123 


61,0 


61,5 


530 


25,81 


162,1 


2,16 


7 


122,5 


60,8 


61,5 


530 


25,81 


162,1 


2,16 


8 


121,5 


60,3 


61,0 


530 


25,81 


162,1 


2,16 


9 


125,5 


62,2 


62,5 


460 


24,40 


153,2 


2,04 



Hieraus berechnet sich für die dritte Walzenpresse 
mit Zubehör die Betriebsarbeit 

im lieergange JS/o = l>87P5, 
im Arbeitsgange ^ =2,i4 „ 
Hier macht sich der Einfluss der viel stärkeren 
Belastung der Walzen (175^« pro l*^'" Walzenlänge 
statt 86,2^8) bemerklich. 

Vierte Aufstellung. Trockentrommel nebst 
einer Transportkette und Oelapparat, eine Antriebwelle. 



Von den zur Ausföhrung gelangten 11 Versuchen 
bezogen sich Nr. 1 — 3 auf die Antriebwelle allein, 
Nr. 4 und 5 auf den Oelapparat nebst Transportkette, 
Nr. 6 auf Trommel und Oelapparat im Leergange, 
Nr. 7 — 11 auf den Arbeitsgang von Trommel und 
Oelapparat. 

Die Ergebnisse wurden in folgender Tabelle zu- 
sammengestellt. 





Minutliche Tourenzahl 




Widerstand 


Arbeitsverbrauch für die normale 


Nummer 








Mittlere 


am Halbm. 


Tourenzahl der Antriebwelle 


dAfi 


fl.Tn 


der 


(\0r 


Federspannung 


1" der An- 


(Ui — 88 pro Min.) 


UvB 

Versuchs. 


Dynamometer 


Antriebwelle, 
berechnet 


Antriebwelle, 


in Kilogr. 
S. 


triebwelle 
r0,0243\ ^ 
^ \0,0233/^- 


. Sec.-Met.-Kü. 


Pferdestärken 
A 


, 


t«. 


ttj— 0,937. u. 


beobachtet 




Ä = 9,21 . *. 


N — 

^ 75* 


1 


94,5 


88,5 


85 


(C, b) 63 


1,581 


14,10 


0,188 


2 


94 


88,1 


88 


{A, h) 61,5 


1,433 


13,20 


0,176 


3 


95 


89,0 


85 


60,5 


1,410 


12,99 


0,173 


4 


94 


88,1 


80,5 


23 


0,536 


49,37 


0,658 


5 


95 


89,0 


86,5 


21 


0,489 


45,04 


0,601 


6 


94 


88,1 


87 


50,5 


11,77 


108,4 


1,45 


7 


94 


88,1 


87 


86 


20,04 


184,6 


2,46 


8 


93,5 


87,6 


87 


90 


20,97 


193,1 


2,57 


9 


94 


88,1 


83,5 


97 


22,60 


208,1 


2,78 


10 


94 


88,1 


87 


91,5 


21,32 


196,4 


2,62 


11 


94 


88,1 


86,5 


79,5 


18,5? 


170,6 


2,27 



CiTllliiffenietir XXIU. 



19 



Hartig, Versuche ttber Leistung und Arbeitsverbranch der Maschinen in der Eammgam&brikation. 



20 



» 



9f 



99 



Hiernach erfordert an Betriebsarbeit 

die Antriebwelle allein 0,i8P/S, 

Oelapparat mit Transportkette . . . 0,63 
Trommel nebst Oelapparat und Trans- 
portkette, leer .... jyo = l,45 
Dieselben Organe im Arbeitsgange N =2,54 

Betrachtet man diese Waschmaschine bis hierher 

(also unter Ausschluss des Ventilators) als ein Ganzes, 

so berechnet sich die totale Betriebsarbeit wie folgt . 

für den Leergang Arbeitsgang 

1. Walzenpresse 0,92 PiS 1,17 PS 

2. „ nebst Zubehör 0,97 „ 1,16 

3. „ „ „ 1,87 „ J,14 

Trockentrommel und Oelapparat 1,45 „ 2,54 „ 

Summa 5,2iP/S~~77öoPS. 



» 



» 



Als Wirkungsgrad dieser ganzen Maschine würde 
sich sonach der Werth 

7,00 — 5,21 

t^ = — rj =0,256 

ergeben. 

Fünfte Aufstellung. Schrauben Ventilator nebst 
Vorgelegswelle. 

Sechs Versuche, von denen Nr. 1 — 3 sich auf die 
Vorgelegswelle allein beziehen, Treibriemen des Ven- 
tilators auf der Losscheibe liegend; bei Versuch Nr. 
4 — 6 war der Ventilator in normalem Gange. Eine 
Messung der beförderten Luftmenge wurde nicht aus- 
geführt. 

Folgende Tabelle enthalt die Beobachtungsdaten. 



Nummer 
des 


Mii 
am 


[ludiche Tourenzs 
der 


khl 

des 


Mittlere 
Federspannung 


Widerstand 
am Halbm. 
1™ der An- 


ArbeitSYerbrauch für die normale 

Tourenzahl der Antriebwelle 

(u, = 380 pro Min.) 


Versuchs. 


Dynamometer 


Antriebwelle, 

berechnet 
tt, °=l,51.u. 


Ventilators 
Ma — 2,84 u. 


in Kilogr. 


triebwelle 
^=- 0,0267. Ä 


Sec-Met.-Kil. 
i4 = 89,79.*. 


Pferdestärken 
^ 76* 


1 


254,6 


384 


723 


(C, h) 92,5 


2,470 


98,28 


1,31 


2 


254,5 


384 


723 


87 


2,323 


92,43 


1,83 


3 


256 


387 


727 


92 


2,456 


97,72 


1,30 


4 


245 


370 


696 


392 


10,47 


416,6 


5,55 


5 


249,5 


377 


709 


380 


10,15 


403,9 


5,39 


6 


249 


376 


707 


380 


10,79 


429,3 


5,75 



Es beträgt daher die mittlere Betriebsarbeit 

der Antriebwelle bei Mi = 380 Umdrehungen pro Minute 1,28 PS, 



des Ventilators bei tij = 979 

Vertheilt man den Arbeitsverbrauch dieses Ven- 
tilators auf die drei Wäscherei-Systeme, die er bedient, 
zu gleichen Theilcn, so folgt als totale Betriebsarbeit 
eines solchen Systems der Werth 

5 23 
iV= 7,00 -f. -~ = 7,00 + 1,74 = 8,74 PS. 



» 



J> 



„ iV = Ö,23 „ 

Das Quantum der mittels dieser Maschine gewa- 
schenen Wolle (lufttrocken) ergiebt sich pro Stunde und 
Pferdestärke zu 

171 



8,74 



= 19,5^ 



(Fortsetzung folgt) 



Neuere Literatur über die Bewegung des Wassers iu Flllissen und Canälen. 



Von 

K. B. Bornemann, 

Kttnstmeister in Freiberg in Sachsen. 



1. H. Grebenau, Die internationale Rheinstrom-Messang bei Basel, vorgenommen am 6. — 12. November 1867. München 1873. 

Lindenauer'sche Bachhandlung. 

2. A. R Harlacher, Beiträge zur Hydrographie des Königreichs Böhmen. Erste Lieferung 1872, zweite Lieferung 1873, dritte 

Lieferung 1874. Separatabdruck aus den „Technischen Blättern''. Prag, Ottomar Beyer. 

3. Robert Gordon, fragment containing a discussiou of a new Formula for the Flow of Water in open Channels. Milano, 

1873, tipografia e litografia degli Ingegneri. 

4. Robert Gordon, on the Theory of the Flow of Water in open Channels. Rangoon 1875. 



Nach dem Erscheinen der hervorragenden Werke 
der Amerikaner Humphreys und Abbot und der 
Franzosen Darcy und Bazin^ wovon das erstere die 
Darlegung grossartiger hydrometrischer Arbeiten im 
Mississippi 9 einem Riesenstrome mit äusserst geringem 
Gefalle, enthält , das zweite aber sehr sorgsam durch- 
geführte Versuche in kleineren Experimentircanälen mit 
starkem Gefälle behandelt, hat sich die einschlagende 
Literatur grösstentheils darauf beschränkt, die von den 
vorgenannten Experimentatoren aufgefundenen Gesetze 
an anderweiten Versuchen zu prüfen und auf Grund 
jener grossartigen Versuchsreihen empirische Formeln 
über die Bewegung des Wassers in Flüssen und Ca- 
nälen aufzustellen. Namentlich hat die Darcy-Bazin'- 
sche Theorie, welche die Bauhheit des Flussbettes als 
einen sehr wichtigen Factor einfährt, vielen Beifall ge- 
funden, und ist von den Schweizern Ganguillet und 
Kutter mit grosser Eleganz weiter ausgebildet worden ; 
trotzdem wird Niemand leugnen wollen, dass die auf- 
gestellten Formeln auf äusserst schwachen theoretischen 
Grundlagen beruhen und kaum einen höheren Werth als 
den Yon Interpolationsformeln beanspruchen können. Da 
aber, bezüglich der Theorie der Bewegung des Wassers 
in Flüssen und Canälen, selbst unsere grössten Hy- 
drauliker noch nicht ganz im Klaren sind, so sieht 
sich der Praktiker lediglich auf die Hoffnung ver- 
wiesen, dass durch Vermehrung der Versuche dieser 
Unsicherheit und Unklarheit mehr und mehr abgeholfen 
werden dürfte, und es wird dcmgemäss gerechtfertigt 
erscheinen, wenn im Nachfolgenden ein Ueberblick über 



die neuesten Erscheinungen auf diesem Gebiete der 
Hydraulik zu geben versucht wird. 

Die älteste hier zu besprechende Veröffentlichung 
behandelt 

• 

die iniematümale Bhemstrommessung hei Basels 

welche aus den Vorberathungen einer am 1. No- 
vember 1867 zu Basel zusammengetretenen Conferenz 
von Technikern der Schweiz, Badens, Frankreichs 
und Bayerns hervorgegangen ist. Die damals be- 
schlossenen internationalen Versuche bezweckten nicht 
blos eine genaue Bestimmung der Wasserführung des 
Rheines bei Basel, sondern es sollten zugleich ver- 
schiedene Methoden und Instrumente zum Wassermessen 
unter möglichst gleichen Verhältnissen unter sich ver- 
glichen werden, auch sollten die Versuche bei Hoch-, 
Mittel- und Niedrigwasser durchgeführt und hieran 
dann regelmässige Pegelbeobachtungen an verschiedenen 
Stationen bis Mannheim hinab, sowie gleichzeitige Auf- 
zeichnungen der Niederschlagsmengen und Tempera- 
turen angeschlossen und gegenseitig ausgetauscht werden. 
Leider ist dieses Programm nur in sehr beschränkter 
Weise durchgeführt worden, so dass die erzielten Re- 
sultate kaum mehr als ein bescheidenes Plätzchen neben 
den grossartigen Arbeiten der Amerikaner beanspruchen 
können, doch ist das Studium des Grebenau 'sehen 
Werkes deshalb nicht minder lehrreich, da dasselbe 
eine sehr ausfuhrliche und übersichtliche Darstellung 
der abgeführten Versuche giebt und mancherlei wich- 
tige Fingerzeige für derartige Arbeiten enthält. 



23 



Bornemann, Neuere Literatur über die Bewegung des Wassers in Fltlssen und Canälen. 



24 



Bei Basel, wo der Rhein sich in einer starken Krüm- 
mung von Osten nach Norden wendet und ein z. Th. 
felsiges Bette zeigt, war es nicht leicht, eine geeignete 
Stelle für die beabsichtigten Versuche zu finden; man 
entschied sich jedoch für eine ca. 120™ oberhalb der 
obem Drahtseilfähre gelegene, nur schwach gekrümmte, 
am Grunde mit grossen, etwa 5 bis 16 Pfund schweren 
Geschieben bedeckte Flussstrecke, in welcher der Strom- 
strich nahe mit der Mitte des Flusses zusammenfiel. 
Ausser dem für die eigentliche Messung bestimmten 
Profile wurden noch zwei Profile rechtwinkelig zum 
Stromstriche aufgenommen, wovon das eine oberhalb, 
das andere unterhalb der eigentlichen Messungsstelle 
gelegen war, und es maassen bei 5 Fuss Baseler Pegel 
diese Profile (in der Reihenfolge von oben stromabwärts 
nach unten gezählt) 438,oii, 426,152 und 420,796 Qua- 
dratmeter, während ihre Entfernungen vom Mittelprofil 
am linken Ufer 90, am rechten aber nur 70,65 Meter 
betrugen. Die Profilmessung geschah mit Hilfe einer 
über den Fluss gespannten und von drei Nachen ge- 
tragenen Leine, an welcher die Längen von einem 
vierten Schiffe aus mittelst Messlatten gemessen wurden. 
Die Tiefenmessungen wurden in Abständen von 3 und 
6 "' mittelst Sondirstange vorgenommen, auch die Ufer- 
profile genau aufgenonmien. Um das Schwanken der 
Wasserstände jederzeit verfolgen zu können, war an 
der Mcssungsstelle ein Hilfspegel angebracht. Trotz 
der sehr vorgerückten Jahreszeit (5. bis 14. November 
1867) war die Witterung günstig, auch wurden die 
Arbeiten durch niedrigen und wenig schwankenden 
Wasserstand begünstigt. 

Die hauptsächlichsten Geschwindigkeitsmessungen 
wurden mittelst eines von Ertel und Sohn in München 
bezogenen Weltmann 'sehen Flügels vorgenommen, 
dessen Flügelrad 0,i9" Durchmesser und nur zwei 
unter 45® gegen die Axe geneigte am Umfange 7,5*^" 
breite und 4,5 ^'^ lange Flügel besass. Derselbe war 
am untern Ende einer eisernen Stange in der Art be- 
festigt, dass seine Axe durch eine damit verbundene 
kreuzförmige Fahne von selbst in die Richtung des 
Stromes eingestellt wurde. Der Beobachter befand sich 
auf einem über zwei Kähne weggelegten Podium und 
konnte den Flügel an der stromaufwärts gerichteten 
Seite dieses Podiums in beliebige Tiefen versenken , das 
Doppelschiff selbst aber konnte mit Hilfe von 2 Ankern 
sicher an die verschiedenen Stellen des Querprofiles 
gebracht werden, in welchen beobachtet werden sollte, 
und die genaue Entfernung der eisernen Stange des 
Flügels von dem Festpunkte am Ufer wurde mittelst 
des Reichenbach 'sehen Distanzmessers gefunden. 

Ueber die nähere Einrichtung dieser Apparate, so- 



wie über das Verfahren bei Anstellung der Beobach- 
tungen ertheilt unsere Quelle ausfuhrliche Auskunft, 
wogegen nähere Angaben über die Justirung des Wolt- 
mann 'sehen Flügels, d. h. über die Versuche zur Be- 
stimmung seiner Constanten zu wünschen gewesen wären. 
Bei dieser Arbeit scheint der Herr Verfasser zunächst 
von der Ansicht ausgegangen zu sein, dass das Ver- 
hältniss zwischen der Umdrehungszahl des Flügelrades 
und der Wassergeschwindigkeit ein constantes sei, hat 
aber bei den im Germersheimer Pontonhafen angestellten 
Versuchen zur Bestimmung dieses Quotienten gefunden, 
dass obiges Verhältniss bei Zunahme der Geschwindig- 
keit von 0,4 auf 2 '" pro Secunde von 0,6i48 auf 0,5263 
abnimmt, und glaubt, dass der Coefficient bei mehr als 
2™ Geschwindigkeit constant bleibe. Da der Flügel 
bei 2'" Geschwindigkeit 190 Umdrehungen in 50 Secunden 
machte, bei den Messungen im Rheine aber bis zu 250 
Umdrehungen in dieser Zeit beobachtet worden sind, 
so wäre eine weitere Ausdehnung der Versuche zur 
Justirung des Flügels jedenfalls nicht unnöthig gewesen. 
Uebrigens erscheint die aufgestellte Formel etwas com- 
plicirt und hätte die Berechnung der Coefficienten nicht 
bis auf 4 DecimalsteUen getrieben zu werden gebraucht, 
da die Geschwindigkeitsmessungen sicher nicht bis auf 
Zehntel-Millimeter genau bewirkt werden können. Jede 
Flügelbeobachtung wurde auf 2 Minuten Zeit ausgedehnt 
und drei- bis viermal wiederholt. 

Zur Ermittelung der Oberflächengeschwindigkeiten 
hat der Herr Verfasser auch Schwimmerteobachtungen 
angestellt. Hierbei wurden theils cubische Holzklötze 
von 0,3™ Seitenlange, welche ganz eintauchten, theils 
kurze Stäbe von 0,6 bis 0,9™ Eintauchung angewendet, 
welche man gruppenweise zu 10 bis 20 von einem ober- 
halb der für die Schwimmerbeobachtungen abgesteckten 
90™ langen Stromstrecke stationirten Schiffe aus abliess 
und deren Bahn durch Messtischaufnahme bestimmt 
wurde. Zu diesem Behufe waren parallel zu dem Quer- 
schnitt, in welchem die Flügelbeobachtungen angestellt 
wurden, in 45™ Entfernung davon, sowohl stromauf- 
als stromabwärts ein Paar Querprofile abgesteckt, und 
es vnirden durch zwei in der Richtung dieser Profile 
am Ufer postirte Beobachter der Ein- und der Austritt 
jedes Schwimmers signalisirt, während ein dritter In- 
genieur an der Secundenuhr diese Momente notirte und 
ein vierter Beobachter auf dem Messtisch die Punkte 
auftrug, wo jeder Schwimmer diese Profile passirte. 
Aus den beobachteten Schwimmzeiten wurde das Mittel 
genommen und damit in den Abstand der beiden Pro- 
file dividirt, um die mittlere Geschwindigkeit der 
Schwimmergruppo zu erhalten; als Ort, für welchen 
diese Geschwindigkeit gelte, wurde aber ein Punkt 



25 



Bornemann, Neuere Literatur über die Bewegung des Wassers in Fltlssen und Canälen. 



26 



angesehen, dessen Abstand vom Ufer dem Mittel aus 
den Abständen derjenigen Punkte gleich war, in wel- 
chem die einzelnen Schwimmerwege das Mittelprofil 
schnitten. 

Gegen dieses Verfahren dürfte einzuwenden sein, 
dass eigentlich für jeden Schwimmer aus der Länge 
seines Weges und der dazu verbrauchten Zeit die Ge- 
schwindigkeit zu bestimmen und dann aus diesen Ge- 
schwindigkeiten das Mittel zu nehmen gewesen wäre; 
da aber die Länge der Schwimmerwege selbst dann nur 
annähernd erhalten wird, wenn man auch im Mittel- 
profil noch den Durchgang der Schwimmer aufnimmt, 
so wird das einfachere Verfahren des Herrn Verfassers 
nahezu ebenso genaue Resultate geben. Indessen dürfte 
es dann auch schon genügen, wenn nur die Durch- 
gangspunkte der Schwimmer durch das Mittelprofil auf- 
genommen werden, wie man dies gewöhnlich thut, da 
die Art, wie der Herr Verfasser die Schwimmerwege 
constniirt, nur sehr ausnahmsweise richtige Resultate 
geben kann. 

Mit dem Weltmann 'sehen Flügel wurde die Ober- 
flächengeschwindigkeit an 5 Punkten des Mittelprofiles 
für 5,625 Baseler Pegel, ferner an 4 Punkten für 5, 175 
Fuss Pegelstand und aus den Schwimmerbeobachtungen 
tui 9 Punkten für 4,85 Fuss Pegelstand bestimmt und 
es konnten somit drei Wasserspiegelgescliwiudigkeits- 
curven graphisch verzeichnet werden. Aus diesen 
Curveu hat sodann der Herr Verfasser mittelst gra- 
phischer Interpolation die Wasserspiegelgeschwindig- 
keitscurve für 5,o Baseler Pegel constniirt. Die fünf 
Punkte der ersten Beobachtungsreihe sind so vertheilt, 
dass sie eine ziemlich sichere Construction der Curve 
gestatten, doch wäre noch ein Punkt in grösserer Nähe 
des rechten Ufers zu w^üuschen gewesen, die zweite 
Beobachtuugsreihe enthält nur vier Punkte in der Mitte 
des Profiles und auch bei der dritten Beobachtungs- 
reihe fehlen Beobachtungen in grösserer Nähe des Ufers, 
namentlich auf der rechten Seite. Die Form dieser 
Curveu ist demgemäss nicht ganz mit der wünschens- 
wertheil Sicherheit zu verzeichnen möglich, namentlich 
erscheint es zweifelhaft, ob die Geschwindigkeit am Ufer 
gleich Null angenommen werden durfte, wie hier ge- 
schehen ist. 

Auch dürfte wohl in Frage zu ziehen sein, ob die 
Ergebnisse der Schwimmerbeobachtungen unmittelbar 
mit denen der Flügelbeobachtungen verglichen werden 
dürfen, da letztere die Geschwindigkeit im Mittelprofil, 
erstere aber die mittlere Geschwindigkeit auf einer 
längeren Flussstrecke ergeben, und da die Flügelbeob- 
achtungen die Geschwindigkeit bei 0,25™ unter dem 



Wasserspiegel, die Schwimmversuche aber die Geschwin- 
digkeit in 0,15" unter dem Wasserspiegel anzeigen. 

Femer wurden an sechs Punkten des Querprofiles 
mit dem Weltmännischen Flügel die Geschwindig- 
keiten in verschiedenen Tiefen gemessen, was aber nicht 
an einem Tage geschehen konnte, sondern an verschie- 
denen Tagen und bei verschiedenen Wassei-ständen ge- 
schehen ist. Diese Geschwindigkeiten wurden für jede 
Verticale graphisch verzeichnet und ihre Endpunkte 
durch eine vom Boden zur Oberfläche reichende Curve 
verbunden, die sogenannte Verticalgeschwindigkeits- 
parabel. Durch Ausmittelung des Flächeninhaltes dieser 
Curven und Division desselben mit der ganzen Tiefe 
wurde dann die mittlere Geschwindigkeit in der Ver- 
ticalen erhalten, über deren Ort und Verhältniss zur 
Wasserspiegelgeschwindigkeit weitere Erörterungen an- 
gestellt wurden. 

In der ersten Verticalen in 7,3 Meter Abstand vom 
linken Ufer wurden bei 5,7 Pegelstand und 1,93 •" Was- 
sertiefe die Geschwindigkeiten in 0,25, 0,6, l,i2 und 
1,67™ Tiefe gemessen, in der zweiten Verticalen bei 
54,275"' Abstand vom linken Ufer wurden bei 5,i2 Pe- 
gelstand und 2,85™ Wassertiefe Messungen in 0,25, 1,65 
und 2,65'" Tiefe angestellt, in einer dritten Verticalen 
bei 79,98™ Abstand vom linken Ufer und 4,7 Pegelstaud 
(2,65™ Wassertiefe) ist in 0,25, 0,76, 1,64, 2,o und 2,45™ 
Tiefe beobachtet worden, in der vierten bei 4,55 Pegel- 
stand 82,9™ vom linken Ufer entfernten und 2,6™ tiefen 
Verticalen wurde bei 0,25, 0,6, 1,5 und 2,3™ Tiefe ge- 
messen, in der fünften bei 4,42 Pegelstand 145,25 ™ vom 
linken Ufer entfernten und 1,9" tiefen Verticalen fanden 
die Geschwindigkeitsmessungen in 0,25, l,i, 1,4 und 1,7™ 
Tiefe statt und in der sechsten bei 4,67 Pegelstand um 
173,975™ vom linken Ufer entfernten und 1,35™ tiefen 
Verticalen wurde in 0,25, 0,8 und l,i5™ Tiefe beobachtet. 
Die Bodengeschwindigkeiteu ergaben sich aus der gra- 
phischen Auftragung der beobachteten Geschwindigkeiten 
und die Oberflächengeschwindigkeit wurde derjenigen 
gleich gesetzt, welche bei 0,25™ unter der Obei-fläche 
beobachtet worden war. Da die Wasserspiegelbreite 
bei 4,55 Pegelstand 200, 1™ betrug, so lag die letzte 
Verticale noch ca. 26™ vom rechten Ufer entfernt. 

Da bei den Messungen von Humphreys-Abbot, 
Darcy-Bazin und Dupuit die mittlere Geschwindig- 
keit einer Verticalen in einer Tiefe = 0,577 der Wasser- 
tiefe unter der Oberfläche gefunden worden ist, so hat 
der Herr Verfasser bei den Baseler Messungen auch 
jederzeit eine Geschwindigkeitsmessung in dieser Tiefe 
vorgenommen und die dort beobachtete Geschwindigkeit 
mit der aus den Parabeln abgeleiteten mittleren Ge- 
schwindigkeit verglichen, wobei sich in der That eine 



27 



BornemanD, Neuere Literatur über die Bewegung des Wassers in Flüssen and Ganäien. 



28 



recht gute üeboreinstiinmung ergiebt, denn die Ge- 
schwindigkeit in 0,58 der Wassertiefe betrug in den 
6 Verticalen 
99,50 99,85 103,88 104,45 103,04 106,07 Procent 

von der berechneten wahren mittleren Geschwindigkeit. 

Das Verhältniss zwischen dieser mittleren und der 
Wasserspiegelgeschwindigkeit schwankt zwischen 0,7727 
und 0,8525 und beträgt im Mittel 0,8226. 

Endlich ist auch noch untersucht worden, wie sich 
die von Humphreys-Abbot aufgestellte Formel zur 
Berechnung der mittleren Geschwindigkeit aus der 
grössten und kleinsten Geschwindigkeit in einer Ver- 
ticalen bewähre, worüber indessen hier nicht weiter 
berichtet werden soll, da diese Bestimmung für die 
Praxis ziemlich werthlos ist, insofern die Bodengeschwin- 
digkeit und die grösste Geschwindigkeit, sowie die Tiefe, 
in welcher diese vorkommt, nur aus der Construction 
der Verticalparabel ermittelt werden kann. 

Um nun aus den bei verschiedenen Pegelständen 
in 6 Verticalen gefundenen mittleren Geschwindigkeiten 
die Durchflussmenge des Rheines in dem vermessenen 
Profile für den Pegelstand von 5 Fuss zu ermitteln, 
schlägt der Herr Verfasser den Weg ein, dass er die 
Curve der mittleren Geschwindigkeiten für 5 Fuss Pegel- 
stand construirt, das Querprofil in 39 Abtheilungen 
theilt, die Flächeninhalte jeder Abtheilung berechnet, 
die der Mitte jeder Abtheilung entsprechende Ordinate 
der Curve der mittleren Geschwindigkeiten absticht 
und die Produkte aus dieser Ordinate in den Flächen- 
inhalt addirt, woraus sich sodann die Durchflussmenge 
von 828,836^^™ pro Secunde ergiebt. 

Bei der Construction der CuiTen der mittlei*en 
Geschwindigkeiten wird die Zahl der Ordinaten dadurch 
von 6 auf 10 erhöht, dass zwischen die erste und zweite, 
zwischen die zweite und dritte Verticale u. s. w. noch 
mittlere Ordinaten eingeschaltet werden, für die Be- 
rechnung dieser Ordinaten legt aber der Herr Verfasser 
die Curve der Wasserspiegelgeschwindigkeiten für fünf 
Fuss Pegelstand und die Coefficienten zu Grunde, welche 
aus den Geschwindigkeitsmessungen in den 6 Verticalen 
für das Verhältniss zwischen der Wasserspiegelgeschwin- 
digkeit und der mittleren Geschwindigkeit abgeleitet 
worden sind. Da nun diese Coefficienten von 0,77 bis 
0,85 schwanken, wie bereits erwähnt wurde, so wird 
für die eingeschalteten Ordinaten der Mittelwerth aus 
den den beiden Nachbarverticalen zukommenden Coef- 
ficienten angewendet. 

Es ist oben bereits dargethan worden, dass die 
Curve der Wajsserspiegelgeschwindigkeiten nicht ganz 
so sicher bestimmt worden ist, als wohl zu wünschen 
gewesen wäre, und diese Unsicherheit überträgt sich 



allerdings nun auch auf die Ermittelung der Durch- 
flussmenge, doch liefert das angewendete Verfahren für 
praktische Zwecke jedenfiEdls vollkommen genügend ge- 
naue Resultate. Und wenn auch der hier zur Bestim- 
mung der mittleren Geschwindigkeit eingeschlagene 
Weg etwas umständlich und künstlich erscheinen mag, 
so dürfte es doch kaum möglich sein, aus Beobach- 
tungen, die an verschiedenen Tagen und bei verschie- 
denen Pegelständen gemacht worden sind, auf kürzerem 
Wege ein gleich genaues Resultat zu erzielen. 

Die durch Division der Durchflussmenge und des 
Querprofiles gefundene mittlere Flussgeschwindigkeit 
wird nun noch mit der grössten Thalweggeschwindig- 
keit verglichen, wobei sich das Verhältniss 0,7305 er- 
giebt, und ebenso wird das Verhältniss des Mittel- 
werthes der mittleren Geschwindigkeiten der Verticalen 
zu der mittleren Flussgeschwindigkeit aufgesucht, wo- 
für in Uebereinstinmiung mit Humphreys-Abbot 
0,928 erhalten wird. 

Neben den Geschwindigkeitsmessungen wurde auch 
der Wasserspiegel des Flusses von verschiedenen In- 
genieuren an vier verschiedenen Tagen an beiden Ufern 
und einmal im Stromstrich selbst nivellirt, wobei sich 
ziemlich starke Differenzen herausstellten. Man erhielt 
nämlich bei der ersten Messung (5,58 Pegelstand und 
in 24 Stuuden 0,i35™ Fallen) bei verpflocktem Wasser- 
spiegel auf 1000 Längeneinheiten am linken Ufer 0,9444, 
am rechten l,ii76 Gefälle, bei der zweiten Messung 
(5,0 Pegelstand und 0,045" Fällen pro Tag) links 1,0228, 
rechts l,i594, bei der dritten Messung (4,9 Pegelstand 
und 0,0325° Fallen in 4 Stunden) links 1,3739, rechts 
1,2826, bei der vierten Messung (4,85 Pegelstand, Was- 
serstand beharrend) links l,i82i, rechts 2,2527 und end- 
lich im Stromstrich 1,2180 Gefälle auf 1000. Der Herr 
Verfasser nimmt hieraus das arithmetische Mittel und 
setzt nach den drei ersten Nivellements das Gefälle bei 
fallendem Strome =0,ooiiöoi, nach dem 4. und 5. Ni- 
vellement aber dasjenige bei beharrendem Wasser = 
0,0012177, und hält es hiernach für wahrscheinlich, dass 
bei steigendem Wasser das Gefälle 0,ooi2853 betragen 
werde. 

Ob diese Art der Gefällsbestimmung als ganz sach- 
gemäss anzusehen sei, dürfte wohl in Zweifel gezogen 
werden. Die angegebenen Ziffern sind nämlich erhalten 
worden aus der Niveaudifferenz der beiden Endpunkte, 
dividirt durch deren Abstand, welcher bei den Mes- 
sungen am Ufer 300 bis 400, bei derjenigen im Strom- 
strich aber 260" betrug. Werden aber die verschie- 
denen einnivellirten End- und Zwischenpunkte des 
Wasserspiegels aufgezeichnet, so ergiebt sich, dass der 
Wasserspiegel nicht in einer die beiden Endpunkte ver- 



29 



BorAemann, Neuere Literatur über die Bewegung des Wassers in Flüssen und CanUlen. 



30 



bindenden geraden Linie liegt, sondern eine gebrochene 
Linie resp. eine Curve bildet. Wäre nun anzunehmen, 
dass die gebrochene Linie durch unrichtige Bestimmung 
der einzelnen Punkte des Wasserspiegels entstanden 
sei, so würde man dafür diejenige gerade Linie einzu- 
fahren haben, deren Abstände von der gebrochenen 
Linie nach beiden Seiten hin sich ausgleichen; sieht 
man aber den Wasserspiegel als eine Curve an, so wird 
die Tangente an diese Curve in dem Punkte, wo die 
Curve das Querprofil schneidet, als die Gefalllinie zu 
betrachten sein. 

Es kann aber weiter auch noch die Frage aufgeworfen 
werden, ob für Untersuchungen über die Bewegung des 
Wassers in Flüssen das Gefalle oberhalb des Messungs- 
profiles oder dasjenige unmittelbar im Profil als mass- 
gebend anzusehen sei, femer, wie lang zweckmässiger- 
weise die Stromstrecke anzunehmen sei, deren Gefälle 
man bestimmt, und es sind demgemäss ziemlich ver- 
schiedene Auslassungen der vorliegenden Frage mög- 
lich, auf welche nochmals näher einzugehen sein wird. 
Aus den Nivellements ergab sich übrigens, dass 
der Wasserspiegel am linken Ufer um 0,0367 bis 0,i680™ 
höher lag, als am rechten Ufer, und dass wiederum der 
Wasserspiegel im Stromstrich um 0,o230 höher lag, als 
derjenige am linken Ufer., Aehnliches hat auch Herr 
Geometer Siedler bei einem Nivellement an der obern 
und untern Drahtseilfähre bei Basel und Herr Gre- 
benau bei Maximiliansau atn Rhein gefunden. Es 
dürfte hieraus leider zu folgern sein, dass es sehr 
schwer ist, in Strömen, wie der Rhein, geeignete Stellen 
zur Vornahme von Versuchen über die regelmässige 
Bewegung des Wassers in Flussbetten aufsufinden. 

Herr Grebenau vergleicht endlich die gefundenen 
Messungsresultate jsdt denjenigen, welche sich nach den 
Formeln von Chezy-Eytelwein, Humphreys-Ab- 
bot, Darcy-Bazin, Gauckler und Ganguillet- 
Kutter ergeben. Es betrug nämlich 
die Wasserspiegelbreite . . . TT = 201,27", 

die grösste Tiefe D= 2,786», 

der benetzte Umfang .... p = 202,9i "*, 
die Flädie des Querprofiles . . a = 426,122^°, 

der mittlere Radius . . JB = — = 2,ioo, 

P 

das Gefalle im Stromstrich . . J= 0,0012177, 

die Durchflussmenge .... (2 = 828,8868«^", 
die grösste Geschwindigkeit im 

Wasserspiegel . . . C= 2,63o", 

die mittlere Flussgeschwindigkeit v = 1,945 ^. 

Die Chezy-Eytelwein 'sehe Formel t?=50,98/jB€7' 
liefert, wenn fiir B und J obige Werthe eingesetzt wer- 
den, t; = 2,6T6" oder 32 Procent zu viel, 



die Humphreys-Abbot'sche Formel 



1; = 0,944. 8,28972 1/ — r~n^/^ 

w p + fr 

giebt V = 1,601 " oder 23 Procent zu wenig, 
die Darcy-Bazin'sche Formel 




RJ 



,00028 -f- 



0,00035 

R~ 



ergiebt v = 2,393«', also 23 Procent zu viel, 

die Gauckler 'sehe Formel t; = 5,35 yiJ /J für 
Gefälle von mehr als 0,ooo7 führt auf v = 1,638", was 
16 Procent zu wenig ist, 

endlich die Ganguillet-Kutter'sche Formel 



V = /JR 



23 + — + 



0,00165 



n 



+( 



23 + 



0,00155 






liefert, wenn man n = 0,03o setzt, t; = 1,9387, was mit 
der beobachteten mittleren Flussgeschwindigkeit sehr 
nahe stimmt. 

Sonach stimmt für die Beobachtung bei Basel die 
letzte Formel am besten und die Chezy-Eytelwein'- 
sche Formel am schlechtesten, wobei freilich etwas mit 
darauf ankommt, dass man für den Coefficienten n, 
welcher von 0,022 bis 0,035 schwankt, gerade den rich- 
tigen Werth trifft. 

Neben dem Hauptversuche, über welchen im Obigen 
eingehend referirt worden ist, wurden auch noch ver- 
gleichende Versuche mit verschiedenen Hy- 
drometern angestellt, um die Genauigkeit der ver- 
schiedenen Messinstrumente kennen zu lernen. 

Aus der Vergleichung der mittelst Schwimmern 
in der oben bereits näher beschriebenen Weise ermit- 
telten und der mittelst des Weltmännischen Flügels 
beobachteten Wasserspiegelgeschwindigkeiten ergab sich, 
dass letztere eine nur wenig geringere Geschwindigkeit 
anzeigten als jene, was vielleicht darin zu suchen ist, 
dass die um 0,3" eintauchenden Schwimmer die mitt- 
lere Geschwindigkeit der 0,3" starken Schicht unter 
der Oberfläche, also die der Tiefe von 0,i5" entspre- 
chenden Geschwindigkeit anzeigten, der Weltmänni- 
sche Flügel aber die in der Tiefe von 0,25" unter dem 
Wasserspiegel herrschende Geschwindigkeit angab. Klotz- 
schwimmer von 0,3" Seitenlänge gaben dieselbe Ge- 
schwindigkeit an, als ebenso tief eintauchende cylin- 
drische Schwimmer von 0,i" Durchmesser, wogegen 
geneigt schwimmende, 1,2" lange, 3*^" breite und 7,r>"" 
starke Gypslattenschwimmer mit 0,6 bis 0,9" Eintauchung 



33 



ßornemann, Neuere Literatur über die Bewegung des Wassers in Flüssen und Canälen. 



34 



Dagegen ist es in der That auffallend, dass sich bei 
der Legi er 'sehen Messung eine um 30 Procent grössere 
Durchflussmenge ergab, als bei der Grebenau'schen 
Messung und dieser Umstand .zeigt sehr deutlich , wie 
vorsichtig bei derartigen Versuchen vorgegangen werden 
muss. Vor allen Dingen muss für die Schwimmer eine 
grössere Weglänge abgesteckt werden, als hier geschehen 
ist, dann aber muss auch sorgfältig darauf gesehen 
werden, dass dieselben eine möglichst verticale Lage 
einnehmen und bis nahe zum Boden hinabreichon; wenn 
aber auch die genannten Fehlerquellen vermieden wer- 
den, so wird es noch immer zweifelhaft bleiben, ob 
mittelst Stabschwimmem wirklich die mittlere Geschwin- 
digkeit in den Verticalen gefunden werden kann, und 
es ist daher lebhaft zu wünschen, dass diese Frage bald 
einmal von geschickten Experimentatoren zur Entschei- 
dung gebracht werden möchte. 

Das vorstehende ausführliche Referat wird zur Ge- 
nüge darthun, wieviel interessante Fragen das be9pro- 
chene Werk behandelt, und wenn dieselben auch nicht 
alle gelöst erscheinen, so müssen wir dem Herrn Ver- 
^Etsser doch dafür sehr dankbar sein, dieselben angeregt 
und der Entscheidung näher gebracht zu haben, und 
müssen jedem Ingenieur das eingehende Studium dieses 
Werkes empfehlen. 

In dem zweiten der oben genannten Werke mit 
dem Titel 



Beiträge zur Hydrographie des Königreichs Böhmen 

bespricht Herr Professor A. R. Harlacher vom k. k. 
deutschen Landespolytechnikum in Prag zunächst in 
einer kurzen Einleitung das Wesen und die Wichtig- 
keit der Hydrographie, giebt dann Notizen über die 
Flussverhältnisse Böhmens und handelt hierauf ausführ- 
lich von der Bestimmung der an der böhmisch -säch- 
sischen Grenze in der Elbe abfliessenden Wassermenge. 

Der Herr Verfasser hat zur Vornahme dieser Mes- 
sungen eine Stelle 650™ unterhalb der Einmündung 
des bei dem Dorfe Hermskrotschen in die Elbe fliessen- 
den, seinem Flussgebiete nach gänzlich zu Böhmen ge- 
hörenden Kamnitzbaches gewählt, da die Elbe da- 
selbst an beiden Seiten durch Steindämme eingefasst 
ist und nur eine schwache Krümmung zeigt. Die Breite 
dos Flusses beträgt daselbst bei Normalwasserstand 118 " 
und die grösste Tiefe 3". 

Zu seinen Messungen bediente sich Herr Har- 
lacher eines von Amsler-Laffon in SchaiFhausen 
gefertigten Woltmann 'sehen Flügels, dessen Einrich- 
tung in unserer Quelle mit Hilfe einer schönen litho- 
graphischen Tafel genau beschrieben ist und nament- 

Civllingeolenr XXIII. 



lieh bezüglich der Ein- und Ausrückvorrichtung wesent- 
liche Verbesserungen zeigt. Das Flügelrad hat 65"™ 
Durchmesser und besteht aus zwei an kurzen Armen 
sitzenden, nach Schraubenflächen gebogenen, in radialer 
Richtung 44""* langen und an der äussern Peripherie 
90 min breiten trapezoidalen Flügeln. Die Ausrückung 
ist so eingerichtet, dass durch einen Zug an der dazu 
bestimmten Schnur das Zählwerk aus- oder eingerückt 
wird, wenn es vorher ein- oder ausgerückt war, dann 
aber in seinem Zustande verharrt, bis von neuem an 
der Schnur gezogen wird. Bei dieser Einrichtung wer- 
den manche mit der älteren Einrichtung der Welt- 
mann 'sehen Flügel verbundene Unzuträglichkeiten be- 
seitigt, namentlich, dass der Beobachter die Schnur 
gespannt halten muss, so lange das Zählwerk eingerückt 
bleiben soll, sodann die Lrungen, welche dadurch ent^ 
stehen, dass das strömende Wasser die Schnur selbst 
anspannt u. s. w. Im Uebrigen wurde dieser Flügel 
an einer mit einer Theilung versehenen Gasröhre be- 
festigt, in deren Innerem sich der Drath der Ausrücke- 
vorrichtung befand ; auch wurde ausser dem gewöhnlich 
an den Weltmann 'sehen Flügeln angebrachten Steuer- 
ruder an der Stange noch eine Scheibe normal zur Axe 
des Instrumentes befestigt und in das Querprofil ein- 
visirt, um sicher zu sein, dass die Flügelaxe in der 
Richtung des Stromes stehe. 

Zur Justirung dieses Instrumentes wurden im Hafen 
zu Podol in stillstehendem Wasser Versuche angestellt. 
Die Strecke, auf welche der Flügel von einem mit ver- 
schiedener Geschwindigkeit fortbewegten Schiffe aus 
gegen den Strom geführt wurde, betrug 105,26"', die 
Dauer der Beobachtungszeit 41 bis 162 Secunden, so 
dass Geschwindigkeiten von 0,65 bis 2,56™ beobachtet 
wurden, wobei der Flügel 2,42 bis 9,60 Umdrehungen pro 
Secunde machte. Die Ergebnisse dieser Versuche wurden 
graphisch verzeichnet, indem auf der Abscissenaxe die 
in 30 Secunden gemachten Umdrehungen (im Maass- 
stabe von 15 Umdrehungen =10™™), in deren End- 
punkten aber die entsprechenden Geschwindigkeiten 
pro Secunde (im Maassstabe von 1 : 150) als Ordinaten 
aufgetragen und deren Endpunkte sodann durch eine 
Curve verbunden wurden, welche sehr nahe mit einer 
durch den Anfangspunkt der Coordinaten gehenden 
Geraden zusammenfiel. Aus dieser Figur konnten nun 
leicht die den Umdrehungszahlen für je 30 Secunden 
entsprechenden Geschwindigkeiten abgelesen, aber auch 
zugleich als Linien zu weiteren graphischen Operationen 
abgegriffen werden. 

Bei der am 12. April 1871 vorgenommenen ersten 

Wassermessung wurde zunächst am rechten Ufer ein 

Hilfspegel angebracht, dann aber die Profil- und die 

3 



35 



Bornemann, Neuere Literatur über die Bewegung des Wassers in Flüssen und Canälen. 



36 



Geschwindigkeitsmessung gleichzeitig ausgeführt. Da 
der Schiflffahrt halber kein Seil über den Fluss gespannt 
werden konnte, so musste eine Visirlinie abgesteckt 
und das Schiff durch Rückwärtsvisiren eingestellt, seine 
Stellung aber mit dem Messtisch aufgenommen werden. 
Es wurden an 9 Stellen im Querprofil und zwar in 
jeder Verticalen in mehreren Tiefen Beobachtungen 
angestellt Die erste Verticale bei 1,4"* Abstand vom 
linken Ufer scheint nur zu einer Geschwindigkeitsmes- 
sung bei 0,35™ Tiefe unter dem Wasserspiegel benutzt 
worden zu sein, die zweite bei 13,8™ Abstand vom linken 
Ufer zu drei Messungen in 0,i, 0,8 und 1,5™ Tiefe, die 
dritte bei 27,76™ Abstand vom linken Ufer zu drei 
Messungen in 0,i, 0,8 und 1,65™ Tiefe, über die vierte 
43,12™ vom Ufer entfernte und 3,oo™ tiefe Verticale 
sind Angaben bezüglich der Geschwindigkeitsmessungen 
zu vermissen, in der fünften 56,37™ vom Ufer entfernten 
und 3,05™ tiefen Verticalen wurde bei 0,i, 0,8, 2,o und 
2,8™ Tiefe beobachtet, iji der sechsten Verticalen (Ab- 
stand vom linken Ufer =69,37, Tiefe =2,6) in den 
Tiefen 0,i, 0,8, 1,5 und 2,3™ und so fort bis zur 9. 
Verticale, welche in 5,84™ Abstand vom rechten, also 
in 114,57™ Entfernung vom linken Ufer angenommen 
wurde. 

Ob jede Geschwindigkeitsmessung mehrmals wieder- 
holt wurde, ist nicht angegeben, bei der Raschheit, 
mit welcher die ganze Messung durchgeführt worden ist, 
auch kaum zu erwarten, obgleich dies bei der angenom- 
menen kurzen Beobachtungszeit keineswegs überflüssig 
gewesen wäre. 

Was nun die Verarbeitung dieser Beobachtungs- 
data betrifft, so ist auf das dabei angewendete gra- 
phische Verfahren besonders aufmerksam zu machen. 

Denkt man sich in einem Stromquerschnitt an jedem 
Punkte desselben und rechtwinklig zur Ebene des 
Querschnittes eine die Geschwindigkeit des betreffenden 
Wasserfadens repräsentirende Linie aufgetragen, so erhält 
man einen Körper, dessen Volumen die Durchflussmenge 
darstellt. Durch die an verschiedenen Punkten des Quer- 
schnittes vorgenommenen Geschwindigkeitsmessungen 
ist man in Stand gesetzt, diesen Körper zu construiren, 
indem man an denjenigen Punkten des Querschnittes, 
in welchen man beobachtet hat, Normalen errichtet, 
deren Länge der daselbst beobachteten Geschwindigkeit 
entspricht, und durch die Endpunkte dieser Normalen 
eine sie umhüllende Fläche legt. Den Cubikinhalt eines 
derartigen Körpers ermittelt man dann in der Weise, 
dass man zu der die Grundfläche bildenden Fläche des 
Querproflles in gleichen Abständen Parallelebenen legt, 
welche in dem Körper ebensoviel Querschnitte (Niveau- 
curven) bilden, dann die Flächeninhalte dieser Quer- 



schnitte ermittelt, den zwischen zwei benachbarten Quer- 
schnitten eingeschlossenen Körperabschnitt als Prisma 
berechnet und diese Inhalte addirt. 

Der Herr Verfasser wendet daher folgende Con- 
structionen zur Ermittelung der Durchflussmenge an. 
Auf Gi*und der in jeder Verticalen angestellten Ge- 
schwindigkeitsmessungen werden die zugehörigen Ge- 
schwindigkeitsparabeln construirt. Zieht man nun im 
Abstände von 0,25, 0,50, 0,75, l,o™ u. s. f. Parallelen 
zu der die Wassertiefe repräsentirenden Verticalen, so 
schneiden dieselben die Geschwindigkeitsparabeln an den- 
jenigen Stellen, wo die Geschwindigkeit 0,25, 0,50, 0,75, 
1,0™ u. s. f. beträgt. Verbindet man dann die Orte 
aller der Punkte, in welchen dieselbe Geschwindigkeit 
stattfindet, so bekommt man Curven, welche sich mit 
den bei der Cubicirung von Bergen und dergl. dieselbe 
Rolle spielenden Niveaucurven vergleichen lassen, und 
welche, nachdem deren Flächeninhalte durch Polarpla- 
nimeter oder sonst ermittelt worden sind, in bekannter 
Weise zur Berechnung des Gubikinhaltes benutzt werden. 

Sollen diese Constructionen leicht und sicher vor- 
genommen werden können, so muss man in möglichst 
vielen Verticalen und in jeder Verticalen wieder in zahl- 
reichen Punkten beobachtet haben, erhält aber dann 
auch eine wesentlich genauere Bestimmung der Durch- 
flussmenge, als wenn man aus der Verticalgeschwindig- 
keitsparabel blos die mittlere Geschwindigkeit einer 
Verticalen ableitet und hiermit die Abtheilung des 
Flussquerschnittes multiplicirt, in deren Mitte die be- 
treffende Verticale sich befindet. 

Der Herr Verfasser hat als das Ergebniss seiner 
Messungen erhalten: 

die Wassermenge ^ = 281*^^™, 

die Fläche des Profils .... F= 252,4«™, 

die mittlere Geschwindigkeit . . v= l,ii 

die mittlere Oberflächengeschwin- 
digkeit = 1,35 

das Verhältniss der mittleren zur 

grössten Geschwindigkeit = 0,73 :i, 

dasjenige der mittleren Oberflächen- 
geschwindigkeit zur mitt- 
leren Geschwindigkeit des 
ganzen Profils . . . . = 1,27: i. 
Es ist interessant zu notiren, dass Hen* Har- 
1 acher zwischen der mittleren Flussgeschwindigkeit 
und der grössten Oberflächengeschwindigkeit dasselbe 
Verhältniss gefunden hat, wie Herr Grebenau. 

Ausser diesen Messungen wurde auch das Grefälle 
der Elbe an der Messungsstelle aufgesucht. Man er- 
hielt durch Einnivelliren des Wasserspiegels am linken 



m 



m 



37 



Bornemann, Neuere Literatur über die Bewegung des Wassers in Flüssen und Canälen. 



38 



Ufer an einem Punkte, der 114™ oberhalb des Pro- 
files lag, bis zum Wasserspiegel im Profil das relative 
Gefälle 0,ooo39ö und von da bis zu einem 95° weiter 
abwärts gelegenen Punkte das Gefälle 0,ooo2io, wogegen 
am rechten (concaven) Ufer zwei Punkte in 76 und 
152" Entfernung vom Profil die Gefalle 0,ooo263 und 
0,000395, ein unterhalb des Profiles in 76™ Abstand 
angenommener Punkt aber das Gefälle 0,ooosi2 ergab. 
Nach Aufzeichnung der einnivellirten Punkte wurden 
Curven durch dieselben gelegt und in den Profilpunkten 
Tangeuten daran gezogen, wobei sich ergab, dass diese 
Tangenten unter sich parallel waren, dass aber diejenige 
am rechten Ufer um 30™™ höher lag, als die am linken 
Ufer. Das hierdurch erlangte Gefälle betrug 0,ooo3ir), 
während das durchschnittliche Gefälle der Strecke 
Tetschen-Niedergrund 0,ooo399 und dasjenige der Strecke 
Niedergrund-Schandau 0,ooo333 beträgt. 

Herr Har lach er vergleicht nun ebenfalls die Er- 
gebnisse seines Versuches mit denjenigen, welche sich 
nach einer grösseren Zahl von Formeln ergeben, wenn 
man die bei seinen Messungen gewonnenen numerischen 
Werthe für Gefälle, Querschnittsfläche, benetzten Um- 
fang u. s. w. in diese Formeln einsetzt. Die Vergleichung 
zeigt, dass die Eytel wein 'sehe Formel 17 Proc. zu 
viel, die Humphreys-Abbot'sche 7 Proc. zu wenig, 
die Darcy-Bazin'sche 9 Proc. zu viel, die Gauck- 
1 er 'sehe 52 Proc. zu viel, die Hagen 'sehe 18 Proc. 
zu wenig, die Bornemann 'sehe 3 Proc. zu wenig und 
die Ganguillet-Kutter'sche Formel 8 Proc. zu viel 
giebt. 

Jedenfalls reicht ein Einzelversuch, wie der beschrie- 
bene nicht hin, um über die allgemeine Brauchbarkeit 
einer Formel zu entscheiden, weshalb auf diese Ergeb- 
nisse nicht viel Werth zu legen sein dürfte. 

Sehr beachtenswerth sind noch die Bemerkungen 
des Herrn Verfassers über derartige Versuche und die 
mannichfachen Fehlerquellen, welche dabei störend ein- 
wirken können. Als solche Fehlerquellen werden her- 
vorgehoben : Ungenauigkeit bei der Tiefenmessung, welche 
namentlich in tiefen Flüssen mit steinigem Boden und 
Geschieben vorkommt, Fehler in der Breitenmessung, 
Fehler in der Bestimmung der Constanten des Welt- 
mann 'sehen Flügels, Fehler in der Stellung der Flügel- 
axe, Fehler in dem Ablesen der Zeit und im Ein- und 
Ausrücken des Flügels, Ungenauigkeit im Ablesen der 
Umdrehungszahl und endlich Störungen des Flügels 
durch Unreinigkeiten im Wasser. Ueberdies ist aber 
noch von grossem Einflüsse die genaue Bestimmung 
des Gefälles, wobei theils in Folge der Unruhe des 
Wasserspiegels, theils in Folge der dem Nivelliren selbst 
eigenthümlichen Fehlerquellen sehr leicht Fehler bis zu 



20 Procent des wahren Werthes begangen werden kön- 
nen. Vergegenwärtigt man sich die Menge und den 
grossen Einfluss dieser Fehlerquellen, so kann es kaum 
überraschen, dass bis jetzt noch keine Formel gefunden 
worden ist, welche mit allgemeiner Zuverlässigkeit an- 
gewandt werden könnte. 

Der im ersten Hefte der „Beiträge" beschriebene 
Versuch, über welchen wir jetzt referirt haben, ist 
übrigens gewissermassen nur als eine Vorübung zu den- 
jenigen Versuchen anzusehen, welche Herr Prof. Har- 
lacher im zweiten Beitrage (Prag 1873) mittheilt, 
und bei denen nicht nur in demselben Querprofile 
gearbeitet, sondern auch im Allgemeinen ganz dasselbe 
Verfahren verfolgt, aber doch manche Verbesserung 
angebracht wurde, die zur Erzielung genauerer Resul- 
tate beitragen konnte. Derartige Verbesserungen sind, 
dass zu den Messungen ein Doppelschiff mit darüber 
gelegtem Podium verwendet wurde, dass auf diesem 
Schifl'e ausser dem den Wolt mann 'sehen Flügel hand- 
habenden Herrn Verfasser auch noch ein Gehilfe postirt 
war, welcher die einzelnen Beobachtungsdata zu notiren 
und die Zeit an einer Secundenuhr mit springender 
Secunde zu beobachten hatte, dass zur Aufnahme der 
verschiedenen Messungspunkte ein Theodolit statt dos 
Messtisches verwendet wurde, dass die Dauer jeder 
Geschwindigkeitsmessung auf 60 anstatt 30 Secunden 
normirt wurde, dass das Querprofil durch vier Mes- 
sungen mit 37 Peilungen bestimmt und endlich dass 
der Weltmann 'sehe Flügel neu justirt wurde. 

Auch auf die Gefällmessung wurde die grösste 
Sorgfalt verwandt; die abgesteckte Strecke maass 150" 
auf- und 150™ abwärts vom Querprofil und der Wasser- 
spiegel wurde alle 30™ einvisirt, dann wurde das Ni- 
vellement in 1000 fach verzerrtem Maassstabe, nämlich 

die Längen in -jkfjk ^^^ natürlichen Grösse, die Höhen 

aber in natürlicher Grösse, aufgetragen, durch die 
Wasserspiegelpunkte eine Curve hindurchgezogen und 
an diese in dem Punkte, welcher dem Querprofil ent- 
sprach, eine Tangente gelegt, deren Neigung als das 
Gefälle angesehen wurde. Merkwürdiger Weise ergab 
sich bei Hoch-, Normal- und Niedrig wasser dasselbe 
Gefälle 0,ooo3i5, welches schon bei der Messung vom 
Jahre 1871 gefunden worden war. 

Bei der ersten Messung lag der Wasserspiegel bei 
2,06™ unter dem Fixpunkt auf der Krone des recht- 
seitigen Dammes und nur um weniges tiefer, als bei 
der im ersten Beitrage beschriebenen Messung, es er- 
gab sich auch eine nahezu gleiche Durchflussmenge, 
nämlich 270, statt 281 Cubikmeter; bei der zweiten 



i 



39 



Boruemann, Neuere Literatur Über die Bewegung des Wassers iu Flttssen und Canälen. 



40 



v-J 



Messung lag aber der Wasserspiegel 2,49 und bei der 
dritten 3,06™ unter dem Fixpunkt. 

Die an verschiedenen Stellen der Verticalen beob- 
achteten Geschwindigkeiten wurden zunächst zur Con- 
struction der sogenannten Verticalgeschwindigkeits- 
parabeln benutzt, deren die erste Messung 9, die zweite 
10 und die dritte wiederum 9 ergab. Bei der Betrach- 
tung dieser Curven ersieht man , dass die grösste Ge- 
schwindigkeit einer Verticalen theils im, theils in ver- 
schiedener Tiefe unter dem Wasserspiegel liegt und mit 
der Höhe des Wasserstandes tiefer zu rücken scheint; 
femer, dass die mittlere Geschwindigkeit der einzelnen 
Verticalen, welche durch Division der Fläche der Ge- 
schwindigkeitsparabeln mit der Tiefe erhalten wird, bei 
hohem Mittelwasser in 0,58 bis 0,67, bei Mittelwasser 
in 0,50 bis 0,67 und bei Niederwasser in 0,54 bis 0,62 
der Tiefe unter dem Wasserspiegel zu finden ist, end- 
lich, dass die Sohlengeschwindigkeit 19 bis 60 Procent 
von der Oberflächengeschwindigkeit oder 22 bis 76 Pro- 
cent von der mittleren Geschwindigkeit beträgt. 

Diese Verhältnisse lassen sich besonders bequem 
überblicken in einer graphischen Darstellung, welche 
die drei Profile in verzerrtem Maassstabe (lOfacher 
Maassstab für die Tiefen und Geschwindigkeiten) mit 
eingezeichneten Geschwindigkeitscurven vorführt. Es 
ist nämlich die Curve der mittleren Geschwindigkeiten 
in den einzelnen Verticalen, diejenige der Maximalge- 
schwindigkeit in denselben und die Curve der mittleren 
Geschwindigkeit im ganzen Profil in die Querprofile 
eingezeichnet, auch sind zwei Figuren beigefügt, wovon 
die eine die Curven der Oberflächengeschwindigkeiten 
und die zweite die Curven der Bodengeschwindigkeiten 
für die drei Wasserstände vorführte. Ausserdem sind 
aber zur Orientirung auch noch drei numerische Ta- 
bellen mitgetheilt, in welchen über viele Grössen 
und Verhältnisse die einer jeden Verticalen entspre- 
chenden Ziff^em zusammengestellt sind, nämlich über 
die mittlere Geschwindigkeit, die Tiefe, in welcher die- 
selbe stattfindet und das Verhältniss dieser Tiefe zur 
ganzen Tiefe der Verticalen, dann über Obei'flächen-, 
Sohlen- und Maximal -Geschwindigkeit, die Tiefe, in 
welcher letztere stattfindet und das Verhältniss dieser 
zur ganzen Tiefe, ferner über das Verhältniss der mitt- 
leren Geschwindigkeit, der mittleren Oberflächen-, 
Sohlen- und Maximal-Geschwindigkeit zur Tiefe, dann 
über das Verhältniss der mittleren Geschwindigkeit zur 
Maximal-, Oberflächen- und Sohlen -Geschwindigkeit, 
endlich über das Verhältniss der Sohlen- zur Ober- 
flächen- und der Oberflächen- zur Maximal-Geschwin- 
digkeit. 



Es sei uns gestattet, hier einige dieser Zahlen ab- 
zuschreiben. 

Hoch- Mittel- Niedrig- 
wasser. 

Querschnittsfläche in Qu.-Met. 245,4 192,o 119,3 

mittlere Geschwindigkeit im 

ganzen Profil .... l,i 0,95 0,76 

Durchflussmenge in Cub.-Met. 

pro Secunde .... 270,o 182,3 90,8 

grösste Geschwindigkeit im 

ganzen Profil .... * 1,48 1,30 l,i2 

mittlere Wasserspiegelgeschwin- 
digkeit 1,27 1,10 0,85 

grösste Wasserspiegelgeschwin- 
digkeit 1,42 1,27 1,11 

mittlere Bodengeschwindigkeit 0,67 0,44 0,38 

mittlere Gesch. zur Maximal- 
Geschwindigkeit . . . 0,74 0,73 0,68 

mittlere Geschw. z. mittleren 

Wasserspiegelgeschw. . 0,87 0,86 0,90 

mittlere Geschw. z. mittleren 

Bodengeschw 1,93 2,i6 2,oo 

mittlere Geschw. z. grössten 

Wasserspiegelgeschw. . 0,77 0,75 0,69 

mittlere Geschw. z. mittleren 

Tiefe 0,55 0,59 0,67 

Diese Uebersicht ist sehr lehrreich, indem sie zeigt, 
dass die verschiedenen Geschwindigkeiten nicht in con- 
stanten Verhältnissen zu einander stehen, auch für die 
Tiefen, in welchen sie auftreten, keine allgemein gül- 
tigen Regeln aufgestellt werden können. 

Soll nun mit Hilfe der angestellten Messungen bei 
drei verschiedenen Wasserständen auch für andere 
Wasserstände die Durchflussmenge bestimmt werden, so 
kann das innerhalb gewisser Grenzen sehr leicht mit- 
telst graphischer Interpolation geschehen, da jedoch die 
Querschnitte des Profiles für jeden Wasserstand sehr 
genau angegeben werden können, und die Durchfluss- 
mengen das Product aus den Profilquerschnitten und 
mittleren Geschwindigkeiten sind, so erscheint es rich- 
tiger, eine Interpolationsformel für die mittlere Ge- 
schwindigkeit des Flusses zu ermitteln, und hierzu schlägt 
der HeiT Verfasser, da er keine der bisher aufgestellten 
Formeln über die Bewegung des Wassers als genügend 
zutrefl'end erachten kann, den Weg ein, dass er die 
mittlere Geschwindigkeit als Function gewisser unbe- 
kannter Potenzen des Profilradius und des Getälles an- 
sieht und aus seinen Versuchen diese Potenzen zu be- 
stimmen sucht, was insofern weniger Schwierigkeiten 
macht, als das Gefälle bei allen drei Wasserständen 
gleich gefunden worden war. 



41 



Bornemann, Neuere Literatur über die Bewegung des Wassers in Flüssen und Canälen. 



42 



Es ist also in der Gleichung v = ^r'' nur der Coef- 
ficient £ und die Potenz x zu bestimmen, und da 
bei Niedrigwasser i; = 0,76 r=l,i3 
„ Mittelwasser v = 0,95 r = 1,60 
„ Hochwasser t? = l,io r = 2,oi 
gefunden worden war, so berechnen sich für x die 
Werthe 

0,642 0,642 0,643 

und dann, bei Annahme des Werthes 0,642, für t die 
Werthe 

0,7026 0,7026 0,7026, 

so dass die Formel lautet: 

t; = 0,7026. r®»^*. 

Eine Vergleichung der nach dieser Formel sich 
berechnenden Geschwindigkeiten mit den nach ver- 
schiedenen neueren Formeln berechneten Geschwindig- 
keiten zeigt, dass bei den niedrigeren Wasserständen 
mehrere Formeln ziemlich gleiche Resultate geben, dass 
aber die Abweichungen bei den höheren Wasserständen 
sehr fühlbar werden. Die der neuen Formel entspre- 
chende Curve liegt zwischen den Curven, die nach den 
Formeln von Darcy-Bazin und Ganguillet-Kutter 
einerseits, sowie nach denjenigen von Humphreys- 
Abbot und Grebenau andrerseits construirt worden 
sind, fast genau in der Mitte. Trotzdem dürfte diese 
Formel nur mit Vorsicht zu acceptiren sein, da die 
Voraussetzung, dass das Gefälle der Ströme, wie dies 
in der Elbe an der Maassstelle zu Hermskretschen bei 
drei Wasserständen beobachtet worden ist, für alle 
Wasserstände gleich bleibe, doch noch weiterer Bestä- 
tigungen bedürfen möchte. Möglicherweise hätte sich 
auch an dieser Stelle bei bedeutendem Hochwasser oder 
bei sehr kleinem Wasser ein anderes Gefälle heraus- 
gestellt, als 0,000315. 

Wie bereits bemerkt, stellt der HeiT Verfasser 
diese Formel nur zu dem Zwecke auf, um die verschie- 
denen Wasserständen in dem Profile bei Hermskretschen 
entsprechenden Durchflussmengen zu berechnen. Zu 
Lösung dieser Aufgabe wären nun aber auch fortlau- 
fende Pegelbeobachtungen, oder noch besser die Auf- 
zeichnungen eines selbstregistrirenden Pegels erforderlich 
gewesen, da diese jedoch fehlten, so wurden die Pegel- 
beobachtungen in Tetschen und Schandau benutzt, um 
mittelst Interpolation danach die Wasserstände aufzu- 
finden, welche gleichzeitig au der zwischen den ge- 
nannten beiden Orten befindlichen Stelle bei Herms- 
kretschen stattgefunden haben dürften. Hierzu ist 
natürlich eine Reihe correspondirender Pegelstände im 
Profil, sowie in Tetschen und Schandau erforderlich, 
da die Wasserstände an diesen drei Orten nicht ganz 



in gleichem Maasse steigen und fallen. Hierauf trägt 
der Herr Verfasser die Wasserstände im Profil als Or- 
dinaten, diejenigen des Schandauer (resp. Tetschener) 
Pegels als Abscissen auf, legt durch die den gleich- 
zeitigen Wasserständen entsprechenden Punkte eine 
Curve und interpolirt mit Hilfe dieser Curve für jeden 
beliebigen Pegelstand in Schandau, resp. in Tetschen, 
den entsprechenden Wasserstand im Profil, so daas er 
im Stande ist, auf die zweite Hälfte des Jahres 1871 
eine Wasserstandscurve für das Profil zu construiren. 
Dieselbe zeigt einen mittleren Wasserstand von 2,84" 
unter dem Fixpunkte, wahrend am Tetschener Pegel 0,33, 
am Schandauer 1,22" unter Null stattfand. Der höchste 
Wasserstand in diesem Halbjahre (8. Juli) fiel 1,47" 
höher, der niedrigste (7. December) 0,68" tiefer als der 
mittlere Wasserstand aus. 

Für jeden Wasserstand lässt sich nun mit Hilfe 
der Formel t;=0,7026.r®»^* die mittlere Geschwindig- 
keit berechnen, da das zugehörige Querprofil leicht 
construirt und somit der entsprechende Werth des 

F 

mittleren Radius r== — angegeben werden kann; und 

dann giebt die Multiplication der Querschnittsfläche 
mit der mittleren Geschwindigkeit die pro Secunde 
durch das Profil fliessende Wassermenge. Drückt man 
die Wassermenge durch eine gerade Linie aus und trägt 
man die entsprechenden Längen als Ordinaten, die 
Zeiten aber als Abscissen an, so erhält man die Curve 
der abfliessenden Wassermengen, denn eine derartige 
Curve kann als aus sehr vielen schmalen Streifen von 
1 Secunde Breite bestehend betrachtet werden, so dass 
ihre Fläche die in der auf der Abscissenaxe aufgetra- 
genen Zeit abgeflx)ssene Wasseimenge darstellt. 

Unsere Quelle giebt solch eine Darstellung der im 
zweiten Semester 1871 abgeflossenen Wassermenge, bei 
welcher die Zeit eines Tages mit 2"" Länge auf der 
Abscissenaxe und eine Wassermenge von 2*=^" mit 1"" 
Länge auf der Ordinatenaxe angetragen ist. 1000 Q"" 
entsprechen demnach einer Wassermenge von 86400000*^^", 
und es lassen sich daher aus den mit dem Polarplani- 
meter gemessenen Flächeninhalten der einzelnen Mo- 
nate leicht die in diesen Monaten in der Elbe abge- 
flossenen Wassermengen berechnen. Dieselben betrugen 
im Juli 639317000, im August 359917000, im September 
196727000, im October 305230000, im November 
221391000 und im December 334459000, zusammen 
2057041000^^", durchschnittlich pro Tag 11 Millionen 
und pro Secunde 130 ''^". Die kleinste tägliche Wasser- 
menge fiel mit 3689000^^" auf den 7. December, die 
grösste mit 36858000«^" auf den 8. Juli. 

Zieht man die Mittelwerthe aus den monatlichen 



43 



Bornemann, Neuere Literatur über die Bewegung des Wassers in Flüssen und Canälen. 



44 



Durchflussmengen und sucht man dann die diesen 
Wassermengen entsprechenden Wasserstände, so erhält 
man nahezu dieselben Wasserstände, als wenn man aus 

mittlere Wassermenge pro Secunde 
entsprechender Wasserstand 
sogenannter mittlerer Wasserstand 

Das den Wasserständen vorgesetzte — Zeichen be- 
deutet, dass der Wasserspiegel unter dem Fixpunkte lag. 

Für das ganze Halbjalir ergiebt sich aus den Pegel- 
ständen der mittlere Wasserstand — 2,84, aus der mitt- 
leren Durchflussmenge (129,4 <'*»") berechnet sich aber 
der um 4^" höhere Wasserstand — 2,80", es ist daher 
nicht ganz richtig, wenn man die Wassermenge beim 
mittleren Wasserstande als die mittlere Durchflussmenge 
ansieht. 

Hiermit schliesst die zweite Lieferung der Beiträge 
zur Hydrographie Böhmens, die sich namentlich durch 
die vielfache Anwendung eleganter graphischer Con- 
structionen auszeichnet und als ein Muster für die 
Bearbeitung und Ausnutzung hydrometrischer Versuche 
hingestellt werden kann. Die Durchführung derartiger 
Arbeiten für alle bedeutenderen Flüsse Deutschlands 
würde gewiss in allen technischen Kreisen ein gleich 
hohes Interesse erregen, als die mitteleuropäische Grad- 
messung, und da auf Letztere seit so vielen Jahren 
ansehnliche Summen aus Staatsmitteln verwendet wor- 
den sind, ^so wäre wohl auch die Bewilligung der er- 
forderlichen Geldmittel zu umfassenden hydrographischen 
Arbeiten zu hoff'en, wenn die deutschen Ligenieurver- 
eine dahin zielende Anträge stellten. 



den einzelnen Wasserständen das arithmetische Mittel 
nimmt, wie nachstehende Zusammenstellung zeigt: 



Juli. 


August 


Septbr. 


October. 


Novemb. 


Decbr. 


238,7 


134,4 


75,9 


114,0 


85,4 


124,9, 


2,20 


— 2,77 


3,18 


— 2,90 


3,11 


— 2,83, 


— 2,22 


— 2,77 


3,18 


2,91 


3,11 


— 2,87, 



mittlere Wassermenge pro Secunde 
entsprechender Wasserstand 
sogenannter mittlerer Pegelstand 



Januar. 
190 

— 2,45 

— 2,46 



Man erkennt hieraus wieder, dass das arithmetische 
Mittel aus den Pegelständen nicht völlig mit demjenigen 
Pegelstande zusammenfällt, bei welchem die mittlere 
Durchflussmenge stattfindet. Letztere beträgt für das 
ganze Halbjahr 262^^", also ziemlich das Doppelte von 
der mittleren Durchflussmenge des vorigen Semesters. 
Noch bedeutender sind die Unterschiede bezüglich der 
kleinsten (43 und 113) und grössten (429 und 2485 <'^") 
Durchflussmenge dieser beiden Halbjahre. 

Yertheilt man diese Durchflussmengen auf das ge- 
sammte, bis zum Herrnskretschenei: Profil 50600 Qu.- 
Kilometer betragende Niederschlagsgebiet der Elbe, so 
ergiebt sich, dass in der zweiten Hälfte 1871 40600, im 
ersten Halbjahr 1872 81500, und im ganzen Jahre 



In dem dritten Beitrage behandelt der Herr Ver- 
fasser die Wasserverhältnisse und Abflussmenge der 
Elbe im ersten Halbjahr 1872 in derselben Weise, wie 
er im vorigen Beitrage diejenigen des 2. Semesters 1871 
behandelt hat. Er hält es nämlich für angezeigt, bei 
hydrographischen Arbeiten das Jahr mit dem 1. Juli 
zu beginnen und mit Schluss des Monats Juni des fol- 
genden Jahres zu schliessen, weil die im Winter ge- 
fallenen Niederschläge grösstentheils erst später zum 
Abfluss gelangen. 

Da in diesem Halbjahre keine neuen Wasseimes- 
sungen angestellt worden sind, so musste die Wasser- 
mengencurve unter der Voraussetzung construirt wer- 
den, dass das Gefälle der Elbe auch bei höheren 
Wasserständen unverändert 0,ooo3iö betrage und die 
mittlere Geschwindigkeit nach der Formel >; = 

/ p 0,641 

0,7026 f — 1 berechnet werden könne, was allerdings 

die jerzielten Resultate etwas fraglich macht. 

Wir wollen von den dieses Halbjahr betreffenden 
Ergebnissen der Vergleichung wegen Nachstehendes 
mittheilen : 



Februar. 
166 

— 2,58 

— 2,62 



März. 
343 

— 1,70 

— 1,77 



April. 

299 

— 1,90 

— 1,93 



Mai. 
348 

— 1,68 

— 1,91 



Juni. 
221, 

— 2,29, 
-— 2,35, 



1871/72 122000*^*»"^ Wasser pro Quadrat-Kilometer ab- 
geflossen sind, was nur etwa 25 Procent der Nieder- 
schlagsmenge betragen dürfte. 

Besonders interessant ist in dieser dritten Lieferung 
die Verfolgung des in Folge bedeutender im Fluss- 
gebiete der Beraun niedergegangener Wolkenbrüche 
entstandenen Hochwassers zu Ende Mai 1872 , wozu die 
Pegelstandsbeobachtungen an 38 Stationen der 836 Ki- 
lometer langen Flussstrecke benutzt werden konnten. 
Es ist jedenfalls sehr richtig, dass bei diesen Unter- 
suchungen nicht die wirklichen Pegelstände, sondern 
die Veränderungen des Pegelstandes gegen den unmit- 
telbar vor Eintritt des Hochwassers vorhanden gewe- 
senen Pegelstand zum Vergleich benutzt worden sind. 



45 



Bornemann, Neuere Literatur über die Bewegung des Wassers in Flüssen und Canälen. 



46 



Die Curven, welche diese Veränderungen an 24 zwischen 
Prag und Hamburg gelegenen Stationen, auf die Zeit 
vom 25. Mai bis 8. Juni 1872, repräsentiren, geben ein 
vortreflFliches Bild des Verlaufes eines derartigen durch 
locale Einflüsse am Anfang der Stromstrecke entstan- 
deneu Hochwassers. Sie nehmen stromabwärts an Höhe 
stetig ab, an Breite des Wellenberges stetig zu, zeigen 
im obern Theile des Stromlaufes ein sehr steiles Steigen 
und sehr kurzes Verharren im Maximalstande, weiter 
abwärts aber ein immer langsameres Anschwellen und 
eine immer längere Dauer des Hochwassers, entsprechen 
also ganz dem Typus einer grossen Welle. Selbst in 
Hamburg, wo dieses Hochwasser nicht aufgefallen war, 
lässt es sich noch erkennen, wenn man die Pegelstände 
bei der Ebbe vergleicht. Von Prag bis Dresden legte 
das Hochwasser 215 Kilometer Weg in 34 Stunden, 
von Prag bis Wittenberg 378 Kilom. in 88 Stunden 
und von Prag bis Hamburg 794 Kilom. in 240 Stunden 
zurück, so dass das Vorrücken im unteren Theile des 
Stromlaufes ein bedeutend langsameres ist, als im 
oberen. 

Wesentlich anders verlaufen die in Folge Thau- 
wetters im Frühjahr eintretenden Hochwässer, bei denen 
von allen Seiten vermehrte Zuflüsse stattfinden. Hier 
würde man erwarten, dass die Hochwasserwelle immer 
mehr anwachsen müsste, je weiter sie stromabwärts 
vorrückt; wie Herr Harlacher zeigt, ist dies aber 
nicht ganz so, sondern es macht sich daneben auch die 
Configuration des Strombettes geltend, indem die Früh- 
jahrshochwässer der Elbe blos bis Tetschen ein stetiges 
Anwachsen zeigen, dann aber abnehmen. 

Auch die Sommerhochwasser scheinen wieder einen 
besonderen Verlauf zu nehmen, nämlich eine weniger 
rasche Zunahme bis in die Gegend von Aussig und 
eine viel beträchtlichere Abnahme von da bis Magdeburg, 
doch ist von derartigen Hochwässern nur ein einziges 
in Vergleich gezogen worden. 

Während die beiden*) im Obigen besprochenen 
Werke eine vorzugsweise praktische Richtung verfolgen 
und neben der ausführlichen Darstellung der von den 
Herren Verfassern durchgeführten Wassermessungen im 
Rhein und der Elbe nur mehr nebenbei die theoretische 



*) Beim Stodlum dieses dritten Beitrages ist es namentlich 
die £leganz der Behandlang, welche den Leser fortwährend fes- 
selt und anregt, was dagegen die numerischen Resultate anlangt. 
so würden dieselben ein weit höheres Vertrauen einflössen, wenn 
auch im ersten Halbjahre 1872 einige Wassermessungen und Ni- 
vellements und zwar besonders bei solchen Wasserständen vor- 
genommen worden wären, welche gegen diejenigen der ersten 
Messung erheblich differirten. 



Seite des vorliegenden Gegenstandes behandeln, be- 
schäftigt sich der Herr Verfasser der beiden im Nach- 
stehenden zu besprechenden Schriften vorwiegend mit 
der Theorie der Bewegung des Wassers in Flüssen, 
während er seine sehr grossartigen hydrometrischen 
Arbeiten fast nur flüchtig berührt und darlegt. Uebri- 
gens bezeichnet Herr Gordon die erstere nur als 

Fragment containing a dtscus^on of a new Fonnula far the 

flow of weder in open Channels^ 

tritt also keineswegs mit der Prätension auf, selbst 
theoretisch Neues und Besseres bieten zu können. 

Dieses mit berechtigten Klagen über die vielen, in 
der Zahl der Constanten, sowie in den Potenzen der 
einzelnen Grössen so stark unter einander differirendeu 
und zu so verschiedenen Resultaten führenden Formeln 
über die Bewegung des Wassers in Flüssen, welche 
alle nur empirischer Natur seien und daher durch jede 
neue Versuchsreihe Abänderungen erlitten, beginnende 
Werk, welches nicht im Buchhandel erschienen, sondern 
nur in wenigen Exemplaren gedruckt und vom Herrn 
Verfasser nur an einzelne Gelehrte und Redactionen 
versandt worden ist, sucht den Grund für das Miss- 
lingen der zeitherigen Bemühungen, eine allgemein 
gültige Formel aufzustellen, nicht sowohl, wie dies meist 
geschieht, in der theilweisen Mangelhaftigkeit der Ver- 
suche, als vielmehr in der Unrichtigkeit der zu Grunde 
gelegten theoretischen Anschauungen und unterwirft 
daher diese letzteren einer eingehenderen Prüfung, an 
welche sich sodann der Vorschlag einer neuen Formel 
anschliesst. 

Sämmtliche Theorien, welche bis jetzt über den 
besprochenen Gegenstand aufgestellt worden sind, 
scheinen dem Herrn Verfasser auf die drei Anschau- 
ungen vonCastelli, Torricelli und Dubuat basirt 
zu sein. Castelli hat zu Anfang des 17. Jahrhunderts 
den Satz ausgesprochen, dass sich die Geschwindigkeit 
des in einem Flusse oder Canale ablaufenden Wassers 
verdoppele, wenn in Folge vermehrter Zuflüsse die 
Wassertiefe aufs Doppelte steige. Die Geschwindigkeit 
der Wasserfäden wachse proportional zu dem darauf 
lastenden Drucke, so dass die sogenannte Geschwindig- 
keitsscala ein Dreieck bilden müsse, dessen Spitze in 
dem Wasserspiegel und dessen Basis am Boden liege. 
Letztere Folgerung modificirte indessen bereits einer 
seiner Schüler, Buonaventura Cavaliere, indem er 
bemerkte, dass die oberen Schichten des Wassers von 
den unteren mit fortgerissen würden , so dass die Ge- 
schwindigkeitsscala ein Dreieck in umgekehrter Lage 
bilden müsse. 



47 



fiomemann, Neuere Literatur über die ßewegüng des Wassers in Flüssen und Canälen. 



48 



Torricelli widerlegte die Castelli'sche Ansicht, 
dass die Geschwindigkeit der Druckhöhe proportional 
wachse, durch sorgfältig angestellte Versuche und zeigte, 
dass hier dasselbe Gesetz, wie beim freien Fall der 
Körper herrsche. Auf Grund dieser richtigeren An- 
schauung hat dann Guglielmini die erste wirkliche 
Theorie der Bewegung des Wassers in Flüssen aufge- 
stellt. Er sagt, dass bei dieser Bewegung dieselben Ge- 
setze auftreten, wie beim Fall fester Körper von einer 
geneigten Ebene. Wegen der Verschieblichkeit der 
einzelnen Theilchen verändert ein Strom bei zu- oder 
abnehmender Geschwindigkeit seinen Querschnitt. Die 
Beschleunigung oder Verzögerung der einzelnen Theil- 
chen pflanzt sich auch auf die benachbarten Theilchen 
fort, jedoch in abnehmendem Maasse mit der Entfer- 
nung. Die Widerstände des Bodens vernichten daher 
die Beschleunigung, welche bei der Bewegung in Fluss- 
betten mit der geneigten Sohle entstehen müsste. Ist 
eine permanente Bewegung eingetreten, so behält der 
Strom die vorher erlangte Geschwindigkeit bei, welche 
um so grösser ist, je grösser das Gefälle war. Wegen 
der Verschiedenartigkeit der Widerstände tritt aber 
in Strömen selten eine permanente Bewegung ein, 
Flüsse mit Geschieben befinden sich vielmehr in einem 
stets wechselnden Zustande der Beschleunigung und 
Verzögerung. Da die oberen Schichten in einem 
Querschnitte auf die unteren drücken, so hängt die 
Bewegung des Stromes nicht blos von dem Oberflächen- 
gefalle, sondern auch von diesem Drucke ab; im oberen 



Theile der Flussläufe, wo das Gefälle meist stark ist, 
entspricht die Geschwindigkeit des Flusses hauptsäch- 
lich diesem Gefälle, je mehr das letztere aber abnimmt, 
um so mehr tritt die Druckhöhe als bewegende Ur- 
sache hervor, und in jedem Flussquerschnitte wird die 
Geschwindigkeit der unteren Schichten mehr durch die 
Druckhöhe, diejenige der oberen Schichten mehr durch 
das Gefälle bestimmt. 

In Folge des Einflusses des Druckes würden die 
in einer Verticalen übereinander auftretenden Geschwin- 
digkeiten eine parabolische Geschwindigkeitsscala bilden, 
was jedoch nur äusserst selten eintreten wird, da die 
Widerstände am Boden bedeutend grösser sind, als im 
Wasserspiegel. 

Diese Ansichten haben bis auf Dubuat Geltung 
gehabt, obwohl namentlich Couplet 's Versuche an der 
Wasserleitung zu Versailles nachwiesen, dass die Ge- 
schwindigkeiten unmöglich wie die Quadratwurzeln aus 
den Druckhöhen wachsen könnten. Dubuat aber 
sprach dann das noch bis heute geltende Grundgesetz 
aus, wonach das Oberflächengefälle als die einzige 
Ursache der Bewegung des Wassers in Flüssen anzu- 
sehen ist. 

Dasselbe führt darauf, dass, wenn nicht der Ein- 
fluss der Widerstände vorhanden wäre, in einem Quer- 
schnitte alle Theilchen eine gleich grosse Geschwindig- 
keit haben müssten, da die Bewegung jedes einzelnen 
Theilchens nur von der Differenz der Drucke abhängt, 
welche das hinten nachfolgende und das vorn voraus- 





















Versucbdl 
-1 










Englische Maasse. 








Datnm 




Tägliches 






Wasser- 


Mittlere 


Benetzter 


Breite« 


1872. 


Pegel- 
8taod. 


Steigen (+) 
oder 


lOOOOfaches 
Gefälle. 


Qaerprofil 
A. 


menge 


Geschwindig- 


Umfang 


der GM 






FaUen (-). 






Q- 


keit V. 


P. 


fl&che I 


August 30. 


36,00 




0,947 


223516 


1442007 


6,451 


5220 


5020 


„ 23. 


33,75 


- 


- 0,25 


0,933 


212403 


1212190 


5,706 


5215 


6008 


Oetober 18. 


32,26 


- 


h 1,09 


0,925 


204988 


1148790 


5,604 


5212 


5002 


September 9. 


31,83 


— 0,50 


0,925 


202921 


1098288 


5,365 


5208 


5000 


„ 29. 


29,75 


+ 1,00 


0,918 


193083 


985959 


5,106 


5205 


4992 


„ 21. 


26,58 


- 


-0,92 


0,911 


177123 


871823 


4,922 


5196 


4990 


November 4. 


24,08 


- 


- 1,00 


0,905 


164633 


757132 


4,599 


5191 


4975 


Oetober 30. 


23,91 


— 1,25 


0,905 


163313 


712125 


4,360 


5190 


4974 


November 2. 


22,08 


— 0,25 


0,898 


154750 


667268 


4,228 


5185 


4968 


8. 


22,08 


— 1,08 


0,898 


154750 


627925 


4,057 


5185 


4968 


12. 


17,75 


- 1,17 


0,884 


133363 


483477 


3,626 


5160 


4942 


14. 


15,75 


— 1,00 


0,887 


123483 


416139 


3,370 


5150 


4928 


16. 


14,33 


— 0,75 


0,871 


116649 


370072 


3,258 


6140 


4915 


21. 


12,08 


— 


-0,42 


0,864 


105353 


307256 


2,767 


5020 


4770 



49 



Bornemann, Neuere Literatur über die Bewegung des Wassers in Flüssen und Canälen. 



50 



gehende Wassertheilchen auf dasselbe ausüben, und da 
diese Differenz der Drücke für alle Punkte desselben 
Querschnittes gleich ist. 

Dem Herrn Verfasser des Fragmentes scheint in- 
dessen die Guglielmini'sche Anschauungsweise den 
Vorzug vor der Dubuat 'sehen zu verdienen, und er 
bemüht sich, das in dem vorliegenden Werkchen zu 
beweisen und auf Grund jener Anschauungen eine neue 
Formel für die Bewegung des Wassei'S in Flüssen auf- 
zustellen, nachdem er vorher noch einen kritischen 
Ueberblick über die verschiedenen älteren und neueren 
Formeln gegeben hat, von dessen Wiedergabe hier ab- 
zusehen sein dürfte, da die meisten dieser Formeln 
kaum einen höheren Werth als empirische Formeln 
beanspruchen können. 

Wir glauben auch von der näheren Darlegung des 
ziemlich weitläufigen und nicht hinreichend klar zu 
verfolgenden Weges absehen zu sollen, auf welchem der 
Herr Verfasser seine neue Formel abgeleitet hat, da er 
am Ende seiner Untersuchungen zugestehen muss, dass 
die gefundene Formel den Versuchsresultaten nicht 
entspricht, sondern in dem einen Gliede mit der % Po- 
tenz des Gefälles dividirt werden muss, um die Ver- 
suche gut wiederzugeben. Wir begnügen uns vielmehr 
damit, diese Formel anzuführen und anzugeben, auf 
Grund welcher Versuche der Herr Verfasser dieselbe 
empfiehlt. Diese Formel lautet: 



PWD 



=(• 



+ 



wenn die Buchstaben Folgendes bedeuten: 

P ist die Tiefe, in welcher der Mittelpunkt des 

Druckes für den Querschnitt liegt, 
W „ die Flussbreite, 
D „ das Gefälle, 
H „ der mittlere Radius, 
X „ der benetzte Umfang, 
V „die mittlere Geschwindigkeit, 
Q „ der Coefficient der Rauhigkeit, 
a und ß sind zwei zu bestimmende Coefficienten. 

Auf einer dem Werke beigegebenen Tafel sind 
dann 5 Reihen der Baz in 'sehen Versuche, nämlich 
diejenigen über Canäle mit glattem Cementputz, mit 
Brettwänden, mit Ziegelmauerung, mit Bedeckung aus 
kleinen und mit solcher aus groben Kieseln, sowohl 
nach den entsprechenden fünf Formeln von Bazin, 
als auch nach der neuen Formel graphisch verzeichnet, 
wobei für letztere den Coefficienten a und ß durchaus 
die gleichen Werthe a = 0,oooii2 und /? = 0,ooooooo7, 
dem Coeffioienten q aber für die verschiedenen Grade 
der Rauhigkeit die Werthe l,oo, 1,36, 1,47, 2,46, 3,3o 
beigelegt worden sind. Bei den von Bazin ausge- 
suchten Vei-suchsreihen war durchgängig das gleiche 
Gefälle 0,ü049 vorhanden, der Herr Verfasser hat aber 
für die 7. Versuchsreihe mit Brett wänden zwei Ver- 
suchsreihen aufgetragen, bei denen die Gefälle 0,oos24 
und 0,00208 betrugen, und auch diese werden nach der 
neuen Formel sehr befriedigend wiedergegeben. 

Ferner vergleicht der Herr Verfasser die Ergebnisse 



.waddi. 



Metrische Maasse. 







1 










Berechneter 




W. 


E, 


P. 


V. 


PWD 


W 


Werth von 


%' 


E'Y^ 


PWD 
















zv^ 


1591 


1530 


13,047 


11,098 


1,965 


0,000262 


923 


0,000288 


1589 


1526 


12,410 


10,428 


1,739 


0,000309 


1026 


0,000303 


1588 


1524 


11,984 


10,197 


1,708 


0,000309 


1103 


0,000313 


1588 


1523 


11,872 


10,117 


1,635 


0,000334 


1124 


0,000316 


1585 


1521 


11,303 


9,872 


1,556 


0,000354 


1242 


0,000331 


1583 


1520 


10,386 


9,217 


1,500 


0,000346 


1476 


0,000363 


1582 


1516 


9,663 


8,821 


1,401 


0,000378 


1707 


0,000393 


1581 


1516 


9,588 


8,792 


1,329 


0,000413 


1733 


0,000397 


1580 


1514 


9,094 


8,532 


1,288 


0,000426 


1932 


0,000423 


1580 


1514 


9,094 


7,861 


1,236 


0,000438 


1932 


0,000423 


1572 


1506 


7,875 


7,589 


1,105 


0,000509 


2582 


0,000510 


1569 


1502 


7,034 


7,589 


1,027 


0,000560 


3012 


0,000567 


1566 


1498 


6,915 


7,359 


0,998 


0,000567 


3356 


0,000623 


1530 


1460 


6,393 


7,039 


0,843 


0,000731 


3995 


0,000698 



OWlIingenleur XXIII. 



51 



Bornemann, Neuere Literatur über die Bewegung des Wassers in Flüssen und Canälen. 



52 



seiner eigenen Versuche in Irrawaddi, über welche noch 
zu berichten sein wird, mit seiner neuen Formel und 
weist ebenfalls eine befriedigende üebereinstimmung 
nach , wenn der ßauhigkeitscoefficient q = 2,23 gesetzt 
wird. 

Vorstehende Tabelle enthält die hauptsächlichsten 
Data über diese Versuche, die letzte Columne ist aber 

PWD 

vom Referenten beigefügt und zeigt, dass v^ durch 

die Formel la -f-/? --^ 1^ recht wohl wiedergegeben 

wird, wenn man den Coefficienten die Werthe a = 
0,0000744, /? = 0,00000012, ^ = 2,23 beilegt. Es sind so- 
mit allerdings andere Werthe für diese Coefficienten 
nöthig, als Bazin für seine kleinen Canäle erhalten 
hat, doch ist nicht zu leugnen, dass die aufgestellte 
Formel sich den Versuchen sehr gut anpasst. 

üeber diese Versuche selbst und die Veranlassung 
zu denselben theilt der Herr Verfasser noch Folgendes 
mit. Der Zweck dieser grossartigen Wassermessungen 
im Irrawaddi war die Ermittelung etwaiger Wasser- 
verluste durch Undichtheit der Uferdämme, welche auf 
grössere Länge im Flussdelta am rechten Ufer des 
von Westen her einmündenden Basseinflusses ausgeführt 
worden waren. Es wurden deshalb am Kopfe des Deltas 
bei Saiktha und ungefär 110 Miles weiter abwärts bei 
Zaloon in derselben Weise Messungen angestellt, wie 
von Humphreys und Abbot im Mississippi. Es 
wurden nämlich täglich ca. 60 Wasserspiegelgeschwin- 
digkeiten mittelst Doppelschwimmern beobachtet, deren 
unterer Körper 1™ unter dem Wasserspiegel sich be- 
wegte. Ferner wurden auch täglich 10 Reihen von 
Beobachtungen über die Geschwindigkeit in grösseren 
Tiefen angestellt, wobei die Tiefe, in welcher sich der 
untere Schwimmer bewegte, jedesmal um 1™ grösser 
genommen wurde, bis der Boden erreicht war. Aus 
letzteren Beobachtungen nahm man das arithmetische 
Mittel der Geschwindigkeiten und suchte dann das Ver- 
hältniss zwischen dieser mittleren Geschwindigkeit und 
der in derselben Verticalen beobachteten Wasserspiegel- 
geschwindigkeit, und mit Hilfe dieses Reductionscoef- 
ficienten berechnete man dann für jede beobachtete 
Wasserspiegelgeschwindigkeit die mittlere Geschwindig- 
keit der entsprechenden Verticalen. Der Irrawaddi, 
welcher bei Saiktha über 1500" breit und bei Hochwasser 
über 23" tief ist, war der Breite nach in 10 Abthei- 
lungen getheilt und die Durchflussmenge jeder Abthei- 
lung ergab sich durch Multiplication des Flächeninhaltes 
der Abtheilung mit dem Mittel aus den mittleren Ge- 
schwindigkeiten der in diese Abtheilung fallenden Ver- 
ticalen. 



Besonders schwierig war die Bestimmung des Ge- 
fälles. Aus dem auf ca. 18 Miriameter ausgedehnten 
Nivellement des Flusses ergab sich bei Hochwasser ein 
Gefälle von ungefähr 6 Zoll pro Mile (0,oooo95). Bei 
Myanoung (22,5 Kilometer von Saiktha und 320 Kilo- 
meter von der See entfernt) liegt der Hochwasserstand 
23,16"* über dem mittleren Seespiegel und der Wasser- 
stand schwankt um 12,19'°. Bei Saiktha findet zwischen 
Hoch- und Niedrigwasser 12,8™, bei Henzahda (120 
Kilom. südlich von Myanoung) 11" und bei Zaloon 
10,5™ Niveaudifferenz statt. Die verschiedenen Wasser- 
stände verändern also das oben angegebene Gefälle 
schon ziemlich bedeutend, die Schwierigkeit wächst aber 
noch dadurch, dass sich am Boden des Flusses Sand- 
bänke bilden, welche bei niedrigem Wasser den Fluss 
bedeutend anstauen und mitunter sogar Ursache zum 
Stranden der Dampfschiffe (mit 1,2" Tiefgang) werden. 
Bei Hochwasser nimmt der Strom überdies einen kür- 
zeren Weg als bei Niedrigwasser, so dass bei kleinem 
Wasser das Gefälle bis auf 4 und 2 Zoll pro Mile re- 
ducirt wird. 

Unter diesen Umständen war es kaum möglich, für 
jede Beobachtung das zugehörige Gefälle zu ermitteln, 
und nur für die bei 14 bis 36 Fuss Pegelstand ge- 
machten Beobachtungen glaubt der HeiT Verfasser das 
Gefälle auf 16 Kilom.-Länge mit hinreichender Sicher- 
heit angeben zu können. 

Bei der Berechnung der Tiefe P, in welcher der 
Mittelpunkt des Druckes sich befindet, bediente man 
sich der Formel 



\x^ydx 
I xydx 



worin X die Tiefe, y die Breite in dieser Tiefe bedeutet 
und für drr ein Zuwachs um 2 Fuss eingeführt wurde. 

Auf Grund dieser Versuche, über welche übrigens 
weitere Angaben in dieser Schrift fehlen , ist es dem 
Herrn Verfasser nur noch möglich, zu erläutern, wie 
es zugehen möge, dass die auf die Dubuat'sche Theorie 
basirten Formeln doch vielfach ganz befriedigende Re- 
sultate ergaben. Seiner Ansicht nach liegt dies darin, 
dass die Werthe von P und R in vielen Fällen fast 
gleich gross ausfallen, imd er führt als Beleg dafür 
nachstehende Data vom Irrawaddi an: 

Pegelstand 36,oo 29,75 24,o8 17,75 12,08 6,oo 1,95, 
R 43,6 38,00 32,3 26,4 21,3 20,2 19,3, 
P • 35,675 32,40 28,95 25,8 23,1 20,i5 18,2. 

Da die numerischen Werthe von P und R sich so 
nahe stehen, so fallen denn auch die numerischen 



53 



Bornemann, Neuere Literatur über die Bewegung des Wassers in Flüssen und Canälen. 



54 



Werthe der Grössen — =r— und -^v^ i^ahe zusammen, 

welche die charakteristischen Unterschiede der neuen 
Formel gegen die alten bilden. 

Auf die im Ohigen besprochene vorläufige Mitthei- 
lung hat nun Herr Gordon das unter 4 genannte 
Werk folgen lassen, welches ausführlichere Auskunft 
über die grossartigen Wassermessungen ertheilt, deren 
Ergebnisse den Herrn Verfasser angeregt hatten, eine 
neue Formel für die Bewegung des Wassers in Flüssen 
aufzustellen. 

Die Versuche wurden, wie bereits erwähnt, nach 
dem Muster der von Humphreys und Abbot im Mis- 
sissippi abgeführten Versuche angestellt, während aber 
die Zahl der im Mississippi angestellten Beobachtungen 
nur 254 betrug, sind im Irrawaddi vom 1. Aug. 1872 
unausgesetzt Beobachtungen angestellt worden bis zum 
1. September 1873 (täglich mit Ausnahme der Sonn- 
tage), so dass die Geschwindigkeitscurven für 7000 Ver- 
ticalen erhalten wurden. 

Zu den Geschwindigkeitsmessungen bediente man 
sich sogenannter Doppelschwimmer, bestehend aus einer 
im Wasserspiegel schwimmenden 25™'° starken Scheibe 
von leichtem Holz mit 152™" Durchmesser und einem 
mittelst einer feinen Schnur in vci-schiedenen Tiefen 
darunter befestigten, 305™™ langen und 152™™ starken, 
am unteren Ende derartig belasteten Holzcylinder, dass 
die Scheibe nur noch 6™™ über den Wasserspiegel her- 
vorragte. Die Verbindungsschnur war 1,6™™ stark und 
gefimisst, und ihre Länge wurde so bemessen, dass der 
untere Schwimmer in verschiedenen, stets um 1 ™ wach- 
senden Abständen unter dem Wasserspiegel schwamm, 
bis er so tief hing, dass er den Boden berührte, was 
sich durch zeitweiliges Untertauchen und unregelmässige 
Bewegung der oben schwimmenden Signalscheibe zu 
erkennen gab, merkwürdigerweise aber oft eine grössere 
Geschwindigkeit anzeigte, als bei den anderen Schwim- 
mern in geringerer Tiefe. Diese Doppelschwimmer 
waren numerirt und wurden auf Commando in be- 
stimmter Ordnung von einem weit oberhalb des Anfangs- 
punktes der Beobachtungsstrecke vor Anker liegenden 
Schiffe aus eingesetzt und ihr Durchgang durch die 
am Anfang und Ende des 60,95™ langen Schwimmer- 
weges abgesteckten Visirlinien durch zwei in diesen 
Visirlinien aufgestellte und mit Theodoliten ifflÖ" Chro- 
nometern mit springender Secunde versehene Beobachter 
notirt. Täglich wurden die Geschwindigkeitscurven für 
10 Verticalen ermittelt, ausserdem aber noch mittelst 
30 bis 60 gleichförmig über die Breite vertheilten 
Schwimmern die Oberflächengeschwindigkeiten in 1™ 
Tiefe beobachtet, so dass auch eine Curve der Ober- 



flächengeschwindigkeiten construirt werden konnte. Bei 
dem verwendeten Personal wurde jeder Wechsel mög- 
lichst vermieden und auf genaueste Beobachtung der 
Instructionen gesehen, auch war dasselbe gänzlich un- 
bekannt mit dem theoretischen Zwecke der Unter- 
suchungen. Es fielen zwei Hoch- und ein Niedrig- 
wasserstand in die Beobachtungsperiode. Das Haupt- 
profil war bei Saiktha am Kopfe des Delta des Irra- 
waddi abgesteckt, und da die Masse der Beobachtungen 
kaum eine Bearbeitung sämmtlicher Beobachtungen ge- 
stattete, so beschränkte man sich zunächst auf die Be- 
rechnung von 3000 zu Saiktha angestellter Versuche. 

Aus den in den verschiedenen Verticalen in ver- 
schiedenen um je 1™ wachsenden Tiefen angestellten 
Geschwindigkeitsmessungen ergaben sich die Vertical- 
geschwindigkeitscurven und die Vergleichung der bei 
den verschiedensten Wasserständen erhaltenen Curven 
gewährt einen tiefen Einblick in die Verändeiningen, 
welche durch die Wechsel im Wasserstande herbeige- 
führt werden. Vorkonmiende Unregelmässigkeiten im 
Verlaufe dieser Curven verschwinden, wenn man meh- 
rere unter nahezu gleichen Verhältnissen bezüglich des 
Pegelstandes, der Wassertiefe und des Abstandes vom 
Ufer combinirt. Der Herr Verfasser wählte daher zu- 
nächst eine beschränkte Zahl solcher Curven für jede 
Abtheilung des Querprofiles aus und combinirte daraus 
eine mittlere Curve. Dasselbe geschah für die ver- 
schiedenen Pegelstände, und es wurden so ca. 2000 
Curven erhalten, welche Ende Februar 1874 Herrn 
Baziii mitgetheilt wurden. Dieser hat sie dann weiter 
bearbeitet, indem er sämmtliche bei Niedrigwasser er- 
haltene Curven combinirte und ebenso mit den bei 
Hochwasserstand beobachteten Curven verfuhr. Auf 
diese Weise ergaben sich 500 reducirte Curven, welche 
eine in der That bewundernswürdigen Fleiss reprä- 
sentiren. 

Im Irrawaddi beträgt der Pegelstand bei dem 
grössten bekannten Hochwasser 40 Fuss, erreichte aber 
in den Jahren 1872 und 1873 nur 36 Fuss. Das kleinste 
bekannte Niedrigwasser betrug 2 Fuss unter Null, im 
Jahre 1873 sank dasselbe aber nicht ganz so tief. 
Herr Bazin nahm daher zwei Niedrigwasserstände an 
von Null bis 3 Fuss und von 3 Fuss bis 5 Fuss, ebenso 
zwei Hochwasserstände von 22 bis 30 und von 30 bis 
36 Fuss Pegelstand. Er theilte das Profil für Niedrig- 
wasser in 4 und für Hochwasser in 6 Abtheilungen 
und gruppirte alle Beobachtungen der Verticalen von 
gleicher Wassertiefe in einer solchen Abtheilung zu- 
sammen, und zwar von 17 Fuss Tiefe bis zu 70 Fuss. 
Da aber die absoluten Längen keine richtige Verglei- 
chung gestatten, so wurde die sich für jede Gruppe 

3* 



55 



Bornemann, Neuere Literatur über die Bewegung des Wassers in Fltlssen und Canftlen. 



56 



ergebende mittlere Tiefe iu 10 gleiche Theile getheilt 
und die entsprechende Geschwindigkeit berechnet, aus 
diesen Werthen aber die Verticalgeschwindigkeitscurve 
jeder Gruppe construirt. Aus diesen Curven wurden 
dann weiter mittlere Verticalgeschwindigkeitscurven für 
jeden der beiden Niedrig- und Hoch Wasserstände ge- 
bildet, 80 dass schliesslich blos 4 derartige Curven 
übrig blieben, in denen freilich die Eigenthümlichkeiten 
der ursprünglichen Curven sehr verwischt sein müssen. 
Dem vorliegenden Werke ist daher das vollständige 
Zifferwerk beigegeben, um die Originalcurven construiren 
zu können, schade nur, dass dieselben nicht in der von 
Herrn Prof. Harlacher angewandten Weise bearbeitet 
sind. 

Bei der Vergleichung dieser enormen Menge von 
Verticalgeschwindigkeitscurven hat nun der Herr Ver- 
fasser gefunden (und es lässt sich dies auch schon aus 
der Durchsicht des dem besprochenen Werke beige- 
gebenen Zifferwerkes deutlich erkennen), dass bei einem 
und demselben Pegelstande das Verhältniss zwischen 
den Geschwindigkeiten in grösseren Tiefen und der 
Oberflächengeschwindigkeit mit der zunehmenden Tiefe 
der Verticalen wächst, und dass für einen und denselben 
Punkt des Querschnittes dieses Verhältniss bei Hoch- 
wasserstand ein bedeutend grösseres ist, als bei Nie- 
drigwasser. Während bei Niedrigwasser die Oberflächen- 
geschwindigkeit stets erheblich grösser ist, als die Ge- 
schwindigkeiten in der Tiefe, was aber in den tieferen 
Theilen des Profiles schon weniger hervortritt, so ver- 
mindert sich die Differenz der Geschwindigkeiten in 
verschiedenen Tiefen einer und derselben Verticalen 
inuner mehr, je mehr der Wasserstand steigt, bis in 
den grössten Tiefen von 60 bis 80 Fuss (18 bis 24") 
die grössten Geschwindigkeiten in der Nähe des Bodens 
auftreten. Diese auffallende Erscheinung wurde nicht 
nur in dem Profil bei Saiktha, sondern auch in dem 
140 Kilometer weiter abwärts gelegenen Profile con- 
statirt. 

Es fragt sich nun, ob die hier zu Tage getretene 
Erscheinung als ein allgemein gültiges Gesetz anzusehen 
sei, wie der Herr Verfasser annimmt, oder ob dieselbe 
nur dadurch entstanden sei, dass durch irgend welche 
locale Einflüsse das durch die Verticalgeschwindigkeits- 
parabel ausgesprochene - Gesetz modificirt worden ist. 
Als solche locale Einflüsse könnte man recht wohl die 
Bänke ansehen, welche nach Angabe des Verfassers sich 
im Irrawaddi mehrfach zeigen und sich auf dem Fluss- 
bette 80 hoch erheben, dass sie sogar der Schifffahrt 
Schwierigkeit bereiten, wenn auch die grosse Entfer- 
nung der nächsten unterhalb des Profiles bei Saiktha 
gelegenen Bank (16 Miles = ca. 29 Kilometer) eine 



derartige Annahme fast verwerfen lässt. Freilich ist 
das Gefälle des fraglichen Stromes ein höchst geringes 
(0,000095), so dass eine Bank von bedeutender Höhe, 
welche für Schiffe von 1,2™ Tiefgang gefährlich werden 
kann, das Niveau des Flussbettes bei Saiktha schon 
erheblich überragen würde. Leider lässt sich über diese 
Frage eine überzeugende Anschauung nicht gewinnen, 
so lange nicht ausführliche Nivellements des Wasser- 
spiegels und des Flussbettes vorliegen, und es dürfen 
daher die Resultate der so grossartigen Versuche Gor- 
don's nur mit grosser Vorsicht aufgenommen werden. 

Wenn irgend wo, so wären hier recht specielle 
Nivellements nöthig gewesen, um die mit so grosser 
Energie durchgeführten Versuche nutzbringend zu 
machen. Auch bezüglich der Geschwiudigkeitsmessungen 
wäre zu wünschen gewesen , dass eine längere Strecke 
als Weg der Schwimmer abgesteckt worden wäre, und 
dass die Zahl der zur Ermittelung der Oberflächen- 
geschwindigkeit abgelassenen Schwimmer (30 bis 60 auf 
1000 bis 2130" Flussbreite), sowie die Zahl der Ver- 
ticalen, in welchen die Geschwindigkeiten nach der 
Tiefe hin beobachtet wurden (10), namentlich bei den 
grösseren Breiten, eine ansehnlich grössere gewesen 
wäre. Die Gordon 'sehen Versuche flössen indessen 
ein weit grösseres Vertrauen ein, als diejenigen von 
Humphreys und Abbot, bei denen Hagen es äusserst 
wahrscheinlich gemacht hat, dass die Resultate zum 
Theil der aufgestellten Theorie zu Liebe gefälscht wor- 
den sind. Es ist auch bei den neuen Versuchen ein 
Uebelstand vermieden worden, der die Geschwindig- 
keitsmessungen der Amerikaner verdächtig macht, in- 
dem hier die unteren Schwimmer nur durch eine ganz 
dünne Schnur an den Sigualscheiben befestigt waren, 
während bei den Messungen im Mississippi bei 100 Fuss 
Tiefe die von dem Verbindungsseile dargebotene Fläche 
IV2 Mal so gross war, als die Fläche des Schwimmers 
selbst. Gegen die Brauchbarkeit derartiger Schwimmer 
kann überhaupt kaum noch etwas eingewendet werden, 
seitdem die oben besprochenen vergleichenden Versuche 
bei Basel für dieselben sehr günstig ausgefallen sind. 
Auch ist schon von andern Beobachtern die Erscheinung 
wahrgenommen worden, dass die Geschwindigkeiten in 
grösserer Tiefe diejenige an der Oberfläche übertroffen 
hat, ohne dass dafür eine auffällige Ursache nachzu- 
weisen gewesen wäre. Wenn also die neuere Theorie 
auch wohl noch weiterer Prüfung bedarf, so erscheint 
dieser Versuch doch immerhin sehr beachtenswerth und 
ist das vorliegende Werk unbedingt mit zu den inter- 
essantesten Erscheinungen der Neuzeit auf diesem Ge- 
biete der Literatur zu rechnen. 

Am Schlüsse unseres Berichtes angelangt, erlauben 



57 



Bornemauu, Neuere Literatur über die Bewegung des Wassers iu Flüssen und Canälen. 



58 



wir uns noch einen Rückblick auf diejenigen Punkte 
zu werfen, welche bei später vorzunehmenden hydro- 
metrischen Versuchen besonders zu beachten sein 
dürften. So lange dies tliunlich ist, sollten Geschwin- 
digkeitsmessungen nur mit einem sorgfältig justirten 
Woltmann'schen Flügel von passender Grösse vor- 
genommen und jede einzelne Beobachtung mindestens 
einmal wiederholt, auch in der Kegel auf mindestens 
1 Minute Zeit ausgedehnt werden. Für grosse und 
tiefe Ströme wird aber von diesem Hydrometer nicht 
mehr Gebrauch gemacht werden können und dann wird 
sich die Anwendung sogenannter Düppelschwimmer 
empfehlen. Diesen ist ein der Grösse des Flusses ent- 
sprechendes Volumen und womöglich Kugelform zu 
geben, auch sind sie so zu belasten, dass die sie mit der 
Signalscheibe verbindende Schnur nicht zu schlaff wird, 
leider ist aber bis jetzt die Zuverlässigkeit dieses Hy- 
drometers noch nicht genügend nachgewiesen. Beson- 
ders wichtig ist es, einen genügend langen Schwimm- 
weg abzustecken, zu dessen Zurückleguiig bei der gröss- 
ten Geschwindigkeit ungefähr 1 Minute Zeit erforder- 
lich ist. Ferner ist wohl zu beachten, welchen Weg 
die Schwimmer einschlagen, und dürften solche Ver- 
suche auszuscheiden sein, bei denen die Schwimmer 
von der geraden und zum Stromstriche parallelen Linie 
auffallend abweichen. Endlich ist es räthlich an jeder 
Stelle mehrere Schwimmer in kurzen Pausen hinter 
einander einzusetzen, um eine mittlere Schwimmzeit für 
den betreffenden Ort zu erhalten. 

Selbstverständlich wird jede Wassermessung um so 
genauer ausMlen, je mehr Geschwindigkeitsmessungen 
an verschiedenen Punkten des Profiles zu gleicher Zeit 
vorgenommen werden konnten. 

Bei der Bearbeitung der Vorsuche liefert jeden- 
falls der von Herrn Prof. Harlacher eingeschlagene 
Weg die übersichtlichsten und genauesten Resultate; 
wenn aber die Versuche zu verschiedenen Zeiten an- 
gestellt werden mussten, so ist das Gr eben au 'sehe 
Interpolationsverfahren zu empfehlen. Graphische Auf- 
zeichnungen sichern vor groben Fehlern und lassen 
alle Verhältnisse deutlicher hervortreten, als numerische 
Uebersichten. 



Sollen nun derartige Versuche benutzt werden, um 
die Gesetze der Bewegung des Wassers in Flüssen zu 
erforschen, so muss bei der Auswahl der Strecke, in 
welcher die Versuche angestellt werden, mit grosser 
Vorsicht vorgegangen, auch auf die Ermittelung des 
Gefälles und des Querprofiles ebenso viel Fleiss, als auf 
die Durchführung der Geschwindigkeitsmessungen ver- 
wendet werden. Leider herrscht noch ziemliche Un- 
klarheit über die Frage, was man als Gefälle anzusehen 
habe, und es wird sich daher empfehlen, eine Fluss- 
strecke von einer Länge gleich der fünffachen Breite 
des Stromes an beiden Ufern und möglichst auch im 
Stromstrich genau einzunivelliren und in einen Nivel- 
lementsplan einzutragen, woraus sich dann sowohl das 
totale, als das locale Gefälle im Profil leicht abnehmen 
lässt. 

Wenn man aber bedenkt, dass im Allgemeinen, 
namenUich in grösseren Flüssen, eine permanente Be- 
wegung des Wassers kaum zu erwarten ist, so scheint 
es richtiger, bei derartigen Versuchen in folgender 
schon von Weisbach angedeuteter Weise vorzugehen. 

Man steckt zwei Profile in genügendem Abstände 
(l) von einander ab, ermittelt für jedes Profil die er- 
forderlichen Grössen (Querschnitt F^^ und F^, benetzten 
Umfang p^^ und py , mittlere Geschwindigkeit v^ und Vj), 
sowie auch das Totalgelälle h zwischen den Wasser- 
spiegeln in beiden Profilen und setzt dann 



h = 



V 



2 



2 



'0 



2^ 



■^^- 2 \2gFo "^ 2ffFj' 



woraus sich der Widerstandscoefficient C ergiebt. Die 
mehrere Mühe und Arbeit, die bei diesem Verfehren 
aufeuwenden ist, dürfte durch die grössere Brauchbar- 
keit der erzielten Resultate aufgewogen werden, und 
die beiden Wassermessungen, welche bei permanenter 
Bewegung in beiden Profilen gleiche Durchflussmengen 
geben müssen, liefern zugleich den Beweis dafür, ob 
die . abgesteckte Flussstrecke zu derartigen Versuchen 
geeignet ist, endlich verschwindet auch bei diesem Ver- 
fahren die Unsicherheit bezüglich des als maassgebend 
anzusehenden Gefälles. 



Ueber die gescMclitliclie Entwickelung der Geodäsie und ihre Beziehungen zur 

neueren Geometrie. 

(Aus einer Festrede, gehalten in der Aula des Polytechnikums zu Dresden am 23. April 1875.)*) 

Von 

Prof. Dr. Arwed Fuhrmann. 



I. China und Aegypten, die vielgenannten Sitze 
uralter Cultur, sind es, in denen wir die älteste 
Geodäsie antreffen. Im ersten dieser beiden Länder 
muss CS schon in den frühesten Zeiten ein gewisses 
Feldmessen gegeben haben. Man erkennt dies aus dem 
Umstände, dass das ganze Reich in quadratische Flächen 
zerlegt war; man erkennt es ferner aus dem Vorhan- 
densein eines Denkmales, welches mindestens einige 
Jahrhunderte vor Christi Geburt entstanden sein muss, 
der Schrift Tschlu-pi, in welcher auf geheimnissvoll- 
klingende Weise gelehrt wird, dass durch drei Seiten 
von den Längen 3, 4 und 5 ein rechtwinkliges Dreieck 
gebildet wird, dass hierbei 3^ -{-4^ = 6'^ ist, und dass 
man mit einem rechtwinkligen Lineale Entfernungen, 
Höhen und Tiefen messen könne. 

Aegypten war, in Folge seiner eigenthümlichen 
klimatischen und Culturverhältnisse, am geeignetsten, 
die Geodäsie, und mit ihr die Geometrie überhaupt, 
nicht nur entstehen, sondern auch aufblühen zu lassen. 
Der Nil zwang zur Erfindung einer gewissen Feldmess- 
kunst, indem er alljährlich die Grenzen theils veränderte. 



*) Der Inhalt des nachfolgenden Aufsatzes war ursprünglich 
nicht für den Druck bestinunt. Wenn ich mich doch noch ent- 
Bchliesse, ihn zu veröffentlichen, so geschieht es zufolge einer 
Aufforderung des Redacteurs dieser Zeitschrift und in der Hoff- 
nung, dass die Abhandlung Manchen willkommen sein werde. 
Das Wenige, was es über Geschichte der Geodäsie gab, habe ich 
selbstverständlich, so weit es mir zugänglich war, benutzt, beson- 
ders HankeTs Werk „zur Geschichte der Mathematik in Alter- 
thum und Mittelalter** (Leipzig, Teubner, 1874), J. T. Mayer' s 
„Unterricht zur praktischen Geometrie*' (Göttingen, 1777 — 83) 
und R. Wolfs „Handbuch der Mathematik** (Zürich, 1870 und 
1872). Cantor's Schrift „die römischen Agrimensoren** (Leipzig, 
1875) war, als ich nachstehende Rede (bei der Feier des Geburts- 
tages S. M. des Königs von Sachsen) hielt, noch nicht erschienen, 
ist also unbenutzt geblieben. Der Verf. 



theils durch das Absetzen einer Schlammdecke unkennt- 
lich machte. Aus diesem Keime entwickelte sich nach 
der einen Seite hin die theoretische Geometrie in 
jener wunderbaren Vollkommenheit, die nur der grie- 
chische Geist zu schaffen vermochte, nach der anderen 
Seite aber jene praktische Geometrie der ägyptischen 
Priester, die, wie zuverlässige Forschungen gelehrt 
haben, schon zur Zeit Joseph's (also um 1800) zu 
einer vollständigen Landesvermessung führte, unter 
Sesostris (um 1400) aber zu einer Art Separation 
im jetzigen Sinne. Es entwickelte sich ein ziemlich 
vollkommenes Vermessungs- und Steuerwesen unter Zu- 
grundelegung von Flurbüchern, welche, von sogenannten 
Ortsschreibern geführt, genaue Auskunft über jedes 
Grundstück gaben. Auch kann es an einer gewissen 
Kenntniss des Nivellirens nicht gefehlt haben, denn die 
angelegten Canäle und Schleussen sind zwar nur stumme, 
aber doch mächtige Zeugen dafür. 

Die Regeln der ägyptischen Feldmesskunst waren 
freilich vielfach unrichtig; die Fläche des Viereckes 
z. B. wurde durch Multiplication der arithmetischen 
Mittel der Gegenseiten erhalten. Heron von Alexan- 
drien setzte (um das Jahr 100 vor Chr.) richtige und 
vollkommenere Methoden an die Stelle der altä.gyp- 
tischen, seine geodätischen Schriften fanden aber nur 
brockenweise bei den Feldmessern Eingang. 

Das hierdurch entstandene sonderbare Gemisch 
von ägyptischen Regeln und griechischer Geometer- 
weisheit wurde nach Rom verpflanzt, als Cäsar und 
Augustus das grosso Reich vermessen liessen und 
dazu Feldmesser aus Alexandria beriefen, weil die hei- 
mische Geodäsie nicht viel weiter reichte als bis zur 
Aussteckung von rechtwinklig abgetheilten Städten und 
Lagern. 

Man weiss, wie wenig Sinn die Römer für die 



61 



Fuhrmann, Ueber die geschichtliche Entwickelung der Geodäsie und ihre Beziehungen u. s. w. 



62 



theoi-etische Mathematik hatten, wie ihr Augenmerk 
immer nur auf das Praktische, auf das unmittelbar 
Nützliche gerichtet war; man wird es also begreiflich 
finden, dass die Geodäsie in ihren Händen nicht mehr 
sein konnte als ein Handwerk, und dass es — ohne 
alles Nachdenken betrieben — falsche Regeln Jahrhun- 
derte lang fortschleppte. Die römischen Feldmesser 
— hochgeschätzt vom Staate, mit Ehrennamen und 
flhrenämtem überhäuft — sind eine ziemlich klägliche 
Erscheinung, besonders dann, wenn man beachtet, dass 
schon Jahrhunderte vorher in Griechenland das herr- 
liche Dreigestim Thaies, Pythagoras, Piaton im 
Gebiete der reinen Geometrie glänzte und das unsterb- 
liche Werk Euklid 's entstand. — 

Das wichtigste Instrument der römischen Feld- 
messer war, ausser der Messkette, die groma (oder 
Stella), welche ihnen den Namen gromatici gab. Dieses 
Messgeräth vermittelte das Abstecken von rechten Win- 
keln, wie auch dasjenige von congruenten Dreiecken, 
und bestand aus zwei ein rechtwinkliges Kreuz bilden- 
den metallenen Armen, an deren Enden durch Gewichte 
gespannte Fäden herabhingen, die wie Diopter be- 
nutzt wurden. Ein Gestell gestattete, dieses Kreuz 
nach dem Augenmaasse horizontal zu stellen und bot | 
durch ein Loth die Möglichkeit, den Kreuzmittelpunkt i 
über den Scheitel des abzusteckenden rechten Winkels | 
zu bringen. Das Werkzeug war hiemach der jetzigen i 
„Kreuzscheibe" oder dem „Winkelkreuze" ähnlich; wie ! 
mangelhaft es aber selbst bei ruhiger Luft sein musste | 
und wie unbrauchbar bei bewegter, das liegt auf der | 
Hand. 

Instrumente, welche Winkel von allen Grössen 
in Gradnuiass angaben — während die groma nur für 
einen brauchbar war — , besass das Alterthum zwar 
auch schon, doch befanden sie sich hauptsächlich in 
den Händen der Astronomen, nicht in denen der Feld- 
messer. 

Es gehört hierher das Astrolabium, für den 
heutigen Geodäten deshalb von besonderem Interesse, 
weil es der Keim ist, aus welchem sich nach und nach 
der Theodolit entwickelte, welcher bekanntlich jetzt 
unter den geodätischen Instrumenten eine der wich- 
tigsten Rollen spielt. 

Die Erfindung des Astrolabiums wird dem Hip- 
parch zugeschrieben. Es bestand im Wesentlichen 
aus einer kreisrunden, am Rande getheilten Scheibe, 
um deren Mittelpunkt sich ein Zeiger drehte, den man 
auf die Schenkel der zu messenden Winkel einstellen 
musste. Höhenwinkel sowohl, als horizontal liegende 
wurden mit ihm gemessen. 

Es gehören hierbei; ferner diejenigen Instrumente, 



welche als Hauptbestandtheil einen senkrecht stehenden 
Zeiger hatten, der seinen durch die Sonne erzeugten 
Schatten auf eine Ebene oder Kugelfläche warf, so dass 
man (nach dem Satze von der Gleichheit der Scheitel- 
winkel) aus der Länge dieses Schattens den Höhen- 
winkel der Sonne erkannte. 

Sehr beachtenswerth sind die Nivellirinstru- 
mente der Alten. Sieberuhen auf Grundsätzen, deren 
Anwendung noch vor wenigen Jahrzehnten theilweise 
gebräuchlich war und erst seitdem durch die Röhren- 
libelle vollständig verdrängt worden ist. Die eine Art, 
kurz gesagt: Pendelinstrumente, gründete sich auf den 
Satz, dass eine Gerade, die mit einer zweiten unter 
einem rechten Winkel fest verbunden ist, dann hori- 
zontal sein muss, wenn man die zweite senkrecht ge- 
stellt hat (unter Benutzung eines Lothes oder Pendels). 
Die andere Art brachte das Princip der communiciren- 
den Röhren zur Anwendung, um eine wagerechte Ab- 
sehlinie herzustellen, oder sie verschafi'te letztere durch 
Verwendung eines einzigen Wasserspiegels, den eine 
lange, in eine Latte eingeschnittene Rinne darbot. — 

Was das Alterthum im Gebiete der praktischen 
Geometrie leistete, war — wie das Angedeutete erkennen 
lässt — wenig. 

Eine einzige Leistung steht wahrhaft gross da, 
und diese einzige gehört zum .grösseren Theile in das 
Gebiet der Astronomie. Ich meine die bekannte Grad- 
messung des Eratosthenes, der um das Jahr 230 vor 
Chr. den Gedanken durchführte, den Umfang der als 
Kugel aufgefasstcn Erde zu berechnen aus der Länge 
irgend eines Meridiantheilos und aus der Grösse des 
zugehörigen Centriwinkels. Da über die Geschichte 
der Gradmessungen schon seit langer Zeit viel ge- 
schrieben worden ist (hingegen sehr wenig über die 
der Geodäsie im Allgemeinen), so gehe ich weder auf 
die letztgenannte Erdmessung, noch auf die späteren 
näher ein. — 

Dem Alterthum folgte, wie bekannt, ein langer 
Zeitraum der Finsterniss. Dass diese Zeit der Geistes- 
nacht auch für die Geschichte der Geodäsie ein fast 
ganz leeres Blatt liefert, versteht sich von selbst. 
Nennenswerth ist nur die im Jahre 827 auf Befehl des 
Kalifen AI Mamum (Almanon) am arabischen Meer- 
busen ausgeführte Gradmessung, die sich in mancher 
I^eziehung voi-theilhaft von den im Alterthume vorge- 
nommenen untei*scheidet. Die „schwarze Elle", welche 
bei dieser Messung als Längeneinheit diente, ist uns 
leider nur als ein Vielfaches (nämlich als das 144 fache) 
der Gerstenkorndicke überliefert. Nimmt man für 
letztere (nach Snellius) im Mittel V89 iheinliindische 
Fuss, so ergiebt sich, dass diese Messung einen Fehler 



63 



Fuhrmann, üeber die geschichtliche Entwickelang der 



64 



von etwa 3-/3 Proc. hat, während derselbe bei der des 
Eratosthenes vier- bis fünfmal so gross war. 

Das Bekanntwerden der Augengläser (Brillen) 
übte anfänglich gar keinen Einfluss auf die Ver- 
messungsinstnimente aus; eben so wenig das der 
Boussole. 

Man hatte im fünfzehnten Jahrhundert noch Ge- 
legenheit, Aufsehen zu erregen, wenn man eine Ab- 
änderung des Astrolabiums erfand; so Georg von 
Peuerbach durch sein „Quadratum geometricum", 
welches an die Stelle des getheilten Viertelkreises ein 
Quadrat setzt, um dessen eine Ecke sich das Visir- 
lineal dreht. 

U. Auch noch in das sechzehnte Jahrhundert 
ragt der Urzustand der Winkelmessinstrumente, zu- 
nächst nur dadurch etwas verbessert, dass man durch 
riesenhafte Grösse derselben die Genauigkeit zu er- 
höhen suchte. 

Aber eine erfreuliche Entwicklung der Geodäsie 
begann zu tagen! 

Das von den Alten ererbte Astrolabium wurde mit 
einem Stative versehen, dem ein Kugelgelenk die nö- 
thige Beweglichkeit verlieh. Tycho Brahe brachte 
diesen Keim des Theodoliten dadurch vorwärts, dass 
er zur Horizontalstellung des Kreises Fussschrauben 
verwendete und mit dem wagrechten Kreise einen senk- 
rechten, drehbaren, mit Dioptern versehenen Quadranten 
verband, um schiefliegende Winkel in horizontale und 
verticale zerlegen zu können. 

Auch ersetzte der geniale Mann die bis zu seiner 
Zeit direct ausgeführte Kreistheilung durch eine 
indirecte, welche ziemlich hundert Jahre lang benutzt 
wurde. Der Leipziger Professor Hommel hatte ihn mit 
der Einrichtung der geradlinigen Transversalmaassstäbe 
bekannt gemacht. Alsbald übertrug er den zu Grunde 
liegenden — heutzutage allgemein bekannten — Ge- 
danken von der geraden Linie auf den Kreis, in einer 
theoretisch zwar unrichtigen, für die damalige Praxis 
aber grosse Vortheile gewährenden Weise. — 

Der Portugise Petro Nunez, oder Nonius, Pro- 
fessor der Mathematik zu Coimbra, hatte kurz vorher, 
nämlich 1542, ein anderes Verfahren für die mittelbare 
Theilung der Kreise vorgeschlagen. Es beruhte auf 
dem fruchtbaren Gedanken, an die Stelle der weiter- 
gehenden Theilung eines Bogens verschiedene Theilung 
desselben zu setzen. Er schlug vor, den Quadranten 
mit 44 concentrischen Hilfsquadranten zu versehen, 
den äussersten dieser Viertelkreiso in 90 gleiche Theile 
zu theilen, den nächsten in 89, den folgenden in 88 
u. s. f. Die um den Mittelpunkt drehbare Visirvor- 
richtung — meinte er — müsse dann jedenfalls auf 



einen dieser vielen Theilstriche nahe genug einstehen, 
der Werth desselben aber sei leicht zu berechnen. — 
Der Vorschlag war vom Standpunkte der Theorie aus 
vollkommen richtig, in der Praxis aber ganz undurch- 
führbar, schon deshalb, weil er fünfundvierzig verschie- 
dene Theilungen verlangte ; darunter solche nach Prim- 
zahlen. — 

Auch im Gebiete der Messungen, nicht nur in 
demjenigen der Instrumente, zeigt das sechzehnte Jahr- 
hundert das Dämmern einer besseren Zeit. Ich meine 
nicht die ziemlich bekannte Gradmessung Fernel's 
zwischen Paris und Amiens — denn diese zeichnet sich 
im Wesentlichen nur dadurch aus, dass sie bezüglich 
der Ermittelung der Entfernungen weit schlechter war, 
als die 700 Jahre früher unter AI Mamum ausge- 
führte — , ich meine vielmehr die ersten Spuren der 
sogenannten Triangulation. 

Die heutige Geodäsie versteht unter dem Triangu- 
liren bekanntlich das trigonometrische Ermitteln grosser 
Entfernungen durch Benutzung eines zwischen den 
Endpunkten eingeschalteten Systems von Dreiecken, in 
denen zwar alle Winkel zu beobachten sind, jedoch 
nur eine einzige säramtlicher Seiten gemessen zu wer- 
den braucht. 

Merkwürdigerweise ist es ein Professor der Theologie 
und der hebräischen Sprache, doch zugleich auch der 
Mathematik — Sebastian Münster zu Basel — , 
der wohl zuerst auf Aehnliches kam. 

Die Winkel der Dreiecke erhielt er, wie seine be- 
rühmte, 1544 erschienene „ Cosmographia " oder „Be- 
schreibung aller Lender" lehrt, durch einen getheilten 
Kreis, den er an jedem Eckpunkte mittelst eines Com- 
passes orientirte (und der nicht einmal Diopter hatte, 
sondern nur ein drehbares Lineal). Die Länge der 
einen Seite gewann er durch Abschreiten, oder Ab- 
reiten; das Dreiecksnetz durch Constmction. Er spricht 
allerdings in seinem eben genannten Werke (das sehr 
viele Auflagen erlebte) nur von einem Dreiecke, nicht 
von einem ganzen Netze, da er aber die Sache auf die 
Vermessung von Ländern bezieht, so ist anzunehmen, 
dass er sich au das erste Dreieck andere geschlossen 
dachte. — 

III. Derartig vorbereitet war der Boden für die 
Ernte, welche der Geodäsie im siebzehnten Jahr- 
hundert reifen sollte I 

An den Anfang desselben gehört — wie allgemein 
bekannt — die Erfindung des Mikroskopes und des 
Fernrohres. 

Ein Vierteljahrhundert verstrich, ehe man begann, 
letzteres für Winkelinstrumente zu benutzen. Weit 
sehen konnte man nun mit den Winkelmessern, aber 



65 



Geodäsie nnd ihre Beziehungen ztir neneren Geometrie. 



66 



man vennochte nicht, eine mit dem Rohre genommene 
Richtung genau zu fixiren. Dieses Problem löste im 
Jahre 1640 der junge, talentvolle Engländer William 
Gascoigne, den die Wissenschaft leider sehr früh 
verlor. Er brachte in der Bildebene des Objectives 
feine Faden an, die, durch ein Schraube verstellbar 
gemacht, auch zum Messen dienen konnten. 

Um den Ruhm, Fadenkreuz und Mikrometer 
hierdurch erfanden zu haben, ringen mit ihm aller- 
dings noch Einige (Henrion, Morin, Gencrini, 
Auzout, Picard) und es wird schwer sein, die An- 
sprüche derselben- genau abzuwägen. 

Ausser dem Femrohr mit Fadenkreuz brachte das 
siebzehnte Jahrhundert noch zwei höchst wichtige Be- 
standtheile der geodätischen Instrumente: den Nonius 
und die Röhrenlibelle. 

Der Grundgedanke, den Pedro Nunez 1542 be- 
züglich der indirecten Kreistheilung ausgesprochen hatte 
— freilich in unbrauchbarer Form — wurde durch 
Pierre Vernier 1631 in so vollkommener Weise ver- 
werthet, dass wir noch heute die durch ihn erfundene 
Vorrichtung unter den Namen Vernier oder Nonius 
benutzen. 

Auch auf den trefflichen Einfall, eine auf einer 
WeingeistfuUung in einer schwach gebogenen Glasröhre 
schwinmiende Luftblase zur Herstellung horizontaler 
Absehlinien zu benutzen, kamen die Franzosen und 
wurden dadurch zu Erfindern der Röhrenlibelle, welche 
seitdem einer der wichtigsten Gehilfen des Geodäten 
ist, jedoch — ebenso wie der Nonius — nur langsam 
zu allgemeiner Anwendung kam. 

Doch nicht allein Holland, England und Frank- 
reich forderten zu jener Zeit mächtig die Geodäsie, 
auch die Schweiz und Deutschland griffen rüstig ein: 
Der Jesuit Christoph Scheiner erfand um das Jahr 
1603 den Pantographen. Unter dem gcmüthlichen 
Namen „Storchschnabel" hat Letzterer nicht nur dem 
Geodäten seitdem gedient, sondern auch — wie bis vor 
etwa 20 Jahren die Wände eines jeden Studenten- 
zimmers nachwiesen — unermüdlich Schattenrisse ge- 
schaffen und deshalb als hochgeschätzter Portraitmaler 
dagestanden. 

Die bekannte Kreuzscheibe, im Wesentlichen 
eine Verbesserung der römischen groma, findet sich im 
Jahre 1627 in der Geometrie des Züricher Ingenieurs 
Ardüser, wie es scheint, zuerst beschrieben, doch 
halte ich für wahrscheinlich, dass sie schon früher be- 
nutzt wurde, denn die durch dieselbe gebotene Ver- 
vollkommnung des Lieblingsmesswcrkzeuges der alten 
römischen Feldmesser ist eine gar zu nahe liegende. 

Weit wichtiger aber als die Erfindung des Pauto- 

ClTlliDfenieor XXIII. 



graphen und der Kreuzscheibe ist die des Messtisches. 
Man schrieb sie bisher kurzweg dem Altdorfer Professor 
Praetorius zu und nannte das Jahr 1611. Doch das 
ist nur mit Einschränkung richtig! 

Leonhard Zubler nämlich beschreibt in einer 
schon 1607, also 4 Jahre vorher, erschienenen Schrift 
einen Apparat, dessen Grundgedanke von dem Züricher 
Eberhard ihm angegeben worden war, und der im 
Wesentlichen nichts anderes ist, als ein Messtisch, aber 
ein Messtisch — ohne Beine! Auch lehrt er, wie mit 
diesem Geräthe das Aufnehmen aneinanderstossender 
Dreiecke, also ein gewisses Trianguliren auszufuhren sei. 

Die Nivellirinstrumente kamen im siebzehnten 
Jahrhundert zwar auch zur Weiterentwickelung, doch 
gelang es denen mit Röhrenlibelle — offenbar schon 
damals berufen, sich die Alleinherrschaft zu erringen — 
durchaus nicht, die andern zu verdrängen. Im Gegen- 
theile, es hielten sich selbst Männer ersten Ranges, 
wie Picard und Huyghens, noch an die schon im 
Alterthume angewendeten Pendelinstrumente, indem sie 
die Achse eines I'ernrohres dadurch horizontal stellten, 
dass sie dieselbe mit einem Lothe unter rechtem Winkel 
verbanden. Die Huyghens 'sehe Wasser wage bot den 
Vortheil, die Horizontalstellung selbstthätig auszufuhren, 
und zwar durch ein unter dem Schwerpunkte des frei- 
hängenden Fernrohres angebrachtes Gewicht. Interes- 
santer als diese beiden ist das Nivellirinstrument, wel- 
ches De la Hire vorschlug. Es beruht auf dem Ge- 
danken, ein schwimmendes Fernrohr zur Erlangung 
wagrechter Absehlinien zu verwenden. Er benutzte 
jedoch nicht ein mit Wasser gefülltes Gefäss, sondern 
zwei durch eine Röhre verbundene ; auf dem nach vom 
gelegenen Hess er das Objectivglas schwimmen, auf dem 
andern das im Brennpunkte des Objectives befindliche 
Fadenkreuz ; hinter diesem befand sich in einer kurzen 
Röhre das Ocular. 

Den Nivellirinstrumenten schliesst sich eng das 
Barometer an, welches zuerst der vielseitige Pascal, 
und zwar schon 1648, mithin wenige Jahre nach To- 
ri colli 's berühmter Entdeckung, zum Höhenmessen 
benutzte, indem er durch seinen Schwager Perrier 
Versuche auf dem Puy-de-D6me anstellen liess. — 

Obenan unter den Fortschritten, die das siebzehnte 
Jahrhundert bezüglich der geodätischen Messungen 
brachte, steht der Umstand, dass der Niederländer 
Willebrord Snellius die Triangulation erfand, 
oder doch wenigstens alles hierher gehörige Frühere 
wesentlich verbesserte und in grossartigen Verhältnissen 
benutzte.' Das Wesen der Triangulation wurde schon 
genannt, als ein in das sechzehnte Jahrhundert gehö- 
render schwacher Vorläufer Erwähnung fand. Das 

6 



67 



Fuhrmann, Ueber die geschichtUche Entwickelnng der 



68 



Jahr 1615, in welchem Snellius die Methode hei 
seiner Gradmessung in Holland zur Anwendung hrachte, 
ist ein ausserordentlich wichtiges für die Geschichte 
der Geodäsie. Es beginnt mit ihm ein neuer Haupt- 
abschnitt derselben; es beginnt die Zeit, von welcher 
an die praktische Geometrie berechtigt ist, sich Wis- 
senschaft zu nennen, während sie vorher kaum mehr 
als ein Handwerk war; es beginnt femer eine intens- 
sive Wechselwirkung zwischen Geodäsie, Mathematik, 
Physik und Technik der Instrumente, die seitdem nie 
aufgehört hat, fordernd, anregend und befruchtend nach 
allen Seiten hin zu wirken. 

Die nächste Frucht war das Entstehen von Grad- 
messungen, deren Durchführung die der vorausgegan- 
genen in grossartiger Weise übertraf: Zuerst die Pi- 
card's zwischen Paris und Amiens im Jahre 1669; 
dann, 14 Jahre später, die Fortsetzung derselben nach 
Norden bis Dünkirchen durch Lahire und nach Süden 
bis CoUioure durch Dominique Cassini, beide Mes- 
sungen in naher Beziehung zu der im Jahre 1672 auf- 
getauchten Frage, ob die Erde ein abgeplattetes Rota- 
tionsellipsoid seL — 

Fasst man zusammen, was das siebzehnte Jahr- 
hundert der Geodäsie brachte, so erkennt man, dass es 
eine Fülle wichtigster Fortschritte war; man erkennt, 
dass dieser Zeitabschnitt in der Geschichte der Geodäsie 
eine beinahe ebenso wichtige Rolle spielt, wie in der- 
jenigen der reinen Mathematik. 

IV. An der Schwelle des achtzehnten Jahrhun- 
derts steht eine Erfindung, durch welche der grosse 
Newton seinen Namen auch im Gebiete der praktischen 
Geometrie unsterblich machte. Das herrliche Vorrecht 
des Genies, funkelndes Gold da zu erblicken, wo An- 
dere nur das taube Gestein sehen, liess ihn erkennen, 
dass zwei unter veränderlicher Neigung verbundene 
Planspiegel ein treffliches Messinstrument abzugeben 
vermögen, weil der Winkel, unter welchem der einfal- 
lende Lichtstrahl «vom zweimal reflectirten geschnitten 
wird, in bestimmter einfacher Beziehung steht zum 
Spiegelwinkel. 

Die im Jahre 1700 verfasste Beschreibung des In- 
strumentes hatte ein eigenthümliches Schicksal: Sie 
verschwand in dem Schriften -Chaos eines Gelehrten- 
zimmers I Erst nach 42 Jahren erblickte sie wieder 
die Sonne! 

Unterdessen hatte John Hadley ganz Dasselbe 
im Jahre 1731 beschrieben, ohne Newton zu nennen, 
obgleich er höchst wahrscheinlich dessen Manuscript 
kannte. Das Instrument erhielt den Namen „ Hadley '- 
scher Spiegelsextant" und ist da, wo es nöthig 
wirdy Winkel zu messen, während der Boden unter dem 



Beobachter schwankt — also vorzüglich auf Schiffen — , 
unentbehrlich gewesen, bis im Jahre 1770 Tobias 
Mayer und 1787 Borda den etwas besseren Spiegel- 
vollkreis vorschlugen, der auf ganz demselben Grund- 
gedanken beruht, sich jedoch so langsam Geltung ver- 
schaffte, dass bis heute der Sextant nicht ganz ver- 
drängt wurde. 

Dem Techniker und Feldmesser am geläufigsten ist 
ein ganz specieller Fall der Anwendung des Newton'- 
schen Gedankens, nämlich das kleine, den Namen 
Winkelspiegel führende Mess Werkzeug, welches zum 
bequemen Abstecken von Senkrechten dient und 1791 
zuerst von dem englischen Optiker George Adams 
dem Jüngeren als eine Erfindung seines Vaters be- 
schrieben wurde. 

So ist denn das achtzehnte Jahrhundert das Seculum 
für die Entstehung der Spiegelinstrumente. Doch 
nicht für diese allein! Auch der Theodolit — dieses 
jetzt am meisten hervorragende Winkelmessinstrument 
— entwickelte sich in der zweiten Hälfte des genannten 
Jahrhunderts in erfreulicher Weise aus den früher an- 
gedeuteten Keimen. 

Die praktischen Engländer waren es, die ihn aus- 
bildeten, indem sie die von Tycho Brahe bereits 
verwendete Combination eines horizontalen und eines 
verticalen Kreises nicht allein mit Fernrohren, sondern 
auch mit Mikroskop -Mikrometern versahen, also mit 
derjenigen Einrichtung, zu welcher man in der aller- 
neuesten Zeit wieder gegriffen hat, um die genauesten 
Instrumente herzustellen. 

Hand in Hand mit der Ausbildung der Winkel- 
instrumente ging die der Längen m essungen. Bis 
gegen das Ende der dreissiger Jahre hatte man selbst 
bei den sorgfältigsten Basismessungen hölzerne Stäbe 
benutzt und diese unmittelbar an einander gelegt 
Gassini verwendete 1739 zuerst Metallstäbe, erreichte 
aber keinen wesentlichen Vortheil, weil er die Ausdeh- 
nung nur durch Quecksilberthermometer ermittelte. 
Der englische General Roy maass im Jahre 1784 eine 
Basis mit Glasröhren. Erst Borda 's Scharfeinn traf 
das Rechte durch Aufstellung und Benutzung von zwei 
durchaus neuen Grundgedanken: Er liess die Maass- 
stäbe nicht mehr direct an einander legen, maass viel- 
mehr Zwischenräume durch mit Nonien versehene 
Schieber; er setzte femer die Messstangen aus zwei 
verschiedenen Metallen — Platin und Kupfer — 
zusammen und erkannte durch den Ausdehnungsunter- 
schied beider die l'emperatur bis auf etwa Vso eines 
Reaumur 'sehen Grades. 

Sein trefflicher Basismessapparat kam 1792 bei 
der zweiten französischen Gradmessung zuerst zur An- 



69 



Geodäsie nnd ihre Beziehungen zur neueren Geometrie. 



70 



Wendung und ist — soweit es die beiden Grundgedanken 
botnfiFt — bis heute mustergiltig geblieben. 

Auch diejenigen Instrumente, welche von einem 
einzigen Standpunkte aus Entfernungen zu ermitteln 
gestatten, die sogenannten Distanzmesser — iu der 
Geschichte der Geodäsie mehr berüchtigt als berühmt 
— fingen im achtzehnten Jahrhundert an, sich geltend 
zu machen, nachdem sie bereits im Anfiänge des sieb- 
zehnten aufgetaucht waren, als „geometrisches Quadrat'' 
sogar schon früher existirt hatten. 

Die besseren Nivellirinstrumenteendlich waren 
im Wesentlichen in den achtziger Jahren schon mit 
allen den Einrichtungen yersehen, die wir jetzt — wenn 
auch in Yollkommenerer Weise — diesen Apparaten 
geben, gestatteten sogar zum Theil schon jenes Vor- 
und Rückwärtsvisiren, welches auf der Wiener Industrie- 
ausstellung (1873) in neuer Auflage vertreten war. 

Mit derartig vollkonunenen Instrumenten ausge- 
rüstet, erreichten die im achtzehnten Jahrhundert zur 
Durchführung gelangenden geodätischen Arbeiten, ins- 
besondere die Gradmessungen, eine bereits ziemlich 
hohe Genauigkeit. Es sind diese Messungen wegen der 
mit ihnen in Verbindung stehenden Frage nach der 
Abplattung der Erde und wegen der Entstehung des 
Metermaasses so bekannt, dass ich nicht näher auf die- 
selben einzugehen brauche. 

Hingegen darf ich nicht versäumen, auf den 
weniger bekannten Umstand hinzuweisen, dass bereits 
im Jahre 1737 durch den französischen Geographen 
Buache diejenige Art der Darstellung geodätischer 
Höhenaufhahmen erfunden wurde, welche in neuester 
Zeit anfängt, sich die Alleinherrschaft zu erringen: Die 
Darstellung durch Schichtlinien (Horizontalen, Ni- 
veaucurven). 

Ich darf femer nicht unterlassen, aui das Ver- 
dienst hinzuweisen, welches sich Tobias Mayer im 
Jahre 1752 durch die Erfindung des Principes der 
Winkelrepetition erwarb. 

Ich muss endlich — das achtzehnte Jahrhundert 
in würdiger Weise abschliessend — des jungen Stu- 
denten der Mathematik gedenken, der im Jahre 1795 
zu Göttingen die Methode der kleinsten Quadrate 
schuf — jene Ausgleichungsrechnung, welcher die 
Greodäsie ausserordentlich viel verdankt — und der 
dann im neunzehnten Seculum so Grossartiges leistete, 
dass der Name Gauss für alle Zeiten einer der voll- 
tönendsten sein wird! 

V. Erleuchtet von diesem strahlenden Sterne begann 
die Geodäsie im neunzehnten Jahrhundert ihre Ge- 
schichte. Wie Gauss Mathematik, Physik, Astronomie 
und Geodäsie in sich derartig voreinigte, dass sie in 



lebhafter Wechselwirkung sich gegenseitig anregten und 
förderten, so ist die neueste Geschichte und die Gegen- 
wart der Geodäsie ein Ineinandergreifen und ein Zu- 
sanunenwirken dieser Wissenschaften« welches bereits 
treffliche Fortschritte erzeugt hat. 

Es ist unmöglich, in kurzer Zeit zu schildern, in 
welcher Weise alle Faktoren wirkten und welche Re- 
sultate sie erreichten. 

Möge es mir daher gestattet sein, nur einen der- 
selben zu besprechen und zwar den, der bisher das 
Aschenbrödel war, der bisher am wenigsten beachtet 
wurde und wohl gerade deshalb einige Aufmerksamkeit 
verdient. 

Ich meine den Einfluss, welchen die neuere 
Geometrie auf die Geodäsie ausgeübt hat und viel- 
leicht künftig ausüben wird. 

Die erste hierher gehörige Arbeit ist der 1861 
von Rankine in der Zeitschrift „the artizan'^ veröffent- 
lichte kurze Aufsatz „on the application of transversals 
to engineering field-work.** 

Ihm folgte, 5 Jahre später, im „Archiv der Ma- 
thematik und Physik", eine von Franz Müller her- 
rührende Abhandlung „über die Anwendung der har- 
monischen und anharmonischen Verhältnisse zur Auf- 
lösung einiger Aufgaben der Geodäsie." 

Ferner gab Reye in demselben Jahre hierher Ge- 
höriges, doch von geringem Umfange, in seiner treff- 
lichen „Geometrie der Lage". 

Was nachher Spangenberg im Jahrgange 1869 
der „deutschen Bauzeitung" aussprach, imd Franke 
1870 in der „Zeitschrift des hannoverischen Ingenieur- 
und Architekten -Vereins", enthielt wenig Neues. 

Die jüngsten Aufsätze rühren her von Schlesinger 
und von Baur. Der Erstgenannte gab im Jahrgange 
1872 des „Archiv der Mathematik und Physik" einen 
Beweis der Lehmann'schen, die Pothenot'sche Auf- 
gabe betreffenden Sätze, welcher wenigstens seine Ent- 
stehung der neueren Geometrie verdankt. 

C. W. Baur löste im dritten Bande (1874) der 
„Zeitschrift für Vermessungswesen" eine Grenzaus- 
gleichungsaufgabe unter Benutzung des Centralpunktes 
und eines Doppelpunktes der Involution. 

Das ist die gesammte hierher gehörige Literaturl 
Es liegt also dieses Feld noch sehr unbearbeitet da. 

Der oft gelobten Gründlichkeit deutscher Wissen- 
schaft wird es entsprechen, den Boden künftiig näher 
zu untersuchen, um schliesslich die jetzt noch offene 
Frage, ob die neuere Geometrie hinreichend brauchbare 
Anwendungen innerhalb der Geodäsie gestatte, womög- 
lich entweder mit einem entschiedenen Ja beantworten 
zu können, oder mit einem ebenso entschiedenen Nein. 



71 



Fährmann, Ueber iUe geschichtliche Entwickeloug der 



12 



Sehen wir uns au, was die bisherigen Bebauer dieses 
noch wenig bestellten Feldes erzogen, und was, als 
naheliegend, sich auschliessen lässt! 

Wenn wir die — bereits speciell genannten — 
Arbeiten Baur's und Schlesinger's ausnehmen, so 
bleibt Folgendes: 

Es tritt zuerst die geodätische Aufgabe hervor, 
Punkte ausfindig zu machen, welche einer 
durch Signale bezeichneten Strecke, oder deren 
Verlängerung angehören und, gewisser Hinder- 
nisse wegen, nicht unmittelbar erhalten werden 
können. 

Wenn jedes Messen ausgeschlossen ist, so löst die 
neuere Geometrie diese Aufgabe durch blosses Aus- 
stecken von Signalstangen, indem sie entweder harmo- 
nische Gebilde oder perspectivisch liegende Dreiecke 
benutzt. Auf die Verwendung des harmonischen Strah- 
lenbüschels zu diesem Zwecke hat zuerst Reye hin- 
gewiesen; Spangenberg benutzte die perspectivisch 
verwandten Dreiecke in einer etwas schwerfälligen 
Weise, die sich durch ein geschickteres und zugleich 
allgemeineres Verfahren ersetzen lässt. 

Ist hingegen das Messen geeignet gelegener Strecken 
zulässig, so fuhrt der Satz zum Ziele, welchen Gar not 
an die Spitze seiner Theorie der Transversalen stellte. 
Doch gelangt man oft noch bequemer zur Lösung, wenn 
man die Doppelverhältnisse perspectivisch liegender 
Punktreihen oder Strahlenbüschel verwendet. 

Harmonische Gebilde, perspectivisch liegende Reihen, 
Büschel oder Dreiecke sind es auch, die dazu führen, 
mit Leichtigkeit eine Richtung nach dem unzu- 
gänglichen und nicht sichtbaren Schnitt- 
punkte anderer abzustecken, oder den Durch- 
schnittspunkt von Geraden über allerlei Boden- 
hindernisse weg zu ermittehi. — 

Eine zweite Gruppe geodätischer Anwendungen 
der neueren Geometrie betrifft das indirecte Aus- 
messen von Entfernungen, welche entweder an 
dem einen, oder an beiden Enden unzugänglich sind. 

Hier erweist sich zunächst der Grundgedanke 
brauchbar, an die Stelle des unzugänglichen Punktes 
einen harmonisch conjugirten treten zu lassen, letzteren 
durch blosses Ausstecken von Signalstangen zu ermit- 
teln und aus seiner Lage die des ersteren herzuleiten. 

Verbieten die Verhältnisse die Anwendung dieses 
Verfahrens', so greift man mit Vortheil zur Benutzung 
pei*spectivischer Reihen. Dieselben dienen auch zur 
Ermittelung direct nicht messbarer Winkel. 

Da nun, wie allgemein bekannt, das Aufmessen 
von Flächen zurückkommt auf dasjenige von Strecken 
und Winkeln, so erhellt, dass drittens auch für diesen 



Theil der Geodäsie die neuere Geometrie nicht gemz 
ohne Nutzen sein kann. 

Es leuchtet viertens ein, dass das Meesen von 
Entfernungen (unter Benutzung der genannten Sätze) 
auch auf das Arbeiten mit dem Messtische über- 
tragbar sein muss. 

Es leuchtet ein, dass es sich hier reducirt auf das 
Ziehen einiger Visirlinien und auf das Abmessen einer, 
einzigen auf dem Papiere der Tischplatte sich ergeben- 
den Strecke. 

Wenn der reine Theoretiker an diese Stelle seines 
Folgerns gelangt, so ist er vielleicht — freilich nur 
einen Augenblick lang — verlockt, den Jubelruf aus- 
zustossen, mit welchem Archimedes einst dem Bade 
entsprang, als er das berühmte Gesetz der Hydrostatik 
entdeckt hatte. 

Ich meine, der Greometer geräth vielleicht momentan 
in die Gefahr zu glauben, dass es ihm gelungen sei, 
eine für die Geodäsie höchst wichtige Erfindung zu 
machen, nämlich den Messtisch ohne alle Hilfsapparate 
in einen trefflichen Distanzmesser umzuwandeln. 

Der schöne Wahn reisst entzwei, sobald der neue 
Distanzmesser näher betrachtet wird. Er zeigt dann 
die seiner grossen Familie, wie es scheint , erblich zu- 
gehörende Eigenschaft der Ungenauigkeit und in w^t 
höherem Grade, als die jetzt beliebtesten seiner Ver- 
wandten. — 

In enger Beziehung zu dem an vierter Stelle 
Erwähnten steht fünftens der Umstand, dass es mög- 
lich ist, mittelst des Messtisches noch in anderer Weise 
von einem einzigen Standpunkte aus jede übersehbare 
Figur au&unehmen, ohne dass man nöthig hat, dift 
umfangreichen Längenmessungen auszuführen» weloha 
bei Verwendung der älteren Geometrie in diesem Falle 
unvermeidlich sind. Es kommt das Aufndunen mit 
dem Messtische, wenn es von einem Stande aus er^ 
folgen soll, hinaus auf das Ziehen von Parallelen 911 
ausgesteckten Geraden. Was die neuere Geometrie 
hierzu fordert, ist — mindestens vom theoretischen 
Standpunkte aus — ziemlich wenig. Sie löst das Pro- 
blem unter Verwendung perspectivischer Reihen, indem 
sie den unendlich fernen Punkt zu Hilfe nimmt» und 
gelangt am einfachsten dann zum Ziele, wenn die Um- 
stände es gestatten, diesen unendlich fernen Punkt als 
harmonisch zugeordnet einem visirbaren zu benutseo. 

Durch dieselben Mittel erlangt man — wie aich 
nebenbei ergiebt — ein Verfahren, den Messtisch nach 
einer gegebenen durch drei Signale bezeichneten G^ 
raden in einem Punkte zu orientiren, der ausserhalb 
der letzteren liegt. — 

Vieles von Dem, was ich hiermit von geodätischea 



73 



Geodäsie und ihre Beziehungen zor neueren Geometrie. 



74 



Anwendungen der neueren Geometrie genannt oder an- 
gedeutet habe, genügt den Anforderungen der Praxis 
noch nicht. Vielleicht aber wird es möglich sein, das 
Mangelhafte derartig zu verbessern, dass die Praktiker 
genöthigt werden, es anzuei'kennen. 

Jedenfalls ist es für diejenigen Mathematiker, welche 
zugleich Geodäten sind — insbesondere für die heran- 
wachsende Generation — der Mühe werth, diese Ver- 
vollkommnung wenigstens zu versuchen. Jedenfalls 
ist es ferner der Mühe werth, zu erforschen, in welchem 
Umfange die bisher noch nicht benutzten Gebiete der 
neueren Geometrie innerhalb der Geodäsie sich brauch- 
bar erweisen. 

Bereits haben Baur und Schlesinger mit ihren 
obengenannten Aufsätzen in diesem Sinne gewirkt. Möge 
es mir gestattet sein, ausser den im Vorhergehenden 
schon gegebenen Andeutungen noch folgende beizu- 
fügen: 

Die harmonischen Reihen und Büschel haben sich 
mannichfach verwendbar gezeigt. Es ist daher Aehn- 
liches von einer Verallgemeinerung derselben, von den 
involutorischen Gebilden zu erwarten. — 

Die schönen Sätze, welche die neuere Geometrie 
in Bezug auf die Eigenschaften der Gurven zweiter 
Ordnung kennt, werden vielleicht brauchbar sein, schon 
deshalb, weil diese Gurven als Verallgemeinerungen des 
vielbenutzten Kreises dastehen. Es wird vielleicht mög- 
lich sein, die eleganten Gonstructionen, durch welche 
man mittelst projectivischer Strahlenbüschel oder pro- 
jectivisch verwandter Punktreihen die Gurven zweiter 
Ordnung erzeugt, ganz oder theilweise da zu verwenden, 
wo es sich um das Abstecken von krummen Strassen- 
oder Eisenbahnachsen handelt, die durch vorgeschrie- 
bene Punkte laufen und sich bestimmten geradlinigen 
Achsen tangential ansdüiessen sollen. Da jene Con- 
stractionen nur das Ziehen gerader Linien verlangen, 
so würde sich für den Geodäten dann ein Gurvenab- 
stecken ergeben, bei welchem er nur Signalstangen 
einzuwinken brauchte, das Messen von Winkeln oder 
Strecken aber vollständig entbehren könnte. 

Selbstverständlich müsste man bei solchen Anwen- 
dungen der neueren Geometrie, wie immer, den An- 
forderungen der Praxis Rechnung tragen und nicht 
sogleich alles für verwerthbar halten, was dem reinen 
Theoretiker anwendungsfähig erscheint. Gewiss aber 
verdient andererseits der Umstand volle Beachtung, 



dass die Geometrie der Griechen, auf welche sich die 
heutige Geodäsie vielfach stützt, zu sehr amSpeciellen 
hängt, zu sehr der allgemeinen Methoden entbehrt. 
Diese Schattenseite der herrlichen Schöpfung des grie- 
chischen Geistes aufzuhellen durch Strahlenbüschel und 
Strahlenbündel, die mächtigen Werkzeuge neuerer For- 
schung, wird vielleicht bald auch innerhalb der prak- 
tischen Geometrie sich geltend machen 1 

Es wird von Nutzen sein, auch hier zu beachten, 
dass die Geometrie der Lage gar viele Probleme durch 
blosses Ziehen gerader Linien löst, während man früher 
sie nur auf dem Wege des Rechnens zu bewältigen 
vermochte. £^ wird nützlich sein, zu bedenken, dass 
die Centralprojection im Stande ist, Verallgemeinerungen 
zu liefern, an die man bisher in der Geodäsie nicht 
dachte; dass das Princip der Dualität zu jedem pro- 
jectivischen Satze, der in der Theorie der Instrumente 
oder des Vermessens auftritt, sogleich einen reciproken 
giebt; dass die vielbenutzte Aehnlichkeit nur ein ganz 
specieller Fall der geometrischen Verwandtschaften 
isti — 

Doch die reinen Praktiker werden sagen: „Ja bei 
solchem Verallgemeinem wird das Einfache durch Gom- 
plicirtes verdeckt oder gar verdrängt!" 

Das braucht man aber nicht zu fürchten^ denn die 
wahre Einfachheit der Geometrie und ihrer Anwen- 
dungen liegt zuletzt doch in der Allgemeinheit der 
Methoden und — wie der grosse Steiner meisterhaft 
gesagt hat — „in der Aufdeckung desjenigen Organis- 
mus, durch welchen die verschiedenartigsten Erschei- 
nungen der Raumwelt mit einander verknüpft sind." 

Man lasse sich also nicht abschrecken I Und wenn, 
innerhalb der Geodäsie angewendet, die neugeschaffenen 
Werkzeuge nicht sogleich mit hinreichender Vollkommen- 
heit wirken, so beachte man eine Lehre, welche die 
Geschichte der Wissenschaft vielfach gegeben, die Lehre, 
dass EinÜEiches oft nur auf Umwegen erlangt werden 
kann, oft erst dann erreicht wird, wenn Gomplicirtes 
vorausgegangen ist. 

Man hüte sich aber auch, Kraft und Zeit an Dinge 
zu verschwenden, die beides nicht werth sind! 

Bei Einhaltung des rechten Maasses wird eine 
lebendige Wechselwirkung zwischen der reinen Geometrie 
und ihren geodätischen Anwendungen entstehen; Wech- 
selwirkung zwischen Theorie und Praxis ist aber, wie 
die Geschichte der Wissenschaft lehrt, allezeit ein Segen. 



77 



Biehn, Einige Bemerkungen über den Einflnss der Cylinderwandungen u. s. w. 



78 



direnden Versuche am 13. April und 29. August ver- 
glichen werden. Dass z. B. andere Ursachen als Un- 
dichtheiten die aus der Tabelle hervorgehenden Verluste 
bewirkt haben sollten, kann auch ich mir nicht denken. 
Feuchterer Kesseldampf oder dergl. ist nach den gege- 
benen Daten nicht anzunehmen, sondern eher das Ge- 
gentheil. 

Im ersteren Falle beträgt nun der totale Speisewasser- 
verbrauch 471,24^8 stündlich; 22,9 Proc. oder 107,8f>^8 sind 
davon als condensirt aufgefangen, es bleiben also 363,38 ^^8, 
welche als Dampf in den Cylinder gekommen sind. 
Angenommen, dieser Dampf hielte noch 10 Proc. Wasser 
(einige Procente mehr oder weniger, sind beiläufig gesagt, 
für vorliegenden Vergleich irrelevant), dann wäre das 
reine gesättigte Dampfgewicht 327,05^«. Das Verhält- 
niss des reinen Admissionsdampfes zum Speisewasser 
igt =0,473. Das Gewicht des gesättigten Admissions- 
dampfes beträgt sonach 222,89^«, und es sind 104,16^« 
stündlich oder 0,0289*« pro Secunde im Cylinder ver- 
loren gegangen. 

Bei dem Versuche am 29. August dagegen beträgt 
das stündliche Speisewassergewicht 584,86'^«. Davon 
sind condensirt aufgefangen 16,8 Proc. oder 98,11*«^, 
und es bleiben 486,75^, welche als Dampf in den Cy- 
linder gekommen sind. Der Feuchtigkeitsgehalt sei 
wieder gleich 10 Proc., dann bleiben als reines Dampf- 
gewicht 438,08*« übrig. Das Verhältniss des Admis- 
sionsdampfgewichtes zum Speisewasser beträgt 0,433, so 
dass ersteres sich ergiebt zu 253,24*«. Verloren sind 
sonach stündlich 184,84*«, oder pro Secunde 0,05i3*«. 

Unter verhältnissmässig ungünstigeren Verhältnissen 
waren aber nur verloren 0,0289*«, sonach dürften durch 
Undichtheiten entwichen sein pro Secunde 0,0224*«. 
Dazu gehört nach der von Herrn Escher angewen- 
deten Formel, welche ich bei diesem Vergleiche ohne 
Discussion ihrer Zulässigkeit anwende, ein Querschnitt 
von 20,40 □"" in den Steuerungsorganen, oder rund 
100 n™" im Kolben. 

Nun ist aber weiter Folgendes zu bemerken: 

Die 76 Q"" Undichtheiten für die Steuerungsorgane 
der von Völkers untersuchten Maschine (Nr. 7) waren 
für das ganze verlorene Dampfquantum berechnet. 
Es würde aber falsch sein, den Einfluss der Cylinder- 
wandungen abzuleugnen; ein Theil des Dampfes con- 
densirt sich, und es entstehen infolge dessen die Er- 
scheinungen, welche Herr Es eher sehr gut darstellt. 
Ein Theil aber entweicht, wenigstens nach meiner An- 
sicht. Wären dies z. B. % des Quantums, so wären 
bei der Maschine nur 51 Q™" Undichtheiten in den 
Steuerungsorganen überhaupt erforderlich. 



Bei der Maschine Nr. 5 dagegen bedeuten die 
20 Q™™ nur die Zunahme an Undichtheit, nicht 
diese selbst. Bedenkt man nun, dass die Maschine 
Nr. 7 etwa anderthalb Mal so viel Kolbenhub und 
beinahe den 272fe'Chen Kolbenquerschnitt hat, wie Nr. 5, 
also viel grösser ist, als diese letztere, so wird man 
wohl annehmen können, dass an Kanten und Flächen, 
welche zu Undichtheiten Gelegenheit geben können, 
bqi einer Maschine von der Grösse wie Nr. 7 wohl 
mindestens doppelt so viel vorhanden ist, als bei der 
Maschine Nr. 5. Hieraus wäre der Schluss nicht un- 
gerechtfertigt, dass bei einer Maschine voü der Grösse 
wie Nr. 7, welche unter denselben resp. verhältniss- 
mässigen Umständen gearbeitet hätte, wie Nr. 5, die 
Undichtheiten das Doppelte hätten betragen können von 
dem, was irgend welche Vorgänge in der kleineren 
Maschine bewirkt haben. Damach hätte man schon 
4Q[--]nim Zunahme an Undichtheit, und es wäre mög- 
licherweise der vorausgesetzte Zustand der Corliss- 
maschine Nr. 7 schon überholt. 

Lässt man übrigens diese Folgerungen ganz bei- 
seite und bleibt nur bei der Zunahme von 20 Q™" 
Undichtheiten stehen, so lässt sich annehmen, dass 
durch diese nahezu schon die Hälfte des ganzen ver- 
lorenen Dampfquantums entwichen sein würde. Abso- 
lute Dichtheit der Steuerungsorgane und des Kolbens 
darf besonders nach diesen Resultaten auch anfangs 
nicht vorausgesetzt werden, und es bleibt dann schliess- 
lich nicht viel Dampf mehr übrig, der durch Conden- 
sation verloren gegangen sein kann. 

Wie mir also scheinen will, weist dies Beispiel 
auch wieder darauf hin, dass man in normalen Fällen 
stets Undichtheiten annehmen muss, die nicht zu 
vernachlässigen sind. Dadurch wird dann freilich 
der Nutzen der Dampfmäntel in ein weniger günstiges 
Licht gesetzt, mehr aber noch die Indicatorversuche, 
welche diesen nachweisen sollen, da die Indicatorcurven 
jedenfalls durch die Undichtheiten stark beeinflusst 
werden. 

Meiner Ansicht und meinen Erfahrungen wider- 
streitet es, dass z. B. bei Dampfmaschinen mit unge- 
heizten Deckeln und natürlich ungeheizten Kolben, wo 
ausserdem ein grosser Theil des von frischem Dampf 
umspülten Cylinderumfanges noch durch Auslassschieber 
resp. Ventilkasten weggenommen wird, und die wirk- 
lich geheizte Fläche sehr klein ist gegen die ganze, 
welche bei der Admission während nur wenigen Cen- 
timetem Kolbenlaufes in Betracht kommt, eine Erspar- 
niss von 25 bis 30 Proc. an Dampf, also auch an Kohlen, 
durch den Dampfoiantel sollte hervorgerufen werden. 



lieber die reale Expansionslinie im Cylinder der Dampfmaschine mid deren 

Beeinflussung dnrch den Dampfmantel. 



Von 



J. Illeck in Wien. 



(Hierzu Tafel IV.) 



Dem aufmerksamen Leser meiner „Hypothese über 
die Condensation und Wiederverdampfung im Cylinder 
der Dampfmaschine" (Civilingenieur, Bd. XXII, S. 371) 
konnte es nicht entgangen sein, dass diese Hypothese, 
so sehr deren Grundzüge im Allgemeinen für sich ein-* 
nehmen mögen, trotzdem noch mancherlei und nicht 
unerhebliche Widersprüche zu Tage fordert. Da aber 
der primitive analytische Apparat, dessen ich mich zur 
Entwickelung meiner Anschauungen bediente, die wirk- 
lichen Vorgänge blos principiell andeuten konnte, so 
liess sich erwarten, dass eine eingehende Analyse mit 
Rücksicht auf die gesammten Nebeneinflüsse die er- 
-^ähnten Widersprüche lösen und damit volle Klarheit 
über den Gesammtverlauf des Processes vei*breiteu würde. 
In Wirklichkeit findet sich nun diese Erwartung keines- 
wegs bestätigt; man mag die Analyse streng oder we- 
niger streng nehmen, stets finden sich trotz aller Gom- 
binationen Differenzen, für welche auf Grundlage der 
bisherigen Forschungen eine ungezwungene Erklärung 
nicht zu geben ist. 

Auf die erste Differenz trifft man schon bei der 
Bestimmung des Wasserbeschlages der Wandungen, zu 
dessen Berechnung sowohl die Admissions- als auch 
die Expansionsperiode Anhaltspunkte liefert. 

Mit Benutzung der später im Zusammenhange an- 
geführten Bezeichnungen gelten für beide Perioden be- 
ziehungsweise die Gleichungen: 






(1) 

(2) 



Aus beiden Relationen sollte sich nun fiir @ der- 
selbe Werth ergeben; setzen wir aber, mit Hallauer's 
Analysen (Civilingenieur, Band XX, S. 255) in runden 
Zahlen übereinstimmend, für eine Maschine ohne Dampf- 
mantel : 

CiTiliBfeniear XXIII. 



P2 = ö Atm. 



p = 0,5 (Endspannung) o!* 
so berechnet sich aus Gleichung (1): 



und a?2=0,95, 

= 0,40, 
= 0,60, 



s 



= 2,9474, 



hingegen aus Gleichung (2): 

© 



.s^ 



= 1,4960. 



Bei der Maschine ohne Dampfmantel findet sich 
also der Wasserbeschlag aus der Admissionsperiode 
erheblich grösser als aus der Expansionsperiode. Das 
Nächstliegende, um diese Differenz zu begründen, wäre 
allerdings die Yermuthung, dass der Wassergehalt des 
Kesseldampfes unrichtig angenommen oder gemessen 
wurde; betrachten wir also die Gleichungen 1 und 2 
beide als richtig, so findet sich aus ihnen: 

rr^=r 0,6792 statt 0:2= 0,95 (nach Hirn 's 
Messungsraethode) . 

Dieses Resultat wäre an und für sich ganz plau- 
sibel, allein es steht im Widerspruche mit den Erschei- 
nungen, welche dieselbe Maschine mit Anwendung des 
Dampf mantels zeigt; setzen wir für diese: 

p^ = b und 0:2=0,95, 
p =0,7 a;' = 0,65, 

jt>j=0,2 X =0,85. 

Damit bestimmt sich aus Gleichung (1): 

© 

^- = 2,1435 

und aus Gleichung (2): 

© 

"==2,9100. 

Bei der Maschine mit Dampfmantel findet also 
gerade das Umgekehrte statt; lassen wir auch hier die 





83 



II leck, lieber die reale ExpausionsHuie im Cyliuder der 



84 



Gleichungen. 1 und 2 zusammen bestehen, so berech- 
net sich: 

a?^, = 1,0930, 

d. h. der Kesseldampf müsste unter dieser Voraus- 
setzung überhitzt gewesen sein. 

Ich komme daher auf meine ursprüngliche Annahme 
wieder zurück, dass der Wasserbeschlag, welcher der 
Admissionsperiode entspricht, der richtige sei, wonach 
die Ursachen der obigen Abweichungen in der Expan- 
sionsperiode gesucht werden müssen. 

Dipse Basis wollen wir in der Folge festhalten. 
Bezeichnet nun in Fig. 1 auf Tafel IV 
MN die adiabatische Expansionslinie, 
MP die dem Wasserbeschlag © entsprechende Ex- 
pansionslinie, 
so haben wir in erster Reihe zu erklären, wainim bei 
der Maschine ohne Dampfmantel die wirkliche Expan- 
sionscurve MR zwischen den Curven MP und MN 
gelegen ist; ich habe diese Erscheinung in meiner 
ersten diesbezüglichen Arbeit dadurch zu erklären ver- 
sucht, dass der Wasserbeschlag © einerseits während 
der Admission nicht bis auf die Temperatur des Dam- 
pfes vorgewärmt werde und anderei'seits während der 
Expansion in der Temperaturabnahme nicht gleichen 
Schritt mit jener des expandirenden Dampfes halten könne. 
Gegen diese Annahme lassen sich aber sehr triftige 
Einwendungen erheben und kann ich sie nun um so 
eher aufgeben, als sie sich leicht durch eine weit na- 
türlichere ersetzen lässt. 

Für das Abfallen der Expansionscurve bei der 
Maschine ohne Dampfmantel scheint mir nämlich eine 
ganz besondere Ursache vorhanden zu sein und diese 
finde ich abermals in dem Wasserbeschlage der Wan- 
dungen und zwar diesmal speciell in jenem des Cylin- 
dermantels allein. Es wäre nämlich eine sehr extreme 
Ansicht, wenn man behaupten wollte, dass der Dampf- 
kolben während seiner Bewegung den Wasserbeschlag 
des Cylindermantels vollständig vor sich herschieben 
könne; ungleich wahrscheinlicher und natürlicher ist 
die Annahme, dass dies nur theilweise geschieht und 
demnach ein feiner Thaubeschlag zurückbleibt, über 
welchen die Kolbenringe hinweggleiten. Dieser zweite 
Wasserbeschlag besitzt zu Beginn der Admission gleich- 
falls die Temperatur des Condensators ; tritt nun die 
Expansion ein, so wird derselbe successive von dem 
Kolben aufgedeckt und dabei immer auf die Temperatur 
des expandirenden Dampfes gebracht. Sobald dies ge- 
schehen ist, bildet er einen Bestandtheil des expandi- 
renden Gemisches, giebt also die aufgenommene Wärme 
während der Expansion theilweise wieder ab; dass durch 
diesen Vorgang die berechnete Expansionscurve (die 



©-Curve) zum Abfall gebracht wird, ist hiernach leicht 
begreiflich. 

Nennen wir diesen fixen Wasserbeschlag iJ, so ist 

jene Wärmemenge, die am Schlüsse des Kolbenschubes 
in dem Gesammtwasserbeschlag zurückbleibt und nach 
Hallauer ehrend des Kolbenrücklaufes in den Con- 
densator abzieht. 

Die Abweichungen der wirklichen Expansionsliuie 
von der adiabatischen stellen sich somit als das Re- 
sultat der zwei sich entgegenwirkenden Wasserbeschläge 
© und R dar, die beide ihre besondern Efifectverluste 
im Gefolge haben. Das Ideal der Dampfmaschine dart 
daher nicht ohne weiteres in der Uebereinstimmung 
der beiden obgenannten Linien gesucht werden ; es wird 
sich später zeigen, dass bei der Maschine ohne Dampf- 
mantel der Effect um so ungünstiger wird, je mehr 
sich diese Curven einander nähern; während anderer- 
seits die Maschine mit Dampfmantel einen Ausnahme- 
fall bildet, insofern durch die Einwirkung des letztem 
der Wasserbeschlag II verschwindet und dann allerdings 
das Zusammenfallen derselben Curven als günstig fS 
den Effect zu betrachten ist. 

Es unterliegt keiner Schwierigkeit, das Gesetz der 
Zustandsänderungen des expandirenden Dampfes unter 
Einflussnahme der Wasserbeschläge © und jB principiell 
zu verfolgen. Zu diesem Ende sei Bjc der von dem 
Kolben aufgedeckte Theil des Wasserbeschlages R bei 
einem beliebigen Punkte der Expansionsperiode und 
d R.r dessen Zuwachs während der Zeit d &. Innerhalb 
dieses Zeittheilchens giebt der Wasserbeschlag (©4-B,) 
die Wärmemenge: 

~(©+Ä.)rf^ 

ab, hingegen nimmt der Wasserbeschlag dR,r die Wärme 

(q- q^)dRr 

auf; der expandirenden Dampfmenge S wird also die 
Wärmemenge : 

zugeführt. 

Nun ist der Wasserbeschlag Rx offenbar projior- 
tional dem zurückgelegten Kolbenwege ; diese Bemerkung 
I führt uns auf die Beziehungen: 

V 
R, _ V—V_SQ~' 
R "~ 8J_ 7^ ~ 1 — f 
und 

dRr_ dV 
R "~(1— 5)S' 



85 



DampftnaHChine and deren Beeinflussung durch den Dainpfmantel. 



86 



und 



Ferner ist: 

F'+r„=(«'«'+(j)(.s+(5.,). 

Hieraus folgt: 

V e + k 

= . . XU — k 



83 



ic*u' 



und 



'*(^)=^"^«'*''^***^- 



Diese Werthe in die letzte Gleichung eingesetzt, 
geben: 

(Ä+ © - * + * R)dq+Td ( *!" ) S = 



£+^ S^i'^C*^) — d{qxu) 
1 — f ar «' 



(3) 



Dies wäre die Diö'erentialgleicliung der wirklichen 
Expansionscurve, deren Integration mir aber, ohne den 
Weg der Annäheining zu betreten, kaum möglich er- 
scheint. *) 

Dieser fatale Umstand bildet indessen kein Hinder- 
niss, die Bestimmung des Wasserbeschlages li aus der 
Indicator- Expansionslinie vorzunehmen. Zu diesem 
Behufe sei in Fig. 2 auf Tafel IV MR die wirkliche 
Expansionslinie und JV ein beliebiger Punkt derselben, 
für welchen der zugehörige Wasserbeschlag Rr bestimmt 
werden soll; wir legen nun zunächst durch die Punkte 
M und N die ©-Curve MR^^ mit dem Wasserbeschlag 
@x; ferner bezeichne: 

Q die der Dampfmenge 8 auf dem Wege MQN 
zugeführte Wärme; 

Qi^ dieselbe auf dem Wege MQqN; 

U die innere Wärme von 8 pro 1^^ im Punkte N; 

2^= Fläche MQ^,Nnm; 
f = Fläche M Q Nn m ; 
<p = F- f. 

Damit erhalten wir für die zugeluhrten Wärme^ 
mengen Q und Q„ folgende Ausdrücke: 

Q ={U— ^^).s+/=@(?, — ?) — Äx (?—?,); 
«^„ ={U— V) «+/-• = ©, (j, — }). 

Aus diesen findet sich aber: 



und 



/C = *-'-*(©-©.;+-'^— ... (4) 



*) Dividirt man z. B. Gl. (3) durch T und betrachtet rechter 
Hand im Nenner r>==Con8t., so lässt sich die Integration leicht 
bewerkstelligen. Anm. d. Verf. 



Für den Schluss des Kolbenschubes giebt Gleicliung 
(4) mit Vernachlässigung des letzten Gliedes: 



R q^ — q @ — ©I 

Setzen wir hierin beispielsweise: 



(5) 



s 



Pi = b Atm., nnd - =3,4, 

P =0,5 „ 

R 



f=M, 



so bereclinet sich ^ =6,7.**) 

Die Zulässigkeit der Relation (5) lässt sich mit 
Hilfe des Indicator- Diagrammes leicht erproben; für 

gleiche Kolbenwege muss nämlich der Quotient 



g2— g 
ff— gl 



annähernd gleiche DiflFerenzen geben; hierbei darf 
aber nicht übersehen wei-den, dass g, gleichfalls mit 
dem Hube variabel ist. 

Man kann nun auch den Wasserbeschlag A @, der 
von dem Kolben hin- und hergeschoben wird, gesondeil 
bestimmen. Offenbar wird der Wasserbeschlag (@ — A ©) 
des schädlichen Kaumes dieselbe Dicke wie der Wasser- 
beschlag R besitzen; bezeichnet also: 

tt die Oberfläche des schädlichen Kaumes und 

ß die Oberfläche des Cylindermantels, 
so ist das Verhältniss 

©j— A®_« + f/:J 
und hieraus tindet sich für 



et 



R 



= u,2r>, f = 0,05 und =6,7; 

A© , , ©-A© , 

= 1,284 und - - — =2,116. 

Das erstere Verhältniss bestimmt den Wasserbe- 
schlag, der von dem Kolben hin- und hergeschoben 
wird; das letztere jenen des schädlichen Raumes selbst. 

(jeht man von der Ansicht aus, dass die Maschine 
mit Dampfmantel ohne Wasserbeschlag des Cylinder- 
mantels arbeitet, so bleibt für diese nur mehr jener 
des schädlichen Raumes zu bestimmen übrig und dieser 
ist annähernd: 



© 



it 



, =1,742. 



JK 



,S j^—iß S 



*) Aus Gl. (3) ündet sich auf die angedeutete Art direct 



o innerhidb der Grenzen 6,Sd und 6,65, (x* =» 0,4 und x = 0,6, 
£ = 0,05 und A:»=0,03 gesetzt.) Anm. d. Verf. 



87 



II leck, üeber die reale Expansionslinie im Cylinder der 



88 



Für dasselbe Verhältuiäs fanden wir früher den 

& I 

Werth a =2,143; man könnte hieraus schliessen, dass ' 

die Differenz 



@' 






7i 



© ~ Ä • © " 1,74 ' "" ^' 



Für einen analogen Fall findet Hallauer (Civil- 
ingenieur, Bd. XX, S. 264 und 265): 

ohne Dampfmantel 2Zc= 19,67, 

mit Dampfmantel JB<.= 3,7 1, 
also: 

19,67 ^ 
X= — — =0,3. 
3,71 ' 

Nach diesen Betrachtungen von vorwiegend princi- 
pieller Natur schreite ich nun zur genauem Verfolgung 
der bisher berührten Vorgänge. Die in der Folge ge- 
brauchten Bezeichnungen sind nachstehende: 

S — Speisewassermenge 



oder Gewicht 
V^ — Volumen . . . 
Pt — Spannung . . . 
x^ — spec. Dampfmenge 

9K — Gewicht .... 
Vq — Volumen . . . 
Po — Spannung . . . 
Zq — spec. Dampfiinengc 



S+a» — Gewicht . . 
Vo+V* — Volumen 
p* — Spannung . . . 
y' — spec. Dampfinenge 



des Dampf- und Wasser- 
gemisches, welches pro 
Kolbenschub vom Kessel 
abströmt ; 

des Dampf- und Wasser- 
gemisches, welches mit 
Ende des Kolbenrück- 
laufes im schädlichen 
Räume eingeschossen ist; 

des Dampf- und Wasser- 
gemisches, welches am 
Ende der Admission im 
Cylinder und schädlichen 
Räume zusammen abge- 
sperrt wird; 



iS 4- 3» — Gewicht . . 

Fo -f- F — Volumen . . 

p — Spannung . . . 

y — spec. Dampfmenge 



dem Wassergehalte entspricht, den der Dampf beim 
Uebertritte in den Cylinder vom Dampfmantel über- 
führt; dieser spec. Wassergehalt wäre hiemach: 

A.= ®:--®.?^-?« = 0,074; 

es würden also im Dampfmantel ca. T'/a Procent des 
Kesseldampfes condensirt und gleichzeitig in den Cy- 
linder übergeführt. 

Schliesslich wollen wir noch das Verhältniss der 
Wärmemengen bestimmen, welche bei der Maschine ohne 
und mit Dampfmantel am Schlüsse des Kolbcnschubes 
in den Condensator abziehen; dieses ist annähernd: 



des Dampf- und Wasser- 
gemisches, welches wäh- 
rend der Expansion bei 
einer beliebigen Kolben- 
stellung im Cylinder und 
schädlichen Räume zu- 
sammen abgesperrt wird ; 

Pi — Spannung im Condensator; 

© — der Wasserbeschlag der Wandungen (excl. R) ; 
©0 - Dampfgewicht im schädlichen Räume (nach 
der gewöhnlichen Anschauung); 

Xq — spec. Dampfmenge von ©(>; 

F — das vom Kolben während der Admission be- 
schriebene Volumen; 

F — das vom Kolben vom todten Punkte an bis zu 
einer beliebigen, innerhalb der Expansions- 
periode gelegenen Position beschriebene 
Volumen ; 

SS — das vom Kolben während des ganzen Schubes 
beschriebene Volumen; 

X* — die spec. Dampfmenge von (S-h©,,) am Ende 
der Admission; 

X — die spec. Dampfinenge von (S -|- ©y) bei einer 
beliebigen Kolbenstellung während der Ex- 
pansionsperiode ; 

F 
€= g, das Expansiousverhältniss ; 

Y 
k = -^ das Verhältniss des schädlichen Raumes zum 

Cyli ndervolumen . 

Zunächst ist nun die Beziehung zwischen dem Ad- 
missions- und Kesseldampfe, welche der Einwirkung 
des schädlichen Raumes und der Drosselung entspricht, 
festzustellen; diese Relation hat Dr. Zeuner (siehe 
Civilingenieur, Band XXI) abgeleitet und lautet dessen 
Gleichung (III) auf Seite 12 mit Rücksicht auf unsere 
Bezeichnungen : 

[«o'-o + ^o — ^' + ^(p'-l^o)aoWü]2Ä . . (6) 

Unsere weitere Aufgabe besteht jetzt darin, das 
vom DaiÄpf kolben beschriebene Volumen F als Function 
der variablen Dampfspannung p darzustellen. 

Für eine beliebige Kolbenstellung während der 
Expansion ist: 

wobei 

Ferner besteht zwischen den spec. Dampfiuengen 
y und y die Relation: 



»9 



Dampfmaschine and deren Beeinflossong dorch den Dampfmantel. 



90 



Femer ist: 



und 



y;+r=^^+,. 



2R = © + @o 



Durch Verbindung dieser Relationen mit Gleichung 
(6) und Elimination von y* findet sich das Volumen 



Tu 

r 



[ ^ • ft «oj^o^o • • C') 

Gleichung (7) enthält, möchte ich sagen» abgesehen 
von dem Wasserbeschlage ü, die ganze Theorie der 
Damp£maschine ; in ihr findet sich der Einfiuss des 
Drosselns, des schädlichen Raumes, der Compression 
und des Wasserbeschlages @ vertreten; auch lassen 
sich vermittelst derselben alle Variationen der Expan- 
sions- und Compressionscurven sowohl berechnen als 
auch verzeichnen; die Vergleichung derselben mit den 
wirklichen Curven liefert dann eben die Anhaltspunkte 
zur Bestimmung des Wasserbeschlages JB. 

Vermittelst der Gleichung (7) lassen sich auch das 
Admissionsvolumen V* und das Cylindervolumen SS fest- 
stellen; dadurch erhalten wir zwei Gleichungen, welche 
uns gestatten, eine Reihe von Gombinationen in Betracht 
zu ziehen. Zu diesem Ende setzen wir x^^=\ und 
bringen Gleichung (7), Kürze halber, in die Form: 

worin die Coefficienten a, ß und y mit der Kolben- 
stellung veränderlich sind. 

Setzen wir ferner @o = — — ; und dividii'en 

Wy + a 

wir schliesslich alle Summanden durch das Cylinder- 
volumen S3, so findet sich: 



aj « 35 -TV Mo 4- ff / 



T- «" + UO + S* • ^^> 



Wir wollen uns nun zunächst eine Maschine ohne 
Dampfmantel denken, die ohne Compression arbeitet, 
und das Drosseln des Kesseldampfes ausser Betracht 
lassen; setzen wir für dieselbe: 

p'z=rp^ = b Atm. und 6 = 0,05, 

p =0,5 (Endspannung) ;t = 0,os, 



so finden wir für den Schluss der Admissions - und 
Expansionsperiode nach Gleichung (8) beziehungsweise: 

X^ — 0,1842 =0,3787, 

o 

© 
^i — 0,0297-— =0,6012, 

welche Gleichungen wir einer Discussion unterziehen 
wollen. 

1) Lassen wir beide gleichzeitig bestehen, so folgt 
aus ihnen: 

«^ = 0,6440 

und 

© 



iS 



= 1,4401. 



Die hierauf bezügliche Expansionscurve finden wir 
auf Tafel IV, Fig. 3, als Nr. 7 verzeichnet; da die zu- 
nächstliegende Curve Nr. 10 die wirkliche Expansions- 
linie ist, so liesse sich hieraus folgern, dass damit der 
Verlauf der realen Expansionslinie hinreichend erklärt 
sei; ob diese Ansicht berechtigt ist, wird sich später 
zeigen. 

2) Denken wir uns den Wasserbeschlag © = 0, so 
giebt die Admissionsgleichung : 

a;^ = 0,3787; 

diesem Falle entspricht die Curve Nr. 3 auf Tafel IV, 
sie liegt im Vergleiche zur wirklichen Expansionscurve 
Nr. 10 zu tief. 

Hingegen findet sich für den Schluss des Kolben- 
schubes aus der zweiten Gleichung: 

a?g = 0,6012; 

diesem Falle entspricht die Curve Nr. 4 in Tabelle I; 
sie ist im Vergleiche zu Nr. 10 zu hoch gelegen. 

3) Denken wir uns schliesslich den Kesseldampf 
trocken , setzen wir also a;_> = 1, so folgt aus der Ad- 
missionsgleichung : 

© 



S 



= 3,3730. 



P.,=Pi=0,2 



S 



= 1,818, 



Diesen Fall versinnlicht die Curve Nr. 5 in Tafel 

IV, Fig. 3; sie liegt im Vergleiche zu Nr. 10 zu hoch. 

Aus der zweiten Gleichung ergiebt sich für x^ = l: 

© 

—-=13,4276. 

Diese Curve findet sich in Tabelle I als Nr. 6 an- 
geführt und ist selbstverständlich gänzlich unbrauchbar. 
Gehen wir nun auf die Maschine mit Dampfmantel 
über; für diese setzen wir: 

das Expansionsverhaltniss €=:0,08 
und die Endspannung p=?0,7 AtoL, 



91 



111 eck, Ueber die reale ExpaasiODElinie im Cylinder der 



während alle übrigen Daten unverändert bleiben sollen. 
Damit erhalten wir aus Gleichung (8) auf analoge Weise 
die beiden Gleichungen : 

@ 
x^ — 0,i8ti - =0^389 für das Ende der Admission; 

«j — 0,0498 =0.8769 „ „ „ „ Expausion. 

Lassen wir beide Gleichungen wieder zusammen 
bestehen; so folgt aus ihuen: 



Diesem Falle entspricht die Curve Nr. 11 in Taf. 
IV, Fig. 3; da Nr. 13 die wirkliche Expansionscurve 
ist, so finden wir bei der Maacliine mit Dampfmantel 
merkwürdigerweise jene Uebereinstimmung, die wir bei 
der Maschine ohne Dampfmantel vermisst haben, ohne 
ans von der Annahme a:^^0,9s (nach Hirn's Mes- 
Bungsmethode) besonders weit zu entfernen. Und hier- 
aus muBs schliesslich gefolgert werden, dass die An- 
nahmen, nach welchen ich die ExpansionscuiTe Nr. 7 
bei der Maschine olitie Dampfmantel berechnete, wenn- 
gleich diese von der wirklichen Expansionslinie Nr. 10 
nur wenig differirt, doch nicht richtig sind, die ge- 
fundene Uebereinstimmung also nur eine erzwungene ist. 

Diese Wahrnehmung führte mich eben darauf, die 
Gurve Nr. ö als Grundlage zu weiteren Untersuchungen 
zu benutzen, da mir diese mit Rücksicht auf die be- 
kanuten Daten und Einäüsae relativ die richtigste 
schien und zu versuchen, ob fiir deren Abfall keine 
besondern Ursachen vorbanden sein könnten, als welche 
ich schliesslich den fixen Wasserbeschlag E ausfindig 
machte. 

Zunächst lasse ich nun die Tabelle I folgen, welche 
V 
die Verhältuisswerthe -~^ enthält, die fiir den Verlauf 

der sämmtlichen bisher besprochenen Expansiouscurven 
nach Gleichung (8) berechnet wurden, so dass hiernach 
deren graphische Darstellung leicht zu bewerkstelligen ist. 

In Tabelle I, sowie auch in Taf. IV, Fig. 3, finden 
sich noch mehrere andere Expansionscurven zum Be- 
hufe eines vollständigen Vergleiches augeführt und ver- 
zeichnet; diese sind: 

Nr. 1 ist die rein theoretische Expansionslinie 
nach dem adiabatischen Gesetze, welche die Dampfinenge 
iS liefert, wenn die gesammten Nebeneinflüsse hinweg- 
gedacht werden. 

Nr. 2 ist dieselbe Curve mit Rücksicht auf den 
Bchädlichen Raum. 



93 



Dampfmaschine and deren Beeinflussung durch den Dampfmantel. 



94 



Nr. 8 ist die Expansionscurve nach dem Mariotte'- 
schen Gesetze; hiernach ist: 



stand, die Tendenz zur Gleichheit ist aber ohne Zweifel 
vorhanden. 



P(r+r,)=p,(r+r,), 



woraus : 



Nr. 9 ist die Expansionscurve mit gleicher Dampf- 
menge, welche Pambour seiner Theorie zu Grunde 
legte; zur Berechnung derselben dient die Relation: 



I 



woraus 



T"^ , ti -I- 



Nr. 10 ist die reale Expansionscurve der Maschine 
ohne Dampfmantel; zu ihrer Berechnung diente das 
Exponentialgesetz : 

woraus 

worin a = 0,90 gesetzt wurde. 

Nr. 12 ist die reale Expansionscurve der Maschine 
mit Dampfmantel; sie ist nach dem vorigen Gesetze 
mit dem Exponenten « = 0,85 berechnet. 

Vermittelst der Curve Nr. 10 sind wir auch in 
der Lage, den in der Einleitung erwähnten Quotienten 

A - ~" zu bilden ; Tabelle II enthält die Werthe des- 

selben von Zehntel zu Zehntel des Kolbenschubes. 

Tabelle II. 



V 



P 



9—91 



A 



92—9 
9—9i 



0,1 


3,2300 


0,2099 


0,2 


1,9328 


0,5595 


0,3 


1,3966 


0,8757 


0,4 


1,1006 


1,1838 


0,5 


0,9118 


1,4967 


0,6 


0,7804 


1,8196 


0,7 


0,6835 


2,1596 


0,8 


0,6089 


2,5218 


0,9 


1 0,5496 


2,9120 


1,0 


! 0,5014 


3,3353 



0,3496 
0,3162 
0,3081 
0,3129 
0,3229 
0,3400 
0,3622 
0,3902 
0,4233 



Die gefundenen Werthe für A - - sind nun al- 
lerdings nicht gleich, was auch gar nicht zu erwarten 



Effectverlust durch den Wasserbeschlag iJ. 

Der genannte Effectverlust wird durch die Fläche 
r/) repräsentirt , welche zwischen den Gurven 5 und 10 
gelegen ist. Bei einer Aufzeichnung derselben in der 
Grösse von 300™" für die Einheit des Verhältnisses 

V 

^ und von 40 ™" für die Einheit der Spannung p 

(eine Atmosphäre) ergiebt die Simpson 'sehe Formel 
die Fläche (p = 3420 , daher ist : 



/ 



^^(-g^) = ^o^ 



40.300 ' 
der gesuchte Effectverlust ist also: 

^X,= 10334^9JJ iP(/r^) =0,002031 <p ..S= 

12,628 Ä; 

hingegen ist der disponible Effect für x., = l: 



somit procental: 



ALu ^ 

ll = -.- =0,0989. 
21 Jj 



Der Effectverlust durch den Wasserbeschlag R be- 
trägt also hier circa 10 Procent vom disponiblen Effect 
des vollkommenen Kreisprocesses. 

Effectgewinn durch den Dampfmantel. 

Dieser Gewinn besteht in der Erhebung der Curve 
12 über die Curve 10; der vorige Effectverlust wird 
I also durch den Dampfinantel wieder hereingebracht 
j und ausserdem erscheint noch als Gewinn die Fläche 
: i^t zwischen den Curv^n 5 und 12 ; diese berechnet sich 
auf analoge Weise zu: 

i/» = 1911, 

daher der bezügliche Effectgewinn: 

i,= '-.§1 = 0,0552. 

Mithin betiügt der Gesammtgewinn an Effect, der 
durch *den Dampfmantel im Maximum zu erzielen ist, 
hier: 

| = li + §, = 0,l.')41; 

also circa 15 '/^ Procent vom disi)oniblen Effect der 
Maschine ohne Dampfmantel. 



95 



Wischnegradski, Ueber directwirkende Regulatoren. 



96 



Durch den Dampfmantel werden aber auch einige 
Eflfectverluste herbeigeführt, von denen besonders zwei 
eine Beachtung verdienen: ^ 

1) Der EflFectverlust, welcher der Condensation des 
Kesseldampfes im Dampfmantel entspricht. 

2) Der Efifectverlust durch den vermehrten Gegen- 
druck hinter dem Kolben, der sich bei Maschinen mit 
Dampfmantel unter sonst gleichen Umständen bemerk- 
lich macht. 

Hierdurch vermindert sich der obige Effectgewinn 
meiner Berechnung nach von lö^« Procent auf circa 
10 Procent; auf das Detail dieser Rechnung kann ich 
hier nicht näher eingehen. 

Aus den obigen Darstellungen dürfte zu entnehmen 



sein, dass meine Ansicht über die Wirkungsweise des 
Dampfmantels ziemlich plausibel erscheint; der Dampf- 
mantel bewirkt keineswegs, wie Hirn annimmt, einen 
erheblichen Wärmeaustausch; sondern die an und für 
sich geringe Wärmetransmittirung, welche derselbe 
veranlasst, ist eben gerade hinlänglich, den sich bil- 
denden Wasserbeschlag am Cylindermantel im Momente 
des Entstehens zu verdampfen oder den eventuell be- 
reits vorhandenen Wasserbeöchlag R successive zu dif- 
ferentiren und schliesslich zum Verschwinden zu bringen. 

Eine weitere, interessante Folgerung wäre noch, 
dass die Zustandsänderungen des Dampfes im Cylinder 
der Dampfmaschine unabhängig von der Kolbengeschwin- 
digkeit erfolgen. 



üeber directwirkende Regulatoren.*) 



Von 



J. Wischnegradski, 

Professor am technologischen Institut in St. Petersburg. 



§ 1. Den Gegenstand vorliegender Untersuchung 
bildet die Ermittelung der Bewegung, welche der Re- 
gulator einer Kraftmaschine annimmt, wenn das in ihr 
bestehende Gleichgewicht zwischen bewegender Kraft 
und Widerstand durch irgend welche Ursache gestört 
wird. Der Lösung dieser Frage in ihrer Allgemeinheit 
stehen fast unüberwindliche Schwierigkeiten im Wege; 
deshalb soll auch vorliegende Untersuchung nur den 
allgemeinen Charakter der zu untersuchenden Erschei- 
nung feststellen, welcher je nach der speciellen Ein- 
richtung der Maschine und ihrer Wirkungsweise, sowie 
nach dem Grade, in welchem die gemachten Voraus- 
setzungen erfüllt sind, sich mehr oder weniger erhalten 
wird. Diese Voraussetzungen bestehen in P'olgendem: 

a) Betreffs Einrichtung und Wirkungsweise der 
Maschine ist angenommen, daSs sie eine rotirende Be- 



*) Die allgemeine Methode und die Hauptresultate vorliegen- 
der Untersuchung wurden in Band LXXXUI, Nr. 5 der „Comptes 
rendus" der Pariser Akademie in einem kurzen Auszuge veröffent- 
licht, welcher vom Akademiker Tresca unter dem Titel: „Wisch- 
negradski, Mteoire sur la theorie g^n^rale des r^gulateurs'* 
den 31. Juli 1876 eingereicht worden war. 



wegung hat, unter Einwirkung der bew^enden Kraft 
und des Widerstandes, welche ununterbrochen an einem, 
in Bezug auf die Achse der Maschine constantem Hebel- 
arme wirken; dabei ist auch vorausgesetzt, dass die 
Intensität der bewegenden Kraft sich nur in Folge der 
W^irkung des Regulators verändert. Eine solche Vor- 
aussetzung ist natürlich nicht vollständig richtig, in- 
dem z. B. bei Damp6naschinen die, auf einen constanten 
Hebelarm reducirte bewegende Kraft ihre Intensität 
während einer Umdrehung vollständig unabhängig von 
der Wirkung des Regulators verändert, jedoch ist es 
begreiflich, dass bei einem schweren Schwungrade, 
welches nur unbedeutende Geschwindigkeitsänderungen 
der Maschine gestattet, und bei Wirkung des Regula- 
tors nur ausserhalb dieser Geschwindigkeitsänderungen, 
der allgemeine Charakter der zu untersuchenden Er- 
scheinung für Dampfmaschinen derselbe sein wird, wie 
z. B. für Turbinen, für welche die gemachten Voraus- 
setzungen für vollständig genau gelten können, und für 
Wasserräder, für welche die Hypothesen der Wahrheit 
sehr nahe kommen. 

b) Betreffs der Einrichtung des Regulators ist an- 
genommen, dass er ein directwirkender ist, d. h. 



Ü7 



Wischnegradski, Ueber directwirkeiide Regulatoren. 



98 



dass er mit einem Organe versehen ist, welches bei 
Geschwindigkeitsänderungen der Maschine vermittelst 
eines speciellen, mit ihm verbundenen Apparates die 
Intensität des Motors verändert; in Betreff dieses Or- 
ganes ist angenommen, dass es sich geradlinig bewegt. 
Sowohl die erste als auch die zweite Bedingung ist 
bekanntlich bei den meisten wirklich gebräuchlichen 
Regulatoren erfüllt*) ; übrigens kann die in vorliegender 
Abhandlung befolgte Untersuchungsmethode mit den 
nothwendigeu Veränderungen auch für indirectwirkende 
Regulatoren angewandt werden, wenn auch die Resul- 
tate für dieselben im Allgemeinen etwas complicirter 
sind. 

c) Endlich ist der grösseren Vollständigkeit und 
Allgemeinheit wegen angenommen, dass der Regulator 
mit einem Katarakt versehen ist, d, h. mit einem Ap- 
parat, der zugleich mit der Hülse des Regulators in 
Bewegung geräth und dabei auf letztere einen Druck 
ausübt, welcher von ihrer Geschwindigkeit abhängt und 
der Bewegungsrichtung entgegengesetzt ist. Bekannt- 
lich wird als solcher Katarakt ein Kolben gebraucht, 
welcher sich in einem, an beiden Enden geschlossenen, 
Cylinder bewegt; dieser ist mit einer Flüssigkeit gefüllt, 
welche bei der Bewegung des Kolbens von der einen 
Seite desselben auf die andere verdrängt wird, dabei 
eine beliebig regulirbare Oeffnung durchdringend, wo- 
durch ein gewisser, von der Geschwindigkeit des Kol- 
bens abhängiger Druck auf denselben ausgeübt wird. 

§ 2. Die Lösung der gestellten Aufgabe, wenn 
auch durch die Voraussetzungen des vorigen Paragraphen 
ziemlich vereinfacht, bietet jedoch noch bedeutende 
Schwierigkeiten, wenn man sie ganz allgemein stellt; 
aber in dieser allgemeinen Form ist ihre Lösung für 
praktische Anwendungen gar nicht nöthig; wenn man 
diese letzteren hauptsächlich berücksichtigt, so kann 
man direct sagen, dass der Regulator nur dann gut 
wirkt, wenn die Winkelgeschwindigkeit der Maschine 
sich wenig ändert, folglich auch die Schwingungen des 
Regulators innerhalb enger Grenzen bleiben und voll- 
ständig sanft vor sich gehen; deshalb kann man bei 



*) So wü-ken die meisten Centrifugalregulatoren, deren Hülse ' 
ihre geradlinige Bewegung vermittelst einer Transmission bei ' 
Dampfmaschinen entweder einer Drosselklappe oder einem Appa- j 
rate fOr die variable Expansion überträgt. Da diese Hülse eben 
das Organ ist, welches die Bewegung des Regulators dem Apparat 
überträgt, der die Intensität des Motors verändert, so soll dieses 
Organ in Zukunft der Kürze wegen einfach „Hülse" genannt 
werden, der Apparat selbst aber, welcher die Intensität der bewe- 
genden Kraft regulirt, wird mit dem Namen „rcgulirendes Stell- 
zeug*' bezeichnet werden. 

OiTUinK«niear XXIII. 



Untersuchung der Bewegung gut wirkender Regulatoren 
annehmen : 

a) dass die Differenz zwischen der thatsächlichen 
und normalen Geschwindigkeit der Maschine im Ver- 
hältniss zur normalen Geschwindigkeit klein ist; 

b) dass die Ausschläge der Hülse aus ihrer nor- 
malen Lage klein sind; 

c) dass die Geschwindigkeiten der Hülse bei diesen 
Ausschlägen beständig klein bleiben. 

Nimmt man diese Einschränkungen an, die übrigens 
keineswegs die praktischen Resultate beeinträchtigen, 
so kann man bei Untersuchung der Wirkung des Re- 
gulators die verschiedenen Functionen der obener- 
wähnten kleinen Grössen in Reihen entwickeln und 
sich mit den Gliedern begnügen, die deu ersten Graden 
jener kleinör Grössen proportional sind, die Glieder der 
zweiten und höheren Ordnung aber vernachlässigen. 
Dieses Verfahren, das die Basis aller Untersuchungen 
über kleine Schwingungen bildet, bietet im vorliegenden 
Falle eine so bedeutende Vereinfachung der Aufgabe, 
dass dieselbe vollständig durch bekannte analytische 
Verfahren gelöst wird, und die Resultate der Lösung 
direkt auf« die Bedingungen hinweisen, welche erfüllt 
werden müssen, damit die obenerwähnten Einschrän- 
kungen zu Recht bestehen. 

§ 3. Stellen wir uns irgend eine Kraftmaschine 
vor, welche den in § 1 erwähnten Bedingungen ent- 
spricht, und denken wir uns, 1) dass die Maschine im 
gegebenen Augenblicke, in welchem wir ihre Bewegung 
zu betrachten beginnen, ihre normale Winkelgeschwin- 
digkeit hat^ die wir (o^ nennen wollen; 2) dass die be- 
wegende Kraft ihre normale Grösse hat, die wir mit p 
bezeichnen; dass diese Kraft auf die Maschinenachse 
an einem bestimmten Hebelarm q und dass der von 
der Maschine überwundene Widerstand an demselben 
Hebelarme q wirkt und dieselbe Grösse p hat. Wenn 
diese Bedingungen fortbestehen würden, so würde auch 
die Maschine mit ihrer normalen Winkelgeschwindigkeit 
weiter arbeiten, wir nehmen aber an, dass im gegebenen 
Moment, in welchem wir die Bewegung der Maschine 
zu betrachten beginnen, der Widerstand sich ändert, 
und zwar aus der früheren Grösse p zur Grösse Q wird 
und weiterhin diesen letzteren Werth beibehält. Die 
unmittelbare Folge wird die Störung des Gleichgewichtes 
sein, welche bis dahin zwischen der bewegenden Kraft 
und dem Widerstände bestanden hatte, und ferner eine 
Aenderung in der Geschwindigkeit der Maschine, welche 
ihrerseits auf den Regulator wirkt und ihn in Bewegung 
versetzt; diese Bewegung des Regulators ändert die 
Intensität der bewegenden Kraft, und die Maschine er- 
hält überhaupt eine Bewegung, welche sich wesentlich 

7 



91) 



Wischnegradski, Ueber directwirkeude Regulatoren. 



100 



von der fiühereu uiitei*scheidet, und die den Gegen- 
stand vorliegender Untersuchung bildet. 

§ 4. Nehmen wir an, seit dem Augenblick, in 
welchem wir die Bewegung der Maschine zu betrachten 
begannen, sei die Zeit t verflossen ; die Winkelgeschwin- 
digkeit der Maschine am Ende dieses Zeitraumes sei oj, 
ferner u der Abstand der Eegulatorhülse von ihrer 
normalen Lage, und diese Grösse u wird gemäss den 
in § 2 gemachten Voraussetzungen sehr klein sein und 
sei endlich w,, diejenige Winkelgeschwindigkeit, welche 
die Maschine haben müsste, damit die auf den Regu- 
lator in seiner jetzigen Stellung einwirkenden Kräfte 
sich im Gleichgewicht befanden. 

In Wirklichkeit findet ein solches Gleichgewicht 
nicht statt, da Uß im Allgemeinen nicht gleich Wu ist, 
und folglich wird die Regulatorhülse im betrachteten 
Moment eine Beschleunigung haben; das Product der- 
selben mit der auf die Hülse reducirten Masse aller 
Theile des Regulators, welche an der Bewegung der 
Hülse theilnehmen, wird der Summe der Projectionen 
aller am Regulator angreifenden Kräfte auf die Bewe- 
gungsrichtung der Hülse gleich sein. 

Da die den Regulator bildenden Massen im Allge- 
meinen Bewegungen haben, die von derjenigen der Hülse 
verschieden sind und die numerischen Verhältnisse zwi- 
schen den von der Hülse und von den übrigen Theilen 
des Regulators beschriebenen Wegen für verschiedene 
Stellungen der Hülse verschieden sein werden, so wird 
die auf die Hülse reducirte Masse der den Regulator 
bildenden Theile überhaupt eine veränderliche Grösse 
sein, welche von u abhängen wird; da aber u sehr 
klein ist, so kann diese Masse auf Grund des § 2 über- 
haupt durch 

A + Bu 

ausgedrückt werden, wo A und B constante Grössen 
sind und A ausserdem aus begreiflichen Gründen einen 
positiven Werth hat. In Folge dessen erhalten wir als 
Product aus der auf die Hülse reducirten Masse aller 
Theile des Regulators mit der Beschleunigung der Hülse 

Dieses Product ist, wie oben bemerkt, gleich der 
Summe der Projectionen aller Kräfte, welche die be- 
trachtete Beschleunigung hervorbringen, auf die Be- 
wegungsrichtung der Hülse. Diese Kräfte aber können 
in zwei Categorien getheilt werden. Zur ersten ge- 
hören solche, welche stets und unter allen Umständen 
die Bewegung der Hülse verzögern, und zwar sind das : 
der Widerstand des Kataraktes und die schädlichen Wi- 
derstände, sowohl des Regulators selbst, ¥^e auch des 



regulirenden Stellzeuges. Zui- zweiten Categorie ge- 
hören Kräfte, die bald eine beschleunigende, bald eine 
verzögernde Wirkung ausüben; die definitive Bestim- 
mung derselben kann nur dann geschehen, wenn 
die Construction des Regulators gegeben ist, im All- 
gemeinen aber kann ihre Wirkung folgendermassen 
beurtheilt werden. Wir stellen uns die Regulatorhülse 
in der Entfernung u von ihrer normalen Lage ruhend 
dar; wenn dabei die Geschwindigkeit der Maschine w 
gleich ist der Geschwindigkeit o/«, bei welcher die Re- 
gulatorhülse in dieser Lage im Gleichgewicht verharrt, 
so verbleibt die Hülse im Ruhezustande, und folglich 
üben die betrachteten Kräfte auf dieselbe aucli keinerlei 
Wirkung aus, und die Summe ihrer Projectionen auf 
die Bewegungsrichtuug der Hülse ist gleich Null ; wenn 
die Geschwindigkeit der Maschine co grösser ist als w«, 
so geräth die Hülse in Bewegung und zwar wird die ' 
Richtung derselben eine solche sein, dass in Folge der- 
selben das mit der Hülse verbundene regulireude Stell- 
zoug die Intensität der bewegenden Kraft zu verrin- 
gern beginnt; wenn hingegen die Geschwindigkeit der 
Maschine co kleiner ist als w,,, so geräth die Hülse 
gleichfalls in Bewegung, jedoch in einer solchen Rich- 
tung, dass das regulirende Stellzeug die Intensität der 
bewegenden Kraft zu vergrössern beginnt. Es wii'd 
folglich die durch alle am Regulator wirkenden Kräfte, 
mit Ausnahme der Widerstände des Kataraktes, des 
Regulators selbst und des regulirenden Stellzeuges, 
hervorgebrachte Beschleunigung der Hülse und folglich 
auch die Projectionssumme aller dieser Kräfte auf die 
Bewegungsrichtung der Hülse gleich Null, wenn die 
Differenz w — w„ gleich Null wird, und verändert das 
Zeichen zugleich mit dieser. 

Berücksichtigt man dieses und bemerkt man, dass 

das Verliältniss " behufs guter Wirkung des Re- 



iO 







gulators eine sehr kleine Grösse sein muss, vernach- 
lässigt man ferner alle Potenzen kleiner Grössen, die 
höher sind als die erste, so kann man sagen, dass die 
von uns betrachtete Projectionssumme allgemein aus- 
gedrückt werden kann durch das Produkt mit 



10 







einem von u unabhängigen Coefticienten, dessen Grösse 
in jedem besonderen Fall durch die Construction des 
Regulators bestimmt sein wird. Wenn wir dabei die- 
jenige Bewegungsrichtung der Hülse als positiv an- 
nehmen, bei welcher das regulirende Stellzeug die In- 
tensität der bewegenden Kraft verringert, so wird die 
Grösse des obenerwähnten Coefficienten gleichfalls po- 
sitiv sein, und da auf Grund obiger Erläuterung Ä 
eine positive Grösse ist, so wird, wenn wir den in Bede 



101 



Wischnegradski, üeber directwirkende Rcpjulatoren. 



102 



stehenden Coefficicnten mit AK g*) bezeichnen, JT po- 
sitiv, und die gesuchte Summe der Projoction aller 
Kräfte stellt sich dar durch 



AKg:"-^'-=AKg 



Oi fi) 



CO, 



Wr 



«/ 



'.-AKg-^ 



Ol 







ö)/ 



'0 »«0 «"O 

und da w,, eine Function von u ist, die für m ^= gleich 
ccio ist, so haben wir untor Vernachlässigung aller Po- 
tenzen zweiten und höheren Grades von m 



j Weise wird die Summe der Prqjectiohen aller auf den 
I Regulator wirkenden Kmfte auf die Bewegungsrichtung 
I der Hülse sich folgendermassen ausdrücken lassen: 



(Ot 



dt 



jr^-i'-«o_^„ 



0) 



• • (1) 







wo N eine Constante ist , die in Folge der als positiv 
angenommenen Richtung von u auch positiv ist, und 
es bezeichnet also der Ausdruck 

worin K und JV positiv, die betrachtete .Summe der 
Projectioncu aller auf den Regulator wirkenden Kräfte, 
mit Ausnahme der Widerstände des Katamktes, des 
Regulators und des regulirenden Stellzeuges. 

Was die beiden letzteren betrifft, so wird ihre auf 
die Regulatorhülse reducirte Grösse sich natürlich zu- 
gleich mit der Stellung der Hülse ändern, da aber 
diese Grössen bei jedem guten Regulator klein sind, 
und ausserdem die Lage der Hülse sich auch wenig 
ändert, so kann man sie als constant betmchten; wir 
bezeichnen sie beziehungsweise mit lÄB^ und IAR*\ 
worin /= + ! und das Vorzeichen immer entgegengesetzt 

iL u 

istdem Vorzeichen von Y . Es giebt viele Regulatoren, 
— ff f 

hei welchen diese Grössen so klein sind, dass man sie 
vernachlässigen kann, sogar im Verhältniss zu den 
Grössen, die wir als Glieder ersten Grades beibehalten. 
In der Folge wird diese Annahme auch gemacht wer- 
den, vorläufig behalten wir obige Grössen bei, haupt- 
sächlich um ihre Bedeutung in der Theorie der Regu- 
latoren zu bestimmen. 

Der Widerstand des Kataraktes wird von der Ge- 
schwindigkeit der Hülse abhängen, und da dieselbe bei 
kleinen Ausschlägen der Hülse nicht gross sein kann, 
so ist es erlaubt, in diesem Falle den Widerstand der 
ersten Potenz der Geschwindigkeit proportional anzu- 
nc^hmeu und dann wird der betrachtete Widerstand des 
Kataraktes durch 



Da alle Glieder dieses Ausdruckes kleine Grössen 
der ersten Ordnung sind, so erhält man die zur Be- 
stimmung von u dienende Gleichung, wenn man obige 

Summe dem Ausdruck [A-^-Bu) , - gleich setzt und 

im Ausdruck für -,-^ alle Glieder höherer Ordnungen 
vernachlässigt; auf die Weise erhält man: 

at' 0),, at 

oder 

Bei dem Gebrauche dieser Gleichung muss man be- 
ständig im Auge behalten, dass schädliche Widerstände 
keine Bewegung hervorrufen können, und wenn man 

also annimmt, dass m=0 und ^^^ =rO (d. h. wenn man 

dt ^ 

voraussetzt, dass die Regulatorhülse sich in ihrer nor- 
malen Lage in Ruhe befindet), so beginnt sie sich zu 
bewegen nur wenn die Winkelgeschwindigkeit die 
Grenzen verlässt, die durch die Annahme von 



CO 



Ü 



0)' 



— AM 



du 
dt 



ausgedrückt, wo M positiv und constant ist. Auf die 



*) Worin g die Beschleunigung der Schwere ist. 



bedingt sind; bezeichnet man diese Grenzen mit lo* und 
(o'\ so erhält man 

aus der Grösse dieser Grenzen ist ersichtlich, dass der 
Regulator überhaupt um so kleinere relative Abwei- 
chungen von der mittleren Geschwindigkeit zulassen 
wird, ohne seine Wirkung zu beginnen, je grösser der 
Bruch 

Kg 
~R' + Ä" 

sein wird, und deshalb ist es sehr passend, diese Grösse 
den „Empfindlichkeitsgrad" des Regulators zu 
nennen. 

§ 5. Ausser durch Gleichung (2) ist die Bewe- 
gung des Regulatoi-s wesentlich durch die Beziehung 
bestimmt, welche zwischen der Winkelgeschwindigkeit 
der Maschine lo und der Intensität der auf die Maschine 



103 



Wischnegradski, Ueber directwirkeude Regulatoren. 



104 



wirkenden Kräfte besteht. Diese Kräfte sind: die durch 
den Einfluss des Regulators ihren Werth variirende bewe- 
gende Xraft, deren Intensität wir für den betrachteten 
Moment mit F bezeichnen wollen, und der Widerstand, 
dessen Werth wir Q nennen. Wenn wir ausserdem mit 
I das auf die Hauptachse reducirte Trägheitsmoment 
der ganzen Maschine, und mit q den gemeinsamen 
Hebelarm der Kraft und des Widerstandes bezeichnen, 
80 wird die Winkelgeschwindigkeit der Maschine be- 
kanntlich ausgedrückt durch 



'^=1^ 



«9, 



welches offenbar dargestellt werden kann durch 

worin p die normale Intensität der bewegenden Kraft 
und des Widerstandes bedeutet. 

Das erste Glied der rechten Seite dieser Gleichung 
bezeichnet den constanten Unterschied zwischen dem 
normalen Widerstandsmoment p,Q und seiner verän- 
derten Grösse Q.q^ d. h. bezeichnet die Veränderung, 
welche mit dem Widerstandsmoment vor sich gegangen 
ist, und welche die veränderliche Bewegung hervor- 
gebracht hat, die wir betrachten. 

Das zweite Glied der rechten Seite der obenge- 
schriebenen Gleichung ist nichts Anderes, als die in 
Folge des Ausschlages der Regulatorhülse vorgegangene 
Veränderung des Momentes der bewegenden Kraft. 
Diese Veränderung ist offenbar gleich Null, wenn t* = 
und mit Veränderung des Vorzeichens von u verändert 
die Differenz {p — F)q auch ihr Vorzeichen, und zwar 
in Folge der Annahme, dass, wenn u positiv ist, die 
bewegende Kraft abnimmt, d. h. F<^p^ und wenn u 
negativ, die bewegende Kraft zunimmt, d. li. F^p, 

Daher und weil u eine kleine Grösse ist, deren 
höhere Potenzen vernachlässigt werden, können wir 
schreiben : 

{p-F)i> = Lu (3) 

wo L ein constanter, positiver Coefficient, dessen Grösse 
in jedem besonderen Falle von der zwischen der Hülse 
und dem regulirenden Stellzeuge bestehenden Trans- 
mission abhängen wird, sowie auch von der Wirkungs- 
weise des regulirenden Stellzeuges selbst. 

Setzen wir den aus (3) folgenden Werth von 
(j) — F)q in die obige Gleichung, so erhalten wir: 



Differenziren wir sodann Gleichung (2) in Bezug auf U 
so giebt sie 






^y.du Kq d(o 

N ^ = ^ . - 
dt (Oq dt 



und setzen wir hier für , seine Bedeutung aus (4), 

so erhält die eben geschriebene Gleichung folgende 
Form : 

d^ u , ^^d^ u , ..du , ICgL Kg \ ^J ,,. 

die u als Function von t bestimmt, und deren Betrach- 
tung uns die allgemeinen Eigenschaften der Regulator- 
bewegungen geben wird.*) 

§ 6. Um die aus Gleichung (5) folgenden Betrach- 
tungen vollständig klar zu machen, muss man sich der 
näheren Bedeutung der Grössen erinnern, welche wir 
mit Ä", i, Jf, N bezeichnet haben und welche, wie 
oben bemerkt, sowohl von der Construction des Regu- 
lators und des regulirenden Stellzeuges, als auch von 
der zwischen ihnen bestehenden Verbindung abhängen. 

a) Die Grösse Kg stellt den Coefficienten dar, 
mit welchem das Verhältniss der Differenz zwischen 
der thatsächlichen und ' der normalen Geschwindigkeit 
der Maschine zur letzteren multipliciit werden muss, 
um den Theil der Beschleunigung der Regulatorhülse 
zu geben, welcher durch die auf sie wirkenden Kräfte 
erzeugt wird, mit Ausnahme jedoch des Kataraktwider- 
standes und der schädlichen Widerstände des Regula- 
tors und des regulirenden Stellzeuges. 

Je grösser daher K ist, desto kleiner ist die rela- 
tive Veränderung der Geschwindigkeit, welche nöthig 
ist, um der Regulatorhülse eine bestimmte gegebene 
Beschleunigung zu ertheilen; daraus erhellt, dass der 
Regulator um so beweglicher sein wird, je grösser 
K ist, und deshalb ist es sehr natürlich, K den Be- 
weglichkeitsgrad des Regulators zu nennen. 



^S=^-«!^-^'' 



(4) 



*) Herr Rolland. Mitglied der Pariser Akademie der 
Wissenschaften, sagt in einem Aufsatze, welcher anlässlich des 
am 31. Juli 1876 erschienenen Auszuges aus vorliegender Unter- 
suchung geschrieben und den 14. August 1876 der Akademie vor- 
gelegt ward, dass er in noch nicht veröffentlichten Untersuchungen 
gleichfalls eine lineare Gleichung dritter Ordnung zur Bestim- 
mung der Bewegung des Regulators erhalten habe. Herr Rol- 
land sagt in diesem Aufsatze nicht, ob er die Wirkung des Ka- 
taraktes berücksichtigt hat, oder nicht; wenn ersteres der Fall 
ist, so muss seine Gleichung mit der Gleichung (5) zusammen- 
fallen. Uebrigens muss bemerkt werden, dass letztere nur fOr 
directwirkeude Regulatoren richtig ist; die Bewegung der indirect- 
wirkenden Regulatoren ist durch eine lineare DifTerentialgleichung 
vierter Ordnung bestimmt. 



105 



Wischnegradski, Ueber directwirkende Regulatoren. 



106 



b) Die Grösse i ist der Coefficient, mit welchem 
man den Ausschlag u der Hülse multipliciren muss, 
um die durch diesen Ausschlag hervorgebrachte Ver- 
änderung des bewegenden Momentes zu erhalten. 

Je grösser also L ist, desto kleiner braucht der 
Ausschlag der Regulatorhülse zu sein, um eine be- 
stimmte Veränderung des bewegenden Momentes zu 
bewirken; daraus erhellt, dass je grösser L ist, desto 
kräftiger die Wirkung des Regulators sein wird, und 
und deshalb kann man diese Grösse das Maass der 
Kraft des Regulators nennen. 

c) Die Grösse KL zeigt ihre Bedeutung darin, 
dass, je beweglicher der Regulator ist (je grösser K) 
und je kräftiger seine Wirkung ist (je grösser L), desto 
schneller alle vom Regulator abhängenden Veränderungen 
des bewegenden Momentes vor sich gehen, und deshalb 
kann man das Product KL als Energie der Wir- 
kung des Regulators bezeichnen. 

d) Die Grösse 3/ ist der Coefficient, mit welchem 
die Geschwindigkeit der Hülse multiplicirt werden muss, 
um die Verzögerung zu geben, die durch die Wirkung 
des Kataraktes hervorgebracht wird ; je grösser also J/, 
desto stärker wird der Eintluss des Kataraktes sein, 
und deshalb ist es sehr natürlich, diese Grösse die 
Kraft des Kataraktes zu nennen. 

e) Die Grösse-W stellt den Coefficienten dar, mit 
welchem der Ausschlag m multiplicirt werden muss, 
um das Verhältniss der Differenz zwischen der diesem 
Ausschlag der Hülse entsprechenden Gleichgewichtsge- 
schwindigkeit und der Normalgeschwindigkeit zu dieser 
letzteren zu liefern. 

Je grösser N sein wird, desto mehr wird auch 
offenbar die einer gegebenen Stellung der Hülse ent- 
sprechende Gleichgewichtsgeschwindigkeit von der Nor- 
malgeschwindigkeit abweichen ; wenn N gleich Null ist, 
so ist die, einer beliebigen Lage der Hülse entsprechende 
Gleichgewichtsgeschwindigkeit derselben gleich der nor- 
malen, d. h. der Regulator ist ein astatischer; je 
grösser N, desto grösser wird der Unterschied zwischen 
dem betrachteten Regulator und dem astatischen sein. 

Daher ist es natürlich, N deü Stabilitätsgrad 
des Regulators zu nennen. 

§ 7. Gleichung (5), welche zur Bestimmung von 
u als Function der Zeit dient, ist offenbar eine lineare 
Gleichung dritter Ordnung mit constanten Coefficienten 
und constantem letzten Gliede; ihr Integral muss drei 
willkührliche Constante enthalten, die wir mit C, D, E 
bezeichnen wollen, und die aus der Bedingung bestimmt 
werden, dass für ^ = 



die Form des Integrals wird bekanntlich von den 
Wurzeln der Gleichung 



7 Wo 



abhängen, und zwar folgendermassen : Wenn alle drei 
Wurzeln dieser Gleichung reell und von einander ver- 
schieden sind, so erhalten wir, wenn wir sie mit ^', 
^" und ^'" bezeichnen, 

(p — Q)o »'t ^"« -^'"e 

Ju 

wenn alle drei Wurzeln reell, jedoch zwei derselben, 
^" und ^", einander gleich sind, so wird 

u = ^-^—=^^ + Ce +(D+Et)e . (7) 

sind alle drei Wurzeln reell und alle drei einander 
gleich, so ist 

u = ^^^.-^^+(C+J)t + Ft')e^*^ . . (8) 
endlich, wenn zwei Wurzeln der Gleichung 

z. B. ^" und &'** imaginär sind, und folglich die Form 
haben 

so ist 

(p — ö)p . ^'t ati I 

n = ^- j^^" + Ce -he ] Dcosßt + Fmißt] . (9) 

Wie ersichtlich , enthält der Ausdruck für u, wenn 
die Wurzeln der Gleichung reell sind, keine periodischen 
Functionen, und folglich wird auch der Regulator keine 
Schwingungen haben ; dabei ist leicht zu ersehen, dass, 
da alle Coefficienten der Gleichung positiv sind, die 
reellen Wurzeln derselben alle negativ sein werden, 
und deshalb nähern sich die Exponentialfuuctionen der 
Ausdrücke (6), (7j und (ß) mit dem Wachsen der Zeit 
unbegrenzt der Null, die Grösse u aber ihrem Grenz- 
werthe 

L ' 

bei welchem die bewegende Kraft JP, wie aus (3) er- 
sichtlich, gleich dem Widerstände Q wird. 

Also, in all' den Fällen, in welchen die 
Gleichung 

keine imaginären Wurzeln hat, bewegt sich 
der Regulator, wenn er in Folge der Aende- 



107 



Wisch negradski, lieber directwirkende Regulatoren. 



108 



ruiig des von der Maschine überwundenen Wi- 
derstandes aus seiner normalen Lage gebracht 
ist, ohne Schwingungen und nähert sich dabei 
unbegrenzt der Lage, bei welcher die bewe- 
gende Kraft dem veränderten Widerstände das 
Gleichgewicht hält. 

Wenn jedoch zwei Wui'zeln der Gleichung imaginär 
sind, so nimmt u die Form (9) an, welche periodische 
Functionen enthält, und folglich wird in diesem Falle 
die Regulatorhülse, wenn sie aus ihrer Gleichgewichts- 
lage gebracht ist, eine Bewegung erhalten, die zum 
Theil aus periodischen Schwingungen besteht. 

Da nun ^' eine reelle Wurzel der Gleichung und 

folglich negativ ist, so nähert sich das Glied Ce 
auf jeden Fall der Null, und folglich nähert sich die 
mittlere Stellung der Hülse im Verlauf der Zeit immer 
mehr und mehr derjenigen, bei welcher die bewegende 
Kraft dem Widerstände das Gleichgewicht hält, die 
Schwingungen selbst aber bleiben entweder unverändert, 
wenn « = 0, oder wachsen unbegrenzt, wenn a>0, 
oder aber nehmen unbegrenzt ab, wenn a<<0; offenbar 
kann man nur im letzten Falle vom Regulator eine gute 
Wirkung erwarten. 

Fassen wir alles oben Gesagte zusammen, so kom- 
men wir zu dem Resultate, dass für die gute Wirkung 
des Regulators nothwendig ist, dass entweder alle drei 
Wurzeln der Gleichung 

^ + M{^' + N&-\- ^-^^ = 

reell seien, oder dass bei zwei imaginären Wurzeln der, 
beiden gemeinsame, reelle Theile negativ sei. 

§ 8. Das Vorhergehende zeigt, dass es äusserst 
wichtig ist, einfache Anhaltspunkte zu haben, nach 
welchen man mit Sicherheit beurtheilen könnte, ob die 
Wurzeln der Gleichung 

/Wo 

alle reell, oder zwei derselben imaginär sind, und im 
letzten Falle, ob der, beiden gemeinsame, reelle Theil 
positiv oder negativ ist. 

Um diese Anhaltspunkte in möglichst einfacher 
und übersichtlicher Form zu finden, wollen wir die 
betrachtete Gleichung umändern, indem wir setzen 



Dann wird die Gleichung, welche ^ bestimmt, 
offenbar in folgende Form gebracht: 

q>^+x(p^'+yq> + l = .... (10) 

Die Betrachtung dieser Gleichung nach bekannten 
Regeln führt zum Schluss, dass Gleichung 

^^ -{- M 0' + N{> + \^^ =0 

drei reelle Wurzeln haben wird; wenn 

und dass zwei Wurzeln derselben imaginär werden, 
wenn 

y-.r- - 4(y^ + .r«) + ISi/x— 27 <0. 






Wenn wir x und y als rechtwinkelige Coordinataa 
betrachten und den Theil der durch die Gleichung 

r'x- — 4(y^4-^'0 + 18ya: — 27 = 

dargestellten CuiTe verzeichnen, welcher den positiftift 
Werthen von x und i/ entspricht, so theilt diese Corvo 
offenbar den ganzen rechten Winkel zwischen den pOr 
sitivcn Richtungen der Abscissen- und Ordinateu-Achae 
in zwei Theile, und zwar so, dass für x und ^, welche 
den auf derselben Seite der Curve, wie die Coordinaten- 
achseu, liegenden Punkten entsprechen, zwei Wurzeln 
der Gleichung 

/Wo 

imaginär, für die auf der anderen Seite, wie die Coor- 
dinatenachsen liegenden Punkte aber alle drei Wurzeln 
der Gleichung reell sein werden; für x und y, welche 
den auf der Curve selbst liegenden Punkten entsprechen, 
werden die Wurzeln dieser Gleichung reell und dabei 
zwei derselben einander gleich sein, für einen solcher 
Punkte aber, und zwar für x = 3, y = 3, werden alle 
drei Wurzeln der betrachteten Gleichung einander 
gleich sein. 

Wenn man diese Curve construirt, so überzeugt 
man sich leicht, dass sie zwei Zweige hat, welche durch 
einen gemeinsamen Punkt (a? = 3 , y = 3) gehen , und 
in diesem Punkte eine gemeinsame Tangente haben, 
die zu beiden Coordinatenaxen unter einem Winkel 
von 45" geneigt ist; dass der eine Zweig mit seiner 
Concavität zur X-Axe gerichtet ist, und, sich ins Un- 
endliche erstreckend, allmälig seine Neigung zu dieser 
Axe vermindert; dass der andere aber mit seiner Con- 
cavität zur F-Axe gerichtet ist, und, sich ins Unend- 
liche erstreckend, allmälig seine Neigung zu dieser Axe 
vermindert. Ein Theil dieser Curve DEF ist in nach- 
folgender Figur veranschaulicht. 



111 



Wischnegradski, üeber directwirkeiide Regulatoreu. 



112 



Substituireii wir in diese Bedingungen für N und 
M ihre durch x und y ausgedrückten Werthe, so sehen 
wir, dass der Regulator beständigen und unbegrenzt 
zunehmenden Schwingungen ausgesetzt ist, wenn 

^y<i; 
die Schwingungen allmälig abnehmen werden, wenn 

^i/>i; 

die Schwingungen endlich von constanter Amplitude 
sein werden, wenn 

Daraus ist ei-sichtlich, dass, wenn wir eine gleich- 
seitige Hyperbel GHK, deren Gleichung 

aufzeichnen, diese den Winkel zwischen den positiven 
Richtungen der Coordinatenaxen in zwei Theile theilt, 
so zwar, dass die in dem einen liegenden Punkte sol- 
chen Regulatoren entsprechen, welche, einmal aus ihrer 
Gleichgewichtslage gebracht, sich beständig vermittelst 
allmälig abnehmender Schwingungen der neuen Gleich- 
gewichtslage nähern, die in dem anderen gelegenen 
Punkte dagegen solchen Regulatoren, die, einmal aus 
ihrer Gleichgewichtslage gebracht, in Schwingungen 
gerathen, deren Amplitude im Verlaufe der Zeit be- 
ständig wächst. 

§ 10. Die auf Grundlage obiger Untersuchungen 
verzeichneten zwei Curven DEF und GHK theilen 
den Winkel zwischen den positiven Richtungen der 
Coordinatenachsen in drei Theile. 

Der erste, von den Zweigen DE und EF der 
Curve DEF eingeschlossene Theil enthält die Punkte, 
welchen solche Regulatoren entsprechen, die, einmal 
aus der Gleichgewichtslage gebracht, die Eigenschaft 
besitzen, ohne jegliche Schwingungen sich der neuen 
Gleichgewichtslage zu nähern. 

Der zweite, von der Curve DEF und der Hy- 
perbel G HK eingeschlossene Theil enthält die Punkte, 
welchen solche Regulatoren entsprechen, die, aus ihrer 
Gleichgewichtslage gebracht, in Schwingungen gerathen, 
welche, allmälig abnehmend, den Regulator unbegrenzt 
der neuen Gleichgewichtslage näher bringen. 

Der dritte, von der Hyperbel GHK und den 
Coordinatenachsen eingeschlossene Theil enthält die 
Punkte, welche solchen Regulatoren entsprechen, die, 
aus ihrer Gleichgewichtslage gebracht, in Schwingungen 
gerathen, deren Amplitude mit der Zeit beständig 
grösser wird, so dass die Maschine eine ganz unregeU 
massige Bewegung annimmt. 

So giebt die beigefugte Figur ein höchst einfaches 



Mittel, die verschiedenen Regulatorarten zu unter- 
scheiden. 

Aus den obigen Betrachtungen gehen unter An- 
derem direct nachstehende Folgerungen hervor: 

Die astatischen Regulatoren (für welche 
N=0 und folglich auch y=0) sind, mit welchem 
Katarakt sie auch versehen sein mögen, zur 
Regulirung einer «Maschine nicht brauchbar. 

Regulatoren, weche zwar statisch, jedoch 
mit einem Katarakt nicht versehen sind, (für 
welche M=0 und folglich auch x = 0) sind zur 
Regulirung einer Maschine nicht brauchbar. 

Für jeden gegebenen statischen Regulator 
(für welchen ein von Null verschiedenes N und folglich 
auch 2^ gegeben ist) kann man einen solchen Kata- 
rakt finden (kann man ehie solche Bedeutung für x 
und folglich auch für J/ finden), dass dieser Regu- 
lator im Verlaufe der Zeit die Amplitude seiner 
Schwingungen nicht vergrössern wird.*) 

§ 11. Alle vorhergehenden Folgerungen sind in 
der Voraussetzung erhalten, dass die Ausschläge der 
Regulatorhülse kleine Grössen sind, und deshalb muss 
man bei Anwendung der gefundenen Resultate beständig 
diese Bedingung im Auge behalten, sonst können sie 
zu völlig falschen Schlüssen fuhren. So muss man die 
Folgerung, dass der Regulator, für welchen die Be- 
dingung 

X1J=1 

nicht erfüllt ist, in Schwingungen geräth, deren Am- 
plitude im Verlaufe der Zeit unbegrenzt wächst, 
nicht buchstäblich nehmen; eigentlich bezeichnet diese 



*) Herr Kar gl, Professor in Zürich, der mit den im Civil- 
ingenieur 1S71, 1S72 und 1S73 veröffentlichten Arbeiten sehr viel 
Licht über die Theorie der Regulatoren verbreitete, hat einen 
Satz ausgesprochen, der einen particulären Fall eines der obigen 
Resultate bildet. In der Abhandlung, die im Jahre 1873 unter 
dem Titel: „Beweis der Unbrauchbarkeit sämmtlicher astatischer 
Regulatoren^' erschienen ist, betrachtet Herr Kar gl nur die 
nicht mit Katarakt versehenen astatischen Centrifugal- 
regulatoren und sucht zu beweisen, dass sie zum Regu- 
liren von Maschinen unbrauchbar sind. Wie aus Vorher- 
gehendem ersichtlich, ist dieser Satz (der übrigens in erwähnter 
Abhandlung kaum mit der gehörigen Strenge bewiesen sein dflrftel 
viel allgemeiner. Nicht nur astatische Gentrifugalregulatoren ohne 
Katarakt, sondern auch alle statischen Regulatoren, wenn sie 
nicht mit einem Katarakt versehen sind, können den Gang von 
Maschinen nicht zur Befriedigung regeln. Der Unterschied zwi- 
schen statischen und astatischen Regulatoren besteht in dieser 
Beziehung nur darin, dass die schädliche Beweglichkeit statischer 
Regulatoren vermittelst eines Kataraktes ausgebessert werdea 
kann, während die überflüssige Beweglichkeit astatischei* Regu- 
latoren durch keinen Katarakt aufgehoben wird. 



113 



Wiscbnegradski, Deber directwirkende Regnlatoren. 



114 



Folgerung nur. dass die Schwiiigungeu des Regulators, 
für welchen obige Bedingung nicht erfüllt ist, eine 
Amplitude haben, deien Werth die Grenze überschreitet, 
bei welcher man in der Theorie dieses Begulators die 
Glieder zweiter und höherer Ordnung abwerfen kann; 
sehr leicht kann es sich ereignen, daas bei einem ge- 
gebenen Regulator, für welchen die Bedingung 

nicht erfüllt ist, in Wirkhchkeit die Amplitude nur bis 
zu einer gewissen Grenze wachsen wird*); da aber diese 
Grenze nach Obengesagtem grösser sein wird als die, 
bei welcher die zweiten Potenzen der Amplitude im 
Verbältnifis zu den ersten Temachlässigt werden können, 
80 wird für Maschinen, welche einen sehr gleichförmigen 
Gang erfordern, ein solcher B«gulator untauglich sein, 
BO dass also die praktischen Folgerungen der Theorie 
dieselben bleiben, wie in dem Falle, wenn die, der 
auseinandergesetzten Theorie zur Grundlage dienenden 
Bedingungen in der That mit voller Genauigkeit er- 
füllt sind. 

Es mu3S auch bemerkt werden, dass die schädliche 
Beweglichkeit der Regulatoren in Wirklichkeit bis zu 
einem gewissen Grade durch den Einfluss der schädlichen 
Widerstände verringert werden kann, welche durch die 
Bewegang des Regulators und des regulireuden Stell- 
zeuges hervorgerufen werden, und die wir vernachlässigt 
haben, aber bei derartigen Regulatoren ist die Ven-in- 
geruog ihrer schädlichen Beweglichkeit mit der Ver- 
ringerung ihrer nützlichen Beweglichkeit verbunden, 
die man, wie aus § 6 ersichtlich, nicht anders als durch 
möglichste Verringerung der schädlichen Widei-stände 
erzielen kann. 



•) Dieser Umstand ist von Herrn Karg] in seiner, im vurigen 
g erwUmten Abhandlung nicht hinlänglich berücksichtigt worden, 
and in Folge deaaen kaim sein Beweis der ünbrauchbarkeit aata- 
ÜBcher Kegulatoren nicht als vollständig streng ongeseben werden. 
Herr Kargt zieht in der erwähnten Abhandlung die Wirknngs- 
weise des regulirenden Stellzeuges gar nicht in Betracht und hält 
es folglicii für möglich, seine Schi ussfolgerun gen zu ziehen, ganz 
abgesehen von der Wirkungs weise dieses Stellzeuges. 
Indessen ist dieses offenbar nicht gut möglich, weil man sich 
immer ein solches Gesetz der Aenderuog des bewegenden Mo- 
mentes durch das regulirende Stellzeng vorstellen kann, dass, 
wenn auch der Regulator die anfängliche positive Be- 
schlennigungsarbeit mit einer weil grösseren nega- 
tiven beantwortet, dieses doch nnr bis 2U einer gewissen 
Grenie geht. Im Obigen ist gezeigt, dass der Schlues ganz richtig 
ist, wenn die durch das regulirende Stellzeug hervorgebnchte 
Terändenmg des bewegenden Momentes proportional ist der ersten 
Potenz des Ausschlages der Regulatorhulse, was für jede An- 
ordnung des Regolaton nur dann richtig ist, wenn der Ausschlag 
als sehr klein angesehen werden kann. 



§ 13. Bei Au&tellung der Gleichung (ö), aus der 
alle Hauptfolgeningen gezc^n sind, war unter Anderem 
vorausgesetzt, dass der Kataraktwiderstand der ersten 
Potenz der Hülsengeschwindigkeit proportional ist, und 
deshalb könnten vielleicht Zweifel über einige Sätze 
vorliegender Theorie in dem Falle auftauchen, wenn 
diese Voraussetzung nicht richtig wäre. Welcher Art 
diese Zweifel aber auch sein könnten, niemals können 
sie den Theil der Folgerungen betreffen, der sich auf 
die Regulatoren bezieht, die im Stande sind, gut zu 
wirken. In der That, da die Oeffnung, durch welche 
die vom Kolben verdrängte Flüssigkeit dringen muss, 
nach Belieben vergrössert oder verkleinert werden kann, 
80 kann auch die bremsende Wirkung des Kataraktes 
auf die Hülse beliebig gross gemacht werden, und folg* 
lieh kann man auch die Schwingui^en eines statischen 
Regulators vermittelst eines richtig constmirten und 
aufgestellten Kataraktes begrenzen. Was aber absolut 
aatatische Regulatoren betri£fb, so ist nicht schwer 
zu beweisen, dass die auf sie sich beziehende Folgerung 
richtig sein wird, selbst in dem Falle, wenn der Kata- 
raktwiderstand nicht der ersten, sondern jeder belie- 
bigen höherii Potenz der Geschwindigkeit . proportional 
ist. In der That, nehmen wir an, daas die Grösse der 
Schwingungen eines statischen Regulators vermittelst 
eines Kataraktes begrenzt werden kann, dessen Wider- 
stand durch 



M- 



dt' 



ausgedrückt wird . worin h >^ ] ; bei Benutzung eines 

solchen Kataraktes wird, laut Annahme, ( jr-) nicht 

unbegrenzt zunehmen, und erreicht folglich einen ge- 
wissen höchsten Grenzwerth, den wir mit V bezeichnen 
wollen ; stellen wir uns sodann vor, dass an demselben 
Regulator ein anderer Katarakt angebracht sei, dessen 
verzögernde Wirkung ausgedrückt werden kann durch 



M" V"- 



V( ' 



da diese Grösse numerisch grösser ist als ■*''( j. )• so 

wird der neue Katai'akt offenbar eine stärkere brem- 
sende Wirkung ausüben, als der ursprüngliche, und 
folgUch werden die in Folge seiner Wirkung für jede 
bestimmte Zeit berechneten totalen Ausschläge der Regu- 
latorhülse kleiner sein, als die entsprechenden Ausschläge 
derselben Hülse unter dem Einflüsse des ursprünglichen 
Kataraktes ; wenn daher der ursprüngliche Katarakt im 
Stande ist, die Schwingungs-Ämplitude der Hülse zu 
verringern, so wird diese Wirkung um so mehr duftjh 



115 



Wischnegradski, Ueber direct wirkende Regulatoren. 



116 



den neu angebrachten Katarakt hervorgebracht werden; 
wenn also der Katarakt, dessen verzögernde Wirkung 

auf die Hülse durch die Beschleunigung JtfM^j aus- 
gedrückt wird, den astatischen Regulator brauchbar 
machen kann, so kann man dasselbe Resultat durch 
Anwendung eines Kataraktes erzielen, dessen verzögernde 
Wirkung auf die Hülse durch eine Beschleunigung aus- 
gedrückt wird, deren Weith gleich Jtf' F""-^ ( ,- 1 ist: 

dieses letztere ist aber nach dem Bewiesenen unmög- 
lich, da die von einem solchen Katarakt herrührende 

Beschleunigung der Hülse der ersten Potenz von (;vt) 

proportional ist, folglich ist auch die hier gemachte 
Annahme nicht möglich, was zu beweisen war. 

§ 13. Die ausgeführte Theorie giebt, ausser den 
schon gefundenen Resultaten, die Möglichkeit, den 
Grenzwerth der Winkelgeschwindigkeit einer mit gut- 
wirkendem Regulator versehenen Maschine zu bestim- 
men, wenn in Folge von Störung des Gleichgewichts 
zwischen der bew^enden Kraft und dem Widerstände 
die Greschwindigkeit derselben sich ändert. Dieser 
Grenzwerth wird direct aus Gleichung (1) gefunden, 
wenn wir anstatt u den Grenzwerth setzen, welchem 
diese Grösse sich allmälig nähert; bezeichnen wir den 
gesuchten Grenzwerth der Geschwindigkeit mit limu}, 
den Grenzwerth von h aber mit limu^ so finden wir: ■ 

i N i 

hm o) = 0),) J 1 + lim u j 

und setzen wir statt limu dessen Bedeutung 



so erhalten wir 



N 



iimü} = o},,jl + ^^\^ ip — Q){f[ = 






K' Lg 

Bemerken wir, dass pQ der normale Werth des be- 
wegenden Momentes der Maschine ist, so wii^d, wenn 
wir mit PS die normale Arbeit der Maschine in Pferde- 
stärken bezeichnen 

PQ = 7b 



(O 







Nennen wir m.PS die Veränderung, die in der 
Arbeit der Maschine vorgegangen ist, und die ihrer- 
seits die von uns betrachtete Störung des Gleichgevdchtes 
im Regulator heiTorgebracht hatte, so ist ofienbar 



ip-Q)9 = lb, 



m.IS 



fa, 



und folglich 

N i N 

/««a> = ci>Q+ ^rp — . 75. w.PÄ=(ö^ { 1 + . 

JC JjQ f K 



N lb,m,PS 
Lg(OQ 



Dieser Ausdruck zeigt, dass die vom Regulator gestattete 
relative Aenderung der Geschwindigkeit 



Km (o — (o 







CD 







N Ib^m.PS 



K' 



um so kleiner sein, und folglich der Regulator um so 
besser seine Aufgabe erfüllen wird: 

1) je kleiner N ist, d. h. je mehr sich der Regu- 
lator dem astatischen nähert, mit dem er übrigens dem 
Bewiesenen zufolge niemals identisch sein darf; 

2) je grösser KL, d. h. je grösser die Energie 
des Regulators ist; 

3) je kleiner die Aenderungen der Arbeit der Ma- 
schine sind, d. h. je kleiner m.PS ist; 

4) je grösser die Winkelgeschwindigkeit w., ist. 

Alle diese Umstände muss man bei der Construc- 
tion eines Regulatoi's im Auge behalten, da von ihm 
nicht nui' verlangt wird, dass er bei Störung des Gleich- 
gewichts zwischen bewegender Kraft und Widerstand 
die Maschine allmälig in die neue Gleichgewichtslage 
bringe, die der veränderten Intensität des überwundenen 
Widerstandes entspricht, sondern es wird von ihm 
gleichfalls verlangt, dass die bei dieser Gleichgewichts- 
lage eintretende Geschwindigkeit der Maschine von der 
normalen nur um eine kleine, bestimmte Grösse ver- 
schieden sei, deren Bedeutung durch den Grad der 
Wichtigkeit des gleichförmigen Ganges der Maschine 
bedingt wird. 

Ferner ist noch zu bemerken, dass die Grösse der 
Grenzgeschwindigkeit wie auch der Empfindlichkeits- 
grad des Regulators von der Kmft des Kataraktes ganz 
unabhängig sind. Es schadet also die Verstärkung des 
Kataraktes durchaus nicht der Wirkung des Regulators, 
während sie jedoch im höchsten Grade nützlich ist, da 
sie die Construction eines guten Regulators mit ge- 
ringer Stabilität gestattet, welches zur Folge hat, dass 
die Differenz zwischen der Grenzgeschwindigkeit der 
Maschine bei veränderter Arbeit und der normalen 
Geschwindigkeit bei normaler Arbeit klein ausfällt. 

§ 14. Aus den Grundgleichungen dieser Theorie 
lässt sich übrigens vollständig das Gesetz bestimmen, 
nach welchem die Geschwindigkeit der Maschine nach 
erfolgter Störung des Gleichgewichts zwischen Kraft 
und Widerstand sich ändert. Dafür wird es genügen, 
die Grösse u aus den Gleichungen 



117 



Wischnegradski, Ueber directwirkende Regulatoren. 



118 



d'u du m — (a^ . 

j,,-^^ .-^^-^^ = ^9 % und 

dt dt oi0 

ZU eliminireo ; dann gelangt man zu der Gleichung: 

ifi— +^ dt- +^~ -rfr + 

Die Lösung dieser Gleichung hängt von den Wur- 
zeln derselben Gleichung dritten Grades ab, durch 
welche der Werth von u bestimmt war, und die will- 
kürlichen G(Histanten werden dadurch bestimmt, dass 
für t = 



(O — w 



'~^' dt ~ I ' ~ dt^ ~^' 



Aus den allgemeinen Formeln der Integrale der 
obigen Gleichung lassen sich ganz dieselben Folgerungen 
in Betreff des Werthes von (o — coq ziehen, welche früher 
(§§ 9—12) in Beziehung auf u gefanden sind. — 

Ohne dieselben hier zu wiederholen, wollen wir 
etwas genauer den Fall betrachten, wenn zwei Wurzeln 
der Gleichung imaginär sind und dabei der reelle Theil 
dieser Wurzeln negativ ist. Dieser Fall entspricht den 
Regulatoren, welche am besten für die Regulirung 
des Ganges der Maschinen geeignet sind, wie es aus 
dem vorhergehenden leicht ersichtlich ist. — Wenn man 
alle eingeführten Bezeichnungen beibehält, und die ein- 
zige reelle Wurzel der Gleichung des dritten Grades 
durch S* bezeichnet, so hat man für oj — w„ den Aus- 
druck 

K Lg 



wo 



C= 



D = 



IS' 'IS' — itf + ß''' 



IS* 'a^ + ß' (0' — a)^ + /3^ 

_{p-zß)Q ^'"^ 1 (|g^ — a*)((y— ft) — 2ftj3^ 



J?= 



IS* '«^-1-/3^' ß 



{S' — aY + ß' 



Substituirt man diese Grössen von (7, D, E in den 
oben geschriebenen Werth von co — co^,, so hat man einen 
vollständig bestimmten Ausdruck der Geschwindigkeit 
w als Function der Zeit t\ durch Betrachtung dieser 
Function findet man nach bekannten Regeln, dass die 
Zeitpunkte, für welche die Geschwindigkeit ihre Maximal- 
und Miuimalwerthe annimmt, durch Gleichung 



= {S' — 2a)co8ßt — ^ "5 -^ß^ 

bestimmt werden. 

Diese Gleichung stellt aber, ßt als Polarwinkel 
eines Polarcoordinatensystemes aufgefasst, in ihrer linken 
Seite den Radiusvector einer logarithmischen Spirale 
dar, in ihrer rechten Seite bekanntlich den Radius- 
vector eines durch den Pol gehenden Kreises, dessen 
Durchmesser durch 

und dessen Mittelpunkt durch den Winkel 



— arciang 



/3^ +«(e ^— g) 

' j3(e' — 2~a) 



zwischen der Achse und dem zugehörigen Radiusvector 
bestimmt ist. Die Durchschnittspunkte dieses Kreises 
und der Spirale werden die Zeitpunkte bestimmen, 
die den hervorragenden Werthen der Geschwindigkeit 
entsprechen. Es können dabei zwei Fälle vorkommen. 

1) f'J' — of<<0; dann nimmt bei dem Wachsen von 
t der Radiusvector der Spirale beständig ab, und 
sein Grenzwerth ist Null ; der Radiusvector des Kreises 
aber ist immer zwischen dem negativ und positiv ge- 
nommenen Durchmesser enthalten; es folgt daraus, dass 
die beiden Curven sich in unendlich vielen Punkten 
schneiden und dabei der Winkelabstand zwischen je 
zwei aufeinanderfolgenden Schnittpunkten sich immer 
dem Werthe n nähert. In diesem Falle folglich hat 
die Geschwindigkeit eine unendliche Anzahl von Maxi- 
mal- und Mini mal wertlien , die beständig nach dem 
im vorigen Paragraphen gefundenen Grenzwerthe con- 
vergiren. 

2) 0' — tt^o; dann nimmt bei dem Wachsen von 
t der Radiusvector der Spirale beständig zu, und es 
folgt daraus, dass die Anzahl der Durchschnitts- 
punkte der Spirale und des Kreises nicht eine unend- 
liche sein kann; es kann aber auch vorkommen, dass 
die Spirale und der Kreis sich gar nicht schneiden; 
dann wird der Geschwindigkeitswerth keine Schwin- 
gungen haben, sondern, immer in ein und derselben 
Richtimg sich ändernd, dem gefundenen Grenzwertli 
sich nähern. Wenn aber die Spirale und der Kreis 
sich schneiden, so macht die Geschwindigkeit eine 
endliche Zahl von Schwingungen und fängt alsdann 
an, sich immer in derselben Richtung zu ändern, sich 
mehr und mehr dem Grenzwerth nähernd. 

8* 



119 



Wischnegradski, Ueber directwirkende Regulatoren. 



120 



Es ist leicht zu erkennen, dass die unendliche Anzahl 
von Geschwindigkeitsschwingungen vorkommt, wenn die 
den Regulator bestimmenden Grössen x und y der Be- 
dingung 

2a:^ — 9;ry+27<0 

genügen, und dass die Geschwindigkeit eine endliche 
Anzahl von Schwingungen annimmt, wenn 

2arJ~9a?y+27>0 

ist. In diesem letzten Falle existiren die Schwingungen 
wirklich, wenn 



S' 



I 



ß ß 

und die Geschwindigkeit näheit sich ihrem Grenzwerthe 
ohne Schwingungen, wenn 

ß ß • i s* ) 

Zeichnet man in unserer Figui* auf Seite 109 die 
Curve 

2a:3 — 9a:y+27 = 0, 

SO geht dieselbe durch den Punkt E{x^=3, y = 3) 
und hat die Ordinatenachse zur Asymptote. Der 
Theil dieser Curve, welcher links von der Geraden 
x = 3 liegt, bildet eine Grenze zwischen den Regu- 
latoren, die eine unendliche Anzahl von Geschwin- 
digkeitsschwingungen zulassen, und solchen, bei deren 
Gebrauch die Zahl dieser Schwingungen eine end- 
liche ist, so dass der durch den Zweig DE der 1 
Curve DEF und durch den soeben betrachteten 
Theil der Curvo 2x^ — 9a;y + 27 = eingeschlossene ; 
Raum den Regulatoren entspricht, die zu der letztge- r 
nannten Klasse gehören, und der durch denselben Theil 
dieser Curve, den Zweig JE JF und die Hyperbel OHK 
begrenzte Raum die Punkte enthält, die den Regulatoren 
mit unendlicher Zahl von Schwingungen entsprechen. — 
Da der Minimalwerth der (Jrdinate der Curve 

2^ — 9a;y-|-27=0 

die Grösse 2,38 hat, so gehören im Allgemeinen alle . 
Regulatoren mit endlicher Zahl der Schwingungen zu 
den ziemlich stark statischen, und da solche, nach dem 
Vorhergehenden, keinen hohen Gleichförmigkeitsgrad 
zulassen, so sind im Allgemeinen, wenn es sich um 
eine sehr gleichförmige Bewegung handelt, die Regu- 
latoren vorzuziehen, welche nach erfolgter Störung des 
Gleichgewichtes eine unendliche Anzahl von Schwin- 
gungen machen. — i 








% 15. Als Anwendung der dargelegten Theorie 
wollen wir den Porter 'sehen Regulator, der wohl als 
einer der gebräuchlichsten Regulatoren der letzten Zeit 
genannt werden darf, betrach- 
ten. Er besteht bekanntlich 
aus einer verticalen Achse A JB, 
die von der Maschine aus in 
rotirende Bewegung gesetzt 
wird; im Punkte A derselben 
sind vermittelst Chamieren die 
Stangen AC und AD ange- 
bracht, die an ihren Enden die 
Kugeln C und D tragen und 
gleichfalls vermittelst Char- 
nieren mit den Stangen CE 
und D F verbunden sind, wäh- 
rend die letzteren auch mit 
Charnieren au einer Hülse angebracht sind, die sich 
längs der Achse geradlinig bewegen kann; mit der Hülse 
ist noch ein besonderes Gegengewicht G verbunden, 
welches dieselbe Bewegung wie die Hülse hat. — Der 
grösseren Einfachheit wegen nehmen wir an, dass die 
Stangen CE und DF mit der Hülse in einem auf der 
Achse AB liegenden Punkte verbunden, und dass alle 
vier, von der Achse zu den Kugeln gehenden Stangen 
von gleicher Länge sind; es sei die ihnen gemeinsame 
Länge gleich a, dass Gewicht einer jeden Kugel gleich 
P, das die Hülse beschwerende Gewicht gleich G, und 
endlich die Masse der Stangen im Verhältniss zu der- 
jenigen der Kugeln und des Gegengewichtes G klein 
genug, um sie vernachlässigen zu können. Stellen wir 
uns nun vor, dass sich die Maschine mit ihrer nor- 
malen Geschwindigkeit w^ und die Regulatorachse mit 
der Geschwindigkeit qw^ bewegt, und dass dabei die 
Hülse sich im Gleichgewicht befindet; nennen wir a^ 
die Grösse der Winkel, welche dabei alle vier Stangen 
mit der Regulatorachse bilden, und h die Entfernung 
AB. — Offenbar besteht zwischen ä, a und Oq folgende 
geometrische Beziehung : 

h = 2a.oo8 aQ. 

Da aber bei der Winkelgeschwindigkeit qw^ der 
Regulatorachse die Hülse sich im Gleichgewicht befindet 
und der Katarakt offenbar ausser Wirkung ist, so muss 
die Summe der virtuellen Momente der Centrifiigal- 
kraft der Kugeln, ihres Gewichtes und des Grewichtes 
G9 in der Voraussetzung bestimmt, dass die Winkel a^ 
um eine unendlich kleine Grösse zugenommen haben, 
gleich Null sein ; aus dieser Gleichung erhalten wir sofort: 



q^CDo^ 



F+0 



a cos et 







P+G 2^ 
P • h 



(A) 



121 



Wisch negradski. üeber directwirkende Regulatoren. 



122 



Stellen wir uns sodann den Regulator in einer 
anderen Lage vor, bei welcher sich die Hülse um die 
Länge u gehoben hat und bezeichnen wir mit qw^ die- 
jenige Winkelgeschwindigkeit der Regulatorachse , bei 
welcher die Hülse in dieser neuen Lage im Gleich- 
gewicht verharren kann und mit a die Grösse der 
Winkel, die in diesem Falle von den Stangen und der 
Achse gebildet werden, so erhalten wir wie oben: 

h — u-=2acost( und 



y^wj _ P+G _1 _^+0 _2_ 
g P aco8€t P h — u 

und daraus 

P±G 
P 



. . (B) 



q(0, 



=V'VV& 



Entwickeln wir diesen Ausdruck nach Potenzen 
von M und behalten wir nur die Glieder erster Ord- 
nung bei, so finden wir: 

KP-^6 I/2V , « \/P+G 1/27 

= ^"«(^ + 2-*)' 



§ 16. Nehmen wir ferner an, dass der Regulator 
bei einer Entfernung u der Hülse von ihrer noimalen 
Lage die Geschwindigkeit q w besitzt, so wird in dieser 
Lage seine Hülse sich nicht im Gleichgewicht befinden, 
und folglich wird die Arbeit aller auf sie wirkenden 
Kräfte, berechnet für eine unendlich kleine Vergrösse- 
rung von u ,' gleich sein dem dabei erzielten Zuwachse 
der lebendigen Kraft der Kugeln und des Gewichtes G; 
dieser Zuwachs der lebendigen Kraft ist offenbar: 



2g \dt f "^ 



2g \ dt 



n 



Dieser Ausdruck kann leicht in eine zur Behand- 
lung bequemere Form gebracht werden. Oben wurde 
gefunden, dass 

h — « = 2 <i . (?o« ft 
und folglich 

du=^2a.9in€t.dct 
und daher 



a.da 1 du 

dt 2 sin ci dt 



du 



woraus wir direct schliessen, dass 



h — uV ^^ 



^K-(t-") 



w„ — w^^ 



w, 







u 



(C) 



so dass das Differenzial der lebendigen Kraft der Ku- 
geln und des Gewichtes G den Ausdruck annimmt: 






1 — 



1 ■ _ iduV\ ^ 



fe")'j 

idu d^ u 
(di'd¥ 



G 2P 

H 
9 9 



'A^-c-m'] 



h — 



Die Kräfte, deren unendlich kleine Arbeit diesem 
Zuwachs der lebendigen Kraft gleich ist, sind, wenn 
wir die schädlichen Widerstände des Regulators und 
des regulirenden Stellzeuges nicht berücksichtigen, fol- 
gende : 

1) Die Centrifugalkraft beider Kugeln, die die 
Arbeit liefert: 

— q^ur .ann€(.acosad€f=^ - ,0^00^ ,- -•- - . - - .dt. 
9 g ^ 2 dt 

2) Das Gewicht der Kugeln, welches die Arbeit liefert: 

— 2Pastntidu = — Pdu = — P^f .dt 

dt 

3) Das Grewicht des Gegengewichtes 6r, dessen Ar- 
beit ist: 



_(duY2P _J 



du 
-.Gdu = — G ^ .dt 

dt 



dt 




i^}'- 



2P 



'4^-('i^)T 



4) Der Widerstand des Kataraktes, welcher, auf 
die Hülse reducirt, überhaupt durch — . ,— ausge- 

drückt werden kann, und der die Arbeit liefert: 

S du ^ S /duW 

g dt g \dt' 

Setzt man den gefundenen Zuwachs der lebendigen 
Kraft der Summe aller dieser Arbeiten gleich, so sieht 
man sofort, dass alle Glieder der zu erhaltenden Glei- 

chung den Coefficienten j-r- enthalten werden und die 

at 

Gleichung die Form annimmt: 

h — u P^ 

(2«?^ g 



q^ to^ ,~~ — (P+ G) — ~ 



du 
dt 



123 



Wisch negradski, Ueber direct wirkende Regulatoren. 



124 



Aus Gleichung (B) haben wir aber oifenbar: 



P y ^ h U 

0= .y*w„ 

9 2 



'-' '- --{P+G\ 



und deslialb lässt sich die vorhergehende Gleichung auf folgende reduciren: 



h — u 



^ tf ' i\'^~^ ^ au lauy 



du\- iP 



M-'^-n 



1 h — u_d^uVG 

h — u^~\^'{2af~ dt 



uV G 2P 1 



du . 



Laut Hypothese ist die Grösse , eine kloine, deren Quadmt wir bei unseren Berechnungen yemachlässigen 
können; ausserdem überzeugt man sich leicht, dass 



fi>- — CO 0^ = 2 Oh 



M G)„ 



CO 



-4-< 



(ö CO» 0) CO 







„CO üOu 0I„ 

co.r . — 



ot. 







w 



(I 



(ü 



'(► 



(I 



Ol 



(» 



CO 



u 



da aber die Ausdrucke , 

nung sind, so kann vorhergehende Gleichung geschrieben werden: 



lO^, W„ M^, 



und - " kleine Brüche sind, deren Produkte Grössen zweiter Ord- 



fO (O 



9 f'>o 



u 



S du_d^u 
g dt dt' 



G 2P 

9 



4)1 



-(■ 



9 , i^ /^"^rj 

2a ' \ 



Entwickelt man den erhaltenen Ausdruck nach Potenzen von u in eine Reihe und vernachlässigt in der- 
selben die Glieder zweiter und höherer Ordnungen in Bezug auf m, ,-v und -, substituirt man endlich für 

at (Oq 

w,^ seinen Werth aus Gleichung (C), so ergiebt sich daraus der Werth von -jp folgendermassen : 

d^u P ^ .. , w — <*»o ^^' * y ^ du 

G + 



dt^ 



Ol 



M'-,4) 



e + - 



= ('-...) 



G + 



dt 



■ . (E) 



^('-/^) 



d(o 



DifFerenzirt man den eben erhaltenen Ausdruck nach der Zeit t und eliminirt man ^, vermittelst der in 

dt 



§ 4 erhaltenen Gleichung (4), so ist: 



de 



G + 



. q^ 10^^ . h 



(.P-Q)9 



Ol 



^'i^S) 







+ 



q'o\^ du 

2 'li 



S 



•H-u.) 



G H 

p 



d*u 
dt' 



G + 






, M-j^) 



Kliniiuirt man daraus q^ia^* vermittelst Gleichung (A) und setzt man 

•2(P-hG) „ P-\-G 9 „ 5 



=jr; 



.... ^ =^-. . . . 

^'-4^) -^('-4-..) ^('-ii-) 



= M, 



80 ündet man die vorhergehende Gleichung in folgender Form: 

dt dt- dt Jon,. 101,^ 



125 



Wischnegradski, Ueber directwirkende Regulatoren. 



126 



d. h. sie nimmt dieselbe Form au, wie die in der all- 
gemeinen Theorie überhaupt für alle Regulatoren ge- 
fundene, und folglich werden alle dort gezogenen Fol- 
gerungen vollständig auf den Porter 'sehen Regulator 
anwendbar sein. 

Da die in der allgemeinen Theorie gefundene Be- 
dingung für die gute Wirkung des Regulators darin 
besteht, dass 

so sohliessen wir, dass für gute Wirkung des P orter '- 
sehen Regulators sein muss: 

8 . 2ZA 



-> 



^ + 



Zw 



oder 







\ 4«- ' 



2 1 



«> 



-ILh 
im 



e + 







r.1. 



^('-.:.>i 



§ 17. Wenn die Maschine und der Regulator, 
sowie auch der Katarakt und die Transmission vom 
Regulator zum regulirenden Stellzeug bekannt sind, so 
kann man auf Grundlage des Obigen vollständig die 
Wirkung des Regulators bestimmen, und zwar findet 
man aus Gleichung (A) 

y- 0)0- _ P+ G 2^ 
g ~ P ' h 

die normale Winkelgeschwindigkeit der Maschine w,,; 
darauf kann man, da alle in der Bedingung für S vor- 
kommenden Grössen bekannt sind, bestimmen, ob der 
Katarakt stark genug ist, damit der Regulator gut 
wirken kann ; gleichfalls kann man die Grenzgeschwin- 
digkeit bestimmen, welcher der Regulator die Maschine 
im Fall der Aenderung ihrer Arbeit beständig mehr 
und mehr nähert; diese Geschwindigkeit ist mit Bei- 
behaltung aller früheren Bezeichnungen 



w. 



l-h 



Ih.m.P S) 



woraus eraichtlich ist, dass die Grenze, zu der die Ge- 
schwindigkeit einer mit Porter'schem Regulator ver- 
sehenen Maschine bei Aenderung ihrer Arbeit strebt, 
von der normalen Geschwindigkeit verschieden, und 
dass das Verhältniss dieser Differenz zur Normalge- 
schwindigkeit desto kleiner ist, je grösser die Kraft 
des Regulators, je grösser seine Höhe und je grösser 
die Winkelgeschwindigkeit der Maschine ist. Von dem 
Gewichte der Kugeln und der Hülse hängt diese Dif- 
ferenz gar nicht ab; aber diese Grössen üben einen bedeu- 



tenden Eiufluss auf andere Eigenschafben des Regula- 
tors aus: auf seine Winkelgeschwindigkeit (qta^^ seinen 
Beweglichkeitsgrad (£*), seine Energie {KL)y seinen 

Empfindlichkeitsgrad (jjTV^r/)» «eine Stabilität {N) 

und die Stärke seines Kataraktes (3/). 

§ 18. Im Ausdruck für den Empfindlichkeitsgrad 
des Regulators, d. h. in dem Bruche 



Bf + R'* ' 

bezeichnen R und E" gemäss den Bezeichnungen in 
§ 6 die Quotienten, die sich durch Division der schäd- 
lichen Widerstände des Regulators und des regulirenden 
Stellzeuges durch die auf die Hülse reducirte Masse 
des Regulators ergeben. Wenn wir daher mit üj und 
Bjj die auf die Hülse reducirten Widerstände des Re-. 
gulators und des regulirenden Stellzeuges bezeichnen, 
so ist 

0+-- ^ 



('-.::) 



I Setzt man diese Grösse in den Ausdruck des Em- 

I ijfindlichkeitsgrades und ersetzt K durch seinen Werth, 

so ergiebt sich, dass der Empfindlichkeitsgrad des 



Porter 'sehen Regulators ausgedrückt wird durch: 

^{P+G) 

P'l ~f~ P:» 

Die hier vorkommende Grösse R^ kann nur dann 
bestimmt werden, wenn die Construction des reguliren- 
den Stellzeuges bekannt ist; was jedoch R^ betrifft, so 
kann man es im gegebenen Falle bestimmen; in der 
That, die schädlichen Widerstände des Regulators be- 
stehen iu der Reibung auf den Achsen der Gharaiere, 
die in dem Augenblicke hervorgerufen wird, wo der 
Winkel zwischen den Stangen und der Achse des Regu- 
lators sich ändert. Bezeichnen wir mit X die Span- 
nung einer oberen, mit Y die Spannung einer unteren 
Stange des Regulators, mit d die als einander gleich 
angenommenen Durchmesser der Charnierachseu, mit / 
den Reibungscoefficienten auf diesen Achsen, so wird die 
Arbeit der Reibung bei Veränderung des Winkels zwi- 
schen den Stangen und der Achse um da offenbar 
gleich sein 

2f{X+Y)ö,da 

und folglich der diesen Widerständen entsprechende 
Druck auf die Hülse 

du 



127 



Wischnegradski, lieber directwirkeude Regulatoren. 



128 



Die Grössen X und Y lassen sich leicht aus der 
Bedingung finden, dass sie der Centrifagalkraft der 
Kugeln und ihrem Grewicht das Gleichgewicht halten 
müssen; daraus ergiebt sich 

p 

X-|- 1'= — . j'^w- .a, 

ff 

oder, ersetzt man hier lo durch w,j, von welchem sich ! 
die Winkelgeschwindigkeit in der That niemals be- i 
deutend unterscheidet, eliminirt man sodann q- co^^ ver- 

d OL 

mittelst Gleichung (A) und ^ vermittelst der Gleichung 

h — u^=2a .cosa^ 

schreibt man ausserdem a„ statt a, und setzt man 
« = , so erhält man 

Daher ist der Empfindlichkeitsgrad des Port er 'sehen 
Regulatoi-s gleich 

2 (PH- G) 1 



hsmcCf) 



2fd 



+ . 



Awnao 2{P+G) 



Nennen wir das Gesammtgewicht des Regulators 
(d. h. die Summe der Gewichte der Kugeln und der 
Hülse) T, das Verhältniss des Hülsengewichtes zum 
Gesammtgewicht z, so erhalten wir folgenden Ausdruck 
für den Empfindlichkeitsgi-ad des Porter 'sehen Regu- 
lators: 

1 _ 

+ 



99 



woraus ersichtlich, dass der Empfindlichkeitsgrad zu- 
nimmt 
mit dem Zunehmen des Gesammtgewichtes des Re- 
gulators, 

des Gewichtes der Hülse auf 
Kosten des Gewichtes der Kugeln, 
der Höhe des Regulators, 
des Winkels zwischen den Stan- 
gen und der Achse und 
„ Abnehmen des Reibungscoefficienten auf den 

Gelenkachsen, 
des Durchmessers derselben. 

Derselbe Ausdruck zeigt, dass der Empfindlichkeits- 
grad des Regulators durch Vergrösserung seines Ge- 
wichtes nicht über eine gewisse Grenze vergrössert 
werden kann, welche gleich ist 



Sei 4 = 500™'", ao = 30^ /=0,05, d=5"'% so 
wird der Grenzwerth des Empfindlichkeitsgrades durch 
die Zahl 500 ausgedrückt, d. h. die Abweichung von 
der Normalgeschwindigkeit, bei welcher der Regulator 
zu wii'ken beginnt, wenn sein Gesammtgewicht unend- 
lich gross ist, beträgt ^^^ der Normalgeschwindigkeit. 

Es versteht sich von selbst, dass ein so hoher Empfind- 
lichkeitsgrad niemals erreicht werden kann, und dass 
man sich mit einem viel geringeren begnügen muss; 

T 

setzt man z. B. bei Annahme obiger Daten ^- = 50, so 

erhält man den thatsächlicheu Empfindlichkeitsgrad des 

Regulators gleich 45,5, bei 5 = 

9 
und 79,8, .bei z= -, 

woraus sich ergiebt, wie bedeutend der Empfindlich- 
keitsgrad mit der Vergrösserung des Hülsengewichtes 
auf Kosten des Kugelgewichtes zunimmt. 

§ 19. Betrachten wir ferner den Ausdiiick für iT, 
welcher den Beweglichkeitsgrad des Regulators dai-stellt, 
und welchem seine Energie proportional ist. Führen 
wir die Bezeichnungen des vorhergehenden § ein und 



bezeichnen wir der Kürze wegen den Bruch 



1 



^(•-4^:.) 



» 99 



mit ß, so finden wir 

Der Diftcrentialquotient dieses Ausdi*uckes in Be- 
zug auf g ist 

4(^-1) 
[^ + (2-/3),?' 

woraus wir Folgendes schliessen: wenn /9>1, d. h. 
wenn Ä^ > 2 a^ *), so nehmen mit dem Wachsen von e 
(d. h. mit der Vergrösserung 'des Hülsengewichtes auf 
Kosten des Kugelgewichtes) der Bew^lichkeitsgrad 
und die Energie des Regulatoi*s zu; dagegen, wenn 
/9<<1, d. h. wenn Ä^<C2a***), so nehmen mit 
der Vergrösserung des Hülsengewichtes auf Kosten 
des Kugelgewichtes sowohl der Beweglichkeitsgrad 
als auch die Energie des Regulators ab; wenn end- 
lich /9 = 1 , d. h. wenn der Winkel zwischen den 
Pendelarmen gleich einem rechten ist, so hängt 



*) Oder, was dasselbe ist, wenn der Winkel zwischen den 
Pendelarmen kleiner als ein rechter ist. 

**) Oder, was dasselbe ist, wenn der Winkel zwischen den 
Pendelarmen grösser als ein rechter ist. 



12U 



Wischuegradski, Ueber directwirkende Regulatoren. 



130 



K gar nicht von dem Verhältniss des Kugelgewichtes 
zum Hülsengewichte ab, und ist eine constante Grösse 
gleich 2. Unabhängig davon erhellt aus dem Ausdruck 
für Ky dass mit der Zunahme von ß^ d. h. mit dem 

Wachsen von — « , der Beweglichkeitsgrad und die 



,2 ' 



Energie des Begulators zunehmen; dieser Einfluss von 
ß ¥nrd aber um so geringer sein, je näher z der Ein- 
heit ist, und da behufs Yergrösserung des Empfindlich- 
keitsgrades beim Porter 'sehen Regulator die Gix)6se ;er 
sehr wenig kleiner als eins ist, so üben kleine Verän- 
derungen von ß auf die betrachteten Eigenschaften des 
Regulators keinen wesentlichen Einfluss aus. 

Was die Grösse N betrifft, welche die Stabilität 
des Regulators repräsentirt, so kann der in § 16 für 
sie erhaltene Ausdruck vermittelst der Bezeichnungen 
des vorigen § folgendermassen gestaltet werden: 



N= 



1 4-a 



ß + {2-ß)z' h 



woraus sich ergiebt, dass die Stabilität des Regulators 
zugleich mit dem Beweglichkeitsgrad wächst und ausser- 
dem von der Höhe des Regulators abhängt, mit 
deren Zunahme die Stabilität abnimmt. Es muss be- 
merkt werden, dass diese letzte Relation die allerwich- 
tigste ist, da zufolge dem in § 13 Bewiesenen die 
Differenz zwischen der Grenzgeschwindigkeit, die der 
veränderten Arbeit der Maschine entspricht, und der 
Normalgeschwindigkeit weder von ß noch von ät, jedoch 
wesentlich von der Höhe des Regulators abhängig ist. 

Die Grösse Jlf , die wir die Kraft des Kataraktes 
nannten, kann auf Grundlage der eingeführten Bezeich- 
nungen in folgende Form gebracht werden: 

2Ä' 1 



T'ß + {2 — ß)%' 

woraus hervorgeht, dass die Kraft eines gegebenen 
Kataraktes mit dem Zunehmen des Gesanmitgewichtes 
des Regulators wie auch mit demjenigen von ß ab- 
nimmt, obgleich mit Veränderung dieses letzteren, bei 
bedeutendem 0, die Stärke des Kataraktes sich nur 
unbedeutend verändert: Diese Kraft des Kataraktes 
hängt aber wesentlich von z ab, und zwar, wenn /?<C2, 

d. h. wenn -j<C3 (wenn der Ausschlagwinkel zwi- 
schen den Stangen grösser als 60^ ist), so nimmt die 
Kitift des Kataraktes mit Zunahme von z ab; wenn 
dieser Winkel kleiner als 60^ ist, so nimmt umge- 
kehrt die Kraft des Kataraktes mit Vergrösserung der 
Httlsenbelastung auf Kosten des Kugelgewichtes zu. 
Endlich erhalten wir noch für die Normalgeschwin- 

Olvllinvenleur XZIII. 



digkeit der Regulatorachse in den obigen Bezeichnungen 
geschrieben die Gleichung 

g 1—8 * h 

und aus dieser ersehen wir, dass die Winkelgeschwin- 
digkeit mit Wachsen der Höhe des Regulators ab- 
nimmt und zugleich mit der Vergrösserung der 
Hülsenbelastung auf Kosten des Kugelgewichtes zu- 
ninunt. Diese letzte Relation ist bemerkenswerth , da 
u)q mit der Vergrösserung von z sehr rapid wächst. 
So ist, wenn wir zuerst z = (Watt'scher Regulator) 
und dann ;er = 0,9 (gewöhnliches Verhältniss beim Por- 
ter 'sehen Regulator) setzen, die Winkelgeschwindigkeit 
im zweiten Falle 4,36 Mal so gross als im ersten. 

§ 19. Auf Grundlage des oben Ausgeführten ist 
es nicht schwierig, die Regeln für die Construction des 
Porter 'sehen Regulators zu finden. Dazu muss man 
die Bedingungen, unter welchen der Regulator func- 
tioniren soll, und die Zwecke, die durch ihn erreicht 
werden sollen, kennen, und zwar muss bekannt sein: 

a) Die normale Winkelgeschwindigkeit der Maschine 

b) Die grösste Kraftveiünderung, welche bei ihrer 

Arbeit wahrscheinlich eintreten kann {m.PS), 

c) Der vom Regulator verlangte Empfindlichkeitsgrad 
- ——V den wir mit k bezeichnen. 

d) Der verlangte Gleichformigkeitsgrad L. — ----- )> 

d. h. das Verhältniss zwischen der Normalge- 
schwindigkeit und der Differenz zwischen ihr 
und der Grenzgeschwindigkeit, welcher die 
Maschine bei der grössten wahrscheinlichen 
Veränderung ihrer Kraft sich nähert; diesen 
Gleichförmigkeitsgrad bezeichnen wir mit i. 

Im Besitz dieser Daten erhalten wir auf Grundlage 
des Obigen folgende Verhältnisse: 



(;;. 



1 _ 2/d R^ 

V~Ä«nao ^(1+«) 



. (1) 



1 






ä \—% 



2 

Ä 



(2) 



(3) 



welchen Genüge geleistet werden muss; unabhängig 
davon muss die Bedingung erfüllt werden, dass die 
Ausschläge der Regulatorhülse in der That sehr klein 
seien. Zu dem Zwecke ist es am bequemsten, den^ 
jenigen Werth des Ausschlages der Hülse anzugeben. 



9 



131 



Wischnegradski, Uebcr direct wirkende Regulatoren. 



132 



bei welchem die Arbeit der Maschine gleich Null wird; 
nennen wir denselben nA, so erhalten wir offenbar 

L.nh =^ . q , 
oder Lnhw^ = lbPS (4) 

Endlich muss noch die den Katarakt betreffende 
Bedingung erfüllt sein, welche lautet 



Lh 



;s>-— .r[^+(2-/J)«] . 



Zw 



(5) 







Es sei bemerkt, dass die obigen vier Gleichungen 
nicht unabhängig von einander sind, da die Verbin- 
dung von (2) und (4) zu einem Verhältniss zwischen 
Grössen fuhrt, welche als gegeben vorausgesetzt sind, 
und zwai' ergiebt sich die Gleichung 



2 



mn 



v/elche ebeu die Gleichung (4) ersetzt, und aus welcher 
man zuvörderst n bestimmen und sich überzeugen muss, 
dass es keine zu bedeutende Grösse erreicht. Setzen 
wir z. B. m = 0,i> und i = 40, so finden wir daraus 
n=:0,i; hieraus geht hervor, dass, wenn von der Ma- 
schine ein hoher Gleichformigkeitsgrad auch bei sehr 
grossen Veränderungen ihrer Arbeit verlangt wird, die 
Schwingungen des Regulators nicht bedeutend sind. 

Nachdem wir n auf diese Weise bestimmt haben, 
erhalten wir di-ei Gleichungen (1), (2) und (3) und die 
Bedingung (5), denen man vermittelst der dann vor- 
kommenden Grössen 

X, A, 7", s, q^ S 
genügen muss. 

Da die Bedingung (5) stets durch passende Wahl 
von S erfüllt werden kann, so bleibt nur noch übrig, 
die Gleichungen (1), (2) und (3) dumh die Werthe der 
übrigen fünf Grössen zu erfüllen, von welchen folglich 
zwei mit Rücksicht auf die Bequemlichkeit der Con- 
struction und Wirkung des Regulators gewählt, die 
übrigen sodann aber aus den betrachteten Gleichungen 
gefunden werden können. Gewöhnlich wird es am be- 
quemsten sein, h und z anzunehmen, d. h. die Höhe 
des Regulators und das Verhältniss des Hülsengewichtes 
zu seinem Gesammtgewicht, und die Grössen 

q, r, Z 

aus den Gleichungen (1), (2), (3) zu bestimmen, von 
denen die erste die Uebersetzung von der Hauptachse 
der Maschine auf die Regulatorachse, die zweite das Ge- 
sammtgewicht des Regulators angiebt; die Grösse L 
muss bei Construction der Transmission von der Regu- 
latorhülse zum regulirenden Stellzeug in Betracht ge- 
zogen werden. 

Die obigen Gleichungen bestimmen den Winkel 



der Beguktorstangen mit der Achse gar nicht, es kann 
also die Grösse desselben nach der Bequemlichkeit der 
Construction bemessen werden; gewöhnlich beträgt 
dieser Winkel 30—40 Grad. 

Die dargelegten Untersuchungen fuhren zu einigen 
Resultaten, welche eine gewisse Bedeutung sowohl für 
die Theorie der Regulatoren als auch für ihre prak- 
tische Anwendung haben; die hervorragendsten dieser 
Resultate bestehen in Folgendem: 

1) Es wächst bei allen Regulatoren mit Verlauf 
der Zeit die Amplitude der Schwingungen, in die sie 
in Folge der Störung des Gleichgewichtes zwischen der 
bewegenden Kraft und dem Widerstände der Maschine 
gerathen; die Anwendung eines Kataraktes ist ein sehr 
wirksames Mittel zur Beschränkung dieser Schwingungen, 
welches dabei weder auf den Empündlichkeitsgrad des 
Regulators noch auf den Gleichförmigkeitsgrad der 
Maschine schädlich wirkt, so dass der Katarakt einen 
integrirenden Bestandtheil eines empfind- 
lichen und gut arbeitenden directwirkenden 
Regulators bildet. 

2) Die Amplitude der Schwingungen der astati- 
schen Regulatoren (für welche die nach wachsenden 
Potenzen der Entfernung zwischen verschiedenen Lagen 
der Regulatorhülse entwickelte Differenz zwischen den 
diesen Lagen entsprechenden Gleichgewichtsgeschwin- 
digkeiten keine Glieder erster Ordnung enthält) kann 
durch keinerlei Katarakt begrenzt werden, so stark 
letzterer auch sein mag, und daher können asta- 
tische Regulatoren selbst mit einem Katarakt 
nicht angewandt werden. 

3) Der durch einen Regulator bedingte Gleichfor- 
migkeitsgrad hängt wesentlich von den Veränderungen 
ab, welche in dem von der Maschine überwundenen 
Widerstände stattfinden können ; die ausgeführte Theorie 
giebt diese Abhängigkeit an, und diese muss bei der 
Construction eines Regulators in Betracht gezogen wer- 
den, wenn dieser nicht seinen Zweck vollständig ver- 
fehlen soll. 

4) Auf die Wirkung des Regulators üben diejenigen 
Grössen einen wesentlichen Einfluss aus, welche in der 
Theorie Beweglichkeitsgrad, Energie und Sta- 
bilität des Regulators genannt wurden; diese Grössen 
sind durch die Construction des Regulators, des regu- 
lirenden Stellzeuges und der zwischen denselben be- 
stehenden Transmission bedingt: mit Hülfe dieser Grössen 
kann sowohl die Wirkung eines schon gebauten Regu- 
latoi's beurtheilt, als auch die Construction einies Re- 
gulators bestimmt werden, der gewissen, im Voraus 
gegebenen Bedingungen entsprechen soll. 



Versuche über Leistnng und Arbeitsverbrauch der in der Kammgarnfabrikation 

angewendeten Maschinen. 



Von 



Dr. Hartlg in Dresden. 

(Hierzu Tafel V.) 
(Fortsetzung.) 



Nachdrack verboten. 

II. Maschinen sur Bandbildung (Krempeln. 

5) Krempel vmt Taylor Wordsworth Sc Co. ui Leeds, 

Diese Krempel ist zur Bearbeitung grober Wollen 
bestimmt (CC, grobe wallachische Wolle). Wie die 
Durchschnittsskizze Fig. 1, Tafel V, erkennen lässt, 
enthält dieselbe ausser dem Lattentuch a ein Speise- 
walzenpaar 6, eine Klettenwalze c mit Messerwalze d^ 
einen Tambour e mit 4 Arbeitern f und 4 Wendern ey. 



einen Volant A, einen Peigneur i mit Hacker Ä, hinter 
welchem das abgelöste Vliess mittels Trichter zu einem 
Band zusammengefasst wird; durch ein (in der Zeich- 
nung nicht dargestelltes) Abzugswalzenpaar wird das- 
selbe einem Wickelapparate gewöhnlicher Construction 
zugeführt. Arbeitsbreite 1,43", Breite im Beschläge 
1,515'". Durchmesser der Antriebscheibe 2):= 660"'", 
Breite derselben & = 150"", Höhe über dem Fussboden 
A = 960"". Dicke der Tambourzapfen 50"". Länge 
der Wickel 500"". 

Die Dimensionen und Geschwindigkeiten der wirk- 
samen Theile sind aus folgender Tabelle zu ersehen. 



Bezeichnung der 
wirksamen Theile. 



Durchmesser. 
Millim. 



Minutliche Tourenzahl ' Umfangsweg 

allgemein i P'^ ^' 

(u - -. m. Tourenzahl des Tambours.) ^^' **« ^ ^^' ^*"*"" 



Speisewalzen 

Klettenwalze 

Messerwalze 

Tambour 

Arbeiter 

Wender . 

Volant . 

Peigneur 

Abzugswalzen . 



93 

303 

106 

1305 

186 

137 

338 

624 

88 



169 16 16 

302 100 104 ^ ' * 

169 

302 *^' ' ' ' * =0,558. Wj 

393 



u. 



91 

148 24 25 



450 192 10 
852 

248 
582 

146 
148 

450 
148 24 

450 27 



. . . =4,32.Wi 

«1 

.Wj =0,108.11, 



. M, . =3,442.11, 

. tl, . . . . =5,85.«, 

. I«i . . . . =0,320.11, 

.1«, . . =0,292.1«, 



8,58 

55,8 

432 

100 

10,3 

344 

585 
32,9 
29,2 



6,67 

885,3 

2375 
6833 

100,3 

2468 
10353 
1075 
134,5 



135 



H artig, Versuche über Leistung und Arbeitsverbrauch 



136 



Der Verzug zwischen Speisewalzeu und Abzugs- 
walzen beträgt hiernach 134,5:6,67 = 20,2. Von dem 
fertigen Band wogen 10" 235 «; unter der Voraussetzung, 
dass zwischen Abzugswalzen und Wickelwalzen kein 
merklicher Verzug stattfindet, berechnet sich hiernach 
die stündliche Lieferung dieser Krempel zu 

Z = 0,1345 . 60 . 60 . 0,0235 = 11,38 ^^, 

Die effeotive Lieferung beträgt im grossen Durch- 
schnitt 9,06^« pro Stunde, daher der Coefficieut des 
normalen Arbeitsganges 

/= 0,796. 



Rechnet man den Verlust an kurzen Fasern und 
Futter zu 4 Procent, so ergiebt sich das Grewicht des 
zugefühi-ten Vliesses 

r- 1 m T •• 0,0235 . 20,2 ^ u« j 

fiir 1"" Lauge = ^ =0,494^^8 und 

U,96 



für 1 LJ '" Speisewalzenoberfiäche = 



0,494 
1,43 



= 0,345'^. 



Von den an dieser Krempel zur Ausftihrung ge- 
brachten 6 Vei-suchen bezogen sich Nr. 1 — 3 auf den 
Arbeitsgang, Nr. 4 — 6 auf den Leergang. Die nach- 
folgende Tabelle zeigt die Ergebnisse. 



Krempel von Taylor Wordsworth & Co. 



Nummer 
des 


Mi 
am 


nutliche Tourenz. 
der 


ahl 

der 


Mittlere 
Federspannung 


1 

Widerstand 
am Halbm. 
1"' der An- 


Arbeitsverbrauch für die normale 

Tourenzahl der Antriebwelle 

{n^ =100 pro Minute) 


Versuchs. 


Dynamometer 
u. 


Antriebwelle, 
berechnet 
tt, — 0,606 . M. 


Antriebwelle, 
beobachtet. 


in Kllogr. 
S. 


triebwelle 
<P = 0,0375 . S. 


Sec.-Met-KU. 
Ä =- 10,47 . *. 


Pferdestärken 
■" 75' 


1 


167 


101,2 


101 


(C, h) 178 


6,C75 


69,89 


0,032 


2 


166 


100,6 


102 


182,5 ; 


6,844 


71,66 


0,955 


3 


166 


100,6 


101 


183 


6,863 


71,86 


0,958 


4 


160 


96,9 


101 


137,5 


5,156 


53,98 


0,720 


5 1 

1 


166 


100,6 


102 


144 


5,400 


56,54 


0,754 


6 i 

1 


166 


100,6 


102 


137,5 

• 


5,156 


53,98 


0,720 



Es ergiebt sich sonach der Arbeitsverbrauch dieser 
Krempel 

im Leergange JVo=0,73i Pferdest., 
im Arbeitsgange N =0,948 „ 

daher der Wirkungsgrad 

fi = 0,229 

und die Liefei-ung pro Stunde und Pferdestärke 

0,948 ' ' 

der Raumbedarf dieser Krempel beträgt 2.4 = 8Q]"'. 



6) Krefnpel von Andr/ Köchlin Sc Co. in MühlJuimen. 
(Elsässische Maschinenbaugesellschaft.) 

Die Anordnuug dieser Krempel ist aus Fig. 2, 
Tafel V, zu ersehen. Von dem Lattentuch a gelangt 
die gewaschene und getrocknete Wolle zwischen die 
Speisewalzen 6, deren obere durch eine besondere 
Putzwalze stetig gereinigt wird (bei der unteren voll- 
zieht sich die Reinigung durch die Klettenwalze und 
Wirkung der Schwere); Klettenwalze c bewirkt im 
Verein mit der Messerwalze d die Ausscheidung etwa 
vorhandener harter Kletten, zu deren Aufnahme eine 
Mulde e vorhanden ist; zwei Vorwalzen / und ^, von 



denen die langsam laufende g die zwischen e und / 
herabfallende Wolle auffängt, übertragen die Wolle 
auf den Tambour ä. Zahl der Arbeiter und der 
Wender je 6; die übrige Einrichtung wie bei den an- 
dern Krempeln auf Taf. V. Arbeitsbreite l,i3". Durch- 
messer der Antriebscheibe i) = 596"'", Breite derselben 
6 = 130""", Höhe über dem Fussboden A = l,oi"». 

Die hauptsächlichsten übrigen Dimensionen und 
die Geschwindigkeiten der arbeitenden Theile ergeben 
sich aus nachstehender Tabelle. 

Hieraus folgt der Verzug zwischen Speisewalzen 
und Abzugswalzen .s = 282:4,91 =57,4. 

Die Krempel verarbeitete feine AA-WoUe ; von dem 
während der Versuche erhaltenen Band wogen 10" 
65''; es kann daher die stündliche Lieferung zu 

L = 0,282 . 60 . 60 . 0,065 = 6,60 *^ß 

angenommen werden. Die effective Lieferung beträgt 
nach Angabe des Herrn Director Wolf im Durchschnitt 
5,67 ^^, so dass der Coefficient für den normalen Arbeits- 
gang zu 

/= 0,859 

anzusetzen ist. 

Unter Annahme eines Krempelabfalls von 4 Pro- 
cent berechnet sich das Gewicht des zugefuhrten Vliesses 



137 



der io der Katiimgamfabrikation angewendeten' Maschinen. 



138 



Bezeichnung. 


Durchmesser. 
Millim. 


Minutliche Tourenzahl 
allgemein. 


fftr «j — 104. 


ümfangsweg 

pro See 

Millim. 


Speisewalzen . . . 


68 


144 20 24 

378 140 98 ^ ' * 


1,38 


4,91 


Klettenwalze . . . 


316 


144 

378 • «1 • • = ^'381 . «1 


39,6 


65,1 


Messerwalze . . . 


92 


780 90 ^ 

200 '80'"^ • • ^^^***^ 


457 




2201 


Obere Vorwalze . . 


312 


780 230 

-^A7r-~;:7r^ • "• . — 1,99.«. 
300 300 * ' * 


207 


3382 


Untere ^ . . 


312 


144 25 

378-65"^ • • ^''*'"» 


15,3 


250 


Tambour .... 


1170 


«1 


104 


6371 


Arbeiter .... 


200 


35 35 
140 •45-'*» • • -0,194.«, 


20,2 


212 


Wender 


100 


780 

2^^.«, . . . 3,90.«, 


406 


2126 


Volant 


330 


780 

170 •**!•• =4^59.«j 


477 


8241 


Peigneur .... 


620 


35 38 

110- 160-"' • -^'^^^^-^ 


7,86 


256 


Hackerscheibe . . . 




780 360 

- - -- . ■ ^- . «1 . — 6,24 . «1 

300 150 * ' * 


649 




Abzngswalzen . . . 


110 


35 38 98 
110-36-7b"'- ^'^^'"^ 


48,9 


282 



fiir 1™ Länge zu -—^:t^-'= 0,389^«, 



0,96 



fcr !□" Speisewalzenoberfläche zu 



0,389 
1,13 



= 0,344 K 



Von den zur Ausführung gebrachten 7 Versuchen, 
deren Resultate in folgender Tabelle enthalten sind, 
bezogen sich Nr. 3 — 5 auf den Leergang, die übrigen 
auf normalen Arbeitsgang. 



Krempel von A. Köchlin & Co., Mühlhausen. 



Minutliche Tourenzahl 



Kummer 
Versuchs. 



am 



Dynamometer 



u. 



der 
Antriebwelle, 

berechnet 
u, =«0,671.«. 



der 

Trommel, 

beobachtet. 



! 



Mittlere 

Federspannung 

in Kilogr. 

S. 



Widerstand 
am Halbm. 
1™ der An- 
triebwelle 
* = 0,0366. fif. 



Arbeitsverbrauch für die normale 

Tonrenzahl der Antriebwelle 

(«, = 104 pro Min.) 

Pferdestarken 
A 



Sec.-Met-Kü. 
^ = 10,9.*. 



N> 



76 



1 
2 
3 
4 
5 
6 
7 



153 

155,5 

153,5 

154 

153,6 

153 

152 



102,7 

104,3 

103 

103,3 

103 

102.7 

102 



103 

104,5 

103 

103,5 

103,5 

103 

103 



(a a) 190 
181 
123,5 
130 
143,5 
185 
186 



6,745 
6,426 
4,384 
4,615 
5,094 
6,568 
6,603 



73,5 

70,04 

47,79 

50,30 

55,52 
71,59 
71,97 



0,980 
0,934 
2,637 
0,671 
0,740 
0,965 
0,960 



Es stellt sich sonach der Arbeitsverbrauch 

im Leergange zu ^q = 0,683 Pferdest., 
im Arbeitsgange zu N =0,957 „ 

der Wirkungsgrad dieser Krempel folgt hieraus 

|K =0,286. 



Die Lieferung pro Stunde und Pferdestärke er- 
giebt sich zu 

6,60 i. 

A=-e- =6,90^». 

0,957 ' 

Baumbedarf dieser Krempel = 3,8 . 1,9 = 7,22 □ ". 



139 



Hart ig, Versuche über Leistung uud Arbeitsverbrauch 



140 



7. Krempel mit Avant-Train von Nae. Sehlumherger ^ Co, 

m OuebwiUer. 

Die Anordnung dieser Krempel ist in Fig. 3, Taf. V, 
veranschaulicht. Von dem Speisetuche a gelangt die 
Wolle durch die Speisewalzen b zunächst an die Kletten- 
walze c, von deren Umfang die etwa vorhandenen halten 
Kletten durch die Messerwalze d abgeschlagen und 
nach der Mulde e befördert werden; die Ueberführung 
nach dem kleinen Tambour /' erfolgt durch den ersten 
Wender; dieser Tambour mit den darüber befindlichen 
3 Arbeitern und 3 Wendern bilden den Avant-Train; 
die Uebertragwalze g befördert die Wolle nach dem 
grossen Tambour ä, mit welchem 4 Arbeiter und 4 



Wender zusammenarbeiten; Volant i schiebt die WoU- 
haare an die Spitzen der Beschlagzähne; auf dem Um- 
fange des Peigneurs k erfolgt die regelmässige Anstauung 
des Materials zu der für ein freitragendes Vliess erfor- 
derlichen Dichte, Hacker l löst das Vliess ab, Trichter 
m fasst dasselbe zu einem Band zusammen, dessen 
Weiterbeförderung durch die Wickelwalzen n nach dem 
Wickelapparat o erfolgt. 

Die Arbeitsbreite dieser Krempel beträgt 1,106"*; 
der Durchmesser der Antriebscheibe 2) = 550"'% Breite 
derselben fc=100'""', Höhe über dem Fussboden A = 
890™'". Die wirksamen Theile haben die in nachfol- 
gender Tabelle zusammengestellten Durchmesser und 
Geschwindigkeiten. 



Bezeichnung. 



Speisewalzeii . 
Kletteuwalze . 
Messerwalze . 
Vortrommel . 
Arbeiter . 

1. Wender 

2. und 3. Wender 

Uebertragwalze 
Haupttrommel 
Arbeiter . . 

Wender . . 

Volant . . . 

Peigneur . . 

Abzugswalzen 

Der totale Verzug 



iDurchmesser. 
Millim. 



Minutliche Tourenzahl, 
allgemein. 



für u, -115. 



Umfangsweg 

pro See. 

Millim. 



60 

310 

100 

608 

189 

124 

124 

450 

1220 

218 

124 

358 

620 

112 



400 22 31 18 

600 '50 110 ' 120 
400 31 

600 50 ' 
400 450 340 

600 ' 170 ' 80 

400 

«, . . . 



. Wi 



u. 



. u. 



600 

400 31 24 

600 • 140 * 24 • '*' 
400 450 

600 ' 150 
400 450 

600 230 
5^0 

320 ''' ' 

35 22 

150 37 

805 

230 * 

805 

130 • "^ 
31 40 



w, 



. Wi 



. Wj =:0,0124.M| 

= 0,413.«! 

= 7,50 . Ui 

= 0,667. «j 

= 0,148.1*1 

= 2,00. Uj 

= 1,:jo . «1 

= 1,72. M, 



100 ' 178 ^ ' 
31 40 178 105 

lÖO * 178 • 44 • 70 



u. 



= 0,139.1*4 
= 3,50 . Wj 
= 6,19. «1 
= 0,069 7. M| 
. Wj = 0,42H . ttj 



1,43 

47,5 

863 
76,7 
17,0 

230 

150 

198 
115 
16,0 

403 

712 

8,02 

48,6 



4,49 

771 
4519 
2442 

189 
1493 

974 

4665 

7346 

183 

2687 

13346 

260 

» 

285 



zwischen Speisewalzen und Ab- liehe Lieferung bei nicht unterbrochenem Grange 

sich zu 

X = 0,286 . 60 . 60 . 0,065 = 6,68 ^K 

berechnet. 

Von dem während der Versuche gelieferten Band Nach einein grösseren Durchschnitt wurde die Lie^ 

(Wollsorte AA) wogen 10"* 65«, so dass die stund- ! ferung pro Stunde der ganzen Arbeitszeit zu 5,74^ 



zugswalzen berechnet sich hieraus zu 

#=^286:4,49 = 63,5. 



141 



der in der Kaiuingarufiabrikation angewendeten Maschinen. 



142 



beobachtet, daher sich der Coefficient des normalen 
Arbeitsganges zu 

/= 0,859 

ergiebt. 

Unter Annahme eines Gewichtsverlustes von 4 Pro- 
cent ergiebt sich das Gewicht des zugefuhrten WoU- 
vliesses 



^. ^ , .. 0,0065.63,5 ,, . 

für 1'» Lange = * v^ — -- = 0,isoK 

^ 0,96 

für in™ Lattentuchfläche = ?-^^ =0,380»^^'. 

^ 1,106 

Von den an dieser Krempel durchgeführten 9 Ver- 
suchen bezogen sich Nr. 4 — 6 auf den Leergang, die 
übrigen auf den Arbeitsgang; die Ergebnisse sind in 
folgender Tabelle enthalten. 



12. Krempel von Nas. Schlumberger & Co., Guebwiller. 



Nummer 

des 
Versnchs. 



Miniitliche Tourenzahl , 

1 


Mittlere 


Widerstand 

» _. TT »IL 


Arbeitsverbrauch für die normale 
Tourenzahl der Antriebwelle 


Am 


der 


des grossen 


Federspannung 


am Halbm. 
1"* der An- 


(u, — 115 pro Min.) 


Dynamometer 
tt. 


Antriebwelle, ' 

berechnet 
t*,— 0,727. t«. , 


Tambours, 
beobachtet. 


in Kilogr. 

S. 


triebwelle 
4> = 0,0312.5. 


Sec..Met..Kü. , ^«'dest&rken 
^«12,0.*. : -^—75-- 


159 


115,6 


116 


(C, b) 183 


5,710 


68,50 


0,914 


158 


114,9 


114 


180 


5,616 


67,:i9 i 0,899 


159,5 


115,9 


115,5 


176 


5,491 


65,89 


0,879 


158,5 


115,2 


116 


140 


4,368 


52,42 


0,699 


158 


114,9 


116 


136 


4,243 


50,92 


0,679 


159 


115,6 


115,5 


144 


4,493 


53,92 


0,719 


158,5 


115,2 


115 


167 


5,210 


62,52 


0,834 


160 


116,8 


115 


168 


5,242 


62,90 


0,839 


159,5 


115,9 


115,5 


176 


5,491 


65,89 


0,879 



1 

2 
3 
4 
,5 
6 
7 
8 
9 

Hiernach berechnen sich die folgenden Mittelwerthe : 
Arbeitsverbrauch der Schi um berger 'sehen Krempel 

für den Leergang -y„ = 0,699 Pferdest., 
„ „ Arbeitsgang N =0,874 „ 

Wirkungsgrad der Ki*empel fi = 0,200. 

Lieferung pro Stunde und Pferdestärke 

6,68 






0,874 

Raumbedarf = 1,6 . 5 = 8 □ 



= 7,46^»?. 



ro 



8) Krefnpel mit Avant- Train von R. Hart mann in Chemnitz 

(Sächsische Maschinenfabrik). 

Diese Krempel hat, wie Fig. 4, Tafel V, erkennen 
lässt, grosse Aehnlichkeit mit der Schlumberger'- 



schen Krempel; nur fehlt an der oberen Speisewalze 6 
die Putzwalze und ist die Messerwalze zur Abstreifung 
der Kletten durch ein feststehendes Messer d ersetzt; 
auch sind die 7 Systeme der Arbeits- und Wendewalzen 
andei*s vertheilt: 2 finden sich an der Vortrommel e, 
5 an der Haupttrommel f. 

Die Arbeitsbreite ist 1,02*", die Breite im Beschläge 
1,09'°. Durchmesser der Antriebscheibe Z) = 468""", 
Breite dei*selben fe = 70'"'", Höhe über dem Fussboden 
Ä = 850'""'. 

Die Krempel dient zur Bearbeitung von B- Wolle; 
von dem während der Versuche erzeugten Band wogen 
10'" 90 k. 

Die Durchmesser und Geschwindigkeiten der wirk- 
samen Theile sind in der nachfolgenden Tabelle ent- 
halten : 



Bezeichnung. 



Durchmesser. ; 
MiUim. 



Minutliche Umdrehungszahl 
allgemein. 



für M, = 100. 



Umfangsweg 
pro See. 
Mülim. 



Speisewalzen . 

Klettenwalze 

Vortronunel 



88 
202 
525 



904 
711 


36 
102 


30 15 
•35 68* 


16 
144 


.il^ = 0,0094 ;i . Ui 


0,943 


4 


904 
711 • 


36 
102 


30 
•35"» 


• • 


— 0,384(5 . Uy 


38,5 


407 


904 
711 • 


36 
102" 


. ti] 


• • 


. = 0,4487 . Mj 

• 


44,9 


1234 



143 



Hart ig, Versuche ttber Leistung und Arbeitsverbrauch der Maschinen in der Kammgarnfabrikation. 



144 



Bezeichnung. 



Durchmesser. 
Millim. 



Bfinutliche Umdrehungszahl 
allgemein. 



für u, = 100. 



Umfangsweg 
pro See 
Millim. 



Arbeiter ders. 

Wender ders. 

Uebertragwalze 

Tambour 

Arbeiter 

Wender . . 

Volant . . 

Peigneur 

AbzugRwalzen 



182 

95 

203 

1040 

182 

95 
319 
510 

93,7 



• • 



= 0,0859 . Mj 



28 21 31 

104 102 ^O*"* * 
1918 
■SÖÖT**^ =3,80.«, 

904 36 1280 



.Wi 



711 102 '284 ^ 
28 21 31 



u, 



= 2,023 . «4 
. . . Wi 
= 0,0859 . «1 



104 * 102 • 20 ■ ''^ 
1918 

^5-"^ =^'''"^ 

1918 

346-"» • • 
28 22 

102 * 102 • **' 
28 22 102 



• • 



102 ' 102 ' 17 



. w, 



= 5,54 . W, 
= 0,0592 . «1 
= 0,355 . W, 



8,59 

380 

202 
100 

8,59 

380 
554 

6,58 

35,5 



82,0 

1890 

2147 
5445 

82,0 

1890 
9253 
213,6 
174 



Der totale Verzug zwischen Speisewalzen und Ab- 
zugswalzeii ergiebt sich daher für diese Ki*empel zu 

s = 174 : 4,35 = 40,0. 
Die berechnete stündliche Lieferung beträgt 

Z = 0,1 74 . 60 . 60 . 0,009 = 5,65 k«. 

Beobachtet wurde als effective stündliche Leistung 
4,65 ^K, daher der Coefficient des normalen Arbeitsganges 

/=;= 0,823. 

Das Gewicht des zugefuhrten Vliesses — unter 



Voraussetzung von 4 Procent Abfall — berechnet sich 

0,009 . 40,0 



für 1"' Länge = 
für 1 



0,96 

Speisewalzenoberfläche = 



= 0,375 ^^ 

0,375 



1,02 



= 0,868^. 



Von den zur Ausführung gebrachten 6 Versuchen 
bezogen sich Nr. 1 — 3 auf den Arbeitsgang, Nr. 4 — 6 
auf den Leergang der Maschine. Die Resultate sind 
in nachfolgender Tabelle zusammengestellt. 









Krempel von 


Rieh. Hartmann. 


• 






Minutliche Tourenzahl 


Mittlere 


Widerstand 


Arbeitsverbrauch für die normale 
Tourenzahl der Antriebwelle 


Nummer 
des 


am 


der Haupttrommel 


Federspannung 


am Halbm. 
1™ der An- 


(Uj =» 100 pro Min.) 

1 


Versuchs. 


Dynamometer 




in Kilogr. 


triebwelle 


Sec..Met..Kil. ^^^^^^ 




u. 


w, a=: 0,855. u. 


beobachtet. 


S. 


* — 0,0279. iS. 


^-10,47.*. N-^ f-, 

76 


1 


118 


100,9 


101 


(C, a) 211 


5,887 


61,64 1 0,882 


2 


117,5 


100,5 


100 


214 


5,971 


62,62 


0,834 


3 


118 


100,9 


101 


208 


5,803 


60,76 


0,810 


4 


118,5 


101,3 


102 


188 


5,245 


54,92 I 0,782 


5 


119 


101,7 


102 


193,5 


i 5,399 


56,53 0,764 


6 


119,5 


102,2 


103 


185,5 


5,175 


54,18 

1 


0,722 



Es erfordert hiernach die Hartmann'sche Krempel 
eine Betriebsarbeit von 

Nq = 0,786 PS im Leergange, 
N =0,822 „ „ Arbeitsgange, 

woraus sich der Wirkungsgrad zu 

ft = 0,104 

berechnet und die Lieferung pro Stunde und Pferdestärke zu 






5,65 
0,822 



= 6,87*8. 



Der Raumbedarf dieser Krempel beträgt 4,28 . 1,60 = 

6,77 □". 

Zur Vermittlung einer bequemeren Uebersicht und 
zur Vergleichung der gewoAnenen Resultate wird die 
nachfolgende Zusammenstellung mit Vortheil zu be- 
nutzen sein: 



145 



Lud icke, Die Mechanismeu zur Erhaltung der Spannung am mechanischen Webstuhl. 



146 



T. Words- 
worth. 



A. Köchlin. 



N. Schlum- 
berger. 



R. Hart- 
mann. 



Arbeitsbreite, Meter 

Umfan^weg des Tambours, Meter pro Secunde 
Anzahl der Arbeiter und der Wender . . . 
Verzug zwischen Speisewalze und Abzugswalze 
Auflage pro iQ™ Speisewalzenoberfläche, Kg 

Lieferung pro Stunde, Kg 

Effective stündliche Lieferung, Kg. . . 
Coef^cient des normalen Arbeitsganges . 
Arbeitsverbrauch im Leergange, Pferdest. 
do. im Arbeitsgange, Pferdest 

Wirkungsgrad 

Lieferung pro Pferdestärke und Stunde, Kg 



1,43 
6,83 

4 
20,2 

0,345 
11,38 
9,06 
0,796 
0,731 
0,948 
0,229 
12,0 



(Fortsetzung fols^t.) 



1,13 
6,37 

6 
57,4 

0,344 

6,60 

5,67 

0,855 

0,683 

0,957 

0,286 

6,90 



1,105 
7,35 

7 

63,5 

0,380 

6,68 

5,74 

0,859 

0,699 

0,874 

0,200 

7,64 



1,02 
5,45 

7 

40,0 

0,342 

5,65 

4,65 

0,823 

0,736 

0,822 

0,104 

6,87 



Die Mechanismen zur Erhaltung der Spannung und zur Längsbewegung der 

Kette am mechanischen Webstuhl. 



Von 



Privatdocent A. LficUcke in München. 

(Aus des Verfassers Habilitationsschrift.) 

(Hierzu Tafel VI.) 



Die gleichmässige Beschaffenheit der geradladigen 
Gewebe nach Ansehen und Griff wird bedingt 1) durch 
die Gleichförmigkeit des zu Kette und Schuss gewählten 
Materials; 2) durch die gleichmässige Vertheilung des- 
selben; 3) durch die Formänderung, welche die Schuss- 
und Kettenfäden in Folge ihrer gegenseitigen Ver- 
schränkung erfahren. 

Durch nachfolgende Betrachtung, für welche gleich- 
förmige Beschaffenheit des Materials vorausgesetzt wird, 
sollen die Mittel untersucht werden, durch welche die 
Erfüllung der zweiten Bedingung gelingt. 

Die gleichmässige Anordnung der Kettenfäden über 
die ganze Gewebebreite wird durch die regelmässige 
Vertheilung derselben im Blatt und durch den gleich- 
massigen Stand der Rietzähne in Verbindung mit gleich- 
massiger Anspannung aller Kettenfäden erreicht. 

Die für das Gewebe nöthige Kettenspannung ist 
ferner für den ganzen Verlauf des Webens zu erhalten, 
wenn nicht in der fertigen Waare Ungleichförmigkeiten, 
dichtere und dünnere Stellen oder Verdichtung, bezie- 

Civilfoffeniear XXIII. 



hentlich Verdünnung des Gewebes gegen das Ende hin 
eintreten soll. 

Die Erhaltung der gleichmässigen Spannung ist 
durch die zur Aufnahme der Kette und des fertigen 
Gewebes dienenden Organe, Ketten- oder Garnbaum 
und Zeug- oder Waarenbaum, herbeizuführen. 

Figur 27 auf Tafel VI soll dazu dienen, die Be- 
dingungen, welche die Mechanismen beider Organe zu 
erfüllen haben, näher zu erläutern und daraus die Me- 
chanismen selbst abzuleiten. Die Spannung werde der 
Kette ertheilt durch Rückwärtsdrehung des Ketten- 
baumes K um einen Winkel a, während der Zeugbaum 
unverrückbar festgehalten wird. Mit der Ausdehnung 
der Fäden von der Länge l um r,a entsteht aber eine 

Spannung 

F.r,a 



T= 



E 



fl) 



Hierin ist F = Summe aller Fadenquerschnitte 
und E der Elasticitätsmodul des Kettenmateriales. 

Die Spannung T ruft ein Drehmoment T.r hervor, 

10 



147 



Lüdicke, Die Mechanismen zur ü^haltnug der Spannung 



148 



welches, soll nach der Drehung des Kettenbaumes um 
den Winkel « Gleichgewicht eintreten, nur duixjh ein 
zweites T^ )\ von gleicher Grösse und entgegengesetzter 
Drehrichtung aufgehoben werden kann. 

Tr=2\,r, (2) 

Die Kraft T sucht aber auch den Zeugbaum rück- 
wärts zu drehen und ist hier eine Kraft T^ am Hebels- 
arme ^2 anzubringen, um dies zu verhindern, so dass 

Tr,= T,r, (3) 



und somit 



r r 



(4) 







T soll nun der Bedingung nach immer constant 
gehalten werden; r und r^ sind der Construction nach 
meist variabel; demnach müssen entweder T^ und T.^ 
oder r^ und r^,, oder alle vier Grössen variabel sein, 
wenn Gleichung (4) bestehen soll. 

Durch die Bildung der Drehmomente entstehen 
noch Einzelkräfte; dieselben sind jedoch, da sie von 
den Zapfen an Z und K und dem Gestell aufgenommen 
werden, ohne Einiluss auf die Bewegungsverhältnisse, 
wenn von der durch sie entstehenden Zapfenreibung 
abgesehen wird. Die ganze Anordnung von Ketten- 
und Zeugbaum, die zwischen beiden die Verbindung 
herstellenden Gestelltheile und die Kette, bilden , wie 
aus Obigem ersichtlich, eine kraftschlüssige kinematische 
Kette. 

Hat man aber dies ei*st erkannt, so lässt sich eine 
getrennte Behandlung der Mechanismen am Gani- und 
Zeugbaum ziu* Erhaltung der Spannung, wie das bisher 
üblich, nicht mehr rechtfertigen ; beide sind untrennbar 
von einander; die Construction des Einen bedingt die 
des Anderen. Es soll nun in der Folge der Versuch 
gemacht werden, durch Variirung der Werthe Tj, rj, 
Tjj und r^ die am häufigsten Verwendung findenden 
Mechanismen entstehen zu lassen; der Grad der Ge- 
nauigkeit, mit welchem die in den Gleichungen ausge- 
sprochenen Bedingungen damit eifüUt werden, dient 
dann zu ihrer Beurtheilung. 

Einige Bemerkungen sind aber noch voraus zu 
schicken. Die Kette erfährt, analog der Eintragung 
des Schusses, eine periodische Vorwärtsbewegung; die- 
selbe kann der Natur der Fäden gemäss nur durch Zug, 
also nur vom vorderen Theile des Stuhles aus erfolgen. 
Die Kraft, -welche zur Ausführung dieser Schaltbewe- 
gung nöthig ist, wird immer, direct oder indirect, von 
der Betriebskraft des Stuhles entnommen. 

Vergrössern wir T^, z. B. um T^', lassen aber 
alles andere unverändert, so wird das Gleichgewicht 
gestört, denn es ist 



I 



und es tritt Drehung von Z und Vorwärtsziehen der 
Kette ein. Dies giebt den Weg an, auf welchem die 
Schaltung herbeizuführen ist. Die Grösse derselben ist 
abhängig von dem Wege, auf welchem T^ wirkt. 

Der Zeugbaum erfährt also zur Ausfuhrung der 
Schaltbewegung eine periodische Vorwärtsdrehung, er 
ist aber an Rückdrehung während des Arbeitsganges 
absolut zu verhindern. Es müssen Mechanismen vor- 
handen sein, welche das Drehmoment T.r^ sowohl wäh- 
rend der Schaltung, als während der darauf folgenden 
Ruhepause aufnehmen und ferner solche, die die Schal- 
tung ausführen. Dazu eignen sich am besten Sperrrad 
und Sperrkegel oder selbstsperrendes Schneckenrad- 
getriebe. 

Für die Auswahl der Mechanismen zur Aufnahme 
des Drehmomentes Tr am Kettenbaume sind aber zwei 
Fälle zu unterscheiden. 

1) Es folgt der Garnbaum jeder vom vorderen 
Webstuhltheile aus eingeleiteten Schaltbewegung: Dann 
müssen die Mechanismen so angeordnet sein, dass sie 
bei Erfüllung der Gleichung (2) Bewegung von K zu- 
lassen. 

2) Die Grösse der Schaltbewegung wiid vom Gam- 
baum aus bestimmt: Die Mechanismen haben dies aus- 
zufuhren, gleichzeitig aber auch das Drehmoment Tr 
aufzunehmen. Es würden sich dazu die, schon am 
Zeugbaume verwendeten, Sperrkegel und Sperrrad und 
Schneckenradgetriebe eignen. 

Als das einfachste VerfeJiren zur gleichförmigen 
Vertheilung des Einschusses erscheint nach diesen vor- 
gängigen Betrachtungen: Die Kette für jeden Schuss 
um eine bestimmte, gleichbleibende Länge vorzurücken. 
Dann bieten sich zur Bestimmung der Grösse der Schal- 
tung zwei Wege dar; dieselbe kann geschehen 1) vom 
Zeugbaume aus, 2) vom Garnbaume aus. 



1) tSchaUhewegung bestimmt vom Zeughaunut aue. 

Hier sind wieder zwei Fälle zu unterscheiden: 
a) es erfolgt Aufwindung beim Rückgange, oder b) 
beim Vorgange der Lade. Das letztere ist dann vor- 
zuziehen, wenn ein dichtes Anlegen der Schussfaden an 
einander erforderlich, weil dadurch der heftige Laden- 
schlag gemildert, Kette und Einschuss geschont wird. 
Die für beide Fälle angewendeten Mechanismen, welche 
den Namen „positive Aufwinderegulatoren'' führen, sind 
in Figur 1 — 4 schematisch dargestellt. In allen Figuren 
sind gleiche Functionen verrichtende Theile mit gleichen 
Buchstaben bezeichnet; £" bedeutet, wie früher, Ketten- 



149 



und zur Längsbewegung der Kette am mechanischen Webstuhl. 



150 



bäum, Z Zeugbaum, 8 einen Sandbaum. Die Bewegung 
des Zeugbaumes wird in den Figuren 1 und 2 von der 
mit einem Stifte versehenen Ladenschwinge l abgeleitet; 
der Stift fuhrt sich in einem Schlitze des ein- oder 
zweiarmigen Hebels c und ertheilt diesem somit eine 
schwingende Bewegung um einen am Gestell befindlichen 
Drehpunkt. An c sitzt ein Sperrhaken oder Sperrkegel 
6, welcher an dessen Bewegung Theil nimmt, sie auf 
das Sperrrad und, durch Stirnradvorgelege entsprechend 
verlangsamt, auf den Zeugbaum überträgt. Der Sperr- 
haken a, drehbar um die Achse von c, oder um einen 
anderen am Gestell angebrachten Drehbolzen, verhftidert 
Rückdrehung des Zeugbaumes, dient also hier zur Auf- 
nahme des Drehmomentes Tr^ während der Ruhepause 
nadi oder vor der Schaltung. 

Nach Figur 1 erfolgt Aufwindung beim Laden- 
rückgange, nach Figur 2 beim Ladenvorgange. 

In beiden Fällen erfährt das Sperrrad und das 
Stimradvorgelege für jeden Schuss eine constante 
Winkeldrehung. Wird nun das Gewebe direct auf den 
2ieugbaum aufgewickelt, so ist r^ variabel; es nimmt zu 
von r^ bis r^'. Ist die constante Winkeldrehung des 
Zeugbaumes = (/>, so ändert sich die Grösse der Schal- 
tung von T^if bis r^'y). Die Folge davon ist, dass in 
dem Maasse, wie r^ wächst, auch der Abstand der 
Schussfädeu von einander zunimmt. Dies soll aber 
nicht stattfinden und deshalb ist r^ ip constant zu machen. 
Die Schaltung nach Figur 2 ist also nicht geeignet, 
obige Bedingung streng zu erfüllen. Eine Annäheioing 
an ein constantes r^ (p sucht man dadurch zu erreichen, 
dass t'o, der Halbmesser des leeren Zeugbaumes, sehr 
gross genommen wird, wodurch dann die Diflferenz zwi- 
schen dem Halbmesser des vollen und leeren Baumes klein 
ausfallt. Man erhält aber ^^ (p constant durch Anwen- 
dung eines Sandbaumes S, Figur 1, bei welchem der 
Halbmesser immer constant bleibt. Der Zeugbaum legt 
sich mit seinem Umfange gegen S und wird durch 
Reibung, die oft durch besondere Belastung von Z ver- 
grössert wird, mitgenommen; er erfälirt demnach eine 
proportional der Vergrösserung des Durchmessers ab- 
nehmende Winkeldrehung. Die Zapfen des Zeugbaumes 
sind in Schlitzlageni zu führen. 

Eine Vereinfachung der in Fig. 1 und 2 darge- 
stellten Mechanismen zeigen Fig. 3 (de Bergue) und 
Fig. 4 (L. Schönherr). Hier vertritt die Schnecke 
a b die Functionen der Sperrklinken a und b. Das mit 
derselben im Eingriff stehende Schraubem-ad sitzt auf 
der Achse des Sandbaumes und ertheilt demselben für 
jeden Ladenschlag eine constante Winkeldrehung. Die 
Schnecke ab erhält durch irgend einen schwingenden 
Theil des Stuhles absetzende Drehung entweder beim 



Ladenrück- oder Vorgange. So einfach die Einrichtung 
(Fig. 3) erscheint, so selten wird sie angewendet, da sie 
in constructiver Hinsicht einige Schwierigkeiten bietet. 
(Starke Abnutzung, Schwierigkeit der Auswechslung«) 

In Figur 4 ist der Antriebmechanismus mit ge- 
zeichnet. Die Zugstange o erfährt von den zur Laden- 
bewegung dienenden sogenannten Ladenwinkeln hin- 
und hergehende Bewegung, die durch den Winkelhebel 
w auf Zugstange o^ übertragen wird. Diese versetzt 
eine auf der Schneckenwelle lose sitzende Scheibe x in 
oscillirende Bewegung, an welcher der auf x drohbar 
angebrachte Sperrhaken b Theil nimmt. Derselbe greift 
in ein mit der Schnecke verbundenes Sperrrad ein und 
ertheilt letzterem somit, wenn Oj nach oben geht, Dre- 
hung, welche durch das Schneckenradgetriebe auf den 
Sandbaum S übertragen wird. Die zweite Sperrklinke, 
während des Arbeitsganges ausser Eingriff mit einem 
zweiten Spern^ade, dessen Zähne entgegengesetzt denen 
des ersten stehen, wird nur bei nöthig werdendem Rück- 
wärtsarbeiten zum Eingriff gebracht. Sie besteht mit 
der ersten aus einem Stück, so dass, wenn h durch die 
in der Figur angedeutete Schnur y ausgelöst wird, die 
zweite zum Eingriff kommt. 

Die Figuren 1, 3 und 4 haben gezeigt, dass die 
Bedingung, für jeden Ladenschlag eine gleich grosse 
Schaltbewegung auszuführen, wohl zu erfüllen ist. Ver- 
möge der Construction dieser Aufwindevorrichtungen 
ist aber die Aufwindung selbst unabhängig von der 
Kettenspannung ; Schwankungen derselben können höch- 
stens Schwankungen des Betriebskraftverbrauches her- 
beifuhren, nicht aber der Grösse der Schaltbewegung. 
Die zweite Bedingung, Erhaltung der gleichen Spannung 
für den ganzen Verlauf des Webens, ist demnach von 
dem zweiten Organe zur Aufnahme der Kette, von dem 
Kettenbaume, abhängig zu machen. 

Hierbei ist zunächst zu berücksichtigen, dass der 
Kettenbaum wegen der Verschräukung von Kette und 
Schuss eine um einen kleinen Betrag grössere Länge 
hergeben muss, als der Zeugbaum aufwindet. Wird 
dies nicht beachtet, ist die abgewickelte Länge gleich 
der aufgewickelten, so wird die Spannung vermöge des 
Einwebens bei jedem Schuss wachsen und endlich Fa- 
denbrüche veranlassen. Die Mechanismen am Gam- 
baume müssen also zulassen: Abwickelung der Kette 
für jeden Ladenschlag um die Grösse der Schaltbewe- 
guug = s, vermehrt um den Betrag des Einwebens = a. 

Der Gambaum muss demnach eine gewisse Nach- 
giebigkeit besitzen; er muss der Längsbewegung der 
Kette in dem erforderlichen Maasse folgen können, 
ohne dadurch die in der Kette herrschende Spannung 
zu verändern. Die angewendeten Mechanismen dürfen 

10* 



151 



Lü dicke, Die Mechauismen zur Erhaltung der Spannung 



152 



deshalb die Beweguug zu keiner absolut constanteu 
machen. Demnach werden Sperrkegel und Sperrrad 
oder Schneckenradgetriebe nicht oder nur in sehr be- 
schränktem Maasse anwendbar sein. 

Um nun das durch die Kettenspannung T hervor- 
gerufene Drehmoment Tr aufzunehmen und dabei doch 
die nöthige Nachgiebigkeit zu erlangen , wendet man 
Gewicht oder Reibung an, welche ein Moment = — T .r 
hervorbringen. 

Eine Anordnung erster Art zeigt Fig. 11. An 
einem über das Ende des Garnbaumes geschlungenen 
Seile hängt ein Gewicht g^ welches durch die Drehung 
des Gambaumes gehoben wird. In den Fig. 12 — 15 
wird durch directe oder indirecte Gewichtsbelastung 
der um den Kettenbaum oder um besonders auf dem- 
selben angebrachte sogenannte Bremsscheiben gelegten 
Seile, Ketten oder Bremsbänder am Umfange Reibung 
erzeugt, deren Moment = — Tr. 

Das zu hebende Gewicht oder die Reibung bilden 
den einen Factor des früher mit T^r^ bezeichneten 
Momentes. Da 

sein muss, worin der Bedingung nach T, der Construc- 
tion nach r, constaut ist, so leuchtet sofort ein, dass, 
da r immer kleiner wird, T^ im selben Verhältnisse 
abnehmen muss. 

In Fig. 11 wird T^ durch das Gewicht^ gebildet, 
welches also continuirlich verringert werden müsste, 
proportional der Abnahme der Garnbaumfüllung. In 
der Praxis begnügt man sich aber, die Verringerung 
des Gewichtes nur nach gewissen Zeiträumen vorzu- 
nehmen, was, da diese Vorrichtung nur für leichte 
Waare anwendbar, auch zulässig ist. 

Wird Tj durch Reibung gebildet, so wird diese 
erzeugt zwischen Seil und Garn bäum, oder Kette und 
gusseiserner Bremsscheibe oder Stahlband und hölzerner 
oder gusseiserner Bremsscheibe. Das eine Ende des 
Seiles, der Kette oder des Bremsbandes ist am Gestell 
befestigt, während das andere Ende durch Gewichte 
oder Federn belastet wird. 

Die Belastung geschieht entweder direct (Fig. 12 
und 13), oder durch einen einarmigen Hebel (Fig. 14). 

Das Moment der Reibung sei 3Ä = T, r, , und da 
in diesem Falle r, der Halbmesser des leeren Garn- 
baumes oder der Bremsscheibe, so ist 

Vü?=7>,=^.r,(/"— l)=r.r . . (5) 

worin g die Gewichtsbelastung des freien Endes, f der 
Reibungscoefßcient und a der vom Seil umschlungene 
Bogen für den Halbmesser 1 ist. Die Grössen f und 



}\ sind constant, u kann als constaut angesehen wer- 
den; dann muss, damit wieder die Gleichung 



/« 



(6) 



rr=y.n(.'*-l) 

besteht, g proportional r abnehmen. 

Bei den in Fig. 12 und 13 skizzirten Anordnungen 
wird dies näherungsweise durch Verminderung des Ge- 
wichtes nach gewissen, nicht zu grossen Zeiträumen be- 
wirkt. 

Wollte man aber bei sehr dichten Stoffen das Ge- 
wicht g direct an das freie Ende des Bremsbandes an- 
hängen, so würde es sehr gi*oss sein müssen, was für 
die Handhabung unbequem wäre. Man schaltet deshalb 
einen einarmigen Hebel, sogenannten Bremshebel, ein, 
befestigt in der Nähe des Drehpunktes das Seil und 
hängt in grösserer Entfernung ein entsprechend klei- 
neres Gewicht an , s. Fig. 28 , Taf. VI. 

Sind die Hebelsarme L und ?, so muss folgende 
Gleichung bestehen: 



7'r = r,^. -J" (/«-!). 



Hierin ist wiederum nur r und L variabel. E« 
muss also L proportional mit r abnehmen. Auch dies 
wird in der Praxis meist nur annäherungsweise erfüllt 
durch zeitweiliges Hereinhängen des Gewichtes g am 
Bremshebel, oder bei der in Fig. 15 gezeichneten An- 
ordnung von Todd, bei welcher das Bremsband an 
eine Feder des Winkelhebels tv angehangen ist, duixih 
Drehung der Schraube. 

Wir haben gesehen, dass für ein constantes T das 
Moment der Reibung variabel sein muss. Dennoch, 
verwendet man häufig bei sehr dichter Waare Vorrich- 
tungen, welche ein constantes Reibungsmoment geben^ 
aber immer in Verbindung mit einer zweiten Vorrich- 
tung, welche dann zur Regulirung dienen muss. 

Figur 16 zeigt die Anordnung von de Bergue. 
Auf einer Seite des Gambaumes sitzt eine Bremsschreibe, 
deren Band durch Schrauben die erforderliche, immer 
gleichbleibende Anpressung erfährt. Eine Nase des 
Bandes stützt sich gegen einen Voi*sprung des Stuhl- 
gestelles, verhindert Drehung und bewirkt Gleitung des 
Bandes auf der Scheibe. Auf der anderen Seite des 
Garnbaumes befindet sich eine zweite Bremsscheibe mit 
übergelegtem Bremsbande, Anordnung nach Fig. 14. 
In diesem Falle ist nun 

rr = T,.r, + T,,r, (8) 

wenn T^.r^ das constante Reibungsmoment bedeutet 
In Gleichung (8) ist nur r und T^ variabel, demmach 



T. = T— — 



T r 



(9) 



153 



und zur Löiigsbewegung der Kette am mechanische» Webstuhl. 



154 



Gleichung (9) zeigt einmal, dass T^ viel schneller ab- 
nehmen mnss als früher, wo das constante Reibungs- 
moment nicht Torhanden war, femer aber, wie weit 
man mit Te-r^ gehen dai*f, damit bis zur völligen Ab- 
wickelung der Kette Regelung der Spannung möglich 
ist. Die äusserste Grenze für leeren Kettenbaum ist 
offenbar Tj-r, ^=0, d. h. 

da r, nicht werden kann. Dann ist 

wenn ri der Halbmesser des leeren Kettenbaumes. In 
der Praxis ist also immer 

zu nehmen. 

Gehen wir jetzt zurück auf die Gleichung (6), 
welche aussagt, dass die Regulirung der Bremshebel- 
belastung von dem Garnbaumhalbmesser abhängig zu 
machen ist. Regulirungsvorrichtungen dieser Art zeigen 
die Fig. 18 (Richter), 19 (Davies & Yates) und 
20 (Schönherr). 

Fig. 18. Die Garnbaumoberfläche ist selbst als 
Bremsscheibenfläche benutzt. Auf der Garnbaumfullung 
liegt ein Latteutuch, welches an einer Seite befestigt, 
an der anderen belastet ist. In der Gleichung 

T.r^T^.r^ ist also r^r^-, 
daher aus 

r.r = y.r,(/''-l), 

r=^(/"-i) 

sich ergiebt. 

Hier sind alle Grössen constant, auch a, wenn 
dasselbe für den vollen Baum zu u angenommen wird, 
so dass diese Anordnung die Bedingung T=Const. 
mit hinreichender Genauigkeit und auf sehr einfache 
Weise selbstthätig ei-fullt. Doch ist sie nur für glatte 
und sehr fest gebäuratc Kette verwendbar. 

Fig. 19. An Stelle der Gewichtswirkung ist hier 
die einer Feder r getreten. Die Ausdehnung derselben 
ist anfanglich am grössten, wird aber wahrend des 
Webens stetig vermindert und damit zugleich das Mo- 
ment der Reibung. Dies geschieht auf folgende Weise: 
Au die Feder angehängt sind zwei Bremsseile, welche 
sich um die Gambaumenden schlingen und oben an 
kurzen aber gleichlangen Armen y der Welle x be- 
festigt sind. Die Welle x trägt einen Fühlhebel /', der 
sich mit einer Rolle beständig auf die Garnbaumful- 
lung auflegt, was durch die Feder r mit bewirkt wird. 
Nimmt die GambaiunfüUung ab, so drehen sich f und 
y nach abwärts, dadurch werden die Bremsseile nach- 



gelassen und die Feder r kann sich zusammenziehen. 
Durch geschickte Anordnung, so dass die Ausdehnung 
der Feder nur zwischen engen Grenzen schwankt, lässt 
sich mit diesen Mechanismen die Kettenspannung fast 
constant erhalten. 

Fig. 20.*) Auf dem langen Arme eines Winkel- 
hebels w sitzt das Gewicht g, welches das Anziehen 
des Bremsbandes bewirkt. Letzteres ist aber nicht 
direct an den kurzen Arm des Winkelhebels w an- 
gehangen, sondern an das untere Ende des zweiarmigen 
Hebels p^ dessen oberer Arm die Wirkung von g durch 
die an dem kurzen Arme von w angehangene Zugstange 
und eine auf derselben sitzende Rolle empfängt. 
Würde die Gleitrolle immer an der gleichen Stelle von 
p stehen, so wäre die durch Gewicht g hervorgerufene 
Reibung und deren Moment constant, also die rechte 
Seite der Gleichung 

Tr=T,r, 

constant, was nicht sein darf, da r variabel. Es muss 
also der Angriffspunkt der Rolle am oberen Arme von 
p verlegt werden und diese Verlegung ist, wie Glei- 
chung (6) aussagte, von der Garnbaumfullung abhängig 
zu machen. Dies wird in diesem Falle erreicht durch 
den Fühlhebel ff\. Der Arm fi ist durch Zugstange 
öj mit verbunden; dadurch wird sich bei Verkleine- 
rung des Garnbaumdurchmessers die Rolle an o senken, 
und der Angriffspunkt des von g ausgeübten Zuges 
näher an den Drehpunkt von p fallen als vorher, womit 
sich auch die Anspannung des Bremsbandes und die 
Reibung vermindert. Durch verschiedene Einstellung 
des Gewichtes g auf w kann die Grösse der Spannung 
bestimmt werden; dieselbe bleibt dann, sind die ein- 
zelnen Dimensionen richtig gewählt, constant. 

Es giebt nun noch eine Anzahl Mechanismen, 
welche zur Regulirung der Ketteuspannung vom Garn- 
baume aus dienen sollen, deren Wirksamkeit aber von 
der Umdrehungszahl desselben abhängig gemacht wird. 
Dass der hier eingeschlagene Weg nicht der allgemein 
richtige ist, geht schon aus Gleichung (6) hervor, 
welche ja aussagte : Die Regulirung ist vom Garnbaum- 
halbmesser abhängig zu machen. Wohl aber lässt sich 
für einen ganz bestimmten Fall ein gutes Resultat er- 
zielen. 

Die hierhergehörenden Mechanismen stimmen alle 
darin überein, dass die Drehung des Garnbaumes durch 
irgend welche Zwischenglieder zur Verschiebung des 
Gewichtes am Bremshebel benutzt wird. 



♦) Vergl. Lembcke, Herstellung der Kettenspannuog am 
mecha&ischen Webstuhle. Givilingenieur 1875, S. 615. 



155 



Lud icke, Die Mechanismen zur Erhaltung der Spannung 



156 



Fig. 17 zeigt die einfachste Anordnung (Parker). 
Der Bremshebel trägt eine Schraube, an welche das 
Gewicht g angehangen ist und deren Drehung Ver- 
schiebung von g bewirkt. Die Schraube wird durch 
Kette ohne Ende und Kettenräder Yom Garnbaume aus 
gedreht. Für eine bestimmte Garnnummer und be- 
stimmten Stand der Kette kann durch passend gewählte 
Kettenräder und Schraube, der Yom Gewicht g aus- 
geübte Zug 80 regulirt werden, dass derselbe, wie er- 
forderlich, proportional zum Grambaumhalbmesser ab- 
nimmt. Soll jetzt auf demselben Stuhle eine weniger 
dicht stehende oder höhere Feinheitsnummer besitzende 
Kette Yerarbeitet werden, so liegen bei gleicher radialer 
Ausdehnung der Gai'nbaumfüllung mehr Windungen 
über einander als früher, es wird demnach der Garn- 
baum mehr Umdrehungen machen. Das Gewicht g wird 
zu nahe an den Drehpunkt des Bremshebels gebracht, 
die Spannung vermindert. Diesem üebelstande kann 
nur durch Auswechselung der Schraube oder der Ketten- 
räder vorgebeugt werden ; dies ist aber zeitraubend und | 
kostspielig. ' 

Wir werden jetzt, nachdem wir eine Auswahl von 
Mechanismen, welche die Regulirung der Spannung in 
grösserer oder geringerer Vollkommenheit bewirken, j 
kennen gelernt haben, im Stande sein, durch Combi- 
nation dieser mit den zuvor beschriebenen Aufwinde- j 
Vorrichtungen den durch die erwünschte Gleichmässig- 
keit des Gewebes gestellten Bedingungen zu genügen. 

Für leichtere Gewebe aus elastischem Ketten- 
materiale empfiehlt sich die Combination von 1 und 
2, Tafel VI, mit 11 bis 13, wobei noch zu bemerken, 
dass zum Bremsen des Kettenbaumes nur Seile ver- 
wendet werden. Liegen die Schussfäden nicht dicht 
an einander, so kann Aufwindung beim Ladenrückgange 
angewendet werden; im anderen Falle ist Aufwindung 
beim Ladenvorgange vorzuziehen. 

Für dichtere Gewebe: Combination von 1 bis 4 
mit 13-15 und 17—20. (Seil, Kette und Bremsband.) 

Für sehr dichte Gewebe: 2 (mit Sandbaum) 
und 4 mit 16 und 20. (Bremsbänder, oft noch mit Tuch 
belegt.) 

Alle diese Combinationen sind mehr oder weniger 
geeignet, Regulirung der Spannung für den ganzen Verlauf 
des Webens, also innerhalb eines grösseren Zeitraumes 
zuzulassen, nur wenige aber regeln die Spannung auch 
während jedes in die Zeit des Arbeitens fallenden Zeit- 
raumes. Bei den Combinationen mit 11 und 12 findet 
das letztere statt; hier ist eine durch irgend welche 
Umstände veranlasste Spannungsänderung nicht denk- 
bar; selbst bei sehr kleinem Zeitintervalle. Figur 11 
erklärt dies von selbst; bei Fig. 12 wird das grössere 



Gewicht g^ durch das kleinere p^, welches für gewöhn- 
lich auf dem Fussboden steht und durch die Reibung 
in der Schwebe gehalten. Spannungsverminderung be- 
wirkt Senkung von g^^ wodurch sofort die frühere 
Spannung wenigstens nahezu wieder hergestellt wird, 
weil durch Aufheben von g^ nur ein Gewicht jf^ — gf 
zur Geltung konmit. Vermehining der Spannung be- 
wirkt Abwickelung von Kette so lange, bis die normale 
Spannung wieder erreicht ist. 

Die Combinationen mit 13 bis 20 lassen eine Ver- 
gi*össerung der Kettenspannung über die normale selbst 
innerhalb einer kleinen Zeit nicht zu, wohl aber eine 
Vermindeining der Spannung. Hieraus ist ersichtlich, 
dass für dichtere und sehr dichte StofiFe durch jene 
Mechanismen noch nicht der Grad der Vollkommenheit, 
nämlich Regulirung der Spannung während der ganzen 
Zeit des Webens und während jedes einzelnen Zeit- 
intervalles erreicht ist, den die Combinationen mit 
Fig. 11 und 12 für leichte Steife en*eichen lassen. 

Es wird sich nun darimi handeln, zu untersuchen, 
auf welchem Wege sich auch für dichtere Gewebe Re- 
gulirung der Spannung innerhalb jedes Zeitintervalles 
hervorbringen lässt. Dabei müssen wir von den Ur- 
sachen ausgehen, welche Schwankungen der Spannung, 
z. B. während zweier Ladenschläge, bei positivem Auf- 
winderegidator veranlassen können. 

Ist die Grösse der Schaltbewegung =.s, so muss 
die vom Gambaume abgewickelte Länge, wie schon 
früher bemerkt, um den Betrag des Einwebens a grösser 
sein. Ist dies nicht der Fall, treten Schwankungen 
des Werthes s-\- a auf, so wird auch die Spannung T 
Schwankungen unterworfen sein. Um diesen vorzu- 
beugen, kann man die Schwankungen von T zur Re- 
gulirung von s -)- fj und umgekehrt die Schwankungen 
von 8 + rr zur Regulirung von T anwenden , so dass 
zwischen T und s-^-a eine beständige Wechselwirkung 
stattfindet. Dies führt auf die vorzüglichsten Reguli- 
rungsvorrichtungen der Spannung bei Schaltung durch 
positiven Aufwinderegulator. 

Die dazu verwendeten Mechanismen müssen die 
Fähigkeit besitzen, für jeden Schuss Schwankungen der 
Spannung von der normalen nach oben und unten zu- 
zulassen, aber sofort auszugleichen und eine solche 
Wirkung äussern, dass die für die Erhaltung der nor- 
malen Spannung nöthige Kettenlänge geliefert wird. 

In diesem Falle empfängt der Gambaum Drehung 
durch die Betriebskraft; die Grösse der Drehung wirf 
durch die vorhergehende bestimmt. Schwankungen der 
Spannung nach oben oder unten können deshalb in keinem 
Falle direct auf Drehung des Gambaumes vor- oder 
rückwärts wirken. Die Spannung gebenden und regu- 



157 



und zur Läugsbewegung der Kette am mechanischen Webstuhl. 



158 



lirenden Mechanismen lassen sich deshalb hier ebenso 
wenig wie bei positivem Regulator am Zeugbaume 
direct am Gambaume anbringen. Diejenigen Mecha- 
nismen, welche die Spannung ertheilen und die Schwan- 
kungen in der Abwickelungsgrösse sichtbar und wirk- 
sam machen, werden demnach hier innerhalb des frei- 
liegenden Kettenstückes anzubringen sein. Dazu eignet 
sich am besten der hintere Streich- oder Walkbaum; 
durch dessen Stellung wird die Spannung und die 
Grösse der Abwickelung der Kette regulirt. 

Der Walkbaum ist drehbar angeordnet um eine 
horizontale Achse und erhält durch Gewichts- oder 
Federwirkung das Bestreben, inmier nach aussen zu 
schwingen. (Fig 21* und 22.) Durch diese Einrich- 
tung lässt sich, da Garn- und Zeugbaum an Drehung 
durch die Spannung verhindert sind, diese sehr genau 
regeln. Liefert der Garnbaum nicht genug Kette, so 
schwingt der Walkbaum hinein, im umgekehrten Falle 
hinaus. Beide Bewegungen werden zur Mehr- oder 
Miuderabwickelung augewendet; dies erreicht man da- 
durch, dass der Hub einer Sperrkliuke, welche, durch 
die Betriebskraft bewegt, mittelst Sperrrad, Schnecke 
und Schneckenrad den Garnbaum drehte vom Walk- 
baume aus veränderlich gemacht wird. 

Anordnungen dieser Art zeigen die Figuren 21*~® 
und 22. 

Bei ei*sterer (Atherton Brothers) wird die Kette 
gespannt durch die an einem Arm des schwingenden 
Walkbaumes y^ angehangene Feder r und durch das 
auf einen Arm des darunter liegenden ebenfalls schwin- 
gend angeordneten Streichbaumes yjj wirkende Gewicht 
g. Durch Anspannung der Feder r und Verschiebung 
des Gewichtes g auf dem Hebel lässt sich die nöthige 
Spannung genau einstellen. Der Kettenbaum K wird 
durch Schnecke ah und Schneckenrad gedreht. Die 
Schnockenwelle x empfängt absetzende Drehung von der 
Ladenschwinge { aus (Fig. 2P). Die Zugstange ^, 
welche vermittelst des an l angeschraubten Armes 1 
constante, auf- und niedergehende Bewegung erhält, 
trägt am oberen Ende einen Schlitz; in diesem führt 
sich ein Zapfen i (Fig. 2P) des Armes ä^, welcher 
Arm an einem über die Schnecken welle x geschobenen 
Rohre y sitzt, welches unabhängig von der Drehung 
von X ist. Arm h^ trägt die um einen Bolzen drehbare 
Sperrklinke b , welche , wird h^ durch Niedergang von 
t gedreht, das auf der Schneckenwelle befestigte Sperr- 
rad 2 und somit Schnecke ah und den Garnbaum dreht. 
Das Gewicht g^ bewirkt stetes Einlegen von h in die 
Zähne des Rades 2. 

Die Regulirung der Drehung von 2 wird auf fol- 
gende Weise erreicht Es sitzt an der Zugstange o 



I 



(Fig. 21»), welche die Stellung von y^ unter Wirkung 
von g und r bestinmit, eine Nase z\ diese stösst gegen 
einen Arm Aj, welcher durch das schon erwähnte Rohr 
y mit h^ (Fig. 21^) fest verbunden ist. Das beständige 
Anlegen von ä, an ;e? wird bewirkt durch das Gewicht 
^P Dies veranlasst nun die Stellung des Sperrhakens 
6 und des Zapfens i an Äj im Schlitze von t. Wird 
zu wenig Kette geliefert, so schwingt y^ nach aussen; 
und damit Nase z wird gehoben ; h^ folgt unter Wir- 
kung von g^\ Sperrklinke 6 greift am Rade 2 weiter 
rückwärts und Zapfen i stellt sich in der Schleife t 
höher. Demzufolge wird i einen grösseren Weg zurück- 
legen und eine grössere Winkeldrehung der Schnecken- 
welle und des Garnbaumes veranlassen. Wird zuviel 
Kette geliefert, so schwingt ^2 »ach innen, z senkt sich, 
Aj wird nach unten gedreht, ebenso ä^, i wird demnach 
im Schlitz von t gesenkt, t wird also jetzt einen grös- 
seren Weg nach unten zurücklegen müssen, ehe der 
Zapfen i gefasst wird; der Weg von i nimmt ab und 
damit die Lieferung an Kette. 

Einrichtungen dieser Art eignen sich für dichte 
und weniger dichte Gewebe gleich gut, reguliren die 
Spannung für die ganze Dauer des Webens unabhängig 
vom Gambaumdurchmesser und für jeden einzelnen 
Ladenschlag, und bewirken die Abwickelung der Kette 
ganz selbstthätig. 

Durch Verschiebung des unteren Kopfes von t 
in dem Schlitze des Armes 1 und durch Auswechselung 
des Sperrrades lässt sich auch die für jedes Gewebe 
grösste überhaupt mögliche Winkeldrehung des Gani- 
baumes variiren. 

Die Anordnung, Fig. 22, Taf VI, welche denselben 
Zweck nur durch andere Hülfsmittel (Antrieb der 
Schnecke durch ein auf die Webstuhlhauptwelle auf- 
gestecktes Excenter) erreicht, erklärt sich hiernach von 
selbst. Beide Anordnungen schliessen aber gleichzeitig 
noch einen weiteren Vortheil ein. Die zweite Ursache, 
welche Schwankungen in der Spannung während zweier 
Ladenschläge veranlasst, ist in der Fachbildung zu 
suchen. Durcli diese wird die Spannung immer etwas 
vergrössert und ist das besonders bei unelastischem 
Kettenmateriale von Nachtheil. Man hat deshalb dem 
Garn- oder dem Walkbaum eine gewisse Nachgiebigkeit 
zu ertheilen gesucht. Dieselbe ist schon vorhanden bei 
den Anordnungen Fig. 11 und 12, Taf. VI, nur muss 
das ganze Gewicht g bezüglich g^ überwunden werden ; 
bei Fig. 13 sucht man sich dadurch zu helfen, dass 
Seil oder Kette nicht direct an das Gestell befestigt 
werden, sondern eine Feder eingeschaltet wird. Das 
ist aber nicht gut möglich bei den Anordnungen 14 — 20, 
Taf. VI, deshalb ertheilt man dem Walkbaume eine 



159 



Lud icke, Die MechanismeD zur £rhaltung der Spannung 



160 



gewisse Bewegung, so dass beim Fachöffnen die Kette 
etwas nachgelassen, beim Schliessen dagegen wieder 
angespannt wird. Dies geschieht nun bei Fig. 21* und 
22 gleichzeitig mit Verrichtung der anderen Functionen. 



2) Sehatthewegung bestimmt vom Gambaume aus. 

In diesem Falle vertauschen die Mechanismen am 
Garn- und Zeugbaume, angewendet im ersten Falle, nur 
die Functionen. Der Kettenbaum muss, so lange die Kette 
nicht in der Längenrichtung bewegt wird, festgehalten 
werden, dann aber die Grösse der Schaltung bestimmen; 
die Regulirung der Spannung hat demnach vom Zeug- 
baume aus zu erfolgen. Jetzt ist die pro Schuss aufzuwin- 
dende Zeuglänge kleiner als die abgewickelte Kettenlänge. 

Die Bewegung des Garnbaumes lässt sich durch 
die gleichen Mechanismen, welche im ersten Falle zur 
Bewegung des Zeugbaumes dienten, bewirken. Hierbei 
ist zu berücksichtigen, dass, wird die Kette direct vom 
Garnbaume entnommen , dieser bei gleichbleibender 
Schaltgrösse s keine constante Winkeldrehung erfahren 
darf. Es muss, soll die Gleichung 



8 



r.a 



bestehen, Drehwinkel a umgekehrt proportional dem 
Gambaumhalbmesser r sein. Eine anzubringende Re- 
gulirungsvorrichtung wird, wie die Gleichung angiebt, 
vom Gambaumhalbmesser abhängig zu machen sein. 
Dem setzen sich aber constructive Schwierigkeiten ent- 
gegen und hat man deshalb die in Fig. 9 skizzirte 
Anordnung getroffen, die Abwickelung der Kette durch 
zwei gegen einander gepresste Sandbäume S zu be- 
wirken, von denen der untere durch Schnecke ab und 
Schneckenrad eine absetzende Drehung um constante 
Winkel erfährt. Ebenso liessen sich zur Drehung von 
S Sperrklinken und Sperrrad verwenden nach Fig. 1, 
nur wird man den Antrieb zweckmässiger von einer 
anderen Stelle aus ableiten. 

Eine Anordnung der Art, dass der Garnbaum mit 
abnehmendem Durchmesser um einen entsprechend 
grösseren Winkel gedreht wird, zeigen die Figuren 10* 
und 10** (Laurent). 

Die Drehung der Schnecke wird hergeleitet von 
(dner auf die Webstuhlhauptwelle aufgesteckten Kurbel, 
welche der Zugstange 1 constante, hin- und hergehende 
Bewegung ertheilt. Stange 1 erfesst den Arm 2, wel- 
cher die beiden Frictionsklauen 3, 3 trägt, die den Rand 
der an der Schneckenwelle festsitzenden Scheibe 5 zwi- 
schen sich nehmen. (Wir haben also hier ein Sperrrad 
mit unendlich kleiner Theilung; 3, 3 vertreten die Sperr- 
klinke b.) Arm 2, und mit ihm die Klauen 3, ist dreh- 



bar um einen verticalen, im vorderen Theile des Armes 
4 angebrachten Bolzen. Die Arme 4 und 4* bestehen 
aus einem Stück, drehbar um die Schneckenwelle. Bei 
Bewegung der Zugstange 1 nach rechts erfolgt zunächst 
so lange Drehung von 2 und 3, 3 um den Bolzen von 
4, bis die Klauen 3, 3 den Rand der Scheibe 5 er- 
fasst haben; hierauf beginnt Drehung der Scheibe 5, 
somit auch Drehung der Schnecke und des Garnbaumes. 
Die Grösse der Drehung wird geregelt durch die im 
Arme 4' befindliche Schraube 6, welche sich an den 
Sector X anlehnt unter Wirkung der Feder r am Arme 4. 
Sector X erhält durch den auf der Garnbaumfullung 
aufliegenden Fühlhebel f^ den damit verbundenen Arm 
f* und die kurze Zugstange 7 die geeignete Stellung. 
Bei der grössten Garnbaumfällung ist die Schraube 6 
durch den Sector x am meisten zurückgedrängt, so dass 
die Drehung der Scheibe 5 durch die Klauen 3, 3 am 
kleinsten wird ; je mehr der Gambaumdurchmesser ab- 
nimmt, um so weiter kann durch geeignete Profilirung 
von X der Winkelhebel 4, 4' nach links schwingen; 
dadurch wird der Angriffspunkt der Klauen ebenfBills 
nach links verlegt, die Drehung der Scheibe 5 und der 
Schnecke ab grösser. Mit dieser allerdings sehr com- 
plicirten Anordnung lässt sich bei geeigneter Profili- 
rung des Sectors x jede nur gewünschte Genauigkeit 
erreichen. 

Es tritt nun die Frage heran, wie müssen die Auf- 
windevorrichtungen beschaffen sein, wenn die Grösse 
der Schaltbewegung vom Garnbaume aus bestimmt wird. 

Die früher behandelten activen Aufwinderegulatoren 
liessen sich zwar auch hier anwenden, sie würden aber 
eine sehr genaue Einstellung verlangen, da für jeden 
Schuss eine Zeuglänge aufgewickelt werden muss gleidi 
der vom Gambaume abgewickelten, vermindert um den 
Betrag des Einwebens. Die Combinationen nach dieser 
Richtung haben meist die Bedingung der Erhaltung 
einer gleichen Spannung nicht erfüllt. Eine Combi- 
nation von Fig. 3 mit Fig. 9, bei welcher die beiden 
Schnecken ab von einer gemeinsamen Welle Drehung 
erhalten, ist von de Bergue angewendet worden. 

Haben die Schnecken ab gleiche Steigung, die 
Schneckenräder gleiche Durchmesser, dagegen der Sand- 
baum /S, Fig. 3, einen grösseren Durchmesser als der 
untere in Fig. 9, so ist, da beide gleiche Winkeldrehung 
erfEihren, das Bestreben vorhanden, mehr Zeug aufzu- 
winden als Kette abgewickelt wird, wodurch Spannung 
der Kette erfolgt. Damit aber die Spannung nicht be- 
ständig zunehme, muss S, Fig. 3, an der Oberfläche von 
Z gleiten; ein Umstand, der nicht zu Gunsten dieser 
Anordnung spricht. 

Die activen Aufwindevorrichtungen sind also in 



161 



und zur Bewcguug der Kette am mechanischen Webstuhl. 



162 



diesem Falle nur in sehr beschränkter Weise zu ge- 
brauchen, was schon daraus hervorgeht, dass die hier 
anzuwendenden gleichzeitig mit die Spannung reguliren 
müssen, wozu dieselben aber nicht geeignet sind. Für 
das Letztere wird in allen Fällen die Wirkung eines 
Gewichtes zu Hilfe genommen, welches den Zeugbaum 
vorwärts zu drehen sucht und zu dieser Function durch 
die Betriebskraft des Stuhles immer von neuem die 
geeignete Lage erhält. Diese Vorrichtungen werden 
mit dem — nicht sehr glücklich gewählten — Namen 
„negative Aufwinderegulatoren^' belegt. 

Die Anordnung ist durch Fig. 5 illustrirt. 

Durch einen an der Ladenstelze angebrachten Stift 
erhalt beim Rückgange derselben der dreiarmige Hebel 
CiC^e^ eine schwingende Bewegung; das Gewicht g 
wird gehoben; die um den kurzen Arm c^ drehbare 
Sperrklinke b greift auf den Zähnen des Sperrrades 
über, während der Sperrhaken a Rückdrehung desselben 
verhindert. Verlässt nun der Stift der Ladenstclze beim 
Vorgange der Lade den Arm Cj, so wird das Gewicht 
g durch die Hebel und Sperrklinkenanordnung den 
Zeugbaum vorwärts zu drehen suchen und die Drehung 
auch bewirken, sobald vom Garnbaume Kette abgewickelt 
wird ; g bestimmt demnach die Spannung, welche durch 
Verschiebung von g auf Cj, geregelt werden kann, wäh- 
rend der Hub der Sperrklinke b durch die Stellung 
des Stiftes auf der Ladenstelze oder durch Variirung 
von C3 bestimmt wird. 

Die Einrichtung, Fig. 5, hat aber einen Nachtheil. 
Wird die Waare direct auf dem Zeugbaume aufge- 
wickelt, so vergrössert sich der Durchmesser desselben 
und Gleichung (3) 

wiixl, da T^ und r^ constant, r^ variabel ist, nur dann 
bestehen können, wenn auch T variabel. Dies darf 
aber nicht stattfinden, man muss deshalb, da r^ nicht 
variabel gemacht werden kann, T^ variiren und zwar 
muss Tjj proportional r^ zunehmen. Die Lage des Ge- 
wichtes g muss also veränderlich sein. In der Praxis 
hilft man sich häufig durch Hinausschieben von g 
auf c^f besser jedoch dadurch, dass man r^ con- 
stant macht, also einen Sandbaum S mit Presswalze 
(Fig. 6) anwendet, oder dadurch, dass man, wie 
die Gleichung angiebt, die Lage des Gewichtes g 
von der Zeugbaumfüllung abhängig macht Fig. 7 
(Crompton). Hier ist ein Winkelhebel f angeordnet, 
dessen einer Arm als Fühlhebel, dessen anderer durch 
Stange zur Verschiebung des Gewichtes g auf c.j dient. 
Sind die Dimensionen dieser Theile für leeren und 
vollen Gkimbaum richtig gewählt, so wird die Vorrich- 
tung mit völliger Genauigkeit functioniren. 

OiTillnffentoor XXIII. 



Durch Combinatiou von 5, 6 und 7 mit 9 und 10 
lassen sich also wieder die gestellten Bedingungen er- 
füllen. 

Alle bisher erwähnten Combinationen leiden aber 
an einem grossen Uebelstande. Die Schaltbewegung 
der Kette findet auch dann noch statt, wenn durch 
Reissen eines Schussfadens der Einschuss fehlt, wodurch 
im Gewebe eine dünne Stelle entsteht. Um den neuen 
Einschuss dicht anzulegen, müssen dann Zeug- und 
Kettenbaum rückwärts gedreht werden, wodurch Zeit- 
und Arbeitsverlust eintritt. 

Es sind Einrichtungen getroffen worden, durch 
verbesserte Schusswächter dem Nachtheile möglichst 
abzuhelfen; dieselben compliciren aber den Stuhl sehr 
und erfordern, wenn sie immer gleich gut wirken sollen, 
viel Aufsicht. 

Das einfachste Mittel zur Vermeidung der erwähnten 
Nachtheile ist jedenfalls: die Aufwindung davon ab- 
hängig zu machen, ob ein Schuss eingetragen worden 
ist oder nicht. Dann darf die Schaltbewegung weder 
vom Zeug- noch vom Garnbaume bestimmt werden; 
die Lade übernimmt jetzt diese Function. Durch den 
Ladenschlag wird der neue Schussfaden an den Vor- 
hergehenden angelegt und die Kette um die von dem 
letzten Schussfaden eingenommene Länge vorgezogen. 
Die Grööse der Schaltbewegung wird demnach bestimmt 
von der Dicke des Fadens und der Dichte, mit welcher 
die Schussfäden aneinander angelegt werden sollen; 
diese aber regelt die Spannung. Ist die Spannung 
gross, so wird der letzte Einschuss dichter an den vor- 
herigen angelegt als bei geringerer Spannung. Die 
Aufwindung kann selbstverständlich nicht mehi* durch 
einen positiven, wohl aber durch einen negativen Auf- 
winderegulator bewirkt werden. 

Wie wir gesehen haben, lässt sich mit dem nega- 
tiven Regulator, Fig. 6, eine gleichmässige Spannung 
erzielen. Jetzt aber, wo die Schaltung weder vom 
Garnbaume noch vom Zeugbaume abhängig, ist auch 
ersterer mit den Vorrichtungen zui* Regulirung der 
Spannung zu versehen. Die Regulirung erfolgt 
von beiden Organen, wir müssen also combiniren; 
Fig. 6 mit Fig. 11 bis 20. Einige dieser Combi- 
nationen kommen jedoch aus anderen Gründen, die 
erst aus dem Weiteren hervorgehen, gar nicht vor. 

Durch den Ladenschlag wird die Kette in der oben 
beschriebenen Weise nach vom gezogen und die Span- 
nung in der zwischen Riet- und Zeugbaum befindlichen 
Ware aufgehoben, wodurch das Gewicht g zur Wir- 
kung kommt und die durch den letzten Einschuss fertig 
gewordene Zeuglänge aufwindet. 

Hier besteht also die Bedingung: 

11 



163 



Ltidicke, Die Mechanismeu zur Erhaltung der Spannung am mechanischen Webstulil. 



164 



wobei von den Reibungswiderständen, welche die Kette 
auf ihrem Wege findet, abgesehen ist. Es darf nie 

werden, wie dies bei den positiven Aufwinderegulatoren 
periodisch durch die Betiiebskrafb zur Schaltung statt- 
findet, sonst würde in diesem Falle selbständig Auf- 
windung "erfolgen. Auch wird T^r^ immer um einen 
geringen Betrag kleiner gehalten als Tr^, damit durch 
die Erschütterungen, welche der Stuhl erleidet, nicht 
selbständig Bewegung eintritt. Die Differenz darf aber 
nicht zu gross sein, sonst treten Schwankungen der 
Spannung innerhalb der Kette selbst auf. 

Wäre z. B. der negative Regulator nur im Stande, 
in dem durch das Anschlagen der Lade lose gewor- 
denen Zeugstücke eine Spannung T<iT hervorzurufen, 
so wird zunächst die Ausdehnung des Stückes bc 
(Fig. 29) , welche vorher unter dem Einflüsse von T 
entstanden, geringer werden, d. h. es wird eine zu 
kleine Zeuglänge aufgewickelt. Yerlässt nun das Riet r, 
welches, so lange es den letzten Kettenfaden b berührte, 
die ganze oder einen Theil der Spannung aufgenommen, 
i, so wird dieser, da er von links durch die grössere Kraft 
T, von rechts durch T erfasst wird, eine Bewegung 
nach links, also etwa nach b* erhalten, bis in den 
beiden Stücken ab und bc die gleiche Spannung T* 
herrscht; und es wird sein: 

r> r' > r . 

Beim Eintragen des nächsten Schusses muss der 
in b' liegende letzte Einschuss vom Blatt bis nach b** 
geführt werden, wähi*end er unter normalen Verhält- 
nissen nur den Weg bb** zurückzulegen hätte. Dabei 
erfolgt zunächst so lange Ausdehnung des Stückes ab'^ 
biö T' = T geworden ist; dann erst beginnt die Ab- 
wickelung. Aus diesem geht hervor, dass, wenn T, 
also die vom Gewichte g des negativen Aufwinderegu- 
lators hervorgerufene Spannung, erheblich von der Span- 
nung T abweicht, welche die Kette besitzen soll, eine 
ungünstige Beanspruchung der Fäden durch bei jedem 
Ladenvor- und Rückgänge stattfindende Ausdehnung 
und Zusammenziehung eintritt. 

Am besten wirkt auch hier wieder die Anordnung, 
bei welcher r^^ constant, also nach Fig. 6 in Verbin- 
dung mit Fig. 20. Doch ist diese Combination, wie 
überhaupt jede mit negativem Aufwinderegulator und 
Regulirung der Schaltung durch Spannung und Ein- 
schuss, nur für Stoffe mit dichtem Schussstand ver- 
wendbar. 

Im Allgemeinen lässt sich noch sagen, dass die 
negativen Aufwindevorrichtungen sich nur für Stühle 



mit langsamerem Grange eignen, während die positiven 
bei Stühlen mit jeder Arbeitsgeschwindigkeit auwend* 
bar sind. 

Um die Vortheile der positiven und negativen Auf- 
winderegulatoren zu vereinigen, hat man beide ccmibi- 
nirt und dadurch einen ganz vorzüglich wirkenden 
Apparat erhalten. 

Der in Fig. 8 (Schönherr) skizzirte Aufwinde- 
regulator soll das Gresagte illustriren. 

Das Gewebe wird au%ewunden durch die beiden 
Sandbäume SS, Der untere erhält Drehung durch das 
Sperrrad und die Sperrhaken bb und diese Bewegung 
von den kurzen Armen des dreiarmigen Hebels n. Der 
längere Arme desselben führt sich mit einer Gleitrolle 
in dem Schlitze des zweiarmigen Hebels A, welcher auf- 
und niedergehende Bewegung erhält durch Zugstange a, 
und zwar bei einem Ladenschlage nach oben, beim 
nächsten nach unten u. s. f. 

Der dreiarmige Hebel n ist drehbar am oberen 
Theile des zweiarmigen Hebels m^m^^ welcher wieder- 
um frei drehbar auf der Achse des Sandbaumes sitzt 
Durch Gewicht g, Winkelhebel w und Zugstange o, er- 
hält ni^m^ immer das Bestreben, Rechtsdrehung aus- 
zuführen , dem wirkt die Zeugspannung durch Sperrrad 
und Sperrkegel bb entgegen. 

Nehmen wir jetzt an, die gezeichnete Stellung sei 
die normale und es träte keine Veränderung in der 
Spannung und Schaltung ein, so wirkt die ganze An- 
ordnung als positiver Aufwinderegulator. Nimmt aber 
plötzlich die Spannung dui*ch irgend welchen Umstand 
ab^ oder die Schaltung zu, so schwingt m^ nach rechts 
unter Wirkung von g, die Rolle von n im Schlitz von 
h entfernt sich weiter vom Drehpunkte von h und muss 
somit bei der Schwingung desselben einen grosseren 
Weg zurücklegen, was sich sofort durch die Sperrhaken 
auf das Sperrrad überträgt. Das Umgekehrte findet 
statt bei Vergrösserung der Kettenspannung oder Ver- 
kleinerung der Schaltung. Der Sperrkegel a ist nur 
für sehr schwere Waare erforderlich oder dann, wenn 
Zugstange o für jeden Ladenschlag auf- und abgeht; 
in diesem Falle fallt einer der Sperrkegel b weg. Ge- 
wicht g muss so bemessen sein, wie es früher bei döJ 
negativen Aufwindevorrichtungen angegeben. 

Zur Regulirung der Spannung am Keitenbaume 
dient, wenn Fig. 8 angewendet wird, Fig. 20. 

Der Vortheil der Anordnung, Fig. 8, besteht in: 
Aufwindung der Waare durch die Betriebskraft bei 
vom Zeugbaume ausgeübtem gleichstarken Zuge. 

Durch die ganze Entwicklung der MechanismeD 
ist hervorgegangen, dass Regulirung der Schaltung 
nur möglich ist: 



165 



Gruiier, Technische Führer. 



166 



A) vom Zeugbaume oder einem dessen Stelle ver- 

tretenden Sandbaume aus, 

B) vom Garnbaume oder einem dessen Stelle ver- 

tretenden Sandbaume aus, 

C) durch Spannung und Einschuss. 
Regulirung der Spannung: 

D) vom Garnbaume aus, 

E) von dem zwischen Garn- und Zeugbaum freilie- 

genden Kettenstück aus, 

F) vom Zeugbaum aus. 

Ein weiterer Fall ist in Hinblick auf die überhaupt 
vorhandenen Organe und die Functionen, welche die- 
selben zu verrichten haben, nicht denkbar. 

Anhangsweise kann hier noch derjenigen Vorrich- 
tungen gedacht werden, welche die bei der Fachbildung 
stattfindende Vergrösserung der Spannung auszugleichen 
haben. Zu dem Seite 158 Gesagten ist aber kaum noch 
etwas hinzuzufügen und genügt hier der Hinweis auf 
die Figuren 23—26 unserer Tafel, welche einige der 



gebräuchlichsten Mechanismen für diesen Zweck dar- 
stellen. 

Diese Anordnungen machen sich nöthig bei Com- 
bination von A mit D, B mit D, C mit F und bei 
wenig elastischem Kettenmateriale. Sie tragen dann 
wesentlich zur Schonung der Kette und Vermeidung 
von Fadenbrüchen bei. 

In Fig. 23 erfolgt die Bewegung des Walkbaumes 
von der Geschirrwelle aus und da diese im gezeichneten 
Falle nur halb so viel Umdrehungen macht als die 
Hauptwelle, durch einen zweiflügeligen Daumen; in 
Fig. 24 durch ein auf die Hauptwelle aufgestecktes 
Excenter, Fig. 26 von der Ladenschwinge aus. Fig. 25» 
zeigt die Anordnung von Schönherr im Grundriss, 
Fig. 25** den Walkbaum im Aufriss. Auf der Welle x 
steckt eine Scheibe mit Erhöhungen, gegen welche sich 
eine Gleitrolle anlegt und bei Drehung der Welle die 
ihr ertheilte Bewegung durch die Winkelhebel to und 
Zugstangen A auf den Walkbaum y^ überträgt. 



Technische Führer. 

Besprochen von 

0. Grüner, Landbau-Inspector in Chemnitz, 



1) Karlsnihe im Jahre 1S70. Dargebracht vom badischen Techniker- Verein. Karlsruhe. Verlag der G. Braun*8chen Hofbuch- 

handlung. 

2) Technischer Führer durch Wien. Herausgegeben vom Prof. Dr. E. Wink 1er. Wien 1873. Lehmann & Wentzel. Mit Er- 

gänzungen bis Frül^jahr 1874. 

3) Hannover und Umgegend. Dargebracht vom Hannoverischen Bezirks- Verein. Hannover. Th. Schulzens Buchhandlung. 1874. 

4) Führer durch Berlin. Berlin. Druck von W. Pormetter. 

5) Bautechnischer Führer durch München. Herausgegeben von dem bayerischen Architekten- und Ingenieur -Verein, redigirt von 

F. Reber. München. Theodor Ackermann. 1876. 



Die grossen Versammlungen technischer Fachge- 
nossen, wie sie sich in den letzten Decennien vielfach 
wiederholten, haben einen Zweig der Literatur ins 
Leben gerufen, der sich in mehr als einem Punkte als 
eigenthümlich und bemerkenswerth darstellt und, so 
jung er ist, schon recht schöne Blüthen und Früchte 
aufzuweisen hat: wir meinen die unter verschiedenerlei 
Namen herausgegebenen, am richtigsten aber wohl mit 
dem gemeinsamen Namen „Technische Füfirer" zu be- 
zeichnenden Festschriften. Eigenthümlich nennen wir 
diese literarischen Ei-scheinungen, weil sie ihr Ent- 



stehen wahrhaft uneigennützigen Bestrebungen verdanken, 
heutigen Tages nicht nur auf dem Gebiete des Buch- 
handels ein seltenes Phänomen, bemerkenswerth aber, 
weil sie bei aller Uneigennützigkeit fest ohne Aus- 
nahme Vortreffliches Feisten und bieten. 

Allerdings fehlt es in den gewöhnlichen Reisehand- 
büchern meist nicht an Notizen und Hinweisen^ die 
sich auf besonders hervorragende Baudenkmäler be- 
ziehen; die Besprechung derselben bewegt sich aber 
grösstentheils in so allgemeinen Ausdrücken, die An- 
gaben der darauf bezüglichen Daten sind oft so unge- 

11* 



167 



Grüner, Techuische Führer. 



168 



BÜgend oder ungenau und die Kritik, wenn eine solche 
geübt wird, ist in der Regel so wenig sachgemäss, dass 
der Mann von Fach sich sehr bald daran gewöhnt, 
derartige Auslassungen zu überschlagen. 

Wir geben allerdings Ausnahmen von der Regel 
zu; 80 verdienen z. B. die architektonischen Notizen in 
Gsell-Fels' Italien, begleitet von z. Th. recht guten 
Illustrationen, Beachtung und Anerkennung; aber ein 
Erfassen des technischen Gebiets im weiteren Sinne, 
zunächst z. B. der Ingenieur-Bauten, vermissen wir in 
sämmtlichen Reisehandbüchern des gewöhnlichen Schlages 
und wir dürfen uns eigentlich auch nicht zu sehr dar- 
über wundem oder — von dem Gegebenen weiter zu 
schliessen — beklagen. 

Diese und ähnliche Betrachtungen haben vielleicht 
den ersten Anlass zur Entstehung der Festschriften bei 
Gelegenheit der grossen Techniker- Versammlungen ge- 
geben, wie sie uns augenblicklich als Eiiunerung an die 
in Karlsruhe i. J. 1872, in Wien i. J. 1873, in Han- 
nover i. J. 1874 und in München i. J. 1876 vorliegen, 
vervollständigt durch ein Heftchen : Führer durch Berlin 
für die Theilnehmer der Versammlung u. s. w. i. J. 
1874. ♦) 

Es ist natürlich nicht unsere Absicht, hier eine 
eingehende Abwägung des Werthes des einen dieser 
Bücher gegenüber dem andern vorzunehmen — sie alle 
zeugen so sehr von dem freundlichen Willen, die Fest- 
gäste mit der festgebenden Stadt möglichst vertraut 
und ihren Besuch zu einem recht lohnenden und ge- 
nussreichen zu machen, dass eine derartige Kritik wohl 
leicht als eine Unhöflichkeit gedeutet worden könnte. 

Vielmehr haben wir uns, mit Rücksicht darauf, 
dass eine jede Vermehrung dieser technischen Topo- 
graphien, wenn wir sie so nennen dürfen, herzlich will- 
kommen zu heissen ist und dass im Laufe der Zeit 
noch an manche Stadt unseres deutschen Reichs, wie in 
der nächsten Zeit an die Hauptstadt Sachsens, die 
Pflicht herantreten wird, die Gäste mit einem solchen 
Festgruss zu bewillkommnen, die Aufgabe gestellt: das 
Facit aus dem bisher auf diesem Gebiet Geleisteten 
zu ziehen, das demselben Charakteristische aufzufinden, 
sowie die Vorzüge anzugeben, welche die eine Lösung 
oder Behandlung der Arbeit vor der anderen uns zu 
haben scheint, endlich das, was etwa dabei noch zu 
wünschen übrig bleibt. ' 



*) Der -von dem Berliner Architekten-Verem aus Anlass der 
Hauptversammlung des Verbandes deutscher Ingenieur- und Ar- 
chitekten Vereine von 1S74 in Angriff genommene Führer „Berlin 
und seine Bauten'* mit 600 Holzschnitten und 10 BeUagen ist erst 
in den letzten Wochen vollendet worden. 



Die Mehrzahl der vorliegenden Führer beginnt mit 
einer mehr oder minder detaillirten Schilderung der 
Lage der betrefifenden Stadt, welcher sich geologische 
Skizzen anreihen, die namentlich in dem hannoverischen 
Fühi*er eine eingehende Behandlung erfahren haben 
und hier auch durch eine schöne geognostische Eiarte 
vervollständigt werden. 

Dann folgt, Vfieu ausgenommen*), bei allen ein 
Abriss der Greschichte der Stadt, bei Hannover nach 
baugcschichtlicher Entwicklung und allgemein-geschicht- 
lichen Nachrichten getrennt, bei Karlsruhe und München 
mit vorwiegender Betonung der Baugeschichte. Mit 
Interesse verfolgt man in Hannover die anschauliche 
Darstellung der Entwicklung der städtischen Verhält- 
nisse seit dem frühen Mittelalter, der Technik und ihres 
Palladiums : des Polytechnikums ; auch Karlsruhens Ge- 
schichte gewährt als die einer vollkommen willkürlichen 
Schöpfung, für die sich erst mit der Zeit Zweck und* 
Nothwendigkeit herausbilden musste, besonderes In- 
teresse; die Baugeschichte Münchens indessen, 87 Seiten 
des Buches umfassend, dürfte bei allem localen Werth 
und Interesse für den vorliegenden Zweck: den fremden 
Fachgenossen rasch und in der Hauptsache zu orien- 
tiren, zu weit gehen. Denn man darf nicht übersehen, 
dass nach dem bisher üblichen Gebrauch die Festschrift 
den Theilnehmern an den Versammlungen erst bei Be- 
ginn derselben eingehändigt wird und dass deshalb die 
Zeit, welche ihnen zum Studium derselben an Ort und 
Stelle und zum Aufsuchen der darin besprochenen 
Gegenstände geboten ist, in den meisten Fällen eine 
äusserst beschränkte sein muss. Fast möchten wir mit 
dem Vorschlage hervortreten, den angemeldeten Theil- 
nehmern an einer solchen Versammlung schon kurze 
Zeit vorher derartige Führer zuzuschicken, damit sie, 
wie gewissenhafte Reisende es mit ihrem Bädeker zu 
thun pflegen, diese schon vorher durchsehen und das, 
was sie besondei's interessii't, anstreichen können. 

Bei Zusammenstellung und Bearbeitung eines sol- 
chen Führers scheinen uns zwei verschiedene Stand- 
punkte in Betracht zu kommen : der eine behandelt das 
Buch lediglich als Festschrift, vorzugsweise tür die Zeit 
und den Besuch der Versammlung berechnet; — der 
andere mehr als technisches Reisehandbuch, bestimmt, 
zu jeder Zeit dem Techniker neben dem allgemeinen 

*) Der Win kl er 'sehe Führer für Wien, der zunächst am 
Anlass der Ausstellung von 1S73 bearbeitet wurde, konnte den 
historischen Abriss entbehren mit Racksicht auf den vom Oestecr. 
Ingenieur- und^ Architekten-Verein i. J. 1S64 bei GMegenheit der 
14. Versammlnng deutscher Architekten und Ingenieure heniu- 
gegebenen trefflichen Führer „Alt- und Neu-Wien In seinen Bas* 
werken". D. Red. 



169 



Grüner, Technische Führer. 



170 



als specieller Fachfiihrer zu dienen, zur Fortsetzung 
und Vervollständigung von vornherein angelegt. — 
Dem ersteren Standpunkte entsprechen am meisten die 
Führer für Karlsruhe und Hannover; dem letzteren 
vorwiegend die für München und Wien, was besonders 
bei Wien die nachträglich dazu erschienenen schätz- 
baren Ergänzungen bestätigen. 

Der angedeuteten Trennung entsprechend würde sich 
dann auch die Behandlung des Stoffes unterscheiden. 

Mit richtiger Erkenntniss des Bedürfnisses und der 
Wünsche der von auswärts kommenden Theilnehmer 
giebt der Karlsruher Führer ausser der Beschreibung 
der Hauptstadt in übersichtlicher Kürze eine solche 
▼on Baden und Heidelberg, sowie von den bedeutend- 
sten Eisenbahnbauten im ganzen Lande, bei denen wir, 
beiläufig bemerkt, wie dies bei Ingenieurbauten so 
häufig der Fall ist, jede Nennung des Urhebers oder 
CJonstructeurs vermissen. 

Die Nachrichten über industrielle Etablissements 
sind besonders in Hannover hübsch und instructiv zu- 
sammengestellt ; sie betonen etwaige Eigenthümlichkeiten 
im Fabrikations- Verfahren und geben statistische Nach- 
richten über Leistungsfähigkeit, Personal, sowie über 
Unterstützungskassen und andere Einrichtungen. 

Den bei dieser Art von Führern enger gesteckten 
Grenzen entsprechend, wurde in Hannover mit Aus- 
nahme des Stadtplanes und zweier Karten von Illustra- 
tionen gänzlich abgesehen, während das Karlsruher Buch 
mit einer grossen Anzahl von Grundrissen, geometrischen 
und perspectivischen Ansichten, ja sogar ausser dem Titel- 
blatt mit hübschen Anfangs- Vignetten geschmückt ist. 

Betrachten wir nun die beiden anderen Führer: 
Wien und München, so zeigen schon die Inhaltsver- 
zeichnisse, namentlich bei Wien , eine viel detaillirtere 
Classificirung als die der vorgenannten Führer und aus 
der reichen Fülle aller Arten von Gebäuden sind von 
kundigen Augen und Händen je die besten und lehr- 
reichsten Beispiele ausgewählt und durch Beschreibung, 
Plan, Ansicht und in Wien häufig Constructionsdetails 
so erschöpfend vorgeführt, dass man sie (besonders den 
Wiener Führer) fast ein bautechnisches Compendium 
nennen könnte. Vervollständigt wird der Werth dieser 
Schilderungen durch die in beiden Büchern beobachtete 
Verweisung auf die einschlägige Literatur, sowie durch 
Nennung der betreffenden Hen'en Mitarbeiter, wodurch 
specielle Information über einen Gegenstand ermöglicht 
und erleichtert wird. 

Zu der zweiten, von uns aufgestellten Klasse von 
Führern dürfte München nicht nur wegen seiner ein- 
gehenden Baugeschichte, sondern auch wegen der Kri- 
lisirung der Bauwerke gezählt worden. Es giebt wohl 



kaum eine zweite Stadt, in welcher so viel in Archi- 
tektur experimentirt worden ist wie hier, und an der 
Hand einer sachgemässen Kritik wird ein Besuch der- 
selben auch in diesem Sinne lehrreich. Aber so dan- 
kenswerth uns eine so unpaiiÄÜsche Beurtheilung der 
Bauwerke, wie sie in dem Münchener Führer gegeben 
ist, auch erscheint, möchten wir sie von einer eigent- 
lichen Festschrift doch ausgeschlossen wissen. Denn 
es werden hierdurch zu leicht persönliche Meinungen 
empfindlich berührt und die Freude am Fest und an 
der gebotenen Festschrift könnte wohl Trübungen er- 
fahren. 

Dem Wiener Führer eigenthümlich ist eine Be- 
sprechung der dortigen Baumaterialien, deren Kenntniss 
uns zum besseren Verstehen und Würdigen der Bau- 
leistungen einer Stadt fast unbedingt nothwendig und 
jedenfalls werthvoller erscheint, als eine Zusammenstel- 
lung der Preise von Materialien und Arbeitslöhnen, wie 
sie der Münchener Führer giebt. Entbehrlich hingegen 
ei*8cheineu uns, auch bei einem breit angelegten Führer, 
die Kataloge der Gemälde- und anderer Sammlungen, 
wie sie dem Wiener Buche einverleibt sind, denn diese 
kann man sich mit Leichtigkeit von anderer Seite ver- 
schaffen. Auch die Beifügung eines industriellen Adress- 
buches, wie es ebenfalls dem letztgenannten Buche bei- 
gebunden ist, scheint uns eine nicht wünschenswerthe 
Volumensvermehrung desselben und viel zweckmässiger 
ist es jedenfalls, wie es in Hannover geschah, die in- 
dustriellen Anzeigen als besonderes Heftchen einzulegen. 

Fassen wir das bisher Gesagte zusammen, so kom- 
men wii' zu dem Schluss, dass die Stadt, die eine tech- 
nische Vei*sammlung durch einen speciellen Führer be- 
willkommnen und heimisch macheu will, der Alternative 
gegenüber steht, entweder eine Festschrift in kurzer 
Fassung und möglichst künstlerischer Form zusammen 
zu stellen, wofür wir, was die Kürze betrifft, aber auch 
darin als Extrem, den Führer durch Berlin mit 56 Seiten 
(ohne die Anzeigen), und was die künstlerische Aus- 
stattung betrifft „B^arlsruhe im Jahre 1870" als ent- 
sprechende Beispiele anführen möchten; — oder, wenn 
Zeit und Mitarbeiter zur Genüge vorhanden sind, dass 
sie sich um die technische Literatur verdient macht, 
indem sie bei der festlichen Veranlassung ein Hand- 
buch zusanunenstellt, welches nach Art und Behand- 
lung des Münchener und Wiener Führers, neben der 
kritischen Besprechiuig der Bauwerke, über Baugeschichte 
der Stadt, über städtische Einrichtungen und indu- 
strielles Leben ausführlichen Bericht giebt und zu einer 
zeitweisen Fortsetzung und Ergänzung geeignet ange- 
legt wird. 



Notiz, die Herstellung der Nietlöcher betreffend. 



In seinem werthvollen Buche „Etüde sur Temploi 
de l'acier daus les construction (Seconde Edition, Paris, 
J. Baudry, 1875) hat Ingenieur J. Barba neuerdings 
eine eingehende experimentelle Vergleichung der ver- 
schiedenen Verfahrungsweisen bei Herstellung der Niet- 
löcher in Eisen- und Stahlblech durchgeführt. Zu den 
Herstellungsweisen auf der Bohrmaschine allein (1) und 
auf dem Durchschnitt allein (2) fügt Barba die von 
ihm lebhaft empfohlene dritte Methode der combinirten 
Herstellung durch Ausscheeren und Ausbohren zugleich 
(3): auf dem Durchschnitt wird ein Loch hergestellt, 
dessen Durchmesser um ca. 4™'° kleiner ist, als die 
Dicke des Nietbolzens, und auf der Bohrmaschine wird 
dasselbe zur vollen Weite vergrössert; da nach Barba 's 
Versuchen (p. 35) die beim Ausscheeren eintretende 



Schwächung des Materials nur bis zu einer Tiefe von 
etwa l""" vorschreitet, so wird durch Methode (3) die 
schädliche Wirkung des Durchschnittes wieder völlig 
beseitigt und man vereinigt gewissermassen die Vor- 
theile der beiden älteren Methoden (1) und (2). Barba 
hat sich nun bemüht, die Methoden (1) und (3) auch 
hinsichtlich des verhältnissmässigen Arbeitsverbrauchs 
zu vergleichen und er theilt auf Seite 48 — 50 seines 
Buches die Resultate einer hierzu durchgeführten Beob- 
achtungsreihe mit. 'Es wurden in Stahlblech von 8"" 
Dicke je 915 Löcher von 20"™ (mittlerer) Weite zuerst 
nach Methode (1) durch Bohren aus dem Vollen und 
sodann nach Methode (3) durch Ausscheeren kleinerer 
Löcher von 16'"" Weite und Ausbohren auf 20"" her- 
gestellt; diese Arbeit erfordeite 



bei Methode (1) 



bei Methode (3) 



f Betriebszeit der Bohrmaschine 65,3 Stunden, 
[ Arbeitsstunden eines Arbeiters 65,3 
Betriebszeit des Durchschnittes 8,10 
„ der Bohrmaschine 29, 1 5 

Zusammen 37,3o 
Arbeitsstunden beim Ausscheeren 33,o „ *) 

Bohren 29, 1 6 

Zusammen 62, 15 



» 



Barba folgert hieraus, dass Methode (3) an Hand- 
arbeit etwa 5 Procent, an Maschinenarbeit 42 Procent 
ei-sparen läast; gegen die erste Folgerung ist Nichts 
einzuwenden, der zweiten liegt aber augenscheinlich die 
summarische Annahme zu Grunde, es sei der Arbeits- 
verbrauch der benutzten Bohrmaschine demjenigen des 
Durchschnittes gleich zu setzen! Die Frage nach dem 
verhältnissmässigen Verbrauch an elementarer Betriebs- 
kraft, deren Wichtigkeit wohl ausser Zweifel steht, lässt 
nun aber auf Grund der von mir im Jahre 1873 ver- 
öffentlichten Versuche über Werkzeugmaschinen (Mit- 
theilungen der königl. polytechnischen Schule, Heft III) 
eine weit schärfere Beantwortung zu, wie nachstehend 
gezeigt werden soll. 

Am meisten dürfte eine Vergleichung der zur Her- 
stellung gleich grosser Nietlöcher nach den Methoden 
(1), (2) und (3) unmittelbar vom Werkzeuge ver- 
brauchten Arbeitsgrössen (also ohne Rücksicht auf Leer- 
gangsarbeit der angewendeten Maschinen) interessiren; 
eine solche Vergleichung ist — zunächst für Bleche 
von weichem Schmiedeeisen — leicht auszuführen. 

a) Vergleichung der Methoden (1) und (2). 

Aus der auf S. 145 meines Berichtes enthaltenen 
P'ormel (80) ergiebt sich für Schmiedeisen beim Bohren 



aus dem Vollen mittels Spitzbohrer, unter Voraus- 
setzung einer Lochweite von.d"", der Arbeits verbrauch 
für Icbcro zerspantes Material 

«, = 270 + ^^^ Met.-Kü (1) 

d 

Für dasselbe Material hat nach S. 59 der Arbeits- 
verbrauch beim Ausscheeren eines Loches in Blech von 
(J'°™ Dicke für IQ^" Schnittfläche den Werth 

«^ = 25 + l,4ö.d Met.-Kil (2) 

Hiernach ergiebt sich die zur Herstellung eines 
kreiscylindrischen Loches von d™™ Weite in Eisenblech 
von <f"™ Dicke au&uwendende Arbeit 

beim Ausbohren aus dem Vollen 



A,= 



n ,d^ .6 



( 270 + - — ) Met.-Kil. 



4000 
beim Ausscheeren 

A,= ^^^^- (25 -f- 1,46. A) Met.-Kil., 



woraus der Quotient 

^1 _ 



10800 -f 270. rf 
1000 + 58.'^ 



(3) 



*) Am Durchschnitt waren zur Verschiebung der Blechtafeln 
3 Arbeiter erforderlich, ein vierter zur Ueberwachung der Maftchlne. 



173 



Chizzolini, Versuche über die Leistung einer Schraabenpumpe. 



174 



sidi ergiebt; derselbe lässt erkemien, wieviel mal für 
bestimmte Werthe von d und rf der Arbeitsverbrauch 
beim Ausbohren grösser ist als beim Ausscheeren; das 
folgende Täfelchen entliält seine Grösse für 9 aus- 
gewählte Fälle: 



Blechdicke Durchmesser des Nietloches 
in Mm. d===d i d=^2d I d = SS 



ö 
6 



5 
10 
15 



9,42 

8,55 
7,94 



10,5 
10,3 
10,1 



11,5 

12,0 

12,3 



Die Ueberlegenheit des Durchschnittes über die 
Bohrmaschine in kraftöconomischer Hinsicht ist daher 
sehr beträchtlich; bei Erwägung des Umstandes, dass 
der Bohrer das zu entfernende Material, welches der 
Lochstempel als ungetheilten VoUcylinder liefert, in 
feine Späne verwandelt, ist das nicht anders zu erwarten. 

b) Vergleiohung der Methoden (1) und (3). 

Voraussetzung: Wandstärke des durch Ausbohren 
nach dem Ausscheeren zu entfernenden Ringes 2°*°^. 

Arbeit zur Ausscheerung des Loches von (d — 4) """ 
Weite 

4, = (rf-4).^^-^ (25+l,45iJ). 

Arbeit zur Erweiterung desselben auf den Durch- 
messer d durch Ausbohren*) 

^3'=0,54.Ä(<?— 2)nr. 

*) Beim Ausbohren eines schon vorgebohrten Loches ist als 
Arbeitfiwerth für i^"^«^"^ zerspantes Material derjenige Werth zu 
wähloi, welcher sich aus Gl. (1) für d = oo ergiebt, also «, ^^ 
270 '"^*, denn die Späne haben hier ausreichenden Raum zu ihrer 
Ausbreitung. 



Hiemach berechnet sich (unter Benutzung der 
Formel für Ä^) der zur Vergleichung beider Methoden 
dienende (^oefficient 

rf (270 rf + 10800) 



^1 ^ 

A. + AJ bSd.d + 3160 d — 23^6 — 832Ö' 



(4) 



Für die schon früher ausgewählten 9 Specialfälle 
ergeben sich nun die folgenden Verhältnisszahlen als 
Resultat dieser Formel (4): 



Blechdicke 
in Mm. 


Durchmesser des Nietloches 
d — ö d — 2S d-=3d 


6= 5 
ö — 10 
^ = 15 


7,82 ♦) 

5,04 

3,80 


1 
5,40 5,38 
5,05 . 5,62 
6,2 1 6,08 



Man kann hiernach annehmen, dass der unmittel- 
bare Arbeitsverbrauch bei Herstellung der Nietlöcher 

auf dem Durchschnitt allein (Methode 2) ca. 



10 



bei 



Herstellung durch Ausscheeren und Nachbohren (Me- 
thode 3) ca. -=r- von demjenigen Arbeitsquantum beträgt, 

o 

welches beim Ausbohren aus dem Vollen (Methode 1) 
erforderlich ist. 

Die hier ermittelten Verliältnisszahlen werden nun 
selbstverständlich weiter modificirt, wenn der totale 
Arbeitsverbrauch mit Rücksicht auf Leergangsarbeit der 
Maschinen, auf Geschwindigkeit des Arbeitens und auf 
Betrag der normalen Stillstände in Betracht gezogen 
wird; auch hierzu liefern meine Versuche die erforder- 
lichen Unterlagen; jedoch wird die Vergleichung als- 
dann wegen der grossen Zahl vorauszusetzender Grössen 
vortheilhafter in jedem besonderen Falle getrennt aus- 
zuführen sein. Dr. Hartig. 



*) Dieser Fall ist aus bekannten Gründen nach Methode (3) 
praktisch unausführbar. 



Versuche über die Leistung einer Schraubenpumpe 

von Ingenieur 6. CMzzolinl in Mailand. 



Das 8. Heft, Jahrgang 1876, der italienischen Zeit- 
schrift II Politecnico, Giomale dell'Ingegnere Architetto Civüe 
ed Indnstriale enthält auf Seite 463—469 die Resultate 
einiger Versuche über die Leistung einer von Chizzolini 
construirten Schraabenpumpe, welche der Aufmerksamkeit 
unsrer Leser empfohlen zu werden verdienen. 

Diese Schraabenpumpe (Spira idrofora) besteht aus einer 
vierflfigligen auf horizontaler Welle befestigten Schraube, 
deren Flügel am äussersten Umfang einen Neigungswinkel 



von 45^ mit der Rotationsebene bilden und zusammen l,i 
Gang ausmachen. Höhe der Schraube (Länge der Nabe) 
40""; Durchmesser der Nabe an der Eintrittsstelle 90™™, 
an der Austrittsstelle 70™™; Durchmesser der Schraube an 
der Eintrittsstelle 140™™, an der Aastrittstelle 150™™. Der 
Radkörper ist (wie ein gewöhnlicher Schraubenventilator) 
in einen gut anschliessenden gusseisemen Hohlkegel einge- 
setzt, dessen kleinere Endfläche die Säugöffnung bildet, wäh- 
rend die grössere durch ein Knierohr mit einem verticalen 



Chizzolini, Versuche Aber die Leistui^ eiuer Schraubeopuinpe. 



176 



Aiuguasrohr von 150°"" Weite id Terbindung steht Die 
Drebnug wurde durch eisen Riementrieb abertragen. Bü 
den Versacben befitnd aich die Pnitipe vollständig im Unter- \ 
Wasser. I 

Von den mitgetbeilteo drei Versuchsreihen bezog sich 
die erste, aaf den Zosanunenbaog zwischen roinutlicher Tou- 



renzahl der Schraube und Höhe der im Gleichgewidit er- 
haltenea WassersSule (Uefemi^smenge Null), die zweite and 
dritte auf denselben Zusammenhang bei einer constanten 
Liefening von 10,7, beziehentlich 16,6 Liter pro Secnnde. 
Die Resultate sind in folgenden Tabellen enthalten: 



I. Gelieferte Wassermeuge = 0. 



1. 




1^ ! 

5 £ : Verhältnis» '■ 



I. Verbtütniss I .£ 'S S a S 

* I I ■■« * s - 



VerhältnisB 



576 

648 
720 



3,393 
3,AI9 



2,3« 

2,9fi 
3,46 



1,104 

l,08fl 
1.101 



0,90 

0,68 
0,87 

0,86 
0,BS 



2,903 


0,7» 


3,806 


o,7ie 


4,S2! 


0,115 


4,750 


0,710 


5,ä78 


o,G»e 


5.630 


0,708 







11. tiehobones Wasserquaatum pro 


Secuude = 10, 


Liter. 






ll 


1 S 

ll 
1 s 


ilri 


J|.l 


ru, dl. 1 '"" '" f- 

Erh»U™g 1 ""S""« ''" Suom. 
de.Gl.idi- , "'T'-. f. 


Verhiltniss 
V 
F, 


Verh&ltnisa 
V 
F, 


0,836 


624 


i 2,940 


3,7S, 


2,11, 


, 1,... 


3,363 


0,874 


0,896 


0,350 


720 


3,=« 


4,335 


2,68i:> 


l.sifi 


3,836 


0,B84 


0,884 


0,465 


816 


3,841 


4,913 


3,080 


1 U.6 


4,838 


0,907 


0,8ea 


0,680 


888 


4,1»! 


5,318 


3,373 


1 1,S1G 


4,589 


0,911 


0,868 


0,695 


960 


4,S!J 


5,780 


3,698 


1 1,216 


4,908 


0,9S1 


0,84» 


0,81 


1008 


4,74S 


6,0«9 


3,986 


i 1,816 


5,ao2 


0,913 


0,857 



0,580 



91-2 
1032 
1128 



111. Gehobenes Wasserquantum pro Secunde = 16,6 Liter. 



4,297 
4,86! 
5,319 



5.491 
6,214 
6,792 



3,373 



l,Bt 



4,90 
5,253 



1,047 

1,008 



0,81» 
0,788 
0,778 



Eine Messung der aufgewendeten Betriebskraft ist nicht 
erfolgt, daher die Versuche über den eigentlichen Wirkungs- 
grad keine Auskunft geben; jedoch gewähren dieselben den 
Vortheil, fOr eine gegebene FOrderhOhe und ein gefordertes 
Wasserqnantum die passende Radgeschwindigkeit leicht be- 
rechnen zu lassen: Die Umhngsgeschwindigkeit des Bad- 
kflrpers ergiebt sich durch Mnitiplication der Summe F aus 
theoretischer der Förderhflhe h entsprechender Geschwindig- 



keit t'=y2^A plus Wassergeschwindigkeit im Dnu^rohr 
mit einem Coefficienten , der in engen Grenzen (0,77 — 0^ 
bei 16,6 Liter Fdrdermenge) sich bewegt. 

Der Verfasser hUt die AusfUhrnng solcher Pampen fltr 
ein stündlich gefördertes Wasserquantum von 36 bis 9000*" 
(600 bis 150000 Liter pro Minute) für möglich und — im 
Vergleich zu den Centrifngalpumpen — fBr öconomisch vor- 
tbeilhaft 



Zur Theorie der Propellerschraube.*) 



Von 



C. SzUy, 

Frofessor der aiialytischen Mechanik an der königl. pol3rtechni8chen Schule zu Budapest. 



„Die Benennung Schraube wird heut zu Tage 
für alle Treibapparate gebraucht, die an den Stern 
des Schiffes verlegt und von einer Achse aus bewegt 
werden, die mit der Richtung des Kieles parallel ist. 
Eine wahre Schraubenform hat jedoch nur diejenige 
Anordnung, welche zuerst von Smith bei dem Dampf- 
schiffe Archimedes angewendet wurde, alle übrigen so- 
genannten Schrauben gleichen mehr entweder einer 
JonvaTschen Turbine oder einem Windmühlenrad." 

„Ein rationelles Verfahren für die Construction 
der Schiffsschrauben ist nicht bekannt. Die beste 
Form der Flügelflächen konnte bis jetzt aus 
mechanistischen Gesetzen nicht Abgeleitet 
werden." , •./... 

Die Windmühlenradschraube ist nach Redten- 
bacher — von ihm rühren die vorstehenden Zeilen 
her**) — der gewöhnlichen Schraube sowohMn theo- 
retischer wie in praktischer Hinsicht vorzuziehen. Der 
theoretische Vortheil soll darin bestehen, dass man bei 
der Schraube des Windmühlenrades das Drehungsgesetz 
der Erzeugungslinie ganz nach Belieben annehmen und 
dadurch vielleicht so wählen kann, dass eine 
vortheilhafte Form erzeugt wird; während bei 
der gewöhnlichen Schraube ausser dem Neigungswinkel 
des äusseren Schraubenganges Alles unabänderlich be- 
stimmt ist. 

Rühlmann sagt in seinem neuesten Werke über 
den fraglichen Gegenstand Folgendes:***) 



*) Aus der in Budapest in ungarischer Sprache erscheinenden 
technisch-mathematischen Zeitschrift Müegyetemi Lapok (Annalen 
des Polytechnikums) durch den Herrn Verfasser ins Deutsche 
übertragen und der Redaction zur Verfügung gestellt. 

^^) Der Maschinenbau. Mannheim-Heidelberg 1866. Band 3, 
S. 225 und 226. 

**^) Allgemeine Maschinenlehre. Braunschweig 1872. Vierten 
Bandes erste Abtheilung, S. 159. 

CiTllioff6Dleur XXIII. 



„Was die gegenwärtige Gestalt der Schiffsschrauben 
betrifft, so lässt uns leider zu deren Bestim- 
mung die Theorie völlig im Unklaren, wie dies 
selbst aus den betreffenden Arbeiten des wackeren 
Redtenbacher hervorgeht. Daher kommt es auch, 
dass fast jeder Schiffsschraubenconstructeur seine be- 
sonderen Formen hat, die auf mehr oder weniger em- 
pirischen Regeln beruhen." 

Unter diesen Umständen schien es mir gerecht- 
fertigt zu sein, auf das Problem der bestwirkenden 
Schraube die Variationsrechnung anzuwenden; und weil 
die Resultate meiner Rechnungen wenigstens in theore- 
tischer Hinsicht nicht ganz uninteressant sein dürften, 
glaube ich dieselben hiermit veröffentlichen zu können. 

Die Aufgabe, die ich mir stellte, ist die folgende: 
Eine fläche, in "Wasser getaucht, rotirt mit con- 
stanter Winkelgeschwindigkeit um eine Achse, die sich 
in unveränderter Richtung mit constanter Geschwindig- 
keit vorwärts bewegt. Das Wasser übt in Folge seines 
Widei-standes auf jedes Element der Fläche einen Druck 
aus, dessen Richtung in die Normale fällt und dessen 
Grösse proportional ist der Fläche und dem Quadrate 
der normalen Geschwindigkeit. Zwischen gegebenen 
Grenzen wird nun jene Fläche gesucht, bei welcher der 
Druck des Wassers in der Richtung des Vorwärts- 
schreitens ein Maximum oder Minimum ist. Die Rei- 
bung wird nicht berücksichtigt. 

Da die gesuchte Fläche um eine unveränderliche 
Achse rotirt, ist es am zweckinässigsten , cylindrische 
Coordinaten zu wählen und zwar so, dass die Cylinder- 
achse OZ mit der Rotationsachse zusammenfalle. Der 
Ort des Punktes Ä im Räume ist vollständig bestimmt, 
sobald dessen Entfernung s von der Ebene X F, ferner 
die Entfernung r von der Achse, und endlich seine am 
Cylinder gemessene Entfernung von der Ebene ZX, 
d. h. die Länge des Kreisbogens ÄQAi = q gegeben 
sind. Sei in Ä ein Element der Fläche: df; die Ge- 

12 



179 



Szily, Zur Theorie der Propellerschraube. 



180 




schwindigkeit , auf das ruhende Wasser bezogen, sei u 
{= Const.) ; die Rotationsgeschwindigkeit c^=ra), wobei 

10 (= Const.) die Winkel- 
geschwindigkeit bedeutet; 
sei femer v jene Compo- 
nente der Geschwindig- 
keit des Elementes, welche 
in die Richtung der Nor- 
male fällt. Zur Bezeich- 
nung der Winkel mögen 
die Endpunkte der Schen- 
kel in Klammern gesetzt 
werden, dann ist die in die Richtung der Normale fal- 
lende Geschwindigkeit des Elementes: 

v = u.eo8{NU) + c.cos(NC) .... (1) 

demzufolge der Normaldruck auf die Fläche' df 

dN=Wdf (2) 

Zerlegt man diesen Druck nach den orthogonalen 
Richtungen AU, ÄC und AR in die Componenten 
dPf dQ und diJ, so ist: 

dF _ dQ dM_ _ , ^ 

cos\N U) ~ eos (NC) ~ cos {NR) ~ ' ^^^ 

Die Projection des Elementes df auf die Ebene 
XY ist: 

df.co8(NZ) = dr.dq (4) 

da im Punkte A^ das Bogenelement dq mit der Rich- 
tung der Tangente A^ C^ zusammenfällt. Endlich sind 
die Cosinus der Winkel, welche die Normale der Fläche 
mit den Richtungen AU^ AC und AR einschliesst, 
nach bekannten Relationen: 



eos 



(i^io=-(^^)-[(^;)+(^;y+i]-7 



eos (NC) = — t^ eos(NZ), 

dq 

eos{N R) = —^\os{N Z). 

dr 

Wir erhalten somit für die Druckcomponenten fol- 
gende Formeln 

dr==ivUrdq 

dQ^ — iv^^drdq 
dq 

dR= — tv^^drdq 
dr ' 



(5) 



wobei: 



-(— %)W;r+<i:)"^']-'- • 



(6) 



Führen wir statt des Kreisbogens q den Centri- 
winkel (p ein, so ist: 



und 



demzufolge 



q = r.(p 
dq:=:r.d(p^ 

dP^=^iv'rdrd(p 

,d% 
dQ = — iv^^— drdcp 
d(p 

d% 

dJl = — ft?*, rdrdw 
dr 



(5*) 



wobei: 



U 00 



dz 
dq> 



VM^'M^' 



(6') 



+ 1 



Seien nun r^, (p^, 0q und r^, cp^y z^ die gegebenen 
Grenzen der Fläche; folglich ist die in die Bewegungs- 
richtung fallende Kraftcomponente, wenn das constante 



u 



Yerhältniss — mit h bezeichnet wird. 



iO 



^1 qPi / dt 



'•)'r 



To 9o 



^dq>) "*"\ir7 



,dr.dq> (7) 



4-1 



Nun ist das Maximum oder Minimum dieses Dop- 
pelintegrales zu suchen. 

Aus der Variationsrechnung ist bekannt, dass das 
Maximum oder Minimum des Doppelintegrales 



^i r, 



j I Vdrdff 



nur dann stattfinden kann, wenn 

dV _ 
d% 

In unserem Falle kommt in 




— \=0. 




V= 



(-^i)' 



~?\dqi)'^\dr) 



+ 1 



z explicit nicht vor, somit bleibt: 

d /äV\ d / dV 

dr I d% I d<p I d% 

dr] \ dff 



= 0. 



181 



Szily, Zur Theorie der Propellerschraobe. 



182 



dz 
Die partiellen Differentiationen nach -^ und 



dr 



ausgeführt und substituirt, wird 



dg 

d(p 



d 
d 



dr \ dm' 



'li-m^w^'i 



4- 



dtp 






Unsere Aufgabe ist mithin auf die Lösung dieser 
complicirten Differentialgleichung zurückgeführt. Die 
allgemeine Lösung dürfte nach den bis jetzt bekannten 
Methoden mit unüberwindlichen Schwierigkeiten ver- 
bunden sein. Der Hoffnung einer allgemeinen Lösung 
müssen wir daher einstweilen entsagen. 

Es findet sich aber eine höchst einfache specielle 
Losung, die für die technische Praxis von besonderer 
Wichtigkeit zu sein scheint. Redtenbacher geht 
nämlich von der Annahme aus, dass die Propeller- 
schraube, mag sie zu der Classe der gewöhnlichen 
Schrauben oder zu den Windmühlenradschrauben ge- 
hören, stets die Eigenschaft besitze, dass ihre Nor- 
male in die durch die Richtung der beiden 
Geschwindigkeiten — rotirende und fortschrei- 
tende Geschwindigkeit — gelegten Ebene fällt. 
Machen wir diese Annahme und sehen zu, zu welchen 
Resultaten wir geführt werden. 

Diese Annahme bedeutet mit anderen Worten, dass 

die radiale Componente des Normaldruckes — die wir 

früher mit dR bezeichneten — verschwindet. Sei 

demnach : 

, dz 
dJt = — ^v' -r-rdrd(p = 0. 

dr 

Dieser Gleichung können wir nur so entsprechen, 
dass wir 

d% 
dr 

setzen; somit ist e von r unabhängig und nur eine 
Function von q>. Die Annahme Redtenbacher 's ist 
demnach identisch mit der, dass die Propeller- 
schraube eine Conoidfläche sei. Fassen wir dem- 
zufolge unsere Aufgabe in diesem Sinne einfacher und 
setzen sie so: „Zwischen gegebenen Grenzen wird jene 
Conoidfläche gesucht, bei welcher der Druck des Was- 
sers in der Bewegungsrichtung ein Maximum oder Mi- 
nimum isf 

Unter dieser Voraussetzung ist die Differential- 



gleichung leicht zu integriren. Denn in diesem Falle 

de 

-V- gleich gesetzt, geht die allgemeine Differential- 
gleichung in die folgende über: 

d. h. der in den grossen Klammern stehende Ausdruck 

ist von (p unabhängig und nur eine Function von r. 

Setzen wir denselben gleich f{r) und lösen die so ent- 

dz d SS 

standene Gleichung nach ,— , so ist auch -^ nur eine 

Function von r, d. h. 



d% 
d(p 



= F(r). 



Differentiirt man diese Gleichung nach r, so ist: 



1 (^\ — 

dr \dg}/ 



d {dz\_ dF(r) 

dr • 



Nun ist aber z von r unabhängig, somit: 



d. h. 
demnach : 

bder: 



äFjr) 
dr ~"' 

F{r)= Conti. ^=:a, 



d% 

dtp 



a. 



z^aif-^-h 



(8) 



Die Gleichung der archimedischen Schraubenfläche. 
Unter den Cpnoidflächen besitzt mithin nur 
die archimedische Schraubenfiäche die Eigen- 
schaft, dass die Kraftcomponente in der Rich- 
tung der Bewegung ein Maximum oder Mini- 
mum wird. 

Sehen wir nun zu, ob ein Maximum überhaupt 
möglich sei, und wenn ja, bei welchem Neigungswinkel 
der Schraube tritt dies ein? 

Der Ausdruck für die in die Bewegungsrichtung 
fallende Kraftcomponente ist jetzt 



P=fw« 




■r'-('-f;)' 



drd<p 



(9) 



darin sind k und -^— unabhängig von r, demnach ist 

dq> 

die Integration nach r leicht ausführbar. 

12» 



183 



Szily, Zur Theorie der Propellerschraube. 



184 



f^dr 



/; 



* + (-, 



y.=i--(|-y%-P+G' )"]];■ 



Setzen wir die untere Grenze Vq annähernd gleich 
Null, 80 wird 



-'~r/(-^y 



9o 



-(-rf'^)^^" 



r,' + 



\d(p) 



^dg>) 



2 



dtp. 



Bezeichnen wir der Kürze wegen 

1 dz 



ri dtp 



= fi 



und 



80 wird: 



P=^-'^'h' /(l _,)*(i_,.fo^.i±^),^. 



Vo 



Aus der Variationsrechnung ist bekannt, dass P 
ein MaTfiTTniTTi oder Minimum wird, wenn fiir jeden 
Werth von (p zwischen den Grenzen yo und^i 



d^r< 
dfi^> 



0, 



wobei in unserem Falle : 



V = {X-fiY(l^ri'loffnaL^^'^y 



= K 



^/-ltii±w±^^±yj^^ 



Ob die Wirkung bei einer gegebenen Schraube 
Maximum wird oder nicht, hängt davon ab, ob der 
Werth dieses Ausdruckes negativ ist oder nicht. Die- 
selbe Schraube wird für verschiedene Werthe von X 
einmal von maximaler, ein andermal von minimaler 
Wirkung sein. 

Bestimmen wir z. B., wie die Schraube beschaffen 
sein muss, damit sie bei Ingangsetzung des Schiffes, 
wo w = 0, demnach auch A = ist, von maximaler 
Wirkung sei. 

Dies tritt ein, wenn: 



6i2* + 9tr + l 



— 61;^ lognat. 



1 + ^^ 



oder anders geschrieben, wenn: 

^{l — rf lognat, ^'^~-\ - 

Da aber nach (8) 

d% 



<o, 



(1 + rff 



<0 



(11) 



dtp 



die Tangente desjenigen Winkels bedeutet, mit welcher 
die Schraube in der Entfernung Eins steigt, so ergiebt 
sich bei einem Cylinder vom Radius r, der Neigungs- 
winkel a daraus, dass: 



und: 



somit: 



dz 
'^'^^ = d^ 



tga = 



1 dz 



r^ dtp'^ 

fj=ziga. 



Den zweiten Differentialquotienten dieser Function 
entwickelt, ist: 

2 
^ - . . . . (10) 

Der eingeführte Werth rj ist mithin die Tangente 
des Neigungswinkels der Schraubenlinie am Um&nge 
der Schraubenääche. Mit Berücksichtigung dessen ist 
die Ungleichung 11 noch so zu schreiben. 

^{l-\-2tg^alogn(U.nna) — t>os"a{3 + 2cos'^a)<iO (12) 

Fragen wir nun, bei welchen Werthen von a wird 
dieser Ausdruck positiv und für welchen negativ? 

Durch Versuche kann man leicht ermitteln, dass 
für alle Werthe bis 

a< 22«^ 39' 27" 

der Ausdruck (12) positiv ist, mithin ist die Archi- 
medische Schraube von minimaler Wirkung, 
d. h. sie hat unter allen Conoidflächen zwischen den- 
selben Grenzen (r^, /"i), (tp^, tp^) und (^sfj,, z^) die kleinste 
Wirkung. 

Sobald aber 

a > 22*^ 39' 27" 

ist, wird (12) negativ; von hier an ist die archimedische 
Schraubenfläche von maximaler Wirkung, d. h. sie hat 
eine bessere Wirkung, als jede andere Conoidfläche 
zwischen denselben Grenzen. 

" Ausdrücklich mag hierbei bemerkt werden, dass 
diese numerische Rechnung nur für den Fall gültig ist, 
dass k mithin auch die Geschwindigkeit der fortschrei- 
tenden Bewegung gleich Null ist. Wenn der Werth 
von l verschieden von Null ist, muss man zum Aus- 
druck (8) zurückkehren, hierin den g^ebenen Werth 
für X substituiren und nunmehr berechnen, für welche 

d^ V 
Werthe von ij der Ausdruck -j-y negativ wird. 



185 



Nagel, Zur Literatur der Geodäsie. 



186 



Fassen ¥nr die Besultate unserer Untersuchung 
zusammen: 

1) Die Aufgabe, jene Fläche zu bestimmen, 
welche im Wasser rotirend und fortschreitend, 
für die Componente des Wasserdruckes in der 
Richtung des Fortschreitens ein Maximum 
giebt — führt auf eine höchst complicirte Diffe- 
rentialgleichung, deren Lösung derzeit auf 
unüberwindliche Schwierigkeiten zu stossen 
scheint. 

2) Unter den Conoidflächen kann nur die 
archimedische Schraube bestwirkend sein, 
denn sie erfüllt allein die Bedingungen des 
Maximums oder Minimums. 



3) Der Neigungswinkel der unter den Co- 
noidflächen bestwirksamen Schraube hängt 
vom Verhältnisse der Bewegungs- und der 
Drehungsgeschwindigkeit ab. Andere und 
andere Neigungswinkel würden der Schraube 
auf dem Meere, im Strome aufwärts und im 
Strome abwärts zu geben sein. 

4) Bei der Abfahrt des Schiffes im ruhenden 
Wasser (wenn u noch Null ist) darf der Neigungs- 
winkel der conoidalen Schraube nicht unter 
22039'27" sein, denn sonst ist die Wirkung 
nicht nur nicht Maximum, sondern Minimum. 



Zur Literatur der Geodäsie. 



Von 



Prof. A. Nagel in Dresden. 



I. Die praktische Qeometrie seit hundert Jahren. 



Es erfüllt sich gegenwärtig gerade ein Jahrhundert, 
dass auf dem Gebiete der praktischen Geometrie ein Werk 
erschien, welches berufen sein sollte, für diese Wissen- 
schaft eine neue] Aera zu eröffiien. Es veröfiFentlichte 
nämlich im Jahre 1777 Johann Tobias Mayer (Sohn) 
den ersten Theil seines „gründlichen Unterrichts zur 
praktischen Geometrie", dem 1779 der zweite, 1783 der 
dritte, 1794 der vierte (Anweisung zur Verzeichnung 
der Land-, See- und Himmelskarten) und 1808 der 
fiinfte Theil (die praktische Stereometrie enthaltend) 
folgte. 

Diese treffliche, in ihrer Art classische Arbeit, von 
der die ersten drei Bände bis zum Jahre 1818 vier 
Auflagen erlebten, kann als die Grundlage der haupt- 
sächlichsten späteren literarischen Erscheinungen auf 
genanntem Gebiete betrachtet werden. 

Die Anforderungen, die man im Allgemeinen an 
ein Werk über praktische Geometrie zu stellen hat, 
sind zu beurtheilen nach den Anforderungen, denen 
ein praktischer Geometer genügen muss. Dieser soll 
nicht allein mit der für sein Fach nöthigen Geschick- 
lichkeit und manuellen Fertigkeit ausgestattet sein und 



die einzelnen Messungsmethoden vollständig beherrschen, 
sondern er soll auch eine gründliche Kenntniss der in 
Anwendung zu bringenden Instrumente haben. Er soll 
daher namentlich auch mit der Leistungsfähigkeit und 
mit den Eigenthümlichkeiten seiner Instrumente voll- 
ständig vertraut sein, um beurtheilen zu können, ob 
sie dem Genauigkeitsgrade auch wirklich entsprechen, 
der für einen bestinmiten Zweck von seiner Arbeit ge- 
fordert wird. Er muss wissen, welche Vortheile in ge- 
wissen Fällen das eine Instrument vor dem andern 
gewährt, um eine geschickte Auswahl unter den vor- 
handenen Hilfsmitteln treffen zu können. Insbesondere 
muss er aber im Stande sein, seine Instrumente selbst- 
ständig zu prüfen und zu berichtigen, sowie den Ein- 
fluss der etwa in der Berichtigung verbleibenden Un- 
sicherheiten auf die Messungsresultate zu beurtheilen. 

Diese Grundsätze, welche bei fast allen literari- 
schen Erscheinungen der Neuzeit mehr oder weniger 
in das Auge gefasst werden, sind bereits für Johann 
Tobias Mayer bei AbÜEissung seines erwähnten 
Werkes leitend gewesen, weshalb er in seiner VoiTede 
sagt: 



187 



Nagel, Zur Literatur der Geodäsie. 



188 



„Meines Erachtens ist der kein gründlicher 
Feldmesser, der nicht zugleich die Richtigkeit 
seiner Messungen zu beurtheilen weiss, der nicht 
einen ungefähren Ueberschlag machen kann, 
unter welchen Umständen er mehr oder weniger 
vorsichtig handeln müsse.'' 
Als Privatdocent an der Universität Göttingen 
(von 1773—1779) mit den Vorlesungen und Uebungen 
in der praktischen Geometrie betraut, fand Mayer 
unter der bisherigen Literatur kein geeignetes Werk, 
das seinen Anforderungen in Theorie und Praxis zu- 
gleich entsprochen hätte. Die meisten Werke über 
Feldmesskunst behandelten ihm den Gegenstand zu 
handwerksmässig. Man fand darin weder eine genaue 
Theorie und Beschreibung der Messwerkzeuge, noch 
Methoden, sie zu prüfen, sie nach der Beschaffenheit 
und Zusammensetzung ihrer einzelnen Theile richtig zu 
behandeln, ihre Fehler zu schätzen und die Folgen zu 
berechnen. Man suchte vergebens nach Hilfsmitteln, 
sich in schwierigen Fällen zu helfen und eine schick- 
liche Wahl der äussern Umstände zu treffen, unter 
denen sich die geodätischen Arbeiten am leichtesten 
und zuverlässigsten bewerkstelligen lassen. Diesem 
Mangel suchte Mayer durch das erwähnte Werk ab- 
zuhelfen, und es ist ihm sein Vorhaben vollständig ge- 
lungen. Man sieht aus seiner Darstellung, wie innig 
bei ihm die Praxis mit der Theorie verbunden war, 
was gerade auf diesem Felde nothwendig ist, wenn 
etwas wahrhaft Gutes zu Tage gefordert werden soU. 
Namentlich behandelte er die zu damaliger Zeit üblichen, 
allerdings nur in sehr beschränkter Anzahl vorhan- 
denen, Instrumente der Feldmesskunst ausführlich und 
war der Erste, der die Theorie der Fehler, sowohl der 
Messwerkzeuge, als der Messungen und deren Folgen, 
in einem Werke über praktische Geometrie speciell be- 
handelte, eine Theorie, die sich theilweise den Arbeiten 
Lambert 's und Kästner 's anschloss und zumeist 
gegenwärtig noch als maassgebend erachtet wird. 

Mayer 's reichhaltiges Werk, dem nur das Eine, 
nämlich die systematische, leicht zu übersehende An- 
ordnung abging, wie wir sie an neueren Werken ge- 
wöhnt sind, hat viele Jahre als die einzige lautere 
Quelle gegolten, welche die gesammte Vermessungskunde 
umfiEisste und aus der sich der praktische Geometer 
Baths erholen konnte. Neuere Erfahrungen und Fort- 
schritte auf dem Gebiete der Geodäsie und der Instrumen- 
tenmechanik, an denen die seit dem zweiten Decennium 
dieses Jahrhunderts in Fluss gebrachten sogenannten 
Katastervermessungen einen nicht geringen Antheil 
haben, erheischten auch neuere Bearbeitungen der Geo- 
däsie, unter denen wir insbesondere des im Jahre 1832 



in Göttingen erschienenen Lehrbuchs der praktischen 
Geometrie von Ullrich zu gedenken haben, das in 
systematischer Anordnung des mit der erforderlichen 
Kürze und Klarheit behandelten Stoffes den G^ist 
May er 's in der folgenden Generation lebendig erhielt 

Es ist nicht die Schuld des letztgenannten Buches, 
wenn es nicht — wie es allerdings hätte berufen sein 
sollen — im Stande gewesen ist, die Empirie im Ver- 
messungsfache ganz zu vernichten, da es redlich daza 
beizutragen gesucht hat, dem Feldmesser die ihm nö- 
thigen Kenntnisse zu vermitteln; der Grund ist viel- 
mehr zu suchen in der geringen Vorbildung der aus- 
übenden Feldmesser, die für ihren Beruf meist nur 
handwerksmässig angelernt wurden und die so die Em- 
pirie auf die Nachkommenschaft vererbten. Ausser den 
Militärschulen, an denen die Geodäsie speciell mit Rück- 
sicht auf militärische Zwecke gelehrt wurde, existirten 
besondere Anstalten für eine wissenschaftliche Fach- 
ausbildung nicht und die Universität, die neben der 
Astronomie auch nur ausnahmsweise (wie in Göttingen) 
Vorlesungen auf diesem Gebiete bot, war solchen Leuten 
nicht zugänglich. 

Erst mit dem Beginne der Eisenbahnbauten am 
Ende der dreissiger und zu Anfang der vierziger Jahre 
dieses Jahrhunderts wurde in einem Theile des mit 
Vermessungen beschäftigten .Personals eine grössere 
Wissenschaftlichkeit rege. Die mit dem Eisenbahnbau 
betrauten Ingenieure, denen ja ohnedies eine grössere 
Intelligenz inne wohnen musste, als den gewöhnlichen 
Feldmessern, hatten die Grundlage für ihre Bauten durch 
Messungen sich meist selbst zu schaffen. Es war 
daher auch nothwendig, den Unterricht in praktischer 
Geometrie an diejenigen Stätten zu verpflanzen, an 
denen die Ingenieure gebildet wurden, nämlich an die 
poljrtechnischen Schulen, die zumeist erst wenige Jahre 
vorher gegründet worden waren. 

Die älteste dieser Anstalten in Deutschland, das 
im Jahre 1815 eröffnete polytechnische Institut zu 
Wien, war zugleich die einzige, an welcher viel früher, 
nämlich im Jahre 1818, eine Professur für praktische 
Geometrie errichtet wurde, um, wie der veröffentlichte 
Organisationsplan besagte, „durch selbige den Land- 
und Feldmesser, den Ingenieur, Markscheider zu büden 
und als Hil&wissenschaft für den Land- und Wasser- 
bau, für den Strassenbau, für den Bergbau und für die 
Landwirthschaft zu dienen.'* In diesem Institute sind 
lange vor dem Eintritt der Eisenbahnbauperiode viele 
Geometer, namentlich auch solche, die später an der 
österreichischen Landes- (Katastral-) Vermessung mit 
thätig waren, zuerst durch den Professor v. Gerstner 



189 



Nagel, Zur Literatur der Geodäsie. 



190 



und dann, vom Jahre 1826 an, durch den Professor 
S. Stampfer gebildet worden. 

Der Beginn, der Eisenbahnbauten in Deutschland 
ist daher wiederum als der Beginn einer neuen Epoche 
für die praktische Geometrie zu betrachten. Denn ver- 
folgt man seit dieser Zeit die Literatur unserer Wissen- 
schaft, so wird man die enormen Fortschritte erkennen, 
die eines Theils in den letzten 40 Jahren selbst, dann 
aber auch dem vor hundert Jahren erschienenen Werke 
Johann Tobias Mayer's gegenüber in der praktischen 
Geometrie stattgefunden haben. 

Wir glauben das hundertjährige Gedächtniss an 
das Erscheinen des reformatorischen Werkes Mayer's 
am besten zu ehren, wenn wir an der Hand desselben 
eine vergleichende Uebersicht bezüglich des Standes 
der geodätischen Wissenschaft in den Jahren 1777 und 
1877 geben, um dann in einem folgenden Artikel un- 
sere literarische Revue mit drei der hervorragendsten 
geodätischen Werke der Neuzeit zu beginnen, welche 
den erwähnten Fortschritt in den letzten Decennien am 
meisten erkennen lassen. 



Die vergleichende Uebersicht kann nicht erschö- 
pfend sein; wir heben vielmehr nur einige der haupt- 
sächlichsten Gegenstände der in B.ede stehenden Wis- 
senschaft heraus, da es offenbar zu weit fuhren würde, 
in dieser Weise aller Zweige der praktischen Geometrie 
gleichmässig zu gedenken. Namentlich werden wir 
hierbei die Messinstrumente und einzelne Theile der- 
selben berücksichtigen, wozu wir aber ausdrücklich be- 
merken, dass wir uns dabei rein an die Mayer 'sehe 
Schrift halten, ohne damit ausdrücken zu wollen, dass 
man nicht schon damals, insbesondere in der Astro- 
nomie, vollkommenere Constructionen gekannt habe. 
Die praktische Geometrie hat ja von jeher ihre Mess- 
instrumente erst der astronomischen Messkunst entlehnt. 
Wenn man sich aber zur Zeit Mayer's in der prak- 
tischen Geometrie*) mit möglichst einfachen Werkzeugen 
begnügte, so waren hierbei ökonomische Rücksichten, 
sowie die Ansicht maassgebend, dass für die gewöhn- 
lichen geodätischen Zwecke die einfachen Instrumente 
ausreichend seien. 



1777. 



1877, 



Röhrenliheile. 



Mayer hält die Glasröhre für „genau cylindrisch*' und 
empfiehlt daher, sie mit besonderer Vorsicht auszuschleifen und 
zu poliren.**) Der Röhrenrücken wird sonach im Innern fftr ge- 
radlinig***) gehalten. 



Füllung mit Wasser oder Weingeist; Blase: atmosphärische 



Luft. 



Empfindlichkeit der Libelle ist nach Mayer mit Beweg- 
lichkeit der Luftblase gleichbedeutend. 



Die Glasröhre tonnenförmig ausgeschliffen, und zwar 
zuerst von Reichenbach und Frauenhofer. Dadurch wird 
ein im Innern nach oben gekrümmter Röhrenrücken erzeugt, an 
dessen höchstem Punkte die Luftblase zur Ruhe kommt Gerad- 
linigkeit des Röhrenrtickens daher unbrauchbar. 

Füllung mit Weingeist, dann besteht die Blase ans atmo- 
sphärischer Luft. Bessere Libellen aber mit Schwefeläther ge- 
füllt, so dass die Blase aus Aetherdampf besteht, um bei erhöhter 
Temperatur gefährliche Spannungen im Gefässe zu vermeiden. 

Empfindlichkeit proportional dem Halbmesser des kreis- 
förmig ausgeschliffenen Röhrenrückens. 

Die Beweglichkeit der Blase abhängig unter Anderem von 
der Glattheit der inneren Röhrenwand. Sie befördert das schnel- 
lere Einspielen. 



Graphische WinkelmeBBer. 

1) Zollmann' sehe Scheibe, jedoch von Mayer nicht be- 
sonders empfohlen. 

2) Messtisch, obwohl mit Azimuthaibewegung und Horizon- 
talstdlung versehen, noch in sehr unvollkommener Ausführung. 
Die Marinoni*sche Planchettenverschiebong, bereits im Jahre 
1761 veröffentlicht, hat Mayer' zwar erwähnt, aber nicht be- 
schrieben. 



*) Nur von dieser, der sogenannten niederen Messkunst, ist 
hauptsächlich im Mayer*schen Werke die Rede, die höheren 
Messungen zur Bestimmungen der Grösse und Gestalt der Erde' 
Bind ausgeschlossen. 

**) Bohnenberger verweist in seiner^ Anleitung zur geogra- 
pluBchen Ortsbestimmung (1796) bezOfflicl) der Anfertigunff einer 
gaten Libelle auf das in Rede stehende M ayer'sche Werk. 



1) Zollmann*8che Scheibe ist als vollständig beseitigt zu 
betrachten. 



2) Messtische mit feiner Azimuthaibewegung, HorizontaLstel- 
lung und Planchetten- oder Kopfverschiebung in sehr vollkommner 
Ausführung durch Reichenbach, Kraft, Starke, Osterland, 
Lingke, Bauernfeind und Andere. 

Neues Princip der Horizontalstellung von Jahns ^1864). 



Diese Anschauung Mayer's erscheint wunderbar, da die 
Libelle zu damaliger Zeit oereits über 100 Jahre bekannt und im 
Gebrauche war. Wenn man diese dargelegte Ansicht nur auf 
eine unbestimmte oder unklare Ausdrucksweise zurückführen 
woUte, so wird dem dadurch widersprochen, dass Mayer an ver- 
schiedenen Stellen und unter verschiedenen Umständen wiederholt 
betont: die Libelle müsse genau cylindrisch sein. 



191 



Nagel, Zur Literstar der Geodäsie. 



192 



1777, 



1877. 



Da* dazu geharmde VütrUneal. 



1) Das Oculardiopter mit Yisirspaite. 

Diopterlineal meist mit der Visirebene in der Linealmitte, 
weil Mayer den Fehler, der daraus entspringt, für so klein hftlt, 
dass er, mit Rücksicht auf andere grössere Fehlerquellen, vernach- 
lässigt werden kann. 

2) Ein Femrohr statt der Diopter wurde nur selten ange- 
bracht und dann war ein solches Instrument ohne jede Einrich- 
tung für. die Correction desselben. Mayer schlug vor, das Fem- 
rohr zur Verwohlfeilerung desselben aus Holz herzustellen. 



1) Oculardiopter mit runden Oeffhungen* 
Visirebene stets durch die Linealkante gehend. 
Constraction des Werkzeugs mit Rücksicht auf das Minimum 

des Visurfehlers. 

2) Kippregel zum Durchschlagen des Fernrohrs und den 
nöthigen Einrichtungen zum Justiren. Libelle auf der hori- 
zontalen Drehungsachse des Femrohrs nach Kraft, Starke, 
Bauernfeind und Andern, zur genauen Yerticalstellung der 
Visirebene. 

Kippregel mit distanzmessendem Fernrohr. 



DurchsekmUUeher Vtsur/ehler. 



1) Mayer giebt denselben für Diopter zu 2 Minuten an. 



2) Der Yisurfehler mit Femrohr hängt nach Tobias Mayer 
(Vater) .von der Länge des Femrohrs ab. Er giebt denselben 
für ein Vi Fuss langes Rohr zu 15'', fOr ein 1 Fuss langes zu 
10" u. s. f., für 30 Fuss Länge zu 1,6" an. 



1) Nach Stampf er *8 Versuchen bei zweckmässiger Constrac- 
tion des Diopters bezüglich der Weite der Ocularöfihung, der Fa- 
denstärke und der Entfernung der Diopter zu 15 Secunden anzu- 
nehmen. 

Runde Oeffiiungen besser als Spalten. 
Zweckmässig ist es, den Raum zwischen beiden Dioptern 
durch eine Röhre abzuschliessen. 

2) Stampfer findet für gute achromatische Femröhre mit 
massiger Vergrösserung den Yisurfehler umgekehrt proportional 

15" 
der Vergrösserung und setzt ihn nahe =- - , wenn v die Ver- 
grösserung des Femrohrs ist. 

Für kleine Fernrohre zum Vor- und Rückvisiren mit der 
Vergrösserung =1 findet er den durchschnittlichen Yisurfehler 
zu 5". 



Vergrösserung des Femrohrs für geodätische Zwecke, 



Mayer spricht sich darüber nicht aus, nur an einer Stelle 
giebt er für ein spedelles Femrohr eine 20 malige Vergrösserung an. 



Stampfer empfiehlt für geodätische Femrohre möglichst 
grosse Helligkeit und ein grosses Gesichtsfeld und hält di^her die 
Yergrösserungszahl für zweckfDässig , wenn sie sich zwischen der 
einfachen und doppelten in Zollen ausgedrückten Brennweite be- 
findet. 



Graphische und mechanische Losung der Pothenot' sehen Aufgabe. RückwärUahschneiden. 



1) Die Mayer*sche graphische directe Lösung ist der später 
von Bohnenberger gegebenen sehr ähnlich. 

2) Indirecte graphische Lösungen giebt Mayer nicht. 



3) Als mechaiusche Lösung empfiehlt Mayer das Brand er *- 
sehe Verfahren mittelst eines Zirkels mit drei Spitzen, die so 
gegeneinander gestellt werden, dass sie ein verjüngtes Bild von 
dem in der Natur gegebenen Dreieck darstellen. Die drei Zirkel- 
spitzen werden nun auf die drei von einem willkürlich angenom- 
menen Punkte gezogenen Visirlinien eingestellt, wodurch die Lage 
des 4. (angenommenen) Punktes gegen die drei gegebenen be- 
stimmt ist. 



1) Unter den vielen directen Lösungen sind die von Bohnen- 
berger, Netto und Leonhardi am anwendbarsten. 

2) Von den indirecten Lösungen werden die Schickhard*- 
sche, die Lehmann'sche und die Bohnenberger'sche am 
meisten in Anwendung gebracht. 

3) Als eine mechanische Lösung kann das umgekehrte Br an- 
der *sche Verfahren angesehen werden, nach welchem die drei 
Visirlinien nach den gegebenen Punkten auf Pauspapier gezeichnet 
und dann auf dem auf dem Messtische gegebenen Dreiecke so 
lange verschoben werden, bis sie durch die drei gegebenen Punkte 
gehen. Der gemeinschaftliche Scheitelpunkt der beiden Winkel 
auf dem Pauspapier ist dann der gesuchte Punkt und braucht 
nur auf das Menselblatt mittelst Durchstechens übergetragen zo 
werden. 

4) Mit Hilfe des von Bauernfeind erfundenen Einschneide» 
zirkeis werden die Schickhar duschen Kreise durch die Ecken 
des fehlerzeigenden Dreiecks construirt und der Schnittpunkt der^ 
selben als der gesuchte Punkt bezeichnet. 



193 



Nagel, Zur Literatur der Geodäsie. 



194 



1777. 



Abstfckung reehUr Winkel, 



1877. 



1) Nach dem Aagcnmaasse bei Kettenmessungen. 

2) Mit der Kette in der Natur, wie mit dem Zirkel auf dem 
Papier. Pythagoräisches Dreieck. 

3) Winkelhaken »= Winkelmaass (der Baugewerken) für Ketten- 
messungen. 

4) Die Kreuzscheibe »i Winkelkreuz war schon vor Mayer 
l&ngst bekannt und angewendet*), ist aber in der 1. Auflage nicht 
aufgeführt. In der 3. Auflage findet sie sich, aber nur ganz kurz 
erwähnt. 



1) Desgl., aber mit der Beschränkung auf kurze Ordinaten 
und auf die Höhen der Dreiecke bei Flächeninhaltsbestimmungen» 

2) Ebenso wie nebenstehend. 

3) Nur in sehr beschranktem Maasse bei Grundabsteckungen 
für Bauten. 

4) Winkelkreuz mit Stiften, das bessere mit Dioptern. Win- 
kelscheibe. 

5) Adams*scher Winkelspiegel. 

6) Das Bauernfeind*8che Prismenkreuz. 

7) Das Bauernfeind*sche Spiegelprisma. 

8) Das Wol]aston*sche Glasprisma u. dergl. 



Absteckung gestreckter und halber rechter Winkel, 



Gestreckte Winkel nur mit Stäben. 45® -Winkel gar nicht 
(Die römische Groma wurde auch zur Absteckung gestreckter 
Winkel benutzt.) 



Gestreckte Winkel mit den zuletzt sub 6) und 7), 45®- Winkel 
mit den sub 7) und 8) aufgeführten Werkzeugen. 



Vollkreis oder Kreisbogen für Wittkelniessinstrumente. 



Für Horizontal- und schiefe Winkel: meist Vollkreis, auch 
Halbkreis; für Verticalwinkel : Quadrant, auch Vollkreis. 

Mayer hält sogar Quadranten für Horizontalwinkel für vor- 
theilhaft. weil der Halbmesser grösser genommen werden könne, 
ohne dass das Instrument kostspieliger und schwerer werde. 



Meist nur Vollkreise. 

Nur der Spiegelsextant und einzelne Höhenbogen von gerin- 
gerer Bedeutung treten als Theile eines ganzen Kreises auf. 



Kreidheüung. 



Mayer empfiehlt, dieselbe mit dem Stangenzirkel zu be- 
wirken, da er die von den Mechanikern mit der Theilscheibe 
ausgeführten Thcilungen mangelhaft befunden habe. Er hat 
z. B. an solchen Kreisen Theilungsfehler bis zu 6' entdeckt.**) 

May er 's Instrument enthielt nur Gradstriche bei 12 Zoll 
Durchmesser des Kreises. 

Jeder Kreis war gewöhnlich mit 2 Theilungen versehen; die 
eine mit 360° die andere mit 384** für die ganze Peripherie. 



Mittelst der zuerst von Ramsden und dann von Beichen- 
bach und Andern construirten Kreistheilmaschinen werden gute 
Kreistheilungen ausgeführt, an denen die Theilungsfehler selten 
2" überschreiten. 

An geodätischen Instrumenten geht die directe Theilung je 
nach der Grösse der Kreise (5 bis 12 Zoll Durchmesser) bis zu 
Vn Ve» j* ^^ den feinsten bis zu Vis Grad. 

Jeder Kreis enthält nur eine Theilung: entweder die alte 
Theilung der Peripherie in 360®, oder die neue in 400®. 



Untertheilung = Subdivisian des Kreises. 



1) Transversalentheilung. 

2) Nonius -= Vemier. 

3) Mikrometerschraube, mit der die Alhidade bewegt und der 
Raum zwischen deren Index und dem nächstvorhergehenden Theil- 
strich gemessen wird.***) 

4) Die beiden bereits erwähnten, auf demselben Kreisrande 
angebrachten Theilungen der Peripherie in 360® und 384''. welche 
einander zur Controle dienen. 

Die Ablesungen nur bis etwa 2 Minuten. 



*) Man denke an die römische Groma. 

**) Auch Bohnen ber^er beschreibt a. a. 0. die Kreisthei- 
lung mit Stangenzirkel. Die bessern Theilungen wurden zuerst 
von Ramsden ausgeführt und datiren vom Jahre 1763, in wel- 
chem er seine erste Kreistheilmascfaine vollendete, der im Jahre 
1778 die zweite vollkommnere folgte. Mayer sagte in der 
4ritten Auflage seines Werkes (1802): Es würde ein Kreis von 

CiTfUnr«nlear ZXUI. 



1) Transversalen-Kreis theilungen existiren nicht mehr. 

2) Nonius. 

3) Die Mikrometerschraube in nebenstehendem Sinne kommt 
nur noch selten vor; dagegen sind an deren Stelle auch für geo- 
dätische Instrumente die mikrometrischen Mikroskope (Mikroskop- 
Mikrometer oder auch Schraubenmikrometer genannt) getreten. 

4) Dieses Hilfsmittel gänzlich verlassen. 



Die AblesuÄgen gehen bis zu 1', 30'', 20", 10" und 5" mit 
Nonius, ja bis zu Secunden und Bruchtheilen derselben mit 
mikrometrischem Mikroskop. 



18—20 Zoll Durchmesser und der Fleiss eines Ramsden dazu 
gehören, wenn die TheUstriche auf 1 Bfinute sicher sein sollten. 



**) Maver sagt: er bediene sich ungern des Nonius, son- 
dern ziehe die Mikrometerschraube vor. 



13 



196 



Nagel, Zar Literatur der Geodäsie. 



196 



1777. 



1) Astrolabium mit Dioptern, einem Halb- oder einem Voll- 
kreise, und auch im letztem Falle nur mit einem Nonius. 
Nussbewegung mit Hülse auf Zapfenstati?« 

2) Astrolabium nach May er 's Angabe mit Femrohr bis zu 
höchstens 20^ Neigung kippend, mit einer 90^- und einer 96*^-Thei- 
lung, Alhidadenregel, einem Nonius und einer Mikrometer- 
schraube zur feinern Ablesung der Theilung, ohne wesentliche 
Justimngsvorrichtung. Vor Mayer existirten Astrolabien, an 
denen das Femrohr parallel mit dem Kreise angebracht war, die 
also nur zum Messen schiefer Winkel benutzt werden konnten. 
Das Instrument des Vaters von Mayer war ein solches. 

3) Repetition der Winkel. Die Einstellung des Fem- 
rohrs auf das eine Object erfolgte stets durch Drehen des ganzen 
Instnimentes auf dem Stativzapfen, der durch eine angebrachte 
feine Bewegung die nöthige Schärfe gegeben werden konnte. Die 
Einstellung auf das zweite Object geschah sodann mit der Alhi- 
dade, die während der ersten Einstellung mit dem Limbus mit- 
telst der an der Peripherie desselben wirkenden Halterplatte fest- 
geklemmt war.*) 



1877. 

WinkelmessiiMtrttment für Hortzontalmnkel. 

1) Astrolabien fast vollständig ausser Gebrauch. 



2) An die Stelle des Astrolabiums ist der Theodolit mit 
langer Alhidadenaxe, Alhidadenkreis und Dreifuss, sowie allen 
jenen Vorrichtungen getreten, die eines Theils zur Erleichterung 
der Justirung, andem Theils zur Elimination der constanten Fehler 
aus der Winkelmessung angebracht sind, wozu namentlich ge- 
hören: das durchschlagbare oder umlegbare Femrohr und zwei 
diametrale NonieiKoder mikrometrische Mikroskope. 

3) Die Repetition der Winkel wurde durch Bor da in ver- 
vollkommneter Weise auf den Mayer-Borda*schen Reflezious- 
kreis, dann aber mit grossem Vortheil von Reichenbach auf 
den Theodolit angewendet. An dem heutigen Repetitionstheodolit 
dreht sich der Limbus ebenso um eine besondere Achse, wie die 
Alhidade, welche Bewegungen d^rch Klemmvorrichtungen, die 
man aber zur grösseren Sicherheit nicht mehr an der Peripherie 

' des Kreises anbringt, aufgehoben werden können. 

Die Repetition der Winkel wird gegenwärtig mit Vortheil 
nur noch mit Instrumenten in Anwendung gebracht, bei denen 
die Subdivision mittelst Nonius eijplgt und die Noniusangabe 
wesentlich grösser ist als der Visurfehler. 

Fehler in der WinkelmenHung wegen der Excentricität der Alhidade und Elmiination desselben. 



Mayer entwickelt die Formel für genannten Fehler, giebt 
aber nicht die Mittel an, um diese bedeutende Unsicherheit ohne 
Rechnung aus der Winkelmessung zu eliminiren. **) 

Er empfiehlt daher möglichst genaue Anfertigung des Instm- 
mentes und nur andeutimgsweise die Beseitigung eines solchen 
Fehlers durch Rechnung, zugleich aber auf die Schwierigkeit der 
Bestimmung der hierzu erforderlichen Excentricitätselemente hin- 
weisend. 



Die Mayer*8che Formel zur Berechnung des fraglichen Feh- 
lers besteht noch. Der Fehler wird aber jetzt durch das arith- 
metische Mittel diametraler Ablesungen eliminirt, die ent^ 
weder durch diametrale Indices (Nonien u. s. w.) oder mittelst 
Durchschlagens des Femrohrs und Messens des Winkels in beiden 
Lagen des Fernrohrs erhalten werden. Nur bei Theilen von 
Kreisen, wie beim Spiegelsextant, muss die Elindnation durch 
Rechnung erfolgen. 



Bestvnwnttng der ExcentricüätsehtnenU» 



Mayer lehrt die Untersuchung der centrischen Lage der 
Alhidade gegen den Limbus durch die Beobachtung, ob beim 
Drehen der Alhidade, nach und nach bis zu 360 ", das Ende der- 
selben inmier gleich weit vom eingeth eilten Kreise entfemt bleibe, 
empfiehlt, den dabei sich etwa ergebenden grössten und kleinsten 
Abstand mit dem Haarzirkel zu messen, deren Differenz als die 
Excentricität der Alhidade zu betrachten, für die Richtung der- 
selben aber die Ablesung der Stelle am Elreise einzuführen, an 
welcher der erwähnte kleinste Abstand gefunden wurde. 



Mit Hilfe der diametralen Indices können jetzt die Elxcen- 
tricitätselemente durch Ablesungen, die man in zwei um 180® von 
einander verschiedenen Stellungen derselben macht, sehr scharf 
bestimmt werden. Aber auch bei Instrumenten, die nur mit einem 
Index versehen werden können, wie am Spiegelsextant, lassen sich 
die Excentricitätselemente auf rationelle Weise durch Messung 
zweier oder mehrerer Winkel von verschiedener, aber bekannter 
Grösse ermitteln, um damit nöthigenfalls die Correctionen zu be- 
rechnen, die an den mit einem solchen Instrument gemessenen 
Winkeln anzubringen sind. 



Fehler in der HorizarUalwinkel- Messung^ wenn die horizontale Drehungsachse des Fernrohres nicht rechtwinklig zur veriseakn 

Umdrehungsachse der Alhidade ist, Elimination desselben. 

m 

Mayer bezeichnet diesen Fehler als solchen, welcher in der Dieselbe Formel zur Beurtheilung des Fehlers. 

Winkelmessung entsteht, wenn die Visirebene des Femrohres Beseitigung desselben mit Compensationstheodoliten durch 

nicht rechtwinklig auf dem Werkzeuge steht, also bei horizontaler das arithmetische Mittel zweier Winkelwerthe, welche man durdt 



Lage des letztem nicht vertical ist. Er stellt die Formel für den 

*) Diese Methode der Winkelmessung wurde von Tobias 
Mayer (Vater) erfunden, im Jahre 1752 zuerst bekannt gemacht 
und zunächst auf seinen Recipiangel angewendet. 

**) Im Maximum kann der Fehler x** ^ 412530'' -— betragen. 



Messung in beiden Lagen des Femrohres vor und nach dem 



wenn e die Excentricität der Alhidade und r der Halbmener dit 
Kreises ist Hätte der Kreis 60 Millimeter Halbmesser, so wtrde 
eine so geringe Excentricität von f«=»0,05 IGUimetani eines 
Fehler erzeugen, der sich zwischen —844" und -^844'^ bewegt 



197 



Nagel, Zur Literatur der Geodäsie. 



198 



1777. 

Fehler auf und zeigt, wie derselbe durch Rechnung aus der 
Winkelmessung beseitigt werden kann, wenn die Neigung der 
horizontalen Drehungsachse gegen den Horizont, sowie die Eleva- 
tionswinkel der beiden Yisuren bekannt sind. 

Die Neigung der Visirebene und damit die zur Correctur er- 
forderliche Neigung der horizontalen Achse bestimmt er mittelbar 
durch Visiren nach einem Lothfaden in verschiedenen bekannten 
Lagen des Femrohrs. ^ 

Ein anderes Mittel zur Elimination des Fehlers giebt er nicht, 
sondern empfiehlt zur Vermeidung desselben den Kreis mittelst 
der Libelle möglichst genau horizontal zu stellen (die Vertical- 
Btellung der verticalcn Achse, auf die es besonders ankommt, wird 
gar nicht in Frage gezogen) und darauf den nach dem Lothfaden 
sich ergebenden Fehler in der verticalen Lage der Visirebene 
durch Verstellen des Trägers der horizontalen Achse mittelst der 
Stellschrauben am Fusse desselben zu beseitigen. 



1877. 

Durchschlagen oder Umlegen desselben (nicht Umlegen der Achse) 
erhält. 

Eine möglichst genaue Bechtwinkligstellung beider Achsen ist 
durch die Einrichtung der Verschiebung des einen Lagers |der 
horizontalen Achse mittelst Zug- und Druckschraube in verticaler 
Richtung ermöglicht. Das Mittel zur Prüfung gewährt die auf 
die Achse aufsetzbare Libelle.* 

Ist eine solche nicht vorhanden, so kann die rechtwinklige 
Lage beider Achsen durch Visiren nach hoch- und tiefgelegenen 
Objecten in beiden Lagen des Femrohrs constatirt oder nöthi- 
genfalls herbeigeführt werden. 

Ist das Instmment zum Compensiren nicht eiugerichtet, so 
würde die Prüfung nach einem hochgelegenen Object und nach 
dessen Bild in einem Horizontalspiegel zu erfolgen haben. 



Fehl^ in der Winkehtienftwig wegen nicht rechtwinkliger Lage der Visir- und der ]iori%ontal^% Drehachse, 



Mayer hält diesen Fehler für so unbeträchtlich, dass er es 
nicht für nöthig erachtet, denselben mit in Erwägung zu ziehen; 
auch giebt er kein Mittel an, die rechtwinklige Lage beider Achsen 
zu prüfen und nöthigenfall^zu berichtigen. 



Dieser wesentlich geringer als der vorige auftretende Fehler 
wird gleichfalls durch das soeben erwähnte Compensationsver- 
fahren eliminirt» Uebrigens wird die rechtwinklige Lage beider 
Achsen leicht durch Visiren nach einem entfemten, im Horizont 
des Instrumentes liegenden Punkte, darauf folgendes Umlegen der 
horizontalen Drehachse in den Lagern und nochmaliges Visiren ge- 
prüft und durch seitliches Verschieben des Fadenkreuzes herbei- 
geführt. Ausser dieser sehr einfachen Methode giebt es noch 
mehrere andere Methoden der Prüfung. 

Fehler in der Horizontalwinkehnesstmg wegen der nicht genauen Verticalsteüung der verticalen Drehungsachse. 



Mayer untersucht diesen Fehler als solchen, der von der 
nicht genauen horizontalen Lage der Ebene des Werkzeuges her- 
rührt hind giebt Formeln dafür, welche aber noch der Verein- 
fachung fähig sind. 

Beseitigung dieses Fehlers nur durch genaue Horizontalstel- 
lung des Kreises mit einer guten Wasserwaage, so dass die Un- 
sicherheit derselben höchstens 10' und daher der daraus entsprin- 
gende Fehler höchstens 4' bis 5' betrage. 



Abgekürzte Formel für diesen Fehler, der nur von der Nei- 
gung der Verticalachse und nicht eigentlich von der geneigten Lage 
des Horizontalkreises abhängt (Der Horizontalkreis soll recht- 
winklig zur Verticalachse sein; eine kleine Abweichung schadet 
aber nichts, wenn nur die Verticalachse wirklich vertical steht) 

Die Verticalachse des Theodoliten lässt sich mit grosser Schärfe 
durch die auf der Horizontalachse sitzende oder mit deren Trägem 
verbundene Libelle, die ja eine grosse Empfindlichkeit (bis zu 
2" pro Scalentheilausschlag der Blase) erhalten kann, vertical 
stellen. 

Mit einer solchen Libelle kann auch die Neigung der Ver- 
ticalachse ihrer Lage und Grösse nach bestimmt und damit nöthigen* 
falls die an dem gemessenen Winkel anzubringende kleine Cor- 
rection berechnet werden. 

Eine Elimination dieses Fehlers durch die Art der Winkel- 
'■ messung ist nicht möglich. 

GrÖsster Fehler in der ffinkelmessung ^ insoweit derselbe von umermeidUehen Beohachtungsfehlem herrührt. 

Nach Mayer*s Erfahmng 2 bis 3 Minuten. | Hängt von der Genauigkeit des Instramentes ab. Man kann 

ihn bei kleinem Instramenten gleich der Noniusangabe annehmen« 
Bei feinem Instrumenten hängt er noch von der Genauigkeit der 
Visur und von dem Zustande der Luft ab und kaim bis zu 5 Se- 
cunden betragen. 

Distanzmesser. 



Die Distanzmessung wird von Mayer die „Messung 
Ton Entfernungen aus einem einzigen Stande*' genannt. 
Er empfiehlt daau das Pacecciani'sche Pantometer, weiches 
nach heutigen Begriffen ein Distamsmesser ohne Distanslatte ist 



Verschiedene Distanzmesser, die in solche mit Distanzlatte 
and in solche ohne Distanzlatte eingetheilt werden. 
Darunter sind die gangbarsten mit Distanzlatte: 
1) das distanzmessende Femrohr von Reichenbach; 

18* 



199 



Nagel, Zur Literatur der Geodäsie. 



200 



1777. 

Tiud aus zwei auf einer Platte nahezu parallel befestigten 4 bis 
5 Fuss von einander entfernten Femröhren besteht, von- denen 
das eine sich in der Ebene beider etwas drehen l&sst. Diese 
Drehung kann auf einer kurzen Theilung mit Mikrometerschraube 
gemessen und somit beim Einstellen beider Femröhre auf einen 
entfemten Gegenstand der parallaktische Winkel, unter dem beide 
Femröhre Yon diesem Gegenstande aus erscheinen, bestimmt und 
daraus, sowie aus der bekannten Entfemung der Femrohre die 
Distanz berechnet werden.*) 



1877, 

2) das distanzmessende Femrohr von Porro; 

8) das Stampfer*sche Nivellirinstmment als Distanzmesser; 

ohne Distanzlatte: 
4) der Martins^sche Distanzmesser, gegründet auf die Theorie 
des Spiegelsextanten. 
Das Reichenbach^sche und das Porro*sche distanzmes^ 
sende Femrohr werden zu UniversalniYellirinstramenten verwendet; 
welche in neuerer Zeit den nicht ganz passenden Namen Tacby» 
meter erhalten haben. 



Fläehenbereehmmg der Folygmie^ insbesondere nach Qrundrüsen, 

1) Zerlegung des Polygons in Dreiecke und Bestimmung 
der einzelnen Dreiecksinhalte aus den drei Seiten**) oder aus der 
l&ngsten Gmndlinie und der zugehörenden Höhe.***) 



2) Zerlegung der Polygone auf dem Papiere in Trapeze durch 
parallele Linien, die durch die einzelnen Eckpunkte führen. 

3)* Bestimmung der erforderlichen Dimensionen mit Zirkel 
und Maassstab. 

Gewöhnliche Berechnung. 



4) Schätzquadrate. 

5) Verwandeln der Polygone in flächengleiche Dreiecke und 
Berechnen der letztem. 

6) Ausschneiden der Polygone aus gleichstarkem Papier und 
Wägen derselben. (Mayer sagt hierzu: „Eine Regel für Stüm- 
per im Feldmessen. Sollte sie wohl Jemand im Emste ange- 
wendet haben?*') 



1) Zerlegung des Polygons in Vierecke t) und Bestimmung 
der Inhalte derselben aus der kürzeren Diagonale und der za- 
gehörenden Perpendikelsumme, die letztere als eine Grösse ab- 
genommen. 

2) Die ZerFegung iu Trapeze ist als unzweckmässig verlassen, 
da sie in ökonomischer Hinsicht sowohl, als mit Rücksicht auf 
den Genauigkeitsgrad der Methode unter 1) nachsteht. 

3) Bestimmung der Dimensionen mit Zirkel und Maassstab 
oder genauer mit einem Longimeter. 

Ausrechnung unter Beihilfe von Multiplicationstabellen, mit 
dem Rechenschieber oder mit der Thomas'schen [Rechen- 
maschine. 

4) Schätzquadrate. 

6) Verwandlung der Polygone in fiächengleiche Drei- oder 
Vierecke mit Verwandlungsapparaten und Berechnen dieser ein- 
fachen Figuren. 

6) Planimeter mit parallelen Fäden. 

7) Planimeter, welche auf dem Princip der Verwandlung der 
Figuren beruhen. 

8) Planimeter, welche den Flächeninhalt einer 
ebenen Figur durch blosses Umfahren des Umfangs 
geben: 

a) Linearplanimeter von Wetli. 

b) Polarplanimeter von Miller und das analoge von Am gl er. 



Darstellung des Terrains im Grundrisse. 



Mayer empfiehlt die Verzeichnung durch Schraffur mit der 
Feder nach Maassgabe der verschiedenen Gründe und Wendungen 
mit zarten geschlängelten Linien, die nach dem Thale zu immer 
mehr verlaufen und schwächer werden; dabei aber die verschie- 
denen Kuppen, Felswände und dergleichen ihrer Natur gemäss 
auszudrücken, wobei „Alles desto schöner ausfalle, mit je mehr 
Auswahl und Kenntniss die Schatten hin und wieder angebracht 
würden." 

Die Darstellung des Terrains durch äquidistante Niveau- 
curven, wozu den ersten Gedanken der Geograph Buache 
(1744) gab, welche Methode jedoch erst viel später von dem 
Genfer Ducarla und dem Franzosen Dupain-Triel (1782) 
wissenschaftlich begründet wurde, erwähnt Mayer selbst iu den 
spätem Auflagen nicht. 



Die Darstellung des Terrains im Gmndriss erfolgt jetzt nach 
zwei Methoden: 

1) nach der Lehmann *schen Manier, welche die geneigten. 
Flächen durch Bosch ungs- oder Schrafflrstriche darstellt, wobei 
die Richtung der Striche die Neigungsrichtung, das Verhältniss 
der Strichstärke zur Stärke des anliegenden Zwischenraums den 
Neigungswinkel der Fläche angiebt; im Anfange der 90er Jahre 
vor. Jahrh. vom sächs. Major Lehmann erfunden und 1799 
zuerst bekannt gemacht; 

2) durch die äquidistanten Niveaucurven nach Buache, mit 
denen man die Schichtenpläne, Niveau- oder hypsometrischen 
Karten herstellt. Diese Methode ist in den letzten 40 Jahren 
durch das praktische BedüHniss des Technikers bei Projectirang 
von Eisenbahn-, Strassen- und Canalanlagen weiter ausgebildet 
worden und hat Veranlassung zu der sogenannten Tachymetrie 
gegeben. 



*) Der Churfürst von der Pfalz Latte seiner Zeit für dieses j ***) Es wird dabei auf die Bequemlichkeit hingewiesen, dne 

Instrument 1000 Gulden gezahlt. ; Diagonale zur gemeinschaftlichen (irundlinie zweier Dreiecke zu 

**) Die Berechnung des Dreiecks aus den drei Seiten wird j machen, 

besonders empfohlen, wenn die Dimensionen in der Natur mit ' t) Wir betrachten hier das Viereck mit demselbeii Rechte 

der Kette gemessen werden. i als eine einfache Figur wie das Trapez. 



201 



Nagel, Zur Literatur der Geodäsie. 



202 



1777. 



Messung der VerticalwinkeL 



1877. 



1) Mit dem Astrolabiom, dessen Kreis mit Hilfe der Nuss- 
bewegung und unter Anwendung eines Lothes in die verticale 
Lage gebracht wurde. 

a) Das Femrohr wurde mit der damit verbundenen Libelle 
horizontal ^und der Kreis dabei so gestellt, dass die Alhidade 
Null zeigte. Die Einstellung des Fernrohrs auf das Höhenobject 
gab dann ohne Weiteres die Ablesung für den Höhenwinkel. 

b) Eine zweite Methode, nur mit YoUkreis ausführbar, misst, 
nachdem nach der vorigen Methode der Höhenwinkel gefunden 
ist, noch dessen Supplement, wodurch sich noch ein zweiter 
Winkelwerth ergiebt. Das Mittel aus beiden Werthen befreit 
von dem Fehler wegen der nicht parallelen Lage der Libelle und 
des Femrohrs. 

2) Mit dem Quadranten, dessen nach dem Theilpunkte 90° 
verlaufender Radius mit Hilfe eines Lothes in die verticale Lage 
gebracht wird, so dass der Halbmesser nach 0" horizontal ist. 
Nach der EinsteUung des Femrohrs auf das Höhenobject gab die 
Ablesung den gesuchten Höhenwinkel. 

3) Mit dran Spiegelsextant. 



Sowohl Astrolabium als Quadrant für die Messung der Ver- 
ticalwinkel vollst&ndig beseitigt. 

Nur der Theodolit und die Kippregel mit Höhenkreis, sowie 
der Spiegelsextant und die Reflexionskreise werden zu Yertical-« 
Winkelmessung angewendet. 

Der Höhenkreis des Theodoliten und der Kippregel sitzt 
rechtwinklig auf der horizontalen Drehachse. Diese wird mit einer 
Libelle horizontal und dadurch der Kreis vertical gesteUt 

a) Höhen- oder Tiefenwinkelmessung direct unter Berück- 
sichtigung des vorher bestimmten Indexfehlers des Höhenkreises; 

b) diese Messung bei Vollkreis nach der Methode der dop- 
pelten Zenithdistanzen , welche Aehnlichkeit mit der Mayer*- 
schen Methode sub b) hat und wodurch namentlich der Fehler 
wegen der Excentricitat des Femrohrs, auf welchen von Mayer 
nirgends Rücksicht genommen ist, eliminirt wird. 

Der Fehler im Höhenwinkel, wegen der nicht verticalen Lage 
der verticalen Drehungsachse des Theodoliten kann nur eliminirt 
werden, wenn entweder, wie schon Mayer's Instrument zeigt, 
eine Libelle parallel mit dem Femrohre verbunden, oder der 
Index träger (Alhidade) mit Libelle versehen und nicht fest, son- 
dern drehbar um die horizontale Achse eingerichtet ist. 



Baroineirischee UÖhenmeesen. 



QuecksOberbarometer. Heberbarometer. 



May er '8 Foimel für den Höhenunterschied zweier Punkte: 

B 

Ätois = 10000%. ^ 1 

worin B den beobachteten Barometerstand an der untem und 6 
den an der obem Station bedeutet; beide Barometerstände auf 
einerlei Temperatur reducirt und auch h noch wegen der ver- 
schiedenen Lufttemperatur an der obem und untem Station zu 
corrigiren. Mayer giebt daher die Regel der Berechnung nach 
Deluc*s Formel: 

^^ 2 1 4320 

log. 



Quecksilberbarometer. Heber- und Gefässbarometer in voll- 
kommnerer Ausführung. 

Laplace^s Formel nach Bauern feind mit den Constanten 
neuester Bestimmung: 

Ämet ^ 18404,9 . (1 -f 0,00026 CO» 2 9) (l + ^-— ) 






B^ b 



")l 



Ät«l» = 10000 \ 1 - 



215 



6(t--10) 
4820 



j • (l + 0,003665 -J j 
Xjlog. ^ +0,86869 ^ j 



und nach Rühlmann: 



Ämet = 18400,2 . 1,00157 + 0,00367 ^~- l 



worin h, B und b wie oben, T und t die Temperaturen der Luft 
und des Quecksilbers an der untem und obem Station nach 
Graden Reaumur bedeuten. 



I . B^ b \ \ / 

X^l+0,378. g- / |l +0,00262 co«29 

>< P + 637-8160 !>^^"^y 

worin B und b die auf 0*^ reducirteu Barometerstände, T und t 
die Lufttemperaturen in Celsiusgraden und c* und c*' die Dunst- 
drücke beziehentlich an der obem und untem Station, qp die 
geographische Breite und ;; die Seehöhe der untem Station, r 
den mittiem Krümmungshalbmesser der Erde bedeuten. 

Hypsometrische Tabellen von Oltmann, Gauss, 
Bauernfeind, Rühlmann und Andem. 

Höhenmessen mit dem Metall- oder Federbarometer 
von Naudet oder Goldschmidt. 



Nweüirineirtimente. 



Mayer führt auf: 

1) Nivellirwerkzeuge, bei denen man durch Hufe der freien 
Oberfläche einer Flüssigkeit die Lage der scheinbaren Horisontal- 
linie angiebt. Dazu gehören die vom Yitruv (Hb. YIU, cap. 6) 



I) Derartige Werkzeuge werden in neueren Werken über 
Geodäsie gar nicht mehr erwähnt. 



203 



Nagel, Zar Literatur der Geodäsie. 



204 



1777. 

beschriebene und Ghorabates genannte Wasserwaage und die von 
Mario tte Yorgeschlagene. 

2) Die auf dem Princip der communidrenden Röhren beru- 
henden Instrumente, nämlich die Kanalwaagö oder der Was- 
serpasB, De la Hire's Wasserwaage und Keith's Qneck- 
silberwaage. 

3) Die sogenannten Pendelwaagen, eine Verbindung eines 
Yisirmittels mit einem freihängenden Loth oder Pendel, waren 
am besten durch die Picard'sche Waage vertreten. 

Mayer ist selbst für vorgenannte drei Gattungen von In- 
strumenten nicht ^besonders eingenonunen, sondern empfiehlt die 
Nivellirinstrumente mit Libelle »» Libellenniveanx. 

Von diesen führt er auf: 

4) Das Diopterniveau von Weikardt in Leipzig, eine 
Verbindung einer Libelle mit einem Diopterlineal. 

5) Die Llesganig*sche Wasserwaage, welche in der 
Hauptsache in einem 4 bis 5 Fuss langen Bohre bestand, mit dem 
eine Libelle verbunden war. Das Femrohr gestattete bei un- 
geänderter Lage desselben Vor- und Rückvisuren, indem in der 
Nähe {eines jeden Endes desselben eine Objectivlinse und auch 
ein Fadenkreuz angebracht, die Ocularröhre aber zum Anstecken 
nach und nach an jedes der beiden Enden eingerichtet war. 

6) Die in Silberschlag *s Hydrotechnik näher beschriebene 
Wasserwaage von Ring. Diese war zum Vor- und Rückvisiren 
mit zwei parallelen entgegengesetzt gerichteten Femröhren ver- 
sehen, zwischen denen sich die mit ihnen parallele Libelle befand. 

7) Die SiB8on*sche Waage repräsentirte ein mit Libelle 
verbundenes Femrohr, das in Lagem lag. Diese Lager waren 
auf einer Platte befestigt, um eine horizontale, das Femrohr recht- 
winklig kreuzende Achse drehbar. Die ünteriage dieser Platte 
wurde beim Nivelliren auf einen Messtisch oder sonst auf ein 
schickliches Stativ gestellt. 



W77. 



2) Die Kanal- und die Keith*sche Quecksilberwaage werdea 
zwar in den neueren geodätischen Werken noch beschrieben; seit 
dem Beginn der Eisenbahnbauten verschwinden sie aber immer 
mehr aus der praktischen Verwendung. 

3) Die Pendelwaagen, wie sie nebenstehend definirt sind, 
gehören fast vollständig der Vergangenheit an. 

Zu den Pendelwaagen sind aber noch zu rechnen die aUbe- 
kannte Setzwaage, die immer mehr durch das Setzniveau (Seti- 
libelle) verdrängt wird, und der in den Händen der Markscheider 
sich befindende Gradbogen, wenn auch bei beiden das Yisir- 
mittel durch eine Linealkante, beziehentlich durch eine Schnur 
vertreten wird. 

4) Das Diopterniveau in voUkommnerer Ausführung. 

5) Das Liesganig'sche Instrument ist vollständig ausser Ge- 
brauch. Dagegen bietet das Stampfer*sche Taschennivellir- 
diopter mit einem Femrohr mit der Vergrösserang c= 1 jeden- 
falls mit grösserer Sicherheit dieselbe Bequemlichkeit der Vor- 
und Rückvisur und namentlich auch der Justirung. 



6) Das R Ingusche Instmment ist ebenfalls ausser Gebrauch. 
Dasselbe wurde aber noch im Jahre 1835 von Wedecke in 
seinem Handbuch e des Chaussäebaues als bestes Nivillirinstroment 
empfohlen.*) 

7) Die Sisson'sche Waage hat sich am längsten erhalten; 
sie wurde mit wenig Abänderungen noch im Jahre 1832 von 
Ulrich in seiner praktischen Geometrie beschrieben und ist ab 
Grundlage der verschiedenen Constractionen von Nivellirinstra- 
menten mit umlegbarem Femrohr zu betrachten, die schon voa 
Reichenbach und namentlich auch später in den 30er Jahraii 
in vervollkommneter Weise zur Ausführang kamen und neben 
denen nun auch Constmctionen nach andern Principien auftaachten. 
Bei diesen Instrumenten ist besonders hervorzuheben die Anbrin* 
gung einer Verticalachse und einer Elevationsschraube, wodurch 
das Nivelliren in verschiedenen Richtungen wesentlich erleichtert 
wird. Im Uebrigen lassen sich die verschiedenen ConstruetioneD 
classificiren nach Instrumenten 1) mit festverbundenem, 2) mit 
umlegbarem und 3) mit kippendem, dabei durchschlagbarem oder 
umlegbarem Femrohre, wodurch zugleich die jetzt rationelleren 
Prüfungs- und Berichtigungsmethoden prädsirt werden. 

Universalnivellirinstrumente von Stampfer; Starke 
Ertel, Breithaupt. 

Präcisionsnivellirinstrumente mit 25- bis 40mal ver- 
grössemdem Femrohre und mit einer Libelle, die bei einem Aus- 
schlag der Blase um einen Sealentheil eine Empfindlichkmt von 
3 bis 5 Secunden zeigt. 

Compensationsnivellirinstrumente von Breithanpt, 
Amsler-Laffon, Brito Limpo in Lissabon*^) und Andorn. 



*) Das Compensationsinstmment von Brito Limpo ist alt 
zwei Femröhren zum Vor- und Rückvisiren versehen and unter- 
scheidet sich sehr wesentlich von dem genannten altem Ring '- 
sehen Instrument, indem bei demselben beide Femröhre nm 
eine gemeinschaftliche, zur Libdle parallele Staidacliae gldeh- 
zeitig gedrel^t werden können, wodurch es möglich lat, aa idMr 
Latte 4 Ablesungen in verschiedenen Stdlungen der Fenürök« 
zu erhalten, deren arithmetisches Bfittel die von tfiMi luiUiUMa fe' 
fehlern befreite Zielhöhe giebt. 



205 



Lembcke, Schlichten und Leimen der Ketten in der mechanischen Weberei. 



206 



Man wird aus dieser vergleichenden Zusammen- 
stellung » welche 9 wie bemerkt, keineswegs erschöpfend 
sein soll, leicht ersehen, welche bedeutenden Fortschritte 
die praktische Geometrie seit 100 Jahren in einzelnen 
Bichtungen gemacht hat, wobei aber nicht unbeachtet 
bleiben darf, dass in vielen der May er 'sehen Ausfüh- 



rungen die Keime der späteren Vervollkommnungen 
enthalten sind. 

Welchen Antheil nun aber die letzten Decennien an 
diesen Fortschritten haben, soll in dem bald folgenden 
IL Artikel an drei der hervorragendsten Erscheinungen 
auf dem Gebiete der Geodäsie nachgev^iesen werden. 



Schlichten und Leimen der Ketten in der mechanischen Weberei. 



Von 



Emil Lembcke in Chemnitz. 

(SchlusB.) 
(Hierzu Tafel YU— IX.) 



Veränderungen und Verbesserungen an Sising- 

Maschinen. 

Man hat sich, und nicht ohne Erfolg, bemüht, die 
beschriebenen Cyliuder-Sizing-Maschinen noch zu ver- 
bessern. Was die Zufühiiing des Garnes und die Im- 
prägnirung desselben mit Schlichte betrifft, so ist nicht 
viel Neues hier anzuführen. Anders verhält es sich 
aber mit dem Trocknen. Auch sind nicht unwesent- 
liche Veränderungen in der Betriebsweise der wichtig- 
sten Bestandtheile der Maschine ausgefÜbhrt worden. 

Veränderungen am ikhh'ehUrog, 

Tafel VII, Figur 1, zeigt die Einrichtung eines 
solchen, wie ihn R. Haworth in Manchester zur Aus- 
führung gebracht hat. Es hat sich der Genannte hier- 
bei möglichst bemüht, eine gleichmässige Gonsistenz 
der im Trog befindlichen Schlichtmasse da, wo sie auf 
das Garn einwirkt, herbeizufuhren und die Durch- 
dringung der Schlichte zu einer recht intensiven zu 
noLachen. Der hier ziemlich grosse, bis auf den Boden 
der Maschine reichende Schlichtkasten ist durch Scheide- 
wände in die Abtheilungen 1, 2, 3, 4 getheilt und zwar 
in solcher Weise, dass die in 1 eingegebene Schlichte 
über die erste Scheidewand in die Abtheilung 2 ge- 
bracht wird, aus dieser unterhalb der zweiten Wand 
in die Abttieilung 3 gelangt, und in Abtbeilung 4, so- 
weit sie überflüssig ist, aUäuft. 



In Abtheilung 1 befindet sich ein Rührapparat. 
An einer horizontalen, sich drehenden Welle befestigte 
Platten mischen die Schlichte gleichmässig. Darunter 
liegen zwei Dampfrohre, welche das Kochen herbei- 
fuhren. 

In der Abtheilung 2 wird die gut gemischte Schlicht- 
flüssigkeit durch ebenfalls eingeführten Dampf im Kochen 
erhalten. 

Die Abtheilung 3 dient zur Verbindung der Schlichte 
mit dem eingeführten Garn. Es ist letzteres über 
Walzen laufend horizontal bis zur zweiten Scheidewand 
zugeführt, geht alsdann nahezu senkrecht nieder zur 
untersten von fünf übereinander liegenden Walzen und 
im Zickzack durch diese Eintauchwalzen herauf nach 
den Quetschwalzen. Die fünf Walzen sind sämmtlich 
in einem Rahmen gelagert, der auf- und abstellbar ist, 
so dass hierdurch die Art und Weise des Eintauchens 
der Kette bestimmt werden kann. Damit sich am 
Boden dieser Abtheilung keine Schlichte festsetzt, ist 
eine Streichschiene angebracht, die durch Ketten ohne 
Ende und von aussen drehbare Kettenräder sich am 
Boden hin- und herbewegen lässt, festgewordene Schlichte 
also löst. Der Lauf des Games von den Quetschwalzen 
zur grossen Tronmiel r unterscheidet sich von dem frü- 
heren nur dadurch, dass bei a ein Stab sich auflegt, 
um das Garn hier etwas anzuspannen. 

Die Abtheilung 4 dient nur zur Abfuhrung der 
überflüssigen Schlichtflüssigkeit. Durch die Oeffnung 
b kann sie ablaufen. 



207 



Lerabcke, Schlichteu und Leimen der Ketten in der mechanischen Weberei. 



208 



Veränderungen im Betrieb. 

Tafel VII, Figur 2, zeigt den Frictionsantrieb, 
welchen Haworth ebenfalls zur Anwendung gebracht 
hat. Der Betrieb der Maschine erfolgt von der Mitte 
aus nach beiden Seiten; also nach der Einführungs- 
seite zu den Schlichtwalzen, und nach der Lieferungs- 
seite zu dem Grambaum. Es sind somit beide Betriebe 
von einander unabhängig uncl kann man, da Frictions- 
betrieb benutzt wird, sehr leicht ebensowohl den 
Schlichtwalzen als dem Garnbaum die richtige Dreh- 
geschwindigkeit geben und die Spannung des Garnes 
zwischen beiden reguliren. Dadurch, dass mau die 
Handräder a auf ihrer feststehenden Schraubenspindel 
hin oder her schraubt, werden die zugehörigen Papier- 
oder Lederscheiben h auf ihren Wellen d hin oder her 
geschoben, der treibende Durchmesser der gusseisemen 
Planscheibe c verändert und infolge dessen auch die 
Drehgeschwindigkeiten von h und ihrer Wellen d, 

Howard & BuUough in Accrington haben die 
Conen beseitigt, welche des stets wachsenden Gam- 
umfemges am Schlichtbaum halber sich nöthig machten. 
Sie legen den Garnbaum /*, siehe Tafel VII, Figur 4, 
auf eine Trommel, welche von dem eigentlichen Garn- 
bewegungsapparat e aus ihren Betrieb erhält. Die 
Folge davon ist, dass die Umfangsgeschwindigkeit am 
Baume, und also auch die Garngeschwindigkeit in der 
ganzen Maschine, immer dieselben bleiben. Es würde 
nun die Reibung zwischen f und seiner Betriebstrommel 
nicht genügend sein, das Garn und die Walzen in der 
Maschine sämmtlich zu betreiben. Deshalb ist bei e 
noch ein besonderer Zugapparat eingeschaltet, welcher 
in einer Unterwalze, einer Druckwalze und einer nach- 
folgenden Führungswalze besteht. Letztere hat den 
Zweck, den Umfang der Unterwalze zu einem möglichst 
grossen Theil zur Einwirkung auf das Garn zu bringen. \ 
Eine gewöhnliche Räderverbindung zwischen der Unter- 
walze und der Baumbetriebstrommel giel)t dem Baume 
f stets dieselbe Umfangsgeschwindigkeit, wie die Unter- 
walze hat, auch in dem Falle, wenn man letztere und 
mit ihr die ganze Kette langsamer laufen lässt. 

Die Maschine soll selbst während des Auswechseins 
von Schlichtbäumen nie zum Stillstand gebracht werden, 
eine Manipulation, welche das lästige Festkleben und 
Reissen der Fäden wesentlich herabzieht. Es wird in 
solchen Fällen dem Garn dadurch eine ausserordentlich 
langsame Bewegung gegeben, dass man die Unterwalze 
bei e durch Einrückung eines Extra-Rädervorgeleges be- 
treibt. 



V0ränder%ingen am IVöckenapparat. 

Viel wesentlicher als die angeführten Verbesserungen 
sind die, welche sich auf das Trocknen beziehen. Man 
hat hier sehr viel versucht und auch wirklich recht 
viel Gutes, die Maschine wesentlich Verbesserndes ge- 
leistet. 

Haworth suchte die Trocknung an seiner Cy- 
linder-Sizing-Maschine noch dadurch zu befördern, dass 
er unter der Maschine hin einen Kanal anlegte, welcher 
an beiden Enden in die freie Luft und unterhalb der 
Trockencylinder r und q^ siehe Tafel VII, Fig. 1, aus- 
mündete. Die Folge dieser Anlage war alsdann die, 
dass fortwährend frische atmosphärische Luft von aussen 
unter den Trockenapparat strömte. 

Um Dampf zu sparen und besser zu trocknen, ver- 
wendeten S. Cook & W. H. Hacking in Burg nur 
eine, aber doppelwandige Trommel. Durch den in- 
neren cylindrischen Mantel a, siehe Tafel VII, Fig. 3, 
ist nur ein 15 bis 20 ^"^ breiter Ring 6, der durch einige 
hohle Arme mit der Dampfzufuhrung und Wasserab- 
leitung in Verbindung steht, mit Dampf zu füllen. Bei 
einigermassen grossem Durchmesser, 2 bis 3™ und 
darüber, ist hier auch eine ziemlich schwache Dampf- 
spannung ausreichend. Damit möglichst viel Umfang 
dieser Trommel zur Ausnutzung gebracht wird, ist eine 
Lattentrommel d anstatt des kleinen Trockencylinders 
angebracht,|,welche zur Weiterfuhrung des Garnes und 
noch zu einem letzten Nachtrocknen dient. Letzterem 
ergiebt sich daraus, dass das Garn sich auf Stäbe oder 
durch Dampf geheizte Röhren legt, welche an beiden 
Enden in Scheiben befestigt sind, die auf der gemein- 
schaftlichen Welle lose laufen. Innerhalb dieser Latten- 
trommel sitzt fest auf der Welle ein Windflügel 6, der 
sich, dem Gainlaufe entgegen, ziemlich schnell dreht 
und Luft gegen das Garn treibt. 

Die Anwendung von Trockencylindern zum Trock- 
nen geschlichteter Ketten weist ziemlich viel Uebel- 
stände auf: 

die Cylinder zerspringen bei übermässigem Dampf- 
druck und Abwesenheit eines Druckreductions- 
Ventils sehr leicht; 

sie consumiien viel Dampf; 

sie trocknen namentlich dann nicht gut, wenn giöe- 
sere Mengen Condensationswasser darin sich an- 
sammeln ; 

letzteres lässt sich aber immer nur langsam darav 
entfernen ; 

Trommeln verursachen grosse Fadenspannung, dft 
sie durch die Reibung des aufliegenden und 



209 



Lembcke, Schlichteu und Leimen der Ketten in der mechanischen Weberei. 



210 



gezogenen Garnes in Drehung gebracht werden 
müssen; 
ergeben also leicht grösseren Fadenbruch; 
das Garn wird zu schnell getrocknet, nicht mild, 

weich, elastisch; 
es backen leicht Fäden zusammen; 
sie erhalten leicht einen harten Ueberzug von Schlicht- 
kruste, wodurch Litzen und Riete bei dem Ver- 
weben stark abgenutzt werden; 
andererseits bewirkt das plötzliche Trocknen auch 
leicht ein Abspringen der Schlichte, so dass der 
Faden seine Rundheit verliert. 
Infolge dieser Nachtheile ging man zur Luft- 
trocknung über, welche bei der Handzurichtung, bei 
der schottischen Schlichtmaschine, bei dem Leimen der 
wollenen Ketten schon längst in Anwendung war. Man 
fuhrt das Garn längere Zeit durch massig erwärmte 
Luft, die sich immer erneuert, immer in schwacher 
Bewegung ist, durch das Garn geblasen wird. Directe 
Folge dieser- Methode ist, dass die Fäden weich wer- 
den, sich von einander besser abtheilen , nicht zusam- 
menbacken. Das Endresultat wird hierbei ein um so 
besseres sein, je niedriger die Temperatur des Luft- 
stromes ist. Namentlich für feinere Garne und für 
stark geschlichtete Ketten werden solche Maschinen 
sich empfehlen. Nachtheile sind freilich die bedeutend 
höheren Anlagekosten und die erschwerte Zugänglichkeit 
zum Kettengam. 

Tafel VII, Fig. 4, zeigt die von Howard & Bul- 
lough in Accrington angewendete Methode. Die 
Trockencylinder sind hier, ähnlich wie bei der Zschi 11 er- 
sehen Leimmaschine durch ein Röhrensystem ersetzt, 
welches durch Dampf geheizt wird, Wärme auf die um- 
gebende Luft überträgt und, da durch diese Luftschichten 
das Kettengarn sich langsam fortbewegt, letzteres all- 
malig trocknet. Bei a liegt der bekannte Schlichttrog, 
d sind die Theilschienen , e ist der Zugapparat und f 
die Bäumung. Die Heizrohre sind in vier übereinan- 
derliegenden Horizontalebeneu zwischen a und d an- 
geordnet; der Lauf der Rohre in einer solchen Etage, 
und die Bewegung des Heizdampfes darin wird durch 
Figur 5 angedeutet. Die erste und zweite, sowie die 
dritte und vierte Rohrschicht liegen sehr dicht bei ein- 
ander, so dass eben nur das Garn ohne zu streifen 
dazwischen durchgeführt werden kann; zwischen der 
zweiten und dritten Lage aber ist ein ziemlich hoher 
Zwischenraum, und hier sind Windflügel b gelagert, 
die infolge ihrer Drehung die Luftschichten bewegen. 
Die Führung des Games selbst über die Leitwalzen c 
hinweg ergiebt sich direct aus der Figur 4. Die nöthige 
Dampfmenge ist hier ziemlich klein; sie wird von den 

OlTiUafmiioiir XXIU. 



Fabrikanten dieser Maschine bis zu höchstens 7« der 
bei Cylinder-Maschinen nöthigen angegeben. Man fuhrt 
nur so viel Dampf zu, als nöthig ist, dass sich der 
unterste Rohrstrang mit Condensationswasser gefüllt 
erhält, und regulirt dies durch einen wenig offenstehen- 
den Hahn am untersten Ende der Leitung. Ein Wasser- 
topf macht sich hierbei überflüssig, da directe Dampf- 
verluste nicht entstehen. Es muss in Folge dessen die 
Gesammtrohrlänge sehr bedeutend sein. Bei einer 
Maschinenlänge von 7,5", mit Aufsteckrahmen 10,5"* 
und einer Breite von 2,6™ wird ca. 50 □." Kettenfläche 
von trocknender Luft bestrichen. Nimmt man die 
grösste Kettenbreite hierbei zu 1,4™ an, so ist die der 
Trocknung ausgesetzte Kettenlänge 35,7™ und die un- 
gefähre Länge des Trockenapparates 4 bis 4,5™. 

Eine andere Lufttrockenmethode ist die von Ma- 
ther & Platt in Manchester. (Vertreter der Firma: 
Jacob Becker in Leipzig).*) Dieselbe ist ersichtlich 
aus Tafel VH, Figur 6. Die Trockentrommeln sind 
hier durch eine geschlossene Trockenkammer d ersetzt, 
in welche das Garn von dem Schlichtetroge c aus ein- 
tritt, über zwei Haspel e wegläuft und unten am Ende 
der Kammer wieder austritt. In diese Kammer wird 
warme Luft eingetrieben und durch den Brodemfang g 
gleichzeitig' mit den aus c aufsteigenden Dämpfen ab- 
geführt. Bei b befindet sich ein Ventilator, welcher 
kalte Luft ansaugt und durch einen Böhrenkessel a 
treibt. In a erfolgt Heizung der Luft mittels Dampf, 
welcher die Luftröhren umgiebt. 

Dass hierbei die Luft durch den Trockenraum ge- 
presst und in den Arbeitsraum ausgeblasen wird, ist 
noch ein ziemlicher Uebelstand; es entsteht im Ma- 
schinenlocal eine ziemlich hohe Temperatur; deshalb 
lassen Bullough & Whitehead**) den Ventilator die 
warme Luft ansaugen. Die Anordnung des Heizappa- 
rates a, der durch zwei Scheidewände getheilten Trocken- 
kammer d, der Führungswalzen e, und des Ventilators 
b zeigt Tafel VII, Fig. 7. 

Eine sehr vorzügliche Maschine ist die 

Sising-Mascliine von Baerlein ft Comp, in Manchester. 

Tafel VIU, Fig. 1, 2 und 3 zeigen die Maschine, 
wie sie von Atherton Brothers in Preston (Ver- 
treter: Victor Rack & Comp, in Zittau) ausgeführt 
wird. 

Fig. 4 ist die Ausführung von Dickinson & Sons 
in Blackburn. 



*) Deutsche Induatriezeitong, Jahrgang 1S72, Seite 262. 
**) Polytechnisches Centralblatt, Jahrgang 1876, Seite 1250. 

14 



211 



Lembcke, Schlichten und Leimen der Ketten in der mechanischen Weberei. 



212 



Der Aufsteckrahmen mit den Scheerbäumen 6, und 
der Support (headstock) mit den Conen a* und c\ dem 
Expansionskamm c, Schienen ti;, Riegel x^ Garnbaum y, 
Windllügel ä*, dem Grabelfortrückzeug n^o^ und den 
Ausrückhebebi g^ und J unterscheiden sich nur in ganz 
unwesentlichen Punkten von dem bereits Angeführten; 
anders verhält es sich mit der Einrichtung des Schlichte- 
troges und Trockenapparates. 

Schlichtetrog (ßowhox) und zugehörige Maschinentheile. 

Wie Figur 4 zeigt, ist bei der Di ckinson 'sehen 
Maschine der Schlichtetrog in zwei Kammern getheilt. 
Das Garn läuft auch liier, wie bei der früher beschrie- 
benen Maschine von Harrisou, über einer Kupferwalze 
f zu, nieder in den Trog, um die Eintauchwalze g 
herum, aufwärts zu dem ersten Schlichtwalzenpaar a, 
und alsdann weiter zu dem zweiten Walzenpaar a^. 
Dass die Walzenpaare hier soweit auseinander gelegt 
wurden, und der Schlichtekasten deshalb zweitheilig 
gemacht worden ist, hat den Zweck, der Schlichte etwas 
mehr Zeit zum Eindringen in die Garnfaser zu lassen, 
bevor der üeberfluss durch a^ ausgequetscht wird. 
Gleichzeitig soll dadurch das lästige Anbacken der 
Fäden an diesen Walzen während des Stillstehens der 
Kette in Etwas gemindert werden. 

Eine ganz vorzügliche, auch für das Leimen von 
wollenen Ketten (Kamragarn und Streichgarn) verwend- 
bare Einrichtung des Schlichtetroges zeigen die Figuren 
l und 3. Die Walzen g und d dienen als Eiutauch- 
walzen und als Schlichtwalzen, wälirend y und a^ das 
Ueberflüssige ausquetschen. Durch Handrad, Räder- 
übersetzung und Zahnstangenbetrieb lassen sich ö und 
g hoch oder tief stellen, und dadurch der Grad der 
Schlichteeindringung für verschiedene Füllungen des 
Kastens bestinameu. In Figur 1 sind die Walzen ganz 
gesenkt und ist die Maschine in Arbeit begrififen. In 
Figur 3 aber sind g und d als ganz gehoben darge- 
stellt. Hierbei ist infolge des Spannstabes p das locker 
werdende Stück Kette, was aus dem Troge austrat, 
zwischen den Walzen f und e niedergezogen worden, 
und haben sich die Walze 6 ganz hoch, und die Walze 
g ganz tief, vom Garne ab, gestellt. Durch Handhebel 
konnte auch die Druckwalze a^ vom (iarne ab und in 
Gestelllager eingelegt werden. Alles dies erfolgte bei 
dem Stehenlassen der Kette. Bei k legt sich eine 
Schiene oder Bürste auf die Walze y, welche die letz- 
tere von Schlichte reinigt und das Anbacken der Fäden 
hindert. Die Dampfzuführung erfolgt bei 12; mit 23 
ist das Einlassventil (inlet valve) bezeichnet; mit 4 der 
Dampfdruckregulator (reducing valve); 6 ist der Druck- 
zeiger. 



TVockeneinrichtung. 

Hierzu dienen drei bis vier Stück ganz gleich ge- 
baute Trockenkammern (drying Chambers). Diese keil- 
förmigen Kammern sind stehend angeordnet, und läuft 
das Garn im Zickzack hindurch. Bei beiden Ausfüh- 
rungen, also Figur 1 und 2, sowie Figur 4, sind r Leit- 
walzen und q Wiudflügel, welche warme Luft nach oben 
durch das Kettengam und zu den oben o£fenen Kam- 
mern heraus blasen. Die Kammern sind so construirt, 
dass man durch seitlich angebrachte Läden (lids) und 
durch abhebbare Deckel i bequem zu dem Garn, den 
Führungswalzen und dem Heizapparate gelangen kann. 
In Fig. 1 ist bei A die Kammer in der äusseren An- 
sicht mit geschlossenen und bei B mit geöffneten Läden 
gezeichnet, während C einen Yerticaldurchschnitt dar- 
stellt. Figur 2 giebt bei D eine Oberansicht, bei E 
einen Horizontalschnitt durch die Mitte des Heizappa- 
rates und bei F einen ähnlichen Schnitt mit Oberan- 
sicht des Heizapparates. In Figur 4 ist G ein Mittel- 
schnitt und H ein Schnitt am vorderen Ende der 
Kammer. 

Die Heizvorrichtung selbst weicht bei den beiden 
Ausführungen wesentlich von einander ab. 

Bei Dickinson's Maschine, siehe Figur 4, liegt 
in jeder Kammer ein mit Dampf geheizter Cylinder d, 
welcher die ihn umgebende Luft erwärmt. Nach Art 
der Röhrenkessel gehen Rohre durch den Cylinder, 
welche Luft ansaugen und in kleine Kammern an den 
Stimenden von d fuhren, die mit den Windfltigeln 
communiciren. Es saugen so letztere durch die Bohre 
1 Luft aus den Trockenkammern an; tritt diese Luft 
erwärmt in die Rohre 2, so wird sie hierin noch heisser 
gemacht, durch die Yentilatorsaugkanale hierauf den 
Flügeln q zugeführt und von diesen in die Kammern 
zurückgetrieben. 

Bei Atherton Brother's Ausführung, siehe Fi- 
gur 1 und 2, sind die Heizrohre, die Windflügel mantel- 
artig umgebend, im unteren Theile der Trockenkam- 
mern angeordnet. An beiden Enden sind sie mit Stopf- 
büchsen in die Kammern d eingedichtet, welche durch 
frischen Dampf geheizt werden. Die DampfzuführuBg 
der mit einander conamunicirenden Kammern d erfolgt 
bei 5, die Ableitung des Condensationswassers. bei 7. 

Ausser dass diese Maschinen geringeren Baum er- 
fordern als andere mit Lufbtrocknungsapparaten ver- 
sehene, sind sie für die Bedienung auch angendimer 
insofern, als die Luftausströmung erst in einer H^e 
von circa 2" erfolgt und alsdann auch leicht abge- 
leitet werden kann. 



213 



Lembcke, Schlichten und Leimen der Ketten in der mechanischen Weberei. 



214 



Die Strang -Sohlioht- Maschine. 

Webketten, welche für den Versand bestimmt sind, 
werden oft im Strange geschlichtet und als Wickel, 
Knäuel (balls) in den Handel gebracht. Das Scheeren 
und Schlichten solcher Ketten (ball warping and sizing) 
erfolgt auf folgende Weise. 

Man scheert nach Art der Handweberei die Kette 
in Form eines Strähnes auf einen sich langsam dre- 
henden Baum von 12 Yard Umfang. Ist die richtige 
Fadenzahl die der Webkette entsprechende, in der er- 
forderlichen Webkettenlänge, gewöhnlich 840 Yard = 
1 hank, hergestellt, so wickelt man die Kette zurück 
und auf sich selbst als sogenannter Wickel (ball) auf. 

Diese Wickel werden der Schlichtmaschine vorge- 
legt, einer Maschine, welche den Kettenfärbemaschinen 
sehr älmlich ist. Pas Princip hierbei ist, das Gurn 
wiederholt aus der Schlichtflüssigkeit herauszuführen 
und in dieselbe alsdann wieder einzutauchen. Die 
Kette läuft zu dem Zwecke, siehe Tafel IX, Figur 1, 
unter und über 13 bis 21 Stück Walzen, welche leicht 
beweglich in einem 2,75 bis 3,5" langen Kasten liegen 
und durch das sich auflegende, am vorderen Ende ge- 
zogene Garn sich drehen. Am Ende des Kastens be- 
findet sich ein Quetschwalzenpaar (hölzerne, durch Hebel- 
druck gegeneinander beliebig stark zu drückende Walzen), 
welches die überflüssige Schlichte auspresst, dem Schlicht- 
kasten zurückfuhrt und von der Betriebskraft Drehung 
erhält. 

Die so geschlichtete Kette kann direct von hier 
aus dem Trockenapparat zugeführt werden; oder sie 
kann in einen Kasten laufen, wobei sie durch einen 
hin- und herlaufenden Wagen (Fächer) gleichmässig 
gefaltet wird, und alsdann unabhängig vom Schlichten 
getrocknet werden ; oder man kann sie auch aufwickeln 
und in einer Trockenkammer ausspannen u. dergl. m. 
In Tafel IX, Figur 1, ist der zweite Fall angenommen, 
ist die geschlichtete Kette der Cylindertrockenmaschine 
also extra vorgesetzt. Letztere besteht aus einer grossen 
Zahl von mit Dampf geheizten Trockencylindern, welche 
zum Theil durch das Garn und zum Theil durch die 
Triebkraft, um das Garn nicht zu sehr zu spannen, 
Drehung erhalten. Ein Ring a und zwei Stück Rechen 
b dienen zur richtigen Einführung und Fortführung 
der Kette, welche je nach der Trommelbreite und Ket- 
tenstärke 10 bis 20 Mal jede einzelne Trommel passirt. 
Gewöhnlich schlichtet man 2 Ketten gleichzeitig neben- 
einander, oder, waa besser ist, jede Hälfte der in der 
halben Dichte gescheerten Kette nebeneinander. Im 
Trockenapparate behandelt man alsdann beide Ketten- 



hälften gleichzeitig, indem man sie an den Cylinder- 
enden einfuhrt und in der Mitte der Cylinder gleich- 
zeitig zuletzt durch einen Ring laufend abfühi't. Der 
Schlicht- und Trockenprocess wird hierbei ein intensiverer. 
Haupterforderniss ist möglichst oftmaliges Eintauchen 
des Games in die Schlichte (bisweilen sind auch noch 
einzelne der Oberwalzen zum Durchquetschen mit Druck- 
walzen vei-sehen) und die Verwendung einer gleich- 
massigen, dünnen, massig kochend erhaltenen Schlichte. 

Eine Schlichte hiei'zu wird folgendermassen be- 
reitet: Man giebt 70 •'^ feines Waizenmehl in einen 
0,5° tiefen und 0,7™ langen und breiten Kasten, füllt 
ihn mit Wasser, rührt und lässt die Mischung unge- 
fährt drei Tage lang stehen. Hierauf schöpft man die 
auf der Obei*fläche sich ansammelnde klebnge Masse 
ab und bringt die Mehllösung in ein gusseisernes Ge- 
fäss, welches mit Dampfzuleitung und Rührquirl aus- 
gestattet ist. Man kocht eine Stunde lang und rührt 
gleichzeitig. Alsdann wird die Flüssigkeit wieder in 
flache Kästen übergeführt und circa 3 Wochen stehen 
gelassen. Vor der Verwendung in der Schlichtmaschine 
zerreibt man sie noch zwischen zwei dicht gegenein- 
ander liegenden Walzen am Boden eines Mühlrumpfes, 
kocht sie massig und verwendet sie warm gehalten in 
der Maschine. Die Dampfzuleitung für den Schlichte- 
kochapparat, den Schlichtmaschinenkasten und die Cy- 
lindertrockenmaschine ergiebt sich aus der strichpunk- 
tirten Linie. 

Die Leistung solcher Maschinen ist eine sehr grosse. 
Trockencylinder von 0,45™ Durchmesser könnten bei 
20 Touren pro Minute in 12 Stunden 0,45 . /r . 20 . 60 . 12 
= circa 20000™ trocknen. 

Die wirkliche Leistung reducirt sich jedoch be- 
deutend, beträgt in 12 Stunden ca. 3000". Eine zu 
grosse Geschwindigkeit wird leicht Schlichteablösung 
ergeben, besser wird es sein, mit geringer Dampfspan- 
nung und mit langsamem Gange der Cylinder zu trocknen. 

Selbstverständlich ist diese Schlichtmethode von 
allen, namentlich im Vergleich zu derjenigen der schot- 
tischen Maschine und der Beam-Sizing-Maschine , die 
primitivste und schlechteste. 

Das liOiinen der Ketten. 

Dasselbe erfolgt theils von Hand, theils auf Ma^ 
schinen. 

Leifnen durch RandarheiL 

Leimen im Strähn: Hierbei wird das zu Strähnen 
gehaspelte Garn mit dünner, nicht zu heisser Leimbrühe 



215 



Lembcke, Schlichten und Leimen der Ketten in der mechanischen Weberei. 



216 



getränkt, mit der Haud scharf ausgedrückt (ausgerungen), 
aufgeschlagen, aufgehängt (auf Stangen gereiht) und 
unter öfterem Umziehen getrocknet. Das Umziehen ist 
nöthig, damit sich der Leim nicht nach einer Seite hin 
ziehe. Hierauf spult man das Garn, scheert die Kette 
in zwei Hälften, legt sie mit dem Bandzeichen im Ar- 
beitszimmer an einander, streckt sie und bringt sie 
alsdann auf den Webebaum. 

Leimen im Fass: Man scheert die Kette im 
Ganzen oder auch iu zwei Theilen und leimt sie als- 
dann schnell. Die Leimbrühe befindet sich hierbei in 
einem Bottich, und wird darin entweder die ganze oder 
die halbe Kette gleichmässig durchuässt; alsdann wird 
sie scharf ausgedrückt (ausgerungen, getreten), und 
zuletzt zum Trocknen lang aufgespannt. Die Gänge 
sind hierbei gut aufzutheilen. Namentlich hat man 
sich hierbei vor sogenannten Leimstellen zu hüten. Sie 
entstehen durch ungleichmässiges Ausdrücken; man 
verbesserte das Auswringen noch dadurch, dass man das 
Fass mit einem Holzdeckel versah, in welchen ein Ring 
von Holz oder Metall eingefügt war. Der Leimer stellt 
sich darauf und zieht mit grosser Kraftanstrengung die 
Kette durch den Ring. 

Die Handleimmaschine: siehe Tafel IX, Figur 
2, 3 und 4. 

Dieselbe ist ein ziemlich einfacher Apparat, wel- 
cher eine leichte Rcgulirung des Ausdrückens zulässt, 
wesentliche Ersparniss aa Zeit und Menschenkraft ge- 
währt. Die Kette wird im Ganzen oder zur Hälfte 
gesclieert; geleimt aber zumeist im Ganzen, so dass 
man also auch zwei Scheerwickel dem Apparate vor- 
legt, üeber eine 11*^"" starke Holzwalze a und einen 
feststehenden Holzriegel wird sie dem Trog, der mit 
nicht zu heisser Leimbrühc gefüllt ist, zugeführt, geht 
unterhalb zweier Kupferwalzen h von je 25""" Dicke hin- 
weg, und aufwärts durch einen Metallring, welcher den 
überflüssigen Leim abstreicht. Weiterhin gelaugt das 
Garn durch den Walzenapparat c, d, e nach einer 7*^"^ 
starken Leitwalze f und fällt unterhalb dieser auf einen 
Tisch. Die drei 10^™ dicken Walzen c, d und e sind 
durch gleich grosse Zahnräder mit einander verbunden, 
so dass sie durch einen au Walze c angebrachten Dreh- 
ling in geeignete Drehung gebracht werden. Walze f 
wird durch Schnurenwürtel von der Walze d aus ge- 
trieben. Letztere kann jedoch auch in W^egfall kom- 
men, wenn der Arbeiter die Kette zieht. 

Wichtig hierbei ist, dass der Ring die richtige 
Nununer oder lichte Weite hat. Sie richtet sich nach 
der Dichte und Dicke der Kette und nach dem Grade 
des Ausquetschens, ob man der Kette mehr oder we- 
niger Leim geben will. Man müsste also sehr verschie- 



dene Ringe zur Vei'wendung bringen. Uebelstände 
solcher Ringe sind aber, dass die Gelese und das Hin- 
terende der Kette schwer durchgehen; dass dasselbe 
eintritt, wenn die Kette sich sackt; dass man in sol- 
chen Fällen den Ring oft theilen muss. Vermieden 
wird dies durch Benutzung von drei Stück übereinander 
liegenden Ringen, siehe Tafel IX, Figur 3. Der obere 
und untere stehen fest, der mittlere lässt sich durch 
eine Schraubenspindel mit Handgrifif und feststehender 
Mutter nach rechts oder links stellen. Man erzielt 
hierdurch leicht jede beliebige Quetschung und kann 
sie während des Durchganges der Kette ändern. Das- 
selbe erreicht man auch durch Anwendung von zwei 
Metallplatten, siehe Tafel IX, Figur 4. Die untere 
Platte liegt fest im Ringbret, die obere ist in ihr ver- 
stellbar. Beide Platten haben langrunde Oeffnungen, 
welche sich verschiedenailig zu einander einstellen 
lassen. 

Leim: Der Leim ist der gewöhnliche thierische, 
der Kölner Tischler -Leim. Er muss gut gelöst sein; 
wird zuerst mit dem Wasser gekocht und alsdann lau- 
warm im Trog verwendet; darf während des Leimens 
nicht kalt werden, aber auch nicht zu heiss nachge- 
gossen werden. 

Die Menge, welche eine Kette erfordert, richtet 
sich nach dem Gewicht der letzteren; auch nach der 
Beschaffenheit der Wolle und der Qualität des Leimes. 
Bei gewaschenen Wollen genügt zumeist 1*^* Leim auf 
30^» Wolle; bei Fettwolle hingegen giebt man auf 6^ 
Wolle l^^Leim. Kunstwolle verträgt nur wenig Leim. 
Eine Kette von 130™ Länge, 3120 Faden Dichte, Garn- 
Nummer 40, erforderte 1,25 bis 1,6^« Leim. 

Was das Mischungsverliältniss von Leim und Wasser 
anbelangt, so ist das Sache der Erfahrung; für mittel- 
starke Ketten z. B. auf 1^^ Leim 6 Liter Wasser. 

Trocknen: Man fährt die Kette von der Leim- 
maschine heraus in das Freie auf die Kettenstrecke. 
Dieselbe besteht aus einer Anzahl in den Rasenboden 
eingerammter Holzständer, welche Oeffnungen zum Ein- 
stecken starker Holzstäbe haben. Der Anfang der 
Kette, welcher das Gang-Gelese (ä 50 Faden z. B) hat, 
wird auf einen Stab gesteckt, welclien man in Sprossen 
von zwei Ständern einlegt, so dass hier die Kette breit 
gespannt liegt. Dann führt man sie nach den anderen 
einzelnen Ständern hin und steckt in dieselben* Stäbe 
so, dass abwechselnd der eine unter und der andere 
über der Kette zu liegen kommt. Vom letzten Ständer 
aus, um dessen Stab das Garn gelegt wird, spannt man 
wieder zurück, und legt die Kette ähnlich wie zuvor 
über und unter Stäbe, welche in tiefer liegenden Oeff- 
nungen derselben Ständer eingesteckt sind. Das Ende 



217 



Lembcke, Schlichten und Leimen der Ketten in der mechanischen Weberei. 



218 



der Kette, das Fadengelese (ä 1 Faden), durchsticht 
man ebenfalls mit einem Stabe, und legt diesen, die 
Kette möglichst gespannt, vor zwei Stück in den Boden 
gerammte Pfahle. 

Das Trocknen muss ein allmäliges sein, Sonnen- 
hitze und Wind sind nachtheilig, also zu vermeiden; 
es soll also womöglich im Schatten erfolgen. Die in 
der freien Luft ausgespannte Kette ist natürlich der 
Witterung unterworfen, so dass oft der Leim ganz ver- 
loren geht; warme feuchte Luft, Gewitterluft, verzehren 
ihn bisweilen vollständig. Im Frühjahre, Herbst und 
Winter ist dieses Trocknen oft ganz unmöglich. Man 
benutzt deshalb zumeist geschützte Räume und spannt 
hier die Ketten der ganzen Länge nach aus. Da man 
hierbei aber eines sehr grossen Baumes bedarf, hat 
man Trockenapparate einzuführen gesucht, Apparate, 
wie sie z. B. die sächsische Webstuhlfabrik für ihre 
Leimmaschinen anwendet. Man führt die Kette durch 
einen Kamm (Oeffner), Faden von Faden getheilt, nach 
einem Haspelkreuz und legt in dieses das Garn spiral- 
förmig ein. 

Alsdann dreht man den Haspel bis die Kette trocken 
ist und bäumt sie zuletzt auf den Webebaum zurück. 
Die von der sächsischen Webstuhlfabrik getroffene Aus- 
führung dieses Trockenapparates soll bei ihrer Leim- 
maschine genauere Beschreibung finden. 

Leimmaschinen. 

In neuerer Zeit bestrebt man sich, auch das Lei- 
men, ähnlich dem Schlichten, durch Maschinen be- 
sorgen zu lassen. 

Die erste Maschine, welche Schönherr im Jahre 
1836 patentirt wurde, eine Leim-, Scheer- und Trocken- 
Maschine für Kammgarn- und Baumwoliketten , war 
leider nicht im Stande, eine gleichmässige Leimung der 
Bänder zu erzielen. In den Jahren 1848 bis 1851 
führte Ernst Pressprich (Sohn eines Grossenhayner 
Tuchfabrikanten) eine Maschine aus Amerika (Massa- 
chusets) ein, die ausschliesslich für Tuche bestimmt 
war, und wurde seitdem dieses, dem Schönherr 'sehen 
übrigens ziemlich ähnliche, System von Anton Zschille 
in Grossenhayn ununterbrochen gebaut und vervoll- 
kommnet. Es hat sich dieses System, wenn auch lang- 
sam, so doch sicher eingeführt, und weil es eine Vor- 
bedingung guter mechanischer Weberei ist (die Vor- 
bereitung durch diese Maschine machte erst die me- 
chanischen Webstühle rentabel, da die Ketten besser 
gingen), hat auch Schönherr lange, bis er später 
1871 selbst eine Leimmaschine baute, das System in 
Ermangelung eines besseren oft empfohlen. 



Im Anfang erfolgte die Trocknung durch Ofen- 
heizung; später, vne bei den Sizing-Maschinen, durch 
mit Dampf geheizte Kupfertrommeln von 0,7 bis 0,9™ 
Durchmesser. Da solche bisweilen explodirten, con- 
struirte hierauf Zschille eine Trockenkammer, in 
welcher schmiedeeiserne, 25"" starke, U förmig gebogene 
Dampfrohre lagen; er wendete also Luftheizung an. 
Er erreichte dadurch mehr Bequemlichkeit für die Be- 
dienung, weniger Leimverbrauch, schnelleres Trocknen, 
circa */4 mehr Geschwindigkeit, respective Lieferung. 

Englische Firmen lieferten ebenfalls Maschinen für 
obige Zwecke ; dieselben ähnelten sehr den schottischen 
Schlichtmaschinen; nur kam das Bürsten dabei in Weg- 
fall. So werden z. B. Kammgarnketten auf Maschinen 
von Platt Brothers in Manchester, Atherton Bro- 
thers (Baerlein's Patent) in Preston u. a. mit Ge- 
latine geleimt. Die Zusammenstellung einer solchen 
Leimlösung ist hierbei folgende: 100 Theile Gelatine- 
Leim werden in möglichst wenig Wasser gelöst, und 
erhalten zugesetzt: 70 Theile Dextrin, 20 Theile Gly- 
cerin, 20 Theile Bittersalz und 20 Theile Zinkvitriol. 
Getrocknet kommt dieses Gemenge unter dem Namen 
Paramentine in den Handel. Solche Maschinen haben 
eine Arbeitsgeschwindigkeit von 0,14'" pro Secunde. 
Sie bearbeiten die Ketten in der vollen Breite und von 
so viel Kötzern ab, als Fäden für die Kette nöthig sind. 
In Folge dessen sind sie bei Streichgarn nur für grö- 
bere Eintheilungen , bis circa 2800 Faden, gut ver- 
wendbar. 

Maschinen' Sydem der Grossenhayner Maschinenfabrik^ vormals 

Anton Zschille, zum Spulen^ Leimen^ Trocknen^ tkheeren 

und Bäumen des Kettengames für Tuche und Buckskins, 

Auf der Zschille 'sehen Maschine theilt man die 
Kettenfadenzahl in 4 bis 10 Abtheilungen von 500 bis 
600 oder von 900 Faden und leimt diese nacheinander. 
Hierdurch lassen sich alle beliebigen Dichten und Breiten 
ohne Reste herstellen; man kann ebensowohl eine ein- 
zige 30" lange Kette, als bis 20 Ketten ä 10 Schmitz 
ä 3,4™ auf einmal fertigen. Weil man hierbei sehr 
fest bäumt, kann man auch für jeden Stuhl eine ziem- 
lich grosse Stückzahl abbäumen. Die Maschine ver- 
arbeitet das Kettengam von der Spule (bobine) ebenso- 
wohl als vom Kötzer der Feinspindel bis webfertig auf 
den Kettenbaum. Die Förderung der Arbeit auf dem 
Webstuhl im Gegensatz zur früheren Methode geben 
die Erbauer zu 10 bis 15 Proc. an. Sehr vortheilhaft 
ist, dass jeder Faden gleich stark, einzeln, klar, nicht 
zusammengebacken, und von gleicher Länge, Spannung 
und Trockenheit geleimt wird und dadurch das Fach 



219 



Lembcke, Schlichten nnd Leimen der Ketten in der mechanischen Weberei. 



220 



im Webstuhl hinter den Schäften ebenso offen ist, wie 
vor denselben. Die angebrachten Zähluhren, welche 
das Gram während dem Spulen und nach dem Trocknen 
auf das Genaueste nachmessen, erleichtem die Berech- 
nungsweise wesentlich und ermöglichen die richtige 
Anbringung der Gelese (Kreuzschnüre). In Tafel IX, 
Figuren 5 bis 18 ist dieses Maschinensystem gezeichnet 
und zwar stellen dar: 

Figuren 5 bis 8 die Spulmaschine mit Kötzergestell 
und Zähluhr; 

Figuren 9 bis 14 und 18 die Spulenabtreibegestelle, 
den Leimapparat und die Trockenmaschine; 

Figuren 9, 15, 16, 17 die Scheermaschine mit Uhr 
und die Bäummaschine. 

Spulmaschine mit Zähluhr der Fadenlänge 
und Kötzergestell: Sie bezweckt 10 bis 60 Garn- 
faden von den Kötzern oder Bobinen abzuspulen, auf 
eine Spule zu bringen und die gespulte Länge zu 
messen. 

Auf einem Kötzer- oder bobinen- Gestell a, siehe 
Tafel IX, Fig. 5, sind z. B. Kötzer b in zwei Reihen, 
in jeder Reihe gewöhnlich 25 Stück, aufgesteckt. Unter 
jedem Kötzer b steckt ein Reservekötzer c. Vom Spinner 
muss das untere Gamende eines jeden Kötzers so her- 
vorhängend geliefert werden, dass man es, bevor ein 
Kötzer ganz abläuft, an das obere Ende des Reserve- 
kötzers anknüpfen kann. Man vermeidet hierdurch 
viel Zeitverlust. Die liegenden Spindeln d dienen für 
Rester, welche nicht gut ablaufen wollen. Die Faden- 
führeraugen sind an Holzwellen e befestigt, welche 
drehbar in um g beweglichen Balanciers f liegen. 
Man bewirkt hierdurch gleiche Fadenspannung. Die 
Spulmaschine ist nach Art der Schönherr 'sehen Treib- 
maschine construirt, spult mit gleichbleibender Faden- 
geschwindigkeit, h ist ein runder Draht zur Trennung 
der Fäden der beiden Kötzerreihen von einander; i ist 
ein eiserner festgestellter Fadenleiter, siehe Figur 6; 
k sind die hölzernen Streckwalzen, um welche das Garn 
S förmig läuft und sie durch Reibung dreht. Die obere 
Walze drückt die untere; die untere ist durch eine 
Feder / gebremst. An neueren Maschinen ist zwischen 
i und k ein Spannapparat eingeschaltet. Derselbe be- 
steht aus zwei runden Eisenstäben, die mit ihren Enden 
in eisernen Scheiben befestigt sind, deren Drehachse in 
der Mitte zwischen den Stäben liegt, und welche durch 
eine Sperrklinke und Sperrzähne am Umfang der einen 
Scheibe verschiedenartig eingestellt werden können, so 
dass die S förmig über die Stäbe weglaufenden Fäden 
schärfere oder flachere Biegung daselbst machen, und 
so fiir starke Garne mehr und für schwache weniger 



Fadenspannung entsteht; m ist ein hin und her sich 
bewegender Fadenfuhrer, welcher die Fäden gleich- 
massig auf Spule n vertheilt. Um jede Dichte her- 
stellen zu können, hat man eine Auswahl von Faden- 
führern i und m, mit 42, 46, 48, 49, 50 u. s. w. Ein- 
schnitten; n stellt eine 7^^ starke und 92^ lange 
Holzwalze (Spule) dar, welche, wie die Webkettenbäume, 
an beiden Enden gusseiserne Scheiben von 23®" Durch- 
messer trägt und auf der Holztrommel o aufliegt, die 
zumeist 1™ Umfang hat und pro Minute 60 Touren 
macht. — Wenn keine Unterbrechungsverluste ent- 
stehen, kann somit eine solche Maschine pro Minute 
60.1=60° Grarnlänge von jedem Kötzer abspulen. 
Die Bewegung der Trommel o erfolgt mittelst einer lose 
auf der Welle p sitzenden Riemenscheibe von 435"*" 
Durchmesser, siehe Figur 6. Dieselbe treibt im einge- 
rückten Zustande durch eine Klauenmuö'e die Welle p 
und dadurch die Maschine. Durch Stange p^ und 
Hebel p^ lässt sich sofort Stillstand oder Betrieb her- 
beiführen. . 

Die Bewegung von m geschieht auf folgende Weise: 
Die Schnecke r an der Welle p dreht das Schrauben- 
rad s mit dem Herz ^, welches letztere durch die Rol- 
lenstange u den Hebel q hin und her und dadurch 
m her und hin bewegt. 

Um eine festgesetzte Garnläuge genau au&polen 
zu können, ist eine Zähluhr mit Zifferblatt und Klingel- 
apparat bei r^ angebracht, siehe Figur 5. Bei einer 
Tour der Trommel o, also der Welle p, zählt die Uhr 
einen Umfang von o, also hier 1™, rückwärts. Der 
Umfang der Trommel o richtet sich nach der Schmitz- 
lange, in welche er aufgehen muss. Die Uhr gestattet 
bis 9999 Trommeltouren, also 9999"^ Länge, zu messen. 
Die Einrichtung ist folgende: 

Die W^le p, siehe Figuren 6 und 8, trägt die 
Kurbel t;, welche durch die Zugstange to und den 
Winkelhebel x bei einer Umdrehung von p die Stoes- 
stange y einmal hin- und herbewegt. Die Einrichtung 
der Uhr zeigt Figur 7, y stösst bei einer Tour von p 
das Sperrrad 1 um einen Zahn fort, so dass dieses bei 
10 Touren von p eine Umdrehung macht Zu Ende 
dieser wirkt der an 1 befestigte Zahn 5 auf die Zähne 
von Sperrrad 2 ein und dreht dieses um einen Zahn. 
Nach den zweiten 10 Touren von p dreht 5 Rad 2 um 
den zweiten Zahn u. s. f., so dass bei 100 Touren von 
p sich das Sperrrad 2 einmal herumgedreht hat. Zu 
Ende dieser Umdrehung wirkt dessen Zahn 6 auf ein^ 
Zahn von Rad 3 ein und dreht dieses um Vio- ^^ 
einem Umgange von 3 endlich bewegt dieses durch 
seinen Zahn 7 das Rad 4 um einen Zahn, so dass 
somit 



221 



Lembcke, Schlichten uud Leimen der Ketten in der mechanischen Weberei. 



222 



Rad 4 sich bei 


10. 


10. 


10 


>> 


3 


» 


» 


10. 


10 




99 


2 


>5 


» 


10 






99 


1 


» 


» 









1000 Touren von Rad 1 einmal herumdrehen wird, 
100 „ „ „ 1 
10 1 

10 „ „ WeUej) 



99 



» 


» 


» 


» 


» 


»> 



Man verfährt nun wie folgt: 

Durch einen Schlüssel stellt man sich jedes Rad 
I, 2, 3 und 4 auf die Ziffer ein, welche der zu mes- 
senden Länge entspricht. 

Z. B. 7396"; 

stellt man Rad 1 auf 6, 



>> 


2 


>» 


9, 


99 


3 


>> 


3, 


» 


4 


»> 





Wenn jedes Sperrrad 1, 2, 3 und 4 auf steht, ist 
sein mit ihm verbundener Stift a oben und hat er seine 
Klinke b links gehoben und rechts gesenkt, so dass die 
dagegen federnde Nase c nicht mehr von dem entsprechen- 
den b zurückgehalten wird, und, wenn sämmtliche b ge- 
senkt sind, der Schlägel d gegen die Glocke schlägt. In 
unserem Beispiel wird somit nach dem Abspulen von 
7000"* der Stift a des Rades 4 sich oben befinden und 
seine Klinke b rechts senken; nach Abspulen von wei- 
teren 300" thut dasselbe das Rad 3; nach Abspulen 
von abermals 90" erfolgt es auch bei 2; und nach 
Abspulen der letzten 6" auch bei Sperrrad 1. Es sind 
alsdann alle Klinken b recht« gesenkt und erfolgt der 
Glockenschlag. Man hält die Maschine durch Aus- 
rücker p^ au und schneidet das Garn ab. 

Zur Bedienung genügt ein Mädchen, welches zeit- 
weise dem Arbeiter an der Leimmaschine behülf lieh ist. 

Spulen- oder Walzenabtreibegestell, Leim- 
apparat und Trockenmaschine: Für i^te und 
feste Ketten verwendet man hölzerne stehende, in der 
Mitte durch Charniere verbundene RahmelH in welche 
man die Spulen b einlegt, siehe Figur 10. Zur Her- 
beiführung von Fadenspannung, das Ueberlaufeu der 
Spulen b zu verhindern, sind oben auf das Garn von 
b Bremshölzer aufgelegt, welche an einarmigen Hebeln 
befestigt sind, die am Spulengestelle ihren Drehpunkt 
haben und durch ein Stück Eisen extra belastet sind. 
Bei feineren, losen Garnen würde durch die grosse 
Fadenspannung, die zum Drehen der Spulen b nöthig 
ist, zu viel Fadenbruch entstehen und bedient man sich 
alsdann lieber der Gestelle mit Abtreibetrommeln a, 
siehe Figur 9. Jede Spule b wird hier mit immer 
gleicher Fadenabwickelgeschwindigkeit vom Umfang 
aus betrieben. Bei kleineren Maschinen liegen 6 Spulen 
übereiniMider und je zwei nebeneinander, sind also 12 
Spulen ä 50 Faden für 600 Faden vorgelegt. Bei 
gröwcrcn Maschinen ordnet man 9 Spulen über und je 



zwei nebeneinander an, leimt also von 18 Spulen je 
50 Faden, in Summa 900 Faden. Die Spulen b liegen 
auf a, siehe Figur 11, frei h\d. Die Arme c halten sie 
hierbei zurück und sie sind bei d ausgekerbt, um eine 
Spule hier hineinlegen und so ausser Betrieb setzen zu 
können. 

Der Leimapparat hat folgende Einrichtung: siehe 
Fig. 9. e ist das Geleseblatt; es war hier 1350™"* breit 
und hatte 900 Rohre, war also für 900 Fäden einge- 
richtet. Sämmtliche Fäden in eine Ebene zu bringen, 
dient die hölzerne Vorwalze f. Die hohle Kupferwalze 
g (60"™ Dtr.) taucht das Garn in die Leimbrühe ein 
und führt es nach der Leimwalze i mit der Druckwalze 
h, h und i sind beide aus Gusseisen, und sind beide 
oder auch nur die eine mit gewebtem Filz oder mit 
Wollgarnschnur überzogen. Um bei Stillständen das 
Kettengarn aus dem Leim ausheben zu können, ist die 
Walze g, siehe Figur 12, in Hebeln g^ gelagert, welche 
drehbar an den Gestellen der Walzen h und i befestigt 
sind. Damit g eine immer au g^ dichtanliegende Lage 
einnehme, sind oft die Hebel g^ über den Drehpunkt 
nach oben hinaus verlängert uud hier durch Federn 
gezogen. Das Garn tüchtig auszuquetschen, von über- 
flüssigem Leime zu befreien, ist h durch Hebelbelastungen 
an beiden Zapfenenden stark gegen i gedrückt. 

Das Anwärmen des Leimes im Leimtrog geschieht 
durch das im Wassertopf ?, siehe Figur 9, sich ansam- 
melnde Condensationswasser , welches vom Heizapparat 
zuläuft. Es steigt in das Rohr ä, welches U formig 
den Leimtrog durchläuft und am Ende einen Hahn 
trägt, siehe Figur 13. Den Leim kann man mehr oder 
weniger heiss machen dadurch, dass man den Hahn n 
mehr oder weniger öffnet, so dass also mehr oder we- 
niger frisches heisses Wasser aus l durch k läuft. Der 
Hahn m ist der Entleerungshahn des Leimtroges. 

Weiterhin gelangt die Kette in die Trockenkammer, 
in welcher sie mittels Drahtstabwalzen o und Walzen 
p zwischen vier Heizrohrlagen q hin- und hergeführt 
wird. Die Walzen o sind zusammengestellt aus zwei 
Stück Gussscheiben, in welche Drahtstäbe eingesetzt 
sind. Das Garn dreht o durch Reibung und kann von 
allen Seiten warme Luft zutreten. Figur 14 zeigt die 
Verbindung der sechs Stück U formigen, im Lichten 
25™™ weiten Heizrohre jeder Etage. Frischer Kessel- 
dampf von 4 bis 6 Atmosphären Spannung wird durch 
sie hindurch gdieitet; r ist das Dampfzuleitungsrohr 



223 



Lembcke, Schlichten und Leimen der Ketten in der mechanischen Weberei. 



224 



und r* das Condensationswasserabfiihrrohr. Zur Regu- 
lirung der Temperatur ist r mit einem Einlasshahn 
versehen. Da der Hahn n am Leimtrog stets wenig 
geöffnet ist, fuhrt er den üeberschuss von in der unter- 
sten Etage und in l sich sammebidem Condensations- 
wasser in das Freie. Die Trockenkammer hat vorn 
und hinten grosse Glasfenster, welche sich seitlich ver- 
schieben lassen; an den Langseiten an beiden Enden, 
soweit das gusseiserne Gestell reicht, aushebbare Blech- 
fuUungen; und dazwischen grosse hängende hölzerne 
Klappthüren, so dass zufolgedem die Kammer, nament- 
lich bei dem Einlegen der Fäden, höchst zugänglich 
ist. Die Anwendung eines Exhaustors würde die Trock- 
nung wesentlich beschleunigen, macht aber die Maschine 
um die Hälfte theurer. 

Von der letzten Drahtstabwalze o^ aus läuft jeder 
Kettehfadeu durch ein Rohr eines zweiten Gelese- 
blattes a, dessen Riete abwechselnd bis zur halben 
Höhe zusammengelöthet sind, siehe Figur 18. Es ist 
wie e 1350™™ breit und hat 900 Rohre. Vor dem- 
selben liegt eine kleine Holzwalze s, welche ellipti- 
schen Querschnitt hat, mit Leder umwickelt ist und, 
da das darüber wegstreichende Garn diese Walze dreht, 
bewirkt, dass bei einer Tour von ,s jeder Faden im 
Blatt zweimal gehoben und gesenkt wird. Hierdurch 
wird a von vorliegendem Leim und Haaren geputzt. 
Von a aus läuft die Kette durch das schrägstehende 
Blatt ß und von da auf die Scheerkrone y. 

Betrieb und Geschwindigkeiten: Bei t ist 
die Vorgelegswelle angedeutet, die durch eine grosse 
Riemenscheibe betrieben wird, welche lose auf t läuft 
und mittels Klauenmuffe und dicht über dem Leimtrog 
an der Saaldecke angebrachter Gabel schnell ein- oder 
ausgerückt werden kann, so dass hierdurch die ganze 
Maschine in Gang oder in Stillstand kommt. Die Leim- 
walze i wird durch Stufenscheiben von 200, 210 und 
220"" Durchmesser betrieben. Diese Stufenscheiben 
sind nöthig, weil der Umfang der sich bäumenden Gam- 
ringe immer grösser wird, so dass auch die Garnge- 
schwindigkeit an der Zuführung entsprechend gesteigert 
werden muss, damit die Spannung des Garnes immer 
nahezu gleich bleibe. 

Touren von t pro Minute = 12. 

220 
Touren der Leimwalze pro Minute : 12 . -^^ = 12. 

Umfang derselben: 500"". 

Theoretische Lieferung pro Minute: 500. 12 = 6000"". 

Von t aus wird durch das Vorgelege u die unterste 
Walze a betrieben, und durch Transporteure und gleich 
grosse Räder von dieser alle anderen Walzen. 



220 
Touren von u pro Minute : 12 . ^p=^ := 15,6. 

170 
Touren von a pro Minute: 15,5 . ^ =8. 

Umfang von a ca. 750"". 

Die Spulen b fuhren also pro Minute zu: 750.8 = 
6000"". 
Eine zweite Riemenscheibe der Welle t treibt die 
Holztronunel v mit constanter Tourenzahl. 



Umdrehungen von v pro Minute: 



180 
250 



. 12 = 8,64. 



V treibt durch gekreuzte Schnuren die Scheerkrone 

y mit 

250 

8,04. i97iÄ=lj8 Touren pro Minute. 

Da die Leimwalzen pro Minute 6000"" zufuhren 
und die Scheerkrone y diese Länge in derselben Zeit 
aufwickeln muss, muss der Umfang von y 

6000 



1,8 



= 3333"" sein. 



In Wirklichkeit hat sie 3398 "" (6 Leipziger Ellen) 
Umfang. 

Die wirkliche Lieferung bei 20er Kettengam be- 
trägt pro Tag ä 12 Stunden 

3000" Scheerband ä 600 Faden, 

also pro Minute 



3 000 
12.60 



= 4,166". 



Mithin ergiebt sich ein Verlust von ca. 30 Procent. 

Ein Schönherr-Stuhl liefert z. B. pro Tag ä 12 
Stunden 7,4i4" Tuch (3200 Kettenfäden; 20er; 2,2i" 
Breite im Blatt; 18er Schuss; pro 1*^" 27,54 Schuss). 

Rechne]^ wir rund die für diesen Stuhl nöthige 
Kettenlänge^u 8" pro Tag, so sind dies 

8.4^ =42,66" Scheerband ä 600 Faden. 

DUO 

Da die Maschine 3000" liefert, befriedigt sie den 
Bedarf von circa 70 Webstühlen. 

Zschille giebt an, dass eine kleinere Maschine 
für 50 bis 80 und eine grössere für 60 bis 100 Stühle, 
je nachdem sie für Maschinen- oder Handstühle, für 
schmale oder breite Waare, für dichte oder flüchtig 
stehende Ketten dient, ausreicht. Selbst kleine Fabri- 
kanten sollen sich bei 10 Webstühlen noch mit VortheQ 
dieser Maschine bedienen, auch wenn sie dieselbe die 
halbe Zeit unbeschäftigt stehen lassen. 

In neuerer Zeit hat Zschille die Stufenscheiben 
an der Leimwalze, die sich nöthig macht^i, um ihr 
je nach der Füllung der Scheerkrone versdiiedene 



225 



Lembcke, Schlichten und Leimen der Ketten in der mechanischen Weberei. 



226 



UmÜEingsgeseh windigkeit zu geben, durch Riemenkegel 
ersetzt, welche von der Leimwalze aus die Drehgeschwin- 
digkeit der Scheerkroue selbstthätig reguliren. 

Der Betrieb der Leimwalze ist constant. Die 
Scheertrommel läuft um so langsamer, je mehr sie sich 
füllt. Die Einrichtung ist sehr ähnlich der bei den 
Sizing-Maschinen angewendeten Betriebsweise des Ket- 
tenbaumes. Durch einen Riemen treibt ein Holzconus 
einen zweiten, und durch Wirkung einer Schiebklinke, 
eines Schaltrades und einer Schraubenspindel, auf wel- 
cher die Mutter der Riemengabel steckt, wird der Conus- 
riemen in demselben Maasse verschoben wie die Scheer- 
kroue sich füllt. Der Betrieb der Conen und der Klinke 
erfolgt von der unteren Leimwalze aus. Die getriebene 
Conuswelle, die also nach und nach sich langsamer 
dreht, wirkt durch conische Räder und unter der 
Trockenkammer liegende Welle auf ein unter der 
Scheertrommel liegendes conisches Rad ein, welches 
durch eine Feder in der Nuthe einer unterhalb y pa- 
lallel zur Trommelachse liegenden Welle letztere dreht 
und durch Stirnräder auf die Trommelachse wirkt. Bei 
der Vei-schiebung von y auf Wy siehe Figur 9, schiebt 
sich die Welle in dem conischen Rade, bleibt somit 
der Betrieb der Tronmiel intakt. Die umständliche 
Betriebstrommel v, der mangelhafte Riemenbetrieb, die 
absetzende Geschwindigkeitsänderung der Stufenscheiben 
fuhren leicht zu Differenzen in der Garneinführung 
und Gamabführung und sind hierdurch beseitigt. 

Scheerküpe und Bäumstelle: Auf den Scheer- 
lahmen y werden die Fäden in solchen Breitenringen 
aufgewunden, wie sie aus dem Blatt ß heraustreten. 
Letzteres giebt ihnen durch seine verstellbare schräge 
Stellung die Breite, welche 600 oder 900 Faden bei 
dem Weben einnehmen sollen. An jeder Seite treiben 
gekreuzte Sclinüre x von den Enden der ^JiTalze v nach 
den Spuren der grossen Seitenscheiben der Krone, auf 
welche 20 Latten mit je 3 Reihen Löchern, siehe Fig. 
15, geschraubt sind. In letztere steckt man schief ge- 
l)Ogene Drähte als Begrenzung für den nächsten zu 
bäumenden Garnring. Die Walze v muss hier über die 
ganze Breite von y reichen, damit ihr Antriebriemen 
bei der Verschiebung von y immer richtige Auflage 
behält. 

Das Aufbäumgestell zeigt ^, siehe Fig. 9. Es ist, 
wie gewöhnlich, für alle Baumlängen verwendbar, mit 
verstellbarem Lagerbock y versehen. Bei Platzmangel 
setzt man es (jedoch nur ungern) zwischen die Trocken- 
kammer und die Scheerkrone. Um straff bäumen zu 
können, wird die Scheerki'one gebremst, z ist die An- 
triebwelle» die von einem Decken Vorgelege betrieben 
wird. Durch ein 14er wird ein 84er Rad getrieben, 

OlTillng«nfear XXIII. 



welches einen Schlitz mit verstellbarem Mitnehmerbolzen 
hat und hierdurch den Baum dreht. 

Durchmesser der Antriebscheibe =360"". 

Touren von Welle z pro Minute =44. 

14 
Touren des Webebaumes: 44.^=7Vi pro Minute. 

Ist der Umfang des letzteren 81*^", so könnte man 
pro Stunde 

81 . 7 Vs . 60 = 35640«" bäumen. 

Es kann also die pro Tag von der Leimmaschine 
gelieferte Scheerbandlänge von 3000" ä 600 Faden, 
welche einer Webkettenlänge von 

3000.600 



3200 



= 560" ä 3200 Faden 



entspricht, aufgebäumt werden in 

560 



35674 



= circa 1,6 Stunden. 



Die Uhr der Scheerkrone zahlt die aufgewundenen 
Garnumfänge (Touren) der Art, dass bei jedem Umgange 
von y die Uhr um eine Ziffer weiter gestossen wird — 
sie sich aber bei vorkommendem Rückwärtsdrehen der 
Trommel um ebenso viel wieder zurückstellt, siehe 
Fig. 16 und 17. 

Da der Umfang der Krone 3,4" ist, und dies meist 
mit der Schmitzlänge übereinstimmt, hat man bei 20 
Stück Waare ä 10 Schmitz : 200 zu zählen. Am kleinen 
Rade sind die Einer, am grossen die 20 Ziffern für die 
Zehner angebracht. Diese Uhr giebt Sicherheit, dass 
an den benachbarten Ringen bei dem Aufbäumen alle 
Stücke das Gebinde nebeneinander haben, und dass 
ein Versehen im Nachzählen der Schmitzglocke tS siehe 
Figur 9, sich gleich anfänglich zeigt. 

Bedienung: Zur Bedienung der Leim-, Trocken-, 
Scheer- und Bäummaschine ist ein acurat arbeitender 
Mann nöthig, der fähig ist, die Berechnung zu machen ; 
für jede Spulmaschine ist ein Mädchen erforderlich. 

Der Einzug in das Leseblatt e ist von rechts und 
und links aus gerade durch pro Rohr 1 Faden, und 
sind die Fäden der Spulen von unten aus nach oben 
der Reihe nach genommen, wie bei der englischen 
Scheermaschine. Bei gutem Garn und ordinärer Waare 
zieht man oft auch spulenweise ein. In* das Blatt a 
konmit in jedes Rohr 1 Faden, wie sie nebeneinander 
liegen. Li das Blatt ß kommen ins Rohr, je nach 
der Dichte, 2 bis 5 Fäden. 

Das Einziehen der sämmtlichen Fäden in die Ma- 
schine geschieht mit Hilfe eines langen Strickes und 
einem daran gebundenen Holzstab (wie bei der Sizing- 
Maschine u. s. w.), oder statt des letzteren mittelst 

16 



227 



ßurmcster, lieber die Geradftthruiig durch das Kurbelgetriebe. 



228 



des Geleseblattes a, in welches mau die Fäden zuvor 
eingelesen hat. 

Der Schlag der Klingel i^ am Leimapparat erfolgt 
durch ein erhöhtes Kettenglied einer Y au can so naschen 
Drahtgliederkette, welche durch ein Kettenrad an Wal- 
zenwelle i in Bewegung gesetzt wird, über Kettenrollen 
i^ geführt ist und bei einem Umgange schlägt. Es ent- 
spricht dieser Weg einem Durchgange von 1 Schmitz 
Kettenlänge. 

Kommt das Stückzeichen zwischen a und ß, so 
wird mittelst eines aufgedrückten und durchgesteckten 
Stabes, siehe Figur 18, Fach gemacht am Blatte er 
und dieses vor der Scheerkrone unterbunden. 

Ist die richtige Länge auf y aufgewunden, was die 
daran befindliche Uhr anzeigt, so schiebt man / auf 
den Schienen w weiter um eine Ringbreite. 

Bei dem Abbäumen von y auf d legt man ent- 
weder den oberen Treibriemen von v am Vorgelege auf 
eine Losscheibe, oder legt die Treibschnüre x aus und 
in deren Nuthen die Bremsstricke. 

Der Leim ist guter Hornleim; bei Dampftrocknung 
auf 4t^^ Garn 1^« Leim, bei Luftttrocknung, langsamer 
Trocknung auf 5^ Garn P« Leim. Am brauchbarsten 
gilt der durch Auskochen von Handschuhleder herge- 
stellte sogenannte Lederleim. Man kocht ihn vor dem 
Gebrauch, und bringt ihn alsdann in den Trog, wo- 
selbst er immer nur massig warm erhalten wird, was 
sich durch den Hahn n leicht regidiren lässt. 



Die Umwickelung der Leimwalzen kann man auch 
ändern. Will man z. B. die Ränder der Kette mehr 
leimen, so lässt man an deren Stelle die Leim walzen 
weniger Leim abquetschen. 

Die Leistengame werden zumeist auf .einem durch 
Holzsattel erhöhten Umfang der Scheerkrone mit auf- 
gewunden, und alsdann mit abgebäumt, weil sie sonst 
zu viel einwalkten. 

Wenn hellfarbene Ketten nach dunkeln folgen, so 
muss der meist unreine Leimrest beseitigt werden. 
Manche gegen Leimwasser nicht ganz ächte Farben 
neben solcher von sehr heller Farbe erhalten sich auf 
der Leimmaschine viel leichter rein, ak bei dem Leimen 
mit Hand, weil sich die Fäden nicht so berühren. 
Ketten, in welchen sehr feine Fäden neben dicken vor- 
kommen, sind im Ganzen nicht gut zu leimen. Man 
leimt sie von Hand, oder einen Theil davon gar nicht. 

Raumbedarf: Im Ganzen sind erforderlich ca. 
7,6™ Länge und 7"' Breite, wobei auch die Spülma- 
schinen Platz haben. 

Arbeitsverbrauch nach Hartig's Versuchen*) 
0,071 Pferdestärken. 

Zu einer grossen Maschine wird ein Satz von 18 
Spulen geliefert, zu einer kleinen ein Satz von 12 Spu- 
len — oft gebraucht man aber noch einen Reservesatas. 



*) MittheiluDgen der K. S. polytechnischen Schale. Heft 1. 
S. 24 und 52. 



/: 



lieber die Geradführung durch das Kurbelgetriebe.*) 



Von 

Prof. Dr. L. Burmester in Dresden. 

(Hierzu Tafel X und XI.) 



II. TheU. 



In dieser Abhandlung werden wir mittelst der 
Geometrie der Lage die fundamentalen geometrischen 
Beziehungen ableiten, welche uns den Weg zur con- 



*) Fortsetzung der Abhandlung ,,Ueber GeradfUhrung *^ etc. 
im Civilingenieur , XXII. Band, S. 597. 



structiven Auffindung der Geradfiihrungen und der 
Ereisfuhrungen zeigen, die durch das Kurbelgetridbe 
erzeugt werden können. Wir werden durch unsere 
Darlegungen eine Constructions- Methode empfieuigent 
welche uns über diesen Gegenstand volle Klarheit Ter- 
leiht und denselben in geometrischer Hinsicht zum Ab- 
schluss führt. Unsere Betrachtungen werden ergeben, 
dass die Bestimmung der Geradfuhrungen dn Special- 



229 



Burmester, Ucber die Geradführung durch das Kurbelgetriebe. 



230 



fall derjenigen Construction ist, durch welche wir die 
Kreisfiihrungen erreichen, daher werden wir, indem wir 
vom Allgemeinen zum Besonderen gehen, auch die Kreis- 
fiihrungen mit beiücksichtigen , vorzugsweise aber die 
Geradfuhrungen ausführlich behandeln. Wenn wir 
durch unsere theoretischen Darlegungen zu der Er- 
kenntniss gelangen, dass wir mittelst des Kurbelgetriebes 
unter den mannigfaltigsten Verhältnissen eine selir ge- 
naue Geradfiilirung erhalten können, die im Allgemeinen 
fünf und im Einzelnen sechs Punkte mit einer Geraden 
gemein hat, so werden dieselben in der Praxis nicht 
nur bei der Dampfmaschine, sondern auch in vielen 
anderen Fällen nützliche Verwendung finden. 

In Figur 1, Tafel X, sind auf den drei Geraden 
Gl G.^ G^ , welche drei coiigruenten ebenen Systemen 
SiS^S^ angehören, congruente Punktreihen durch die 
homologen Strecken -Hi/i, H^I^^ J^sh gegeben. Um 
den Ort der Mittelpunkte aller Kreise zu ermitteln, 
welche durch je drei homologe Punkte dieser Reihen 
gehen, errichten wir in den Mitten ä'-, ä^^; i'*, i^' 
der Verbindungsgeraden Hi H^, Äg H^ ; ii I^^ L^ h Senk- 
rechte. Diese Senkrechten gehen resp. durch den Pol 
P'* und P«»*) der Systeme S^S^ und S^Sg. Der 
Schnittpunkt /; von P'-^Ä>S P^aA'" ist der Mittelpunkt 
des durch H^ H^ fl, gehenden Kreises , ebenso ist der 
Schnittpunkt/ von P*^^•^ P^^/^a ^er Mittelpunkt des 
Kreises, welcher durch die Punkte Iil-ils geht. Die 
Mitton A'^i** . . . der Verbindungsgeraden homologer 
Punkte liegen auf einer Geraden und bilden eine mit 
jff, i, . . , H^I^ , . oder H^I^ . . projectivische Punkt- 
reihe; dasselbe gilt von den Mitten h^^i^^ . . .; dem- 
nach sind die Strahlenbüschel P^^Qi^'^V'^ . . .) und 
p«3(/i23^-23 ^ projectivisch und erzeugen einen Kegel- 
schnitt r*^*, der die Mittelpunkte der Kreise trägt, 
welche durch je drei homologe Punkte der Reihen 
Gl G2 ©8 gehen. Je nachdem dieser Kegelschnitt eine 
Ellipse, eine Parabel oder eine Hyperbel ist, giebt es 
keine, eine Gerade oder zwei Geraden, welche drei ho- 
mologe Punkte dieser Reihen tragen. Construiren wir 
noch control weise in den Mitten A'', t^* . . . auf den 
Verbindungsgeraden JÖ3Ä,, l^li . , , Senkrechte, so 
gehen diese resp. durch die Punkte r], i und schneiden 
sich in dem Pol P*'' der Systeme S^Si. Das hierdurch 
entstehende Strahlenbüschel P''(A^'t^^ . . .) ist aus 
den oben angeführten Gründen auch mit den Büscheln 
pi2(Äi2ii2 . .) und p-2» (AM ^28 . . .) projcctlvisch ; folg- 



•) Wir werden den Pol zweier Systeme Sm, S» stets mit 
P"w oder P"»» bezeichnen, wenn also auch die Folge der beiden 
Ziffern m, n geändert wird, so gilt jene Bezeichnung stets für 
den Pol der Systeme Smy Sn- 



lieh geht der Kegelschnitt r^*' durch die drei Pole 
pi2p2sp3i Hieraus folgt der Satz: 

Die Mittelpunkte derjenigen Kreise, 
welche je drei homologe Punkte von 
drei congruenten Punktreihen verbin- 
den, liegen auf einem Kegelschnitt, der 
durch die drei Pole geht. 
Denken wir uns in den drei congruenten ebenen 
Systemen S, S^S^ noch drei homologe Gerade Li L^L^ 
als Träger homologer Punktreihen angenommen, so er- 
halten wir einen neuen durch die Pole pi2p23psi 
gehenden Kegelschnitt ./'^^. Bezeichnen wir das System 
der Kreismittelpunkte r;, 1 . . mit Z'*' und betrachten 
wir eines jener drei congruenten Systeme, etwa Si, in 
Beziehung zu 2^*', so stehen Si und -i'^' in Verwandt- 
schaft zweiten Grades. Jedem Punkt {Hi, J,, . . .) in 
Si entspricht ein Punkt (jy, £, . .) in £*'^^ und jeder 
Geraden (Gj, Li, . .) in Si entspricht ein durch die 
Pole P^'^P^^P^i gehender Kegelschnitt {n^\ ^'", ..) 
in 2"»*^ 

Ehe wir auf diese für unsere Darlegungen sehr 
wichtige Verwandtschaft näher eingehen, wollen wir 
noch ein viertes congruentes ebenes System S^ an- 
nehmen, in dem die Gerade G^ den Geraden Gi G^ G^ 
entspricht,, und auf der die Punkte jS^Zi den Punkten 
-Hi J,, H^Izf H^h entsprechen. Betrachten wir nun 
die congruenten Punktreihen G2 G^ G4 , so erhalten 
wir in gleicher Weise, wie oben gezeigt wurde, für 
den Ort der Mittelpunkte der Kreise, die durch je 
drei homologe Punkte der Reihen G2 G^G^ gehen, einen 
Kegelschnitt r*^*, der durch die Pole P«'P^P« geht. 
Die beiden Kegelschnitte r^'^ar*'* schneiden sich ausser 
in dem Punkte P^^ entweder noch in einem reellen Punkte 
oder in drei reellen Punkten. Diese Schnittpunkte, 
von denen in unserer Figur 1 die drei a, ß^ y auftreten, 
sind Mittelpunkte solcher Kreise, welche durch vier 
homologe Punkte der congruenten Punktreihen ö, G^ G^ G^ 
gehen. Der vierte Punkt P^", in dem sich die Kegel- 
schnitte r**', r*^* treffen, ist von dem System S4 oder 
der Geraden G^ unabhängig und kann daher nicht 
Mittelpunkt eines Kreises sein, der durch vier homologe 
Punkte der Geraden Gx G^ G^ G^ geht. Wir erhalten 
hiernach den Satz: 

Es giebt entweder einen oder drei 
Kreise, welche durch vier homologe 
Punkte von vier in einer Ebene liegen- 
den congruenten Punktreihen gehen. 
Um die Kreise Ka, Kß, Ky, deren Mittelpunkte resp. 
a, ßf y sind, zu bestimmen, durchschreiten wir den 
angegebenen Gonstructionsweg rückwärts. Wir ziehen 
z. B., um Kß zu erhalten, die Gerade P^^ß bis zu ihrem 

16» 



231 



Burmester, lieber die Geradführuug durch das Kui-belge triebe. 



232 



Durchschnitt b^^ mit der Geraden Ji^^i'^^ und ziehen 
in 6^3 auf P^^ ß die Senkrechte, welche G.^, G^ in jB«, 
JB3 trifft; dann geht der Kreis Ä/j, dessen Mittelpunkt 
ß ist, durch B^, JS3 und schneidet die beiden anderen 
Geraden öi, G^ in den homologen Punkten ^i, B^, 

Da vier Elemente vier Combinationen zur dritten 
Classe liefern, so giebt es vier Kegelschnitte T'**, jT***, 
^•134^ r*"-*, welche durch die drei Kreismittelpunkte 
a, ß^ y gehen. Wir können demnach, da diese vier 
Kegelschnitte zu zweien genommen sechs Combinationen 
geben, jene Kreismittelpunkte auf sechs vei'schiedene 
Weise bestimmen. 

Wenn wir vier homologen Strecken Dj A^^ B^A^^ 
DsJ.3, 2)4-^4, welche vier congruente Punktreihen be- 
stimmen , so angenommen haben , dass die vier Punkte 
Dl D.2 Ds -D4 auf einer Geraden Kb und die vier Punkte 
A^ A^ A^ A^ auf einem Kreise Ka liegen , dann folgt 
aus unserem Satz, dass es ausser dem Ki*oise Ka und 
der Geraden Kö^ welche als ein Kreis mit unendlich 
grossem Radius und unendlich fernem Mittelpunkte 6'^ 
angesehen werden kann, stets noch einen Kreis Ä"/^ 
giebt, der durch vier homologe Punkte BiB^B^B^ 
der Systemgeraden geht. Wenn wir also zwei Kegel- 
schnitte etwa i'**^, r^^* in der angegebenen Weise 
construiren, so müssen diese sich in dem Pol P**, im 
Mittelpunkt a des Kreises Ka und in dem unendlich 
fernen Punkte d* schneiden ; der vierte Schnittpunkt ß 
ist dann der Mittelpunkt des dritten Kreises Kß, der 
durch vier homologe Punkte jener vier Punktreihen 
geht. Der Kegelschnitt r'*^ ist durch die fünf Punkte 
P»2P"P8'a(J*, der Kegelschnitt T*^* durch die fiinf 
Punkte P*^3p34p42ßjQo bestimmt und dann kann man 

den vierten Schnittpunkt ß der Kegelschnitte nach den 
Lehi^en der Geometrie der Lage mittelst Lineal con- 
struiren. 

Sehr einfach gestaltet sich die Bestimmung des 
Punktes ß in dem besonderen, aber oft vorkommenden 
Fall Figur 2, in der zwei Lagen w4i2),, A^B^ so ge- 
wählt sind, dass Ai, A^ auf dem Kreise Ka im Pol P** 
zusammenfallen, dann zerfällt der Kegelschnitt F**^ in 
die Gerade P^'^d*, welche auf J^d senkrecht steht, und 
die Gerade aP^^^ die den Winkel P^^aA^ halbirt. 
Diese letzte Gerade trägt die Mittelpunkte aller durch 
P^^A^ oder AiA^A^ gehenden Kreise. Der Kegel- 
schnitt r"34 geht durch die Punkte P>8pi4p84 ^^ und 
d^ und schneidet die auf Kö senkrechte Gerade P*^ d* 
in einem Punkte ß, den man mittelst des Pascal'schen 
Satzes leicht bestimmen kann. Der Schnittpunkt s von 
PMpi4 mit (l«P»« und der Schnittpunkt t von d^'P»» 
mit P^*a geben verbunden die Pascarsche Gerade 
sty welche P^^P^^ in u trifft, dann schneidet ua die 



Gerade d^ P'^ in dem Mittelpunkte ß des Kreises Kß; 
und um diesen Kreis Kfi, der durch die vier homologen 
Punkte jB| B^ B^ B^ gebt, selbst zu erhalten, ziehen wir 
eine Gerade durch die Mitten der Verbindungsgeraden 
zweier Paare homologer Punkte, z. B. die Gerade a'*d**, 
welche durch die Mitten von A^A^ und B^B^ geht 
Diese Gerade schneidet P^*ß im Punkte b^; durch 
diesen ziehen wir B^B^ senkrecht auf ßb^* und be- 
schreiben um ß den durch B^B^ gehenden Kreis Kß^ 
der die beiden anderen Geraden in den homologen 
Punkten Pi B.^ schneidet. 

Eine andere Bestimmung des Punktes ß ergiebt 
sich, wenn wir die Kegelschnitte P**' und P'** be- 
nutzen, der erste besteht, wie oben angegeben, aus den 
Geraden P»«d* und aP^'-^ und der zweite aus den 
Geraden P^^d"^ und aP*"^; demnach Irilden die Mittel- 
punkte der Kreise, welche durch die homologen Punkte 
der Geraden Ai Dj, ^D«, A^B^ gehen und die Mittel- 
punkte der Kreise, welche die homologen Punkte der 
Geraden -4iD,, -42-^2» -^4-^4 verbinden, zwei auf 
P'*d* liegende projectivische Punktreihen, für welche 
der zu bestimmende Punkt ß und der unendlich £Bme 
Punkt d^ selbstentsprechende Punkte sind; demnach 
sind diese Punktreihen ähnlich und wir brauchen nur 
zwei Paar entsprechende Punkte derselben zu ermitteln. 
Die Geraden aP^^, aP^* bestimmen auf P'^d"^ ein 
Paar entsprechende Punkte a', a" und wenn wir nodi 
auf P'2(j» die Mittelpunkte /, y" zweier duixih beliebig 
angenommene homologe Punkte Ci C^ C^ und Ci C% C^ 
gehenden Kreise ermitteln*), so sind die projecti vischen 
Punktreihen «' y* X^ . . und a" y" A* durch die drei Paar 
entsprechender Punkte bestimmt und man kann dann 
den zweiten selbstentsprechenden Punkt ß dieser Reihen 
leicht construiren. In Fig. 2 ist die Gurve gezeiohnei, 
welche der Punkt B durchläuft, wenn die Punkte A 
und B sich resp. auf den Kreisen Kay Kß bewegen. 
Diese Curve hat mit der Geraden Kd die vier Punkte 
Bi B2 Da 2)4 gemein und schliesst sich innerhalb dieser 
Strecke der Geraden sehr nahe an. - 

In Figur 3 haben wir die Bestimmung des Kreis- 
mittelpunktes ß auf den Conchoiden- Lenker angewendet 
und es zeigt sich, dass wir in diesem Falle sechs Bjmr 
metrisch liegende Geraden beliebig annehmen können. 
Wir haben die sechs Lagen Bi A, B^A, D» A, D4A» 
Dft A9 Dq A der durch einen festen Punkt A gehenden 
Geradeaso genommen, dass die FunikteBiB^D^D^D^D^ 
auf einer Geraden Kö sich in gleichen Abständen von 
einander befinden und zu der von A auf Kd gezogen 



*) In unserer Figur haben wir diese Gonstmction nicht aiu- 
geführt. 



233 



Burmester, Ueber die Geradftthrung durch das Kurbelgetriebe. 



234 



senkrechten Geraden m A symmetrisch liegen. Die Pole 
pi«pi4p24^ die wir für unsere Bestimmung gebrauchen, 
ergeben sich am genauesten, wenn wir auf den Halbi- 
ningsgeraden der Winkel Dj A D«, Di A D4, D^ A D4 
in A Senkrechte errichten, oder, was dasselbe ist, die 
Nebenwinkel halbiren, diese Senkrechten treffen die in 
den Mitten der Strecken A-D«> -D, 2)4, D^D^ auf K9 
senkrechten Geraden in den genannten Polen. Be- 
trachten wir nun zunächst die vier Lagen oder homo- 
logen Strecken D, Ci, D^G^y Da C3, D4C4, so liegt der 
Pol P»* in A, und der Kegelschnitt r"* zerfallt in 
zwei Gerade Aw und P^^P^^^ von denen wir nur die 
Gerade Am benutzen. Um nun den Kreis Kß zu bestim- 
men, der durch vier homologe Punkte D, JB^ B^ D4 geht, 
suchen wir den im Endlichen liegenden Schnittpunkt ^, 
welchen die Gerade Aw mit den Kegelschnitt r*** 
bildet, der durch die drei Punkte pi«pi*p24 und den 
unendlich fernen Punkt d^ der Geraden Aw geht, 
weil wir d* als den Mittelpunkt der als Kreis ange- 
sehenen Geraden Ks betrachten. Ziehen wir von P** 
nach der Mitte c** auf Ci C» und von P** nach der 
Mitte c** auf C2C4 Gerade, so ist der Schnittpunkt/ 
dieser Geraden ein fünfter Punkt des Kegelschnittes 
r***. Hiernach bestimmen wir mittelst des Pascal'- 
schen Sechseckes den Schnittpunkt /?, welchen d^ A mit 
r'*"* bildet, indem wir durch den Schnittpunkt s von 
Ä* A mit yP^ und den Schnittpunkt t von d*P»* mit 
yP** die Pascarsche Gerade ziehen, welche P^^P^ 
in u trifft, dann schneidet wP** die Gerade d'^A in 
dem gesuchten Rreismittelpunkt ß. Die Gerade P^'^ß 
schneidet die Gerade d'^c'^ welche durch die Mitten 
von DiD^, C1C2 geht, in dem Punkte f*^. Durch 
diesen ziehen wir P, B^ senkrecht auf P^^ß; dann geht 
der Kreis Kß, dessen Mittelpunkt ß ist, durch die ho- 
mologen Punkte Bi B^B^B^ und wegen der symme- 
trischen Lagen auch noch durch die homologen Punkte 
B^B^. Der Punkt D beschreibt hiernach, wenn der 
Punkt B sich auf dem Kreise Kß bewegt, eine Curve, 
welche sechs Punkte mit der Geraden JEV gemein hat. 
Der Gonchoiden-Lenker in der Gestalt, welche unsere 
Construction geliefert hat, ist unter dem Namen Rei- 
ch enbach 'scher Lenker bekannt und man hat bis jetzt 
denselben nur so zu construiren vermocht, dass drei 
oder höchstens vier Punkte der Curve, welche der gerad- 
fuhrende Punkt beschreibt, auf der Geraden Kö liegen. 
Wie zur Geradflihrung kann der Reichenbach '- 
sehe Lenker auch zur Kreisfiihrung benutzt werden, 
d. h. ein Punkt D soll eine Curve beschreiben, welche 
innerhalb zweckmässig gegebener Grenzen, sich mög- 
lichst nahe an einen Kreis mit grossem Radius an- 
scblieest. In Figur 4 ist statt der Geraden ein Kreis- 



stück Kdi dessen Mittelpunkt d auf der Geraden mA 
verhältnissmässig weit von m entfernt ist. Wir können 
dann den Kreis Kß ebenso wie in Figur 3 bestimmen 
und die Construction unterscheidet sich nur dadurch, 
dass wir statt in Figur 3 nach dem unendlich fernen 
Punkte d^j also parallel zu Am, hier in Fig. 4 nach 
dem im Endlichen liegenden Mittelpunkte d des Kreis- 
stückes Kd Geraden ziehen. Dieses Kreisstück hat dann 
sechs Punkte mit der von dem Punkte D beschriebenen 
Curve gemein. 

In Figur 5 haben wir die fünf homologen Strecken 
DiAi, D2Ä29 D^A^y B^A^y DöJ-ft so angenommen, 
dass die homologen Punkte Di D2 D3 D4 D^ in gleichen 
Abständen auf dem Kreise Kby dessen Mittelpunkt d ist, 
liegen und dass Ax ^5, Ai A^ in den Schnittpunkten 
zusammenfallen, welche die Gerade dD^ mit dem Kreise 
Kcc bildet, der die homologen Punkte AiA^A^A^A^ 
trägt und dessen Mittelpunkt a ist. Wir können hier 
den Mittelpunkt ß des Kreises Kß in gleicher Weise 
wie in Figur 3 und 4 erhalten; wir wollen hier aber 
beispielsweise die andere Bestimmung anwenden, welche 
wir schon oben erwähnten. 

Die Mittelpunkte aller Kreise, welche durch homo- 
loge Punkte der Geraden Di A^ , B^A^, D^ A^ gehen, 
und die Mittelpunkte aller Kreise, welche die homologen 
Punkte der Geraden D^^a» D, ^3, D4-44 tragen, bilden 
auf der Geraden (JD3 zwei projectivische Punktreihen, 
deren beide selbstentsprechenden Punkte d und ß sind. 
Die Geraden aP^^y aP^^ schneiden die Gerade dDa 
in den zwei entsprechenden Kreismittelpunkten a', a". 
Ferner nehmen wir noch die homologen Punkte Ci C^ C3 
an, verbinden die Mitte c'^ von Ci Ca mit P''^ die 
Mitte c^^ von C^Cs mit P^*, so liefern diese Verbin- 
dungsgeraden auf d D3 die entsprechenden Kreismittel- 
punkte /, y". Da nun der eine selbstentsprechende 
Punkt d als Kreismittelpunkt von Kö gegeben ist, so 
erhalten wir den •zweiten ß in folgender Weise: Wir 
ziehen durch d eine beliebige Gerade, etwa dP**^ nehmen 
einen beliebigen Punkt, der Einfachheit halber etwa a an, 
und projiciren von diesem a" nach «q", y*' nach y^" auf 
dP^^y ziehen die Geraden a^,''«', /«*'/> welche sich in 
einem Punkte n schneiden; dann triflFt an die Gerade 
dDs in dem gesuchten Mittelpunkte ß des Kreises Kßy 
der die fünf homologen Punkte B^ B^ D3 D4 B^ trägt 
und ebenso wie in Figur 3 und 4 bestimmt wird. Be- 
wegen sich die Punkte Ay B resp. auf den Kreisen 
Kay Kßy 80 beschreibt der Punkt D eine Curve, welche 
die fünf Punkte BiD^D^D^D^ mit dem Kreisstück 
Kb gemein hat und sich demselben sehr nahe anschliesst ; 
dieses Anschliessen wird selbstverständlich um so ge- 
nauer, je kürzer das Kreisstück Dj D5 ist. Nehmen wir 



235 



Burmester, Ueber die Geradftlhnmg durch das Kurbelgetriebe. 



236 



glatt des Kreises Kö eine Gerade, so fällt in diesem 
besonderen Falle der Punkt ß mit dem Punkte Ds zu- 
sammen und wir erhalten eine Geradfuhrung , welche 
mit der Geraden fünf Punkte gemein hat. 

Um die Geradfiihrung ausführlicher zu behandeln, 
müssen wir die obenerwähnte Verwandtschaft zweiten 
Grades*), welche zwischen dem System Sx und dem 
Systeme -1**^ der Kreismittelpunkte besteht, noch ein- 
gehender untersuchen; denn sie wird das Fundament 
für unsere weiteren Betrachtungen bilden und neben 
ihrer Anwendung auf die Geradführung noch manche 
interessante geometrische Beziehungen bieten. 

In Figur 6 sind drei congruente ebene Systeme 
S, &2 ^3 durch die drei homologen Strecken Ai Bi , 
A.1B2, Ä^B^ gegeben. Durch je drei homologe Punkte 
dieser drei Systeme können wir einen Kreis legen und 
demnach entspricht je drei homologen Punkten ein 
Kreismittelpunkt. Wir betrachten jedoch, wie schon 
oben erwähnt, nur ein System, z. B. /S|, in Beziehung 
zu dem Mittelpunktsystem, welches wir mit 2^**' be- 
zeichnet haben ; dann entspricht jedem Punkt in Si ein 
Kreismittelpunkt in -1^^', mit Ausnahme dreier Punkte, 
die wir noch besonders betrachten werden; jeder Ge- 
raden in Si entspricht ein Kegelschnitt in -1'**^, der 
durch die Pole pi^P^^P^^ geht. Ist in S, ein PuAt 
Dl gegeben, so erhalten wir den entsprechenden Kreis- 
niittelpunkt rf, indem wir zu Dj die homologen Punkte ! 
-D.2, Dg bestimmen und den Mittelpunkt d des durch 
Dl Da D3 gehenden Kreises construiren. Einer Geraden 
in Si, welche durch den Pol P'^ geht, entspricht in 
-1^*^^ ein aus zwei Geraden bestehender Kegelschnitt, 
von denen die eine stets durch den Pol P'^ geht. So 
entspricht z. B. der Geraden P^^Ai die Halbirungs- 
gerade P^^a des Winkels -4, P'* J^ und die Gerade 
paspai Hierbei ist zu bemerken, dass jedem Punkte 
der Geraden P^^Ai ein Punkt der Geraden P^^a ent- 
spricht, ausgenommen den Punkt P*^, diesem entsprechen 
alle Punkte der zweiten Geraden P^^P^^; denn der 
Punkt P**^ ist der selbstentsprechende Punkt in den 
Systemen S,, S.^ und bestimmen wir den entsprechenden 
Punkt Pa^:^ in S^. so steht die Gei^e P^apsi in der 
Mitte auf P'^-^Pg'* senkrecht. Ein Punkt im System 
Si, dem sämmtliche Punkte einer Geraden entsprechen, 
heisst ein Hauptpunkt des Systems Si und die ent- 
sprechende Gerade eine Hauptgerade des Systems 2'*«. 



*) Die Verwandtschaft zweiten Grades wurde behandelt von 
Steiner, Systematische Entwickelungen der Abhängigkeit geo- 
metrischer Gestalten. S. 251. 
Seydewitz, Grunert's Archiv. Bd. 7, S. 118. 
Reye, Schlömilch's Zeitschrift. Bd. 11, S. 280. 



In gleicher Weise entspricht jeder durch P** gehende 
Geraden in Si ein aus zwei Geraden bestehender Kegel* 
schnitt, von denen stets die eine durch P^* geht, die 
andere aber stets mit P**P^^ zusammenfallt. Z. B. der 
Geraden P^* Ai entspricht die Halbirungsgerade F^^a 
des Winkels A^P^^A^ und die Gerade P'^P^K Dem 
Punkte P*' entsprechen aber alle Punkte der Geraden 
pi«p28^ weil diese in der Mitte auf P^^P^^^ senkredit 
steht. Bestimmen wir zu dem Pol P*^ der in S«, 8^ 
sich selbst entspricht, den homologen Punkt Pj*' in Sf, 
indem wir P'^^ i senkrecht P^^P^^ ziehen und auf der 
Verlängerung Pi*^i = iP*^* machen, so entspricht audi 
jeder durch P,*' gehenden Geraden in Si ein aus zwei 
Geraden bestehender Kegelschnitt in -1'*', von denen 
die eine stets durch P*^ geht und die andere stets mit 
der Geraden P^^P^^ zusammenfällt. Betrachten wir 
z. B. die Gerade P,*^Mi, so sind P*»^^ und P^A^ 
homologe Gerade und demnach entspricht der Geraden 
Pi^Ai die Halbirungsgerade P^^a des Winkels A^P^^Aj. 
Jedem Punkte auf P^^^Ai entspricht ein Punkt auf 
P*^of, mit Ausnahme des Punktes P|**, dem alle Punkte 
der Geraden P^^P^^ entsprechen. 

Wir wollen jetzt umgekehrt aus dem System £^^ 
in das System S, gehen. Ist z. B. in -i**^ ein Punkt 
y gegeben, so können wir zu diesem den entsprechen- 
den Punkt C, in S, durch folgende Gonstruction er- 
mitteln. Wir verbinden zwei homologe Punkte etwa 
JLi, A2 mit P'*, bestimmen die Halbirungsgerade P^^a 
des Winkels AiP^^A<i und machen den Winkel tP^^y 
= <;-4., P**a, dann muss der Punkt Ci auf der Ge- • 
raden P^^t liegen, denn jedem Punkt der Geraden P**y 
in Z'*^ entspricht ein Punkt der Geraden P**<. Femer 
verbinden wir JL, und A^ mit P^\ bestimmen die Hal- 
birungsgerade P®'« des Winkels J., P^' jIj und machen 
Winkel sP^^y = <A^P^^a, dann liegt der Punkt Q 
auch auf der Geraden P**,9, weil jedem Punkte der Ge- 
raden P*'y in X**^ ein Punkt der Geraden P»*« in 
iS^i entspricht, und folglich ist der Schnittpunkt C, der 
Geraden P'*^^, P^^s der entsprechende Punkt von /. 
In analoger Weise erhalten wir umgekehrt auch 2tt 
dem Punkte Ci in Sj den entsprechenden Punkt y in 
-S**'; die Constructionen sind in beiden Fällen ganz 
symmetrisch und daher gelten alle Beziehungen der 
beiden Systeme S, und -1 '*^ stets wechselsweise. Wollen 
wir zu dem Punkte P** in -1'^*^ nach unserer Angabe 
den entsprechenden Punkt bestimmen, so müssen wir 
den Winkel VP^^P^' =<:A^P^' a machen, dann geht 
P'*^' durch Pi^«, weil der Winkel Pj««P»«PM=r 
<C-4, P'^J..2 ist. Ferner müssten wir P*' mit sich 
selbst verbinden; da es aber unendlich viele solche 
Yerbindungsgeraden giebt, so entsprechen dem Punkte 



237 



Barmester, lieber die GreradfÜhrang durch das Kurbelgetriebe. 



238 



P»* in X^*» alle Punkte der Göraden P^^Pi«». Aus 
gleichem Grunde entsprechen dem Punkte P'^ alle 
Punkte der Geraden P^'Pi^\ Dem Punkte P*» in 
-^^*' entsprechen alle Punkte der Geraden P^^P^^; 
denn die beiden Geraden, welche durch ihren Schnitt- 
punkt nach unserer Construetion den entsprechenden 
Punkt bestimmen sollten, fallen mit der Geraden P'^psi 
zusammen. Wenn wir die Gerade P^^y ziehen, den 
Winkel u^P^^y = <A,,P^^a, der Hälfte des Winkels 
A^P^^Ä^ machen und zu der Geraden P^^Wj ^ S^ 
die entsprechende Gerade Pi'^^t^ in S, bestimmen, so 
muss auch diese durch C| gehen, weil jedem Punkte der 
Geraden P*»y in 2^«» ein Punkt der Geraden P«^«^ 
in /St und ein Punkt der Geraden Pj^^w, in Si ent- 
spricht Jedem Hauptpunkt in dem einen System ist 
ein Hauptpunkt in dem anderen zugeordnet, d. h. den 
Strahlen eines Büschels, welche in dem einen System 
durch einen Hauptpunkt gehen, entsprechen Strahlen eines 
Büschels, welche im anderen System auch durch einen 
Hauptpunkt gehen. Aus diesen Darlegungen ergiebt 
sich der Satz: 

Im System S^ sind P»^ Pj^», P»* Haupt- 
punkte und P»'^P,",P,'^»P",p3»pi2 Haupt- 
gerade; im System -^»*" sind P»^ P«», 
P^» Hauptpunkte und P^^P^\ paspai^ 
P'^P'*^ Hauptgerade; den Hauptpunkten 
pi2pj23p3i in S, sind resp. die Haupt- 

punkte P*^ P", P^» zugeordnet. 

Hier fallen zwei Paar zugeordneter Hauptpunkte und 
zwei Hauptgerade der Systeme zusammen; die Punkte 
P**, P* * sind also gemeinschaftliche Hauptpunkte, und 
die Gerade P^^P^^ ist eine gemeinschaftliche Haupt- 
gerade in beiden Systemen Si und £^^^, Jedem Strah- 
lenbüschel, dessen Mittelpunkt ein Hauptpunkt ist, ent- 
spricht im anderen Systeme ein congruentes Strahlen- 
büschel, dessen Mittelpunkt der zugeordnete Haupt- 
punkt ist. 

Beschreiben wir durch zwei Hauptpunkte, etwa 
dui'ch P^'^P^^, einen Kreis JE"' in Si, so entspricht 
diesem der durch P^^P^^ gehende Kreis x' in 2^**' und 
umgekehrt. Trägt K^ die Punkte Äi, Ci, so enthält 
x' die entsprechenden Punkte a, y, und diese auf den 
Kreisen K' und x' liegenden Punktreihen AiCi . . und 
ay . . sind ähnlich, weil die Strahlenbüschel P^'^{Ai Ci . .) 
und P**(ay..) congruent sind. Nehmen wir einen 
zweiten, etwa durch P**, Pj*^ und -4, gehenden Kreis 
jBT" in /S, an, dann entspricht diesem in Z*'^' der durch 
P**, P** und a gehende Kreis x" und umgekehrt ent- 
spricht dem Kreise x" in 2'**» der Kreis K** in iSj. Die 
beiden Systeme Si und 2*^'^^ stehen also in einer spe- 
ciellen Verwandtschaft zweiten Grades, bei der jedem 



durch zwei Hauptpunkte gehenden Kreise des einen 
Systems ein durch die zugeordneten Hauptpunkte gehen- 
der Kreis im anderen System entspricht, und ein^ 
Punktreihe auf dem einen dieser Kreise entspricht einer 
ähnlichen Punktreihe auf dem anderen. 

Legen wir in 2^^^ durch die Punkte pt^pa^pai 
den Kreis w und bestimmen wir zu einem beliebigen 
Punkte d dieses Kreises den entsprechenden Z)| in Si, 
ebenso wie wir zu y den Punkt C, ermittelt haben, so 
ergiebt sich, dass Dj im Unendlichen liegt. Dem Punkte 
P*' in 2^** entsprechen alle Punkte der Geraden 
P^^P*^, also auch der unendlich ferne Punkt dieser 
Geraden. Dem Kreise (o in 2^*' entspricht daher ein 
unendlich grosser Kreis Oi in S,. Der Kreis lo ent- 
hält demnach die Mittelpunkte der Kreise, welche durch 
je drei unendlich ferne homologe Punkte der Systeme 
SiS^j^S^ gehen. Legen wir dagegen im Systeme 5, 
durch die Punkte P'^P^^spsi ^en Kreis H^ und be- 
stimmen zu einem Punkte desselben den entsprechenden 
in 2:'**, so ergiebt sich leicht, dass dieser im Unend- 
lichen liegt; dem Punkte Pi*' in S, entspricht jeder 
Punkt der Geraden P^^P^\ also auch der unendlich 
ferne Punkt derselben. Dem Kreise Hi in Si entspricht 
demnach in 2^*^* ein unendlich grosser Kreis und Jiier-r 
aus folgt: die Mittelpunkte der Kreise, welche durch 
drei homologe Punkte der entsprechenden Kreise ^i, 
jffg, H^ der Systeme SiS^S^ gehen, liegen auf einem 
unendlich grossen Kreise. Liegen die drei Systeme 
818.28^ unendlich nahe, dann geht der Kreis Hi in 
den Wendekreis über. 

Betrachten wir nun vier congruente ebene Systeme 
81 82 Ss 5^4 und bezeichnen wir das System der Kreis- 
mittelpunkte , welches den Systemen 8^ 8^ 8^ angehört, 
wie oben mit 2**^ und das, welches durch 828^8^ be- 
stimmt wird, mit 2*'*, so steht jedes der Systeme 
81 82 S3 8^ mit 2 >«» und £^^* in Verwandtschaft zweiten 
Grades. Einer Geraden AiBi in Si entsprechen in 
828^8^ resp. die Geraden A^B^, A^B^, -^4^4 und 
in 2;>«3, 2^^ resp. die Kegelschnitte T'«», r^^. Auf 
den vier entsprechenden Geraden giebt es nach dem 
Satze S. 230 entweder drei oder wenigstens eine Gruppe 
von vier homologen Punkten, die auf einem Kreise 
liegen. Es mögen auf diesen Geraden EyE^E^E^ 
solche homologe Punkte sein, durch welche ein Kreis 
Ki geht, dessen Mittelpunkt e ist. Dann entspricht 
diesen homologen Punkten in den beiden Systemen 2 ***, 
2^'* ein und derselbe Punkt €. Denken wir ims nun 
durch den Punkt JBi in S, Gerade öi^öi^ßi"!. . ge- 
legt, so entsprechen diesen in E^^* die Kegelschnitte 
A**'. Ai**», All**' . . eines Büschels, welche durch 
die vier Grundpunkte P**, P*', P**, e gdien, ujid im 



239 



Burmester, lieber die GeradfUhrang darcli das Kurbelgetriebe. 



240 



System -T«»* die Kegekchnitte A«" Ai^»* Aii*'^* . . 
eines Büschels, welche durch die vier Grundpunkte 
p23^ P'*, P**, e gehen. Die Schnittpunkte von je zwei 
entsprechenden Kegelschnitten A"*A*'S Ai**'Pii*'* 
sind Mittelpunkte solcher Kreise, die durch vier homo- 
loge Punkte der Systeme Sj S^ S^ S^ gehen. Die beiden 
projectivischen Kegelschnittbüschel 

pl2p23p8lg(J^^I23/'j^l23 2-j^^l23 , .) ^^d 

p23 p34 p42 ^ ( jn, 284 ^-^^234 J^jjj234 . ) 

i 

haben die zwei gemeinschaftlichen Grundpunkte P*', e. 1 
Der einen durch Ei gehenden Geraden Gi^^, welche ''> 
den Punkt P,*' enthält, entspricht in £^^^ ein gerad- 
liniger Kegelschnitt, der aus den Geraden P'^^e und 
P^^P^^ besteht; die homologe Gerade i^^G«^^ in S^ 
geht durch Hauptpunkt P*' und demnach entspricht 
ihr in 2^^* ein aus den beiden Geraden P^^€ und 
p34p42 bestehender Kegelschnitt. Hieraus folgt, dass 
in den beiden projectivischen Kegelschnittbüscheln sich 
die beiden geradlinigen Kegelschnitte P^^c, P^^P^^ 
und P*^^€, P^^P^i^^ entsprechen, und dann ist das Er- 
zeugniss dieser beiden projectivischen Kegelschnitt- 
büschel, der geometrische Ort der Mittelpunkte aller 
durch vier homologe Punkte gehenden Kreise, eine Curve 
dritter Ordnung, welche durch die sechs Pole P'^P'^P** 
P28P24P34 geht. Der Beweis, dass jene Kegelschnitt- 
büschel eine Curve dritter Ordnung erzeugen, ergiebt 
sich leicht durch folgende analytische Betrachtungen. 
Sind 



Factor w + nA fürA = auch Null sein und daher 
die Form nl haben ; folglich ergiebt sich aus Gleichung (2) 

Aus (1) erhalten wir 






X^X^ 



Xi = 0, x.^ = 0, Xs = 0, 3^4 = 0, a;i = 0, 
resp. die symbolischen Gleichungen der Geraden 

pl2pi'A^ p2lig pl2p23 pl3f^ P34p42^ 

in Fig. 7, Tafel XI, so sind die Gleichungen der Ge- 
raden P^^P*^^ P**£, wenn a und b zwei CJonstante 
bedeuten , beziehungsweise 

Dann ist die Gleichung des Kegelschnittbüschels, 
dessen vier Grundpunkte P*^ P**, P*^, e sind 

x^x^-{-Xx^x^ = (1) . 

und die Gleichung des durch die Grundpunkte i 
p28p34p42^ bestimmten projectivischen Kegelschnitt- 
büschels 

{l+kk)xiX2-h{m-]rnk){x.^--\-ax^){x2 + bx^) = . (2) 

worin hmfiy Constante bezeichnen. Für jeden Werth 
von k erhalten wir zwei entsprechende Kegelschnitte 
der Büschel. Da der Kegelschnitt a?i a?a = dem Kegel- 
schnitt iC2rri = 0, d. h. die Geraden P^^P^^ P««« den 
Geraden pwp4«^ P^^e entsprechen soll, so muss der 



und diesen Wertli in die letzte Gleichung gesetzt, giebt 
die folgende Gleichung dritten Grades 

— xix^x^-\~kxix^^X2-\'nXi{x^'{'a x^) {x^ "j- ^ «4) = 0. *) 

Die unendlich fernen imaginären Kreispunkie sind 
bekanntlich für alle in einer Ebene liegende congruente 
Systeme selbstentsprechende Punkte, folglich muas die 
Curve durch diese Pimkte gehen. Hieraus folgt der Sats: 
Der geometrische Ort der Mittelpunkte 
aller Kreise, welche durch vier homo- 
loge Punkte von vier in einer Ebene 
liegenden congruenten Systemen 81^8^ 
8^j S4 gehen, ist eine Curve dritter Ord- 
nung, die durch die beiden unendlich 
fernen imaginären Kreispunkte und 
die sechs Pole P»«, P»», P^\ P", P^, P»« 
der Systeme geht. 
Diese Curve (Z>, welche die Mittelpunkte aller durch 
vier homologe Punkte gehende Kreise enthält, wollen 
wir die Mittelpunktcurve von vier congruenten 
ebenen Systemen nennen. Aus vier Elementen. ergeben 
sich vier Combinationen zur dritten Classe und daher 
giebt es für S^ S^ S^ 8^ vier Mittelpunkt-Systeme 2^***, 
2124^ 2 134, v«3*, in denen die Punkte der Mittelpunkt- 
curve (Z> sich selbst entsprechen. Betrachten wir nv 
das System 2^^^ in Beziehung zu dem System 3i und 
die Curve <P in 2i^' liegend, so würde im AUgemeiiien 
eine Curve dritter Ordnung in -S**' eine Curve seöhster 
Ordnung in 5| entsprechen ; da aber die Curve ^ durch 
die drei Hauptpunkte P^^,P^\ P^i des Systems JJ^'goht, 
und jedem dieser Hauptpunkte eine Gerade entspricht, 
so entspricht der Curve O in 2'i*3 auch eine Curve Fi 
dritter Ordnung in Si , die durch die zugeordneten 
Hauptpunkte P^^ Pi^», P»« geht. Betrachten wir JS'" 
in Beziehung zu Si und ebenso 2"^^ in Besiehung n 
Si , so muss auch die Curve P\ resp. durch die Punkte 
pi2p^24p4i^ piap^84p4i gehen. Da femer die un- 
endlich fernen imaginären Kreispunkte selbstentqpre- 
chende Punkte der Systeme ^i 5.2 S^ 84 sind, so müssoi 



*) Einen synthetischen Beweis, dass das Erseagoias jener 
beiden projectivischen Kegelschnittbüschel eine Cmre dritter Ord- 
nung ist, hat Milinowski gegeben, Schlömilch'a ZeitBckrift, 
Bd. 21, S. 427. 



241 



Burmester, Ueber die GeradfOhrung durch das Kurbelgetriebe. 



242 



auch diese Punkte auf der Curve J\ liegen und wir 
erhalten den Satz: 

Der geometrische Ort aller Punkte eines 
ebenen Systems S|, welche mit den ho- 
mologen Punkten von drei in derselben 
Ebene liegenden congruenten ebenen 
Systemen S2, Sj, ^4 auf Kreisen liegen, 
ist eine Curve dritter Ordnung, die durch 
die beiden unendlich fernen imaginären 
Kreispunkte und die Punkte pi^piapu 

p^23p^24p^34 geht. 

Diese Curve jFi dritter Ordnung in S| , der in Sj, 
Sz9 S49 resp. die congruenten Curven F^, F^^ F^ ent- 
sprechen, wollen wir aus Gründen, die wir später er- 
kennen, die Angriffs curve in dem System Sj nennen. 

Der unendlich fernen Geraden oder den unendlich 
fernen Punkten in den Systemen 2;»*», -T»«*, 2:»»*, 2*»* 
entsprechen im Systeme S^ resp. die Kreise 

pi2p23p31 pl2p24p41 pl3 p 34 p41 p 23 p 34 p 42^ 

Diese vier Kreise müssen sich in einem Punkte F, 
schneiden ; denn es giebt in den vier Systemen S^ S^ S^ S^ 
nach dem im ersten Theile dieser Abhandlung gegebenen 
Satz (Civilingenieur , B. XXII, S. 602) eine Gruppe 
von vier homologen Punkten Fj F^ F3 F4, welche auf 
einer Geraden, d. h. auf einem Kreise mit unendlich 
fernem Mittelpunkte liegen, und Vi ist demnach ein 
Punkt der Angriffscurve jF,. 

Diese Beziehung, welche uns bei der Bearbeitung 
des ersten Theiles dieser Abhandlung noch unbekannt 
war, führt zu einer neuen, sehr einfachen Lösung der 
dort gelösten Aufgabe, auf die wir bei dieser Gelegen- 
heit noch zurückblicken wollen. In Fig. 2, Taf. XXX 
(Civilingenieur Bd. XXII, S. 602), sind durch die Ge- 
raden ÄiBif Ä2B2, A^B^, A^B^ vier congruente 
ebene Systeme Si S^ S^ S^ gegeben. Wir erhalten dann 
in Si den Punkt $1, der mit den drei anderen homo- 
logen Punkten Q^, Q3 Q^ auf einer Geraden liegt, indem 
wir zwei der oben ei*wähnten vier Kreise, z. B. 
pi2p^2sp3iuu^(jpi2p^24p4i beschreiben, welche sich, 

ausser im Punkte P'*-^, in dem gesuchten Punkte Qi 
schneiden. 

In Figur 8, Taf. XI, sind die vier obengenannten 
Kreise, welche sich in dem Punkte Vi treffen, con- 
struirt. Verwandeln wir diese Figur, indem wir den 
Punkt Vi als Transformationscentinim betrachten, in 
eine kreisverwandte oder inverse Figur, welche in 
Figur 9 schematisch gezeichnet ist, so gehen die Kreise 

pi«p23p31 pi2p24p4l pi3p34p4l p 23 p 34 p 42 

resp. in die vier Geraden ^»2Sß^235p3i^ S|ji2 9ß^24 9ß4i^ 
gji8^^349ß4i^ ^^23Sß^34 5ß^42 ü^ej.^ jic ciu voUstäudiges 

Civilingeuiottr XXIII. 



Vierseit bilden. Das Vierseit hat die bekannte Eigen- 
schaft, dass die vier Kreise lp'*?ß»^5ß^\ ^^»^ßi^'^ßi«*, 
^3i^^32Vß^34^ Sßu^ß^ 42^^43 gjch in eiucm Punkte 3» 

schneiden, und da diesen Kreisen in Figur 8 wieder resp. 
die vier Kreise P>2pi3pi4^ /i2. p^23p^24^ P^Pi'^P,«*, 
p4ip^42p^43 entsprechen, so treffen auch diese vier 
Kreise sich in einem Punkte Jfj. 

In Figur 10 mögen pi2p23psip4ip42 fünf Pole 

von vier congruenten Systemen S, S^ S^ S^ sein. Wir 
erhalten dann zu dem Punkte P*^ in Si den entspre- 
chenden Punkt P3** in /S3, wenn wir P^^i senkrecht 
p23p3i ziehen und P3'2^_--.pi2^ machen, ebenso den 

entsprechenden Punkt P4'* in S4, indem wir P**ä senk- 
recht P4> P*'^ ziehen und P^^^h = P»*A nehmen. Hier- 
aus folgt, dass der Schnittpunkt /r'* der Geraden 
p3ip32^ P4ip42 der Mittelpunkt des durch die vier 
homologen Punkte P^\ P^\ Pg»«, P4"« gehenden Kreises 
ist und daher auf der Mittelpunktcurve O liegt. Dasselbe 
gilt von den Schnittpunkten je zwei anderer Verbin- 
dungsgeraden der betreffenden Pole und wir erhalten 
den Satz: 

Die Mittelpunkt-Curve geht durch die 
sechs Schnittpunkte 7r'*7f"»7r'*7r"7r'^*7r3* 
der Geradenpaare pi^P^\ P'^P'^*; pi2ps2^ 

pi4p»4. p\2 p^l pi3p43. p2ip3l p24p34. 
p2ip4I^ P2Sp43. p3ip41^ p32 p42^ ^^^ 

diesen Kreismittelpunkten entsprechen 
auf der Angriffscurve resp. die Punkte 

pi2 pi3 pi4 p 23 p 24 p 34^ 

Die vier Kreise /r^^pispu^ ^i2p23p24^ n^^P^^P^^, 
^34p4ip42^ welche die vier Dreiecke des vollständigen 
Vierseits umschliessen, schneiden sich in einem Punkte 
(LI, den man am leichtesten erhält, wenn man die Mit- 
telpunkte a, h zweier Kreise, welche z. B. durch die 
Punkte 7r»2P»3pi* ^nd ^r'^P^'P^^ gehen, bestimmt, 
von P** auf a b eine Senkrechte zieht und dieselbe um 
ihre eigene Länge verlängert. 

Dem Kreise tt'^P^^P^* im Systeme A^'" (Fig. 10) 
entspricht der Kreis pi«pi3pi4 i^ s^, weil n^^ und 
P'* entsprechende Punkte sind; dem Kreise 7ri«p23p24 
in 2 234 entspricht der Kreis P^ip^^P^* in S», weü 
auch hier n^^ und P*^ entsprechende Punkte sind, 
und diesem Kreise entspricht in Si der Kreis P^^Pi^^Pi^^. 
Weiter entspricht dem Kreise rc^^p^^p^- in -l'i*^ ^j^j. 
Kreis P^*P^^P^'^ in S3, diesem der Kreis P^34p3ip^s2 
in Si und schliesslich entspricht dem Kreise 7r3*P*jp** 
in 2124 der Kreis P^^P^ip*^ in S4 und diesem der 
Kreis Pj«p4ip^42 j,^ gi. Diese vier Kreise P^^pi^pi% 

p2ip^23p^24^ p9ip^32p^JI4^ P^l P^*^^ I\^^^ Wclchc dcm 

Systeme Si angehören, schneiden sich, wir oben be- 
wiesen haben, in einem Punkte -Mi; folglich ist der 

16 



•243 



Burmester, Ueber die Geradftilimng durch das Kurbelgetriebe. 



244 



Punkt /ti der Mittelpunkt des durch die vier homologen 
Punkte MiM^M^M:^ gehenden Kreises, demnach liegt 
der Punkt 1.1 auf der Mittelpunktscurve (P und der 
Punkt Ml auf der Angriflfscurve F^, Diese Resultate 
werden uns zu einer sehr einfachen Construction der 
Curven O und F^ führen. 

In Figur 11 haben wir ein Kreisbüschel kk'k*\ 
dessen Grundpunkte /, ?/' sind, und ein Strahlenbüschel 
mit dem Mittelpunkte /i, welches zu der auf der Ge- 
raden ^ liegenden Reihe der Kroismittelpunkte perspec- 
tivisch liegt, construirt. Diese beiden so in projectivi- 
scher Beziehung stehenden Büschel erzeugen eine spe- 
cielle, durch die unendlich fernen imaginären Kreispunkte 
gehende Curve dritter Ordnung, bei welcher der reelle 
Durchschnitt der beiden imaginären Asymptoten (der das 
Centrum der Curve genannt w'ird) der auf der Curvc 
liegende Büsphelmittelpunkt /i ist. Der zur Geraden ^ 
parallele Strahl fur geht nach dem unendlich fernen 
reellen Punkte der Curve und schneidet andererseits die 
Curve in dem auf der Chordale k liegenden Punkte t; 
die reelle Asymptote geht parallel zur Geraden T, welche 
die Mittellinie genannt wird, und ist von dieser ebenso 
weit entfernt, wie das Centrum ii auf der anderen Seite. 
Diese Curve ist der geometrische Ort der Brennpunkte 
aller Kegelschnitte, die vier Gerade berühren und wurde 
als solche eingehend von Schröter und Durege 
untersucht, und vor diesen von Salmon und Eckart 
analytisch behandelt. Die Arbeiten*) dieser Autoren 
müssen wir hier zum Theil als bekannt voraussetzen; 
denn wir werden erkennen , dass die Mittelpunktcurve 
und ebenso die AngriffscuiTe mit jener sehr ausführ- 
lich untersuchten Brennpunktcurve identisch ist. 

In Figur 12 haben wir als Seiten eines vollstän- 
digen Vierseits vier beliebige Gerade pa^P**^, P^^ P*\ 
/>3i/>32^ p^\ p^^^ welche wir als Grundtangenten einer 
Kegelschnittschaar betrachten, angenommen. Um die 
Brennpunktcurve der Kegelschnittschaar zu construiren, 
beschreiben wir um zwei beliebige Dreiecke des Vierseits 
Kreise, die sich in einem Punkte /« schneiden, ziehen 
durch die drei Mitten der Nebenseiten P^i P*'\ pz2p*i^ 
n^^ 71^^ die Gerade c, verbinden zwei der sechs Ecken 
des vollständigen Vierseits, etwa P^^, /r^, mit // und 
beschreiben um die Schnittpunkte, welche diese Geraden 
mit ^ bilden resp. die durch P^^, /r^* gehenden Kreise 
k\ i", welche sich in x> 4^ treffen; dann erhalten wir 
weitere Curvenpunkte, wenn wir durch // eine beliebige 



*) S a 1 m n 's Kegelschnitte, deutsch von Fiedler. Eckart, 
Zeitschrift für Math. u. Phys., Bd. 10, S. 321. Schröter, Math. 
Annalen, Bd. 6, S. 50 und Bd. 6, S. 85. Durege, Math. An- 
nalen, Bd. 5, S. 83. 



Gerade ziehen und um ihren Schnitt mit t einen durch 
X, lU gehenden Kreis beschreiben. Die so erhaltene 
Brennpunktcurve geht durch die sieben Punkte /i, 
P3ip82p4ip42^i2^34 ^^d jje beidcu imaginären 

Kreispunkte, und wie Salmon a. a. 0. gezeigt hat, 
durch die Fusspunkte der Höhen des aus den drei 
Nebenseiten gebildeten Dreiecks. 

Betrachten wir nun die Punkte p3ip3«p4ip« 
als vier Pole von vier congruenten ebenen Systemen 
5i S-i S3 S4, so geht auch die Mittelpunktcurve O nach 
den früheren Darlegungen durch die genannten sieben 
Punkte und die beiden imaginären Kreispunkte. Und 
da eine Curve dritter Ordnung im Allgemeinen durch 
neun Punkte bestimmt ist, so ist unsere Mittelpunkte 
curve mit der Brennpunktcurve identisch. Die Mittel- 
punktcurve ist hiernach durch die vier Pole P^^P** 
p32p4i vollständig bestimmt; da aber eine Gruppe 
von vier Polen keinen Vorzug vor einer anderen gleich- 
artig gebildeten Gruppe von vier Polen haben kann, 
so ist die Mittelpunktcurve auch durch die vier Pole 
P3ip42pi2p34 und ebenso durch p3«p4ipi«p»4 \^ 

stimmt. Bezeichnen wir zwei solche Pole, deren Marken 
keine gleiche Ziffer enthalten, als Gegenpole, so giebt 
es drei Paar Gegenpole, nämlich P^'^P^\ p«3p4i^ 
pnp24 Hiernach erhalten wir den Satz: 

Die Mittelpunktcure ist identisch mit 

der Brennpunktcurve und durch zwei 

Paar Gegenpole bestimmt. 

Aus den sechs Polen ergeben sich drei Combina- 

tionen, welche je zwei Paare von Gegenpolen enthalten; 

diese liefern, wenn wir die beiden Yerbindungsgeraden 

der Gegenpolpaare ausschliessen , drei Vierseite und 

alle um die Dreiecke dieser Vierseite beschriebenen 

Kreise schneiden sich dann in einem Punkte, dem 

Centrum u der Mittelpunktcurve, und alle Mitten der 

Nebenseiten dieser Vierseite liegen auf einer Geraden, 

der Mittellinie C dieser Curve. 

Wir haben S. 237, Figur 6, gezeigt, dass allai 
Punkten der Geraden P^^P^^^ in S, der einzige Punkt 
P^' in 2'>*3 entspricht, dann entspricht ebenso allen 
Punkten der Geraden P^^P^^^ in Si der einzige Punkt 
P^' in 2^^**; folglich entspricht dem Schnittpunkte />i " 
dieser beiden Geraden in Si auch der Punkt P*' in 
2*123^ weil alle Punkte der Mittelpunktcurve d> selbst- 
entsprechende Punkte in den vier Systemen £ sind. 
In analoger Weise ergiebt sich dieselbe Beziehung für die 
übrigen Schnittpunkte je zweier derartiger Geraden und 
hieraus folgt der Satz: 

Die Angriffscurve JF\ geht durch die 
sechs Schnittpunkte JPi**i>i ''jPi**A*' 
Pi"^^ Pi^* der Geradenpaare P^^ Pi^* 



245 



Burmester, lieber die Geradftthrung durch das Kurbelgetriebe. 



246 



p\^ P 24. pi^P ?2 P^* P 5** P^^P ** piap 43. 
p2ipSl p 24p 34. p 2ip4l p 23 p 43 . pSl p4I 

Pj'^P,** und diesen Punkten entspre- 
chen auf der Mittelpunktcurve resp. 
die Punkte pi2pi3pi4p23p24p34. 

Die Angrififscurve JP\ besitzt einen unendlich fernen 
reellen Punkt Oj , und da den unendlich fernen Punkten 
in iS, resp. die vier Kreise pi-^p^^pai^ pi2p>4p4i^ 
pisp34p4i^ P23P34P42 Jq jeu vicr Systemcu -S*^«, 
2;i24^ 2;*^**, ^234 entsprechen, so müssen diese Kreise 
sich in einem auf der Curve <2> liegenden Punkt Sl 
treffen, der dem auf Fi liegenden unendlich fernen 
Punkte Ol entspricht. Dann folgt in analoger Weise aus 
den Seite 242 angeführten Gründen, dass sich auch 
die vier Kreise pi^pispu^ p2ip23p24^ p3ip32p34^ 

P4ip42p43 gjcjj in einem Punkte 1^ schneiden. Ferner 
ergiebt durch analoge Betrachtungen wie bei der 
Mittelpunktcurve und durch die Symmetrie der Bezie- 
hungen, dass dem gemeinsamen Schnittpunkte J^ der 
vier Kreise p^^'^P^^F'^ p^^^P^^P^^ p^^^P^'P^^, 
p34p4ip42^ welche den vier Dreiecken des betreffen- 
den vollständigen Vierseits umschrieben sind, der Punkt 
I in den vier Systemen Z zugleich entspricht. Hier- 
nach muss der Punkt Ii , auf der Angriffscurve Fi lie- 
gend, das Centrum dieser Curve sein, und der ent- 
sprechende Punkt I sich auf der Mittelpunktcurve be- 
finden. In Figur 13 sind die beiden Curveu O und 
Fl mit den Punkten Sl t fi und Vi Ii Mi gezeichnet, 
von denen Sl auf O dem unendlich fernen Punkte auf 
Fl und F, auf Fi dem unendlich fernen Punkte auf O 
entspricht. Bezeichnen wir nun von den sechs Punkten, 
pi2pispi4p^23p^.>4p^34 solchc, dcrcu oberen Marken 

keine gleiche Ziffer enthalten, als Gegeupunkte im Sy- 
stemie Si, so giebt es drei Paar Gegenpunkte, nämlich 
prip^zA^ Pi"p4i^ pi3p^24 und wir erhalten den Satz: 

Die Angriffscurve ist wie die Mittel- 
punktcurve eine durch die beiden ima- 
ginären Kreispunkte gehende Curve 
dritter Ordnung, deren Centrum auf 
ihr selbst liegt und welche durch zwei 
Paar Gegenpunkte bestimmt ist. 
In Figur 13 sind vier congruente ebene Systeme 
Sl StSs Sji durch die homologen Strecken Ai B^ A^JB^y 
A^B^, A^B^ gegeben und die sechs Pole pi2p23p3i 
pi4p24p34 bestimmt. Wir wollen die Mittelpunktcurve 
<P und die Angriffscurve Fi dieser vier Systeme con- 
struiren. Den Punkt Pi^^ erhalten wir, indem wir von 
P^^ auf P'2p3i eine Senkrechte 7^- »/^ feilen und die- 
selbe um ihre eigene Länge verlängern, also 2Y^^h=^ 
P'^^h machen; in analoger Weise ergeben sich die 
Punkte P,*^ Pj'S wenn wir von P*^ P^* resp. Senk- 



rechte auf P'2pi4 und P'3P«* ziehen. Um die Mittel- 
punktcurve O zu erhalten, benutzen wir nur zwei Paar 
Gegenpole, z. B. P^^P^\ p23pi4. ^iese liefern das 
gestrichelte Vierseit; die um zwei Dreiecke desselben 
beschriebene Kreise geben das Centrum fi der Curve 
und die Mittellinie dei'selben geht durch die Mitten 
der Verbiudungsgeraden der Gegenpolpaare. Hiernach 
ist die Mittelpunktcurve, welche hier aus zwei Theilen 
besteht, mittelst des Strahlenbüschels /u und das Kreis- 
büschel, dessen Grundpunkte x» V' s^'^^> ^^ ^^^ ^^^ Seite 
243, Figur 11 und 12, angegebenen Weise coustruirt. 
Als Controle ist zu beachten, dass die Curve auch 
durch die Punkte ;r^^ tt^* und die beiden nicht be- 
nutzten Gegenpole P^'^P^^ gehen muss. Für die Con- 
struction der Angriffscurve benutzen wir die Gegen- 
punkte P^'^Pi^\ P^\Pi'^\ diese liefern das punktiite 
Vierseit und die um zwei Dreiecke desselben beschrie- 
benen Kreise bestimmen das Centrum li der Curve, die 
Mittellinie derselben geht durch die Mitten der Ver- 
biudungsgeraden der Gegenpunktpaare. Hiernach ist 
die Angriffscurve, die auch hier aus zwei Theilen be- 
steht, durch das Strahleubüschel ii und das Kreis- 
büschel, dessen Grundpuukte s, t sind construirt, und 
sie muss auch durch die Punkte pi'^^Px ^*, P^^^P^^ gehen. 
Einem Strahlenbüschel in S,, dessen Mittelpunkt 
einer der Hauptpunkte P^^P^'Pj^* dieses Systemes ist, 
entspricht in 2^*-^ ein congruentes Strahlenbüschel, 
dessen Mittelpunkt einer der zugeordneten Hauptpunkte 
pi2p3ip23 in ^123 ist und da die Curven P, und O 

entsprechende Curven in S, und 2^^^ sind, so folgt, 
dass beide Curven von den zugeordneten Hauptpunkten 
P/2, pii; Pj3i^ 7^31. p^23^ P23 ^esp. durch congruente 

Strahlenbüschel projicirt werden können. Bringen wir das 
eine Büschel in Si, indem wir dasselbe nebst der Curve 
P, um P*^ drehen, mit dem entsprechenden Büschel 
zur Deckung, so werden die entsprechenden Punkte 
der Cune O und der gedrehten Curve Fi durch das- 
selbe Strahlenbüschel projiciil. Dasselbe gilt, wenn 
wir eine analoge Drehung um P^^ ausführen, oder 
wenn wir das Büschel P,^^ in Sj nebst der Curve P, 
verschieben, so dass es mit dem entsprechenden Büschel 
P'^^ in 2''^^ zur Deckung gelangt. 

Wir wollen jetzt auf die Construction der durch 
die beiden imaginären Kreispunkte und durch ihr 
eigenes Centrum gehenden Curve dritter Ordnung, die 
für unsere weitere Folgerung von fundamentaler Be- 
deutung ist, näher eingehen und vorzugsweise die be- 
sonderen Fälle betrachten, welche in der Folge auf- 
treten werden. 

In Figur 14 ist das ausgezogene vollständige Vier- 
seit durch die Punkte P^» p3ip4i p42 gegeben. Um die 

16* 



247 



Burmester, lieber die Geradfllhning durch das Kurbelgetriebe. 



248 



hierdurch bestimmte Curve zu construiren, bestimmen 
wir dsÄ Curvencentrum /i als Schnitt zweier Kreise, die 
zwei beliebigen Dreiecke des vollständigen Vierseits 
umschrieben sind, ziehen durch die Mitten der Neben- 
seiten P^'P*\ P^'^P*\ 7t '^7c^* die Mittellinie t, ver- 
binden zwei der sechs Ecken des vollständigen Vierseits 
etwa P**, P^^ mit fi und beschreiben um die Schnitt- 
punkte, welche diese Geraden mit c bilden, die durch 
P**, P'* gehende Kreise äj'ä;". Da diese Kreise in 
unserer Figur keine reelle Schnittpunkte besitzen, so 
sind die Grundpunkte des Kreisbüschel imaginär, und 
wir müssen daher die Chordale k oder ihren Fusspunkt 
bestimmen. Zu diesem Zwecke beschreiben wir (wie 
in der separaten Fig. 14* ausgeführt ist) einen belie- 
bigen k^Jc" schneidenden Kreis und ziehen durch den 
Schnitt € der beiden gemeinschaftlichen Secanten auf 
^ die Senkrechte k, die Chordale. Von ihrem Fuss- 
punkte auf der Geraden c legen wir eine Tangente o t 
an einen der Kreise k\ k'* und beschreiben mit dieser als 
Radius den Orthogonalkreis x. Um weitere Curvenpunkte 
zu erhalten, ziehen wir, Figur 14, durch /ii eine belie- 
bige Gerade, legen von ihrem Schnittpunkte mit t an 
den Kreis x eine Tangente und beschreiben mit dieser 
als Radius einen Kreis, der dann auf der Geraden zwei 
Curvenpunkte liefert. Wenn die Grundpunkte des 
Kreisbüschels imaginär sind, besteht die Curve aus 
einem Zuge, der durch die beiden auf dem Kreise x 
und der Geraden C liegenden Grenzpunkte rj S des Kreis- 
büschels geht, und die Geraden urj, fi S berühren in 
diesen Punkten die Curve, welche den Kreis x ausser- 
dem in den Berührungspunkten der von ^i an x gezo- 
genen Tangenten schneidet. Berühren sich die beiden 
Kreise A'ä" in einem Punkte, dann wird dieser ein 
Doppelpunkt der Curve. 

In Figur 15 sind zwei Seiten des vollständigen 
Vierseits parallel, der Punkt n^* liegt im Unendlichen ; 
in diesem Falle fällt das Curvencentrum // mit dem 
Punkte 7r'* zusammen; denn beschreiben wir z. B. um 
die Dreiecke /r'-^P^'P*», /r^^psap« Kreise, so be- 
rühren sich diese in ti^'^. Die Nebenseiten des Vierseits 
bilden nach der Angabe auf S. 244 ein Dreieck, dessen 
Höhenfusspunkte auf der Curve liegen; da nun die 
durch 71^^ gehende Seite dieses Dreiecks parallel zu 
^ ist, so triflFl die Gerade k, welche durch den Eck- 
punkt X auf diese Seite senkrecht gezogen ist, in den 
Curvenpunkt r und ist daher die Chordale des Kreis- 
büschels. Beschreiben wir nun noch über P*^P*'^ als 
Durchmesser einen Kreis k\ dessen Mittelpunkt auf t liegt, 
und ziehen wir von o an k' eine Tangente o^, so er- 
halten wir den Orthogonalkreis x. Im Uebrigen ist 
die Construction wie in der vorhergehenden Fig. 14. 



In Figur 16 sind zwei Paar Seiten des Vierseits 
parallel, die beiden Punkte n^\ n^^ und das Centrum 
f.1 liegen im Unendlichen; das Strahlenbüschel i-i geht 
in ein Parallelstrahlenbüschel über, und die Curve zer- 
fällt in die unendlich ferne Gerade und eine gleich- 
seitige Hyperbel. Beschreiben wir über den beiden 
grössten Parallelogrammseiten als Durchmesser die Kreise 
k^k'*y so schneiden sich diese in den reellen Grundpunkten 
X, xp des Kreisbüschels. Der kleinste Kreis kf" dieses 
Büschels, dessen Mittelpunkt o ist, trifft die Hyperbel 
in vier zu den Achsen symmetrisch liegenden Punkten, 
welche demnach die Achsenrichtungen leicht bestimmen. 

In Figur 17 liegen die Punkte P^* und P** in 
gleichem Abstände von der Geraden P32p4i. dann fällt 
die Mittellinie t mit dieser Geraden zusammen und 
p32p4i giud die Grenzpunlcte des Kreisbüschels. In 
diesem später sehr häufig vorkommenden Falle können 
wir das Centrum /i in anderer Weise als bisher be- 
stimmen. Wir errichten in der Mitte auf P**P** eine 
Senkrechtem*, welche die Chordale ä in n triff't, und ziehen 
auf nP**^ eine Senkrechte; diese muss das Centrum (i 
enthalten, denn sie schneidet c in einem Punkte, dessen 
Abstand von P** gleich der von ihm an den Ortho- 
gonalkreis X gehenden Tangente ist. In gleicher Weise 
errichten wir in der Mitte auf P**P** eine Senk- 
rechte n'i', die k in n* triff't, ziehen auf n*P*^ eine 
Senkrechte und diese geht ebenfalls durch fi. Die 
weitere Construction der Curve ist dann wie in Figur 14. 
Fallen P®*, P** in o zusammen,^ so hat die Curve in o 
ein Doppelpunkt. Liegen die Punkte P^ ', P**, Figur 19, 
Tafel XIV, in gleichen Abständen von der Geraden P^'^p^^ 
und in einer Senkrechten zu derselben, dann liegt das 
Centrum f.i auf der mit P^^P^^ zusammenfallenden 
Mittellinie t. Die Curve zerfällt dann in die Gerade t 
und den durch P^^P^'^jv^'^tv^* gehenden Kreis 6, dessen 
Mittelpunkt u ist, und die Punkte P^*, P** liegen 
harmonisch zu den Schnittpunkten, welche der Kreis 6 
mit der Geraden ^ bildet. 

Wenn die Punkte P32p4i ^^d P^^P^^, Fig. 18, 
in Parallelen liegen und gleiche Abstände von einer zu 
diesen Parallelen senkrechten Greraden besitzen, so ist 
diese Gerade die Mittellinie C, auf der die Punkte 
/r'* TT^* und das Centrum f.i liegen. Auch in diesem 
Falle zerfällt die Curve in die Gerade t und den durch 
p3ip4ip32p4-2 gehenden Kreis ö, dessen Mittelpunkt 
(.1 ist und dessen beide Schnittpunkte mit t. zu den 
Punkten ti:*^, /r^* harmonisch sind. 

Liegen die Punkte P3ip42p82p4i^ ^je in Figur 21, 
auf derselben Geraden, so ist diese die Mittellinie t 
und da diese vier Curvenpunkte enthält, so muss sie 
ein Bestandtheil der Curve sein; diese zerfallt dem- 



^49 Der Lehrplaa des Department of Civil and Mechanical Engineering am üniversity College in London. 250 



nach in die Gerade t und den Kreis 6, der ^ in zwei 
Punkten schneidet, die sowohl zu P^^P^^ als zu 
p82p4i harmonisch sind und daher leicht bestimmt 
werden können. Fallen die Mitten von P^^P^^ und 
p3sp4i In einem Punkt v, Fig. 20, zusammen, so ist 
dieser und der unendlich ferne Punkt auf ^ harmonisch 



mit P*^P*^ und auch mit P^^P^K Der Kreis ©wird 
dann unendlich gross und die Curve zerfällt in zwei 
rechtwinklige Gerade t, S. 

Alle diese besonderen Fälle, die in der Folge auf- 
treten, gelten auch für die AngriflFscurve Fi, welche z. B. 
durch die vier Punkte p«ip4iPjS«p^42 bestimmt ist. 



(Schluss folgt im nächsten Heft.) 



Der Lelirplan des Department of Civil and Mechanical Engineering am 

üniversity College in London. 



Der Prospectus der vorbezeichneten Lehranstalt (fiir 
1876 — 77) enthält an seiner Spitze die ausdrückliche 
Bemerkung, dass der Besuch derselben keineswegs den 
praktischen Lehrgang unter einem Bau- oder Maschinen- 
Ingenieur ersetzen soll, durch welchen allein volle 
Kenntniss des praktischen Fach-Details zu erlangen sei. 
Der Cursus ist dreijährig, und es vertheilen sich die 
verschiedenen Disciplinen wie folgt: 

1. Studienjahr: Niedere Mathematik (Algebra, Tri- 
gonometrie, analytische Geometrie, Stereometrie), neuere 
Geometrie und geometrisches Zeichnen, Experimental- 
physik, Chemie und Geologie. 

2. Studienjahr: Sphärische Trigonometrie, Differen- 
tial- und Integralrechnung, Dynamik, Physik, chemi- 
sches Praktikum, Maschinentheorie, technisches Zeichnen, 
Feldmessen. 

3. Studienjahr : Theorie der Functionen, bestimmte 
Integrale, Differentialgleichungen; neuere Geometrie 
und graphische Statik; mathematische Physik, physi- 
kalisches Praktikum, Hochbau- Entwerfen, Fachwissen- 
schaften des Ingenieurs und Maschinenbauers, Bau- 
und Maschinen -Entwerfen. 

Diejenigen Studirenden, welche ein Reifezeugniss 
(General Certificate of Engineering) erlangen wollen, 
sind an den vorgeschriebenen Studienplan gebunden 
und haben jährliche Prüfungen abzulegen. 

Der Lehrplan enthält überhaupt folgende Disciplinen : 
Mathematik (Prof. Henrici und Clifford). 
Algebra, Trigonometrie und analytische Geometrie der 
Ebene, 1 Jahr, 4 St. w.; Elementar-Geometrie, 1 Jahr, 
4 St. w. ; Elemente der Differential- und Integral-Rech- 
nung, analytische Geometrie des Baumes, sphärische 
Trigonometrie, 1 Jahr, 5 St. w.; Functionen-Theorie, 
bestimmte Integrale, Differentialgleichungen, 1 Jahr, 
2 St w.; neuere Geometrie und graphische Statik, 
1 Jahr, 3 St. w. 



Geometrisches Zeichnen und graphostati- 
sche Uebungen unter Leitung der Professoren der 
Mathematik und des Bau-Ingenieurwesens. Uebungs- 
saal täglich von 10 Uhr an geöffnet. 

Angewandte Mathematik und Mechanik 
(Prof. Clifford). Dynamik, 1 J., 3 St. w. Vortrag 
und 2 St. w. Uebungen. Mathematische Physik, 1 J., 
2 St. w. 

Physik (Prof. Fester). Experimentalphysik, 1 J., 
5 St. w. ; mathematische Physik, 1 J., 5 St. w, ; physi- 
kalisches Praktikum, 1 Jahr. Der Arbeitsraum ist täg- 
lich von 10 bis 5 Uhr geöffnet. 

Chemie (Prof. Williamson). Vortrag: 1 Jahr, 
5 St. w., mit 4 Uebuugsstunden w.; Praktikum: 1 Jahr, 
zu beliebigen Stunden. 

Fachwissenschaften des Ingenieurs und 
Maschinenbauers (Prof. Kennedy). 

I. Maschinentheorie, 1 Jahr, 2 St. w. Zwang- 
läufige Bewegung. Pol und Momentanachse. Pol- 
curven und Axoide. Kinematische Elemente, Glieder 
und Ketten — Umkehrung der Ketten — , Getriebe. 
Kinematische Zeichensprache. Analyse der Getriebe 
und Maschinen. Gleichgewicht und Bewegung maschi- 
neller Verbindungen, mit pr^tischen Anwendungen. 

Festigkeit der Materialien. Beanspruchung (stress 
and strain). Verhalten der Metalle unter Einwirkung 
äusserer Kräfte. 

Entwerfen von Maschinen -Elementen. 

II. Bau-Ingenieur-Fach. 1 Jahr, 2 St. w. 
Abriss der Herstellung von Eisen und Stahl; Methoden 
der Formgebung dieser Metalle. Elasticität und Festig- 
keit der Materialien. Theorie der Eisen- und Stein- 
constructionen. Gründungen, Pfeiler, Dämme. Eisen- 
bahnbau, Vorarbeiten, Veranschlagen. Unterbau, Ober- 
bau. Signalwesen. Betriebsmittel. Locomotiven. Zug- 
widerstand. 



251 



Stingl, Die Reinigung des zur Wollwäscherei in der Yöslauer Kammgarnfabrik verwendeten Wassers. 



252 



III. Maschinenbau. 1 Jahr, 3 St. w. Beschrei- 
bung der Motoren, Transportmaschinen und Werkzeug- 
maschinen. Construction und Bau der Motoren und 
Arbeitsmaschinen für flüssige Körper: Pumpen, Tur- 
binen u. s. w. Theorie der thermodynamischen Mo- 
toren. Wasserdampf, — Beziehungen zwischen Volu- 
men, Temperatur und Druck, Expansionsgesetze. Die 
Dampfmaschine, Wirkungsgrad, Anordnung und Dimen- 
sionen ihrer Theile, Chamkteristik und Vorzüge der 
einzelnen Typen ; Methoden der experimentellen Unter- 
suchung. Kessel, — Einrichtung und Leistungsfähigkeit. 
Feuerungen und Brennmaterialien ; BrennstoflF- Ver- 
brauch. SchiflFsnuischinen und Propellerschrauben. 
Widerstand und Fortbewegung der Schiffe. 

IV. Technisches Zeichnen und Entwerfen. 
Drei Jahrescurse, Anleitung 4 St. w.; die Arbeitssäle 
sind täglich von 10 — 5 Uhr geöffnet. Die Uebungen 
schliessen sich vollständig an die Vorträge über Ma- 
schinentheorie und Ingenieurwesen an. 

V. Feldmeeson und Nivelliren. Im Sommer, 
1 St. w. Vortrag, 5 St. Uebungen im Freien, 2 St. 
Situationszeichnen. 

Hochbau (Prof. Lewis und Smith). Vortrag 



im 3. Studienjahr, 1 St. w. Materialienkunde; Her- 
stellung künstlicher Baumaterialien; Mörtel, Cement, 
Beton. Gründungsarbeiten. Construction und Ausfuh- 
rung des Mauerwerks, der Balkenlagen und Dächer. 
Theorie und Herstellung der Gewölbe und Kuppeln. 
Das Eisen, seine Erzeugung und seine bauliche Ver^ 
Wendung ; alles mit wesentlicher Betonung der geschicht- 
lichen Entwicklung. Im Sommer Excursionen nach 
Londoner Bauwerken (British Museum, Westminster 
Abbey u. s. w.). 

Geologie (Prof. Morris), 1 Jahr, 2 St. w., mit 
Excursionen. 

Praktische Arbeiten. Den Studirenden aller 
Classen steht eine Werkstätte zur Verfügung, in welcher 
sie täglich Modelle und einfachere Apparate, unter An- 
leitung der betr. Professoren, eigenhändig herstellen 
dürfen. 

Die CoUegiengelder erreichen eine nach deutschen 
Begriffen ziemlich hohe Summe; sie betragen unter 
Voraussetzung des vorgeschriebenen Studienplanes 777, 
882 und 672 Mark für das 1., 2. und 3. Jahr, für den 
gesammten Cursus also 2331 Mark. 

Hartig. 



Die Reinigung des zur Wollwäscherei in der Vöslauer Kammgarnfabrik 

verwendeten Wassers. 



Von 



Job. Süngl, 

Professor und FachTorstand der ehem. Abtheilung an der höheren k. k. Staatsgewerbeschule in Czemowitz. 



Die Beinigung des Wassers der Yöslauer Kammgamfabrik 
bot insofern grössere Schwierigkeiten, als dasselbe neben den 
kohlensauren und schwefelsauren Ealksalzen auch noch viel 
kohlensaure und schwefelsaure Magnesiasalze enthält und 
weil das Wasser sowohl zur Kesselspeisung als auch zum 
Woll waschen benutzt wird. 

Die Reinigung mit Aetzkalk allein flihrte nicht zum Ziele, 
da Aetzkalk nach eingehenden Untersuchungen nur den gelösten 
kohlensauren Kalk fallt, während die kohlensaure Magnesia erst 
dann gefällt wird, wenn ein grosser Ueberschuss von Aetzkalk 
verwendet wird. Beim Waschen und Kesselspeisen wirkt aber 
dieser Ueberschuss nachtheilig. Aetzkalk fällt also blos den 
kohlensauren Kalk und lässt allen Gyps und die Magnesiasalze 
in Lösung. — Benutzt man Aetzkalk und Soda zur Reinigung, 
so verfährt man gewöhnlich auf folgende Art: 



Man giebt zuerst Kalkmilch in der Menge, welche dem ge- 
lösten kohlensauren Kalk und der kohlensaueren Magnesia ent- 
spricht und hierauf bringt man zu dem Wasser Sodalösung, 
um den Gyps zu fällen. 

Auch diese Methode giebt ganz unverlässliche Resultate, da 
einmal das wirksame Kalkquantum in Form von Kalkmilch 
nicht controlirbar ist , indem in der Kalkmilch das Calciumhyder- 
oxyd in zweierlei Form enthalten ist: als in Wasser aufgelöst 
und zum Theile in Wasser suspendirt und zwar in variablen 
Verhältnissen, abhängig von der Wassermenge, die zu ihrer 
Bereitung verwendet wird, abhängig von der mechanischen Rikhr- 
vorrichtung. Da nun die suspendirten Calciumhyderoxyd-Theilchen 
bei ihrer Wirkung auf die Kohlensäure sich an ihrer Oberfläche 
mit dem unlöslichen, einfach kohlensauren Kalk überziehen, so 
kommt ein Theil des Calciumhyderoxydes nicht zur Wirkung. 



253 



Stingl, Die Reinigung des znr Wollwäscherei in der Yöslaner Kanungamfabrik verwendeten Wassers. 254 



Dieser Theil ist nun variabel mit seiner Menge des Yorhanden- 
seins. Da wir femer früher gesehen haben, dass Calciumhyderoxyd 
. nur den gelösten kohlensauren Kalk f&llt, so bleiben noch im 
Wasser kohlensaure Magnesia, schwefelsaure Magnesia, Chlor- 
magnesium und Gyps. Auf diese Salze soll nun die Soda wirken. 
Diese aber wirkt auf so verdünnte Lösungen von Magnesiasalzen, 
wie sie in den Wässern vorliegen, in kaltem Zustande gar nicht 
oder höchstens äusserst unvollkommen. Die Soda fällt zwar den 
Gyps, lässt aber die Magnesiasalze in Lösung. Hat man nun die 
Sodamenge nach einer Analyse für die schwefelsaure Magnesia, 
für das Chlormagnesium und den Gyps berechnet, so wird zwar 
der Gyps unter Bildung von unlöslichem, einfach kohlensaurem Kalk 
und löslichem schwefelsauren Natron gefällt, dieMagncsiasalze 
aber bleiben neben der noch unveränderten Soda im Wasser ge- 
löst. Wird dies Wasser dann zur Kesselspeisung verwendet, so 
reagirt bei dem Erhitzen die Soda auf die Magnesiasalze unter 
Bildung von kohlensaurer Magnesia, welche aber in Folge von 
Dissociationsverhältnisscn in Magnesiumhyderoxyd und Kohlensäure 
zerfällt. Solche Wässer geben dann die Erscheinung des soge- 
nannten .,Spucken8'* (eine Art Siedeverzug). Auch auf die Seifen- 
lösung äussern die unge^Qlten Magnesiaverbindungen ihren schäd- 
lichen Einfiuss, indem sich zähe leimige Magnesiaseife bildet, die 
die Fasern verschmutzt. 

Aus diesen Gründen führte die Präparation mit Kalk und Soda 
bei dem Vöslauer Wasser zu keinem Ziele. 

Um dieses Wasser rationell ganz gleichmässig und conti- 
nuirlich zu reinigen' — sowohl für Wäschereizwecke als auch 
zum Kesselspeisen — , wurde folgende Methode, gestützt auf ein- 
gehende Laboratoriumsversuche, angewendet. 

Man bereitet sich eine ziemlich klare Lösung von Aetzkalk 
Ca(OH)a und Aetznatron (NaHO). Zu dem Behufe wird eine 
klare Kalkwasserlösung in einem Bottich bereitet und in einem 
zweiten wird die nöthige Aetznatronlösung aus Soda mit- 
telst Aetzkalk erzeugt. 

Diese beiden Lösungen werden nun in einem Sammelbottich 
nach ganz bestimmtem, der Natur des Wassers entsprechenden 
Verhältnisse vereinigt, und aus diesem Sammelreservoir durch 
eine Pumpe ip richtiger Menge dem zu präparirenden Wasser 
zugespritzt Zu diesem Behufe ist die Pumpe genau stellbar, so 
dass nach der Menge des zu präparirenden Wassers auch die 
Menge der Lösung von Calciumhyderoxyd und Natriumhyderoxyd 
leicht variirt werden kann. 

Sollte sich das relative Verhältniss zwischen dem gelösten 
kohlensauren und schwefelsauren Kalk und Magnesiasalze ändern, 
so ka:hn durch entsprechende Aenderung der Aetznatronmenge in 
der erwähnten Keagensflüssigkeit diesem Umstände leicht Rech- 
nung getragen werden. 

Ob eine solche Aenderung noth wendig ist, zeigt die Härte- 
bestimmung mittelst alkoholischer Seifenlösung. Die Härte des 
präparirten Wassers soll 2 bis 279 Grad (Fehling) nicht über- 
steigen und das Wasser nicht alkalisch reagiren. Seit diese Prä- 
paration des Wassers in Vöslau (S Jahre) eingeführt, bot eine 
solche Aenderung gar keine Schwierigkeit und der Arbeiter hand- 
habt die Methode vorzüglich, da dieselbe im Principe ganz ein- 
fach ist. 

Da in dem Wasser der Vöslauer Kammgarnfabrik ein geringer 
Kalküberschuss für die Wollwäscherei von Nachtheil wäre, so ist 
die Vorsicht gebraucht, dass durch eine zweite Pumpe eine ganz 
verdünnte Sodalösung in einen zweiten Melangeur eingespritzt wird, 
wodurch jeder Kalküberschuss unmöglich gemacht wird. Es wurde 
in Vöslau ein zweiter Melangeur angewendet, um dem zu präpa- 



rirenden Wasser die Zeit zu gewähren, die nothwendig ist, damit 
die chemischen Reactionen die zwischen den Reagentien und den 
in dem Wasser gelösten Kalk- und Magnesiasalzen stattfinden, 
noch in den Mischgefässen (Melangeurs) verlaufen. Der Raum- 
inhalt der Mischgefässe muss nach unserer Methode derart be- 
stimmt werden, dass das zu präparirende Wasserquantum in dem 
Mischgefässe mindestens 10—12 Minuten verweilt, bis es auf 
die Filter gelangt Da das Wasser zum Waschen der WoUe im 
erwärmten Zustande zur Verwendung kommt, so wurde in Vöslau 
die Einrichtung getroffen, in den Wasserstrom, unmittelbar bevor 
derselbe in den zweiten Melangeur eintritt, einen Dampfstrahl zu 
leiten, der zum Theile die Temperatur des Wassers erhöht und 
andererseits die chemische Reaction wesentlich beschleunigt, so 
dass durch diese Einrichtung bedeutend mehr Wasser präpaiirt 
werden kann, als der Capacität des Apparates unter normalen 
Verhältnissen, d. h. ohne Erwärmung entspricht 

In der früher erwähnten Lösung von Calciumhyderoxyd und 
Natriumhyderoxyd ist die wirksame Menge des Caldumhyderoxydes 
immer genau bestimmbar, da alles Calciumhyderoxyd in gelöster 
Form vorhanden ist und vollkommen zur Wirkung kommt. 

Die Ursache der sicheren und günstigen Wirkung unserer 
ziu: Verwendung kommenden chemischen Reagentien auf alle ge- 
lösten Kalk- und Magnesiasalze liegt in der gleichzeitigen 
Verwendung von Calciumhyderoxyd und Natriumhyderoxyd, wobei 
wieder das Natriumhyderoxyd der wichtigste Bestandtheil ist. Die 
Wirkung des Aetznatron in dieser Lösung ist nun folgende: 

Dasselbe nimmt Kohlensäure auf und verwandelt sich vor- 
übergehend in kohlensaures Natron, während, der hierbei ge- 
bunden werdenden Kohlensäure entsprechend, ein Theil der in 
Kohlensäure gelösten kohlensauren Erdalkalisalze als unlösliches, 
einfach kohlensaures Salz gefällt wird. Das so gebildete kohlen- 
saure Natron kann aber neben dem vorhandenen Calciumhyderoxyd 
nicht bestehen, sondern setzt sich mit einem Theile desselben in 
unlöslichen kohlensauren Kalk und wieder in Natriumhyderoxyd 
um, welches letztere abermals Kohlensäure bindet und sich in 
kohlensaures Natron verwandelt. Dies von. Neuem gebildete Na- 
triumcarbonat wird von Calciumhyderoxyd wieder in Natrium- 
hyderoxyd auf die früher beschriebene Art umgewandelt, so dass 
diese Wechselzerse.tzungen sich so lange wiederholen, als noch 
Kohlensäure in Form von doppeltkohlensauren Erdalkalisalzen vor- 
handen ist Erst wenn alle diese Kohlensäure in Form von ein- 
fach kohlensaurem Kalk gefällt ist, wobei auch aller zuge- 
setzte Aetzkalk (Calciumhyderoxyd) gefällt sein muss, dann 
bleibt zuletzt kohlensaures Natron, das nun auf den Gyps 
fällend wirkt. 

Enthält ein Wasser neben den Carbonaten der Erdalkalisalze 
und neben Gyps auch schwefelsaure Magnesia und Chlormagneijia, 
so werden die beiden letzten Verbindungen ebenfalls durch Aetz- 
natron in Form von Magnesiumhyderoxyd gefällt, während 
Sodalösnng in verdtüintem kalten Zustande nicht auf sie reagirt.'' 

Der Theil des Aetznatron, welcher diese Fällung bewirkt, 
wird in schwefelsaures Natron respective Chlomatrium verwandelt 
und konunt zu keiner weiteren Wirkung, während jener Theil 
des Natriumhyderoxydes, der zuerst auf die Carbonate des Kalkes 
und der Magnesia wirkt, wie wir gesehen haben, doppelt wirkt: 
einmal den gelösten kohlensauren Kalk und die kohlensaure Mag- 
nesia und dann zuletzt den Gyps oder Calciumsulphat fällt 

Es kann dieser letztere Vorgang durch folgende einfache 
chemische Gleichungen veranschaulicht werden, wobei die Ge- 
genwart des Wassers der Einfachheit wegen nicht berück- 
sichtigt wird. 



^55 



Stingl, Die Reinigung des zur Wollwäscherei in der Yöslauer Kammgarnfabrik verw^kdeten Wassers. 



25& 



I. Phase : CaCO, + CO, + Na^O « CaCO, + Na-CO,. 

Doppeltkohlens. Kalk + Natriumoxyd » einfachkohlen- 
saurer Kalk, kohlens. Natron. 

IL Phase: Na,CO, + CaO = CaCQ, +Na,0. 

Nun wiederholt sich dieser Vorgang, so lange noch doppelt- 
kohlensaure Salze gelöst sind. Endlich bleibt unzersetztes kohlen- 
saures Natron, welches den Gyps fällt: 

Na,CO, -f CaSO^ -« CaCÖ, + Na^SO^. 

Dass dem so ist, beweisen Versuche und die Thatsachen im 
Grossen. 

Durch die Anwendung des Aetznatron ist unsere Wasser- 
reinigungs-Methode f iir a 1 1 e Wässer allgemein verwendbar, wie 
aus Folgendem erhellt: 

Wir wollen drei Fälle unterscheiden, die die verschiedene 
Natur der in Wasser gelösten schädlichen, Härte bildenden Be- 
standtheile umfassen: 

1) Ein Wasser, welches sehr viel Carbonate und 
ganz geringe Mengen Gyps enthält. 

Wir präpariren diese Wässer mit einer Lösung von Calcium- 
hyderoxyd und Natriumhyderoxyd, und zwar in dem Verhältnisse, 
dass wir dem Gyps entsprechend eine bestimmte Menge 
Aetznatron aus der äquivalenten Menge Soda bereiten und um so 
viel weniger an Aetzkalk nehmen — als dorn Aetznatron äquiva- 
lent ist — um alle freie und halbgebundeno Kohlensäure zu binden. 
Das Aetznatron wird auch in dieser geringen Menge, nach dem 
früher gegebenen Schema, der Kohlensäure entziehende Bestand- 
theil sein und so lange als Aetznatron wirken, als noch über- 
schüssige Kohlensäure vorhanden ist. Wenn diese alle an den 
Aetzkalk durch das Aetznatron gleichsam übertragen 
ist, wodurch auch ersterer gefällt wird, dann haben wir unzer- 
setztes kohlensaures Natron, entsprechend der angewendeten Aetz- 
natronmenge — also auch entsprechend der vorhandenen Gyps- 
meuge — und diese beiden Verbindungen setzen sich gegenseitig 
in unlöslichen kohlensauren Kalk und schwefelsaures Natron um. 
Wir sehen also, dass in Folge der stärkeren Verwandtschaft 
des Aetznatrons zur Kohlensäure zuerst aller kohlensaure Kalk 
und kohlensaure Magnesia gefällt wurde, wobei der vorhandene 
Aetzkalk immer wieder die Soda in Aetznatron rückverwandelte, 
und dass endlich auch der Gyps gefällt wird. 

Ein zweiter Fall sei folgender: 

Ein Wasser enthielt gerade so viel freie und halb- 
gebundene Kohlensäure, als dem Gyps äquivalent 
wäre, der im Wasser gelöst ist, also auf 68 Theile 
wasserfreien Gyps 22 Theile Kohlensäure-Anhydrid. 

Um dies Wasser zu präpariren, benöthigte man nur Aetz- 
natron, und zwar so viel, als der Kohlensäure äquivalent wäre, 
d. h. auf 22 Theile Kohlensäure 31 Theile Natriumoxyd entspre- 
chend 53 Theilen Soda (100 Proc. angenommen). 

Das Aetznatron würde in diesem Falle zuerst die freie und 
halbgebundeue Kohlensäure aufnehmen, hierdurch die gelösten 
Carbonate fällen und sich in kohlensaures Natron verwandeln, 
welches dann erst den Gyps auf die bekannte Art fällen würde. 
Solche günstige Verhältnisse der gelösten Bestandtheile kommen 
wohl nie vor. 



Nehmen wir endlich den dritten Fall: Ein Wasser ent- 
hielte mehr Gyps als kohlensaure Kalk- und Magne- 
siasalze, so präpariren wir ein solches Wasser mit einer 
Losung von kohlensaurem Natron und Aetznatron, und 
zwar in dem Verhältnisse, dass den Carbonaten entsprechend eine 
äquivalente Menge Aetznatron neben kohlensaurem Natron zar 
Verwendung kommt. Da dies Aetznatron durch die überschüssig 
vorhandene Kohlensäure in kohlensaures Natron verwandelt wird, 
so muss um diesen Betrag an kohlensaurem Natron von diesem 
Salze weniger genommen werden, als der vorhandenen Gypsmenge 
äquivalent ist 

Diese drei Fälle genügen, um die allgemeine Verwendbar- 
keit dieser Methode darzuthun, und in der That ist dieselbe in 
vielen Etablissements für die verschiedenartigsten Wässer in 
Verwendung, ohne auch nur einmal den Dienst versagt zu haben. 
Diese Methode hat noch folgenden Vortheil: Abgesehen von der 
Unschädlichkeit der verwendeten Reagentien Aetzkalk, Aetznatron 
und Soda, gelangt durch diese Reinigungsmethode in das Wasser 
an Stelle des Gypses das ganz indifferente schwefelsaure Natron, 
welches unter allen Salzen den Siedepunkt des Wassers, in wel- 
chem es gelöst ist, am wenigsten erhöht, wie die Siedepunkts- 
tabellen für Salzlösungen von Farad ay oder Leg ran d zeigen 
Eine Lösung von 31,5 Theilen wasserfreiem schwefelsauren Natron 
in 100 Theilen Wasser siedet bei 100,6" C, während eine Lösung 
von 29,4 Theilen Chlorcalcium in 100 Theilen Wasser erst bei 
lOö"* C. und eine Lösung von 31,8 Theilen Kochsalz in 100 Theilen 
Wasser bei 106" C. siedet. Dieser Höhe des Siedepunktes ent- 
sprechend sinkt die Dampfspannung, wenn mit solchen Chlor- 
calcium u. s. w. haltigen Wässern die Kessel gespeist werden, 
indem diese Lösungen sich rasch concentriren. Nach den Unter- 
suchungen Wüllner*s ist die Verminderung der Dampfspannung 
beim Verdampfen von Wasser, welches schwefelsaures Natron 
enthält, gegenüber von anderen Salzlösungen am geringsten. 

Wüllner fand nämlich, dass die Verminderung (V) der 
Dampfspannung bei einer Dampfspannung (T in Millimetern) mit 
reinem Wasser für schwefelsaures Natron 

F= 0,00236 T 

beträgt, wenn 1 Theil schwefelsaures Natron in 100 Theilen 
Wasser gelöst ist Für alle anderen Salzlösungen fand er eme 
grössere Verminderung der Dampfspannung. 

Es ist daher das schwefelsaure Natron vermöge seiner Indif- 
ferenz gegen das Kesselblech, sowie aus den eben angegebenen 
Gründen das unschädlichste Salz, welches man in das Wasser an 
Stelle des Gypses bringen kann. Wird der Gyps durch Chlor- 
barium entfernt, so wird derselbe in Chlorcalcium vemfandelt, 
und wenn schwefelsaure Magnesia vorhanden war, bildet sich 
Chlormagnesia. Beide Salze erhöhen den Siedepunkt bedeutend 
und vermindern die Spannkraft der Dämpfe; abgesehen von der 
schädlichen Einwirkung auf die Kesselbleche, wenn nicht ein Kalk- 
überschuss im Wasser ist. 

Dass die Wäschereiwässer nicht mit Chlorbarium präparirt 
werden dürfen, ist selbstverständlich; denn das Chlorbarinm fiUlt 
zwar die Schwefelsäure des Gypses in Form von schwefelsaurem 
Baryt, lässt aber allen Kalk des Gypses in Form des leichtlös- 
lichen Chlorcalcium im Wasser, welches Chlorcalcium die Seife 
ebenso zerstört, wie der Gyps. 



Zur Literatur der Geodäsie. 



Von 



Prof. A. Nagel in Dresden. 



IL Drei classische Werke der letzten Jahrzehnte. 

1) S. Stampfer, Theoretische und praktische Anleitung zum Kivelliren. Mit einem Anhange über das Ausstecken der Kreisbögen. 

8. Termehrte Auflage. Bearbeitet von Dr. Jos. Ph. Herr, k. k. Hofrath, o. ö. Professor der höheren Geod&sie und Astro- 
nomie an der k. k. technischen Hochschule zu Wien. Mit vielen Holzschnitten und 283 Seiten Text. Wien (Gerold*s 
Sohn) 1877. 

2) Friedrich Hartner, Handbuch der niederen Geodäsie. 6. vermehrte Auflage. Bearbeitet von Joseph Wastler, o. ö. Pro- 

fessor der Geodäsie an der k. k. technischen Hochschule zu Graz. Mit 897 Holzschnitten, 2 Tafeln und 710 Seiten Text. 
Wien (Seidel & Sohn) 1876. 

3) Dr. C. M. V. Bauernfeindy Elemente der Vermessungskunde. Ein Lehrbuch der technischen Geometrie. 5. vermehrte Auf- 

lage. 2 Bände mit 641 Holzschnitten und 1018 Seiten Text. Stuttgart (Cotta) 1876. 



In dem I. Artikel ist bereits aiigedeutot worden, 
dass die Fortschritte auf dem Gebiete der Geodäsie in 
den letzten Decennien an drei der hervorragendsten 
Werken der Neuzeit nachgewiesen werden sollten. Dieser 
Nachweis kann wohl am besten geliefert werden durch 
Betrachtung dessen, was seit der ersten Auflage eines 
Werkes in den darauf folgenden Auflagen nach und 
nach Aufnahme gefunden hat. Hierzu dürften sich 
aber die oben auuoncirten Schriften vorzugsweise und 
insbesondere auch deshalb eignen, weil dieselben erst 
seit Kurzem in neuer Auflage erschienen sind. 

Obwohl diese Werke einer besonderen Ankündigung 
und Empfeldung nicht mehr bedürfen, da dieselben 
sich als vorzügliche Erscheinungen und durch die An- 
zahl ihrer Auflagen, die sie in verhältnissmässig kurzer 
Zeit erfahren haben, selbst empfehlen, so halten wir 
doch eine Besprechung derselben in dem oben ange- 
deuteten Sinne nicht für unzweckmässig und gestatten 
uns, dabei die Reihenfolge inne zu halten, in welcher 
ihre ersten Auflagen der Zeitfolge nach erschienen sind. 

Stampf er\ Anleitung zum NiveUiren. 

Durch die Eisenbahnbauten erhielt insbesondere 
die einfachste Messungsart der praktischen Geometrie, 
das NiveUiren, eine vorzügliche Wichtigkeit und die 
dabei sich geltend machenden neuen oder erhöhten 

CiTlliogttniear XXIII. 



praktischen Bedürfnisse riefen Verbesserungen und Er- 
weiterungen in den Methoden sowohl als in den 
dazu nöthigen Instioimenten hervor, so dass es wohl 
kaum ein geodätisches Instrument geben dürfte, welches 
unter so verschiedenen, oft auch nur von individuellen 
Anschauungen der mechanischen Künstler abhängigen 
Formen erscheint, als das Nivellirinstrument. 

Professor Stampfer war der erste, der im Jahre 
1839 in dem 20. Bande der Jahrbücher des k. k. po- 
lytechnischen Instituts zu Wien in einem besonderen 
Aufsatze und dann in seiner im Jahre 1845 in erster 
Auflage erschienenen „theoretischen und prak- 
tiscfien Anleitung zum NiveUiren u. s. w." die 
verschiedenen Nivellirinstrumente nach ihrer Construc- 
tion classificiile, die wesentlichen theoretischen und 
praktischen Eigenschaften der einzelnen Klassen in der 
ihm eignen Art und Weise untersuchte, ihre Berich- 
tigung und ihren richtigen Gebrauch zeigte. 

Er theilte die Libellenniveaux mit Femrohr in 
solche mit festverbundenem und in solche mit umleg- 
barem Fernrohre ein.*) Die Klasse mit umlegbarem 
Fernrohre wurde wieder nach drei Kategorien unter- 
schieden, je nachdem die Libelle verbunden mit den 



*) Gegenwärtig fügen wir diesen beiden Hauptklassen noch 
eine dritte bei, nämlich: die der Instrumente mit kippendem 
Fernrohre. 

17 



259 



Nagel, Zur Literatur der Geodäsie. 



260 



Trägern, oder verbunden mit dem Fernrohre, oder als 
Setzlibelle auf dem Femrohr auftrat. Jede dieser ver- 
schiedenen Constructionen hat ihr besonderes Verfahren 
der Rectification , namentlich der Parallelstellung der 
Visirachse mit der Libelle; jedes wurde von Stampfer 
eingehend behandelt. Um den Geometer mit den Eigen- 
schaften seines Instruments bekannt zu machen, zeigte 
er, wie man die Genauigkeit der Visur, die Empfind- 
lichkeit der Libelle und die Uebereinstimmung beider 
zu untersuchen habe, um Selbstvertrauen zu den Ar- 
beiten zu ge¥dnnen und um leicht beurtheilen zu können, 
was in jedem besonderen Falle zur Erreichung einer 
bestimmten Genauigkeit zu berücksichtigen sei, oder 
vernachlässigt werden könne. 

Bereits im Jahre 1834 hatte Stampfer die im 
L Artikel erwähnten Versuche über die Genauigkeit 
des Visirens mit Dioptern und Femröhren angestellt 
und die Resultate im 18. Bande der Jahrbücher des 
Wiener polytechnischen Instituts veröffentlicht. 

Die hauptsächlichsten Resultate dieser Versuche 
finden wir in seiner „Anleitung zum Nivelliren etc." 
wieder. Insbesondere enthält dieselbe aber die Be- 
schreibung, Theorie und den mannigfachen Gebrauch 
seines bereits in den genannten Jahrbüchern vom Jahre 
1839 und dann mit genauer Zeichnung in natürlicher 
Grösse im 5. Jahrgange (1840) von Förster 's Bau- 
zeitung bekannt gemachten verbesserten Nivellirinstru- 
ments, bei welchem die Elevationsschraube als Mikro- 
meterschraube bearbeitet und zum Messen der Neigung 
der Fernrohrachse eingerichtet ist. 

Mit diesem Instrument kann ebensowohl nach der 
gewöhnlichen als nach Stampfer 's neuer Methode mit 
geneigten Visirlinien nivellirt werden; ingleichen dient 
es zur Distanzmessung. Zur Erleichterung der Berech- 
nung der letzteren Messungen sind Tabellen dem Werke 
beigegeben. ^ ^. 

Da das Werk insbesondere fiir .Eisenbalui^ft^uid 
Strassenbau- Ingenieure berechnet war, so enthielt es 
noch in einem 7. und 8. Abschnitte das Höhenmessen 
mit Hilfe des Quecksilberbarometers, das Ausstecken 
der Kreisbögen für Eisenbahnen und die Berechnung 
des Kubikinhalts der Erdbewegungen bei Eisenbahn- 
und Strassenbauten. 

Die vorzügliche Arbeit gab so viel Neues und für 
den Praktiker Brauchbares, dass es wohl nicht leicht 
einen wissenschaftlichen Ingenieur gegeben haben mag, 
der sich nicht in den Besitz dieser Anleitung gesetzt 
hätte. Den Beweis für den kolossalen Absatz liefert 
der Umstand, dass sich schon nach zwei Jahren die 
zweite Auflage, welche ohne bedeutende Veränderungen 
erschien, und im Jahre 1852 die dritte Auflage nöthig 



machte. Die letztere erhielt vom Verfasser mehrere 
Zusätze. Namentlich war dem vom Femrohre handeln- 
den Abschnitt die V alz 'sehe Methode der Bestimmung 
der Vergrösserung eines Femrohres und das Verfahren 
beigefügt, zu prüfen, ob sich die Ocularröhre parallel 
mit der Visirachse bewege. In einem besonderen Nach- 
trage war die Einrichtung eines Nivellirinstruments auf- 
geführt » um mit demselben eine Verticalebene in Ge- 
birgsgegenden auszustecken, die Richtung eines Tunnels 
anzugeben. Diese Einrichtung bestand in einem An- 
sätze mit Reflexionsprisma vor dem Objectiv, der so 
angebracht ist, dass der darauf einfallende und von 
demselben in der Richtung der Visirachse reflectirte 
Strahl mit letzterer einen rechten Winkel bildet, also 
eine Ebene beschreibt, wenn das Femrohr um seine 
mechanische Achse gedreht wird. Durch dieeip Ein- 
richtung wird es auch möglich, genaue Schachtlothungen 
durch Visiren zu bewirken, die in Ausfuhrung gebracht 
werden, um bei markscheiderischen Arbeiten die Mes- 
sungen in der Grube an die über Tage anzuschliessen, 
ohne dabei sich der Magnetnadel zu bedienen. 

Der Begründer der neuen Markscheidekunst, der 
verstorbene Oberbergrath Prof. Weisbach in Freiberg, 
hat in den 40er Jaliren Schachtlothungen direct mit 
dem Lothe ausgeführt und in seinem allerdings erst 
später erschienenen Werke: „Die neue Markscheide- 
kunst '' veröffentlicht. Es war also gerade eine ganz 
geeignete Zeit, als Stampfer auf obengenannten pris- 
matischen Ansatz aufmerksam machte, um denselben 
für Schachtlothungen als Ersatz des schwankenden 
Lothes in Anwendung zu bringen. 

Der dritten Auflage folgten in verhältnissmässig 
kurzen Fristen anderweite zwei Auflagen in unver- 
änderter Form, bis im Jahre 1869, nach dem Tode des 
. Verfassers, dessen Schwiegersohn Dr. Herr, Prof. an 
I der k. k. technischen Hochschule zu Wien, die sechste 
f^rmehrte Auflage herausgab. 

Schon bei der fünften Auflage hatte der Verfasser 
die Absicht gehabt, eine Revision des Buches vorzu- 
nehmen, war aber durch körperliches Leiden daran 
behindert worden. Um so mehr fühlte sich der Her- 
ausgeber der sechsten Auflage verpflichtet, den mehr- 
fach stattgefundenen Verbesserungen der bisher be- 
handelten Instrumente in constructiver Beziehung Rech- 
nung zu tragen. 

Eine Erweiterung erhielt das Buch zunächst im 
§ 13 durch specielle Besprechung des Huyghens 'sehen, 
des Rams den 'sehen und des terrestrischen Oculars 
an geodätischen Fernröhren ; im § 33 durch die Unter- 
suchung der Ringdurchmesser bei Instrumenten mit 
Setzlibelle ; im § 34 durch Besprechung der Elimination 



261 



Nagel, Zur Literatur der Geodäsie. 



262 



des Fehlers im Parallelismus der Visirachse (CoUima- 
tionslinie) und der Ringachse (mechanische Achse), so- 
wie durch die Betrachtung des Einflusses eines Fehlers 
in der Centrirung des Objectiys. 

Die wesentlichste Vermehrung dieser Auflage be- 
steht aber in der Darstellung von drei Universal-Nivellir- 
instrumenten. *) Im § 40 ist das bereits vor 20 Jahren 
von C. Starke angefertigte Üniversal-Nivellirinstrument 
in Theodolitenform mit umlegbarem Femrohre und 
Stampfer 'scher Schraube, im § 41 das Üniversal- 
Nivellirinstrument von Ertel mit distanzmessendem 
Femrohre und im § 42 das Üniversal-Nivellirinstrument 
mit Fernrohr zum Durchschlagen von G. Starke ent- 
halten. 

Ueberdies ist in dem das Stampfer 'sehe verbes- 
serte Nivellirinstrument (mit Mikrometerschraube) be- 
handelnden Abschnitte darauf Rücksicht genommen, 
dass in der Starke 'sehen Werkstätte diese Instrumente 
nicht mehr, wie früher, nur in einer, sondern in drei 
Grössen angefertigt werden, wodurch sich die betref- 
fenden für die Berechnung nöthigen Constanten der- 
selben geändert haben, weshalb auch die entsprechen- 
den Hilfstafeln abgeändert, beziehentlich um zwei neue 
Distanztafeln vermehrt worden sind. 

Dagegen war der Paragraph über die Cubatur der 
Dänune und Einschnitte bei Erdbauten der Raum- 
eraparniss halber weggelassen, in der Ausstattung aber 
insofern eine Aenderung vorgenommen worden, als die 
Figuren nicht mehr in drei beigegebenen Tafeln, son- 
dern als Holzschnitte in dem Texte selbst aufgeführt 
waren. 

Die vorliegende achte ebenfalls von dem Professor 
Dr. Herr herausgegebene Auflage hat eine wesentliche 
Aenderung gegenüber der sechsten Auflage nicht er- 
fahren ; es ist dieselbe einer sorgfältigen Revision unter- 
worfen und dabei die Anwendung des metrischen Maass- 
systems, das nunmehr auch in Oesterreich- Ungarn 
gesetzlich eingeführt ist, entsprechend berücksichtigt 
worden. 

Die Ausstattung auch bezüglich der in den Text 
gedruckten Figuren ist, wie bisher, auch in der gegen- 
wärtigen Auflage eine elegante. 

Die Stampf er 'sehe Darstellungsweise war eine 
so vorzügliche, dass es von seinen Schülern stets be- 
dauert worden ist, dass er die übrigen Partien seiner 



*) Üniversal-Nivellirinstrument ist eine von Stam- 
pfer und Starke früher schon eingeführte Benennung für solche 
Instrumente, die sowohl zum NlveUiren als zur Horizontal- und 
Yertical Winkelmessung, sowie zum Distanzmessen eingerichtet 
waren. 



gediegenen Vorträge über praktische Geometrie nicht 
in gleicher Weise veröffentlicht hat. Um so freudiger 
wurde im Jahre 1851 ein Werk begrüsst, welches im 
Geiste Stampf er's von einem seiner früheren Schüler 
bearbeitet worden war, nämlidi: 



Bat Handbuch der niederen Oeodäsü von Friedrieh 
^ Hartner, 

Seit dieser Zeit ist ein Vierteljahrhundert verflossen 
und das erwähnte Werk erscheint gegenwärtig in der 
fünften vermehrten Auflage; ein Beweis, welche gün- 
stige Aufnahme dasselbe bei dem geodätischen Publikum 
gefunden hat. 

Zur vorläufigen Charakteristik des Werkes sei er- 
wähnt, dass es vom Anfang an bestimmt war, zu Vor- 
lesungen an technischen Lehranstalten benutzt zu wer- 
den und dass daher der Verfasser sich bemühte, den 
Lehrgang unter Anwendung der höheren Mathematik so 
wissenschaftlich als möglich zu halten, indem er ge- 
wöhnlich der speciellen Ausführung eine allgemeine 
Begründung vorangehen liess, um sowohl die Begriffe 
im Allgemeinen festzustellen, als auch das Studium zu 
erleichtern und Wiederholungen zu vermeiden. 

Ehe er daher zu der Darstellung der einzelnen 
Messwerkzeuge und der Untersuchung derselben über- 
geht, betrachtet er ihre einzelnen Theile nach den Be- 
dingungen, die sie zu erfüllen haben, ihren Gonstruc-. 
tionen, Wirkungsweisen und ihrem Grebrauch, beziehent- 
lich mit ihren Fehlern und den Mitteln, diese zu 
beseitigen. 

Um nicht die sämmtlichen Instrumente in ihren 
verschiedenen Constructionen aufzuzählen, was ja ohne- 
dies der grossen Mannigfaltigkeit halber gar nicht 
möglich sein würde, betrachtet er jede besondere Klasse 
von Instrumenten nach ihrem Grundprincipe, dabei auf 
die^auptbestandtheile hinweisend, sowie auf die all- 
gemeinen Anforderungen, welchen sie entsprechen müssen. 
Es enthält daher auch das Werk keineswegs eine Muster- 
karte von Instrumenten verschiedener Werkstätten, son- 
dern es sind meist nur solche Instrumente bildlich 
dargestellt, wie sie aus der berühmten mechanischen 
Werkstätte des Wiener polytechnischen Instituts, die 
später von Starke & Kammerer für eigene Rech- 
nung übernommen wurde, hervorgegangen sind. Nur 
die neueste Auflage macht hiervon in geringem Maasse 
eine Ausnahme. 

Unserer Aufgabe gemäss werden wir von dem 
reichhaltigen Inhalte des Hartner 'sehen Buches nur 
diejenigen Abschnitte hervorheben, die in den späteren 
Auflagen Veränderungen erlitten haben. 

17* 



263 



NagcK Zur Literatui- der Geodäsie. 



264 



Das ganze Werk zerfällt iu zwei Abtheilungen, 
von denen die erste die Feldmesskunst, die zweite die 
Höhenmesskunst behandelt. 

Der erste Abschnitt der ersten Abtheilung beginnt 
mit der Besprechung der Maasse, welcher in der 
fünften Auflage die nothwendigen Zusätze wegen der 
Einführung des metrischen Maasssystems in Oesteri'eich- 
Ungarn erfahren hat. In dem darauf folgenden Ab- 
schnitte, welcher von den Geräthen und Instru- 
menten handelt, erhielt zunächst durch die dritte 
Auflage die bis dahin etwas zu knapp gehaltene 
Theorie der biconvexen Linse und des Fern- 
rohres die nöthige Erweiterung; neben der älteren 
Klemmvorrichtung mittelst der Halterplatte, welche an 
dem Umfange des eingetheilten Kreises zur Arretirung 
der Alhidadenbewegung angebracht wird und die sehr 
leicht Unsicherheiten in den Winkelmessungen hervor- 
ruft, ist in der vierten Auflage der zweckmässigere 
Bremsring, welcher in der Regel auf die Achsenfüh- 
rung wirkt, erwähnt. In der fünften Auflage ist als- 
dann neu hinzugekommen Steinheil's Heliotrop, 
während in den früheren Auflagen nur der von Gauss 
beschrieben wurde. Es ist Pflicht der Pietät gegen 
Gauss und seine so überaus werth volle Erfindung vom 
Jahre 1821, dass sie in den Lehrbüchern der Geodäsie 
nicht unei'wähnt bleibt, wenn sie auch in neuerer Zeit 
in der praktischen Anwendung einfacheren Einrichtungen 
hat weichen müssen. Dahin gehört der von Baeyer 
in seiner Küstenvermessung zuerst beschriebene Apparat, 
der ebenso gut wie der Gauss 'sehe auf die grössten 
Entfernungen mit Leichtigkeit angewendet werden kann. 
Es würde daher nicht unzweckmässig erschienen sein, 
wenn der Verfasser gerade diesen Heliotrop mit be- 
schrieben hätte, anstatt ihn nur kurz zu erwähnen. 

So viel uns bekannt, sind in Oesterreich die ersten 
Kippregeln mit Libelle in Anwendung gekommen 
und jedenfalls dadurch hervorgerufen worden, dass die 
zum Zweck der Katastralvermessung zur Ausführung 
gekommene graphische Triangulirung eine grössere Ge- 
nauigkeit erforderte.*) Die älteste Construction der- 
artiger Kippregeln i-ühit vom Wiener Mechaniker 
Sadtler her und ist beschrieben in „Wink 1er 's 
praktischer Anleitung zum graphischen Trianguliren. 
Wien 1825.*' Später sind wesentliche Verbesserungen 
derselben erfolgt durch die Wiener Mechaniker Kraft 
und Seh ab las 8. Die früheren Auflagen des Hart- 

*) Die österreichische graphische Triangulirung hat auch 
mehrfache Verbesserungen des Messtisches, das stabilere Stativ, 
<)ie Belegung der Planchetten mit mattgeschlifTenen Glasplatten etc. 
hervorgerufen. 



n er 'sehen Werkes enthielten ausser einer Kippi'egel 
ohne Libelle die Kraft 'sehe Construction; die vierte 
Auflage ist aber noch durch eine neue Construction 
von G. Starke mit einer festen und einer Setzlibelle 
vermehrt, welche bereits im Jahre 1868 vom Professor 
T int er in der Zeitschrift des österreichischen Ingenieur- 
und Architekten-Vereins beschrieben worden ist. 

Die Mittel zum Messen gerader Linien sind 
in der fünften Auflage um das Stahlmessband, das 
SteinheiTsche und das Wittmann'sche Messrad» 
um die Distanzlatten zum Selbstablesen (Scalenlatten) 
und um den anallatischen Distanzmesser von 
Porro vermehrt. Auch hat hierin W astler seine 
Erfahrungen über den Genauigkeitsgrad der Längen- 
messungen mit Kette und Messstäben mitgetheilt. 
Bezüglich des Porro 'sehen distanzmessenden Fern- 
rohres war bereits in der vierten Auflage anhangsweise 
eine ansprechende einfache Theorie des zusammenge- 
setzten Objectivs gegeben. 

Die Mittel zum Abstecken von Winkeln er- 
hielten in der dritten Auflage eine Vermehrung durch 
das im Jahre 1851 von Bauer nf ei nd erfundene 
Prismenkreuz und in der vierten Auflage durch das 
Spiegelkreuz und durch die Vereinigung des letzteren 
mit dem Ad am 'scheu Winkelspiegel. 

Die Mittel zum Messen der Winkel sind in 
der fünften Auflage um die Betrachtung des Fehlers 
erweitert, welcher in der Verticalwinkelmessung entsteht» 
wenn die horizontale Drehungsachse nicht durch den 
Mittelpunkt des Höhenkreises geht. In der dritten 
Auflage trat hier zum ersten Male das Schrauben- 
mikroskop (mikrpmetrisches Mikroskop) auf und in 
der fünften Auflage die Abbildung und Beschreibung 
eines Breithaupt 'scheu Theodoliten. 

Den katoptrischen Winkelmessinstrumen- 
ten wurde in der zweiten Auflage der Reflexionskreis 
von Pistor & Martins beigesellt und die allgemeine 
Theorie der ersteren nach Wa stier gegeben, wobei sich 
herausstellt, dass die Excentricität des beweglichen 
Spiegels ohne Einfluss auf die Winkelmessung bleibt. 
Dagegen ist das Kathetometer von Pezelt, das wohl 
nie eine bedeutende Rolle in der praktischen Geometrie 
gespielt hat, von der vierten Auflage an weggelassen» 

Von den graphischen Winkelmessern ist in 
der neuen Auflage die veraltete Zollmann 'sehe 
Scheibe mit Recht beseitigt, dagegen ist unter den 
Messtischen, von denen ursprünglich der Mari- 
nen i 'sehe und der Kraft 'sehe Aufnahme gefunden, 
der bereits in der Zeitschrift des österreichischen In- 
genieur-Vereins 1860 veröffentlichte von G. Starke 



1>(» 



Nagel, Zur Literatur der Geodäsie. 



266 



von der dritten Auflage an aufgenommen. Wir haben 
bezüglich dieses letzteren zu bemerken, dass uns das 
bereits auch bei anderen Instrumenten in Anwendung 
gebrachte elegante Stativ (mit Krückfüssen) nicht zu- 
sagt, weil es wogen der eigenthümlichen Verbindung 
der Füsse mit dem Stativkopf einer der wesentlichsten 
Bedingungen eines Messtisches, nämlich fiir längere 
Zeit einen festen unveränderlichen Stand zu gewähren, 
nicht entspricht, die Füsse auch nicht mit den so un- 
entbehrlichen Fusstritten (Nasen) versehen sind, um 
dieselben mit Leichtigkeit in den Boden fest eintreten 
zu können, wodurch doch eigentlich erst der erforder- 
liche feste Stand eines Messinstruments zu erzielen ist. 

In dem von den 6 rund Operationen der Feld- 
messkunst handelnden dritten Abschnitte ist in der 
fünften Auflage die Höhenwinkelmessung um die Be- 
trachtung über den Fehler vermehrt, der entsteht, wenn 
die verticale Drehungsachse des Instrumentes nicht 
genau vertical steht; femer um das Ausstecken langer 
gerader Linien und um das Ausstecken der Kreisbögen, 
ein Kapitel, welches in den früheren Auflagen ungern 
vennisst wurde und uns auch jetzt noch etwas zu kurz 
gehalten erscheint. 

Die Arbeiten mit dem Messtische, die ana- 
lytisch-trigonometrischen Arbeiten, die Auf- 
nahme sowohl einzelner Parzellen als eines kleinen 
Verbandes von Grundstücken haben soit der 
ei*sten Auflage wesentliche Aendorungen nicht erfahren ; 
dagegen ist in dem fünften Abschnitte der fünften Auf- 
lage, das Aufnehmen eines grösseren Verbandes 
von Grundstücken behandelnd, die Triangulirung 
des Netzes II. Ordnung neu aufgenommen, wie sie der 
neuen Instruction des österreichischen Katasters ent- 
spricht. Ferner ist darin die graphische Triangulirung 
mit verschiedenen Zusätzen vorsehen und (endlich die 
Aufnahme und das Auftragen von Städten hinzuge- 
kommen, für welche der Herausgeber Wastler durch 
seine Aufnahme der Stadt Graz, deren Resultate auf 
der Wiener Ausstellung zu ersehen waren , reiche Er- 
fahrungen gesammelt hat. 

Der sechste Abschnitt behandelt, meist nach G er- 
lin g 's Vorgang, das Nothwendigste der Methode der 
kleinsten Quadrate, welche bereits in der zweiten 
und vierten Auflage einige Erweitei-uiigen durch neue 
Beispiele und durch die Anwendungen der Correlaten 
bei der Ausgleichung bedingter Beobachtungen, in der 
ftinfbeu Auflage duixh die Betrachtung ül)er die Ge- 
nauigkeit der lüngenmessung, bereichert mit den Er- 
fahrungen des Herausgebers, sowie durch die Bestim- 
mung des mittleren Fehlers eines repetirten Winkels 
erhielt. 



In der Nr. 336, Genauigkeit der Längenmes- 
sung, ist dem Herausgeber der fünften Auflage ein 
kleiner, wenn auch folgenloser Irrthum untergelaufen. 
Er setzt nämlich den mittleren Fehler m in der gemes- 
senen Länge 2, wenn /n den mittleren Fehler der Län- 
geneinheit bedeutet, 

m = fi yl. 

Dies ist nur richtig, wenn die Längeneinheit selbst 
l Mal in die Linie eingelegt wurde. Wenn dagegen 
die zur Ermittelung der Länge / angewandte Kette, 
wie dies bei den zu Grunde gelegten Messungen ¥drk- 
lich der Fall gewesen ist, X Längeneinheiten enthielt, 
so ist unter Beibehaltung der obigen Bezeichnungen 

Die Werthe, die der Herausgeber ftir ^i gefunden 
hat, sind daher keineswegs die mittleren Fehler der 
Längeneinheit, sondern von der Länge X abhängige 

Constanten (/u . /A) , die man mit ]A2 zu multipliciren 
hat, um den mittleren Fehler von { zu finden. 

In dem nun folgenden Abschnitte über die Be- 
rechnung der Flächeninhalte der Grund- 
stücke u. s. w. vermissen wir die Simpson 'sehe 
Regel. Obwohl dieselbe vom praktischen Geometer 
selten angewendet, sondern bei demselben immer durch 
die sogenannte Aequidistanten-Formel vertreten wird, so 
glauben wir doch, dass auch der ersteren ein Platz neben 
der letzteren in einem Werke über niedere Geodäsie 
eingeräumt werden sollte. 

Von den mechanischen Hilfsmitteln zur 
Flächenberechnung nach gegebenen Grundrissen 
(Planimeter) waren in der ersten Auflage nur das 
Planimeter von Posener, die Planimeter mit pa- 
rallelen Fäden von Oldendorp, von Alder und die 
Glasplanimeter aufgeführt, in der zweiten Auflage fand 
alsdann das von Wetli erfundene, von Stampfer in 
den Sitzungsberichten der k. k. österreichischen Academie 
der Wissenschaften vom Jahre 1850 beschriebene und 
analysiii« Planimeter, wie es von C. Starke in Wien 
ausgeführt worden ist, eine eingehende Behandlung. 
In derselben Auflage wurde zugleich eine Theorie des 



*) Ist m^ der mittlere Fehler, mit dem eine einzige Einlage 
von X, in die zu messende Linie erfolgt und werden n solcher 

Einlagen gemacht , so ist m=^m^. y^n. Nun ist aber n s=r , 
daher m=M, i/ *- « *^» . V^jl.^ Hierin ist nach Formel 218 
— * der mittlere Fehler der Längeneinheit, also ==/u, daher 



267 



Nagel, Zar Literatur der Geodäsie. 



268 



auf Po larco ordinalen gegründeten Planimeters 
gegeben, welches nach den Angaben des Prof. Miller 
in Leoben in der Herstellung begriffen war und worauf 
sich derselbe in Gemeinschaft mit 6. Starke ein Pri- 
vilegium gesichert hatte. In der dritten Auflage wurde 
alsdann das Instrumentchen durch Zeichnung und Be- 
schreibung eingehender dargestellt. Da Prof. Amsler 
in Schaff hausen ein dem Miller 'sehen in der Haupt- 
sache gleiches Instrument construirt und in einer be- 
sonderen Broschüre: „Ueber die mechanische Bestim- 
mung des Flächeninhalts. Schaffhausen 1856^^ feist zu 
gleicher Zeit bekannt gemacht hat, so haben wir hier 
wieder den Fall, dass zwei Personen dieselbe Erfindung 
unabhängig von einander gleichzeitig gemacht haben. 
In der fünften Auflage ist das Planimeter von Posen er 
weggelassen; es muss daher vermuthet werden, dass 
dasselbe bei den österreichischen Katastralmessungen 
ausser Gebrauch gekommen ist. 

Diese Auflage giebt uns für die Berechnung 
ganzer Aufnahmen Formeln für die zulässige Dif- 
ferenz zwischen zwei Berechnungsresultaten einer und 
derselben Fläche, wie sie in der neuen Katastral -In- 
struction für Oesterreich vorgeschrieben sind. 

Bereits in der vierten Auflage hat der Verfasser 
dem zur Mode gewordenen Höhenmessen mit Metall- 
barometern (wir nennen sie lieber mit Jordan: 
Federbarometer) Rechnung tragen müssen. Er ist 
daher ausführlich auf das Metallbarometer von Naudet 
und auf das von J. Goldschmidt eingegangen und 
der Herausgeber der fünften Auflage hat dankenswerthe 
Vergleichungen des Goldschmidt 'sehen Aneroids mit 
dem Quecksilberbarometer angestellt, deren Resultate 
er mittheilt, so dass diese Höhenmessung nun über- 
haupt 18 Seiten einnimmt. 

In dem Abschnitte über das Nivelliren ist man 
dem Gange Stampfer 's gefolgt. Neu hinzugekommen 
sind hier: die Untersuchung der Parallelführung der 
Ocularröhren, die Universal-Nivellirinstrumente von G. 
Starke und Ertel, einige Zusätze bezüglich der Aus- 
führung der Nivellements und das Präcisionsnivellement 
nach bayrischem Muster. 

In der dritten Auflage ist bereits der Amsler- 
Laffon'schen Reversionslibelle gedacht, auf 
welche wir später noch einmal zurückkommen werden. 

Den Anhang der fünften Auflage dieses trefflichen 
Werkes bildet die in der neueren Zeit unvermeidlich 
gewordene Tachymetrie, über welche in einem III. 
Artikel besonders berichtet werden soll. 

Aus der vorstehenden Aufzählung der Gegenstände, 
welche seit seinem ersten Erscheinen in das Hartner'- 
sche Buch aufgenommen worden sind, wird man er- 



kennen, welche ausserordentliche Bereicherung dasselbe 
seit nunmehr 25 Jahren erfahren hat. 

Dasselbe ist in höchst erfreulichem Maasse mit 
dem dritten uns zur Besprechung vorliegenden Werke 
der Fall. 

C. M, V. Bauernfeind^s Vermessungskunde. 

Der durch seine schriftstellerische Thätigkeit und . 
durch sein bei Gründung des neuen Polytechnikums zu 
München bewiesenes organisatorisches Talent rühmUch 
bekannte Prof. Dr. v. Bauern feind veröffentlichte im 
Jahre 1856 den ersten Band seiner Vermessungskunde, 
dem im Jahre 1858 der zweite Band folgte. Bereits 
im Jahre 1846 war dieses Werk im Leipziger Oster- 
katalog angekündigt worden; es konnte aber damals 
nicht erscheinen, weil dem Verfasser bald nach jener 
Ankündigung neben seinem Lehrberufe noch ein prak* 
tischer Wirkungskreis als Ingenieur angewiesen wurde, 
der ihn fünf Jahre lang abgehalten hat, etwas drucken 
zu lassen. 

Dieses Werk machte sofort nach seinem Erscheinen 
grosses Aufsehen wegen seiner zweckmässigen Anord- 
nung des Stoffes, seiner ausserordentlichen Klarheit 
und Wissenschaftlichkeit, seiner Originalität und der 
vorzüglichen Ausstattung durch 550 der besten Holz- 
schnitte. 

Bereits im Jahre 1862 erschien die zweite Auflage. 
Dieser folgte im Jahre 1869 die dritte, 1873 die vierte 
und im Jahre 1876 die fünfte Auflage. 

Die Worte, mit welchen der Verfasser die Vorrede 
zur fünften Auflage einleitet: 

„Rasch aufeinanderfolgende neue Auflagen eines 
Werkes kommen nicht blos dem Verfasser und 
Verleger, sondern auch der Wissenschaft und 
dem Publikum zu statten, insofern es hierdurch 
möglich wird, alle brauchbaren neuen For- 
schungen und Erfindungen aus versteckten und 
oft schwer zugänglichen Stellen in Zeitschrüken 
rechtzeitig auf den freien und regelmässig zu- 
bereiteten Boden der Lehrbücher zu versetzen.*' 

bewahrheiten sich an diesem vortrefflichen Werke voll- 
ständig, wie ohne Weiteres aus den bedeutenden Er- 
weiterungen erhellt, die die einzelnen Abschnitte nach 
und nach in den neuen Auflagen erfsüiren haben. 

Das Werk zerfällt in drei Abtheilungen, von denen 
die erste die Lehre von den Messinstrumenten, die 
zweite die Lehre von den Messungen und die dritte die 
Lehre vom Plan- und Kartenzeichnen enthalt. 

In der ersten Abtheilung handelt der erste 



2(39 



Nagel, Zur Literatur der Geod^ie. 



270 



Abschnitt von den Mitteln zur Herstellung von Ab- 
sehlinien und es ist darin das Kapitel von den Glas- 
prismen und ihrer Verwendung zur Construction yon 
rechten und anderen constanten Winkeln von Haus aus 
neu vom Verfasser in die praktische Geometrie eingeführt 
worden, nachdem er bereits im Jahre 1851 das Prismen- 
ki*euz erfunden und die Theorie und den Gebrauch des- 
selben yeröffentlicht hatte. Es ist daher leicht erklärlich, 
wenn der Verfasser diesen Gegenstand mit ganz beson- 
derer Vorliebe verfolgt, und dabei immer zu neuen 
Entdeckungen gelangt. Unter den mannig&chen Er- 
weiterungen, die dieser Abschnitt in den verschiedenen 
Auflagen erfahren hat, ist besonders hervorzuheben 
das im Jahre 1868 vom Verfasser erftindene fUnfiseitige 
Glasprisma (Spiegelprisma), welches ausser der Ab- 
steckung von rechten und 45 ^-Winkeln gestattet, im 
Allignement zweier Punkte einen Zwischenpunkt zu 
finden und gleichzeitig in diesem Punkte auf die Ge- 
rade eine Senkrechte zu errichten. Die Auflösung dieser 
Aufgabe, der gleichzeitigen Absteckung eines ge- 
streckten und eines rechten Winkels, hat aber der Ver- 
fasser auch durch sein Prismenkreuz ermöglicht, indem 
er demselben in neuerer Zeit eine etwas andere Zu- 
sammensetzung gegeben. 

Etwas unbequem für den Leser erscheint die Be- 
handlung der Glasprismen an zwei Stellen des Buches, 
nämlich in dem genannten Abschnitte und dann 130 
Seiten weiter hinten unter den Hilfsmitteln zum Ab- 
stecken von 45*^-, 90'^- und 180«- Winkeln. Wir halten 
dafür, dass, ohne die beliebte systematische und logische 
Anordnung zu schädigen, recht wohl dieser gesammte 
Stoff von der ersten nach der zweiten Stelle verwiesen 
werden könnte. 

Der darauf folgende Abschnitt von den Mitteln 
zur Herstellung loth- und senkrechter Rich- 
tungen enthält in der dritten und vierten Auflage 
bezüglich der Libellen einige Erweiterungen, und die 
Lehre von dem geodätischen Fernrohre wurde 
in der dritten Auflage durch specielle Beschreibung 
des Huyghens 'sehen, Barns den 'sehen, oilhoskopi- 
schen und prismatischen Oculars vermehrt. 

In dem Abschnitte von den Mitteln zur Mes- 
sung sehr kleiner Linien und Winkel ist in 
der dritten Auflage neu hinzugekommen: das durch 
die neueren Gradmessungen erst in die praktische Geo- 
metrie übergeführte Schraubenmikroskop (mikrometri- 
sche Mikroskop), welches in der vierten Auflage noch 
einige zweckmässige Zusätze bezüglich der Ablesung 
mit demselben und bezüglich der Prüfung und Berich- 
tigung erfahren hat. 

Den Mitteln zur Bezeichnung der Operations- 



punkte wurden in der zweiten Auflage die beim Mark- 
scheiden zu verwendenden Nägel, Schrauben und Licht- 
signale, in der vierten Auflage die Bessel'sche Signal- 
tafel, die Bocksignale, in der dritten der Heliotrop von 
Baeyer und in der fünften der Heliotrop von Reitz 
beigefügt, während in letzter Beziehung in der ersten 
Auflage bereits die Heliotropen von Gauss, Stier- 
lein und Stein heil Aufnahme gefunden hatten. 

Der Heliotrop von Baeyer, welcher in der dritten 
und vierten Auflage unter diesem Namen aufgeführt 
ist, wird in der fünften Auflage als Heliotrop von 
Bertram bezeichnet. Referent« kennt die Quelle nicht, 
aus der der Verfstsser bezüglich dieses Namens geschöpft; 
hat. So viel ist ihm aber noch erinnerlich, dass nach 
einer mündlichen Mittheilung des Generallieutnants Dr. 
Baeyer nicht Bertram, sondern Repsold in Ham- 
burg die ursprüngliche Idee zu diesem so ein&chen 
Heliotrop während eines Gresprächs beider Herren über 
die Umständlichkeit der Justirung und Handhabung 
des Gau SS 'sehen Heliotropen gegeben und dass Baeyer 
alsdann seinem Gehilfen bei der Küstenvermessung, 
dem Lieutnant und Ingenieur -Geographen Bertram, 
den Auft;rag gegeben hat, Heliotropen nach dieser Idee 
anfertigen zu lassen. 

Eine wesentliche Vermehrung hat der von dem 
Messtisch handelnde Abschnitt erfahren. In der 
ersten Auflage war nur der Reichenb ach 'sehe Mess- 
tisch (mit einseitiger Planchettenverschiebung) vertreten. 
Bereits in der zweiten Auflage erwähnt der Verfasser 
unter der Rubrik: neuere Messtische die von Oster- 
land, Breithaupt, Starke und Kraft construirten, 
auf die betreffenden Publicationen verweisend, und be- 
schreibt dann näher den nach seinen Angaben von 
Ertel & Sohn für die k. Ingenieurschule zu Müncheft 
gefertigten. Die dritte Auflage hat alsdann den Mess- 
tisch vom Ingenieur Jahns mit neuer eigenthümlicher 
Horizontalstellung und Planchettenverschiebung (be- 
schrieben in Carl 's Repertorium für physikalische 
Technik u. s. w., Band 2, 1867) aufgenommen und die 
ftinfbe Auflage ist um den Messtisch von Geyer n||t 
der Franke 'sehen Planchettenverschiebung und um 
den Bauernfeind 'sehen neueren Messtisch, angefertigt 
von Ott & Coradi in Kempten, vennehrt. Man 
sieht aus dieser Vermehrung, dass man immer noch 
an Verbesserungen an diesem nun beinahe dreihundert 
Jahre bestehenden Messwerkzeuge denkt, trotzdem dieses 
Instrument von vielen Seiten, als einer unwissenschaft- 
lichen Vergangenheit angehörend, ganz beseitigt werden 
möchte. Wir sind der Meinung, dass es vielmehr seine 
volle Berechtigung hat, wenn man es für Zwecke ver- 
wendet, für welche es ausreichende Genauigkeit gewährt 



271 



Nagel, Zur Literatur der Geodäsie. 



272 



und dabei rascher zum Ziele fuhrt als jedes andere. 
Nur scheint man mit der Vervollkommnung manchmal 
etwas zu weit zu gehen, indem sie nicht gleichmässigen 
Schritt mit der dadurch entstehenden Kostenyermeh- 
rung hält. 

Von der bereits in der vierten Auflage aufgenom- 
menen, von Grunert (Grunert's Archiv LIV, S. 81) 
herrührenden Methode „der systematischeü Lösung der 
Aufgabe des Aufstellens des Messtisches ^^ wird wohl 
kaum ein routinirter Messtischaufnehmer Gebrauch 
machen. 

Von der zum Messtischapparat gehörenden Kipp- 
regel war in der ersten Auflage nur die ältere ver- 
tt^ten, wie sie aus der mechanischen Werkstätte von 
Ertel zugleich als Reichenbach 'scher Distanzmesser 
hervorging. Diese Construction hat das Unbequeme, 
dass das Fernrohr sich nicht durchschlagen lässt und 
daher auch eine einfache und rationelle Prüfung und 
Berichtigung bezüglich der Anforderung, dass die Visir- 
linie sich in einer Ebene bewege, die auf der Lineal- 
ebene senkrecht steht, nicht ermöglicht. 

Mit Vergnügen haben wir daher in der zweiten 
Auflage die Aufnahme einer neuen, nach den Angaben 
desr Verfassers construirten Kippregel begrüsst, die die 
an der älteren vcrmisste Eigenschaft besitzt, überdies 
mit der Setzlibelle auf der horizontalen Drehachse, mit 
vollem Verticalkreise und distanzmessendem Femrohre 
versehen ist. Diese Kippregel leistet jeder Anforderung 
Genüge; dennoch würden wir nicht ungern gesehen 
haben, wenn der Verfasser, wie beim Messtisch, auch 
noch andere, namentlich einfachere Constructionen, wie 
die von Kraft und Starke in Wien, erwähnt hätte, 
da es doch für einzelne Zwecke nicht immer als noth- 
wendig erscheint, ein so complicirtes und dabei kost- 
spieliges Instrument zu benutzen. 

Die angegebene Einstellung der verticalen Visir- 
ebene nach einem Lotlifaden oder gar nach einer ver- 
ticalen Mauerkante ist dem Referenten selbst für Kipp- 
regeln ein zu rohes Piüfungsniittel. Für Kippregeln 
zmn Durchschlagen mit oder ohne feste Libelle hat 
er immer die Untei^suchung der verticalen Lage der 
Visirebene (parallele Lage der Drehachse zur Unter- 
lagsebene des Lineals) mit bestem Erfolg durch Visiren 
nach einem hochgelegnen Object in analoger Weise ge- 
führt, wie die Untersuchung der rechtwinkligen Lage 
der Visirachse gegen die horizontale Drehachse durch 
Visiren uach einem im Horizont des Messtisches liegen- 
den Object. 

Ungeachtet dessen, dass der Verfasser überzeugend 
nachweist, dass die Magnetnadel zu genauen Messungen 
niemals gebraucht werden kann, und die Genauigkeit 



der Einstellung oder Ablesung derselben etwa auf 15 
Minuten schätzt, hat er doch einen verhältnissmässig 
grossen Raum den nun folgenden Bussoleninstru- 
menten gewidmet, was sich wohl hauptsächlich durch 
den* Umstand rechtfertigen lässt, dass das Werk zugleich 
mit für Markscheider geschrieben ist. Von dec vierten 
Auflage an ist dieser Abschnitt hauptsächlich um die 
Untersuchung über den Einfluss der Excentricität des 
Zapfens (Entfernung der Achse des Centralzapfens der 
Gehäuseplatte von dem Nadelstift) und um die grössere 
Ausführlichkeit vermehrt, mit welcher die Excentricitäts- 
untersuchung der Magnetnadel geführt worden ist. 

Der Abschnitt über die Theodoliten ist sehr 
reichlich mit Zeichnungen von Exemplaren aus ver- 
schiedenen Werkstätten, namentlich aus der von Ertel 
in München und Breithaupt in Cassel ausgestattet 
Den in der ersten Auflage aufgeführten einfachen und 
Repetitionstheodoliten aus genannten Etablisse- 
ments ist in der zweiten Auflage beigefugt der Repe- 
titionstheodolit von Ertel mit excentrischem Femrohr, 
der Grubentheodolit (Markscheidergoniometer) von Prof. 
Junge und in der fünften Auflage ein kleiner Theo- 
dolit mit drehbarem, aber nicht zum Repetiren der 
Winkel eingerichteten Limbus. Die hauptsächlich die 
Fehler dieser Instrumente behandelnde Theorie hat in 
der vierten und fünften Auflage eine Bereicherung 
durch drei Methoden der Prüfung der gegenseitigen 
Stellung der Visirachse und der Drehachse des Fem- 
rohres erfahren. 

Ferner ist die Untersuchung der rechtwinkligen 
Lage der horizontalen und verticalen Drehachse bei 
Theodoliten, die eine Setzlibelle auf der horizontalen 
Achse nicht haben, um eine Methode vermehrt worden, 
nach welcher die veiiicale Lage der Visirebene mit 
einer Verticalebene verglichen wird, die durch ein hoch- 
gelegenes Object und sein Bild in einem Horizontal- 
spiegel bestimmt ist. Auch hier hätten wir das Bei- 
fügen der bereits bei der Kippregel als fehlend bezeich- 
neten Methode gewünscht. Ebenso vermissen wir die, 
sowohl für die Kippregel, als für den Theodolit ohne 
Setzlibelle anwendbare sehr scharfe Methode, bei wel- 
cher man das Fernrohr auf einen hochgelegenen Punkt 
einstellt, denselben durch Kippen des Fernrolires auf 
den Boden projicirt und daselbst den erhaltenen Punkt 
markirt. Wiederholt man diese Manipulation mit durch- 
geschlagenem Femrohre, so müssen beide auf dem Boden 
erhaltenen Punkte zusammenfallen, wenn die Visirebene 
durch die Verticalachse geht, oder, was dasselbe ist, wenn 
die letztere rechtwinklig zur horizontalen Achse steht. 
Fallen beide Punkte nicht zusammen, so ist durch den 
Halbirungspunkt der Entfernung beider, durch den 



273 



Nagel, Zur Literahur der Geodäsie. 



274 



hochgel^enen Punkt und durch den Durchschnittspunkt 
der verticalen und der horizontalen Drehachse diejenige 
Ebene bestimmt, mit der die Yisirebene zusammenfallen 
mu88. 

Der nun folgende Abschnitt über die Spiegel- 
instrumente enthält die Theorie, Construction, Prü- 
fung und Berichtigung des Spiegelsextanten und die 
Erwähnung der damit verwandten Spiegelkreise von 
Tobias Mayer (Vater), Borda, Steinheil und 
Pistor & Martins. Insbesondere der von letzteren 
Gonstruirte Prismenkreis wird einer sehr speciellen Be- 
sprechung unterworfen. 

In der weiteren Betrachtung der Hilfsmittel zum 
Längenmessen folgen die Urmaasse, Basismessappa- 
rate, Messlatten, Messstäbe, Messketten, Messbäiider und 
endlich seit der vierten Auflage auch die Messräder 
von Steinheil und Wittmann. 

Von den Distanzmessern ist zunächst derRei- 
chenbach'sche älterer Construction mit zwei Faden- 
kreuzen, von denen jedes durch eine besondere Ocular- 
linse betrachtet wird, der Reichenbach-Ertel'sche, 
welcher an dem grossen ErteTschen Nivellirinstrumente 
angebracht ist, und das Stampfer'sche Nivellirinstru- 
ment eingehend behandelt. Die Distanzlatte für den 
Reichenbach 'sehen Distanzmesser ist mit besonderem 
Nullpunkte construirt, damit man die abgelesene Di- 
stanz nicht vom vorderen Brennpunkte der Objectiv- 
linse, sondern von der horizontalen Drehungsachse des 
Fernrohres aus erhält, eine Einrichtung, für die wir 
uns nicht zu erwärmen vermögen, weil es uns umständ- 
lich erschienen ist, immer den einen Faden genau auf 
den Nullpunkt einzustellen, und weil es keine Mühe 
und keinen Zeitverlust verursacht, wenn man eine kleine 
Constante noch zu der abgelesenen Distanz hinzufügt. 
Seit der vierten Auflage ist neu hinzugekommen eine 
Distanzlatte för Metermaass und das in Jordan 's Ta- 
schenbuch der praktischen Geometrie empfohlene Dia- 
gramm zur Reduction der nach verticalstehenden Latten 
schiefgemessenen Distanzen auf den Horizont, ganz 
analog dem Diagramm für die zur Visur rechtwinklig 
stehende Latte, wie solches von Steinheil vor mehr 
als 20 Jahren in Dingler's Journal aufgeführt worden 
ist. üeberdies ist dieser Abschnitt noch vermehrt um 
die Gonstantenbestimmung am Reichenbach 'sehen 
Distanzmesser und die Genauigkeit der Distanzmessung. 

Die verkehrt geschriebenen Ziffern an den 
Distanz- und Nivellirlatten halten wir nicht für zweck- 
mässig. Nach unserer Erfahrung kann dabei eher ein 
Ablesungsfehler erfolgen, weil man durch das astrono- 
mische Femrohr die Latte verkehrt sieht und durch 
die aufrecht erscheinenden Ziffern leicht zu der gegen- 

ClvUingenieur XXIII. 



theiligen Ansicht und zu der Ablesung in umgekehrter 
Richtung verleitet werden kann. Jeder Ingenieur, der 
nur einen Tag mit einem astronomischen Femrohre 
gearbeitet hat, wird sich an die verkehrte Stellung der 
Bilder so gewöhnt haben, dass er die verkehrt erschei- 
nenden Ziffern ebenso schnell und sicher abliest wie 
die aufrechtstehenden. 

Einige Zusätze und Aenderungen haben auch die 
Nivellirinstrumente erfahren. Neu hinzugekommen 
ist insbesondere in der fünften Auflage das Nivellir- 
instrument von Amsler mit Reversionslibelle und das 
Tachymeter von Mo i not mit dem distanzmessenden, 
dem sogenannten anallatischen Femrohre von Porro. 

In der zweiten Auflage hat das barometrische 
Höhenmessen eine vollständige Umarbeitung erfahren, 
veranlasst durch die Erfahrungen, die der Verfasser 
durch seine im Jahre 1857 am grossen Miesing an- 
gestellten Untersuchungen über die Grenauigkeit des 
barometrischen Höhenmessens gewonnen und in einem 
besonderen Werke*) niedergelegt hat. 

Der von den Messinstrumenten handelnden ersten 
Abtheilung ist daher von der zweiten Auflage an neu bei- 
gegeben das Rat h 'sehe Reisebarometer, sowie die Prü- 
fung und der Gebrauch des Quecksilberbarometers und 
die an demselben anzubringenden Gorrectionen. Endlich 
haben die Federbarometer, mit denen sich der 
Verfasser bezüglich Erlangung der erforderlichen Ein- 
sicht über den mit denselben zu erzielenden Genauig- 
keitsgrad ebenfalls speciell beschäftigt hat, von der 
vierten Auflage an eine eingehende Erörterung gefunden, 
wobei insbesondere das Naudet'sche und Gold- 
schmidt'sche beschrieben, ihr Gebrauch nebst Gorrec- 
tionen, sowie die Gonstantenbestimmung gezeigt und 
der Genauigkeitsgrad nach seinen im Jahre 1872 und 
1873 angestellten Versuchen geschätzt worden ist. 

Den Schluss der ersten Abtheilung bilden die In- 
strumente zum Messen der Geschwindigkeit fliessender 
Wässer, welche in der vierten Auflage eine Vermehrung 
durch Darcy's Verbesserung der Pi tot 'sehen Röhre 
und eine neue Verbesserung des Weltmann 'sehen 
Flügels und in der fünften Auflage durch den hydrau- 
lischen Flügel von Amsler-Laffon erfahren haben. 

Die zweite Abtheilung, die Lehre von den Mes- 
sungen, beginnt in der vierten und fünften Auflage 
mit den Grundzügen der Methode der kleinsten 
Quadrate in ihrer Anwendung auf gute geodätische 



*) Dr. C. M. Bauernfeind, Beobachtungen und Unter- 
suchungen über die Genauigkeit barometrischer Uöhenmessungen 
und die Veränderung der Temperatur und Feuchtigkeit der At- 
mosphäre. München 1S62. 

IS 



275 



Nagel, Zur Literatur der Geodäsie. 



276 



und hydrometrische Arbeiten nach dem Werke „die 
Ausgleichungsrechnungen der praktischen Geometrie 
von Gerling.** 

Der Verfasset^, der in den vorhergehenden Auflagen 
von der Beifügung eines diese Methode l^ehandelnden 
Abschnitts abgesehen hatte > weil er der Ansicht war, 
dass die Fehler der Messungsresultate der sogenannten 
niederen Geodäsie ohne diese Methode ausgeglichen 
werden können und sollen und daher dieselbe nur bei 
den feinsten Messungen in Anwendung zu kommen habe, 
hat sich der Vorrede gemäss nur mit einigem Wider- 
streben zur Aufnahme dieses Abschnittes entschliessen 
können. Er hat ja von Haus aus sein Werk nur der 
Anleitung zur sicheren Ausführung aller Vermessungen 
für technische und staatswirthschafUiche Zwecke ge- 
widmet und die Lehre von den Grad- und grösseren 
Landesvermessungen besonderen Werken überlassen. 

Wenn hiemach auch der ursprünglichen Ansicht 
des Verfassers bezüglich der Methode der kleinsten 
Quadrate nicht gerade entgegen zu treten ist, im Ge- 
gentheil das fast zur Mode gewordene Zuweitgehen in 
der Anwendung dieser Methode leicht bei manchem 
Geometer die Meinung hervorrufen könnte, dass schlechte 
Messungen durch diese umständliche Ausgleichungs- 
methode gut zu machen seien, so sind wir doch längst 
der Ansicht, dass ein Werk* von derartigem wissen- 
schaftlichen Werthc, wie das vorliegende, wenigstens 
die Elemente dieser Methode mit Andeutungen über 
praktische Verwerthung dereelben nicht entbehren darf, 
weil sonst mehrere Partien darin, wie z. B. die Fehler- 
untersuchungen der Instrumente, die Beurtheilung des 
Genauigkeitsgrades der Messungen mit vei*schiedenen 
Instrumenten u. s. w. gar nicht behandelt, oder, wenn 
dies geschehen, gar nicht verstanden werden können. 
Ueberdies giebt es in der praktischen Geometrie Fälle, 
wo selbst die strenge Ausgleichung nicht allemal viel 
umständlichere Rechnungen verursacht, als ein Ver- 
fahren, das nur auf Probiren beruht. 

Nivellements können häufig ohne grossen Zeitauf- 
wand scharf ausgeglichen werden. Auch kann ein 
Werk über technische Geometrie ohne Bemerkungen 
über die Ausgleichung eines trigonometrischen Netzes 
nicht mehr bestehen. Es müssen in einem solchen 
Andeutungen über die Genauigkeit der Längenmessungen, 
der Winkelmessungen, des Nivellirens u. s. w. gemacht 
werden. Dabei: können wir die Aufnahme dieses Ab- 
schnittes in dem vorliegenden Umfange, in gleicher 
Weise, wie in dem besprochenen H artner 'sehen Werke, 
nur billigen. 

Durch diese Aufnahme ist es möglich geworden, 
einige in den früheren Auflagen aufgenommene Ausglei- 



f 



chungsbeispiele abzukürzen und dafür einzelne Para- 
graphen ausführlicher zu behandeln. 

Der Abschnitt über die Ausmessung gerader 
und krummer Linien hat in der zweiten und fünften 
Auflage einige Zusätze erhalten. 

Der darauffolgende Abschnitt von den Winkel- 
messungeu betrachtet zunächst die verschiedenen 
Reductionen und den Einfluss der regelmässigen Beob- 
achtungsfehler auf die Winkelmessungen. 

Wenn § 50 bei dem Fehler, welcher durch die 
schiefe Lage der Limbusebene, die doch wohl recht- 
winklig zur verticalen Achse gedacht wird, entsteht, 
bemerkt wäre, dass er eigentlich von der geneigten 
Lage der verticalen Drehachse herrührt, sowie, dass 
der Fehler, wegen der schiefen Lage der Visirebene 
(§ 51), von der geneigten Lage der horizontalen Dreh- 
achse abhängig ist , so hätte . mit . wenig Worten mit 
angeführt werden können, dass sich der letztere Fehler 
mittelst des an anderen Stellen des Werkes angegebenen 
Durchschlagens des Fernrohres und des Messens des 
Winkels in beiden Lagen des Fernrohres immer aus 
der Winkelmessung eliminiren lässt, während dies mit 
dem ersten nicht der Fall ist, so dass auf die genaue 
Verticalstellung der verticalen Drehachse mittelst der 
Libelle bei Winkelmessungen ganz vorzüglich Rücksicht 
genommen werden muss. 

Die nun folgende Aufnahme der Dreiecke mit 
Messtisch und Theodolit, die Betrachtung über den 
P^intluss der unveimeidlicheu Beobachtungsfehler, die 
Aufnahme der Vielecke und Flurbezirke hat so gut 
wie keine Abänderung erfahren. Bezüglich der Be- 
nennungen „Kückwärtsabschneiden*' für die Auf- 
nahme eines Dreieckes aus einer Seite, einem anliegen- 
den Winkel und einem gegenüberliegenden Winkel und 
„Seitwärtsabschneiden** für die Aufnahme eines 
Dreieckes aus zwei Seiten und dem von ihnen einge- 
schlossenen Winkel können wir uns dem Verfasser nicht 
anschliessen, behalten vielmehr die früheren Bezeichnungen 
bei, nach welchen die erste Aufgabe Seitwärts ab- 
schneiden, die zweite Vorwärtsvisiren und Messen 
genannt und unter Rückwärtsabschneiden die Lö- 
sung der Pothcnot 'sehen Aufgabe verstanden wird. 

In der vierten und fünften Auflage ist dieCoor- 
dinatenberec hnung für ein mit Theodolit und Mess- 
latte gemessenes Polygon, ma^ dasselbe als ein ge- 
schlossenes oder offenes auftreten, ausführlicher 
behandelt und an einem Beispiele diese Berechnung 
und die Beseitigung des sogenannten Schlussfehlers ge- 
zeigt. Diese Beseitigung ist durch Vertheilung des 
Ueberschusses der Summe der Abscissenabsdmitte pro- 
portional auf diese Abschnitte und durch Vertheilung 



277 



Nagel, Zur Literatur der Geodäsie. 



278 



des Ueberschusses der Summe der Oixlinatenabschnitte 
proportional auf diese letzteren erfolgt, ein empirisches 
Verfahren, welches in vielen Fällen als ausreichend 
erachtet werden kann. 

Der Verfasser erörtert hierbei die Frage wegen der 
Anwendung der Ausgleichung nach der Methode der 
kleinsten Quadrate auf diese Aufgabe und kommt dabei zu 
der Antwort, dass es zwar nicht schwierig wäre, dieses 
strengere Ausgleichungsver&hren hier zur Geltung zu' 
bringen dass man aber auf dessen Anwendung wegen 
der grossen Mühe, die es verursacht, verzichte und 
lieber die Längen- und Winkelmessung genauer aus- 
führe. 

Obwohl wir, besonders in letzter Beziehung, dem 
Verfasser beipflichten können, so hätten wir doch ge- 
wünscht, dass obigem Ausgleichungsvcrfahren auch noch 
ein strengeres zur Seite gestellt werde, da doch Fälle 
eintreten können, wo eine schärfere Ausgleichung ge- 
rade bei dieser Messungsmethode erwünscht ist. Der 
Steuerrath Vorländer hat im Jahre 1858 in seiner 
Schrift: „Ausgleichung der Fehler polygonometrischer 
Messungen'* drei Methoden der Ausgleichung gegeben, 
von denen die erste die grösste, die zweite eine gerin- 
gere, die dritte zwar die geringste Strenge bewahrt, 
dabei aber auch die geringste Arbeit verursacht. Er 
hat die Ausgleichung eines 13 -Eckes nach allen drei 
Methoden als Beispiel beigegeben und gezeigt, dass die 
Summe der Quadrate der übrigbleibenden Fehler nach 
der dritten Methode nur um den sechsten Theil die 
der strengen Methode übersteigt, während die Ausglei- 
clumg nach der vom Verfasser des vorliegenden Werkes 
vorgeschlagenen Methode eine Summe der Fehlerqua- 
drate hinterliess, welche die der dritten Methode um 
das Doppelte überstieg. 

Zur mechanischen Lösung der Pothenot'- 
schen Aufgabe hat der Verfasser im Jahre 1871 den 
Einschneidezirkel erfunden und in den Denk- 
schriften der k. bayerischen Akademie der Wissen- 
schaften, sowie in Grunert's Archiv für Mathematik 
und Physik bekannt gemacht. Dieser Zirkel beruht 
auf dem Satze, dass in einem Kreise alle auf dem 
nämlichen Bogen stehenden Peripheriewinkel gleicli sind, 
und dass man daher einen Kreisbogen beschreiben kann, 
wenn man an den Endpunkten einer gegebenen Sehne 
2wei durch Schienen repräsentirte Winkelschenkel fort- 
bewegt, die den gegebenen Peripheriewinkel einschliessen 
und im Scheitel einen Stift enthalten, der den gesuchten 
Kreisbogen beschreibt. Da bei der Po thenot 'sehen 
Aufgabe der gesuchte Punkt als der Schnittpunkt zweier 
derartig beschriebener geometrischer Orte auftritt, so 
ist derselbe sehr leicht mit genanntem Instrumente zu 



bestimmen. Nicht unbemerkt mag bleiben, dass der 
Professor Dr. Frank el am Dresdener Polytechnikum 
vor ungefähr 11 Jahren ein auf denselben Principien 
beruhendes Werkzeug, Arcograph genannt, construirt 
hat, mit dem er in Grundrissen Eisenbahn-Kreisbögen 
mit grossem Krümmungshalbmesser construirte und so 
dasselbe an die Stelle des Stangenzirkels1{setzte. Der 
auf der Londoner Ausstellung wissenschaftlicher Appa- 
rate im Sommer 1876 ausgestellt gewesene Centro- 
graph des Mechanikers Stanley ist nichts Anderes 
als der Fränkel'sche Arcograph. 

Der Bauernfeind 'sehe Einschneidezirkel ist in 
der vierten Auflage neu hinzugekommen, auch ist ge- 
zeigt, wie man denselben ausser zur Lösung der Po- 
thenot 'sehen Aufgabe noch benutzen kann, um mit 
Hilfe des Messtisches aus der bekannten Lage zweier 
unzugänglicher Punkte die Lage zweier Punkte durch 
blosse Winkelmessung auf den letzteren zu bestimmen. 

Der Verfasser hatte in den ersten drei Auflagen 
zu unserer Verwunderung diese Aufgabe „die Han- 
sen 'sehe** genannt; er führt aber in den folgenden 
Auflagen an, dass sie diesen Namen führe, weil sie 
der Geheimrath Hansen in Gotha in Nr. 419 der 
asti^onomischen Nachrichten trigonometrisch gelöst und 
als neu bezeichnet habe. Diese Angabe beruhe aber 
auf einem Irrthum, da eine trigonometrische jLösung 
dieser Aufigabe bereits von van Swinden in seinen 
Elementen der Geometrie und dann von Gerling in 
Nr. 62 der astronomischen Nachrichten, sowie eine 
graphische Lösung in dem von Pross im Jahre 1838 
verfassten Lehrbuche gegeben worden sei. Die graphi- 
sche Lösung dieser Aufgabe findet sich aber schon in 
viel älteren Werken, namentlich auch in Georg Wink- 
ler 's praktischer Anleitung zum graphischen Triangu- 
lireu u, s. w. Wien 1825. S. t)4. 

Referent ist daher mit dem Ver&sser nicht ein- 
verstanden, für diese Aufgabe, trotzdem die Erfindung 
derselben viel älter ist, die obige Benennung bestehen 
zu lassen, auf die die Bescheidenheit d^ Herrn Ge- 
heimrath Hansen gewiss keinen Anspruch gemacht 
hat. Diese Benennung ist keineswegs so allgemein 
verbreitet, als dass sie nicht noch geändert werden 
könnte. Sie hat den Verfasser selbst in die unange- 
nehme Lage gebracht, in der fünften Auflage dreimal 
und zwar Seite 119, 174 und 2öO erklären zu müssen, 
dass die Aufgabe doch eigentlich nicht von Hansen sei. 

Es folgen nun ohne Erweiterungen der neuen Auf- 
lagen nach einander die Flächenbestinmiung der Grund- 
stücke aus Dimensionen mit dem Wetli-Hansen'- 
schen Linearplanimeter und mit dem Am s 1er 'sehen 

IS* 



279 



Nagel, Zur Literatur der Geodäsie. 



280 



Polarplanimeter, sowie die etwas kui*z gehaltene geome- 
trische Vertheilung der Giiindstücke. 

Die Messung eines ganzen Landes hat meh- 
rere Zusätze in der vierten und fünften Auflage er- 
halten. Darunter sind hervorzuheben : Die Genauigkeit 
der Winkelmessung, die Dreiecksberechnung mit Sold- 
ner's Additamententafel (welche als Tafel XXI dem 
Werke beigegeben ist), die Genauigkeit der Basis und 
Netzanschlüsse und vier Paragraphen über die Aus- 
gleichung des Dreiecksuetzes. Die Coordinatenberech- 
nung der Netzpunkte und die Berechnung der geogra- 
phischen Lage derselben u. s. w. hat eine vollständige 
Umarbeitung erfahren, und es ist dabei das Soldner '- 
sehe System, wie es der bayerischen Landesvermessung 
zu Grunde gelegt und in dem Werke „die bayeiische 
Landesvermessung in ihrer wissenschaftlichen Grund- 
lage^* beschrieben ist, innegehalten worden. 

Der Abschnitt über Verticalmessungen erhielt 
bereits in der vierten Auflage eine neue Aufstellung 
der Theorie der tenestrischen Strahlenbrechung unter 
Anwendung derselben auf die trigonometrische Höhen- 
bestimmung; wie solche der Verfasser im Jahi*e 1866 
in seiner Abhandlung über die terrestrische Strahlen- 
brechung (Astronomische Nachrichten, Nr. 1589) be- 
gründet hat. Es ist durch selbige möglich, die Strahlen- 
brechung bei jeder trigonometrischen Höhenmessung 
dem Zustande der Luft entsprechender zu berücksich- 
tigen, als dies bisher durch die Annahme einer mitt- 
leren Refraction geschehen konnte. 

Das Nivelliren ist um eine zweite, auch hier 
und da in Sachsen übliche, Nivellementstabelle ver- 
mehrt, mit der wir uns deshalb nicht befreunden können, 
weil sich in derselben die Berechnung nicht durch sich 
selbst controlirt, was wir als ein wesentliches Erforder- 
niss einer schematisch angelegten Berechnung für prak- 
tische Zwecke erachten. Beim ersten Schema fehlt 
zwar diese Conti-olrechnung* auch, sie kann aber sehr 
leicht durch Summirungen zugefügt werden. 

Von der vierten Auflage an tritt in diesem Ab- 
schnitte das Präcisionsnivellement auf, wie ein 
solches seit dem Jahre 1864 in Verbindung mit der 
Eui-opäischen Gradmessung ausgeführt wird. Da sich 
dabei die Ausführung der Methode des Nivellirens aus 
der Mitte in verschiedenen Ländern vei*schiedenartig 
gestaltet hat, so ist hier der Verfasser dem Verfahren 
gefolgt, welches er in vorzüglicher Weise in Bayern in 
Ausführung bringen liess und welches für derartige 
Nivellements am meisten zu empfehlen ist. Ohne auf 
die Specialitäten , welche, ausser in dem vorliegenden 
Werke, ausführlich in der Publicatiou : „Das bayerische 
Präcisions- Nivellement von C. M. v. Bauernfeind, 



München, 1870 — 76, 4 Hefte ^* zu ersehen sind, näher 
einzugehen, sei hier nebenbei nur erwähnt, dass der 
Verfasser doppelte Anbindepunkte zwischen zwei auf- 
einander folgenden Instrumentständen in Anwendung 
bringen liess, ein Verfahren, das sich nach unserer 
eigenen Ed-fE^irung auch für technische Nivellements 
sehr empfiehlt, da wir es seit 27 Jahren bei den 
Uebungsnivellements am K. sächs. Polytechnikum, bei 
welchen wir auch zum Theil den zweiten Anbindepunkt 
durch Umstürzen der Latte in den oberen Lattenend- 
punkt verlegten, mit grossem Vortheil eingeführt haben. 

Die Aufnahme der Horizontalcurven ist um 
das Verfahren mit Hilfe des Tachymeters in der fünften 
Auflage vermehrt. 

Wie schon erwähnt, ist von der zweiten Auflage 
an das barometrische Höhenmessen vollständig 
umgearbeitet und dadurch insbesondere die zweite Ab- 
theilung auch um die hypsometrischen Tabellen ver- 
mehrt worden, die auf die vom Verfasser den neueren 
Erfahrungen gemäss aufgestellte Barometerformel ge- 
gründet und denjenigen geodätischen Tabellen beigefügt ' 
worden sind, die im Anhange der ersten Auflage be- 
reits enthalten waren. In der vierten Auflage hat als- 
dann das barometrische Höhenmessen eine Erweiterung 
durch den Näherungsausdruck für den Feuchtigkeits- 
factor der Barometerfoimcl erhalten, mit einer hypso- 
metrischen Ersatztafel, welche einen Mittelwerth ffir 
den Logarithmus dieses Factors liefert. Endlich ist 
hier noch ein Paragraph angefügt, welcher die ge- 
bräuchlichsten Methoden der Höhenmessung mit den 
Federbarometern darstellt. Bei der Bestimmung des 
Genauigkeitsgrades hierbei dürfte wohl für den mitt- 
leren Fehler die Formel 



m 



= l/'^''*'3 



ZU 



statt der aufgeführten m = 1/ - -^ in Anwendung 

bringen sein, da die Höhenunterschiede des Präcisions- 
nivellements gegenüber den barometrisch gemessenen 
als absolut richtig angenommen worden sind, also die 
Abweichungen beider, nämlich die t?, hier ab wahre 
Beobachtungsfehler betrachtet werden müssen. 

Die Gruben- und die Geschwindigkeitsmes- 
sungen bilden den Schluss der zweiten Abtheilung, 
worin der letzte § der neuen Auflage noch Zahlenbei- 
spiele über Bestimmung der Wassermenge eines Mühl- 
bachs und der mechanischen Arbeit eines solchen enthält 

Die dritte und letzte Abtheilung, welche die Lehre 
vom Karten- und Planzeichnen enthält, , hat 
wesentliche Aenderungen nicht er£Ekhren. 



281 



Nagel, Zur Literatur der Geodäsie. 



282 



Ausser den bereits erwähnten hypsometrischen 
Tafeln für das barometrische Höhenmessen sind im 
Anhange der fünften Auflage noch eine neue Tafel zur 
Reduction der Reichenbach 'sehen Distanzmessung 
mit lothrechten Latten, zwei Tafeln, welche die Beduc- 
tion der Barometerstände wegen der Temperatur der 
Messingscala enthalten und endlich die bereits erwähnte 
Soldner 'sehe Additamententafel beigegeben. 

Seit der zweiten Auflage ist dieses classische und 
äusserst reichhaltige Buch auch mit einem alphabe- 
tischen Sachregister versehen worden, was wesentlich zur 
leichteren Handhabung desselben beiträgt. 

Bezüglich der sonst so ausserordentlich guten Aus- 
stattung des Werkes hätten wir nur den Wunsch aus- 
zusprechen, dass bei neuen Auflagen die §§ den Ueber- 
schrifben auf den Seiten rechts beigedruckt werden 
möchten, weil es sonst aufhältlich und unbequem ist, 
die Citate besonders bei mehrere Seiten langen §§ 
aufzusuchen. 

Diesen Wunsch möchten wir auch bezüglich des 
Hartn er 'sehen Werkes aussprechen. 

Die O au 8 8* sehen Hüfsfemrohre oder CoUifnatoren, 

In den drei besprochenen Werken haben wir un- 
gern das schöne Verfahren von Gauss verraisst, das 
in der praktischen Astronomie gebräuchlich ist und 
allgemein augewendet werden kann, um mit 1 oder 2 
Hilfsfernrohren (CoUimatorerij die rechtwinklige Stel- 
lung einer Femrohrvisirachse (CoUimationslinie) gegen 
ilire Drehachse zu untersuchen, mag letztere eine hori- 
zontale, eine veiücale oder eine schiefe Lage haben. 

Sollten denn alle drei Autoren der Meinung ge- 
wesen sein, dass das Verfahren selbst für den prak- 
tischen Geometer deshalb zu umständlich erscheine, 
weil es mindestens ein besonderes Fernrohr erfordert? — 
Wenn man aber einmal in der praktischen Geometrie 
dahin gelangt ist, Theodoliten mit mikrometrischen. 
Ablesungen, besondere Präcisionsnivellirinstrumente etc. 
in Anwendung zu bringen, dann sollte man sich auch 
nicht abhalten lassen zu fordern, dass nöthigenfalls 
einem Listrumente von solcher Feinheit auch ein Hilfs- 
fernrohr beigegeben werde. Uebrigens kann ja dazu 
jedes beliebige mit Fadenkreuz versehene Fernrohr be- 
nutzt werden. 

Da diese Methode in den meisten Lehrbüchern der 
praktischen Geometrie*) fehlt, für den Ingenieur aber 



*) Dasselbe findet sich zuerst in „Ulrich*s prakt. Geometrie, 
GMtingen 1S32'' und dann in „Hunnftus's geometrische Instm- 
mente u. s. w., Hannover 1S64/^ 



in so manchen Fällen von Wichtigkeit sein kann, so 
gestatten wir uns, hier auf dieselbe näher eimnigehen. 

Das Yerfiahren gründet sich auf die Erscheinung, 
dass man das Fadenkreuz eines Femrohres durch ein 
zweites diesem gegenüber gestelltes Fernrohr deutlich 
sehen kann, wenn jedes Fadenkreuz in den Brennpunkt 
der Objectivlinse gestellt ist und wenn beide Fernrohr- 
achsen nahezu in gerader Linie liegen. Von dieser 
Erscheinung spricht bereits Lambert in einem Briefe*) 
an den l^chaniker Brand er von 17. Decbr. 1769, in 
welchem er zeigt, wie man dadurch, dass man die beiden 
Fadenkreuze zum Decken bringt, zwei Fernrohre parallel 
stellen könne. Gauss gebührt das Verdienst, diese 
Erfahrung zuerst für die praktische Astronomie ver- 
werthet zu haben. 

Um nun diese Erscheinung für die oben erwähnte 
Berichtigung der CoUimationslinie zu benützen, bringt 
man in dem zu prüfenden Fernrohr, sowie in den zwei 
Hilfsfemrohren das Fadenkreuz dadurch in den Brenn- 
punkt der zugehörenden Objectivlinse, dass man das 
betreffende Femrohr auf einen sehr entfernten Gegen- 
stand richtet, die Ocularröhre und in derselben das 
Fadenkreuz so stellt, dass man sowohl das Bild des 
Gegenstandes, als das Fadenkreuz, ohne dass letzteres 
schwankt, scharf sieht. Werden nun die beiden Hil&- 
femrohre in einer angemesseneu Entfernung so gegen 
einander gekehrt, dass man das Fadenkreuz des einen 
Fernrohres durch das Fadenkreuz des anderen gedeckt 
findet und bringt man das zu prüfende Instrument zwi- 
schen beide Hilfsfemrohre und richtet dessen Femrohr 
auf das eine Hilfsfemrohr, dass wiederum beide Faden- 
kreuze sich decken: so sind alsdann die Collimations- 
linien der drei Fernrohre unter sich parallel. Dreht 
man hierauf das zu prüfende Fernrohr um seine un- 
geänderte Drehachse, so muss das Fadenkreuz desselben 
sich ebenfalls mit dem Fadenkreuze des zweiten Hilfe- 
femrohres zur Deckung bringen lassen, wenn die ge- 
wünschte rechtwinklige Lage zwischen CoUimationslinie 
und Drehachse vorhanden ist. 

Es leuchtet ein, dass das eine Hilfsfernrohr auch 
vertreten werden kann durch ein sehr entferntes Object. 

Diese Methode kann mit grossem Vortheil ange- 
wendet werden, um von einem Standpunkte aus die 
Visirachse eines Nivellirinstruments mit fest 
verbundenem Fernrohre mit seiner Libelle paraUel 
zu steUen. Man braucht ntir nach derselben erst das 
Fernrohr und dann auf bekannte Weise auch die Li- 
belle in die erforderliche rechtwinkUge Lage zur ver- 



*) Lambert 's deutscher gelehrter Briefwechsel, III. BdL, 
S. 199 u. f. 



283 



Nagel, Zar Literatur der Geodäsie. 



284 



ticaleu Umdrehuiigsachse zu briugen. In allen drei 
hier besprochenen und auch in anderen Werken ist für 
die Herstellung des erwähnten Parallelismus nur die 
umständliche und dabei weniger scharfe Methode yon 
zwei Standpunkten aus gelehrt. (Siehe Stampfer, 
S. 45. Hartner, S. 601 und S. 606. Bauernfeind, 
I. Bd., S. 242, 386 und 387.) 

Das erwähnte Verfediren mit den Gauss 'sehen 
Gollimatoren kann ferner benutzt werden zur Recht- 
winkligstellung der Collima4aonslinie eines ^eodoliten 
oder einer Eippregel zu ihrer horizontalen Drehachse 
(anstatt Hartner, S. 106, 107, 165 und 166; Bau- 
ernfeind, I. Bd., S. 244), ebenso zur Ermittelung 
des Indexfehlers eines Höhenkreises (anstatt Bauer n - 
feind, I. Bd., S. 197), zur Bestimmung des Einflusses 
der Biegung des Femrohres, zur Ermittelung der Un- 
gleichheit der Ringdurchmesser an Ni?ellirinstrumeuton 
mit umlegbarem oder durchschlagbarem Femrohre (an- 
statt Stampfer, S. 60; Hartner, S. 613, 615 und 
619), zur Untersuchung eines Stampfer 'sehen Nivel- 
lirdiopters, ob bei demselben die Vor- und Rück- 
yisur in dieselbe Gerade fallen (anstatt Stampfer, 
S. 112; Hartner, S. 608; Bauernfeind, I. Bd., 
S. 387) u. 8. w. 

Bei Anwendung dieser Methode ist aber ganz be- 
sonders darauf aufmerksam zu machen, dass die Paral- 
lelstellung zweier Femrohre nur dann gelingt, wenn 
die Kreuzfäden möglichst genau im Brennpunkte ihrer 
Objectivlinsen stehen und dass, wenn alsdann die beiden 
Fadenkreuze sich decken, die Collimationslinien zwar 
parallel sind, aber im Allgemeinen nicht in dieselbe 
Gerade fallen. Man kann sich hiervon theoretisch leicht 
durch Verfolgung des Strahlenganges in beiden Fern- 
rohren überzeugen. Durch Experiment gewinnt man 
aber leicht die nöthige Einsicht davon auf folgende 
Weise. 

Mau stellt ein Nivellirinstrument mit sehr emplind- 
licher Libelle horizontal auf und richtet darauf ein 
zweites Fernrohr so, das beide Kreuzfädeu sich decken. 
Erhöht man hierauf das Nivellirfernrohr durch An- 
wendung der Horizontalstellschrauben desselben um 
mehrere Millimeter*) und bringt die Libelle wieder 
zum Einspielen, so werden beide Fadenkreuze sich 
immer noch decken, wenn vorher die Kreuzfäden beider 
Fernrohre in die Brennpunkte ihrer Objectivlinsen ge- 
stellt waren. War dies jedoch nicht der Fall, so wird 



auch das Decken der Kreuzfäden nicht mehr statt- 
finden. 

Um bei diesen Untersuchungen immer das Faden* 
kreuz des visirten Fernrohres entsprechend zu be- 
leuohten, bringt man hinter das Ocular desselben ein 
weisses Papier ungefähr unter dem Winkel von 45^ 
gegen die Achse geneigt so an, dass das von dem 
Papier zerstreute Licht das Fadenkreuz gehörig erhellt 

Compematdons - NfvsiifrimtrumetUe, 

Unter Gompensations-Nivellirinstromenten verstdit 
mau solche, mit denen man, ohne dass der Parallelis- 
mus zwischen Libelle und Fernrohr scharf hergestellt 
zu sein braucht, zwei oder vier Visuren in verschie- 
denen Lagen des Fernrohres und der Libelle beim Ein- 
spielen der letzteren macht und durch das arithmetisdie 
Mittel der Ablesungen an der Latte die verlangte Ziel- 
höhe befreit von allen Instrumentfehlern erhält. 

Das im ersten Artikel (Civilingenieur 1877, 3. Heft, 
S. 204. Anmerk.) erwähnte Nivellirinstrument mit 
zwei Fernrohren von Brito Limpo, welches im 
Jahre 1867 auf der Pariser und dann 1873 auf der 
Wiener Weltausstellung*) sich befand, gehört zu diesen 
und es ist jedenfalls das in dieser Beziehung vollkom- 
menste, das in der angedeuteten Weise durch vier 
Visuren alle Instmmentfehler eliminirt 

In dem Hartner'schen, sowie in dem Bauern- 
feind'schen Werke ist der Amsler- Laffon 'sehen 
Reversiouslibelle gedacht, welche 1S59 im 153. 
Bande des Dingler 'sehen polytechnischen Journals, 
S. 401 u. f., in Verbindung mit einem Nivellirinstru- 
mente beschrieben ist. 

Diese Libelle soll eigentlich so ausgeschliffen sein, 
dass die Blase immer in der Mitte der Röhre einspielt, 
wenn die Libelle um ihre geometrische Achse bei ho- 
rizontaler Lage der letzteren gedreht wird. 

Wenn man daher der Libelle zwei symmetrische 
Theiluugen, die eine auf dem oberen, die andere auf 
dem unteren Röhrenrückeu giebt, die Libelle mit einem 
um seine Achse drehbaren Fernrohre dergestalt ver- 
bindet, dass beide Achsen in einer Ebene liegen, so 
wird beim Nivelliren die etwaige nicht parallele Lage 
der Collimationslinie zur Libelle ohne Einfluas auf die 
Bestimmung einer Zielhöhe bleiben, wenn man mit dem 
Femrohre zwei Visuren und die zugehörenden Ab- 



*) Diese Erhöhung kann sehr bedeutend sein, wenn nur einige *) Officieller Ausstellungsbericht, herausgegeben durch die 

Strahlen , die ^ parallel zur Hauptachse aus der Objectivlinse des Generaldirection der Weltausstellung 1S78 unter Redactkn foo 

einen Femrohres kommen, die Objectivlinse des anderen Fem- Dr. Richter. Mathematische und physüaüiicbe Initnimate 

rohres noch treffen. (Gmppe XIV) Bericht von Dr. W. Tinter. Wien 1874. 8. 70. 



2S5 



Nagel, Zur Literatur der (^leodäsio. 



286 



lesungeu an der Latte macht, einmal, wenn die ein- 
spielende Libelle oberhalb des Femrohrefi sieh be* 
findet und dann, wenn das Fernrohr um seine Achse 
gedreht and die nun unterhalb desselben befindliche 
Libelle zum Einspielen gebracht worden ist. Das arith- 
metische Mittel aus beiden Lattenablesungen giebt die 
gesuchte Zielhöhe. Man wird also mit einem derartigen 
Instrument in gedachter Weise immer richtig nivelliren 
können, dasselbe mag berichtigt sein oder nicht, wenn 
nur die Libelle in der Zeit, in welcher beide Visuren 
gemacht werden, ihre Lage gegen das Femrohr bei- 
behält. Ja es braucht dabei nicht einmal die Collima- 
tionslinie centrirt zu sein, d. h. es brauchen der optische 
Mittelpunkt der ObjectivUnse und der Fadenkreuzpunkt 
nicht in die mechanische Achse des Rohres zu üedlen. 

Dieselben Dienste leistet ein Nivellirinstrument mit 
kippendem und durchschlagbarem Femrohre, das in 
gleicher Weise mit einer Reversionslibelle versehen ist. 

Diese Instrumente bieten noch den wesentlichen 
Yortheil, dass, wenn ein für allemal die Uebereinstim- 
mung der beiden Libellenscalen (der Parallelismus der 
beiden Libellentangenten) untersucht und als vollständig 
vorhanden befunden worden ist, sie sich mit derselben 
Leichtigkeit, wie die Nivellirinstrumente mit umleg- 
barem oder solche mit durchschlagbarem Fernrohre und 
Setzlibelle justiren lassen, ohne dass, wie bei diesen, 
die Ungleichheit der Ringdurchmesser auf die parallele 
Lage der Libelle und des Fernrohres einen nachtheiligen 
Einfluss ausüben kann. 

Die Idee dieser Libelle in Verbindung mit einem 
um seine Achse drehbaren Fernrohre ist nicht neu, sie 
war vielmehr schon in dem im ersten Artikel erwähnten 
Werke von Johann Tobias Mayer, Bd. II, S. 94 
u. f., sehr ausführlich auseinandergesetzt und diente 
zu der in gegenwärtiger Zeitschrift 1877, S. 201, unter 
1** erwähnten Methode der Messung der Verticalwinkel. 
Fi-eilich wurde dabei, wie daselbst immer, die genaue 
cylindrische Form von der Libelle gefordert. 

Wie schon Amsler-Laffon a. a. 0. bemerkt hat, 
ist eine derartige Reversionslibelle schwer herzustellen, 
weshalb die sonst so zweckmässige Construction noch 
wenig Eingang in die Praxis gefunden hat. In neuerer 
Zeit scheinen sich mehrere mechanische Werkstätten, 
darunter auch die von A. Lingke & Co. in Freiberg, 
mit der Anfertigung derartiger Instmmente zu befassen, 
weshalb wir os für zweckmässig hielten, hier speciell 
auf diese Construction zurückzukonunen. 

üebrigens verliert sich die Schwierigkeit der Her- 
stellung einigermassen , wenn man bedenkt, dass die 
genaue symmetrische Lage der oberen und unteren Thei- 
lung gar nicht nothwendig ist, wenn nur beide Röhren- 



rttcken nahezu nach demselben Krümmungshalbmesser 
geschliffen (also beide nahezu dieselbe Empfindlichkeit 
gewähren) und die Tangenten an diese Krüm- 
mungen durch die beiden Spielpunkte einander 
parallel sind. Bringt man daher auf beiden Seiten 
der Libelle die Theilungen so an, dass die geometrische 
Achse der Libelle, ohne nothwendig horizontal zu sein, 
immer dieselbe Neigung beibehält, wenn die Libellenblase 
an der einen oder anderen Scala einspielt, so wird die 
Libelle die erforderlichen Dienste leisten. Die beiden 
Spielpunkte liegen dann im Allgemeinen nicht in dem- 
selben Querschnitt der Libelle, was aber auch nicht 
erforderlich ist. 

Die von Amsler-Laffon angegebene Prüfung 
einer solchen mit einem Fernrohre verbundenen Libelle 
auf den Parallelismus der beiden Libellentangenten ist 
zu umständlich. Ein viel einfacheres Hilfsmittel bieten 
die oben besprochenen Gauss 'sehen CoUimatoren. 
Nachdem die Collimationslinie des Fernrohres in der 
bekannten Weise gehörig centrirt worden ist, stellt man 
dieselbe mit Hilfe der Collimatoren genau rechtwinklig 
zur verticalen Umdrehachse, worauf man der einen 
Libellentangente gleichfalls die rechtwinklige Lage zu 
derselben verticalen Achse ertheilt, wodurch diese Tai^ 
gente parallel zur Visirachse des Femrohres wird. 
Letztere ist also bei einspielender Libelle horizontal. 
Dreht man nun das Femrohr um seine Achse um 180", 
80 muss die auf die entgegengesetzte Seite des Fem- 
rohres gekommene Libelle an der zweiten Scala wieder 
einspielen, oder es muss bei etwas geneigter Fernrohr- 
achse die Blase an beiden Scalen genau denselben Aus- 
schlag zeigen, wenn die Libelle den oben erwähnten 
Anforderungen an ihre Theilungen entspricht. 

In älinlicher Weise könnte man bei Aufbringung 
der Theilungen der Libelle vorgehen. Wenn sich dem 
Verfahren keine technischen Schwierigkeiten entgegen- 
stellten, würde man bei horizontaler Fernrohraclise die 
beiden Spielpunkte der Libelle markiren und dann von 
diesen aus die Theilung bewirken. 

Nach der angegebenen Methode hat Referent ein 
von Lingke & Co. in Freiberg angefertigtes Nivellir- 
instmment mit Reversionslibelle, welche 9" bei einem 
Ausschlage der Blase von 1 Sealentheil anzeigt; unter- 
sucht und l>eide Scalen vollständig mit einander in 
Uebereinstimmung gefunden. 

Ist die Libelle auf dem Fernrohre dergestalt be- 
festigt, dass sie auf demselben leicht umgesetzt und 
sicher meder befestigt werden kann, so ist die Prüfung 
des Parallelismus ihrer Tangenten noch einfacher. Man 
braucht dann nur bei derselben Stellung der Fernrohr- 
achse erst den Ausschlag der Libelle an der einen Scala 



287 



Nagel, Zur Literatur der Geodäsie. 



288 



und dann nach dem Drehen des Femrohres denselben 
an der anderen Scala zu ermitteln, und ebenso zu ver- 
fahren, nachdem die Libetle auf dem Femrohre in die 
entgegengesetzte Stellung gebracht worden ist. Sind 
die beiden Libellentangenten einander parallel, so muss 
die Summe der beiden Ausschläge in der ersten Stel- 
lung gleich der Summe der Ausschläge in der zweiten 
Stellung der Libelle sein, vorausgesetzt, dass beide 
Scalen dieselbe Theilung haben und gleiche Empfind- 
lichkeit der Libelle repräsentiren. Wäre dies letztere 
nicht der Fall, so müssten vor der Yergleichung die 
Blasenausschläge mit den mitsprechenden Neigungs- 
werthen für einen Sealentheil multiplicirt werden. 

Wenn die beiden Libellentangenten nicht parallel 
sind, sondern in der Richtung nach dem Objectiv des 
Fernrohres convergiren, so hat man aus zwei Zielhöhen 
h^ und ^2» welche man bei einspielender Libelle vor 
und nach dem Umdrehen des Femrohres um seine 
mechanische Achse erhält, die gesuchte Zielhöhe h nach 
der Formel 

worin D die Entfernung der Latte vom Instrument 
und d den Winkel, den beide Libellentangenten ein- 
schliessen, bedeuten. 

Man sieht daraus, dass in diesem Falle durch zwei 
Visuren der Fehler d des Instrumentes nicht compen- 
siii; wird. 

Verfährt man aber in gleicher Weise, nachdem man 
die Libelle auf dem Fernrohre in die entgegengesetzte 
Lage gebracht hat und liest dabei die Zielhöhe ^3 und 
/^4 nach derselben Latte ab, so erhält man 



so dass man nun 



Ä = 



Ä, + A, + Ä3 + Ä, 



also das arithmetische Mittel aus vier Zielhöhen, be- 
stimmt, das von sämmtlichen Instrumentfehlern be- 
freit ist. 

Nur in dieser Weise würde man das Instrument 
als ein Compensationsinstrument betrachten können. 
Es erscheint aber sehr umständlich und aufhältlich 
beim Nivelliren, nach jedem Punkte vier Einstellungen 
und Ablesungen machen und dabei auch die Libelle 
umsetzen und wieder befestigen zu müssen. Daher ist 
das Instrument am zweckmässigsten zu verwenden, wenn 
beide Libellentangenten parallel sind, wo dann, wie 
obige Formeln zeigen, zwei Visuren nach jedem Punkte 
zur Compensation ausreichen. 



Immerhin ist es aber bedenklich, bei feinen Ni- 
vellementsarbeiten die Libellenblase an zwei verschie- 
denen Scalen einspielen zu lassen. Wenn auch Tiel- 
leicht von Haus aus die Libellentheilungen überein- 
stimmen, so ändern doch die beiden Röhrenrücken b^ 
veränderter Temperatur ihre Form und das Ueberein- 
stimmen beider Scalen wird nicht mehr genau statt- 
finden. 

Diese Ueberlegung war Veranlassung, dass Referent 
vor einigen Jahren durch A. Lingke & Co. ein In- 
strument mit durchschlagbarem Femrohr anfertigen 
liess, an welchem nach dem Durchschlagen des Fern- 
rohres die mit demselben verbundene Libelle sich um 
ihre Achse und zwar um 180^ drehen liess, so dass 
alsdann die Blase an derselben Scala zum Einspielen 
gebracht werden konnte. Dieses Instrument sollte den 
oben erwähnten Vortheil der Reversionslibelle bieten, 
nämlich die gesuchte Zielhöhe durch das arithmetische 
Mittel der in beiden Lagen des Femrohres bei einspie- 
lender Libelle abgelesenen Zielhöhen zu erhalten, ohne 
nöthig zu haben, vorher die Libelle genau parallel mit 
der GoUimationslinie des Femrohres zu stellen. 

Diese Construction gewährte aber den gewünschten 
Vortheil nicht, denn eine specielle Untersuchung zeigte, 
dass dieses arithmetische Mittel noch mit dem Fehler 
behaftet bleibt, welcher auftritt, wenn die Tangente an 
den Spielpunkt der Libelle nicht parallel ist mit der 
Drehungsachse der letzteren. 

Derselbe Fehler ist auch vorhanden, wenn das 
Fernrohr zum Drehen in den Lagern anstatt zum 
Durchschlagen eingerichtet ist, weshalb das in dieser 
Weise construirte, zuerst in Dingler's polytechnischem 
Journal, Bd. 154, S. 401, beschriebene Compensations- 
Nivellirinstrument von F. W. Breithaupt bei Anwen- 
dung derselben Libellenscala die oben erwähnte Bedin- 
gung auch nicht erfüllt. 

Dieselbe Foimel , die wir zur Bestimmung der 
wahren Zielhöhe mit einem mit Reversionslibelle ver- 
sehenen Nivellirinstrument aus zwei vor und nach dem 
Drehen (oder Durchschlagen) des Fernrohres gemessenen 
Zielhöhen aufstellten, nämlich 



Ä = 



Ä,+A. 



2).d"«nl", 



können wir auch auf das in Rede stehende Instrument 
ohne Weiteres anwenden, wenn wir unter i den Winkel 
verstehen, den die Libellentangente mit der Drehungs- 
achse der Libelle bildet, und wenn das Instrument so 
vollkommen constmirt ist, dass durch das' Drehen der 
Libelle um 180'^ wodurch allerdings andere Lagerpunkte 
der Zapfen (oder Spitzen) derselben entstehen» der 



289 



Undeutsch, Untersuch uug über die Stabilität und Festigkeit von cyliudrischeu Bassinwändeu. 



290 



Winkel, den die Drehungsachse der Libelle mit der 
mechanischen Achse des Femrohres bildet, sich nicht 
ändert. 

Wenn nun auch hier, wie Breithaupt gethan, 
das Instrument dergestalt eingerichtet wird, dass sich 
die Libelle auf dem Fernrohre in die entgegengesetzte 
Lage bringen lässt, dann giebt ebenfalls das arithme- 
tische Mittel aus den vier in verschiedenen Stellungen 
der Libelle und des Fernrohres gemessenen Zielhöhen 
die gesuchte Zielhöhe. 

C. V. Bauernfeiud ei-wähnt *im ersten Theile 
seiner Vermessungskunde, S. 392, dass Ott & Coradi 
in Kempten ein Nivellirinstrument nach dem angeführten 
Princip mit drehbarem Fernrohr und drehbarer Libelle 
angefertigt haben. Wie wir .aus einem Aufsatze des 
Ingenieurs Dr. Vogler in der Zeitschrift für Vermes- 
sungswesen 1877, S. 10, ersehen, ist an diesem Instru- 
ment die Drehachse der Libelle durch Zapfen anstatt 
durch Breithaupt'sche Spitzen hergestellt und nicht 
zum Umlegen bestimmt. Durch letzteren Umstand 
ist dieses Instrument ebensowenig als ein Compensations- 
niveau zu betrachten, wie dasjenige mit Reversions- 



libelle , bei welchem letztere nicht zum Umlegen ein- 
gerichtet ist. 

Es erhellt aus diesen Anführungen, dass die Gom- 
pensation der Fehler der genannten Nivellirinstrumente 
vollständig nur durch vier Visuren zu erreichen, durch 
zwei Visuren aber nur unter gewissen Bedingungen, 
die das Instrument zu erfüllen hat, zu ermöglichen ist. 

In letzter Beziehung wird für technische Zwecke 
das Nivellirinstrument mit Reversionslibelle, wenn ein- 
mal der Parallelismus ihrer Tangenten constatirt ist, 
seiner grossen Bequemlichkeit halber zu empfehlen sein: 

Für Präcisionsarbeiten bleibt aber immer als 
sicherste Compensation das Nivelliren aus der Mitte.*) 



♦) Während der Correctur des vorstehenden Artikels kam 
dem Referenten die erste Lieferung von „Dr. W. Jordan *s 
Handbuch der Vermessungskunde. Stuttgart (Metzler) 1877" zu 
Gesicht, welches «Is zweite umgearbeitete und vermehrte Auflage 
seines Taschenbuchs der praktischen Geometrie erscheint Auf 
dieses die ganze Geodäsie umfassende ausgezeichnete Werk, 
welches wir bei zeitigerem Erscheinen gern mit in den Kreis 
unserer obigen Besprechung gezogen haben w(\rden, mag hier- 
durch vorläufig aufmerksam gemacht werden. 



Untersuchung über die Stabilität und Festigkeit von cylindrischen Bassinwänden, 



Von 



Prof. Undeutsch in Freiberg. 

(ffierzu Tafel XII und XIII.) 



Es ist eine vielfach vertretene Ansicht, dass an 
einem cylindrischen Bassin die Hauptbeanspruchung 
durch den Flüssigkeitsdruck je zwei diametral gegen- 
überliegende Verticalschnitte erfahren, so dass die ab- 
solute Festigkeit des Bindemittels resp. des Bausteines 
in jenen Verticalschnitten dem Flüssigkeitsdrucke vor- 
herrschend Widerstand zu leisten habe. 

Bedeutet nach Fig. 1, Tafel XII: 

H=liöhe des Bassins in Met., 

d = 2 r = Durchmesser desselben in Met., 

, ^ i Breite der Bassinwand in Met., 

= untere P 

k = Festigkeitscoefßcient des Bindemittels für Zug, 

y = 1000 Klgr. pro 1 Cub.-Met. Wasser (resp. Gewicht 

von 1 Cub.-Met. Flüssigkeit), 

dann müsste gelten: 

OlTlllnc«niettr XXIII. 



2 2 



b = 
Wäre beispielsweise 



— ^1^ 



a. 



r =6,5™, 

a = 1,25™, 

k = 100000^» pro 1 □"» für Cement und Zug, 

dann ist bei lOfacher Sicherheit 



m 



^ = 2,65 

Eine Beanspruchung der Bassinwand in angeführter 
Weise kann aber selbstredend erst eintreten, wenn die 
Hälfte der ganzen Bassinwand ungenügend mit der 
Bassinsohle verbunden und durch den Wasserdruck ver- 
schiebbar wird. 

19 



291 



Un deutsch, Untei-suchuiig über tue Stabilität und Festigkeit von cylindrischen Hassiuwäuden. 



292 



Nun gilt für das Gleichgewicht zwischen dem 
Wasserdi'ucke auf die halbe Bassinwand und der Scheer- 
festigkeit des Bindemittels an der Sohle des Bassins 

" 2- '^'~ 2 ' 
sofern bedeutet 

iI = grÖ8ster Halbmesser der Wand an der Sohle, 
i, = Coefficient der Scheerfestigkeit des Bindemittels, 

und es folgt: 



-|/'i"S^+'l 



und * h = {R — r) 

Werden nun obige Werthe und 

fc« = 50000*^ 
lur Cement und Gleichgewicht eingesetzt, so folgt 

J = 0,22'M 

Führt man statt der Scheerfestigkeit des Binde- 
mittels die Reibung an der Sohle der halben Bassin- 
wand ein, so gilt nach Fig. 1: 

Volumen der ganzen Wand 
n.If 



h = 



n 



x.--r + «+ ^^ , 



y 

^ = Gewicht der halben Bassinwand = -^ . yi 
folglich die Reibung an der Sohle 

Nun soll sein: 



JI^ .y.d . 



also : 



. |/(3r+a)-^ 6.r y ,. , ^ 



(3r + a) 



Die oben angenommenen Grössen, femer 

yj = 2000*«f pro Cub.-Met. Bassinwand und 
f für Stein auf Stein =0,65 eingesetzt, folgt 

* = 1,42": 

Denkt man sich nun diese unterste Breite dem 
Baue zu Grunde gelegt und Cementbindung gewählt^ 
so würde hierdurch eine grosse Sicherheit gegen das 
Verschieben der Bassinwand geboten, so dass eine 
Beanspruchung der absoluten Festigkeit des Bindemit- 
tels resp. der BiAisteine in den diametral gegenüber 
gelegenen verticalen Wandquerschnitten in der oben 
angeführten Weise nicht entstehen kann. - ''. 

Aber angenommen, die Bindung an der Sohle sei 
sehr schwach, auch eine Verschiebung der Wand und 
damit eine pro Flächeneinheit gleichmässige Beanspru- 
chung der absoluten Festigkeit in jenen verticalen 
Querschnitten möglich, so würden — falls die Dimen- 
sionen der letzteren und mit ihnen die Widerstands- 
kräfte verglichen mit dem Wasserdrucke zu klein wären 
— im Bassin Verticalrisse entstehen, welche von der 
Sohle bis zum Rande des Bassins gleich weit 
klaffen müssten. 

In Wirklichkeit beobachtet man nun allerdings 
Verticalrisse, aber nur solche, welche am Bassin- 
rande am weitesten klaffen und nach der Tiefe 
hin verschwinden; folglich ist die eingangs ange* 
führte Ansicht sehr wahrscheinlich unrichtig und die 
Ursache zur Entstehung der Risse in einer anderen Art 
der Bewegung des Bassins zu suchen. 

Füllt man ein vertical stehendes, am unteren Ende 
geschlossenes Gummirohr mit Quecksilber, so erleidet 
der untere Theil der Rohrwand durch den Quecksilber- 
druck eine in Figur 2 angedeutete Formveränderung, 
und es darf angenommen werden, dass, sofern das 
untere Rohrende offen und der Druck im Rohre ge- 
halten werden köimte, eine durch die punktirten Linien 
a b angegebene, also sich stetig nach unten erweiternde 
Form entstehen würde; das unten geschlossene Bohr 
zeigt hingegen das Bestreben, eine sich nach oben er- 
weiternde, durch die Linien cd angegebene Form an- 
zunehmen. 

Ein weiter niedriger Gummicylinder, an seinem 
untei-sten Theile dicht an einen kreisrunden Boden vom 
Durchmesser des Cylinders befestigt, mit Quecksilber 
gefüllt, zeigt ebenfalls eine Form Veränderung, welche 
sowohl die theilweise von oben nach unten, als auch 
die theilweise von unten nach oben stattfindende Er- 
weiterung erkennen lässt. 

Eine runde gemauerte Bassinwand wird nun durch 
den Flüssigkeitsdruck in gleicher Weise beanspracht 



293 



Undeutsch, Uutersuchung über die Stabilität und Festigkeit von cylindi-ischeu Bassinwänden. 



294 



werden; da aber die gemauerte Wand als ein starrer 
Körper zu betrachten ist, so wird sich das nach unten 
stattfindende Erweiterungsbestreben über die ganze Tiefe 
fortsetzen und die Wand soll von der Bassinsohle los- 
gelöst werden; während bei widerstandleistender 
Verbindung der Wand mit der Sohle sich das 
Erweiterungsbestreben von unten nach oben 
Ton der Sohle bis zum Kopf des Bassins fort- 
pflanzen wird. 

Diese Behauptung kann experimentell bestätigt 
werden, indem man die auf ein Gummibassin wirkenden 
Quecksilberdrücke auf am Boden des Bassins charnier- 
artig eingefugte, ursprünglich vertical stehende Drähte 
überträgt, die nach der Wirkung der Drücke — wie 
in Figur 3 — auf die Oberfläche eines sich nach oben 
erweiternden abgestutzten Kegels zu liegen kommen. 

Denkt man sich nun aus einer gemauerten Bassin- 
wand durch zwei in der Entfernung 1 über die ganze 
Höhe des Bassins gelegte verticale Radialschnitte ein 
Element herausgeschnitten, so lässt sich nunmehr dessen 
Beanspruchung durch den Flüssigkcitsdruck angeben. 
Ist das Element mit der Sohle des Bassins nicht starr 
oder, verglichen mit den wirkenden äusseren Kräften, 
zu schwach verbunden, so wird entweder eine Ver- 
drehung um den Bassinrand oder eine radiale Aus- 
wärtsverschiebung des Elementes entstehen ; ist aber die 
Verbindung der Elemente mit der Sohle eine sichere, 
so wird nur noch ein Kippen der Wand nach aussen 
um einen Punkt in der Sohle eintreten. 

Dieser Drehpunkt ist folgendermassen zu bestimmen : 
Soll ein Kippen der Wand nach aussen unterbleiben, 
soll also ein Oeffnen der horizontalen Mauerfugen an 
der Innenseite der Wand nicht eintreten, so dürfen auf 
dieser Seite weder das Bindemittel, noch der Baustein 
verticale Zugkräfte erleiden. 
Es bedeutet in Figur 4: 
Rq ^^ Resultirende aus sämmtlichen auf das Stabstück 

CDEF wirkenden äusseren Kräften, 
-4 J? = neutrale Achse des Stabes, 

a = Neigungswinkel der Resultirenden JB^, zur neu- 
tralen Achse, 
«1 resp. a^ = Entfernung des Durchschnittspunktes 
der Resultirenden JJ« und der zur neutralen 
Achse senkrechten Ebene CD von der neutralen 
Achse, 
e^ und e^ = Entfernung der am stärksten gezogenen 
resp. gedrückten Fasern von der neutralen 
Achse, 
r = Hebelarm der Resultirenden R^^ bezogen auf den 
Durchschnittspunkt der neutralen Achse mit 
der Ebene CD, 



T = Trägheitsmoment der Quei*schnittsfläche F des 
Stabes, 

Si = Spannung pro Flächen- 
einheit in der Entfer- 



nung ßp 
8^ = Spannung pro Flächen- 
einheit in der Entfer- 



herrührend von der 
Abbiegung des Stabes 
durch das Moment 



nung 6i, 

P ^- Componente von Rq in der Richtung der neu- 
tralen Achse, 

dann erleidet die Flächeneinheit im Querschnitte F 

eine Druckspannung, herrührend von P: 



Rq . eos a 



ferner gilt 



P 
F 



i:{F.l) = R^,.r = 8i. 



S,= 



{Ro-r).ei 



und 






folglich ist die totale Spannung in C 



und in D 



y'=.~ —Ä 



= P _(Ro-r).e, 
F f ' 

Je nachdem S' und S*^ positiv oder negativ aus- 
fallen, erhält man Druck oder Zugspannungen. Damit 
nie Zug stattfindet, muss mindestens sein 

Ä" = 0, 
also 

P {Rq . r) . «2 -^ü • ^^* " RQ.ai.cosa.e^ 

^ f — y^ 7 — ^' 

T T 

«2 = >- - resp. »,=--. 

Hieraus geht hervor, dass die Resultirende R^ sich 
mit der Ebene CD innerhalb der Strecken a^ und a,, 
höchstens aber in den Entfernungen a^ oder a^ von der 
neutralen Achse schneiden darf. 

Der Horizontalschnitt des Bassinwandelementes ist 
ein Rechteck; dann gilt für jeden beliebigen Schnitt in 
der Tiefe x unter dem Bassinrande (Fig. 6): 

P=y.l, 



T= 



12' 



19' 



296 



Un deutsch, Untersachung ttbor die Stabilität and Festigkeit von cylindrischen Bassiuwänden. 



296 



e,=zf^ = 



a. 



y_ 

2 ' 
T 



6 



Es liegen also die möglichen Durchschnitte der Re- 
sultirenden Rq mit y innerhalb des mittleren Drittels 
von y. Je nach dem zu gebenden Sicherheitsgrade 
wählt man auf dieser Strecke einen Punkt als Dreh- ! 
punkt für das Element. ' 

Werden nun entweder sämmtliche Elemente um \ 
die auf solche Weise bestimmten Drehpunkte — also ' 
die ganze Bassinwand — nach aussen gekippt, oder 
wird das ganze Bassin durch den Wasserdruck nach 
unten erweitert, d. h. werden die einzelnen Elemente 
um den Bassinrand auswärts gedreht, so sind mit der . 
Vergrösserung der Durchmesser nothwendigerweise Aus- 
dehnungen der Bassinwand in tangentialer Richtung ver- > 
bunden, welche in der Wand tangentiale Zug- 
spannungen (Fig. 5) hervorrufen, die um so 
grösser werden, je weiter die gespannten 
Wandtheile vom Drehorte entfernt liegen. Ist 
jedes Wandelement für sich allein stabil, kann also 
ein Kippen nicht eintreten, so werden die Tangential- 
kräfte gleich Null; ist aber das Element für sich 
allein nicht stabil, so muss den entstehenden tangen- 
tialen Zugspannungen durch die Reibung in den hori- 
zontalen Steinfugen resp. durch die Festigkeit des 
Bindemittels Widerstand geleistet werden. 

Für die folgenden Betrachtungen sollen nun mit 
Rücksicht auf die zur Anwendung gelangenden Bau- 
steine und Bindemittel drei Fälle unterschieden werden : 

A. 

Es sollen kurze Bruchsteine mit Kalkmörtelbindung 
angewendet und wegen der sehr kleinen absoluten 
Festigkeit des Kalkmörtels und der bei sehr kleiner Länge 
der Steine zu geringen Reibung die tangentialen Zug- 
kräfte nicht in Rechnung gebracht werden; demnach 
ist die Bassinwand so stabil zu construiren, dass ohne 
Rücksicht auf Tangentialwiderstandskräfte ein Kippen 
derselben unmöglich wird, also Tangentialzugkräfte gar 
nicht hervorgerufen werden. 

B. 

Es soll die Bassinwand aus ausgesuchten Bruch- 
steinen von möglichst grosser Länge mit Kalkmörtel- 
bindung ausgeführt und den tangentialen Zugkräften 
durch die in diesem Falle grossen tangentialen Rei- 
bungskräfte Widerstand geboten werden. 



C. 

Die Bassinwand werde aus Ziegel- oder bearbei- ^ 
teten Sandsteinen und Portlandcement hergestellt und^ 
es soll wegen der grossen Festigkeit des Cementes durdrr:^ 
diese den Zugkräften unter grosser Sicherheit Wider^ 
stand geleistet werden. 

A. 

Bedeutet 
H = Höhe des Bassins in Met., 
y = Gewicht eines Cub.-Met. Flüssigkeit (für Wasser 
= 1000»^«?), 
so ist der resultirende Wasserdruck auf das Bassinwand- 
element von der Breite 1 

2 

und der Angriffspunkt dieser Kraft liegt bekanntlich um 
H 



3 



von der Bassinsohle aufwärts. 



Wegen der sehr kurzen Steine sind die Bassin- 
wandelemente als von einander getrennt anzusehen und 
es würde sich dann die Wandstärke des Bassins in der 
Tiefe x unter dem Bassinrande mit Rücksicht auf ein 
radiales Auswärtsschieben nach der Grösse der wider- 
stehenden Reibung in der in der Tiefe x liegenden Ho- 
rizontalfuge berechnen. 
Bedeutet in Figur ü: 
Gx = Gewicht des über der Tiefe x liegenden Mauer- 

theils des Elementes, 
f = Reibungscoefficient, 
F^ = Reibung in der in der Tiefe x liegenden Hori- 
zontalfuge, 
Pjr = Wasser- resp. Flüssigkeitsdruck auf den Theil 
des Elementes von der Tiefe x^ 



so gilt hier 



F — P 



Gr.f 



X' .y 



nun ist für 

also auch Oj. und damit die Wanddicke an dieser 
Stelle = 0. Mit zunehmendem x wächst aber stetig P^, 
folglich muss hiermit stetig Fx also Ox wachsen, wes- 
halb der Wand zunächst ein rechtwinkliges Dreieck als 
Querschnittsform zu geben ist. Mit Rücksicht hierauf 
folgt: 



297 



Undeutsch, Uutersachung über liie Stabilität und Festigkeit von cylindiischen Bassiuwändeu. 



298 



sofern bedeutet 

y = Wandstärke in der Tiefe Xy 

y , = Gewicht der Cubikeinheit Mauerwerk , 

und es gilt: 



f-yi 



•(I) 



Wäre es statthaft, die Festigkeit des Mörtels in 
Rechnung zu bringen, so würde gelten, wenn 
kn = Festigkeitscoefficient des Mörtels für Abscheeren 
bedeutet, 



y.l .ki,= 



x^ .y 



2 ' 



x^,y 



(11) 



dann ist noch ein Umkippen des oberen Bassintheiles 
um die Sohle nach aussen möglich. 

Es werde in Figur 9 der äusserste Punkt 0^ des 
mittleren Drittels der Dicke y als Drehpunkt gewählt, 
dann gilt: 



Gr . 



X. 



Pr. 3 =0, 

x^,y 

6 ' 



Yi = 



und für x = H: 



'-Vf. 



(y) 



(V) 



Mit Rücksicht auf praktische Ausführbarkeit muss 

__..., , T , . 1 , x^ I ^^^ der Bassin wand eine obere Breite a, dem Vertical- 

Wahrend diese Gleichung als äussere Begrenzungs- ^^^^^^ ^^^ ^^^^ ^1^^ ^^^ Trapezform gegeben wer- 

bnie der Mauer eine Parabel liefert, giebt die Glei- | ^^^ pj 10^ ^^^^ j^^ 

chung (I) eine Gerade. 

Wäre eine Erweiterung des Bassins, wie in Fig. 7, 
nach unten möglich, so würde gelten 

1) mit Berücksichtigung der Reibung in der Hori- 
zontalfuge (Fig. 8): 



— O,.^ —F,.x + '^ = 0, 



x.y 



y 



2 ^'-S 



3 



2 -/-yi-^+g^^o, 



es folgt: 



= ;.||/9.^ 



+ 8. 



7i 



3/j 



(UI) 



y = «-)-«,, 



n.x 



y=« + 



n,x 



für x = Hl 



i = a + « 



(VI) 



Ferner gilt 



und für x^^Hi 



= f. })/,...+ «.^ 



v.x 



3/ 



• • 



(III*) 



2) mit Berücksichtigung der Scheerkraft K^ des 
Bindemittels (Fig. 8): 



y 



ni 



x" .y 



-c,.^-ir,.x+ -^'=0, 



es folgt: 



6 ■'^' 



x^ .y 
y,k^.x+ ^ =0, 



'=MK'+' IP-' 



« • 



(IV) 



Nach Einsetzung der Werthe folgt: 
1 H 



n-^^ 



2 d; 
für x = H: 



W'" 



''+A.x'-.^ 3a 



/i 



(VU) 



(vn«) 



und für x = H: 



<\v 






(IV») 



Ist nun b so gross, dass weder eine Auswärtsver- 
schiebung, noch eine Verdrehung um stattfinden kann, 



(VIP) 



n= ^ \l/ba^+Aff^, ^ —3«] 
für a = o: 

n=ir.l/ 

für n =: folgt aus VII*: 

a^^H^y- (VU') 

Jedem anderen a entspricht bei dei-selben Wider- 



7 

Yi 



299 



Un deutsch, Untersuchung über die Stabilität und Festigkeit von cylindrischen Bassinwänden. 



300 



standsfiLhigkeit der Wand ein anderes n; man erhält 
daher mit Rücksicht auf die Baukosten das vortheil* 
hafteste a, wenn die verticale Querschnittsfläche F^ der 
Wand, also auch die Baukosten ein Minimum werden; 
demnach gilt 



da 



a+h 






da 



= 1 + -- 



ha 



V 







V 



Yx 
Y _ 



5««+ 4./r^ ^ = — 5«, 

Yi 



Der Gleichung l/5<i^+ 4.^-. ^ == — ba wird 
nur genügt durch 

a = — //.l// .... (Vlll) 
Nun kann man schreiben: 



-ilK- 






3« = 



1 
2 



ba — 3«! = — 4ä = 



f ö-ri 

n=4.-ff.l/--^ (VIII«) 

Ferner ist /', = (<»+ „)•■&> also 

/',»», = («-^).fi- = -^.<' = ^)/5^^ • (IX) 
Nach der Figur 11 ist 

Dieses Resultat liefert unausführbare Werthe, daher 

liefert 

a = 

mit Rücksicht auf die Möglichkeit praktischer Ausführ- 
barkeit den Minimalwerth für F^, 

Da nun a == o den wirkhchen Verhältnissen eben- 
falls nicht genügt, so ist a nach Bedarf zu wählen 



n= 2 ([/5a«+4.//^ ^ — 3«) . (yVL^^ 

und 

h = a + n (VI 

zu berechnen. 

Dieser Werth für h muss hierauf yerglichen wer^ 
den mit demjenigen, welcher erforderlich ist, damit e^^^ 
radiales Auswärtsschieben eines Elementes nicht st^^ 
findet: 

Es gilt 



/ Y\ 



a 



(X) 



Damit ferner eine nach unten hin zunehmende 
Erweiterung des Bassins, also eine Verdrehung der 
Elemente um den Bassinrand nicht stattfindet, muss 
gelten (Fig. 12): 

3 



3 



- G(a + ~)-G,,^-FH,H=0, 
y II. n / . « \ H,a^ 



-JT^y,./(a-f^) = 0, 



n''tn.n{a + Hf)= ]2IP . ^ — a{QHf+3a^ 



n = j/j ^ {a + R/) |V j2//^^-3a(2i5r/4-«)j- 
i _|^(«+7//-)j . . (XI) 



und hiernach 



b = a-{-fi 



(XI-) 



Beiläufig in (XI) a = gesetzt, folgt der in (III') 
für b erhaltene Werth: 



Soll nun femer eine Verschiebung der halben 
Bassinwand, und somit eine Trennung derselben in zwei 
diametral gegenüberliegenden Verticalschnitten unter- 
bleiben, so muss die Reibung an der Sohle der halben 
Bassinwand mindestens gleich dem auf die letztere 
treffenden Wasserdrucke sein; hiemach gilt die ein- 
gangs angeführte Gleichung 



=K 



(3r + «)* , 6.r „ y 



+ -■ ff.' -a{Zr-^-n)-^^'p^ 
n.f y, 2 

(XU) 



301 



Undeatsch, Utitersachung über die Stabilität und Festigkeit von cylindrischen Bassinwänden. 



302 



B. 



nun ist 



Mit Rücksicht auf die bei langen Bruchsteinen 
UTid Kalkmörtelbindung in Rechnung zu bringende Rei- 
V>iing, welche den tangentialen Zugkräften entgegen- 
SLrheitet, gestalten sich die Gleichungen folgendermassen : ' folglich ist 

Es bedeute (Fi^ur 13): 

h = durchschnittliche Steinhöhe, 
Z = „ Steinlänge, 

m= Anzahl der Horizontalfugen pro Bassinhöhe H^ 

sodann berechnet sich die Reibung F für eine Fuge 
in der Tiefe x: 

2 * 2 



_l m{m + l) i (h-a) (2/^+1) 



h m 



F* = -- 1- — . a? . . y, .f. 



F = Ly^J.H. 



(*»+l) i 



24 m 



|6am + w(2m+l)|. 



Bedeutet nun (Figur 5): 
i^r = Resultirende in der Richtung des Radius aus 
den Reibungen F in zwei benachbarten Ver- 
ticalschnitten, 
so gilt: 



Nun ist für den trapezförmigen Verticalschnitt des 
Bassins : 

{y — a)'.x = {l — a):H, 



F^ = 2.F.8m 



ti 



2 ' 



y = (b — ay. ^ +a. 



also: 



F*=\ax-\-{h~-a),^\. ^^,y,,f 



oder 



/ / x^ 

J''* = a. 2 .yi./.^ + (* — fl). 2 ./i./.g -^, 

F* = A,x + B.x\ 

und fiii- die totale Reibung F in allen Horizontalfugen 
im ganzen Verticalschnitte gilt: 

F=:L{r)= 



und ist a sehr klein, so ist 

Fr = F.u, 
1 



a 



/'r = 



r 
F 



uLso: 



m(m-hl) , ^ ,. m(m-f- l)(2m+l ) 
2 6 



/ 



ist a=180^ SO ist 

/V=2/: 

Ferner bedeute 

Ur = Hebelarm der Reibung in einer Horizontalfuge 
in der Tiefe x unter dem Bassinrande bezogen 
auf die Bassinsohle, dann gilt: 

F'.u^=a,—.y^,f.x.Uj,+(b - «) ^ y^f'^jf'^^^ 



nun ist 
folglich 



w^=J5r— a;, 



/ 



/ 



F\u^ = a.-^.yy.f{U—x).x^{h — a), ^ Yi- ^^i^—^)-^ 



= Ä{H- x).x + B{R—x).x' 



und das resultirende Moment 



oder 



F.u = l{F*,u^) = £^AH.X'\'{BJI--Ä).x' — Bx^\^; 



NiCch Einsetzung der Werthe folgt: 



F.u = l.y, .f. - - 



H^ {m +• 1) 



h+(>-)C'",-) 



n (m -|- 1) 



]. 



[.=<4?!= 



H. 



!-+(T-)(^-)-T'-=t--^l 



( «m-j- 



3^ '2 

y 3 



') 



\ 2 /6« 



(4a + n) 



i» + n(2m + l) 



] 



303 



Undeatsch, Untersuchung über die Stabilität und Festigkeit von cylindrischen Bassinwändeo. 



304 



F (F u) 

Nun ist Fr = — und u=-^ \ folglich das re- 

sultirende Moment in der Richtung des Radius: 

r r 4c5 . m 

Nunmehr gilt, sofern 0| in der Basis des Elementes 
als Drehpunkt angesehen wird (Figur 14, Tafel XUI): 



nun ist 



oder 



H.a.y^ . I 



4.« + » 



)+5-.».y,(^'^)+/.r../. ^ 



folglich 

H* (»»' — 1) 






6 / ■ "V 6 

Es werde der Abkürzung wegen geschrieben: 

[m ), 



48. m 
ff (m' — i) 



.(4a + n) 



_ffKy 



6 



m 



ff- 

y 



Kl J 



/ 



2 -^ r 
dann folgt nach weiterer Vereinfachung: 



.•,= fj)/^.(..-io+(f )■+«+",- 



8 



da 



_ _ _4- .. . . .^_-^^- + Y = , 

[/|.«(2«-jtf)+(fy+^ 



5 

8 



iA.a-M) = -y-^.a':ia-M)->r('^)*+E 



.=|/|..,..-,o+(f-)-+.-|(s.+f) ^ 

(Xlli) und nach erforderlicher Umwandlung 



a = liefert 



-=nfr+— f- 



(Xlll») 



w = liefeil 



( 2 ) +^-- 



2 



ö- — ^ Ä M 



a= - M — 
4 






320 



K 



5 



1 
80 



Jlf^ 



rxv) 



(xnit>) 



Nun liess sich schreiben: 



Beiläufig in Gleichung (XIII) /, also Jf =0 gesetzt, 
folgt die Gleichung VII*: 



—l V^' 



Vi ^ 



folglich gilt nach Gleichung (XIII): 



^)l 



Nach gewähltem a und Einsetzung des Werthes 
n aus Gleichung (XIII) erhält man: 

b={a + n) (XIV) 

Bemerkungen über die Wahl von a: 

Soll a mit Rücksicht auf die geringsten Kosten 
des Bassinbaues bestimmt werden, so muss die Fläche 
des Verticalschnittes ein Minimum werden und es würde 
gelten: 



5 



3 



M 



n= — ^ a -\- ^ M — ^ a — . 
2 8 2 8 



.=j/ 



ff^. 



5 7, 80 



M- 



M 
2 



9 • 



(XVI) 



Ferner ist 









folglich 



n \ 
2 



folgt 



Hier ist n aus Gleichung (XIII) einzusetzen; es 



Diese Resultate haben keinen praktischen Werth, 
sie zeigen nur, dass mit Rücksicht auf die Möglichkeit 
praktischer Ausführbarkeit a = derjenige Werth ist, 



305 



Undeatscb, Untenuchang über die Stabilität and Festigkeit von cylindriscben Bassinw&nden. 



306 



welcher die geringsten Baukosten liefert. 

Es soll nunmehr a mit Rücksicht auf die Reibung 
allein beurtheilt werden: 

Ist y = a^ constanty d. h. 

«=0, 

80 folgt eine rechteckige Querschnittsform für die Bassin- 
wand (Figur 15). 

Nun ist in diesem Falle das Reibungsmoment F Ux 
abhängig von 

und von 

Ux = {H'— x), 

also von x, und es ist das grösste Moment zu finden 



nach 



dx dx ' 



folglich ist auch 



SayJ=2ayJ.x, 

H 



X 



Ux = 



2 ' 



demnach liegt das Maximalreibungsmoment in der Mitte 
der Höhe. 

Schlägt man nun hier mit der halben Höhe einen 
Halbkreis und errichtet man in den horizontalen Stein- 
fugen die Linien L, so gilt 

a? . Uj; = X* ; 

denmach stellt das Quadrat des der betrefifenden 

Fr.X = Fr\K-u) = ^{M-u) = ^ 



Steinfiige entsprechenden L mulüplicirt mit der Con- 
stanten {a.y^.f) das dort herrschende Reibungsmo- 
ment vor. 

Hiernach nehmen die Momente von der Mitte aus 
nach oben und unten in gleicher Weise bis zu ab 
und das resultirende Moment F.u fallt in die Mitte 
der Höhe. 

Denkt man sich nun die rechteckige verticale Schnitt- 
fläche in verticale Elemente von unendlich kleiner Breite 
zerlegt, so liegt ebenfalls das Maximalreibungsmoment 
jedes einzelnen Elementes in der Mitte der Höhe. Das- 
selbe gilt aber auch für die Elemente anderer Flächen: 
siehe Fig. 16 und Fig. 17; und e^ ist aus den Figuren 
ersichtlich, dass das totale Reibungsmoment um so 
grösser wird, je mehr sich die obere Breite a der un- 
teren Breite h der Grösse nach nähert. 

Es ist nun allgemein günstig, JP^.t« gross zu 
machen, d.h. die obersten Mauertheile schwer, 
also a nicht =0, sondern grösser zu wählen. 
(Aehnliches gilt unter C mit Rücksicht auf 
die Festigkeit des Bindemittels.) 

Zur Untersuchung, ob die Bassinwandelemente eine 
Verdrehung um den Bassinrand nach aussen erleiden 
werden, dient (Figur 18): 

?^-G[a + ^)-G,.^~^Fr,x-FH:H=0, 

x={H—u\ 



H—R, 



(m-1) 



{4ta + n) 



Fr,x = Ly,.f.—S^-^. \^am + n{2fn + l){ . jl- 
' r 24t.m i » « 

Nach erforderlicher Vereinfachung folgt: 



2 '6am + »(2m + l)r 
(w — 1) (4a + ») 



2 (6flw + n(2M-j-l))r 



femer ist: 



, ^ JT« (w + 1) i . , ,. , ^ . (w + 1); 

^VJT=J2^.(^).n.l./=^.y,./.(^ + y), 






o{-+i)=^A'+i)' 



und 
folglich: 

und nach genügender Umwandlung: 



48 



).J4« + (4« + 3«^(-^^{-fl-*.y./(«+Y) = 0, 



»»+«J3r« + fl/( 



1+ 



/ («+1)1X1, , j^v__ 



8.r 



m 



)]l=- 



Yi 



a\ da 



+ M^r 



l (»i + l)(2m+l) 



m 



+«)(, 



ClTlUngenlonr XXin. 



20 



307 



Undentsch, Untersachimg über die Stabilität und Festigkeit von cylindrischen Bassinwftnden. 



•=-||-+M>+s^r^^)l± 



± K[l I •+ M'+i^,-^±^)l]'+ b-i-^' k/(^+eV-=±^"^)H-l]- 



Es werde geschrieben: 



\ 8.r m / 



7i 



l (m + l)(2jn+iy 



dann ist 



p=^,(,+^^i=±i2E=±i)), 



= J/|Y(« + i?)(V2i?^3a(a+2>) — yCa + i?) (XVm) 



Hierin beiläufig 2=sO gesetzt, folgt die Gleichung (XI): 



'•=K[ii''+^^ir+['^n-'''i''+Hi-[ii''+^-^!]- 



Die untere Breite würde sidi unter Einsetzung 
des Werthes n aus Gleichung (XYIU) ergeben: 

lz=za+n (XIX) 

Noch ist der aus Gleichung (XIV) resultirende 
Werth 

5=a-f-n 

zu vergleichen mit demjenigen, welcher erforderlich ist, 



damit ein gleichzeitiges radiales Auswärtsschieben sämmt- 
licher Elemente unterbleibt. 
Es gilt: 



oder 



^(^*)./.y.+/.n./.f^'-\'6««-h»(2».+ i)[ = 



FH'\'Fr' 


~ 2 ' 


F 

Fh+ — 
r 


2 


w .-^'• 


7 



(XX) 



woraus sich nach gehöriger Reduction ergiebt: 
/ yi ^ r Vl2.m/ ^ ^_^_ (^ 

'+4 (^)<^"+« ~ 

Beiläufig in (XX) 1 = gesetzt, folgt Gl. (X): 

J ' Yi ' 

Soll femer eine Verschiebung der halben Bassin-^ 
wand und somit ein gleichzeitiges Oeffnen der Fugen 

n . H,f. y, 



in zwei diametral gegenüberliegenden Verticalschnitten 
unterbleiben, so muss mindestens die Summe der Rei- 
bung an der halben Bassinsohle und der Reibung in 
den Horizontalfugen der erwähnten Verticalschnitte 
gleich dem auf die halbe Wand treffenden Wasserdrucke 



sein. 



Es gilt: 



Fh + ^F= 



_ H^.y.d 



= J3^. 



oder 



yr 






'=KTH+Ä(=^)(-+"r+«fiT-"!-+'+v(^K— T)!- 



. (XXI) 



ao9 



Undeatsch, Untdrsachang über die Stalyilität und Festigkmt von cylindMsehen Bassittw&ndeiL 



310 



C. 

Statt der Reibung werde hier bei der Anwendung 
Ton Ziegelsteinen und Cement die Festigkeit des letz- 
teren berücksichtigt. Wählt man für die Mauerung 
Ereuzverband (Fig. 19), so setzt sich die Widerstands- 
kraft, welche sich beim Zerreissen der ganzen Mauer 
pro Stein entgegenstellt, zusammen aus der absoluten 
Festigkeit a^ des Bindemittels in der verticalen Fläche 
des Steines, aus der Scheerfestigkeit des Bindemittels 8i 
in der horizontalen Fuge, oder, sofern die Summe dieser 
Festigkeiten grösser ist als die absolute Festigkeit im 
Steinquerschnitt in der Richtung des Zuges, nur aus 
der letzteren. 

Es soll bedeuten (Figur 20): 

k = Festigkeitscoefficient des Cementes resp. des Bau- 

materiales für Zug*), 
f =y.dXy 

8 = Spannung pro Flächeneinheit in /, 
5= totale Spannung in /*, 

Für den trapezförmigen Verticalschnitt war 



folglich 



9:x = k:Hj 

k.x 



Ä=--- \jS^,a.x.dx'\-nx'^.dxl. 
Nun ist die Resultirende R in Figur 5 

sofern statt a gesetzt wird da, 

1 



d{i=^ 



R = 



r 
8 



also 



ferner 



y = a + 



n.x 



und für die Verdrehung des Bassinwandelementes um 
den Bassinrand gilt (Figur 21): 



R = ^Tg — Ißax + n . jp* I .dx 
und das Moment bezogen auf (Figur 22): 
Ä.« = ^|-^ ^Sax^ + nar^l.dx, 



Bedeutet nun 
i« =? CoefGcient des Cementes für Scheerfestigkeit, 
dann gilt: 



oder 



?lll^o(a-\-^)^G,^-Z{R,x)-h,h.,H=0 

"•-»(-+ie7^)+(^-))-(^)-'--c-i^)-(^)-. 



n = j/^(a+~^ + 2/)V2-ff-3a(a+yiV^+2J0-|-(«+^+ (XXII) 



*) Soll die idwolute Fesägkeit a^ und die Scheeifestigkeit Bx 
(Fig. 19) in Betracht kommen, so iat zu seilen: 

sofern bedeutet: 
/*! -B Querschnitt eines Steines normal zur Richtung des Zages. 



dann ist die an der Basis erforderlidie Breite 

ft = <i-fn (xxn») 

Damit eine Verdrehung der Wand um die Basis 
des Bassins nicht stattfindet, muss gelten (Fig. 23, 24 
und 25): 

20» 



311 



TJndeatsch, Untersnchang Aber die Stabilität und Festigkeit von cylindrischen Bassinwftnden. 



312 



folglich 



und 



, n.x 



y = a + n — 



nu 



R = - = -~^[audu + nu,du ^^j 



und das Moment: 



H 

TL , r J 



oder 



^«-r*» ff)' E'^' ^ Nun muss sein: 

«(i-i)+<'.("+f-i)+^(*")-T^=<^ 



k.ff^ 

= -TZ — (4a + n\ 
12. r ^ ^ ^ 



H.ff 






woraus sich ergiebt: 



f 4^4 Vr.yi/ ^16 \r.y|/ ^ yj Vr.yi/ 2 V ^ 2 \r.yj' 






=Y j|/5a»-iV^(5a-^) + 4^-(3a + ^)j .• • • • (^XIII) 



und hiemach folgt die erforderliche Breite b an der 
Basis des Bassins 

i = a + » (XXIV) 

In (XXIII) beiläufig k^ also ^=0 gesetzt, folgt 
die frühere Gleichung (VII») 



•=i ii/" 



+ 4.JJ^-^^ 3a 

yi 



Beiläufig in (XXIII) n = gesetzt, folgt: 



• • 



(xxm») 



Damit ein gleichzeitiges radiales Auswärtsschieben 
der sämmtlichen Elemente der Bassinwand unmöglich 
wird, muss gelten (Fig. 22), sofern Ä die ganze abso- 
lute Festigkeit in einem Verticalschnitte und Kg die 
Scheerkraft des Bindemittels an der Sohle eines Bassin- 
wandelementes bedeutet: 



-=('4->-'. 



E=^A,da^ da = 



R = 



und 






h— 



(¥) "" 



ü 



+ 2*. 



(XXV) 



Soll eine Verschiebung der Bassinwand und damit 
ein gleichzeitiges Oeffnen der Fugen in zwei diametral 
gegenüberliegenden Verticalschnitten unterbleiben, so 
muss mindestens die Summe der absoluten Festigkeit 
in jenen Verticalschnitten und der Scheerfestigkeit des 
Bindemittels resp. der Reibung an der Sohle der halben 
Bassinwand gleich sein dem auf die halbe Bassinwand 
treffenden Wasserdrucke. 

Es gilt 



313 



Undentsch, üntersacbong Ober die Stabilität and Festigkeit von cylindrischen Basdnw&aden. 



314 



Nun ist 

{B* — r*) = iB — r){Ji + r) = h.{b + 2rl 

folglich ergiebt sich: 

(XXVI) 

Anhang« 
D. 

Das Bassin soll aus Schmiedeeisenplatten herge- 
stellt , ein durch zwei Yerticalschnitte entstehendes 
Wandelement als starrer Körper angesehen und bei 
der Aufstellung der Gleichungen ausschliesslich die 
Festigkeit des Materials in Frage gebracht werden. 

Es bedeute 
y= Wandstärke in der Tiefe x unter dem Bassin- 
rand; 
im Uebrigen gelten die früheren Bezeichnungen. 
*:*'• Zunächst werde der Bassinrand (Fig. 26) als 
Drehpunkt des Elementes angesehen, dann ist das re- 
sultirende Moment aus den Resultirenden R der Tan- 
gen tialspannungen über die Höhe x: 



und für 's Gleichgewicht gilt: 

sofern y,hg,x das Moment der Scheerfestigkeit in der 
Tiefe x des Elementes bedeutet. 

Es folgt: 

Je 
«* . rfa? . y = — — ,y.x^ ,dx-\-'y,k,,dx'\-x.kg,dyy 

oder, sofern 



a 



dx 



^ — j und /3 = ^, 
ff.r.ks kf 



+ l [-««). y — ß.x = 0. 



Z{R,x) = -J~Jy.x'.dx, 



Aus dieser Gleichung findet man auf bekannte 
Weise, indem man y als Product zweier Functionen 
von X betrachtet, 



. ccX 

2 



^ X 



1^/ 



.axr 



.x>.dx + C[, 



-i.«« 



y=--.* 



worin C die Integrationsconstante bedeutet. 

Durch Entwicklung des Integrales in eine Potenz- 
reihe ergiebt sich: 

(±.) (jlv (iLV (^y 

•r+PL3 "*■ 1 • 5 "*" 1.2 • 7 ■*"r.2.3- 9 "•" i:2.3.4- 11 "^•••Ji- 



Diese Gleichung auf C reducirt und für x = o auch y = o gesetzt, ergiebt sich Cs=0; also 



-ytt.a; 



X 



rLs'^ 1 • 5 ■*■ 1-2 • 7 "^1.2.3- 9 '*"l.2.3.4- ll"^"Ji • 



(XXVU) 



Die Wandstärken werden somit von einer Curve be- 
grenzt, welche am Bassinrand die Ordinate y = o und am 
Fusspunkte des Bassins die grösste Ordinate y = h hat. 

Mit Rücksicht auf die praktische Ausfuhrung darf 
nun der Verticalschnitt der Wand als ein Dreieck oder 
ein Trapez angesehen werden und es ist hierauf zu 
untersuchen, ob die nach obiger Gleichung ausgerech- 
neten Wandstärken auch dann noch genügen, wenn der 
Drehpunkt des Wandelementes in dem Fusspunkte 0^ 
des letzteren angenommen wird. 

Nach Früherem galt bezogen auf 0^: 

worin a die Wandstärke für x = o bedeutet. 
Somit gilt för's Gleichgeivicht: 

E^ V k.H^ 
.6 12.r^ ^^' 



und es folgt: 



«==.1 (2i^_j^ . . (xxvni)- 



In diese Gleichung ist für 6 der Werth aus Glei- 
chung (XXVII) für a; = JI einzusetzen, wobei sich 

ergeben kann. 

Tritt dies ein, so wählt man die Blechstärken von 
unten nach oben zunehmend (Fig. 26), oder man wählt 
die Wandstärke durchaus gleich b und liefert durch 
ein am Bassinrand anzusetzendes Winkeleisen (Fig. 27) 
weiteren Ersatz. 

Im letzten Falle gilt: 



und 



S y,du,s 

r r 

y.u*,du,k 



3fl5 



Undentsdh, Untersachimg Ober die Stabilität und Festigkeit von cjlindrischen Bassinwftiideii. 



316 



folglich mit Rücksicht auf Fig. 27 



E^(k-{-hi) 



(S-h) 



^>">=,-?/"*-''"+ri/-'""+,-iJ"'-'"= 



S-Ch + hJ 



H-h 



Es muss nun sein: 



=3t:^-|^*~'*^^-'^^~(*+^^^^'+(^^~^)-(^~*)*+^^(- 



ff^.y _ k 



6 =3rrT]7-K*-*^^-I^^-(* + *»^^+(*^-^)(^-*^'+''^|' 
*und es ist j^ = j-t-Ä, «=i-|-A + Ä^, 

folglich ergiebt sich nach Einsetzung der Werthe und nach erforderlicher Reduction: 

Hierin ist h und h^ so zu wählen, dass b der Gleichung (XXVII) genügt. 

Zusammenstellimg der wichtigsten Oleiohungen. 

A. 



(XXIX) 



1) 



n 



=il|/- 



^ + 4Jy^ 






h^a-^n 



(vn») 

(VI) 



2) 



3) ft 



j/J|(a + J^/)}V2^.^-3a(ii + 2^/)-(|-(a + ^/^^ (XI) 

= a + n .... 1 (XI») 

H y 
=—.- a ^ 



/ yi 



4) b 



-V 



(3r + «)* , 6.r y ,r<*r4-«^ 



(3r + «) 



(X) 



(XII) 



B. 



1) 



^|„(.._^^(|:)V^_|(3«+-) 

(xm) 



Hierin ist 
M=—-,f. — (m ), 



m 



h ' 



yi 



3) h = 



D=HfU + 
_ / yi f r \ 12w/ ^ ' ' » 



2) 



^^1 



Hierin ist 



(•+Ä) 

(iviio 



==J2-./.( 



1 + 



l (m + 1)» 



8.r 



m 



> 



(XIV) 
/ /m+1 



71 



l (m+l)(2m4-l) 



6r 



m 



)■ 



+t(^)''"+« 



<XIX) 



(XX) 






317 



TJndeatsch, Untersnchong über die Stabilität und Festigkeit von cylindrischen Bassinwänden. 



318 



C. 



1) 



n=-i- jl/öo*— iv(5a — ^) + 4^— (3« + ^)} 



(xxm) 



Hierin ist 



N= 



l.H 



E=H^, 



ryi Yi 
h = a + n (XXIV) 



2) 



n=y^{a+^ + 2J)' + 2i:-3a{a+^N+2J)-~{a+^+2J) 



(xxn) 



Hierin bedeutet: 



N= 



k.H 



7i 



J= 



ks 



b = a + n (XXH*) 



3) h = 






(XXV) 



4) 



-K(^+'M4.<"--»"-("i+') <^-'« 



D. 



2 



y= 



e 



■Hi 



+ 



(2) ^ , (2) 



•5- + 



(fJ 



1.2 



' 7 "^1.2.3* 9 



(-V 

^- 1:2X4-1-1 +-J} • (^^^ 



_ 1 (2.ir,r.y 



und 



=4( 



^) 



=irrrv «""v »=»'»"=-°"- 



» : (XXTIH) 



'-^'t+'{ 



ff 



^f+h^[i-±)'^(h+h,) (XXIX) 



Vergleicht man fUr gegebene Fälle die Resultate 
aus A, B und C, so ergeben sich dieselben nach C am 
kleinsten, woraus sich folgern lässt, dass Ziegel- oder 
Sandsteine mit Gementbindung das richtigste 
Baumaterial für gemauerte Bassinwände sind; dasselbe 
liefert nächst erforderlicher Stabilität der Wand auch das 
höchst erreichbare Maass von Wasserdichte, während 
nach A oder B ausgeführten Wänden noch durch in 
Cement und Ziegelstein auszuführende Futter Wasser- 
dichte verliehen werden muss. 

Vergleicht man femer in jedem der 3 Fälle A, B 
und C bei gegebenen Daten die Resultate der 4 Glei- 
chungen für die untere Wandstärke b, so wird in jedem 
Falle die zugehörige Gleichung 1) für denselben Werth 
von a den grössten Werth für b liefern, woraus [sich 
ergiebt, dass die vom Verfasser der Aufstellung dieser 
Gleichungen 1) zu Grunde gelegten Voraussetzungen 
für die Art der Massenvertheilung in der Wand vor- 
herrschend massgebend sind. 

Ein nach der aufgestellten Gleichung 1) gebautes 
Bassin wird auch über Tage genügenden Widerstand 



bieten und zwar so, dass auch Risse, welche, am Bassin- 
rande beginnend, nach der Tiefe hin verlaufen, nicht 
entstehen können! 

Liegt die Möglichkeit vor, dass an einem in das 
Erdreich eingebauten und im Betriebe befindlichen Bassin 
Ausschachtungen stattfinden — es ist dies in der Praxis 
bereits geschehen — , so muss nach den gegebenen Re- 
geln construirt werden ; wird dieser Fall ausgeschlossen, 
so kann die Wandstärke nach der Tiefe hin weniger 
stark zunehmen, und wird — wie es in England mehr- 
fach geschieht — das Bassin in einem hoch widerstands- 
fähigen Boden oder in einem Felsen ausgeführt, so ist 
denselben nur ein wasserdichtes Futter zu verleihen. 

Gasometerbassin wände, welche behufs der Einfüh- 
rung der Rohrleitungen über einen Theil des Umfanges 
vom Erddrucke befreit sind, also gefährliche Quer- 
schnitte haben, werden am besten nach Gleichung 1) C 
berechnet. Der sich aus dieser Gleichung ergebende 
Werth für b bei gewähltem a muss jedoch hierauf noch 
durch die Ausrechnung der Gleichungen 2), 3) und 4) 
unter C als grösster Werth bestätigt werden. 



lieber die Geradfülyning durch das Kurbelgetriebe.') 



Prof. Dt. L. Burmester in Dresden. 

(Hierra Tafel XIV, XV ddcI XVI.) 



nx. TheU. 

Nachdem wir die Conatruction der Mittelpunktcurve 
und dor Angriffacurve für vier in einer Ebene liegende 
congruente Systeme abgeleitet und in den verschiedenen 
Fallen, die auftreten können, ausgeführt haben, nehmen 
wir fiiuf beliebige, in einer Ebene liegende congruente 
Systeme S, S, Sj S^ S» an ; dann gehört zu den vier 
Systemen iSf, S^S, S, eine Mittelpunktcurve (i)'*", welche 
durch die sechs Polo P'2P"Pi*P"P'^-'P" geht, und 
zu den vier Systemen S, Sj S3 Sj eine Mittelpunktcurve 
<P'"", welche durch die folgenden sechs Pole P^^P" 
pispijpiftps» geht. Diese beiden Curven, die sich 
in den Polen pi«pi»p«s und den beiden unendlich 
fernen imaginären Kreispunkten schneiden, treffen sich 
noch in vier anderen Punkten aftyd, welche Mittel- 
punkte solcher Kreise sind, auf denen fünf homologe 
Punkte der fünf Systeme 5, 5,5, S^S» liegen. Diese • 
viel' Schnittpunkte können in Hinsicht auf diese Curven 
entweder alte reell, alle imaginär, oder zwei reell und 
zwei imaginär sein ; es bleibt aber noch unentschieden, 
ob die beiden letzten Fälle überhaupt eintreten, und 
bei allen unseren weiteren Betrachtungen zeigt sich, 
das8 diese vier Punkte reell sind. Wir erhalten hier- 
nach in allgemeiner Form ausgedrückt den für die 
folgenden Anwendungen sehr wichtigen fundamentalen 
Satz: 

In fünf beliebig in einer Ebene Hegen- 
den congruenten Systemen giebt es vier 
Gruppen von fünf homologen Punkten, 
die je auf einem Kreise liegen. 
Da wir aus fünf Elementen fünf Corobinationen 
zur vierten Classe bilden können, so giebt es fünf ver- 



*) Fortsetzung der Abhandlung S. 281 dieses Bandes. 



schiodeue Mittelpunktcurven O, die sich in den Punkten 
aß yd schneiden. 

Im Systeme 5| entspricht den Systemen SiS^S^S^ 
eine Angriffscurve Fi'"*, welche in S, die System- 
punkte tiHigt, die mit den homologen Punkten von 
SuSjSt auf Kreisen liegen, und durch die Punkte 
pnp.spi4P|UspjM/.^s4 geht. Ebenso entspricht den 
Systemen Sj S^ Si S» eine Angriffscurve F^ '"* in Si, 
die durch die Punkte P'*P"P"'P,"P,"P,» gdit 
Beide Curven haben die Punkte P'^P>*P,*». sowie 
die beiden imaginären Kreispunkte gemeinsam und 
schneiden sich daher noch in vier Punkten Ag Bi C| A 
des Systems Si, von denen jeder mit seinen homolt^m 
Punkten in St S3 S^ S^ iiuf einem Kreise liegt. 

Wenn wir also zwei Angriffscurven conatruiren, so 
erhalten wir die vier Schnittpunkte .^1 Bi C^ D„ weldie 
den vier Schnittpunkten dßyd von zwei Mittelpunkt- 
curven entsprechen. Sind die Punkte aß yd mittebt 
zweier Mittelpunktcurven gefunden, so betrachtoL wir 
diese Punkte in £"' liegend und bestimmen zu diesen 
in der auf Seite 236 angegebenen einfachen Weise die 
entsprechenden Punkte A, B, d Di in S| ; sind dagegoi 
umgekehrt die Punkte Ai B, Oi Di in 5, mittelst jener 
Angriffscurven zuerst gefunden, so bestimmen wir m 
diesen in analoger Weise die entsprechenden Punkte 
aß-/d in 2'"". Wir werden zur Bestimmnog der ho- 
mologe Punkte tragenden Kreise entweder zwei Mittel- 
punktcurven oder zwei Angriffscurven benatzen, je 
nachdem die einen oder die anderen leichter m con- 
struiren sind. 

Diese bis hier abgeleiteten geometrischen Resultate, 
welche neben ihrer praktischen Nützlichkeit aaoh vor- 
zugsweise theoretisches Interesse besitzen, sollen am 
jetzt zur Au&uchung genauer GeradfShroi^en und 
Kreisführungen dienen. 

In Figur 22, Tafel XIV, haben wir fBnf honwloge 



321 



Burmester, Uebcr die Geradfühnmg durch das Kurbelgetriebe. 



322 



Strecken Ai Di, A^D^, A^D^^^ A^D^^ A^Df^, welche 
die Systeme Si S^ S3 S^ S^ bestimmen, so angenommen, 
dass die Punkte D in gleichen Abständen auf einer 
Geraden Kö, d. h. auf einem Kreise mit unendlich fernem 
Mittelpunkte d sich befinden, und die Punkte A auf 
einem Kreise Ka liegen, dessen Mittelpunkt a ist. 

Es sollen nun die Kreise Kßy Ky bestimmt werden, 
welche resp. die fünf homologen Punkte Bi B^ B^ B^ B^ 
und Ci Ci C3 C4 Cft tragen. Wir betrachten zuerst die 
vier Systeme S^ 8^ S^ S^ und bestimmen die sechs Pole | 
derselben; von diesen liegen die beiden Gegenpole 
p-23pi4 j^uf jej. ii^ ^QY Mitte auf D^D^ senkrechten 

Geraden, welche nach dem unendlich fernen Punkte d 
geht. Ferner liegen die Gegenpole P*^ P'* und P'^, 
P*^* resp. in gleichen Abständen von der Geraden 
pi4p23. folglich ist diese Gerade die Mittellinie ^i 
der Mittelpuuktcurve 0^^^*^ welche den genannten 
vier Systemen angehört. Hierauf beschreiben wir den 
Orthogonalkreis xi. bestimmen das Curvencentrum //i und 
construiren die Mittelpuuktcurve <P'^.^*, wie in Fig. 17 
angegeben wurde. Wir gebrauchen hierzu ausser P^'^ P'* 
nur noch das eine Paar der Gegenpole, und das Hin- 
durchgehen der Curve durch das andere Paar und den 
Mittelpunkt a kann als Controle für die gezeichnete 1 
Curve dienen : denn auch u muss auf der Curve liegen, ! 
weil der Kreis Ka vier homologe Punkte der genannten 
Systeme trägt. 

Betrachten wir jetzt die vier Systeme Sj S2 S^ S5, 
so liegen die Gegenpolo P^^P^* auf der in 2)3 auf der 
Geraden Kd emchteten Senkrechten und die beiden an- 
deren Gegenpole P^^P^'^, pi^pib befinden sich resp. 
in gleichen Abständen von der Geraden P»öp24^ welche 
dann die Mittellinie tu der Mittelpunktcurve (P'^-»* ist. 
Demnach können wir mittelst des Centrums uw und 
des Orthogonalkreises xn diese Curve, welche durch die 
sechs Pole und den Mittelpunkt a geht, ebenso wie die 
Curve 0**'* construiren. Die beiden Curven (2>»*34 
und (I>**** schneiden sich in den neuen Punkten ß, y 
und dies sind die Mittelpunkte der Kreise Kß^ Ky, 
welche fünf homologe Punkte tragen. Um in dem Sy- 
stem S, den Punkt (7, zu ermitteln, der auf dem Kreise 
Ky liegt, dessen Mittelpunkt y ist, betrachten wir y in 
2l^'^^ liegend, dann entspricht dem Punkte y der Punkt 
Ci , und wir erhalten denselben, indem wir den Winkel 
W^= ^D.^P^'^Di nach ^^yP^'^C^ und den Winkel 
TT, = 72 2)3 P*3 2)^ nach -^ y P>» C^ legen , dann be- 
stimmen die beiden Schenkel, welche nicht durch y 
gehen, den Punkt Ci, durch den Kreis Ky geht, der 
die fünf homologen Punkte C^ C2 C^ C4 C^ trägt. In 
gleicher Weise können wir den Punkt Bi und durch 
diesen den Kreis Kß bestimmen. Im Falle die Pole 

CiTilinf«nienr XXIII. 



jpiipis sej^j. nahe liegen und der Schnittpunkt Cj nicht 
scharf bestimmt wird, kann man auch die Pole P^-^P*' 
benutzen und statt Ci den Punkt C^ ermitteln, oder 
man kann y auch in einem anderen der Systeme £ 
liegend annehmen, von denen es zehn giebt, weil fünf 
Elemente zehn Combinationen zur dritten Klasse liefern. 
Da acht Punkte der Mittelpunktcurven, die sechs Pole 
und die Mittelpunkte a, (J, von denen der letztere im 
Unendlichen liegt, bekannt sind, so kann man hieraus 
schon ungefähr die Gestalt der Curven erkennen und 
daraus angenähert auf die Lage der Schnittpunkte ß, 
y schliessen; deshalb braucht man nicht, wie in unserer 
Figur 22 der Ausführlichkeit wegen geschehen ist, so 
grosse Theile der Mittelpunktcurven zu construiren. 

Wenn wir die Systempunkte A^ B resp. auf den 
Kreisen Ka, Kß bewegen, so beschreibt der System- 
punkt 3 die in unserer Figur 22 gezeichnete Curve, 
welche durch die fünf, auf der Geraden Ks liegenden 
homologen Punkte Di D^ D^ D^ D^ geht. Bewegen sich 
die Systempunkte A, C resp. auf den Kreisen Ka, Ky^ 
Figur 23, so beschreibt der Punkt D die gezeichnete 
Curve, welche ebenfalls die genannten fünf Punkte mit 
der Geraden Kb gemein hat. Dasselbe gilt, wenn die 
Systempunkte jB, C sich resp. auf den Kreisen Kß, Ky, 
Figur 24, bewegen ; dann durchläuft D die gezeichnete 
Curve, welche auch durch jene fünf homologen Punkte 
der Geraden K6 geht. Wir erhalten also durch eine Con- 
struction drei verschiedene Geradführungen; von diesen 
ist jedoch die erste, wie man bald durch die einfache 
Bestimmung der Normalen in den Curvenpunkten D^ 
D.iD^D^D^ erkennt, die beste; denn die Abweichung 
dieser Normalen von den Senkrechten der Geraden Kö 
ist in diesem Falle am kleinsten. Die beiden letzten 
Geradführungen haben dagegen den in der Praxis oft 
gewünschten Vortheil, dass der Kreis Ky verhältniss- 
mässig klein ist und dass daher der Gegenlenker yC 
nur einen kleinen Bewegungsraum beansprucht. 

Hätten wir statt der Geraden K^ in diesem Bei- 
spiel einen Kreis Ks genommen, so liegt der Mittel- 
punkt d desselben im Endlichen, und in diesem all- 
gemeinen Falle müssen die beiden durch je zwei Paar 
Gegenpole bestimmten Mittelpunktcurven nach der An- 
gabe Seite 246, Figur 14, construirt worden; dann er- 
halten wir drei verschiedene Kreisführungen, bei wel- 
chen die von dem Punkte D beschriebene Curve die 
fünf homologen Punkte Di D^ D, D4 D5 mit dem Kreise 
Kö gemein hat. 

Wir haben in Figur 25 noch ein zweites Beispiel 
constructiv ausgeführt Die fünf homologen Strecken 
J-i-D,, A-iD^i A^D^, -44D4, ^ö-Da sind so angenom- 
men, dass die Punkte D in gleichen Abständen auf der 

21 



323 



Burmester, Ueber die Geradführuug durch das Kurbelgetriebe. 



Geraden K^^ und die Punkte A auf einem Kreise Ka 
liegen, dessen Mittelpunkt a sich in der auf Kd in Dg 
errichteten Senkrechten befindet und dass die Punkte 
Ai A2 auf dem Kreise Ka zusammen fallen. Die beiden 
Mittelpunktcurven O^^^^ und (P^^^^, von denen die letzte 
in « einen Doppelpunkt hat, weil die Pole P^*, P'* in 
dem Kreismittelpunkte a liegen, schneiden sich in dem 
Kreismittelpünkte ß und in einem zweiten y, der aber 
nicht mehr innerhalb der Zeichnungsgrenze liegt und 
so weit entfernt ist, dass er nicht pmktisch verwendet 
werden kann. Der Kreis Kß^ der die fünf homologen 
Punkte B^B^iB^B^Bf, trägt, ist, wie in der vorher- 
gehenden Figur angegeben wurde, bestimmt. 

Da die Mittelpunktcurve (P'*-^** in a einen Doppel- 
punkt hat, so wird die Construction dei'selben verein- 
facht. Verbindet man einen Curvenpunkt, z. B. P** 
mit dem Doppelpunkt a, errichtet in der MiCte i auf 
aP^'^ die Senkrechte ih, welche die Mittellinie ^n in 
h trifft, dann liegt das Curvencentrum iin auf der Ge- 
raden ÄP**; ebenso erhalten wir eine zweite Gerade, 
auf der ^«n liegt, wenn wir einen zweiten Curvenpunkt 
mit a verbinden. Ist /«n auf diese Weise bestimmt, so 
ziehen wir durch //n eine beliebige Gerade, welche l^u 
schneidet, und beschreiben um diesen Sqhnittpunkt einen 
durch a gehenden Kreis, dieser trifft die durch //u ge- 
zogene Gerade in zwei Punkten der Curve (p'^**. 

In Figur 33, Tafel XV, haben wir fünf homologe 
Strecken A^D^^ A^D^, A^D^, A^D^, A^D^ so an- 
genommen, dass die Punkte D, 2)2^3^4^, iu gleichen 
Abständen auf der Geraden Kö und die Punkte A^ A^ 
A^ A^ An, auf dem Viertelkreise Ka liegen , dessen ver- 
ticaler Radius aA^, in D3 auf der Geraden Kb senk- 
recht steht und von dieser halbirt wird. Die Mittel- 
punktcurve <J>*2**, von der wir nur ein kleines Stück 
mittelst des Curvencentrums .«i und der Mittellinie li 
construirt haben, besitzt einen Doppelpunkt or, weil in 
diesem Punkte die beiden Pole P^^P^^ zusammenfallen. 
Von der zweiten Mittelpunktcurve (2>*^3-*^ ist ebenfalls 
nur ein kleines Stück mittelst des Curvencentrums «u 
des ürthogonalkreises Xn und der Mittellinie ^n con- 
struirt. Diese Curvenstücke schneiden sich in dem 
Mittelpunkte ß des zweiten Führungskreises Kß, der in 
bekannter Weise bestimmt worden ist. Der zweite 
noch auftretende neue Schnittpunkt der Cui-ven liegt 
ausserhalb der Grenzen der Zeichnung. Bewegen sich 
nun die beiden Systempunkte A, B resp. auf den Kreisen 
jBTa, Kßy so beschreibt der Systempunkt J) eine Curve, 
welche mit der Geraden Kö die fünf homologen Punkte 
/>, D.2 D3 D4 Dfl gemein hat. Betrachten wir das er- 
haltene Kurbelgetriebe in Figur 33 als das Schema 
einer Zugbrücke, bei der die Brückenbahn a-4i um 



einen rechten Winkel Ai a A^ gedreht werden soll und 
nehmen wir an, die Massen seien so geordnet, dass -in 
dem durch AB bestimmten Systeme D der gemein- 
schaftliche Schwerpunkt der beweglichen Theile sei, so^ 
wird sich der Schwerpunkt D beim Aufziehen det^*- 
Brücke sehr nahe auf der horizontalen Geraden K^ 
bewegen und das Aufziehen kann dann beinahe durchs 
die Kraft bewirkt werden, welche zur Ueberwindungr 
der Reibung erforderlich ist. Bei dem Beispiele in 
Figur 33 tritt aber besondei*s der üebelstand auf, dass 
der Mittelpunkt ß sich an einer sehr ungünstigen Stelle 
befindet, und wenn die Zugbrücke für eine Festung und 
zum Schliessen eines Thores bestimmt ist, nach aussen 
liegt. Es bleibt aber, wenn wir uns mit einer vier- 
punktigen Geradführung begnügen, für die Lage des 
Mittelpunktes ß noch freie Wahl auf einer Mittelpunkt- 
curve, und diesen Fall wollen wir noch näher be- 
trachten. 

In Figur 34 sind auf der Geraden Kd, die in der 
Mitte auf dem verticalen Radius aA^ senkrecht steht, 
die vier homologen Punkte D, D2 -D3 D4 in gleichen 
Abständen angenommen und die vier homologen Strecken 
AiDi, A2D29 A^D^n A^D^ bestimmt. Die Mittel- 
punktcurve O ist in bekannter Weise mittelst des Cur- 
vencentrums /«, des Orthogonalkreises x und der Mittel- 
linie ^ construirt. Auf dieser Curve <P haben wir den 
Mittelpunkt ß beliebig angenommen und den entspre- 
chenden Angriffspunkt B^ in der oben ausgeführten Weise 
bestimmt. Sind die Massen so geordnet, dass der Punkt 
D der gemeinschaftliche Schwerpunkt der beweglichen 
Theile ist, so beschreibt dieser, wenn die Brücke auf- 
gezogen wird, und der Punkt B sich auf dem Kreise 
Kß bewegt, eine Curve, welche die vier homologen 
Punkte Dl 2).2 D^ D^ mit der Geraden Ks gemein hat, 
und die sich auch,, wie die einfache Bestimmung der 
Curventangenten bestätigt, sehr nahe derselben an- 
schliesst. 

Nehmen wir, wie in dem Beispiel P'igur 36, auf 
der Geraden Kb , welche in der Mitte auf dem verti- 
calen Radius aA^ senkrecht steht, die vier homologen 
Punkte DiD^D^Dj^ in gleichen Abständen, so dass 
sie zu aA^ symmetrisch liegen; dann hat die Mittel- 
punktcurve <2> in a einen Doppelpunkt, weil in diesem 
die beiden Pole pi*p-^3 zusammenfallen, und diesem 
Doppelpunkte auf O im Systeme 2'**^ entsprechen auf 
der Angriffscurve F^ in Si alle Punkte der Geraden 
pi2pi3^ demnach besteht diese Angriffscurve aus der 
Geraden P^'^B^^^ die wir mit z^ bezeichnet haben, und 
aus einem Kreise Tt, dessen Mittelpunkt m| auf 5| 
liegt. Die Punkte A^ Di gehören zu der Angriffs- 
curve Fl, demnach muss die Gerade ^er, durch -4|, der 



^2b 



liurmester, lieber die Geradfahruug durch das Kurbelgetriebe. 



326 



Xma T| durch D, gehen, und dieser Ki^eis ist somit 
-^hne weitere Pole durch die Punkte Di, a bestimmt. 
Jedem Punkte der Mittelpunktcurve <P entspricht ein 
Jngriflfspunkt auf dem Kreise T,, dem unendlich fernen 
Punkt auf <P entspricht der Punkt D, auf Ti; dem 
Doppelpunkt a entsprechen aber alle Punkte der Ge- 
laden gl. Zu einem beliebigen Mittelpunkte ß auf <I> 
irird der entsprechende Angriffspunkt Bi in bekannter 
'Weise constiuiil, indem wir die Hälfte des Winkels 
J)iP^^D^ nach B^P^^ß drehen. Beim Aufziehen der 
Mcke bewegen sich die Systempunkte Ä, B resp. auf 
Jen Kreisen Ka, Kß und der Schwerpunkt D beschreibt 
€iue Curve, welche die vier homologen Punkte D1D2 
J)j2)4 mit der Geraden Kö gemein hat, die aber, wie 
die Tangenten - Bestimmung und die Ausführung der 
Construction der Gurre zeigt, sich nicht sehr nahe an 
die Gerade Kö auschliesst und daher den praktischen 
Anforderungen wahrscheinlich nicht genügt. Da aber 
dem Punkte a alle Punkte der Geraden Zi entsprechen, 
so können wir anstatt des Punktes Ai auf der Geraden 
Si als Angriffspunkt einen anderen Punkt Ai' wählen. 

In Figur 35 ist dieselbe Zeichnung wie in Figur 36, 
[ aber mit Benutzung dos neuen Angriffspunktes Ai^ aus- 
geführt und es zeigt sich^ dass bei dieser Anordnung, 
wenn der Systempunkt A' den Viertelkreis Ka und 
der Systempunkt B den Kreisbogen Kß durchläuft, der 
Schwerpunkt D eine Curve beschreibt, welche sich der 
üeraden Ks sehr nahe und viel näher anscliliesst, als 
es in Figur 36 der Fall ist; daher kann die schema- 
tische Anordnung (in Figur 35) wenn keine Schwierig- 
keiten bei der praktischen Ausführung entstehen, für 
die Herstellung einer Zugbrücke verwendet werden und 
diese würde vor der De lile 'sehen Zugbrücke*) beson- 
ders den grossen Vortheil haben, dass die Gleichgewichts- 
curve durch einen Kreis, d. h. durch eine sich um eine 
feste Achse drehende Stange ersetzt wird, an der zu- 
gleich ein Theil des Gegengewichtes angebracht werden 
hm. 

Wir haben in den ausgeführten Zeichnungen die 
liorizontale Gerade Kö beispielsweise in der halben 
Höhe der aufgezogenen Brücke angenommen. Diese 
Höhe können wir aber, wenn es für die Anordnung 
^ortheilhafter sein sollte, demgemäss ändern und ferner 
tennen wir auch noch den Abstand des gemeinschaft- 
lichen Schwerpunktes D von dem Angriffspunkte A 
Zweckmässig wählen. 

In dem Figur 26, Tafel XIV, ausgeführten Bei- 
^iele haben wir die Gerade Kö parallel zu der Ver- 

*) Poncelet, Cours de m^canique appliquee aux machines, ' 
«76. T. II, p. 368. 



bindungsgeraden der Punkte Ai A^ genommen, die auf 
dem Kreise Ka die Grenzen des Ausschlages bilden, 
und die Länge A^Di so eingerichtet, dass, wenn die 
Punkte D auf Kö in gleichen Abständen sich befinden, 
auch die Verbindungsgerade -4^-43 zu Kö parallel ist. 
Betrachten wir zunächst die vier Systeme Si S^ S3 ^5, 
welche durch die homologen Strecken J., D,, A^D^, 
A^D^i Af^Di^ bestimmt sind, so zeigt sich, dass die 
Pole P^^, P** auf Senkrechten zur Geraden Kö im 

Unendlichen liegen, weil A^D-^ II ^3-^3 ^^^ ^i ^\ II -^ö-^ä 
ist, und die vier Pole pi^pispaöpss bilden, wie man 

leicht erkennt, ein Parallelogramm, dessen Mittelpunkt 
V auf der Geraden Km liegt, welche in der Mitte 
zwischen Ai A^ und ^2 ^3 zu diesen parallel ist und 
dessen Seiten durch die Punkte D| D.^ D^ D5 gehen. 
Demnach ist die Mittelpunktcurve (P^^^ö^ yf[Q ^jj. a^g 
den fiüheren Darlegungen S. 248, Figur 16, wissen, 
eine gleichseitige Hyperbel, deren Mittelpunkt v ist, 
und deren eine Asymptote mit der Geraden Kod, welche 
wir die Mittelparallele nennen wollen, zusammenfällt. 
Um die entsprechende AngriflFscurve Fi^^^^ zu er- 
halten, bestimmen wir die Punkte Pi**, Pi^'\ indem 
wir von P'^*, P^* resp. auf die Geraden P^^P^p**, 
P^^P^^^ Senkrechte fällen und diese um ihre eigene 
Länge verlängern. Da nun die Punkte P'^^P^'* mit 
P'2pi3 ein Parallelogramm bilden, so müssen die Punkte 
p^26p^35 g^uf ^QY Geraden P'^pis liegen und die bei- 
den Mitten von P^sp^ 26 ^nd P'^p^ 35 j^ einem Punkt 
0| auf dieser Geraden zusammenfallen, der auch auf 
der Mittelparallelen Km liegt. Hiernach besteht die 
Angriffscurve -Fi *^^* nach Seite 249, Figur 20, aus der 
Geraden P«3Pj2ö ^^^ ^gr auf ihr in 0^ Senkrechten, 
welche durch den Punkt J| gehen muss, weil Ai ein 
Systempunkt in Si ist, der mit seinen homologen 
Punkten der anderen Systeme S^S^S^ auf dem Kreise 
Ka liegt. Wir erhalten hiernach die aus zwei zu ein- 
ander rechtwinkeligen Geraden bestehende Angriffs- 
curve 2<\ *236 geiir einfach: 

Wir beschreiben über -4i 2), als Durch- 
messser einen Halbkreis, der die Mit- 
telparallele Kca einerseits in 0, trifft; 
dann sind OiAi und Oi Di die beiden 
rechtwinkeligen Geraden, welche im 
System iS, den geometrischen Ort der 
Punkte bilden, die mit ihren homolo- 
gen Punkten der Systeme S.^S^S^ auf 
Kreisen liegen. 
Die Kreismittelpunkte, welche den Punkten der 
Geraden Ai 0, entsprechen , liegen auf der Hyperbel 
(p>235 Dq^ ^jie Mittelpunktcurve dritter Ordnung (P**'* 
in diese Hyperbel und die unendlich ferne Gerade zer- 

21» 



327 



Burmester, Ueber die Geradführung durch das Kurbelgetriebe. 



328 



fällt, so entsprechen allen Punkten der Geraden 0,Di 
die unendlich fernen Punkte; demnach liegen alle 
Punkte der Geraden 0, Di in S, mit den homologen 
Punkten in 5^ S^ S^ auf Kreisen mit unendlichen grossen 
Radien, d. h. auf Geraden, und diese Geraden sind 
parallel zu Kö» Wollten wir uns damit begnügen, dass 
die von D beschriebene Curve nur vier Punkte mit 
der Geraden Kd gemein hätte, so konnten wir jeden 
beliebigen Punkt auf der Geraden Oi Ai als Angriffs- 
punkt eines Gegenlenkers wählen und den zugehörigen 
auf der Hyperbel O^-^^ liegenden Mittelpunkt, d. h. 
den Drehpunkt des Gegenlenkers bestimmen. Demnach 
giebt es unendlich viele Gegenlenker, welche den Punkt 
D viermal durch die Gerade Kö führen. Hierin liegt 
der Grund, weshalb wir die Curve Fi schon fiiiher die 
Angriffscurve genanat haben. Diese Gegenlenker sind 
aber keineswegs alle gleich günstig für die Geradfüh- 
rung; wir erhalten vielmehr den vortheilhaftesten Gegen- 
lenker durch Benutzung des Systems S4, welches durch 
die Strecke A^J)^ bestimmt ist. Wir wollen deshalb 
noch die Angriffscurve -Fl''** bestimmen, welche durch 
die acht Punkte P'^ P'* P^ »* P| ^* Pj 3* Pi*^ Ai D, geht. 
Für die Construction dieser Curve, von der wir nur 
ein kleines Stück zu zeichnen brauchen, reichen je- 
doch schon die drei Punkte P,'*Pi** Di- aus. Da der 
Pol Poo'* im Unendlichen liegt, so ist Pi^* das 
Centrum fii der Curve und die in der Mitte d^* auf 
A ^4 gezogene Senkrechte, welche durch P^^P^^^ 
geht, bestimmt auf P, '*Pj^* den Curvenpunkt ^;**. 
Durch die Mitte von p^^ P, ^•'^ ziehen wir die Mittellinie 
LI parallel Pi^^P^^** und beschreiben über p^^Pi^^ 
als Durchmesser den Kreis k'. Ferner ziehen wir die 
Gerade P, ^*7),, beschreiben um ihren Schnittpunkt 
mit ^i den durch Dj gehenden Kreis k" und bestimmen 
den ürthogonalkreis xi, der die Kreise kf, k" recht- 
winkelig schneidet. Dann ist in der bekannten Weise 
mittelst ^/i, Lr und xi ein Stück der Curve Fi^^*^ con- 
struiit, welche durch Ai gehen muss und die Gerade 
Ai Ol noch in den beiden Punkten Bi Cy des Systems 
Si trifft, die mit ihren homologen Punkten in S^S^S^S^ 
auf den Kreisen K^ und Ky liegen, deren Mittelpunkte 
ßy y wir leicht, wie früher angegeben wurde, bestimmen 
können. Bewegen sich die Systempunkte A^ B resp. 
auf den Kreisen JSTa, K^, so beschreibt der Punkt D 
die in Figur 26 gezeichnete Curve. Bewegen sich die 
Punkte J5, C resp. auf den Kreisen KßKy, so durch- 
läuft der Punkt D die in Figur 28, Tafel XV, con- 
struirte Curve. Beide CuiTen weichen auf der Strecke 
von Dl nach D^ merklich von der Geraden ab; diese 
Abweichung verringert sich aber sehr, wenn wir die 
Grenzpunkte Ai, A^ des Ausschlages, der in unseren 



Figuren verhältnissmässig gross genommen wurde, näher 
zusammen legen. Die ungünstigsten Verhältnisse treten 
ein, wenn wir bei dem genommenen grossen Ausschlage 
die Kreise Ka, Ky, Figur 27, benutzen. Wenn wir die 
Punkte D| D^ -D, D^ D^ nicht in gleichen Abständen 
auf der Geraden Kö annehmen und Di D^ näher an- 
einander legen, so können wir die Abweichung zwischen 
diesen Punkten verringern. Und alle Beziehungen bleiben 
bestehen, wenn wir die Lagen AiDi^A^D^y A,^D^\\A^Dg 
beibehalten. Da der Radius ßBi grösser ist, als der 
Radius uAi, so können wir auch in Figur 26 den 
letzten als Gegenlenker betrachten. 

In Figur 29 haben wir die Construction für einen 
besonderen Fall des eben beliandelten Beispieles aus- 
geführt. Wir haben die Gerade Ai A^ in vier gleiche 
Tlieile getheilt, in den Theilpunkten 2 und 4 Senk- 
rechte auf Ai Af^ errichtet , welche den angenommenen 
Kreis Ka in A^, A^ treffen. Wir haben ferner die 
Gerade Ks in gleichen Abständen von den Parallelen 
Ai J.5, A2 A^ gezogen, auf der Geraden Kd den Punkt 
Dl beliebig angenommen und die Strecke DiD^^^AiA^ 
in vier gleiche Theile getheilt. Dann sind die vier 
Systeme Si S^ S^ Sa durch die homologen Strecken 
AiDi, A2 D.i , -^4 2)4 , J.5 ^5 bestimmt , von denen 
Ai Dl II Af,D^ und A^D^ \\ A^D^ ist. In diesem 
speciellen Falle liegt die Gerade Kö in der Mittelparal- 
lelen ÄTo), und wenn wir über -4,2), als Durchmesser 
einen Kreis beschrieben denken, so trifft dieser die 
Gerade Kö einerseits in dem Punkte D, ; folglich be- 
steht die Angriffscurve Fi **** aus der Geraden Ai Di 
und der darauf senkrechten Geraden 2), Zi , welche die 
Pole P'« P'* trägt. Die Gerade Ai Di enthält in S, 
alle Punkte, welche init ihren homologen Punkten in 
S^S^S^ auf Kreisen liegen, deren Mittelpunkte die 
durch die Pole p^^p^^p^f^p^fi gehende gleichseitige 
Hyperbel <2>***^ erfüllen, deren Mittelpunkt D^ und 
deren eine Asymptote die Gerade Kö ist. Die Gerade 
Dl 01 trägt alle zu S, gehörenden Punkte, die mit ihren 
homologen Punkten in S^S^S^ auf Kreisen, deren 
Mittelpunkte sich auf der unendlich fernen Geraden 
befinden, d. h. auf Geraden liegen, die zu Kö parallel 
gehen und die von den vier Seiten des Parallelogramms 
pi2pi3 p26p36 i^ JQ Yjgj. homologcu Punkten geschnitten 

werden.*; Jedem Angriffspunkt auf der Geraden Ai Di 



*) Francis Place macht im Jahrgange 1867, S. 222, der 
„Deutschen Industrie -Zeitung^' zuerst, aber ohne BegrOndung, 
darauf aufmerksam, dass bei der Watt*schen GeradfOhmng sich 
auch diejenigen Punkte angenähert geradlinig bewegen, welche 
auf einer in der Mitte auf der Koppel der beiden Lenker senk- 
recht stehenden Geraden liegen. 



329 



Burmester, Ueber die Geradführung durch das Kurbolgeti'iebe. 



330 



entspricht ein Kreismittelpunkt auf der Hyperbel (D'***. 
Es giebt daher, wenn wir den Kreis Ku als gegeben 
betrachten, zu diesem unendlich viele Gegenlenker, welche 
den Punkt D viermal in den Punkten Di D^ D4 D5 durch 
die Gerade Kö und alle Punkte der Geraden D, Zi vier- 
mal durch Gerade fuhren, die zu Kö parallel sind; 
oder allgemeiner je zwei Kreise, deren Mittelpunkte 
auf der Hyperbel <I>'^** liegen, können, wenn wir die 
entspi^echenden Angriflfspunkte auf D^Ai bestimmen, 
als Führungskreise dienen, welche den Punkt D durch 
jene vier Punkte der Geraden Kd und alle Punkte der 
Geraden D, Zi viermal durch die obengenannten paral- 
lelen Geraden fuhren. Nehmen wir z. B. auf der Ge- 
raden Ai Dl einen beliebigen Punkt L, etwa in der Mitte 
von Ai Dl an, und bestimmen zu diesem den entsprechen- 
den Kreismittelpunkt k auf der Hyperbel 0^^^^, so be- 
schreibt der Punkt D, wenn die Gerade AL sich um 
X dreht, und der Systempunkt A sich auf dem Kreise 
Ka bewegt, eine Curve, welche mit der Geraden Kö 
die vier homologen Punkte Di D^ D^ D5 gemein hat. 

Ziehen wir durch D^ den Hyperbeldurchmesser aß 
und nehmen wir ß als Mittelpunkt eines Gegenlenker- 
kreises Kß, so folgt aus der Symmetrie unserer Figur, 
dass der entsprechende auf A^ Di liegende Angrift'spunkt 
Bi von D, denselben Abstand besitzt, wie A^ von D,, 
dass BiDi = AiDi und der Radius ßBi=aAi ist. 
Machen wir ferner D^ A^ z=D^B^^= Di -4i, so müssen 
die drei Punkte A^D^B^ auf einer Geraden liegen; 
demnach wird der Punkt D auch durch den fünften 
Punkt D3 der Geraden Kö geführt, wenn die Punkte 
-4, B sich resp. auf den Kreisen Kay Kß bewegen. 
Von allen Kreisen, deren Mittelpunkte Endpunkte eines 
Hyperbeldurchmessers sind, wird hiernach der Punkt 
D fünfmal in den Punkten DiD^^D^D^Df^ durch die 
Gerade Kö geführt. In Figur 29 ist die Curve, welche 
der Punkt D beschreibt, wenn die Punkte A^ B sich 
resp. auf den Kreisen Ka, Kß bewegen, gezeichnet; 
ferner haben wir beispielsweise für diese Bewegung 
noch die Curve construirt, die der Punkt E der Ge- 
raden D0 durchläuft. Diese Curve trifft die durch Ei 
zu Kö parallel gezogenen Geradon Kb in den Schnitt- 
punkten, welche die Seiten des Parallelogramms P** 
pi4p*5p2ö mit dieser Parallelen Kb bilden. Da in 
unserer Figur Kt durch den Pol P** geht, so fallen 
in diesem zwei homologe Punkte £4 E^ zusammen luid 
alle Punkte, die auf DiZi näher an Z), liegen als Ei, 
liefern Curven, welche sich an die betreffende Parallele 
näher anschliessen. 

Wegen der Symmetrie der Lagenverhältnisse brauch- 
ten wir eine zweite Angriffscurve wie in Figur 26 nicht 
zu construiren. Hätten wir aber in analoger Weise, 



wie in Figur 26, eine zweite Angriffscurve gezeichnet, 
so müsste diese durch die Punkte Ai, Di gehen und 
da sie von dritter Ordnung ist, die Gerade A^ Dj 
nur noch in einem Punkte Bi schneiden, den wir nach 
den obigen Darlegungen direct ohne diese Curve er- 
halten haben; der zweite Angriffspunkt (7|, den wir in 
dem allgemeineren Falle der Figur 26 fanden, fällt hier 
in unserem besonderen Falle mit dem Punkte Dj zu- 
sammen, dem ein unendlich grosser Gegenlenker ent- 
sprechen würde. 

Theilen wir A^ A^ nicht in vier gleiche Theile ; 
nehmen wir aber die Punkte 2, 4 in gleichen Abständen 
von dem Punkte 3, so bleiben alle genannten Be- 
ziehungen bestehen. Lassen wir 2 mit Ai und 4 
mit .^5 zusammenfallen, wie in Figur 30, wo a Ai und 
Ai Dl, sowie der Aufschlag von derselben Grösse ge- 
nommen sind, wie in Figur 29, so rücken Ai, A2 und 
ebenso A^, Af^ in einander und die Mittelparallele Kö 
fällt mit Ai A^ zusammen. Li diesem Grenzfalle be- 
rührt die von D beschriebene Curve die Gerade Kö 
in den Punkten Di und D^, 

Lassen wir dagegen für dieselben Längenverhält- 
nisse in Figur 31 die Punkte 2, 4 mit dem Punkte 3 auf 
Ai J.5 zusammenfallen, so erhalten wir die gewöhnliche 
Watt 'sehe Geradführung. Die Gerade Kö liegt in der 
Mitte zwischen der Geraden Ai A^ und der zu dieser 
parallelen Kreistangente des Punktes A^, in dem auch 
die Punkte A^A^ liegen. In diesem Falle ist die Ge- 
rade Kö die Tangente des Wendepunktes D3 der von 
D beschriebenen Curve und diese Curve hat demnach 
mit der Geraden Kö ausser Di , D^ die drei unendlich 
nahen Punkte D^D^D^ gemein. Diese specielle Be- 
ziehung, welche sich aus unseren allgemeinen geome- 
trischen Beziehungen ergiebt, hat Hertzer*) auf ana- 
lytischem Wege abgeleitet. Wir ersehen hieraus, dass 
in der Figur 30 und 31 die Abweichung der Curve 
von der Geraden Kö grösser ist als in Figur 29, wo 
die Punkte D.^, D^ beiderseits von D^ um ^4 der Hub- 
höhe entfernt angenommen wurden. Diese besondere 
funfpunktige Geradführung, welche man auch, wie 
Rittershaus gezeigt hat**), aus dem Ellipsenlenker 
leicht ableiten kann, ist hiernach entschieden genauer, 
als die Watt 'sehe Geradführung in der gebräuchlichen 
Anordnung.' 

In Figur 32 sind vier congruente ebene Systeme 
durch die homologen Strecken AiDi, A^D.^, A^D^, 



*) Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure, Bd. IV, 
S. 142. 1S60. 

*♦) Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure, Bd. XXI, 
S. 217. 1877. 



331 



Burin ester, lieber die Geradführung durch das Kurbelgetriebe. 



332 



A^D^ gegeben, welche so liegen, dass ÄiDi H^D^, 
A^D^W^^I^A ist und die homologen Punkte D^D^ 
7)3 2)4 sich auf einer Geraden Ks befinden. Dann 
liegen die Pole P'*-*, P^* im Unendlichen und die Pole 
pi8pi4p23p24 bilden, wie man leicht erkennt, die 
Ecken eines Parallelogrammes, dessen vier Seiten durch 
die vier homologen Punkte Di D« D3 D^ gehen. In 
diesem Falle besteht die Mittelpunktcurve aus der un- 
endlich fernen Geraden und aus einer gleichseitigen 
Hyperbel <P, die durch diese vier Pole geht und leicht 
zu construiren ist; denn ihr Mittelpunkt v fällt mit 
dem des Parallelogrammes zusammen und von ihren 

• 

Asymptoten ist die eine senkrecht, die andere parallel 
zu der Geraden Ks- Bestimmen wir zu P*^ den ent- 
sprechenden Punkt Pi*^, indem wir die Gei*ade P**«, 
welche nach dem unendlich fernen Pol P**^ geht, senk- 
recht Kd ziehen, auf diese von P*^ die Senkrechte 
P*^i fällen und um ihre eigene Länge bis Pi*^^ ver- 
längern. In analoger Weise bestimmen wir zu P** 
den entsprechenden Punkt Pj^*. Da nur jene Pole 
die Ecken eines Parallelogrammes sind, so müssen die 
Punkte Pi^^P,** auf der Geraden P'^pia üegen und 
der Schnittpunkt 0,, welchen die zu Kö parallele 
Asymptote mit dieser Geraden bildet, muss die gemein- 
same Mitte von P"p^24^ P'^^P^^^ sein. Hiernach be- 
steht die AngriiFscurve jF, aus der Geraden P^^P^^, 
die wir mit ^, bezeichnen, und aus der auf dieser in 
0, senkrechten Geraden f , . Jedem Punkte der Hyperbel 
<f> entspricht ein Angriffspunkt auf ^, und jedem Punkte 
der unendlich fernen Geraden entspricht ein Punkt auf 
Zi . Fallen die beiden homologen Punkte Di D3 in der 
Mitte von Dj D4 auf der Geraden Ks zusammen, dann 
geht das Parallelogramm in einen Rhombus und die 
Hyperbel in zwei rechtwinkelige Gerade über. 

Um auch die Verwendung unserer theoretischen 
Ergebnisse bei anderen Mechanismen als bei dem Kur- 
belgetriebe zu zeigen, wollen wir beispielsweise die 
Coulissensteuerung von Stephenson betrachten und 
für eine bestimmte Lage die beste Aufhängung der 
Coulisse ermitteln. In Figur 37, Tafel XVI, haben 
wir die Excentricität der beiden Excenter gleich 0,06 °, 
die Länge der Excenterstangen ?=1,40™, die Länge 
der Coulissensehne -4D==3,oo" und den Voreilungs- 
winkel gleich 30^ genommen*) und in % natürlicher 
Grösse die Curven gezeichnet, welche die Coulissen- 
punkte A, B beschreiben, in denen die Excenterstangen 
angreifen, wenn der Coulissenpunkt D sich auf einer 
Geraden K6 bewegt. Während dieser Bewegung nimmt 



^ 



die Coulisse zwei Lagen ^|D|, A^D^ au, bei denen 
die Punkte Di, D, in der Mitte P** des Weges liegen, 
den D auf Kb {hin- und herschwingend durchläuft; 
ferner giebt es eine Lage A^, D.i \\ Ai Di und eine zweite 
Lage A^D^WA^D^, Hiernach gelten dieselben Be- 
ziehungen, welche wir Figur 32 erkannt haben; aber 
es zeigt sich, dass in unserer Figur 37 der Punkt P'*, 
welcher die Mitte des Weges ist, auch zufällig für die 
angenommene Gerade Kb in der Mitte von D« D4 liegt 
In diesem besonderen Falle geht jene gleichseitige Hy- 
perbel in zwei rechtwinkelige Gerade über. Demnach 
besteht die Mittelpunktcurve aus der Geraden P''t, 
welche auf Kb senkrocht steht und aus der Geraden 
pi4p23^ die zu Kb parallel ist. Ferner besteht die 
Angritfscurve im Systeme Sx aus der Geraden P^^P^^ 
und aus der in P'* auf dieser senkrechten Greraden, 
weil P'* mit Pi*^ zusammenfällt. Jedem Angriffspunkte 
der Geraden P^^P^^ entspricht ein unendlich femer 
Punkt und jedem Angriffspunkte auf dieser senkrechten 
Geraden entspricht ein Punkt der Geraden P^^P^\ 
aber dem Angriffspunkte P** in S^ entsprechen alle 
Punkte der Geraden c. In diesem Angriffspunkte fallen 
in unserer Figur die homologen Punkte Ci, C4 zu- 
sammen und ebenso in P'^^ die beiden homologen 
Punkte C2C3. Nehmen wir nun noch eine fünfte Lage 
A^ D5 der Coulisse an und legen durch den homologen 
Punkt Cft und den Punkt P'*^^ einen Kreis Ky^ dessen 
Mittelpunkt y auf der Geraden t liegt, so trägt dieser 
Ki*eis die fünf homoiogen Punkte Cy C« G^ C^ C^. Wird 
nun die Coulisse in dem Punkte y aufgehängt und 
durch die Excenter Ijl'm Bewegung gesetzt, so be- 
schreibt der Coulissenpunkt D eine Cuitc, welche die 
fünf homologen Punkte DiD^D^D^D^ mit der Gre- 
raden Kb gemein hat und sich sehr nahe an die- 
selbe anschliesst. Bestimmen wir z. B. an dem 
Curvenpunkte D^ nach der von Ritters haus*) ange- 
jgebenen eleganten Construction die Normale der Curve, 
indem wir durch den Schnittpunkt der beiden Excenter- 
stangen lAj^j IBf, und den Wellenmittelpunkt eine 
Gerade g ziehen, so trifft diese den Radius yC^ in dem 
Punkte n der Normalen nDf^y welche sehr nahe mit der 
Senkrechten auf der Geraden Kb zusammenfällt; und 
dasselbe zeigt sich, wenn wir die beiden Normalen für 
den Doppelpunkt D, D4 der Cui-ve construiren. Im 
Allgemeinen fällt die Wegmitte P*' nicht mit der Mitte 
von D2D4 zusammen, aber sie liegen stets sehr nahe, 



') Zeuner, Sclüebersteuerungen. 4. Aufl. S. 83. 



•) „Zur Theorie der Quintenz- Waage" im Bd. XXI, S. 4S, 
des ,,Glyilingenieurs''. Der Mechanismus der Conifasenstenemng 
ist identisch mit dem der Quintenz-Waage, wenn dieBrücke der- 
selben festgehalten wird. 



333 



Burmester, lieber die Geradffthrung durch das Kurbelgetriebe. 



334 



und demnach ist die Mittelpunktcurve eine Hyperbel, 
die von ihren rechtwinkeligen Asymptoten sehr wenig 
abweicht. Es ist daher zweckmässig, wenn der Auf- 
hängepunkt y beim Heben und Senken der Coulisse 
möglichst nahe längs der Asymptote C gefuhrt wird. 
Da für die angenommene Stellung der Coulisse diese 
durch den Kreis Ky so günstig geführt wird, dass der 
(ileitbackeu gegen die Coulisse fast in Ruhe ist, so ist, 
wie die constructive Prüfung zeigt, die Bewegung des 
Gleitbackens in der Coulisse auch sehr gering für alle 
Stellungen in der Nähe der erstangenommenen und 
selbst noch günstig für die Benutzung des oberen Endes 
und der Mitte der Coulisse. Wenn nun diese Hälfte 
der Coulisse am meisten benutzt wird, so kann man, 
damit der Punkt y nach oben liegt, liie Coulisse um- 
kehren und dann würde beim Vorwärtsgehen der Ma- 
schine die untere Coulissenhälfte thätig sein. 

In dem Folgenden wollen wir noch einige. Gerad- 
führungen behandeln, bei denen die Systeme S,, S^ 
resp. mit ^5, S^ zu S3 symmetrisch liegen. Auf der 
Geraden K^ haben wir, Figur 40, Tafel XVI, in 
gleichen Abständen fünf homologe Punkte />, D^ D^ 
Z>4 Z>5 angenommen und in D^ auf iTd die Senkrechte 
D^Cx errichtet. . Die fünf Geraden />,P•^ /^P*^*, 
-^3 f I» ^^4^^^ ^ftP'*^ betrachten wir als homologe Ge- 
rade , welche resp. die fünf Systeme /S^ S^ Ss /S4 S^ be- 
stimmen, von denen Äj, Sj und S^» ^\ zu A3 symme- 
trisch liegen. Es ist nicht nöthig, dass wir auf diesen 
Geraden noch andere homologe Punkte, beliufe der 
Bestimmung der Pole annehmen; denn wir erhalten 
z. B. den Pol P"*-', indem wir die Halbirungsgerade 
des Winkels D^ D^ P'^* ziehen , den die beiden ersten 
homologen Geraden bilden und auf Z>, D^ in der Mitte 
eine Senkrechte emchten; diese schneidet die Hai- 
birungsgeraden in dem Pole P^*^. In analoger Weise 
bestimmen wir noch den Pol P**. Da nun die Pole 
P'-, P** und F^^V^^ bezüglich der Geraden Ci sym- 
metrisch und P'-i-ipiÄ auf dieser Geraden liegen, so 
besteht die MittelpunktcuiTC 0**^** aus der Geraden Ci 
und dem durch die Pole pi2pi4p25p45 gehenden Kreise 
6, dessen Mittelpunkt ^/i auf dieser Geraden Ci liegt. 
Jedem Kreismittelpunkte auf Ci entspricht im Sy- 
steme Sy ein AngriflFspunkt auf der Geraden i>, P**, 
welche wir mit z^ bezeichnen wollen. Hiernach besteht 
auch die Angritfscurve P, *^"** aus der Geraden jer, und 
dem durch Y^'^'P^^ gehenden Kreise 2\, dessen Mittel- 
punkt m^ auf 2*1 liegt; und jedem Kreismittelpunkte 
auf dem Kreise ^ entspricht ein Angriffspunkt auf dem 
ELreise Ti. Drehen wir den Kreis T^ mit der Geraden 
jer, um P'^ so dass diese Gerade mit ti zusammenfällt, 
dann liegen nach Seite 246 die entsprechenden Punkte 



von S und Tj auf Strahlen eines Büschels, dessen 
Mittelpunkt P** ist. Hieraus folgt: einer Reihe von 
Mittelpunkten auf 6 entspricht eine ähnliche Reihe 
von Angriffspunkten auf T, . Wenn wir auf <p^*** und 
Fx ^*^* die entsprechenden Punkte bestimmen, so erhalten 
wir solche Kreispaare, durch welche der Punkt D 
in den vier Punkten D^ D^ D^ ü^ durch die Gerade 
Kö geführt wird. Um nun von diesen unendlich 
vielen Kreispaaren dasjenige .zu erhalten, welches den 
Punkt D auch durch D^ führt, so müssen wir noch 
die Mittelpunktcurve <1>*234 bestimmen, welche durch 
die Pole pi2pi3pi4p23p24p34 geht. Die Gegenpole 
pi2p34^ sowie die Gegenpde P^^F'^, liegen in gleichen 
Abständen von der auf D^D^ in .der Mitte errichteten 
Senkrechten tu, welche die Pole F^*P^^ trägt. Hier- 
nach ist der über P^^F^^ als Durchmesser beschrie- 
bene Kreis xu der Orthogonalkreis und die Gerade ^u 
die Mittellinie der Curve 0*2'*. Das Centrum jnu 
dieser Curve ist in der bekannten Weise wie in Figur 17 
bestimmt, indem wir den Schnittpunkt, welchen die in 
der Mitte auf pi2pi4 errichtete Senkrechte //im,, die 
Chordale k trifft, mit P'* verbinden und auf dieser 
Verbindungsgeraden die Senkrechte F^'^uu ziehen; als 
Besonderheit ist noch zu beachten, dass ^lu auch in 
der auf F^^F^^ in P^* errichteten Senkrechten liegt, 
weil die Gerade P^^F^^ auf tu senkrecht ist. Die so 
construirte Mittelpunktscurve (p^^^* schneidet den Kreis 
in den neuen Punkten a, ß und die Gerade i^i in 
einem Punkte y, der über die Grenzen der Zeichnung 
hinaus fällt und den wir überhaupt nicht weiter in 
Betracht ziehen. Da die Punkte a, ß wegen der Sym- 
metrie der Systemlagen auch bezüglich der Geraden Ci 
symmetrisch liegen, so brauchen wir von der Curve 
^1234 jj^j. gjjj kleines Stück in der Nähe von a zu 
construiren und wir erhalten ß, indem wir aß senk- 
recht auf Cii ziehen. Zu den Kreismittelpunkten «, ß 
auf (I>**34 construiren wir die entsprechenden, ähnlich 
liegenden Angriffspunkte A^ jB, auf P", '*" und diese 
bestimmen die beiden gleichen Führungskreise Kce, K^^ 
deren Mittelpunkte a, ß sind. Bewegen sich also die 
Punkte A, B resp. auf den Kreisen Äa, K^^ so be- 
schreibt der Punkt D eine Curve, welche die fünf 
Punkte Z>i D^ D^ I)^ D^ mit der Geraden Kd gemein 
hat und deren Tangente in Z), mit dieser Geraden zu- 
sammenfällt. 

Winn die von D beschriebene Curve nur durcli 
die vier Punkte Z>i D^ D^ Z>5 gehen soll , so können 
wir die beiden auf 6 zu ti symmetrisch liegenden Mittel- 
punkte so bestimmen, dass entweder in Z>i, D^ oder 
in i>2» D^ die Curventangenten mit der Geraden Kd 
zusammenfallen. Bestimmen wir zu je zwei auf dem 



335 



Burraester, lieber die Geradführung durch das Kurbelgetriebe. 



336 



Kreise ß in einer Senkrechten zu ^i liegenden Mittel- 
))unkten die entsprechenden Angriffspunkte auf dem 
Kreise T,, so liegen auch diese in Senkrechten zu ei 
und da die so erhaltenen Punktreihen auf S und T, 
ähnlich sind, so schneiden sich je zwei Verbindungs- 
geraden solcher entsprechender Punkte, wie z. B. a-4,, 
ßBij in Punkten, die auf der von P^* auf w, i<i gezo- 
genen Senkrechten P^^V liegen und alle diese Verbiu- 
dungsgeraden umhüllen einen Kegelschnitt, dessen 
Mittelpunkt der Fusspunkt V dieser Senkrechten ist 
und dessen einer Brennpunkt in P** liegt; und die 
imrallelen Verhindungsgeraden der entsprechenden Punkte 
/, i,, A, Li schneiden die Gerade P^^V in den End- 
punkten der Hauptachse des Kegelschnittes.*) Wollen 
wir nun auf S die beiden Mittelpunkte solcher Kreise 
bestimmen, welche den Punkt D so führen, dass die 
von ihm beschriebene Curve in den Punkten />|, D^ 
von der Geraden Kd berührt wird, so müssen wir von 
dem Schnittpunkte, welchen die in Z>, auf Kö errichtete 
Senkrechte mit der Geraden P»* F bildet, Tangenten 
an den genannten Kegelschnitt ziehen, was leicht mit 
Hülfe des Brennpunktes P^*, ohne den Kegelschnitt zu 
construiren, geschehen kann; diese Tangenten bestimmen 
auf dem Kreise S die Mittelpunkte der gesuchten 
Kreise und auf dem Kreise T, die entsprechenden An- 
griffspunkte. Sollen dagegen in den Punkten D^D^ 
die Curventangenten mit Kb zusammenfallen, so müssen 
wir den zu T^ homologen Kreis T^ construiren, diesen 
in Beziehung zu dem Kreise ö betrachten und analog 
wie oben angegeben verfahren. 

In Figur 39 haben wir die Verhältnisse genommen, 
welche Tschebischeff**) durch analytische Ableitung 
angegeben hat, und die fünf Systeme SiS^S^S^St^ 
durch die fünf homologen Geraden D^ P'*, D^P'^^, D^ ^i, 
D^P^^, D^P^^ fest gelegt. Prüfen wir diese Verhält- 
nisse durch unsere eben in Figur 40 ausgeführte Con- 
struction, so zeigt sich, dass in diesem Falle der gerad- 
führende Punkt Dl auf der Geraden -4, Bi liegt, und 
demnach liegen bei der Geradführung von Tschebi- 
scheff fünf Punkte DiD^D^D^D^ der von 1) be- 
schriebenen Curve auf der Geraden Kh und die Curven- 
tangente in D^ fällt mit dieser Geraden zusammen. 

Es ist leicht, die fünf homologen Punkte D^ P**, 
D^P'^^, DjCi, Z>4P«*, Z^sP**, wie in Figur 41, so zu 
logen, dass die Pole P^'^P'^^ auf einer zu K^ parallelen 



*) Burmester, Kinematisch-geometrische Untersuchungen etc. 
Schlö milch, Zeitschrift für Mathematik und Physik, Bd. 19, 
S. 166. 

•*) Verhandlungen des Vereins zur Beförderung des Gewerb- 
fleisses in Preussen, 1870. Jahrg. 49. S. 168. 



Geraden liegen. Wir nehmen D^P^^ beliebig an, be- 
stimmen den Pol P*', ziehen durch diesen zu Kö eine 
Parallele, welche die in der Mitte auf D, D^ errichtete 
Senkrechte in P** trifft, beschreiben um P'* einen 
die Gerade D^j, P*** berührenden Kreis und legen an diesen 
Kreis dio Tangente /;, P»*. Die Pole P»*P3* liegen 
in gleichen Abständen von der Geraden pi^p^s m^j 
in der auf dieser in P*^ senkrecht stehenden Geraden. 
In diesem Falle besteht auch dio zweite Mittelpunkt- 
curvo <J>^^^^ aus der Geraden lh und dem durch P** 
p24p34 gehenden Kreise Ön, dessen Mittelpunkt ^in auf 
Cii liegt. Die aus SuLu bestehende Mittelpunktcurve 
(P**^^ schneidet den Kreis 6i in den Kreismittelpunkteii 
er, ß, denen auf dem Kreise T^ resp. die Angriffspunkte 
Ai Bi entsprechen. 

In Figur 44 sind zwei beliebige congruente Punkt- 
reiheu durch die homologen Strecken AiB^ A^B^ 
gegeben; es sollen die beiden homologen Punkte i9|, 
D.2^ bestimmt werden, welche auf einer Geraden liegen, 
die auf der gegebenen Geraden t senkrecht steht. Wir 
ziehen zu 'C eine beliebige Parallele ly, projiciren Ax, 
Bi senkrecht auf r^ nach A^Bi^ ebenso A^^ B.^ senk- 
recht auf t nach A,i\ B^ und ziehen durch den Schnitt- 
punkt B, der Geraden -4,' A/, By'B^ auf t eine Senk- 
rechte. Diese trifft die Punktreihon in den homologen 
Punkten i),, D.^\ denn die durch Projection auf c und 
r^ erhaltenen Punktreihen liegen perspectivisch zu dem 
Strahlenbüschel, dessen Mittelpunkt B ist. 

In Figur 45 ist noch eine andere Construction 
der homologen Punkte />,, D^ ausgeführt. Man be- 
stimmt den Pol P*'- der durch die homologen Strecken 
AiBi^ A^B,^ gegebenen Systeme, indem man in der 
bekannton Weise in den Mitten a^^ft** der Verbin- 
dungsgeraden Ax -^2, Bi B.2, Senkrechte errichtet, zieht 
pi^rfi'^ parallel zu der gegebenen Geraden t und durch 
den Schnitt d** mit der Geraden a**6** eine Senk- 
rechte auf L. Diese trifft die Punktreihen in den ho- 
mologen Punkten i>i, Z).^; denn die Mitten aller Ver- 
bindungsgeraden der homologen Punkte der Punktreihen 
liegen auf der Geraden a'*^6'*. Statt der Senkrechten 
a^^P^"^^ welche den Pol P**^ mitbestimmt, kann man 
auch die Halbirungsgerade ?P*^ des Winkels, welchen 
die Geraden A^Bi, A.j,B.2. bilden, construiren und auf 
diese durch 6'* die Senkrechte 6^*e'* ziehen, welche 
alle Mitten der Verhindungsgeraden der homologen 
Punkte der Punktreihen enthält. 

Um von dieser einfachen Bestimmung der homologen 
Punkte />,, Z>i eine Anwendung zu machen, betrachten 
wir den Roberts 'sehen Lenker, bei dem die Basisecken 
AB eines gleichschenkeligen Dreiecks, Figur 42, sich 
auf zwei gleichen Kreisen Ka, Kß bewegen, die 



ÄJ7 



Dur niest er, Ueber die Geradfttlirung durch das Kurbelgetriebe. 



338 



Spitze D desselben der geradfuhreiide Punkt ist, und 
bei dem die folgenden Längen- Verhältnisse als zweck- 
mässig empfohlen werden. *) Die gleichen Ra4ien der 
Kreise Kaj Kß haben die. Länge 0,584. Die Basis 
Ai Bi =0,593, die Dreieckshöho Ei Di = l,ii2, wenn 
der Abstand der Kreismittelpimkte a^ ß als Einheit 
genommen wird. Als Grenze des Ausschlages nehmen 
wir auf der einen Seite die Lage, bei der das Dreieck 
Ai Bi Dl so liegt, dass Aia senkrecht auf aß steht 
und ebenso symmetrisch auf der anderen Seite. Con- 
struiren wir nun noch die Mittellage An Bn Du und 
bestimmen auf den homologen Dreiockshöhen Ei J9i, 
Ell Du uach der in Figur 45 angegebenen Weise mit 
Hülfe des Poles P" die beiden homologen Punkte, 
welche in einer auf Eu Du senkrechten Geraden Kö^ 
liegen, so ergiebt sich, dass Z>i, Du diese Punkte sind, 
deren Abstand von der Dreiecksbasis gleich l,ii2 ist. 
Bei jenem Roberts 'sehen Lenker hat demnach die 
von D beschriebene Curve die drei Punkte />i, Z)ii, 
2>iii mit der Geraden Kö^ gemein und die Curven- 
tangente in Du fällt mit dieser Geraden zusammen. 

Nehmen wir die Lagen -4|1?,, A.^B.2^ an und be- 
stimmen mittelst des Poles P*^ auf den beiden homo- 
logen Dreieckshöhen die homologen Punkte />,, D^^ 
welche in einer auf der Symmetrallinie ^ senkrechten 
Geraden Kö liegen, so zeigt sich, dass der Abstand 
dieser Punkte von der Dreiecksbasis kleiner als l,ir2 ist. 
In diesem Falle hat aber die von dem geradführenden 
Punkte beschriebene Curve die vier Punkte D^ />. D^ D^ 
mit der Geraden Kd gemein. 

Die Höhe und Basis des Dreieckes ändern sich 
sehr, wenn wir den Roberts 'sehen Lenker so. ein- 
richten, dass die Curve, Figur 43, fünf Punkte DiD^ 
i>3 D^ Df, und die Tangente in D^ mit einer auf Ci 
senkrechten Gefaden gemein hat. Wir haben in Fi- 
gur 43 dieselben Verhältnisse >vie in Figur 42 genom- 
men. Es ist «';':?' = 1, j4i'jBi' = 0,593, und die Radien 
der um a', ß* beschriebenen gleichen Kreise Jf«', Kß* 
Bind gleich 0,584; ferner ist u* Ai senkrecht a* ß' ge- 
legt und die Lage Z>i P-** so gewählt, dass der Abstand 
der beiden homologen Punkte />,, 7>.j, welche auf einer 
zu bestimmenden, auf ti senkrechten Geraden Kb liegen, 
gleich />.^/>3 ist. Durch DiP'\ D.^P^^ sind die be- 
züglich Z>3 Ci symmetrisch liegenden homologen Geraden 
DsP^^, D^P^* bestimmt. Nun verfahren wir in der- 
sellien Weise, wie in Figur 40, und bestimmen die 
Mittelpunktcurve (P'*"**, welche aus dem durch P»«P»* 
gehenden Kreise S, dessen Mittelpunkt fti auf Ci liegt^ 



•) „Hotte*'. Taschenbach. 9. Aufl. Seite 866. 

CivUlngraiear XXIH. 



und aus der Geraden Ci besteht. Da die Kreise Ka 
nnd'Kß* vier homologe Punkte tragen, so muss der 
Kreis S auch durch die Kreismittelpunkte et', ß* gehen. 
Die AngriflFscurve Fi '*** besteht aus dem durch P**pi* 
gehenden Kreise Ti, dessen Mittelpunkt m^ auf i>i P** 
liegt und aus der Geraden Z), P**. Da die Punkte 
Ai\ Bi mit ihren homologen Punkten der betrachteten 
Systeme resp. auf den Kreisen Ka\ Kß* liegen, so muss 
der Kreis Ti auch durch diese beiden Punkte gehen. 
Mittelst des Orthogonalkreises xn und des Curvencen- 
trums /«ii ist ein kleines Stück der Mittelpunktcurve 
^1234 in bekannter Weise construirt, der Schnittpunkt 
ß, welchen a>»*^3* mit ö bildet, bestimmt, und dann 
ßa senkrecht Z>, li gezogen. Den Kreismittelpunkten 
«, ß entsprechen auf T, resp. die Angriffspunkte -4i, 
Bi und diese sind durch die bekannte Beziehung, dass 
die entsprechenden Punktreihen auf S und T, ähnlich 
sind, dass also aßa* ß* c>oAiBi Ai' Bi* leicht zu be- 
stimmen. Nehmen wir auf dem Kreise ö zwei belie- 
bige zu />3 Li symmetrisch liegende Kreismittelpunkte 
an, bestimmen die entsprechenden Angriffspunkte auf 
dem Kreise T, und durch diese die Führungskreise, so 
beschreibt der geradführende Punkt D stets eine Curve, 
welche die vier Punkte Di D^ D^ D^ mit der Geraden 
Kö gemein hat. Von allen Punktpaaren liefert aber 
das Paar cf, ß die beste Geradführung; denn bei dieser 
hat die beschriebene Curve die fünf Punkte Di Z).^ i>, 
D^Df, und die Tangente in D^ mit der Geraden Kö 
gemein. 

Nehmen wir in allen auf Tafel XVI für die Ge- 
radführungen gezeichneten Figuren statt der Geraden 
K$ einen grossen Kreis Kö, dessem Mittelpunkt auf 
der Symmetrallinie li liegt, so wird nur .die Construo- 
tion der zweiten Mittelpunktcurve <2>'*34 modificirt, 
d. h. in der allgemeineren Form, welche wir im IL Theil 
S. 246 angegeben haben, ausgeführt; wir erhalten in 
allen diesen Fällen dann sehr genaue Kreisführungen, 
bei denen die von dem kreisführenden Punkte beschrie- 
bene Curve die fünf Punkte Di D^ D^ D^ D^ und die 
Tangente an D^ mit dem Kreis Kö gemein hat, und 
alle diese Kreisführungen und Geradführungen, für 
welche wir in dieser Abhandlung die Mittel zur con- 
structiven Bestimmung dargelegt haben, können durch 
Anbringung des Storchschnabels oder Watt 'sehen Pa- 
rallelogrammes zur Erzeugung anderer Kreisfiihrungen 
und Geradfiihrungen dienen. 

Durch die Anwendung unserer abgeleiteten theore- 
tischen Beziehungen werden wir manche in der Praxis 
vorkommende Curven- und Lagenfuhrungen durch das 
Kurbelgetriebe hervorbringen können und wir werden 
volle Klarkeit auch in den Fällen erhalten, wo dies 

22 



339 



Burmester, Ueber die Geradführung durch das Kurbelgetriebe. 



340 



praktisch nicht ausfuhrbar ist. Z. B. bei dem Mor- 
gan 'sdieu Ruderrade soll jede Schaufel drei bestiinmte 
Lagen bei jeder Umdrehung annehmen. Wird nun ge- 
fragt, ob dies praktisch durch ein Kurbelgetriebe er- 
reicht werden kann, so zeigt sich zunächst, dass jedem 
Punkte der Schaufel, an den die Führungsstange an- 
greift, ein Punkt (Mittelpunkt) entspricht, um den sich 
die Stange dreht. Das System der Angriffspunkte Si 
und das System -i'*^ der Mittelpunkte stehen in der 
oben betrachteten Verwandtschaft zweiten Grades und 
nach der Bestimmung der Pole und Hauptpunkte zeigt 
sich sogleich, dass für die beim Morgan 'sehen Ruder- 
rad verlangten drei Schaufelstellungen jedem Angriffs- 
punkte an der Schaufel ein Mittelpunkt oder Drehpunkt 
der betreffenden Führungsstange entspricht, dessen Ab- 
stand von der Radwellenachse grösser ist, als der Abstand 
des Angriffspunktes von der Achse, um welche sich die 
am Radkranz befestigte Schaufel dreht, und dass demnach 
das Kurbelgetriebe hier nicht angewendet werden kann. 

Um eine Anwendung unserer theoretischen Resul- 
tate in einer anderen Richtung zu zeigen, wollen wir 
noch einmal von dem Kurbelgetriebe abgehen und die 
Auf hängung der Coulisse, wie sie bei der Gooch 'sehen 
Coulissensteuerung erfordert wird, bestimmen. Für das 
Beispiel Figur 38 ist in Vft natürlicher Grösse die 
Excentricität = 0,06, die Länge der Excentei*staugen 
Z=l,20, die Länge der Coulissensehne -4i J?i = 0,30 
und der Yoreilungswinkel =20" genommen.*) Es 
sind die Curven construirt, welche die Coulissenpunkte 
Ai J5i beschreiben , wenn der Sehnenmittelpunkt Z>, 
sich auf der Geraden Kd bewegt. Es soll nun der 
Kreis Ky bestimnft werden, auf dem ein entsprechender 
Punkt C der Coulisse sich bewegt, so dass der Sehnen- 
mittelpunkt D eine Curve beschreibt, Avelche sich mög- 
lichst nahe an die Gerade Kd anschliesst. Während 
der ganzen Bewegung nimmt die Sehne zwei in 7>, , D^ 
auf üTd senkrechte Lagen J^il^i, Ä^B^ und zwei zu 
Kö symmetrische Lagen A^B.^^ ^^B^ an, welche sich 
in der Mitte P*"* von Z>, D^ schneiden. Die homologen 
Strecken A^B^, A^B^ und A^B^, A^B^ liegen bezüg- 
lich der in der Mitte auf D^ 1)^ senkrecht stehenden 
Geraden 1" symmetrisch. Wir haben demnach hier 
analoge Lagenverhältnisse, wie die, welche bei den auf 
Tafel XVI gezeichneten Geradfühiningen angenommen 
wurden. Die homologen Punkte D^ D"^ fallen in dem 
Pole P-^ zusammen, der Pol P*^ liegt, weil A^B^y 
A3 B3 parallel sind, im Unendlichen, und die vier Pole 
pi2 jinpi3p'i4 befinden sich in gleichem Abstände von 



*) Zeuner, Schiebersteuerungen. 4. Aufl. S. 115. 



L und liegen auf einem Kreise ö, dessen Mittelpunkt P** 
ist. Hiernach besteht die Mittelpunktcurve O der durch 
die vier homologen Strecken Ai Bi^A^B^^ A^B^^ A^ B^ 
bestimmten congruenten .Systeme aus dem Kreise S 
nebst der Geraden I.", und die Angriffscurve Fi bestellt 
aus dem durch P^^pi* gehenden Kreise Ti, dessen 
Mittelpunkt />i ist, und der Geraden Ai jB», die wir mit 
Zi bezeichnet haben. Die Kreise ß und Ti sind gleich, 
und einer Reihe von Kreismittelpunkten auf S ent- 
spricht dann eine congruente Reihe von Angriffspunkten 
auf Ti, und je zwei entsprechende Punkte liegen in 
Geraden, die zu Kö parallel sind. Auf diese Weise 
würden wir unendlich viele gleiche Führungskreise er- 
halten, durch welche der Punkt D so geführt wiid, 
dass die von ihm beschriebene Curve die vier Punkte 
D^D^D^D^ mit der Geraden Kö gemein hat; aber 
diese gleich grossen Kreise, deren Durchmesser gleich 
der Länge /^ /^a sind, werden bei der Bewegung der 
Coulisse vollständig durchlaufen und sind für die Auf- 
hängung der Coulisse ungünstig und unbrauchbar. 
Einer Reihe von Kreisraittelpunkten auf der Geraden 
^ entspricht eine projectivische Reihe von Angriffs- 
punkten auf der Geraden z^ und dem unendlich fernen 
Punkte auf t entspricht der Sehnenmittelpunkt D^ als 
Angriffspunkt. Diese Aufhängung würde die beste sein, 
aber sie ist durch einen Kreis praktisch nicht erreich- 
bar. Wir nehmen daher auf 1* einen Punkt ;' so hoch 
über P** an, als es die Verhältnisse in der Praxis ge- 
statten und bestimmen auf Zi den entsprechenden An- 
griffspunkt C, in der bekannten oft ausgeführten Weise 
oder auch mittelst der projectivischen Beziehung der 
beiden Punktreihen, auf denen die beiden oberen und 
die beiden unteren Schnittpunkte von T, 6 und sSi, Ti 
entsprechende Punkte sind. Bewegt sich der Coulissen- 
punkt C auf dem Kreise Ky, dessen Mittelpunkt y ist, 
so beschreibt der Sehnenmittelpunkt D eine Curve, 
welche die vier Punkte />i />2 /^ -Ö4 in jenen vier Lagen 
der Coulisse mit der Geraden Kö gemein hat. Wenn 
wir nach der von Rittershaus angegebenen, auf S. 
332 erwähnten, Bestimmung die beiden Tangenten in 
dem Doppelpunkte P^^ an dieser Curve construireu, 
so weichen diese Tangenten nur sehr wenig von der 
Geraden Kö ab, und es ist der Angriffspunkt C, bei 
einer Aufhängung in y für die horizontale Führung 
des Punktes /> günstiger, als der Sehnenmittelpunkt A 
den man bei der praktischen Ausführung als Angriffs- 
punkt zu nehmen pflegt; denn diesem entspricht der 
unendlich ferne Punkt der Geraden C als Aufhänge- 
punkt. 

In der Kinematik werden die Geradfuhmngen bis 
jetzt meist aus dem Ellipsenlenker abgeleitet und daher 



341 



Burmester, lieber die GeradfQhrung durch das Kurbelgetriebe. 



342 



wollen wir denselben noch von unserem neuen Gesichts- 
punkte aus betrachten. Bewegen sich zwei Punkte AB 
eines Systemes S, von dem wir in Figur 46 vier Lagen 
AiBi, A^B.^, A^B^, A^B^ angenommen haben, resp. 
auf der Geraden Ka, Kß, die sich in einem Punkte d 
schneiden, dann beschreiben bekanntlich die System- 
punkte, welche auf dem durch d A^ B^ gehenden Kreise 
Ti liegen, Gerade, die sich in d schneiden ; der Mittel- 
punkt Z>, dieses Kreises durchläuft den Kreis üTä, 
dessen Mittelpunkt d ist, und alle anderen System- 
punkte erzeugen Ellipsen, für welche ö der gemein- 
schaftliche Mittelpunkt ist. In diesem besonderen Falle 
tritt eine Ausnahme des Satzes S. 320 ein; denn be- 
trachten wir hier fünf System lagen, so giebt es nicht 
vier, sondern unendlich viele Kreise, welche durch fünf 
homologe Punkte gehen, d^ h. alle durch 5 gehende 
Gerade, die wir als unendlich grosse Kreise ansehen, 
und der Kreis Kö tragen fünf homologe Punkte. Aber 
diese Kreise tragen nicht nur für jene fünf Lagen, 
sondern für. alle Lagen des Systems homologe Punkte. 
Wird nun ein Stück von einer jener Ellipsen oder Ge- 
raden durch ein Kreisstück, welches sich demselben 
sehr nahe anscliliesst, und ferner ein Kreisstück von 
Kd für die Führung des Systems gewählt, so beschreiben 
alle auf dem Kreise Tj liegende Punkte den durch d 
gehenden Geraden angenäherte Curvenstücke. Falls 
die Lage des Kreises Kd für die praktische Ausfüh- 
rung nicht günstig ist, kann statt dessen ein Kreis- 
stück benutzt werden, welches sich einem Stücke einfer 
zweiten Ellipse oder Geraden sehr nahe anschliesst. 

Da alle Punkte des Kreises Ty Gerade durchlaufen, 
so ist der Kreis T, ein Bestandtheil der Angriffscurve 
jPi und jedem Punkte dieses Kreises entspricht auf der 
Mittelpunktcurve <P ein unendlich ferner Punkt; somit 
gehört die unendlich ferne Gerade zu der Curve (P. 
Hiemach besteht die Angriffscurve Fi aus dem Kreise 
T, und aus einer durch seinen Mittelpunkt Di gehen- 
den Geraden Zi ; ferner besteht die Mittelpunktcurve (P 
aus der unendlich fernen Geraden und weiter aus einer 
gleichseitigen Hyperbel Z; diese geht in zwei recht- 



winkelige Gerade über, wenn die Geraden Ka, Kß auf 
einander senkrecht stehen und die vier Lagen zu zweien 
bezüglich einer dieser Geraden symmetrisch liegen. 
Die sechs Pole P^^P^, pi8p24^ pi4p«3^ y^n denen 
hier keine im Unendlichen liegen, müssen nach Figur 
16 und S. 248 resp. Durchmesserendpunkte der Hy- 
perbel Z sein; ferner müssen die sechs Punkte P^^Pi^^ 
pi3p^24^ pup^is auf dem Kreise 2\ in parallelen 
Sehneu sich befinden, auf denen die Gerade Di Zi senk- 
recht ist. Da alle Punkte des Kreises Ti sich auf Ge- 
raden bewegen, die durch 5 gehen, und Pi^^P'^^, 
Pj24p24^ p^34p34 j.ggp eutsprechonde Punkte sind, so 
müssen die Verbindungsgeraden dieser Punkte, welche 
beziehungsweise auf den Geraden P»*P", P^'^p^\ 
pispu senkrecht stehen, sich in dem Punkte d schnei- 
den. Den Kreismittelpunkten auf der Hyperbel Z ent- 
sprechen die Angriffspunkte auf der Geraden Zi ; dem 
Hyperbelpunkte d entspricht der Punkt i>i, und den 
beiden unendlich fernen Punkten der Hyperbel ent- 
sprechen die Punkte Li, Ni^ in welchen die Gerade z^ 
von dem Kreise Ti geschnitten wird. Da diese Punkte 
sich auf den Geraden dii, dNi bewegen würden, so 
stehen die Asymptoten der Hyperbel auf dLi, öNi 
senkrecht. Soll durch einen Ellipsenlenker eine vier- 
punktige Geradführung erzeugt werden, so muss man 
jene vier Systemlagen zweckmässig annehmen, die bei- 
den Mittelpunkte der Führungskreise auf der Hyperbel 
Z passend wählen und die entsprechenden Angriffs- 
punkte auf der Geraden Zi bestimmen. 

Wir haben in dieser Abhandlung vorzugsweise die 
Anwendung der abgeleiteten theoretischen Resultate 
auf die Geradtuhrung und Kreisfiihrung gezeigt; und 
wir sind hiernach zu der Ueberzeugung berechtigt, dass 
diese Resultate künftig in gleicher Weise bei der Be- 
stimmung der mannigfaltigen Lagen- und Curvenfüh- 
rungen angewendet werden, dass sehr oft eine verlangte 
Bewegung, die durch eine Nutenführung oder durch 
einen complicirten Mechanismus erreicht wurde, sehr 
angenähert innerhalb bestimmter Grenzen auch durch 
das Kurbelgetriebe hervorgebracht werden, kann. 



22' 



Ueber den Ausfluss der permanenten Gase mit Beziehung auf die Hypothese 

von de Saint-Venant und Wantzel. 



Von 



J. lUeek in Wien. 



Die mechanische Wärmetheorie führt bei ihrer 
Anwendung auf das Ausflussproblem der permanenten 
Gase bekanntlich auf Formeln, die wohl bei geringem 
Ueberdruck mit den experimentellen Untersuchungen 
befriedigend übereinstimmende Resultate liefern, bei 
hohem Ueberdrucke sich aber als unzulänglich erweisen 
und für den Fall, dass das Ausströmen in den luft- 
leeren Baum erfolgt, sogar auf das unmögliche Ergeb- 
niss führen, dass unter dieser Annahme die Ausfluss- 
menge Null sein sollte. 

Bei Gelegenheit der Vorführung ihrer hierauf be- 
züglichen Versuche verbreiten sich die beiden Experi- 
mentatoren Zeuner und Fliegner auch eingehend 
über die nähere Darstellung dieser sonderbaren Ver- 
hältnisse (siehe Civilingenieur , Bd. XX, S. 1 u. S. 13) 
und findet sich daselbst auch die Literatur die^r Streit- 
frage angegeben. 

Aus den erwähnten Versuchen lässt sich entnehmen, 
dass die zum ersten Male von de Saint-Venant und 
Wantzel aufgestellte und später auch von Weisbach 
entwickelte Ausflussformel dainim keine allgemeine Gil- 
tigkeit besitzt, weil der Druck des ausströmenden Gases 
in der Vorlage dem äussern Luftdrucke gleich gesetzt 
wurde. Unter dieser Annahme liefert die obige Formel 
beim Ausfluss in die Luftleere eine endliche Ausfluss- 
geschwindigkeit und dadurch wird es leicht erklärlich, 
dass dann die Ausflussmenge, mit Rücksicht auf die 
unendlich geringe Dichte der ausströmenden Luft, eben- 
falls unendlich klein gefunden wird. 

Die Spannung der Luft in der Vorlage muss also 
einen endlichen Werth haben, wenn auch der äussere 
Druck verschwindend klein oder Null gedacht wird. 
Sobald aber diese Basis als feststehend angenommen 
wird, verliert man gleichzeitig hiermit jedweden theo- 
retischen Anhaltspunkt, wie gross eigentlich der frag- 
liche Druck im Vergleiche zum äussern Gegendruck 



und innern Gefässdruck sein wird; es lässt sich blos 
behaupten, dass der erstere Druck zwischen den beiden 
letzteren gelegen sein müsse, sowie dies der Natur der 
Sache entspricht. 

Die präcise Feststellung der Spannung in der Vor- 
lage kann also nur durch Experimente geschehen und 
zwar entweder durch directe Messung derselben oder 
durch Vergleich der wirklichen Ausflussmenge mit jener, 
welche die Formel giebt, worauf sich dann auf die 
fragliche Spannung rückschliessen lässt. 

Die directe Messung des Druckes in der Vorlage 
hat Professor Fliegner bei seinen Versuchen vornehm- 
lich im Auge gehabt, wobei er zu dem Schlüsse gelangt, 
däss dieser Druck jederzeit grösser als der äussere sei ; 
für das Verhältniss desselben zum innern Druck findet 

er den Grenzwerth lim. =0,5767. 

Po 

Den zweiten Weg, welcher indessen die Kenntniss 
des Ausfluss Widerstandes voraussetzt, betritt Emil Her- 
mann in einer gleichfalls sehr beachtenswerthen Ab- 
handlung in der Zeitschrift des östeireichischen In- 
genieur- und Architekten- Vereins, Jahrgang 1876, S. 37, 
an welcher Stelle er die Versuche Zeuner*s und Flieg- 
ner 's einer Berechnung unterzieht und unter Zugrunde- 
legung der Hypothese von de Saint-Venant und 
Wahtzel, was die Ausflussmenge anbelangt, eine nahe- 
zu vollkommene Uebereinstimmung mit den Versuchs- 
resultaten constatirt, wogegen sich jedoch, wie wir später 
sehen werden, noch Einwendungen erheben lassen. 

Wenn nun auch durch die bisher angestellten Ver- 
suche über den Ausfluss der Luft bei hohem Ueber- 
druck die zum Mindesten annähernde Richtigkeit der 
Hypothese von de Saint-Venant und Wantzel als 
zweifellos anzunehmen ist, so bleibt es doch vom theo- 
retischen Standpunkte aus nicht sonderlich einleuchteDd, 
warum sich in der Vorlage gerade jener Druck ein- 



345 



II leck, Ueber den Ausfluss der permanenten Gase u. s. w. 



346 



stellt, welcher dem Maximum der Äusflussmenge ent- 
spricht. Die hierdurch bedingte Verschiedenheit des 
Ausflussgesetzes bei hohem und bei geringem Ueber^ 
druck veranlasst sogar Fliegner zu der Bemerkung, 
dass der Minimaldruck in der Vorlage mit dem Maxi- 
mum der Ausflussmenge nur scheinbar zusammenhänge 
oder vielmehr zufällig übereinstimme, welcher Ansicht 
auch Grashof (siehe dessen theoretische Maschinen- 
lehre, S. 580) beipflichtet. 

Die nachfolgenden Betrachtungen bezwecken nun, 
einestheils darauf aufmerksam zu machen, dass die Be- 
wegungsgleichungen der permanenten Gase, insofern sie 
ohne Einschränkung gebraucht werden ^ auch noch auf 
Widersprüche anderer Art fuhren, welche nur dann 
verschwinden, wenn das Verhältniss des innern Druckes 
zu jenem in der Vorlage einen gewissen Werth nicht 
überschreitet. Zu diesem Ende wollen wir uns in Fig. 1 
vorstellen, dass sich das Ausflussgefäss vom Querschnitt 
Fq = (x> bis zum Querschnitt JF*, die Vorlage hingegen 
von F bis F^ erstrecke. Die Spannungen und Ge- 
schwindigkeiten seien in diesen drei Querschnitten be- 
ziehungsweise P(yf p, Pi und a;,) = 0, cu und cuj. Vom 
Querschnitte F^ aus denken wir uns entweder die Vor- 
lage, etwa mit gleicher Weite, ins Unbestimmte ver- 
längert, oder es werde F^ als Ausflussquerschnitt in 
die Luftleere versetzt gedacht. 



woraus 






T, -T 




/o) y T„ — T Ti r, 




T, 1 



x>- 



ti/^'-O 




.w^ 



Fig. 1. 

In der Folge haben wir nun die zwei Fälle JP> Fj 
und F<^Fi9 als principiell von einander verschieden, 
zu erledigen. 

I. F>F,. 

Die Geschwindigkeiten oj und w, in diesen Quer- 
schnitten ergeben sich aus den Formeln: 



(1) 



folgt. Ohne Wärmezu- oder Abfuhrung ist aber: 

Setzen wir diese Werthe in Gleichung (1), so er- 
giebt sich mit Rücksicht auf die Continuitätsgleichung : 

F^ _ ^1 ^ 
Das Verhältniss der Querschnitte 



^1 — _^i ^ _ / P_ \— 



F 



V w, 



\p,} 



\pj \pj 



*— 1 

X 



\Pi/ : 

Schreiben wir der Kürze halber: 

5^=y; f =* und '-»-=«, 

so haben wir jetzt die Gleichung 



(2) 



V'- 



(3) 



einer Discussion zu unterziehen. 
Es folgt zunächst: 

für x = l; 

d. h. wenn die Querschnitte F^ und F gleich sind, so 
sind es auch die Spannungen p^ und p und ebenso die 
Geschwindigkeiten u^ und w, von den Bewegungswider- 
ständen natürlich abstrahirt. 
Hingegen folgt für: 

daher F = Ff^ = Qo. 

Bis hierher wäre noch alles in Richtigkeit; sehen 
wir nun aber, was geschieht, wenn allgemiein: 



347 



II leck, lieber den Ausflugs der permanenten Gase mit Beziehung 



348 



1? 



V 



gesetzt wird; beispielsweise sei: 

Pij=b Atm. 

p =2 

p,^l 
also a = 5 
und X = 2. 

Mit diesen Zahlenwerthen findet sich aus Gl. (3): 

F 

y = y = l,293; 

daher im Allgemeinen, wenigstens vorläufig, 

i\xv p>pi, 
F<F, 

anzunehmen wäre. Hier hätten wir also schon ein ent- 
schieden widersinniges Resultat zu verzeichnen, da sich 
schwer einsehen lässt, dass für p^p^ der Querschnitt 
F kleiner als F^ sein müsse, vielmehr unbedingt das 
Gegentheil davon zu erwarten stand. Wir wollen in- 
dessen vorläufig von diesem Widerspruche absehen und 
vorerst noch den Verlauf der Curve y = f{x) nach 
(iL (3) näher festzustellen trachten. 
Gleichung (3) differenzirt giebt: 






X— 1 *— 1 



— . y a « — a? * 



X — 1 



(4) 



Hieraus findet sich für 



X 



a 



dy 



dx 



OD. 



Die Gerade x=^a bildet also eine Tangente an die 

Curve y = f{x) im Punkte j ' 

(y = 0. 

Die obigen Andeutungen genügen, den Verlauf der 
fraglichen Curve zu beurtheilen und ist letztere hier- 
nach in Fig. 2 verzeichnet. 

Die Form der Curve BCD, welche letztere die 
Curve y = f(x) darstellt, lässt sofort erkennen, dass 
die Ordinate y einen Maximalwerth besitzt; die letz- 
terem zugehörige Abscisse x^^ liefert Gl. (4), wenn 

dy 



dx 



= 



gesetzt wird, und folgt hieraus: 



z,=u{^y-i=o, 



5266 a 



(5) 



Desgleichen wird aus der Figur ersichtlich, dass 
es ausser a; = 1 noch einen zweiten Werth für x geben 




Fig. 2. 

müsse, für welchen y==l wird; man findet in der 
That, dass unter Beibehaltung der obigen Zahlenw^erthe 
auch 

a; = 4,216 

eine Wurzel der Gleichung: 



r a * —»1 



(6) 



ist. Aus dem Ganzen ist aber zu entnehmen, dass das 
Curvenstück -BC in Figur 2 die zu beanstandenden 
Werthe y > 1 liefert , für welche der Quei-schuitt F 
kleiner als F^ wird. 

Um die vorliegende Aufgabe einer naturgemässen 
Lösung zuzuführen, haben wir zu überlegen, ob die 
Punkte B und C nicht zum Zusammenfallen zu bringen 
sind. 

Dies wird der Fall sein, wenn wir das Maximum 
von y auf den Punkt B verlegen, wonach 

zu setzen ist. Gleichzeitig ist dann nach Gl. (5) 

und folglich: 

x + 1 



tfiax 



.« = (?^)x--I = l, 



8990. 



Man findet also für das Verhäitniss — den Mazi- 

Pi 
malwerth: 

max. - = 1,8990 
Pi 

und dieser ist identisch mit jenem, für welchen nach 
der Ausflussformel von de Saint -Venant und 
Wantzel die Ausflussmenge ein Maximum wird. 



349 



auf die Hypothese von de Saint-Venant und Wantzel. 



350 



Zu beachten ist aber, dass das Verhältniss — im 

Sinne dieser Darstellung auch kleiner als 1,9 sein 
könnte; nur grösser darf es nicht werden, ohne gegen 
die Bedingung F^Fy zu Verstössen. Setzen wir 
schliesslich den Werth für max . a in Gl. (2), so findet 
sich das Querschnittsverhältniss 



F 



ist. 



Diese Formel ist zu verwenden, so lange 

Po>P>Pi 



(7) 



IL F, > F. 

Es ist einleuchtend, dass für diesen Fall, wo^^jPi 

sein muss, nicht mehr , sondern - einen Maximal- 

JPi P 

werth annimmt. Im Uebrigen bleibt der Gang der 
Entwicklung derselbe wie früher und erhält man analog: 










woraus 



Po 
fnax. — =^ 



x+ 1\ 



=(-?')-=■. 



= 1,8990 



und damit: 



x-f-l 
2 



(8) 



r ^1 A + ')(1)--Hr) 

folgt, und diese Formel ist zu verwenden, so lange 

t 

Po>Pi>P 

ist. 

Die Formeln (7) und (8) beziehen sich, wie aus 
deren Ableitung hervorgeht, zunächst auf zwei Quer- 
schnitte F und Fy , welche zwischen dem Ausflussge- 
fäss und dem eigentlichen Ausflussquerschnitt gelegen 
sind und hat mau sich daher vom Querschnitt F^ aus 
die Vorlage ins Unbestimmte fortgesetzt zu denken, 
wobei von dem hierdurch auftretenden Leitungswider- 
stande natürlich abzusehen ist. 

Da es sich demgemäss im Querschnitte F^ nur um 
die widerstandslose Ableitung der Ausflussmenge han- 
delt, so wird an der Sachlage nichts geändert, wenn 
man die Vorlage bei F^ abbricht und sich vorstellt, 
dass der Ausfluss in die Luftleere erfolgt. Meines 
Erachtens bleibt der Fall sogar noch dann derselbe, 
wenn man sich den äussern Luftdruck von auf p^ 
anwachsend denkt; blos die Form des ausfliessenden 



Luftstromes wird hierdurch alterirt und die Vernich- 
tung oder Aufzehrung der in ihm angesammelten leben- 
digen Kraft vollzieht sich in anderer Weise. Wird 
schliesslich der äussere Luftdruck grösser als p^, so 
muss von da an auch die Spannung der Luft in der 
Vorlage steigen, wonach das gewöhnliche Ausflirssgesetz 
in Kraft tritt, bei welchem der äussere Druck und jener 
in der Vorlage, vom theoretischen Standpunkte aus, 
gleich sind. 

Selbstverständlich ist die bisher gegebene Darstel- 
lung des Ausflussproblems noch weit davon entfernt, 
eine Lösung desselben zu sein ; dieselbe bietet aber den 
Vortheil, dass die Herleitung des für den Druck in der 
Vorlage bestehenden Grenzwertlies auf einem Wege ge- 
schieht, der natürlicher erscheint, als der bisher einge- 
schlagene, denselben ohne Weiteres mit dem Maximum 
der Ausflussmenge in Beziehung zu setzen, mit welchem 
er a priori in keinem nothwendigen Zusammenhange steht. 

Um eine strengere Lösung des vorliegenden Pro- 

blems zu erhalten, müsste man den Grenzwerth -- 

Pi 

aus den Bewegungsgleichungen der permanenten Gase 
unmittelbar ableiten, ohne weitere Erfahrungssätze odei* 
sonstige, mehr oder minder begründete Annahmen zu 
Hilfe zu nehmen. 

Dieser Weg scheint mir nicht unmöglich zu sein 
und möge deshalb in weiterer Ausführung dieses Ge- 
dankens noch folgende kurze Betrachtung Platz finden, 
welche jedoch Resultate liefert, die mit den obigen 
nicht ganz übereinstimmen, ohne deshalb aber unwahr- 
scheinlicher zu werden. 

Zu diesem Ende wollen wir die Maximalgeschwin- 
^digkeit bestimmen, welche ein Luftstrom von bestimmter 
Temperatur in einer Rohrleitung von gleicher Weite 
annehmen kann. 

Die Bewegung der Luft in einer solchen Rohr- 
leitung wird durch die Gleichungen: 



^ "^ — 
^9 



vdp. 



0) 



V 



'0 "U 

pv = RT 
bestimmt; die Verbindung der beiden ersten giebt: 



-=i+fl(i-C) • • • • 



(9) 



worin 



TT — '*'•' 

ist; die beiden letztern Gleichungen geben: 



351 



II leck, Ueber den Aasfluss der permanenten Gase mit Beziehung 



352 






T.: 



u 



und damit folgt aus Gl. (9): 



0) 



Oi, 



1 + ß 



-f 



i/(-'-fo- 



ß 



To 



(10) 



wobei 



^ 2//o 



ist. Wie leicht nachweisbar, bezieht sich in Gl. (10) 
das positive Zeichen auf /? < 1 , das negative Zeichen 
hingegen auf /^> 1. 

Aus Gl. (10) folgt zunächst: 

für T=T^, 

Dieses Resultat ist darum bemerkenswerth, weil es 
sich anscheinend ganz unabhängig von ß^ also auch un- 
abhängig von der anfänglichen Geschwindigkeit u^ stellt, 
die hiernach sogar oo sein könnte. 

Dies ist aber, genauer betrachtet, keineswegs der 
Fall und lässt sich der Beweis hierfür leicht aus Gl. 
(10) selbst ableiten. 

Setzen wir zu diesem Ende vorerst 

/^<1 

voraus, so lassen sich nunmehr zwei Fälle unterscheiden : 

1) Mit Wärmezufuhr ung, wofür T> T^, ist, erhält 
man: 

80 z. B. wird für den Maximalwerth 



inax 



0) 



ß \ 2 
1 + ^ 



)\, 



CO 



<1. 







2} Mit Wärmeabfühi-ung, wofür T<CTq ist, erhält 
man: 

so z. B. wird für den Minimalwerth 

J-min V, 



a> 



W 



= 1+^>1. 







Beide Fälle sind gleich unmöglich, da bei Wärme- 
zuführung die Geschwindigkeit wachsen und umgekehrt 
bei Wärmeabführung abnehmen muss ; diese Bemerkung 
lässt sich aus den obigen Bewegungsgleichungen folgern, 
ist also diesmal kein blosser Erfahrungssatz. 

Daraus wird der Schluss gerechtfertigt, dass der 
Werth ß <il auch für die adiabatische Bewegung, d. h. 



ohne Wärmezu- oder Abführung, wofür T^=^Tq ist, 
nicht denkbar ist. 

Hingegen überzeugt man sich auf analoge Weise 
leicht, dass der Werth /^> 1 in allen drei Fällen gleich 
möglich ist. 

Aus diesen Betrachtungen lässt sich somit der 
Minimalwerth von ß 



^-- — 2/7o"" 



feststellen, woraus 



max.H, 







l^T, 



folgt. Damit findet sich die grösste Geschwindigkeit, 
welche die Luft bei gegebener Temperatur T^ in einer 
Rohrleitung von gleicher Weite annehmen kann: 



ma^ 



.0,0=^2, -'-?^r, 



A 2x 
während sich nach der frühem Darstellung ans 



• • . (11) 



0) 



2 



^2^,='(^'-^' 



7nax . Mq 



= \/^9V-^T. 



A x+l ^ 

ergiebt. Nach dieser Anschauung würde sich also die 
maximale Geschwindigkeit eines Luftstromes etwas ge- 
ringer als nach der Hypothese von de Saint- Venant 
und Wantzel stellen. 

Setzen wir nun, auf unser ursprüngliches Ausfluss- 
problem zurückkehrend: 

so findet sich allgemein: 

7!) 3x — 1 ^ .^. 

^= 2 r^ ''•*•'* • • • • ^'^^ 

Es handelt sich jetzt nur noch um die Au&tellung 
des Gesetzes, nach welchem sich die Spannung mit der 
Temperatur während der Bewegung ändert und in dieser 
Hinsicht sind nun zwei Fälle zu unterscheiden. 

Wird von den Bewegungswiderständen abstrahirt, 
so ist: 

Dieser Ausdruck in Gl. (12) gesetzt, giebt: 

p^ \ 2x / ' ' 

oder 

in.^ = ^^*'-.)i^i =0,6270 . . . (13) , 
Po \3x— 1/ 



-^-(^) 



X — 1 



max 



mm 



353 



auf die Hypothese von de Saiut-Venant und Wantzel. 



354 



Hiugegen erhielten wir, dem Maximum der aus- 
strömenden Luftmenge entsprechend: 

Ml« . — == 0,5266. 

Po 

Nimmt man aus diesen beiden Werthen das arith- 
metische Mittel: 

MWI. — =0,3768, 

Po 

80 ist dies merkwürdigerweise genau derselbe Werth, 
den Fliegner aus seinen Versuchen gefolgert hat. 

Wenn dieses Resultat auch einer blossen Zufällig- 
keit entspringen mag, so zeigt es doch hinlänglich, 
dass wir uns mit der neuen Anschauung von der Wirk- 
lichkeit nicht weiter entfernen, als die Hypothese von 
de Saint-Venant und Wantzel, wenn auch im ent- 
gegengesetzten Sinne. 

Der Gedanke liegt nun sehr nahe, dass die gefun- 
dene Abweichung von dem Fliegner'schen Grenzwerth 
durch den Bewegungs widerstand veranlasst werde, der 
bisher noch keine Berücksichtigung fand. Um hierüber 
mehr ins Klare zu kommen, benützen wir die von 
Zeuner aufgestellte Widerstandstheorie und setzen für 
den erwähnten zweiten Fall: 






h (?)■•■• 



wobei n <1 X den Ausflussexponent nach Zeuner 's An- 
schauung bedeutet. Damit erhalten wir nun aus Gl. (12): 

Auf Grund der Fliegner 'sehen Versuche haben 
wir nun zu setzen: 

und hieraus findet sich der Ausflussexponent: 

» = 1,3276; 

und weiter der Widerstandscoefficient: 



Es muss zugestanden werden, dass dieses Besultat 
ein relativ sehr befriedigendes ist und sich überdies vor- 
züglich dazu eignet, die bisher zwischen den genannten 
Autoren bestehenden Differenzen auszugleichen. 

Wenn z. B. Emil Hermann (S. 41 der genannten 
Abhandlung) den von Fliegner gefundenen Versuchs- 
weilih 

?ÄI*».-— =0,5767 

JPo 

• 

zu gross findet und weiter die Zeuner 'sehe Wider- 
standstheorie nicht für allgemein giltig hält, weil er 
für cylindrische, innen abgerundete, kurze Mundstücke 
mit Benutzung der Zeuner 'sehen Ausflussversuche bei 
hohem üeberdruck den Ausflusscoefficienten pi = \ er- 
hält, so wird dieses Resultat leicht dadurch erklärlich, 
dass er seinen Berechnungen für diesen Fall die zu 
grosse Maximal - Ausflussgeschwindigkeit , welche der 
Hypothese von de Saint-Venant und Wantzel ent- 
spricht, zu Grunde legt. 

Wenn ferner Fliegner (S. 25 der genannten Ab- 
handlung) aus der Formeh: 



\n + \) 



S 



n 



(n-l)x 



= 0,1784. 



und J 



0,5767 , 

l,u 

1,40, 



also fast undenkbare Werthe für den Ausflussexponenten 
und Widerstandscoefficienten findet, so erklärt sich dies 
aus gleichen Gründen und überdies noch aus der Un- 
haltbarkeit der Relation: 



»M».^^-=- = ( — , - |n — 1, 

Po \n+l) 



welche für abnehmende Werthe von n, also bei er- 
höhtem Widerstände auf wachsende Werthe für jj^, dem 
Drucke in der Vorlage, unmittelbar vor der Mündimg, 
anstatt auf abnehmende führt, wie dies naturgemäss 
sein sollte und auch durch unsere Formel (14) be- 
stätigt wird. 



Olrllingeui«ar XXIII. 



23 



lieber Ventilation und über die Methodik der PrOfang diesbezüglicher Apparat« 
nnd Anlagen, besoi^ders in Eücksicht anf Eisenbahn -Lazarethwagen. 



Von 

Dr. Weiss, 

0. ö. Professor an der k. k. techn. Hochschule zu Brunn. 



lieber Lüftung und Heizung von Eisenbahnwagen von Carl Lang und Gustav Wolffhügel, München bei R. Oldenbourg, 1877. 



Der Aufforderung der geehrten Redaction zu einer 
Besprechung der überschriftlich bezeichneten Brochure, 
eines Separatabdruckes aus der Zeitschrift für Biologie, 
XII. Band, IV. Heft, bin ich hauptsächlich wegen der 
hierbei dargebotenen Gelegenheit zu einer Beleuchtung 
der in dieser Schrift angewendeten Methodik der Prü- 
fung von Ventilationseinrichtungen gern nachgekommen. 

In der That füllt die Darlegung dieser Methodik 
genau die Hälfte des Buches aus, während die andere 
Hälfte eine Beschreibung und Prüfung verschiedener 
Ventilations- und Heizvorrichtungen für Eisenbahn- 
und Lazarethwagen enthält; sie berücksichtigt nicht 
nur die Anwendung auf letztgenannte Fahrzeuge, son- 
dern verbreitet sich auch über die Ventilationsanlagen 
überhaupt, gewährt also ein umfassenderes Interesse. 

An einer durchaus verlässlichen Methode der Unter- 
suchung von Ventilationsappai-aten und Ventilations- 
anlagen gebricht es uns noch. In vorliegender Schrift 
sind ausser den als unzulänglich und nichtssagend nach- 
gewiesenen qualitativen Methoden von den quantitativen 
die anemometrische und die chemische Methode ge- 
schildert und beleuchtet worden, wobei die Achillesferse 
der elfteren beti*eflfs der Geschwindigkeitsdifferonzen in 
ein und demselben Querschnitte eines weiteren Canales 
und betrefl's der Anbringung des Instrumentes in sehr 
kleinen Canälen mit Recht bloss gelegt und deren An- 
wendbarkeitssphäre sachgemäss als eng bezeichnet wird, 
wobei ferner die auf die DifFusionserscheinung gegründete 
chemische Methode das Zuerkenntniss des Vorzuges all- 
gemeinerer Anwendbarkeit und auch das genügender, 
wenn auch noch nicht völlig befriedigender Zuverlässig- 
keit erhält. 

Hierbei kann darauf hingewiesen werden, dass eine 



Combination beider Methoden ein vorzügliches Mittel 
für die Prüfung von grösseren Ventilationsanlagen ab- 
geben würde, indem mit der anemometrischen die ein- 
und ausventilirte Luftquantität und mit der andereu 
Methode die zur Diffusion gelangte Luftmenge fest- 
gestellt, mithin eine Art von Wirkungsgrad oder Güte- 
verhältniss rücksichtlich des herbeigeschafften Luftquan- 
tums und dessen Ausnutzung für die Salubrität aus- 
findig gemacht werden könnte. Allein abgesehen von 
der Schwierigkeit einer bei Anwendung dieser Combi- 
nation erforderlich werdenden Elimination der spon- 
tanen oder sogenannten natürlichen Ventilation sind 
beide Methoden wegen der Mangelhaftigkeit der ver- 
fügbai*en Behelfe zur Zeit noch zu wenig zuverlässig 
und verweisen daher jene Combination in den Bereidb 
der fronmien Wünsche. 

Bei der chemischen Methode ist als diffundirende 
Gasai-t die exspirirte und perspirirte Kohlensäure be- 
nutzt, dagegen der Wasserdampf rücksichtlich der unbe- 
rechenbaren hygroscopischen Quellen und der Schwan- 
kungen seiner physiologischen Entwicklung mit Recht 
für diesen Zweck als untauglich perhorrescirt worden. 

Die Kohlensäure wird als Prüfstein auch der Luft- 
verderbniss, mithin des Salubritätsgrades verwerthet, 
und als Vehikel zur Feststellung des Ventilationsbe- 
darfes angewendet, worüber ich mir zunächst einige 
Bemerkungen erlaube. 



Die Kohlensäure^ der SalubrüäUgrad und der VetMmUvHi- 

bedarf. 

Infolge der Entdeckung der physiologischen Be- 
ziehungen des Sauerstoffes und der Kohlensäure wurde 



357 



Weiss, Ueber Ventilation der Eisenbahn -Jiazareth wagen. 



358 



seitens der Hygiene das Verdict der Gesundheitsgefäbr- 
lichkeit über unsere Wohnräume wegen deren Kohlen- 
säuregehaltes verhängt. Du vergiftest deine Grefangenen, 
du entkräftest deine Soldaten, du degenerirst deine 
heranwachsende Jugend, riefen die Gesundheitspfleger 
dem Staate zu, wenn du nicht aus Gefängnissen, Ka- 
sernen und Schulen die exspirirte Kohlensäure fort- 
schaffst. In einem gereifteren Stadium sachgemässer 
Erkenntniss galten nicht sowohl die Kohlensäure, als 
anderweite Emanationen des Lebensprocesses für die 
Ursachen der Luftverderbniss ; aber man sagte, jene 
Emanationen seien der exspirirten Kohlensäuremenge 
proportional und somit bilde die letztere für die 
Salubrität einen Maassstab. Auch* diese Auffassung hat 
man als trügerisch fallen lassen müssen. Die produ- 
cirten deletären Stoffe sind der entwickelten Kohlen- 
säuremenge nicht proportional. Die sanitäre Qua- 
lität letzterer Quantität ist different je nach der Indi- 
vidualität und namentlich sehr veränderlich mit dem 
Gesundheitszustande der letzteren. Mit anderen Worten, 
reine chemisch dargestellte Kohlensäure kann in relativ 
beträchtlicher Menge anstandslos mit der Luft geathmet 
werden, unreine, exspirirte Kohlensäure verdirbt die 
Luft in verhältnissmässig sehr kleinen Mengen, welche 
mit den Quanten der sie verunreinigenden Stoffe, 
also der wahrhaften Verderbnissursachen, in nur lockerer 
oder so gut wie gar keiner mathematischen Beziehung 
stehen. 

Trotz dieser Erkenntniss und trotz wiederholt ge- 
gebener überzeugender Beweise für das Zutreffen derer 
Consequenzen wirkt die Tradition doch so mächtig, 
dass noch alle Tage Versuche unternommen werden, 
den Ventilationsbedarf mittelst einer hygienisch zulässig 
erscheinenden Kohlensäurequote rechnerisch festzu- 
stellen. 

Auch das vorliegende Buch ist nicht ganz frei von 
der Vornahme solcher Versuche ; aber es lässt doch die 
Blässe des angekränkelten Glaubens an den Erfolg 
derselben erkennen, und dieser erschütterte Glaube 
verwandelt sich sogar in Zweifel und zum Theil in 
eine gesunde Ueberzeugung vom Gegentheil. 

Auf Seite 55 bis 59 wird die Berechnung des Ven- 
tilationsbedarfs aus der sanitarisch zulässigen Kohlen- 
säuremenge vorgenommen, auf Seite 59—63 eine eben- 
solohe Berechnung auf gleicher Grundlage speciell für 
Eisenbahnwagen angestellt, während auf Seite 47 — 52 
rationell und vorurtheilsfrei die Zusammenhanglosigkeit 
zwischen Kohlensäuregehalt und Luftverderbniss aus- 
einandergesetzt wird, und während bei der Anwendung 
der Berechnungsformel auf Eisenbahnwagen ausdrück- 
lich der Nachweis sich vorfindet, dass der zulässige 



Procensatz an Kohlensäuregehalt für diese Wagen ein 
anderer sei, als für Wohnräume oder Krankenzimmer. 

Die Feststellung der erforderlichen Ventilations- 
einheit aus einen bestimmten Kohlensäuregehalt hat 
offenbar nur Werth, wenn dieselbe anwendbar auf alle 
Arten von bewohnten Bäumen ist. Sobald an diese 
Feststellung gewisse, mit der Bauart, der Benutzungs- 
weise, der Benutzungsdauer u. s. w. zusammenhängende 
Cautelen geknüpft werden, so kann die diesbezügliche 
Berechnung gänzlich unterbleiben und an ihre Stelle 
die Bestimmung der Ventilationseinheit auf Grundlage 
bereits existirender Normen aus freier Hand per ana- 
logiam gesetzt werden. 

Diese Behauptung wird durch nachfolgende Be- 
trachtungen unterstützt werden. 

Verschafft man sich ein geometrisches Bild von 
den einschlagenden Beziehungen, indem man die Koh- 
lensäuremengen in p. m. des Luftraumes als Abscissen 
und die zugehörigen Salubritätsgrade als Ordinaten 
aufträgt, so wird man eine Curve (Fig. 1) erhalten. 




Fig. 1. 

deren Verlauf mit den Beobachtungsraitteln der Hygiene 
zur Zeit allerdings noch nicht festgestellt werden kann, 
von welcher man aber so viel weiss, dass sie an irgend 
einer noch nicht genau, jedoch nahezu angebbaren 
Stelle die Abscissenachse durchschneiden und der 
Ordinatenachse sich asymptotisch nähern wird. 

Wie will man nun diejenige Ordinate dieser Curve 
herausfinden können, welche den mittelst der Ventila- 

* 

tion anzustrebenden Sanitätsgrad bezeichnet? Um die 
Schwierigkeit der Beantwortung dieser Frage zu wür- 
digen, möge eine analoge Betrachtung betreffs der 
sanitären Zimmertemperatur angestellt werden. Sind 
die Temperaturen C. als Abscissen aufgetragen und die 
Sanitätsgrade als Ordinaten, so ergebt sich eine Curve, 
welche in nicht zu grossem Abstände zwei Durch- 
schnittspunkte mit der Abscissenachse und eine Maxi- 
malordinate hat. Der Verlauf dieser Curve ist selbstr 

23* 



350 



Weiss, Ueber die Ventilation und über die Methodik der Prüfung diesbezüglicher 



:W0 



verständlich und bekaimtlich verschiedon, je nach dem 
Verhalten und dem Gesundheitszustande des fraglichen 



1 




Fig. 2. 



Zimmerbewohners, immerhin aber würde dieselbe genau 
genug denjenigen Afoscissenwerth ablesen lassen, welcher 
der grössten Ordinate, d. h. dem höchsten Sanitätsgrade 
entspricht, wenn bei der allgemein verbreiteten Kennt- 
niss dieses Werthes überhaupt noch eine derartige 
Feststellung nöthig wäre. 

Die Curve der Fig. 1 bietet dagegen gar keine 
Anhaltspunkte dar. Eine grösste Ordinate von end- 
lichem Betrage kommt bei ihr nicht vor. Die von 
Pettenkofer getroffene Wahl der zu der Abscisse 0,7 bis 
1 p. m. gehörigen Ordinate ist nur ein Compromiss 
mit dem für gewöhnlich Erreichbaren, da der der 
grössten Ordinate entsprechende Zustand, der höchste 
Sanitätsgrad, nur mit einer unendlich grossen Venti- 
lationseinheit erhalten werden könnte. Auch wurde 
der Verlauf dieser Curve, sofern überhaupt von einer 
Feststellung desselben die Bede sein kann, nicht nach 
Maassgabe von eigentlich hygienischen Forschungen, 
sondern auf Grund eines schätzungsweisen Dafürhaltens 
ermittelt. 

Zu Beobachtungen herangezogene Personen sind 
nach ihrem Urtheile über die Luftverderbniss befragt 
und hiernach ist der zuzulassende Kohlensäuregehalt 
normirt worden. Aus den betreffenden Darlegungen auf 
Seite 61 ist zu ersehen, dass bei diesem Urtheile eine 
geringe Temperaturverschiedenheit verwirrend gewirkt 
hat, ein Beweis mehr dafür, dass der Kohlensäurege- 
halt an sich nicht einen zuverlässigen Maassstab dar- 
bietet. Die Gewöhnung, beziehentlich die Verwöhnung 
spielt hierbei eine noch hervorragendere Rolle, und es 
ist vorauszusehen, dass die heute für erträglich befun- 
dene Beimischung yon 0,7 bis 1 p. m. nach einiger 
Gewöhnung für unangenehm, widerlich und unerträg- 
lich gehalten werden wird. Es wächst der Mensch mit 
seinen Zwecken. Der Appetit kommt beim Essen. Eine 



andere, ebenfalls sauitarische Einwirkung und zwar 
eine solche, welche der Kohlensäurebeseitigung gewisser- 
massen entgegenläuft, begrenzt aber ein solches Anwach- 
sen, und diese ist es daher, welche mit in Rech- 
' nung gezogen werden muss. Ich meine den Luftzug 
oder Zugwind, dessen von den Verfiissem auch sehr 
wohl gedacht wurde, jedoch in anderem als hier von 
mir aufgefisisstem Sinne. 

Ein geometrisches Bild wird auch diesflalls das von 
mir Gemeinte am übersichtlichsten veranschaulidien. Die 




Fig. 3. 

Abscissen in Fig. 3 geben die Ventilationseinheiten, d. L 
die stündlich pro Person einzuführenden Luftmengeu in 
Cubikmetern an, die Ordinaten der ausgezogenen Curven 
die Saiiitätsgrade rücksichtlich der Luftreinheit, und 
diejenigen der punktirten Curven die Sanitätsgrade 
rücksichtlich des Zugwindes an. Die Curven werden 
einen abweichenden Verlauf haben, je nach der Zimmer- 
temperatur, was in der Skizze dargestellt ist. Die- 
selben werden aber auch einen abweichenden Verlauf 
haben, je nach dem Feuchtigkeitsgehalte und je nadi 
den Umständen jedes singulären Falles. Die ausge- 
zogenen Curven werden innerhalb ihrer ganzen Aus- 
dehnung höher über der Abscissenachse liegen, &lls 
der Aufenthalt im bewohnten Räume nicht, wie hier 
angenommen wurde, ein langandauemder ist, und 
die puuktii*ten Curven werden nicht nur hiemach* 
sondern auch gemäss der Grösse des pro Persan vor- 
handenen Horizontalschnittes des Locales ihre Lage 
ändern. Unter Zug oder Zugwind ist nämlich hier 
nicht die Wirkung eines isolirten Luftstromes, sondern 
diejenige der Bewegung der gesammten Ziramerluft ver- 
standen, wie eine solche bei Ventilationsanlagen im 
Winter nahezu entstellt, falls dahin gewirkt wird, daB6 
die oben unter Deder cke eingeleitete Luft mSglichsl 
gleichmässig nach abwärts sich bewegt, mn in Niveau 
des Fussbodens wieder abgeleitet zu werden^ 



•%1 



Apfiarate miil Anlagen, besonders in RQdcsicht auf Eisenbahn-lAzarethwagen. 



362 



Die sanitarlsche Wichtigkeit der Einwirkung auch 
einer solchen Luftbeweguiig wird ebensowenig wie die- 
jenige eines isolirten Strahles beetritteu werden. Der 
Laie erfasst den Begriff der Ventilation meistens nur 
in diesem Sinne. Er empfindet den Mangel der Ven- 
tilation, wenn in einem überhitzten Locale die ent- 
wärniende Luftbewegung fehlt, und er klagt ohne be- 
sondere Beachtung einer etwaigen Kohlensäureanhäufung 
über das Vorhandensein der Ventilation, wenn er sich 
in einem zu kalten Räume der Lufibewegung exponirt 
fühlt Diese Klagen sind allerdings zum Theil auf das 
Conto einer ungenügenden Beheizung und zwar posi- 
tiven, wie negativen zu schreiben; aber ein ansehn- 
licher Theil davon trifft die Ventilation, indem dieselben 
auch für den Fall einer völlig constant wirkenden Hei- 
zung verlautbart werden. 

Das Schlagwort : „wenn ventilirt wird, so zieht es, 
und wenn es nicht zieht, so fehlt die Ventilation*', ob- 
gleich keineswegs durchaus zutreffend, hat doch Exi- 
stenzberechtigung. Als 'es, wie auf Seite 82 berichtet 
wird, dem Belieben der Insassen überlassen war, die 
Luftschieber (Jalousien) über den Fenstern des Wagens 
zu öffnen oder zu schliessen, fand das Letztere statt. 
Die Leute wollten also lieber unreine Luft als Zug- 
wind ertragen. In der That ist die selbst bei geschlos- 
senen Fenstern entstehende Zugluft die gefurchtetste 
Beigabe einer Eisenbahnfahrt; sie wird meistens nur 
behufs der Kühlung ertragen; in einem geschlossenen, 
aber kühl erhaltenen Coupe befinden sich die Reisenden 
häufig am behagliclisten. 

Angenommen nun, für einen singulären Fall seien 
eine punktirte und eine ausgezogene Curve der Fig. 3 
festgelegt, so würde die Ordinate des Schnittpunktes 
beider den bestmöglich zu erreichenden Salubritätsgrad 
und die zugehörige Abscisse die sanitarisch zweck-^ 
massigste Ventilationseinheit angeben, bei deren end- 
gültiger Feststellung übrigens, nebenbei bemerkt, der 
Techniker immer noch die Ausführbarkeit, sowie 
den Finauzpunkt der Ausführung in Rechnung zu 
ziehen hat. 

Wie aber soll die Ermittelung dieser hier nur 
nach abschätzendem Gutdünken für eine etwas zu nie- 
dere und zu hohe Zimmertemperatur beziehentlich von 
t = lb und ^= 25'^ C. verzeichneten Curven vorgenom- 
men werden? 

Will man sich nicht mit einer Appellation an die 
Geruchsorgane oder an das mehr oder weniger gut ge- 
launte Gefühl des allgemeinen Wohlbehagens begnügen, 
sondern die hygienischen Wirkungen erforschen, so ist 
schon die Ermittelung der ausgezogenen, von dem Rein- 
heitsgrade der Luft dependirenden Curve äusserst 



schwierig. Noch mehr Mühe wird die Herbeischaffung 
der Unterlagen zur Verzeichnung der punktirten Curve 
verursachen. Diese Unterlagen werden die bei gege«- 
benen Temperaturverhältnissen entstehenden sanitären 
Einwirkungen verschiedener Luftgeschwindigkeiten sein. 
Aber ein einzelnes Versudisobject wird zur Ermittelung 
derselben keineswegs genügen. Wie verschiedenartig 
werden die Individuen vom Zugwinde afficirti Es gibt 
Leute, welche ohne Empfindung von Zugwind sogar in 
einem wohlgeheizten Zimmer nicht eine geöffnete Schrank» 
thüre sehen können, geschweige denn die Mündung 
eines Ventilationscanals. Kommen solche krankhaft 
überreizte Naturen hier auch nicht eigentlich in Frage, 
so bilden sie doch die Grenze einer ausgedehnten Stufen- 
reihe von Eigenartigkeiten, welche bis zu jenem robu- 
sten Landmann reicht, der mit Behagen und ohne die 
geringste Beeinträchtigung seiner Gresundheit behüft 
Befriedigung seines Entwärmungsbedürfnisses die Zug» 
luft einer beiderseitig geöffneten Hausflur aufsucht. 

Einige Beobachtungen über die Einwirkung der 
Luftbeweguug in Wohnräumen auf die Sanität sind 
wohl schon angestellt worden. Auch auf Seite 6 und 
7 vorliegender Schrift finden sich Resultate solcher 
Beobachtungen vor. Aber diese ersten Anfänge geben 
noch keineswegs nur einigermassen genügenden Auf- 
schluss; genau und ohne innerhalb erheblich weiter 
Grenzen zu schwanken, werden die Resultate gemäss 
der Natur der Sache nie ausfallen können. Angesichts 
dieser Erkenntniss sollte man sich daher hüten, An- 
gaben zu machen und Vorschriften zu geben, welche 
den Schein der Exactheit verbreiten. 

Die Liebhaberei oder auch die Unbedachtsamkeit, 
einer Zahl durch Anbringung von Decimalstellen eine 
mathematisch scharf geschnittene Physiognomie auch in 
solchen Fällen zu ertheilen, in welchen die physika- 
lischen, chemischen oder physiologischen Grundlagen 
der mathematischen Behandlung allerhöchstens zu einer 
ehrlichen runden, ganzen Zahl fuhren können, sollte 
ernstlicher gezügelt werden; die Pallasmaske an Stelle 
der echten Minerva verstimmt den Sachkenner und 
verwirrt den Anfänger. 

Der in dieser Sentenz enthaltene Vorwurf soll 
allerdings gegen einige andere den Gegenstand behan- 
delnde Schriften, und nicht gegen die vorliegende ge- 
richtet sein. Jedoch streift er dieselbe immerhin etwas. 

Denn das für die Ventilationseinheit von Eisen* 
bahnwagen eruirte und mit gesperrtem Druck hervor- 
gehobene Hauptresultat (S. 62), gemäss welchem diese 
Einheit 21, beziehentlich 38 Cubikmeter betragen soll, 
hätte wohl ebenso richtig die runden Ziffern 20 und 
40 enthalten können. 



363 



Weiss, Ueber die Ventilation und über die Methodik der Prüfung diesbezüglicher 



3Ö4 



Uebrigens mag noch bemerkt werden, dass, wenn 
die als sanitarisch zulässig ermittelten und bezeichneten 
Quoten des Eohlensäuregehaltes auch als schätzbares 
Material zu allgemeinen Beurtheilungen in gewissen 
Fällen immerhin verwendet werden können, dieselben 
zur Berechnung des Ventilationsbedarfs auch deshalb 
nicht durchweg benutzt werden dürfen, weil letzterer 
sehr häufig in höherem Grade nach Maassgabe der 
entwickelten physiologischen Wärme festgestellt werden 
muss. 

IHe Kohlensäure als Maassstab für die fnteimtät der statt- 
gehabten Ventilation, 

In dem Bisherigen habe ich von dem Kohlensäure- 
gehalte in Rücksicht auf eine Feststellung der Venti- 
lationseinheit a priori gesprochen; derselbe dient aber 
auch zur Feststellung der Ventilationsgrösse a posteriori. 
In diesem letzteren Sinne, also zum Messen der in 
einem Beobachtungsraum eingedrungenen Luftmenge, 
wurde der Kohlensäuregehalt auf Grund eines genialen 
Gedankens zuerst von Pettenkofer bestimmt. Denn 
die Messung mittelst Anemometer ist überhaupt nur 
anwendbar, wenn die Luft lediglich in Canälen zu- 
und abströmt und ist auch diesfalls unzuverlässig, weil 
stets ein beträchtlicher Luftwechsel auf dem Wege der 
Thür- und Fensterfugen, sowie der Permeabilität der 
Mauern stattfindet. 

Auch in vorliegender Schrift ist zumeist nur in 
diesem Sinne von der Ermittelung des Kohlensäure- 
gehaltes die Rede. Denn namentlich bei Eisenbahn-r 
wagen, welche an ihren Umfassungswänden viel Un- 
dichtheiten aufzuweisen haben , würde die Anwendung 
des Anemometers trügerisch, wenn überhaupt angängig 
sein. 

Jedoch auch in diesem Sinne begründet die Be- 
stimmung der Kohlensäure einen Genauigkeitsgrad, 
welcher leider noch Manches zu wünschen übrig lässt. 
Dieser mangelhaften Genauigkeit ist in vorliegender 
Schrift sehr wohl gedacht worden; sie wird an meh- 
reren Stellen mit Betonung hervorgehoben. Allein es 
handelt sich hier nicht, gemäss dem auf Seite 31 ge- 
äusserten Schlussausspruche, um Abweichungen „ um 
ein Weniges", oder „um gewisse kleine Fehler'*, son- 
dern um sehr beträchtliche Divergenzen, wie aus Nach- 
folgendem hervorgehen wird. 

Die bei dieser Methode verwendbaren mathema- 
tischen Formeln sind schätzenswerther Weise auf Seite 
27 bis 45 rücksichtlich ihrer Allgemeingültigkeit oder 
der Grenzen ihrer Anwendbarkeitssphäre gründlich be- 
sprochen worden. Es hat sich dabei ergeben, dass die 



mit Seidel II bezeichnete Formel die allgemein gül- 
tigste ist. 

Dieselbe kann gemäss S. 37 geschrieben werden: 

e{pi — a) — k(l—p^) 



logn. 



n 



= -{e + k),T 



(1) 



c{p2 — a) — ^(1 

Hierin bedeutet: 

c die Ventilationseinheit oder das für jedes Indivi- 
duum stündlich eingeleitete Luftvolumen in 
Cubikmeter. 

k die von jedem Individuum stündlich producirte 
Kohlensäuremenge in Cubikmeter fauf gewöhn- 
lichen Luftdruck und mittlere Temperatur re- 
ducirt). 

n Anzahl der im Locale aufhältlichen Individuen. 

m Grösse des Luftraumes des Locales in Cubikmeter. 

^,, |7^, a Kohlensäuregehalt beziehentlich zu An&ng 
und zu Ende der Beobachtung, sowie der 
äusseren oder zuströmenden Luft in jedem Cu- 
bikmeter in Cubikmeter (wobei angenommen 
werden muss, dass der Kohlensäuregehalt sepa- 
rirt und auf die Spannung und Temperatur 
des Locales gebracht sei). 

T Zeitraum der Beobachtung in Stunden. Gegen- 
über dem Original ist hier nur die Abweichung 

beliebt, dass für die Grösse c eingeführt 

wurde. 

In der That ist diese Formel von allen übrigen 
angegebenen die einzige allgemein gültig correcte. 
Uebrigens schon, wenn auch mit anderen Bezeichnungen 
und in abweichender Gestalt, in Redten bacher's 
„Maschinenbau II, 1863, S. 391", femer in Erbkam's 
^»Zeitschrift ifür Bauwesen 1872, S. 226" (Beitrag zur 
Ventilationsfrage von L. Pinzger), sowie auch ange- 
nähert in den „Memoires de l'Academie imperiale des 
sciences de Saint-Petersbourg, VII serie, T. VI, 1863" 
(Betrachtungen über Ventilation in unsem Klimaten 
von E. Lenz) enthalten, ergiebt sie sich auch aus einer 
Ableitung, bei welcher das Mariotte-Gay-Lussac'- 
sche und das die Spannungsverhältnisse der Diffusions- 
erscheinung regelnde Dal ton 'sehe Gesetz ausdrück- 
licher zur Anwendung gebracht wird. Vernachlässigt 
ist bei ihrer Herleitung nur der hygroscopische Zu- 
stand, beziehentlich die Wasserdampfproduction der 
Individuen. Eine auch dieses Zubehör würdigende 
Formel habe ich vor etlichen Jahren aufgestellt, von 
einer Publication eines dieselbe enthaltenden Manu- 
scriptes aber Abstand genommen aus (jründen, welche 
mir auch die vorliegend besprochene Methodik der 



365 



Apparate und Anlagen, besonders in Rflcksicht auf Eisenbahn-Laacarethwagen. 



me 



Piüfung Ton Veutilatiousanlagen nicht genügend zu- 
verlässig erscheinen lassen. 

Soll aus Formel (1) die Ventilationsgrösse ermittelt 
werden, so ist es gemäss den auf S. 37 — 39 gegebenen 
Darlegungen rechnerisch am bequemsten, dieselbe in 
folgende drei Ausdrücke aufzulösen, nämlich: 

T 

^ = 0,43429. wife(l — a) (2) 



m 



«— -Pi_ 9 



w 



%.^;^= -^ (3) 

c^=k.~ 

% — a 

Hierin bedeutet z eine mittelst Probirens aus den 
letzten beiden Ausdrücken zu bestimmende Zahl, wel- 
cher übrigens eine bestimmte, weiter unten besprochene 
Bedeutung beigelegt werden kann. 

Vorausgesetzt nun, als beobachtete Grössen seien 
gefunden : 

»»== 7,0864; M = 8; ^i = 0,000524; 
p^ = 0,001 19 : T= 0,1 ; 

so berechnet sich unter den Annahmen: 

a = 0,0002 ; k = 0,02 ; 

, 2 — Pi . 0,00119006 — 0,000524 

log. — — =^- log. ;r— - — TT = 4,04582, 

2 — Pi 0,00119006 — 0,00119 ' ' 



0,004 



— =4,0404, 



Z — a 0,001 19006 — 0,0002 

1 — 0,00119006 
(. = 0,02^ ^ =r20,l. 

' 0,00119006 — 0,0002 

Wird dagegen für dieselben Beobachtuugsgrössen 
angenommen : 

a = 0,0002 ; k = 0,04 ; 

so entsteht: 

jj_« 0,0011900000055 — 0,000524 

log. ^^=zlog. ^ - ^ =8,080, 

%- Pi 0,0011900000055 — 0,00119 



0,008 



% — a 0,001 1 900000055 — 0,0002 
1 — 0,0011900000055 



= 8,080, 



= 40.5, 



(• = 0,04^ 

' 0,00 1 1 900000055 — 0,0002 

und für die Annahmen: 

Ä = 0,0006; ^=0,04 

entsteht: 

g — -, 0,0011900000000000124 — 0,000524 

log.- ^^=log.-^ ir- = 13,7299, 

^ % — p^ ^ 0,0011900000000000124 — 0,00119 



0,008 



% — a 0,001 19000000000001 »4 — 0,0006 



= 13,72^9, 



1 — 0,0011900000000000124 

(•=z=0,04- ' = 67,7. 

0,001 19000000000001M — 0,0006 

Aus dieser detaillirt vorgeführten numerischen Be- 
rechnung, bei welcher die Berechenbarkeit, wenn 
auch nicht der Formel (4), so doch der Formel (3) von 
der Genauigkeit sogar der letzten der für den Betrag z 
angegebenen vielen Decimalen abhängt, ersieht man zu- 
nächst, dass die Anwendung dieser Methode, abgesehen 
von der Beschaffung der auf chemischem Wege zu 
erhebenden Beobachtuugsgrössen, auch rechnerisch nicht 
eben mühelos ist. Dabei kann noch dai*an erinnert wer- 
den, dass gleichfalls die Grösse m nicht etwa einfach 
der glatte Rauminhalt eines Locales, eines Eisenbahn- 
coupe's ist, sondern dieser Inhalt nach Abzug der Vo- 
lumina der darin befindlichen Möbeln, Betten, Sessel» 
Sitze, Personen u. s. w., und dass eine an m haftende 
Ungenauigkeit in gleichem Grade, wie ein an T be- 
gangener Fehler sich rächen würde. Aber ganz ab- 
gesehen von diesen für den geübten Rechner immerhin 
leicht besiegbaren Schwierigkeiten, kann das zu erzielende 
Resultat, die zu eruirende Ventilationseinheit c, wie zu 
erkennen ist, über zwei und dreimal zu gross ausfallen, 
je nach den Annahmen, welche man betreffs der Grössen 
a und h einfuhrt. 

Gemäss den in vorliegender Schrift selbst, nämlich 
auf Seite 29, enthaltenen Angaben schwankte in 
München die Grösse a zwischen 0,oooi5 und 0,ooo69; 
im Allgemeinen liegen diese Grenzen noch beträchtlich 
weiter auseinander. Ich habe bei vorstehenden Be- 
rechnungen jedoch nur 0,ooo2 und 0,ooo6 angenommen. 

Gemäss den ausgezeichneten Messungen Petten- 
ko f er 's mittelst dessen genial erdachten und construirten 
Respirations- Apparates ergab sich, dass bei mittlerer 
Kost im wachenden Zustande bei einem ruhenden, 
schwächlichen Schneider A; = 0,ooi68 ausfiel, bei einem 
ruhenden kräftigeren Manne A; = 0,oo226 und bei letz- 
terem , falls er arbeitete , k = 0,00363 (siehe Seite 28). 
Nach Breiting betrug für Knaben i = 0,ooi3 oder 
Ä = 0,0017, je nachdem dieselben gewöhnlichen Schul- 
unterricht oder Singstunde hatten (Seite 30), 

Wegen der Unbestimmtheit dieser anzunehmenden 
Werthe a und k führt diese Methode mithin auf Re- 
sultate, deren Divergenz bei günstigeren Annahmen für 
n, m und T allerdings nicht so drastisch, wie in vor- 
stehender Berechnung hervortreten wird, welche aber 
doch sclüechterdings zu ungenau sind. 

Sie steht hinsichtlich des individuell so verschie- 
denen Werthes k etwa auf gleicher Höhe mit jener 
veralteten. Messmethode von Längengrössen, bei welcher 
der natürliche und subjectiv verschiedene Schritt als 



367 



Weiss, üeber Yentilatiou und über die Methodik der Prüfung diesbeaüglicher 



368 



Maasseinheit galt, ja diese letztere könnte sich sogar 
einer beträchtlich grösseren Genauigkeit rühmen. 

Mindestens scheint mir die Nöthigung vorzuliegen, 
eine chemische Ermittelung auch des Werthes a vor- 
zunehmen. Bei Anwendung auf Eisenbahnwagen würde 
zu diesem Zwecke ein Experimentator in einem andern 
als dem untersuchten Coupe des Zuges sich aufhalten 
können und hier mit aus dem Freien aufgefangenen 
Luftproben von Zeit zu Zeit betreflFende Erhebungen 
vorzunehmen haben. 

Aber auch der Werth Je muss schärfer als durch 
schätzungsweise Annahmen fixirt werden. Man könnte, 
was ja auch aus vielen anderen Gründen nur als ein 
Vortheil bezeichnet werden darf, alle anderen Individuen 
als die dringend erforderlichen Beobachter von dem 
Beobachtuiigsraum fern halten, in dem letzteren je- 
doch eine Kohlensäurequelle anbringen, deren Ergie- 
bigkeit genau ermittelbar wäre. Der Einwand, dass 
diesfalls ein Urtheil über das Verhältniss des Eohlcn- 
säuregehaltes zu dem Grade der Salubiität mittelst der 
Nase oder der Empfindung des Wohlbehagens ausge- 
schlossen sein würde, ist wegen der bereits weiter oben 
dargelegten Gründe betreffs der Nichtigkeit dieses Ur- 
theils nicht stichhaltig. Aber es bliebe auch diesfalls 
immer noch derjenige Fehler übrig, welcher aus der 
betreffs der auf die Beobachter entfallenden Quote von 
n.k einzuführenden, willkürlichen Annahme entsteht. 
Ich habe daher über die Räthlichkeit der Verwendung 
eines ganz anderen Gases, als der Kohlensäure, nach- 
gedacht und von Chemikern die Möglichkeit der dies- 
bezüglichen Anwendung des Stickstoflbxydulgases nicht 
bestritten gefunden. 

Auch hält mein College, Hen* Prof. Dr. Haber- 
mann, die Erfindung einer Vonichtung, welche, in 
dem Beobachtungsraunie angebi^acht, den I^rocentsatz 
des jeweiligen Stickstoffoxydulgasgehaltes, sofern letz- 
terer in fortwährendem Anwachsen begriffen ist, schnell 
ermitteln lässt, keineswegs für undenkbar. 

Im Falle des Gelingens einer solchen Ei-findung 
brauchte der Untersuchungsraum gar nicht betreten, 
sondern könnte mittelst Glasfenster einer Beobachtung 
unterzogen werden. Aber auch anderen Falls würde 
das Betreten des Raumes behufs Entnahme einer Luft- 
probe vermieden oder auf eine sehr kurze Zeitdauer 
eingeschränkt werden können, so dass selbst über jene 
Grenzen, welche von der Athembarkeit des in gewisser 
Verdü n nuug respirationsfähigen Stickstoffoxydulgases 
vorgezeichnet werden, das Experiment ausgedehnt wer- 
den dürfte. 

Unter diesen Umständen würde dann Formel (1) 
in der Gestalt: 






(5) 



zur Anwendung kommen, sofern: 

C das stündlich ein- und ausventilirte Luftvolumeu 
in Cubikmeter, 

K das stündlich entwickelte Stickstoffoxydulgas in 
Cubikmeter 

bedeutete. Die Betlieiligung des Werthes a an der 
Berechnung bliebe selbstverständlich ausgeschlossen. 

Soll auf Ermittelung von Momentanwerthen der 
Grösse (7, wie sie in vorliegender Schrift behufe Fest- 
stellung des Unterschiedes der Wirkungen auf der Sta- 
tion und während der Fahrt erhoben wurden, ver- 
zichtet werden, so vereinfacht sich auch die Berechnung 
sehi* erheblich. 

In der Gestalt: 



+ ^"6'+J 



geschrieben, lässt nämlich Formel (5) erkennen, dass 

T 

bei einigermassen grossen Beträgen von (C+K) die 

Grösse p^ nahezu den Werth 



m 



annimmt, einen Grenzwerth, welchen sie genau erst für 
T=Qc eiTeicht. 

Wird Fonnel (1) analog (6) geschrieben: 






1 



a.c + ki .^(c^ kf .T 



m 



so erj^iebt sich mit den Annahmen: 

a = 0,0004 ; p^= 0,0004 ; k = 0,025 

nachfolgende tabellarische Zusammenstellung: 



n 


0,2 


1 0,4 

1 


0,6 0,8 1 2 

1 


00 


0,01 
30 

1 


44 


50 


55 


58 


60 . 79 


124 


123,8 


123,99; 


123,99 

55 


123,99 


123,99 123,99, 


124 


. 0,01 
fiO i 

i 1 

1 


45 


49 ' 


57 59 


69 


82 


81,9 


81,9 ; 


81,9 


81,9 81,9 . 81,9 

1 1 


82 


0,01 

1 90 ', 


45 


48 i 


51 


53 


54 58 

i 


60 


I 


. 1 


59,9 


59,9 


59.9 ' 

1 


59,9 


59,9 


59,» 

t 


60 



369 



Apparate und Anlagen, besonders in Rücksicht auf fiisenbahn-Lazarethwagen. 



370 



Hierin sind die Tabellenziffern die Beträge Ton 
lOOOOOi?^ für die Ventilationsgrössen c = 20, =60, 
= 120 Cubikmeter, für die Beobachtungszeiten 0,2; 

0,4 u. 8. w. Stunden und für die Werthe - =0,oi 

m 

und = 1. Der erste der letzteren Werthe passt für 
den Fall, dass jedem Individuum ein Aufenthaltsraum 
von 100 Cubikmeter dargeboten ist, also für ein mittel- 
grosses Wohnzimmer. Der Werth — =1 entspricht 

dagegen dem Falle eines nicht sehr hohen, aber trotz- 
dem dicht gedrängt besetzten Saales. Angenähert passt 
letzterer auch auf ein gut besetztes Eisenbahncoupe. 

Die letzte Verticalcolumne giebt die Werthe an, 
welche der Formel (7), beziehentlich der analogen 
Formel : 

100000;?2 = 100000^^^^-^ .... (9) 

entsprechen. Wie zu ersehen, werden diese Werthe bei 

relativ grossen Raumverhältnissen, also bei - -=0,oi, 

m 

erst nach Verfluss mehrerer Stunden Beobachtungszeit 

nahezu erreicht, entstehen aber bei relativ kleinen 

Raumverhältnissen, also bei — = 1 , sehr angenähert 

tn 

schon nach Verlauf von 0,2 Stunden, also 12 Minuten, 

Beobachtungsdauer. 

Ein zum Lazarethwagen eingerichteter Güterwagen 

würde etwa einen Werth — =0,2 bis 0,25 liefern, und 

m 

daher würde, wie ebenfalls aus obiger Tabelle mittelst 
einer kleinen Zwischenrechnung zu entnehmen ist, der 
Grenzwerth von Formel (8) schon nach Verlauf von 
0»6 bis 0,8 Stunden, oder 36 bis 48 Minuten, nahe ge- 
nug erreicht werden, ja man könnte diese Zeitdauer 
ohne Furcht vor Ungenauigkeit , recht wohl noch be- 
trächtlich einschränken. 

Wird daher die Beobachtungsdauer nicht geringer 
angenommen, so kann unbedenklich Formel (9) in An- 
wendung kommen; es folgt aus derselben: 

<' = i^.'t (10) 

Zur Ermittelung der Ventilationsgrösse c braucht 
also diesfalls die Bestimmung von m und T nicht vor- 
genommen zu werden. An Stelle derselben könnte zu 
wesentlicher Steigerung der Genauigkeit die Bestimmung 
von a treten, und noch genauere Resultate würden 
durch Anwendung der Formel (7) in der Gestalt: 



C=(^ i)kco— . . . . 



(11) 



erhalten werden können, sofern geschildertermassen statt 
der Kohlensäure eine zum Messen geeignetere Gasart 
benutzt wurde.*) 

Auch mag noch auf eine weitere Vereinfachung 
aufinerksam gemacht werden. 

Formel (10) kann auch geschrieben werden: 

0= y-y-^^ .h (12) 

y^Pi—y-^ 

Legt man nun der Grösse / die Bedeutung des 
Gewichtes eines Cubikmeters Kohlensäure bei der Pres- 
sung und Temperatur der Beobachtungszeit unter, so 
kann gemäss der Bedeutung von p^ und a hierfür ferner 
geschrieben werden: 



V 






?1 



(13) 



sofern bedeutet: 

V das Volumen der zur. Untersuchung m die geaichte 
Flasche gefüllten Luft des Locales in Cubikm. 

y, dasjenige aus dem Freien, nachdem es auf die 
Temperatur des Locales gebracht ist, 

q die totale Gewichtsmenge der in v aufgefundenen 
Kohlensäure in Kilogr., 

q^ diejenige, welche in v^ aufgefunden wurde. 

Nun kann aber rücksichtlich der Unbestimmtheit 
von h dem Betrage y ein auf Grund einer einzigen 
Barometer- und Thermometerbeobachtung berechneter, 
oder auch ein ohne jedwede besondere Beobachtung 
und Berechnung angenommener constanter Werth bei- 
gelegt werden. Oder es kann, immer mit Rücksicht 
auf die Unbestimmtheit von A, völlig genau genug statt 
13 geschrieben werden: 



9 9i 



9 9i 



■ (14) 



V 



ClTiUnfeniaar XXIII. 



*) Es kann bemerkt werden, dass Formel (10), welche 

k 
genau genug auch c = geschrieben werden darf, genau mit 

deijenigen abereinstimmt, weiche in vorUegender Schrift auf S. 57 
die Schul ze-Märcker'sche genannt wird. Letztere ist an be- 
zeichnetem Orte zur Feststellung der YentUationsgrösse a priori 
aus einem für Ä; und p, angenommenen Betrage verwendet. Gegen 
die Genauigkeit der mathematischen Resultate kann, sofern 
lediglich diecontinuirliche VentUation in Frage kommt, daher 
nichts eingewendet werden. Ferner geht aus einem Vergleiche 
von (10) mit (4) hervor, dass die Zahl z nichts anderes ist, als 
der Grenzwerth von p, welcher für den Fall erreicht wird, dass 
die Ventilation unter gleich bleibenden Verhältnissen sehr lange, 
eigentlich unendlich lange, fortgesetzt wird. 

24 



371 



Weiss, Ueber Ventilation und über die Methodik der Prüfung diesbezüglicher 



372 



indem unter: 

A^i nicht das Volumen, sondern das Gewicht der 

stündlich von jedem Individuum entwickelten 

Kohlensäuremenge in Kilogr. 
verstanden wird. Endlich kann noch einfacher, indem 
stets Vi=v gewählt wird, statt (14) geschrieben werden: 



oder auch: 



c = 

9 — 9i 



(15) 



(16) 



«ofem : 

Kl die totale, von einer genau messbaren Quelle aus- 
gegangene Kohlensäuremcnge in Kilogr. 
bedeutet; und diesfalls, wie auch bei Anwendung von 
(14), entfällt jedwede Barometer- und Thermometer- 
beobachtung, und man braucht nur für ein gewisses 
gewähltes v die Gewichtsquantitäten q und q^ zu be- 
stimmen, um sofort den gesuchten Werth c so gut wie 
mühelos berechnen zu können. Dass hierbei, wenn die 
Flasche im Freien mit deni Volumen v gefüllt wird, 
dieses Volumen im Innern des Versuchsraumes bis auf 
des letzteren Temperatur sich erwärmen und mittelst 
Oeffnens eines Quetschhahnes seine sich steigernde Span- 
nung ausgleichen können muss, braucht wohl kaum 
erwähnt zu werden; aber es mag bemerkt sein, dass 
der Genauigkeitsgrad nicht messbar beeinträchtigt wird, 
wenn auch hierbei das Thermometer ausser Spiel ge- 
lassen bleibt. 

Wie aus dem Bisherigen hervorgehen wird, ver- 
spricht diese zuletzt geschilderte Methode und Berech- 
nung trotz ihrer bedeutend grösseren Einfachheit in 
Anwendung auf Eisenbahncoupe 's und Lazarethwagen 
einen weit höheren Genauigkeitsgrad, als die in vor- 
liegender Schrift durchgeführte, so lange als ein einiger- 
massen kräftigvvirkender Ventilationsapparat, der über 
20 Cubikmeter stündlich p. Individuum fordert , unter- 
sucht werden soll und so lange als von der Ermittelung 
von Momentanwerthen abgesehen und die Beobachtungs- 
zeit T auf 20, 30 oder gar 50 Minuten ausgedehnt wird. 

Jedoch würde für geringere Zeitgrössen und für 
wenig intensiv wirkende Ventilationseinrichtungen auch 
Formel (7) analog (10) und (15) für eine vereinfachte 
Beobachtungsmethode herzurichten sein, während für 
eine wahrhaft zufriedenstellende Methode die Anwen- 
dung von Formel (6), beziehentlich (11) in Kraft zu 
treten hätte. 

Kann betreflfs der Intensität eines zu untersuchen- 
den Apparates gar keine Voraussetzung gehegt, oder 
muss, etwa bei Ermittelung der spontanen Ventila- 
tionsgrösse, geradezu vermuthet werden, dass die Inten- 



sität schwach ausfallen werde, so darf man sich nicht 
mit grösseren Beobachtungszeiten begnügen, sondern 
muss etwa alle 10 Minuten eine Kohlensäurebestim- 
mung der Wagenluft vornehmen, so dass man eine 
Reihe von Beobachtungsgrössen erhält, wie sie den 
Kopfziffern und denjenigen der obersten Horizontal- 
colunme der auf unserer Seite 368 befindlichen Tabelle 
entspricht. Jedoch braucht nun nicht der Berechnungs- 
apparat für sämmtliche Ziffern in Bewegung gesetzt zu 
werden, sondern es genügt, aus der Reihe der letztge- 
nannten Ziffern, welche bei constant wirkenden Vor- 
gängen einem gewissen Grenzwerthe z zustreben werden, 
diesen in den meisten Fällen, auch bei variablen Ver- 
hältnissen mit Anwendung geometrischer Auftragung, 
genügend genau schätzungsweise festzustellenden Orenz- 
werth herauszugreifen und ihn in Formel (10) oder (11), 
beziehentlich (15) einzusetzen. Beispielsweise hätte der 
in der auf unserer Seite 365 angeführten Berechnung 
verwendete Betrag für j^^i zur Feststellung von c mit- 
telst Formel (10) vollkommen genügt, da er sich von 
dem eigentlich in Formel (4) einzusetzenden und nur 
mühsam ausprobirten Grenzwerthe so gut wie gar nicht 
unterscheidet. Nur wenn sich eine solche Schätzung 
durchaus nicht mit genügender Sicherheit vornehmen 
lässt, so ist freilich die Herzuziehung der complicirteren 
Formeln (1) oder (2), (3), (4), beziehentlich (5), unver- 
meidlich; ebenso für den Fall, dass Momentanwertbe 
ermittelt werden sollen. 

Die Feststellung solcher Momentanbeträge im Gre- 
gensatze zu Mittelwerthen kann aber in den meisten 
Fällen keinen erheblichen Vortheil darbieten, da diese 
Beträge zu sehr von völlig zufälligen Vorkommnissen, 
von der Windgeschwindigkeit, der Windrichtung, der 
Fahrgeschwindigkeit u. s. w. abhängen und daher heute 
diesen, morgen jenen Werth annehmen würden. Soll 
der Thätigkeitsgrad irgend einer Vorrichtung unter den 
Verhältnissen des Zustandes auf der Station, also bei 
Stillstand des Wagens ermittelt werden, so kann man 
sich's ohnehin noch viel bequemer machen, nämlich 
die Prüfung in loco auf dem Bahnhofe vornehmen. 



Dte Ventüationworrichtungen, 

Obwohl die Methode, welche zur Prüfung der auf 
Seite -70 bis 79 an der Hand von beigegebenen Figu- 
rentafeln geschilderten und beschriebenen 34 Ventila- 
tionsvorrichtungen sammt noch einiger VentUations- 
einiichtungen angewendet worden sind, gemäss der 
bisherigen Darlegungen einen nicht befriedigenden 
Grad von Genauigkeit darbieten, so können dodi 
nicht sämmtliche Resultate dieser Prüfung als un- 



373 



Apparate und Anlagen, besonders in Rücksicht anf Eisenbabn-Lazareth wagen. 



3T4 



richtig, unwahr oder ungenügend bezeichnet werden. 
Denn bei einigen vergleichenden Untersuchungen 
treten die Vor- oder Nachtheile so drastisch her- 
vor, dass die Unterschiede der Wirkungen weit be- 
trächtlicher sind, als die Fehler, welche mit den an- 
gewendeten Methoden begangen werden können , und 
bei einigen anderen Vorrichtungen sind die Vor- oder 
Nachiheile mit Argumenten nachgewiesen, welche zu 
den Resultaten jener Methoden überhaupt in gar keiner 
Beziehung stehen. Namentlich haben diese letztbezeich- 
neten Argumente in der grössten Mehrzahl meine volle 
Billigung gefunden. 

Rücksichtlich jener harmlosen Vorrichtung, näm- 
lich eines auch wohl in Fensterscheiben angebrachten 
Ventilatorrädchens, stimme ich freilich nur mit dem 
Ausspruche überein, dass letzteres lediglich ein Pallia- 
tivmittel sei und dass es den Luftaustritt eher hemme 
als fordere, indem es in der That die Luft nicht 
sowohl bewegt, als von ihr bewegt wird; aber ich muss 
doch auch hinzufügen, dass dasselbe bestimmt ist, den 
bei Anwendung eines einfachen Ausschnittes entstehen- 
den Rückluftzug abzuhalten und vermöge seiner leben- 
digen Kraft heftigere Schwankungen auszugleichen, also 
als Regulator zu wirken. Uebrigens werden sämmtliche 
mit beweglichen Bestandtheilen oder selbstthätigen Ein- 
stellvorrichtungeu ausgerüsteten Apparate mit Recht ver- 
worfen (Noualhier, Fecht, Körting, Horworth, 
Hess. Ludwigsbahn, Tos eil), ebenso diejenigen Apparate, 
deren Construction und Wirkungsweise auf der Voraus- 
setzung gegründet ist, dass eine auf dieselben motorisch 
einwirkende Luftströmung beständig eine der Fahrge- 
schwindigkeit entgegen gerichtete Componente von nen- 
nenswerther Grösse habe (Creamer, Körting, Stäbe, 
W^iegzell, Dachreiter des amerikanischen Lazareth- 
wagens). 

Die auf den Dächern oder an den Seitenwänden 
der Wagen angebrachten Windfänge oder Windpresser, 
bei welchen durch eine zuletzt bezeichnete Componente 
nicht eine Ab-, sondern eine Zufuhr frischer Luft be- 
wirkt werden soll, werden mit Recht schon deshalb 
verworfen, weil sie den Russ, den Rauch und sogar die 
feuei^efährlichen Funken der Locomotive in die zu ven- 
tilirenden Räume gelangen lassen (R. Schmidt, knie- 
fbrmiger Windfang, Heibig). Die spontane, bei ge- 
schlossenen Fenstern auf dem Wege der Fugen und 
Undichtheiten sich vollziehende Ventilation hat sich 
entgegen anderweitig wohl geäusserter Urtheile als völlig 
ungenügend erwiesen, und zwar sind die diesbezüglichen 
Messungsresultate von solcher Beschaffenheit, dass die 
Gültigkeit der aus ihnen gezogenen Schlussfolgerungen 
von den möglichen Fehlem der Prüfungsmethode nicht 



alterirt wird. In gleicher Weise haben sich die Luft- 
schieber (Jalousien) 9 wie sie meistens in den Coupe 's 
über den Fenstern und wie sie ferner in Lazarethwagen 
über den Lagerstätten angebracht werden, als Palliativ- 
mittel herausgestellt; letztere sind auch noch wegen 
des durch sie entstehenden Zugwindes verwerflich oder 
doch wenigstens nicht empfehlenswerth. Die Dachreiter 
haben sich zum Theil aus letzterem Grunde, und das 
R. Schmidt 'sehe Ventilationssystem hat sich wegen 
ungenügender Wirkung als unzulässig erwiesen. Als 
empfehlenswerth bleiben nur die auf den Dächern der 
Wagen angebrachten Wolpert 'sehen Rauch- und Luft- 
sauger übrig. 

Die Berechtigung zur Führung des Namens „Sau- 
ger*', insoweit hiermit der Anspruch begiündet ist, für 
motorisch thätige Apparate zu gelten, wird diesen 
lediglich als Schutzorgane wirkenden Vorrichtungen 
bestritten und zwar auf Grund einer eingehenden, eigen- 
artigen experimentellen Untersuchung (S. 94 — 107). In 
der That, will mich dünken, liegt der Erfindung dieser 
vorzüglichen Schutzapparate der Gedankengang zu 
Grunde, gemäss welchem die Gipfelöffnung eines Schorn- 
steins oder eines ins Freie ausmündenden Ventilations- 
canais vor den beeinträchtigend auf den Ausfluss ein- 
wirkenden vertical abwärts gerichteten Componenten 
der Luftströmungen dadurch geschützt werden kann, 
dass die Resultante der Windströmungen, soweit die- 
selbe überhaupt Einwirkung auf den Ausfluss nimmt, 
unter allen Umständen in vertical aufwärts und hori- 
zontal, beziehentlich parallel zum Ausflussquerschnitt 
gerichtete Componenten zerlegt wird, indem auch 
letztere, durch Peclet und Andere: nachgewiesener- 
maassen, auf die Ausflussmenge, ceteris paribus, nicht 
vermindernd einwirken, und indem die vertical aufwärts, 
oder, besser gesagt, axial zum Ausflusscanale nach aus- 
wärts gerichteten Componenten an sich nicht nur nicht 
hindernd, sondern sogar fördernd thätig sind. 

Nun vermisohen sich aber gemäss der Construction 
des Wolpert 'sehen Hutes die letztgenannten Vertical- 
componenten mit den Horizontalcomponenten in solcher 
Weise, dass thatsächlich nur die indifferente oder pas- 
sive Thätigkeit der letzteren übrig bleibt, und daher 
ist, wie dies von sehr vielen Sachverständigen nie an- 
ders angenommen wurde, die motorische Leistung dieses 
Hutes so gut wie Null, und nur auf Grund einiger, 
übrigens von Wolpert selbst dargelegter Elementar- 
erecheinungen, sowie auf Grund einer kritiklosen Nach- 
rede ungenügend erwiesener oder auf trügerischen Beob- 
achtungen gestützter Behauptungen entstand die unge- 
rechtfertigte und sachwidrige Bezeichnung „Sauger". 

Vielleicht darf noch folgende diesbezügliche Bemer- 

24* 



375 



Weiss, Ueber Ventilation und über die Methodik der Prttfung diesbezüglicher 



kung Platz finden. Die beregte Neutralität der Einwir- 
kung horizontaler oder parallel zur Ausflussöffnung ge- 
richteter Componenten beruht auf der aerodynamisch 
nachweisbaren Thatsache, dass vermöge dieser Hori- 
zontal- oder Parallelcomponenten zwar der effective 
Ausflussquerschnitt kleiner als derjenige der Ausfluss- 
öffiiung ausfällt, jedoch die effective Ausflussgeschwin- 
digkeit gegenüber der andernfalls, also bei Windstille, 
entstehenden Geschwindigkeit um ebenso viel grösser 
wird. 

Diese, unter Umständen sehr beträchtliche Ver- 
grösserung der Geschwindigkeit mag nun für die be- 
treffs der saugenden Wirkung verbreitete irrige Mei- 
nung die der ungenügenden Beobachtung entnommene 
Entstehungsursache abgegeben haben. 

Infolge dieser Darlegungen ist bei Anwendung von 
Wolpert'schen Hüten oder Hauben nur die Tempe- 
raturdifferenz zwischen aussen und Wageninnerem und 
die Höhe des letzteren, sowie die gegen die Ein Strö- 
mung söffnungen gerichtete Wind- beziehentlich aus 
der Fahrgeschwindigkeit und Windströmung resultirende 
Lufbpressung als Motor der Ventilation zu betrachten. 
Mithin würde ein einfaches, in die Decke des Wagens 
geschnittenes Loch an und für sich die ventilatorische 
Wirkung des Wolpert'schen Hutes ersetzen können, 
und daher haben die Verfasser diesbezügliche verglei- 
chende Versuche angestellt. Diese letzteren ergaben, 
dass die Wirksamkeit des Hutes um 29 p. c. grösser 
als diejenige eines gleichgrossen Ausschnittes in der 
Wagendecke ist; jedoch muss dieser Mehrbetrag zum 
grössten Theil auf Conto der Ueberhöhung der adspi- 
rirend wirkenden Luftsäule geschrieben werden, da im 
Vergleich mit der Wirksamkeit eines auf den Ausschnitt 
gesetzten einfachen Rohres die Differenz nahezu Null 
sich erwies. 

Auch wäre die Logik keine sehr glückliche, zu 
schliessen: weil der Wolpert'sche Hut 29 p. c. mehr 
Luft fördert, so ist er einem einfachen Loche vorzu- 
ziehen ; denn der Unbefangene wird diesfalls einwenden, 
weshalb unter diesen Umständen nicht 1 '/« oder 2 Löcher 
besser seien, da dieselben noch kräftiger wirken und 
jedenfalls billiger und einfacher anbringbar sein wür- 
den. Allein ein solches Loch oder ein solcher einfacher 
Ausschnitt in der Decke ist gar nicht in Parallele zu 
stellen, da unter allen Umständen dafür gesorgt sein 
muss, dass nicht Regen, Russ und Funken in den Wa- 
gen gelangen können. Man wird also zur Abhaltung 
des Regens einen Rand, oder Kranz, oder Rohrstutzen 
um den Ausschnitt und in einiger Entfernung über 
demselben einen Deckel anbringen, und somit entsteht 
eine Construction, welche dem Wolpert'schen Hute in 



dessen einfachster Gestalt (Fig. 4*, Taf. V) 
sieht, wie ein Ei dem anderen. Dieser Hut 
die denkbar einfachste Vorrichtung, was se 
zugung um so mehr rechtfertigt, und zu 
möchte sein, dass seine durch Fig. 4** darges 
struction als eine unnöthige Complication sie 
wird. 

Dass übrigens die betreffs desselben ai 
letzterwähnten Versuche, deren Ergebnisse v( 
auf Seite 99 bis 101 angegeben werden, so si 
lautende Resultate geliefert haben, trotz 
oben nachgewiesenen Einflusses der Schwan! 
physiologischen und der atmosphärischen K< 
trotz der Veränderlichkeit von Wind und V 
trotz mancher unvermeidlicher Fehlerquelle! 
mich meh|r überraschend als überzeugend 
ebenso wie ich nicht recht begreife, dass be 
gleichenden Versuchen überhaupt die von 
Wetter, von Fahrgeschwindigkeit und Fahrr 
sehr abhängenden Schwankungen der motoi 
tensitäten nicht drastischer zum Ausdruck ge' 

Auch stimme ich nicht voll in das l 
dass die Anbringung des Wolpert'schen 
mittelbar auf den Dächern der Wagen unter 
ständen empfehlenswerth sein wird. Für di( 
zeit würde diese Anbringungsweise jedenfall 
fertigt sein; aber für den Winter, während 
periode, wird dieselbe von der Wirkungswei 
gewendeten Heizsystems abhängig gemacht werc 

Ist letzteres, sowohl rücksichtlich der Co 
als rücksichtlich der Handhabung, von solche 
fenheit, dass die frische Luft im Niveau c 
zugeführt und an hier befindlichen Heiz( 
(Dampf, Wasser, Briquette) massig erwärm 
dass die Totalität des Luftcubus in dem M 
eine fortgesetzte Erwärmung desselben vei 
physiologischen Wärme erfolgt, allmälig nac 
sich bewegen kann, so ist die Anbringung 
p er t 'sehen Hutes auf der Wagendecke auc 
zweckmässig. Falls jedoch Luftheizung (lu 
Ofen) angewendet wird, so würde bei ein 
Anbringung die zum Heizen bestimmte warme 
grössten Theil auf directestem Wege uuausg( 
unter beträchtlicher Schädigung einer gleic 
Vertheilung der Temperatur aus den Wolf 
Hüten entweichen. Auch würde diesfalls, 
bemerkt, die chemische Methode weit entfern 
naue Resultate zu liefern; vielmehr müsste 
nauer Messung die anemometrische und, zui 
naueren Prüfung, eine eingangs von mir l 
Combination beider Methoden angewendet w< 



Apparate und Anlagen, besonders in Rücksicht auf Eisenbahn- Lazarethwagen. 



378 



e zugfreie und auch staublose Zufuhr der fri- 
liuft ist aber die Klippe, an welcher die Venti- 
äiuch bei Anwendung von W olp er t 'sehen Hüten 
en Fällen scheitern kann; wenigstens wird den 
Zufuhr vermittelnden Vor- und Einrichtungen 
anz besondere Aufmerksamkeit zugewendet wer- 
issen, falls nicht die Wohlthat einer reinen, sa- 
Luft durch schwer zu ertragende Zugwinds- 
illusorisch gemacht werden soll. 



Die ffeizvarrichtungen. 

den die Heizvorrichtungen behandelnden Kapi- 
nd sehr viel Aeusserungen und Ansichten ent- 
weiche meine volle Billigung finden. Auch bin 
nz der Meinung, welche betreflBs der eisernen 
oder Caloriferes rücksichtlich der durch Morin 
ündeter Weise in die Welt gekommenen Vor- 
3 über Kohlenoxydgasdiffussion ausgesprochen 
und mache ganz besonders aufmerksam auf den 
134 citirten diesbezüglichen Ausspruch Petten- 
s, dieser auf dem Gebiete der Hygiene so scharf 
den und so treifende und überzeugend beweisende 
che stets zur Hand habenden Autorität, 
dessen gilt für die Heizung derselbe Stossseufzer, 
n die Verfasser auf S. 122 mit gesperrten Lettern 
ie Ventilation austönen lassen, dass es nämlich 
sfindigmachung der besten Vor- und Einrichtung 
mancher Probefahrt und vieler exacter Beobach- 
bedarf". 

ne einfachere und doch auch genauere Methode 
üfung muss daher sehr erwünscht sein, weshalb 
,ube, dass auf das hierüber von mir Empfohlene 
>hne Nutzen wird recurrirt werden können, 
it meiner Polemik fürchte ich den Verfassern etwas 
le getreten zu sein, was mir rücksichtlich deren 



ernsten und mühevollen Strebens recht unlieb sein 
würde. Immerhin darf die Kritik nicht anders als 
unerbittlich sein, und nur noch Folgendes könnte ich 
zum Schlüsse versöhnend bemerken. 

Die von mir beliebte Parallele der im vorliegenden 
Buche angewendeten Untersuchungsmethode mit jener 
primitiven Art der Längenmessung, bei welcher der 
natürliche Schritt als Maasseinheit angewendet wird, 
mag dem Leser und namentlich dem heutigen, an Milli- 
meter und Nonius, an Triangulirung und Methode der 
kleinsten Quadrate gewöhnten Geodäten keine sehr hohe 
Meinung einflössen. Der vorurtheilsfreie Beurtheiler 
wird nach Durchsicht meiner Darlegungen trotzdem nicht 
eine meinerseitige diesbezügliche Revocation für recht 
halten. Aber ich erinnere daran, und zwar gerade den 
Geodäten daran, dass Eratosthenes zu seiner Grad- 
messung auch nichts Genaueres, als den Schritt und 
zwar denjenigen von Kameelen als Maassstab verwen- 
dete und doch als erster Gelehrter, welcher uns wenig- 
stens ein ungefähr richtiges Bild vom Umfange unseres 
Planeten verschaflFt hat, in der Geschichte gross da- 
steht. Ich erinnere ferner daran, dass gerade eine 
gründlich unrichtige Messung und Berechnung des Erd- 
umfangs den Geist und die Thatkraft des Columbns 
anreizte, unverwandt den Blick nach Westen zu richten, 
in dieser Richtung den kürzeren Seeweg nach Ostindien 
zu vermuthen und auf Grund dieses, bekanntlich selbst 
noch auf seinem Sterbebette gehegten Irrthums uns 
eine neue Welt zu entdecken. 

Hieraus kann aber auch für den vorliegenden, ob- 
schon rücksichtlich der Wichtigkeit nicht vergleichbaren 
Fall die Lehre gezogen werden, dass es immerhin 
lobenswerther ist, im Dienste der Wissenschaft, wenn 
auch mit ungenügenden Methoden , werkthätig zu sein, 
als resignationsträge und allzu skeptisch angekränkelt 
die Hände in den Schooss zu legen. 



Die Messung von Bewegungen an Bauwerken mittels der Libelle.*) 



Vom 



Geheimen Finanzrath Kopeke in Dresden. 



(Hierzu Tafel XVII.) 



Wenn wir die Fortschritte überblicken, welche die 
Bauwisseuschaft in den letzten Jahrzehuten gemacht 
hat, 80 nehmen wir ein gewisses Voraneilen der mathe- 
matischen Berechnung gegenüber einer sehr langsam 
wachsenden Summe von Erfahrungen wahr. Selbst für 
die eisernen Brücken, bei welchen doch die Baumechanik 
ihre höchsten Triumphe gefeiert hat. besteht die aus 
der Erfahrung genommene Grundlage in wenigen Ge- 
setzen, welche die Festigkeit von Stäben, sowie deren 
Elasticität betreffen, und als 1874 in der Versammlung 
deutscher Architekten und Ingenieure in Berlin über 
die muthmassliche Dauer der Eisenbrücken gesprochen 
wurde, zeigte es sich nicht nur, dass an den Brücken 
selbst bisher wenige Erfahrungen gemacht waren, son- 
dern es Hessen sich sogar Stimmen vernehmen, welche 
die Anstellung von Beobachtungen an den vorhandenen 
Constructionen für unfruchtbar hielten. So hoch nun 
die vorliegenden Erfahrungen zu schätzen sind, so 
scheint es mir doch, dass dieselben keineswegs als ab- 
geschlossen angesehen werden und namentlich die Beob- 
achtungen an den in Gebrauch stehenden Consti-uctionen 
dazu beitragen können, die Wissenschaft zu erweitern 
und zu vervollständigen. Leider mangelt es aber zur 
Ermittelung der vorkommenden Bewegungen trotz ver- 
schiedener Anläufe an brauchbaren Methoden; in den 
meisten Fällen kommen wir über eine Messung der 
grössten Durchbiegung nicht hinaus. Die Folgen dieser 
Beschränkung der Beobachtungen an w^irklichen Con- 
structionen zeigen sich nun namentlich in dem an sich 
wohl berechtigten, aber dabei meiner Ansicht nach auch 
bei Weitem übertriebenen Bestreben, solche Construc- 
tionen, deren Beanspruchung zum Theil wieder von 



*) Mit Genehmigung des Verfassers aus den Protokollen des 
Sachs. Ingen.- und Arch.- Vereins (89. Hauptversammlung) ent- 
nommen. 



dem Verhalten des Ganzen abhängt, wie z. B. conti- 
nuirliche Brückenträger über mehrere Oeffnungen mög- 
lichst zu vermeiden, obwohl auch die Rechnung ergiebt, 
dass Materialersparungen bei deren Anwendung gegen- 
über den einfacheren Constructionen zu erzielen sind. 
Wäre man im Stande, oder hätte man sich gewöhnt» 
Auflagerdrücke regelmässig abzuwägen, die Maximal- 
spannungen aller Theile unter möglichst verschiedenen 
Bedingungen durch directe Beobachtung zu ermitteln, 
die Form der belasteten und unbelasteten Brückenträger 
durch Beobachtungen genauer, als es eine einzelne 
Messung der Durchbiegung gestattet, festzustellen, so 
würde man sicher bald complicirtere Formen nicht 
scheuen, man würde aber auf diesem Wege durch pe- 
riodische Wiederholung der Messungen auch den je- 
weiligen Zustand einer Construction und die im Laufe 
der Zeit vorkommenden Veränderungen kennen lernen 
können. 

Haben wir aber bei Eisenbrücken doch mindestens 
eine ausgedehnte Erfahrung über die einzelnen Elemente, 
aus welchen wir sie zusammensetzen und können wir 
aus der Uebereinstimmung zwischen der berechneten 
und der beobachteten Durchbie^ng einige Schlüsse 
auf die Sicherheit der Construction ziehen, so ist dies 
in weit geringerem Grade bei den Gewölben und Fut- 
termauern der Fall, bei welchen bisher noch fast keinerlei 
Beobachtungen zu einer Befruchtung der einseitig rech- 
nerischen Methode der Stärkenfeststellung gefuhrt haben. 
Man rechnet mit der Zerdrückungsfestigkeit , Grewicht 
der Steine, der Erde und deren Schüttungswinkel, 
folgt lediglich den Ergebnissen der Berechnung und ist 
ausser Stande, aus dem Verhalten eines Steinbauwerks, 
wenn es nicht geradezu umfällt, schief wird oder Kan- 
tenbrüche zeigt, irgend einen Schluss zu ziehen. 

In dem Bestreben nun, die von vornherein voraus- 
zusetzenden, zum Theil aber auch aus der ErfiEihruug 



381 



Kopeke, Die Messung von Bewegangen an Bauwerken mittels der Libelle. 



382 



als wirklich vorkommend bekannten elastischen Bewe- 
gungen der Bauconstructionen aus Stein zu messen, 
habe ich Versuche mit einer sehr zarten Wassei'waage 
angestellt, deren Ergebnisse, obwohl bis jetzt noch be- 
schränkt, zur weiteren Anstellung solcher Versuche 
nach meiner Ansicht ermuthigen und die ich daher 
hier vorzufuhren beabsichtige. 

Um zunächst zu zeigen, auf welche Weise sich 
Schlüsse aus Beobachtungen ziehen lassen und um 
welche Bewegungen es sich bei Steinbauwerken han- 
delt, will ich die Ergebnisse der Beobachtungen mit- 
theileu, welche bereits vor 11 Jahren an einem Probe- 
gewölbe angestellt worden, dessen Modell auf der 
Pariser Ausstellung von 1867 zu sehen war und in dem 
von der französischen Regierung damals vertheilten 
Buche beschrieben ist. Das Gewölbe ist in den Figuren 
1 — 3, Tafel XVII, in Durchschnitten dargestellt. 

Die Bewegung des Scheitels durch die Temperatur- 
wirkungen hat 20,6'°" betragen. Es dehnen sich nun 
nach den Versuchen von Lang in München, Hanno v. 
Zeitschrift 1874^ Seite 319, bei 100« C. Temperatur- 
steigerung 

Grauer belgischer Marmor . um 0,5838 Tausendstel, 

Weisser Marmor von Carrara „ l,ii9 

Grünsandstein aus Oberbaiem „ l,ii59 

Granit „ 0,37i3 

Die Verlängerung, welche eine Hebung des Schei- 
tels des sehr flachen und daher ohne merklichen Fehler 
als parabelförmig zu betrachtenden Probebogens um 
20,5"*" entspricht, ist wie folgt zu bestinunen: 

Ist X die Pfeilhöhe und y die halbe Sehne einer 
Parabel (Fig. 4), so ist die Bogenlänge annähernd: 



»> 



j> 



» 



2 x' 



2 



s 



=»(>+:,V 5 -y 



( : )'). 



daher 



18,943 
«= -^ =8,91, 
2,125 ' ' 



oder 



^« = 0,1477. 20,5™" = 3,028 

Die Bogenlänge ist nun 

,2 a?- « a?* 
' = y+ 3 y - 5 y* 



mm 



in Zahlen: 



7=>+ :(:)"- ^(7)' 



« _ 2 1 _ 8 1 

" ~ "^ 3 * 8,91« 5 8,91*' 



y 



und da 
so ist 



« 



y 



= 1,008146 



2y= 37,886, 

2 « = 38,206 "•. 
Die grösstc Längenänderung hat somit betragen 

2 . 3,028 



38206 



= 0,0001584 der Bogenlänge. 



und es ist, nach x differenzirt, bei constantem y 

(/« _ 2 1 _ ^ ^-^^ 

ydx 3 y- 5 " y* ' 



oder mit y multiplicirt : 








d% 4 
dx 3 


X 

y 


8 
5 


x^ 


X 1 

und wenn man — 

y n 


setzt 






dß 4 


1 


8 


1 


dx 3 


n 


5 


»" 


daher ist 









du 



8 1 



= ^4 3 n^ b^}' 



Bei dem Versuchsbogen ist nun 



Wenn nun der Pariser Kalkstein mit dem belgi- 
schen Marmor denselben Ausdehnungscoefficicnten hätte, 
so würde die Temperaturdifferenz sich zu 

0,0005838 

berechnen. 

Es bleibt aber zu beachten, dass bei einem solchen 
Aufsteigen des Bogens die Drucklinie sich verschieben 
und deshalb eine etwas andere Vertheilung der Pres- 
sungen eintreten muss, welche wieder auf die Bewegung 
selbst nicht ohne Einfluss ist. 

Die Verminderung der Widerlagsstärke von 15,i 
auf 7,1" hat eine Senkung des Scheitels um 6,3"»" her- 
vorgerufen. 

Bei 0,9*" mittlerer Stärke ist die Last pro Q" des 
Gewölbegrundrisses 

0,9 . 2,200 = 1980,0 
dazu fremde Belastung . . 656,o 

zusammen 2636,o''« pro Q" 

oder 26,36 „ „ Met. u. Centim. 

Der Horizontalschub beträgt, da 

^ = 85,40™, 

26,36. 85,46=: 2252, 7 '^^ pro Centimeter der (jewölblänge. 

Um das Verhältniss zwischen der Senkung des 
Scheitels und der gleichzeitigen Verschiebung des Wider- 



383 



Kopeke, Die Messung von Bewegungen an Bauwerken mittels der Libelle. 



384 



lagers bei constanter Bogenlänge zu finden , setzen 
wir die Di£ferenziale des Ausdruckes 



« = y4- 



2 «- 



nach X und y zusammen = Null und erhalten somit 

4 



woraus 



dy — h - 

y y 



dx _ ^ _3_ y 
dy~ 4 

X 

3 



xdx 



= 0, 



oder in Ziffern 



dx 18,943—0,15 

Ty=-^-;-^ =^'^^' 

^.2,125 

oder, wenn der Scheitel sich um 6,64 ™™ senkt, so muss 
bei gleichbleibendem s das Widerlager an jeder Seite 
um 1 ""* ausweichen. Da nun aber das eine Widerlager 
nicht ausweichen konnte, so muss das gemauerte um 
das Doppelte ausgewichen sein, d. h. um 

2.6,3 - ^ 

-.-- ==rund 2°"'. 

6,64 

Eis ist nun möglich, unter der Annahme, dass die 
Temperatur während der Schwächung des Widerlagers 
constant geblieben sei, den Elasticitätsmodul E des 
Widerlagsmauerwerks zu bestinmien. 

Berücksichtigt man, dass Scheerkraft und Biegung 
zur Wirkung konunen, so haben wir zunächst für die 
Biegung bei vollem a (Taf. XVII, Fig. 3) 



e.t..={h^-s']-:., 



2/3 
für die Verschiebung kommt hinzu: 

2//.A 



+ 



E.a 



und bei der verminderten Stärke = h 



ET,u, 
und somit ist 



=[=-%') 



Qh\ ^ 
2/3 






tti 



u 




Rh — 



Qh 



T, 




+ 2 Rh 



(I- 




woraus 



E= 





i*+^-(i-i) 



in Zahlen: 

Ä = 8,l9; Zr=2253; 0=18,85.26,36^494; * = 7,l; 



7 1^ 



r=-i— • 

12 ' 



E pro 100 n^ = 7037398, daher pro Q"" 70374 K 

Die von mir benutzte, eigens für die erwähnten 
Zwecke vorgerichtete Libelle*) steht auf einer Schiene, 
welche an dem einen Ende mittelst eines Chamiers 
auf einer etwas längeren Schiene befestigt ist, während 
sie am anderen Ende eine Schraube enthält, durch 
deren Drehung sie gehoben oder gesenkt werden kann. 
Die Schraube hat einen scheibenförmigen Kopf, dessen 
Umfang in 100 gleiche Theile getheilt ist. Eine volle 
Umdrehung der Schraube entspricht einer Winkelbe- 
wegung der Libelle um 461 Secunden, somit ist die 
Drehung um '/loo Umdrehung gleich 4,6i Secunden. 
^/loo Drehung geben einen Ausschlag der Libelle um 
15,1 Theilstriche ä2,i9™'°, so dass die Krünmiuug der 
Röhrenwand in der Verticalebene als mit einem Halb- 
messer von 210" beschrieben sich ergiebt; eine zweite 
fiast gleiche Libelle ist von einem Universalinstrumente 
zeitweilig entnommen worden. Es ist hier zu bemerken, 
dass Herr Professor Bauschinger Experimente an 
verschiedenen Materialien behufs Ermittelung des Ela- 
sticitätsmoduls unter Benutzung eines Spiegelapparates 
augestellt hat, wobei die Ablesungen mit Hülfe eines 
um 160,7'*" weit vom Spiegel abstehenden Fernrohrs 
und einer darauf befindlichen Scala bewirkt wurden. 
Die genaue Beschreibung des sehr sinnreichen Apparats 
ist im Jahrgang 6 der Zeitschrift des bairischen Ar- 
chitekten- und Ingenieur- Vereins und in einem kürz- 
lich veröffentlichten Auszuge, welcher die sämmtlichen 
„Mittheilungen aus dem mechanisch-technischen Labo- 
ratorium der Münchener Polytechnischen Schule" ent- 
hält, zu finden. Danach befinden sich die Spiegel, von 
denen an jeder Seite des der Probe unterworfenen 
Stückes sich einer befindet, auf verticalen festen Achsen 
von 3,215™" Halbmesser, welche Achsen in Folge der 
Längenänderung der gepressten oder gedehnten Probe- 
stücke durch Reibung am Umfange gedreht werden. 
Bei 1'°"* Längenänderung des Probestückes lässt daher 
der durch den Spiegel ins beobachtende Fernrohr fei- 
lende Lichtstrahl ^inen um 

-3—^.2.1 = 1000'»'» 

3,215 

vom Einstellungspunkte entfernten Theilstrich sichtbar 



*) Die Libelle ist von Herrn Mechanikos Hille in Dresden 
angefertigt 



385 



Kopeke, Die Messung von Bewegungen an Bauwerken mittels der Libelle. 



386 



werden und da man noch ^5"" schätzen kann, so wird 
eine Längenänderung von V5000"" erkennbar. 

Die oben erwähnte, mit Stellschmube versehene 
Libelle hat eine 0,5™ lange Unterlage, und da man mit 
voller Sicherheit Z6|}intel der 2,i9"° grossen Theile der 
Libellenscala, deren jeder einer Winkelbewegung von 
2,15 Secunden entspricht, schätzen kann, so ist auch 
die Auf- oder Abwärtsbewegung eines Endes der die 
Libelle tragenden Schiene um 



2^"._500"»^ _ J^ 
10 . 206370" ~ 2000 



mm 



messbar. Man wird daher, auch wo es sich nicht um 
directe Winkelmessungen, sondern um Linienmessungen 
handelt, ohne alle nennenswerthe Vorbereitungen und 
auf jedem Bauplatze mit Hülfe von Libellen ungefähr 
dieselbe Genauigkeit wie mit dem Spiegelapparate in 
München erzielen können, sobald man nur die zu prü- 
fenden Prismen vertical stellt. Wollte man dagegen 
die erwähnten Libellen auf dünner Achse anbringen, 
wie sie im München er Laboratorium die Spiegel tragen, 
und diese Achse in gleicher Weise in Folge der Län- 
genänderung der Materialstücke sich drehen lassen, so 
würde der Genauigkeitsgrad — abgesehen von neuen 
Fehlerquellen — im Falle des Bedarfs noch bedeutend 
gesteigert werden können. Für die Verwendung auf 
dem Bauplatze dürfte aber ganz ohne Frage die Libelle 
ein einfacherer Messapparat sein, als der in München 
benutzte Spiegelapparat.*) 

Von älteren Angaben über die Elasticität von Stein- 
materialien sind zunächst die von Tredgold herrüh- 
renden, in Na vi er 's Resume de le^ons mitgetheilten, 
sowie die von Bevan ermittelten Werthe bekannt; da- 
nach wäre * 

für Schieferstein in Kil. pro O«^» i;= 1096000, 

für Marmor . . . E= 1756000, 
„ Portlandstein E= 106800, 
„ Glas £= 428800. 

Die Versuche von Bau seh in ger haben u. A. fol- 
gendo Ergebnisse geliefert. Es ist der Elasticitätsmodul 

*) Zu den Methoden, welche für Ermittelung des Elasticitäts- 
modols eine grosse Genauigkeit gewähren, dürfte auch die von 
H artig (Polyt. Centralblatt 1869, S. 1041) zuerst angeregte, von 
Judenfeind-Hülsse (Inaugural- Dissertation, Jena 1872) für 
mehrere Materialien durchgeführte zu zählen sein, bei welcher 
ein aus dem zu untersuchenden Material hergestellter Stab wie ein 
Waagebalken in unbelastetem und belastetem Zustaude schwingen 
gelassen und aus Schwingungsdauer und Empfindlichkeit die Form- 
änderung des Stabes berechnet wird ; die Vergleichung dieser Form- 
änderung mit der nach den Sätzen der Elasticistätslehre abzuleiten- 
den führt sodann zu einer sehr scharfen Bestimmung von E. 

D. Red. 

CiTiliugenieur XXIII. 



für mittelkörnigen Granit J5;= 270000— 510000, 
„ feinkörnigen „ JS;= 120000— 288000, 

„ Grüusandstein .... E= 86000—210000, 

zugleich aber ist eine bedeutende Verschiedenheit so- 
wohl für Druck und Zug, wie nach der Richtung der 
Druck- und Zugkräfte, ob rechtwinklig oder parallel zur 
Schichtungsebene (auf Lager oder auf den Spalt) wir- 
kend gefunden worden. 

Von mir sind Sandsteine von Pirna und Granite 
von Bischofswerda einer Inanspruchnahme auf Biegung 
ausgesetzt worden. Dabei wurde der zu prüfende pa- 
rallelepipedische Stein (Fig. 5 unserer Tafel) auf zwei 
Stützen gelegt, vor der Belastung in der Mitte auf 
jedes der überstehenden Enden des Steines eine Libelle 
gesetzt und zum Einspielen gebracht. Es genügten 
dann unbedeutende Gewichte, um ganz erhebliche Aus- 
schläge der Libellen zu bewirken und so die eintreten- 
den Winkelbewegungen der elastischen Linie auf den 
Stützpunkten zu erkennen. 

Beispielsweise betrug das arithmetische Mittel (die 
Stützpunkte waren nicht absolut fest, so dass die Win- 
kelbewegung an beiden Enden von einander abwichen) 
der Erhebung der Tangenten an den Stützpunkten bei 
einer Stufe, welche 155"" breit, 165"" hoch war und 
1170"" frei lag, 17,i2 Secunden bei 50^ Belastung in 
der Mitte. Nun findet sich unter Bezugnahme auf die 
Fig. 6, wenn T das Trägheitsmoment, E den Elastici- 
tätsmodul bezeichnet, 



^^2=«("-t) 



und für x=l 



ETtgtt = 



2' 



woraus 



E= 



Ql^ 



Demnach ist 

E= 



2Ttffa 
25 . 58,5^ . 



= 87270'^«. 



2. ---.15,5. 16,5^/1^17,12" 

Andere Beobachtungen haben 45280, 59000 und 
90000^^ als Elasticitätsmodul von aus Pirna'schem 
Sandstein gefertigten Parallelepipeden ergeben, wobei 
die kleinsten Werthe bei kurzen auf den Spalt ge- 
stellten Stücken beobachtet wurden.*) 



*) Nach einer von dem verstorbenen Professor Schramm in 
Zittau im October 1S66 ausgeführten directen Messung hat sich 

25 



387 



Kopeke, Die Messung von Bewegungen an Bauwerken mittels der Libelle. 



ä8& 



Die auf ganz gleiche Weise an Granitsteinen an- 
gestellten Beobachtungen (welchen Herr gepr. CiviUn- 
genieur Weidnor sich freundlichst unterzogen hat) 
ergaben für den Elasticitätsmodul 

£'=224600— 454000 K 

Es ist demnach der Elasticitätsmodul von Pirna'- 
schem Sandstein etwa % — ^/4 desjenigen des Holzes, 
während dagegen der Elasticitätsmodul des Granits 
etwa doppelt bis dreifach so gross wie derjenige des 
Holzes bei der Biegung sich ergiebt. Meine Beobach- 
tungen haben übrigens eine Abnahme des Elasticitäts- 
moduls bei zunehmender Belastung, trotz der Gering- 
fügigkeit der letzteren, nicht undeutlich ergeben, was 
sich mit den B aus ch in ger 'sehen Versuchsresultaten 
wohl in Einklang bringen lässt. 

Streng genommen hat man diejenige Winkelbe- 
wegung, welche durch die Scheerkräfte herbeigeführt 
wird, zu berücksichtigen, sobald man Winkelbewegungen 
innerhalb des Bereichs der Wirkungen solcher Kräfte 
beobachtet hat. (Vgl. den Aufsatz des Verfassers über 
Abscheerungsfestigkeit, Hannover'sche Zeitschrift 1858, 
Seite 225 ff.) Ist der Elasticitätsmodul des Wider- 
standes gegen Abscheeren Es = — E oder desjenigen 

auf Druck und Zug, falls man diese einander gleich 
setzen kann, so ist unter Bezugnahme auf Fig. 7 der 
Winkel y, welcher die Verschiebung des Längenschnittes 
des Stabes darstellt: 

Q 



ist nun n = 29 so wird 



bhE 



n 



während der Neigungswinkel der Mittellinie in Folge 
der Biegung am Ende des Stabes 

demnach ist die ganze Drehung 



ß= 



y + /J=ä(-^-^- + --J_^) 



und somit, wenn man E aus der Gesammtdrehung er- 
mitteln will und daher für T den Werth ^ bh^ einsetzt: 



E= 



2T\ y + (i 



für den feinkörnigen Waltersdorfer Sandstein ergeben: 

Elasticitätsmodul. 
für Ausdehnung 412S0^(^, 
für Verdichtung 100770"«, 
fOr Biegung 49680 "s. 

D. Red. 



.=Äi 1:^iZ 



2T 



^ + ß 



Ein kleiner Theil der Minderbeträge, welche sich fiir 
den Elasticitätsmodul bei Stellung von Platten auf dem 
Spalte während der Biegung ergaben, ist yielleicht 
hierdurch zu erklären ; es liegt indess kein genügender 
Grund vor, anzunehmen, dass die durch Scheerkräfte 
zwischen den Stützen eines auf Biegung beanspruchten 
Steins bewirkten Verschiebungen über die Stützpunkte 
hinaus sich fortsetzen und habe ich deshalb auch darauf 
keine Rücksicht genommen. 

Dass man mit Hülfe von Libellen auch die durch 
directen Druck und Zug bewirkten Längenänderungen 
leicht und sehr sicher messen könnte, wenn man den 
zu prüfenden Körper vertical stellt und oben wie unten 
den Stand der mit dem andern Ende auf eine feste 
Stütze zu stellenden Libelle vor und während der Wir- 
kung der dehnenden oder comprimirenden Kraft abliest, 
will ich hier beiläufig erwähnen. Es ist überhaupt 
klar, dass man auf diesem Wege jede geradlinige Orts- 
veränderung mittels Beobachtung der Drehbew^ung 
einer in geeigneter Weise augebrachten Libelle zu er- 
kennen und zu messen vermag. 

Die Bewegungen, welche ich an wirklichen Bau- 
werken beobachtet habe, werde ich nunmehr mittheilen, 
und wenn ich trotz der Mangelhaftigkeit der Unter- 
lagen dabei einige Schlussfölgerungen bezüglich des 
Elasticitätsmoduls der Mauerwerksmassen zu ziehen 
mir erlaube, so bitte ich, dies lediglich als einen Ver- 
such zur Anregung weiterer Beobachtungen anzusehen. 

A. Die erste rechtsseitige Landöflfnung der neuen, 
unter Leitung des Herrn Oberingenieurs Manck zur 
Zeit in der Ausführung begriflfenen Albertsbrücke über 
die Elbe in Dresden (Fig. 9) hat 16,975»» Spannweite 
bei 3,612" Pfeilhöhe, einen inneren Krümmungshalb- 
messer von 12*°, welcher auch für die Mittellinie als 
gültig angesehen werden mag. Die Gewölbedicke ist 
im Scheitel 1", am Kämpfer 1,3"^, also im Mittel l,i5". 
Der Horizontalschub ist somit annähernd , wenn die re- 
lative Dichte =2,2, pro Centimeter der Gewölbelänge 

12. 1,15. 2,2. 100 _^ 
JÖCT -303,6 «8. 

Der Verticaldruck an der Vorderkante des Pfeilers 
durch das Gewölbe ist 

8,5. 1,15^/2^2. 1000_215,05»«. 

Die Höhe des Pfeilers über dem Erdboden ist 8", die 



Kopeke, Die Messung von Bewegungen an Bauwerken mittels der Libelle. 



390 



ist 6°*; es werde angenommen, dass etwa ^/s ' 
sammtwirkung des Gewölbes durch die Ausrüstung 
worden sind; dann ist das Moment 

= % (303,6 . 800 — 215,05 . 300)= 118910,0 »«•«°. 

an ist 



E= 



"l.T.tgti' 



/=800'^'», 
r= ^^ . 1 . 600» = 18000000, 



^a = 



12 



206370 



-=0,00003014, 



E= 



118910.800. 



= 87660 ^fif. 



2 . 18000000 . 0,00003014 

m zu zeigen, wie gross die Senkungen in Folge 
astischen Compression bei Ausrüstung von 6e- 
: ausfallen, wollen wir den 3. Bogen am rechten 
er neuen Eibbrücke in Dresden betrachten; der- 
hat 15,5" Spannweite und 2,92™ Pfeil, folglich 
ae Länge pro Hälfte 

rhältniss der Steigung des Scheitels zur Dehnung 
>gens (oder der Senkung zur Compression) ist 

z/« = 0,417 ^a:, 

= 60000 würde demnach die Bogenverkürzung 
das Ausrüsten, wenn durch dieses % der Wölb- 
ei werden, 

^/s. 11,75.2,2. Vio 1J23 

" nr.r.r^r. — = "^^T^rvA = 0,0000287 . #, 



ch wäre 



60000 60000 

z/ä = 0,2419"™; 



0,2419 ^ „„ 

Jx = -X = 0,58 ™™. 

0,417 ' 



ehmen wir als grösste TemperaturdiflFerenz 70 ®C. 
würde nach den Lang 'sehen Beobachtungen für 
mdstein 

z/# = 0,7 . 0,00116 .8430 = 6,845™™ 

)mit die grösste Variation der Pfeilhöhe 

6,845 

^x = -^ — = 16,4™™ 

0,417 ' 

en., Granit dehnt sich nur Vs so ^^^U mithin 
bei einem Granitgewölbe von gleichen Dimen- 
der grösstmögliche Weg 



/JX = 5,5 



mm 



B. Der Zwischenpfeiler der beiden Landöffnungen 
der Interimsbrücke zu Riesa, deren eine in Figur 8 
unserer Tafel dargestellt sich findet, ist 2,26 ™ stark und 
7° hoch bis zum Fuss der Strebe. Die Strebe steht 
unter % Neigung. Bei einer Belastung des Streben- 
kopfes von 25000 ^8 ergiebt sich, bezogen auf die Mittel- 
linie der Pfeilerbasis, ein 

,. ^ 25000,,, , 25000 8 „^ 

Moment = — ——113+ ^— -X--700 

= 6365278 ^•«™; 

auf 1*^™ Länge kommen . hiervon bei 5™ Länge des 

Pfeilers 

, 6365278 
Ql= ^^^_ = i2730,ö5kg-<^™; 

die Schwankung war bei einseitiger Belastung 14 Se- 
cunden, daher ist 



(^r^.=^). 



E= 



12730. 7 00^™. 206000^^ _ 1 83566,6 000000 
V,a.l^™.2253*^™.14".2.~~ 2,0578125 

^=69070^» pro Q^. 



Einige andere auf den Gewölben und Pfeilern von 
grösseren gewölbten Brücken der sächsischen Staats- 
bahnen unter Benutzung eines Bahnzuges angestellte 
Beobachtungen, welche ebenfalls ganz erhebliche, auf 
den ersten Blick überraschende Winkelbewegungen er- 
gaben, sind deshalb hier nicht im Einzelnen zu er- 
wähnen, weil ohne weitere eingehende Messungen keine 
Schlussfolgerungen auf den Elasticitätsmodul oder die 
Lage und die Verschiebung der Drucklinien in den 
Gewölben daraus gezogen werden können. Ich denke 
indess die Beobachtungen fortzusetzen. 

Um noch einmal kurz auf den Werth von Mes- 
sungen dieser Art, welche natürlich noch bedeutend 
vervielfältigt werden müssen, um richtige Schlüsse mit 
aller Sicherheit zuzulassen, zurückzukommen, so scheint 
mir die Hauptsache darin zu beruhen, dass man Beob- 
achtungen erhält, welche sich auf die wirklich vorlie- 
genden Fälle beziehen und erkennen lassen, wie sich 
gerade das einzelne Bauwerk verhält. So unentbehrlich 
die wissenschaftlichen Versuche im Laboratorium, wie 
sie W.öhler, Spangenberg, Bauschinger, Lang 
u. A. angestellt haben, stets bleiben werden, so werden 
sie doch .nie ausreichen, im Voraus das Verhalten eines 
bestimmten Bauwerks unter den in der Wirklichkeit 
vorkommenden Einwirkungen — ich erinnere beispiels- 
weise an die Vibrationen, Verhalten der Fundament- 
sohle, Feuchtigkeitszustand des Erdbodens und des Ge- 
mäuers — zu berechnen und dies um so weniger, als 

25* 



391 



Schmidt, Coustrnctionsregeln für die Eyth'sche Expansioussteuerong. 



392 



dabei die Art der Ausfühining, Qualität der Materialien 
und des Mörtels, Art der HinterfüUung bei jedem Bau- 
werke andere sind. Endlich aber ist der Einfluss der 
langsam wirkenden Atmosphärilien und anderer Agentien 
oder kurz der Zeit deshalb, weil es sich für Eisen- 



und Steinbauwerke um lange Jahre des Bestehens han- 
delt, im Laboratorium gar nicht oder so gut wie gar 
nicht festzustellen und es können hier eben nur Beob- 
achtungen in der Wirklichkeit nach und nach sichere 
Anhaltspunkte zur Beurtheilung gewähren. 



Constructionsregeln für die Eyth'sche Expansionssteueruug. 



Von 

J. Schmidt, 

Assistent der Gewerbschule in Chemnitz. 
(Hierzu Tafel XVIII.) 



Der hochverdiente Ingenieur Max Eyth publicirte 
im Jahrgange 1859 dieses Blattes (S. 211) einen Ex- 
pansiousschieber, dessen volle Verwendbarkeit bisher 
nicht erkannt zu sein scheint. Der Erfinder selbst gab 
durchaus ungenügende Constructionsregeln, ja schrieb 
diesem Schieber Mängel zu, die sich mit leichter Mühe 
vermeiden lassen. Aus diesem Gininde von allen vom 
Elrfinder gegebenen Constructionsregeln von vornherein 
absehend, sei es mir nun hier gestattet, aus der Grund- 
idee jenes Schiebers mit Zugrundelegung einer gewissen 
Dampfvertheilung und gewisser Füllungsgrade jene 
Regeln auf rein wissenschaftlichem Wege herzuleiten. 
Hierbei setzen wir das Vertheilungsschieberdiagramm 
als gegeben voraus. 

Formel für die Kanaleröffnung im Expansionsschieber. 

Nach Figur 1 unserer Tafel ist die Kanaleröflf- 
nung im Expansionsschieber 



a^ = Z^-{' a^ — l—x — ^^ 



(1) 



in jener Figur bedeutet 

CD das Expansionsschieber -Mittel, 
JEF „ Vertheilungsschieber- Mittel, 
AB „ Schieberspiegel - Mittel, 

^ den Weg des Vertheilungsschiebers, 

^^ „ „ „ Expansionsschiebers, 

I gemessen« 

Kennzeichnet nun der Index e die Werthe der 
veränderlichen Schieberwege ^ und ^^ und des Kurbel- 
drehungswinkels 0} bei Beginn der Expansion, so folgt 
aus Gleichung 1) sofort auch 



von AB aus 
nach rechts 



oder 



= L.^ + a, — l—x — i,\ 
daher auch 

a, = V — V (2) 

Sind femer XMm. und f/jf«x. die zur grössten Fül- 
lung gehörigen Werthe des x und ^^\ so hat man auch 

= i^a + «1 — / — XMm. le^Max. , 

daher auch 

« 

X ^Mm. ^^^ b« Max. Se » 

auf welcher Gleichung das Abgreifen der Plattenent- 
fernung X aus dem Diagramme beruht. 

Darstellung dieser Eröffnung im Diagramm. 

Formel (2) begründet die graphische Darstellung 
jener Kanaleixiffnung. In Figur 2 ist R^ die Kurbel- 
stellung bei Beginn der Expansion, die Kurbeldrehungs- 
richtung durch Pfeil, sowie die Region, deren Radios- 
vector bei der hier gezeichneten Füllung allgemein 
gleich a4 ist, durch Schraffirung angedeutet Damit 
nun mit der Steueioiug auch grosse Füllungen erreichbar 
sind, muss, wie schon Eyth vorschreibt und aus dem 
Diagramm, Figur 2, leicht einleuchtet, der Voreilungs- 
winkel d^ des Expansionsexcentei'S negativ sein, mit 
anderen Worten, jenes Excenter darf nur ¥[enig der 
Kurbel voraneilen. Hiermit wäre die Lage des Expan- 
sionsexcenters nur ganz ungefähr gegeben; es giebt in- 
dess eine Region, innerhalb welcher dasselbe anbedingt 
liegen muss, damit nicht bei grossen Füllungen frischer 



393 



Schmidt, Constructionsregeln für die Eyth'sche Expansioussteuening. 



394 



Dampf wähi-end der Expansionsperiode in den Cylinder 
tritt, noch bei kleinen Füllungen die Wirkung des 
linearen Voreilens des Vertheilungsschiebers durch den 
Expansionsschieber zum Theil oder ganz vernichtet wird. 
Gehen wir jetzt zur Bestimmung jener Region über. 



Bf Stimmung der eben noch zMsHgen Grenzwerthe d^s öK 

a) Grösste Füllung. 

In Figur 3 sehen wir, wie bei einer bestimmten 
Füllung nach Beginn der Expansion im Strahle ORe 
der Expansionsschieberkanal schon im Strahle OR^ 
wieder geöffnet wird und dass zu gleicher Zeit der 
Vertheilungsschieber den zum Cylinder führenden Dampf- 
kanal noch um die Länge ah geöffnet erhält, in Folge 
dessen frischer Dampf während ' der Expansionsperiode 
in den Cylinder tritt, was aber zweifelsohne wegen da- 
durch eintretender Stösse unstatthaft ist. Zur Beseiti- 
gung dieses Uebelstandes muss eine solche Veränderung 
des Expansionsschieberdiagrammes vorgenommen wer- 
den, dass die Kurbel den Strahl OR^ später durchläuft 
als den OR^, Da nun iu Figur 3 Oc=Od, dieser 
üebelstand also bei der grössten mit der Steuerung 
erreichbaren Füllung am schroffesten auftreten wird, so 
kann bei unserer weiteren Betrachtung auch nur diese 
in Frage kommen ; es stelle also Figur 3 das Diagramm 
für die grösste Füllung vor. Da nun Oc = Od, der 
Strahl OR^ also unabhängig von der Grösse der Ex- 
centricität Og = /* des Expausionsschiebers den Winkel 
cOd halbirt, so wird bei unverändeiler Lage des 
Strahles OR^ und unverändertem Füllungsgrade, d. h. 
unveränderter Lage des OR^ eine Veränderung der 
Excentricität r^ keine Veränderung der Lage des Strahles 
OR^ herbeiführen, weshalb wir obigem Uebelstande 
nur durch Verdrehung des Expansionsexcenters gegen 
das Vertheilungsexceuter abhelfen können. Li Figur 3 
müssen wir aber hierzu eine solche Drehung in der 
wieder durch Pfeil angedeuteten Kurbeldrehungsrich- 
tung vornehmen , da dann bei unveränderter Lage des 
ORt (constante grösste Füllung) Oc mithin auch Od 
kleiner, also Winkel cOd grösser wird und ausserdem 
die Halbiruugslinie OR^ dieses Winkels, also auch der 
Strahl JRj sich dem Strahle R^ nähert. Durch eine 
entgegengesetzte Verdrehung des Expansionsexcenters 
würde sich obiger Üebelstand nur verschlimmem. Wir 
sehen also, dass in Figur 3 der sogenannte Nacheilungs- 
winkel R^OR^ des Expansionsexcenters zu klein ist, 
also auch, dass durch die grösste Füllung der kleinste 
mögliche Nacheilungswinkel — d^ und zwar in der 
Weise bestiihmt ist, dass R^ den Winkel ReOR hal- 



birt. Dies ist die Bestimmung der einen Grenze der be- 
zeichneten Region. (In Figur 3 stark gezogen.) Es 
folge nunmehr die Bestimmung der zweiten Grenze. 

b) Kleinste Füllung. 

. Figm* 4 stelle das Diagramm einer Eyth 'sehen 
Steuerung für sehr kleine Füllung vor (Beginn der 
Expansion in ORg). Hier gestaltet sich zunächst die 
Region der Kanaleröffnungen a^ dadurch etwas anders, 
dass wärend der Volldruckwirkung die ^^ negativ sind, 
weshalb hier bei Einführung der absoluten Längen von 
t,' und ^' nach Gleichung (2) a^^=S^ — ^^ ist. Weiter 
ist ersichtlich, dass hier zwar Vertheilungs- und Ek- 
pansionsschieber zu gleicher Zeit den Dampf kanal öffnen, 
dass aber a^ für den Kurbeldrehungswinkel ü) = 
kleiner als das lineare Voreilen v ist, was man, nament- 
lich wenn die betreffende Füllung nicht allzu klein ist, 
immer gern wird vermeiden wollen. Es erscheint des- 
halb nicht unzweckmässig, bei jeder Steuerung sich 
über die kleine Füllung klar zu werden, bei welcher a^ 
für (0 = gerade gleich v ist. 

Dieselbe findet sich aber ungemein leicht aus dem 
Diagramm, siehe Fig. 5 {ab:=v). Wollte man nun in 
Figur 5 eine Verdrehung des Expansionsschieberexcen- 
ters iu der Kurbelrichtung vornehmen, wie solches 
punktirt angedeutet, so würde bei unveränderter Fül- 
lung das lineare Voreilen v sofort durch den Expan- 
sionsschieber afficirt werden, d. h. ist uns wie in Fi- 
gur 5 eine gewisse kleine Füllung gegeben, bei welcher 
a^ für üß = nicht kleiner als v sein soll, so ist auch 
damit eine bestimmte zweite Grenzlage des Expansions- 
excenters in der Weise gegeben, dass, wollte man — d^ 
über den durch die Gleichung „a4 für cu = gleich o^^ 
bestimmten Grenzwerth hinaus vergrössern , auch diese 
Gleichung sofort für die betreffende kleine Füllung in 
die Ungleichung „«4 für w = kleiner als v" über- 
gehen würde, was doch bei der Füllung vermieden 
werden sollte. Dass diese Grenze unter Umständen 

schon für - d^ = ^ (Vorschlag des Herrn Eyth) 

überschritten sein kann, zeigt ebenlalls Figur 5. Ist 
nun auch diese zweite Grenze oben genannter Region 
nicht so scharf gegeben, insofern Füllungen <0,i wohl 
selten oder gar nicht vorkommen, und nur bei solchen 
kleinen Füllungen eben gerügter Üebelstand auftreten 
wird, so ist doch immerhin auch auf diesen Umstand 
beim Entwerfen einer Steuerung zu achten. 

Von weiterem Interesse ist die Kanalausnutzung 
bei kleineu Füllungen und hat man zu ihrer Beurthei- 
lung sich 



31)5 



Schmidt, Constructionsregelu für die Eyth'sche Expansionssteaeruug. 



396 



iiher die für die Dampfvertheilung nmaasgebenden Kanal- 

eröffnwng&n 

klar zu werden. Wird nun bei gewissen kleinen Fül- 
lungen die Kanalweite nie ganz ausgenutzt, insofern 
der Expansionsschieberkanal schon innerhalb der Pe- 
riode, während welcher der Vertheilungsschieber den 
Cylinderkanal eröflfnet, wieder verengt wird, so dient 
zur Bestimmung der grössten für die Dampfvertheilung 
maassgebenden Kanaleröffnung offenbar nach Figur 1 
die Gleichung a.^ = a^ oder, mit e die äussere Deckung 

bezeichnet, 

l-e = V-k' ...... (3) 

Ist nun das Diagramm, sowie eine kleine Füllung ge- 
geben, für welche diese Grenze bestimmt werden soll, 
so thut diese Gleichung bessere Dienste in der Form 

| + |i = ^,i^, (4) 

Erinnert man sich nämlich der Construction des 
sogenannten relativen Schieberkreises K^ aus der Grösse 
und Lage der Excentricitäten r und r* (siehe Figur 6), 
dessen Durchmesser die von ausgehende zweite Seite 
des aus der Seite r* und der Diagonale r construirten 
Paiallelogrammes ist und dessen Radiusvector Op^ - ^^ 
allgemein = Op — Op^ = | — ^^ ist , dass also auch 
zwischen diesen Werthen die Gleichung besteht ^^-f- 
fi = ^, so erhält man den in obiger Gleichung (4) er- 
haltenen Ausdruck ^ + f^ leicht als Radiusvector eines 
Kreises K^ (siehe Fig. 7), dessen Durchmesser die von 
ausgehende Diagonale des aus den Seiten r und r^ 
construirten Parallelogrammes ist. Der Radiusvector 
^^ dieses Kreises, welcher der Gleichung entspricht, 

5:^=1,1 + . (5) 

giebt nun nach oben offenbar den Kurbeldrehungs- 
winkel an, bei welchem a^:=a^ ist. Figur 7 zeigt die 
hierauf beruhende Construction und die schraffirte Re- 
gion der für die Dampfvertheilung allein maassgebenden 
Kanaleröffnungen für eine gewisse kleine Füllung, und 
sind wir mit Hilfe jenes Kreises K^ nunmehr im Stande, 
mit Leichtigkeit bei jeder Füllung über die Kanalaus- 
nutzung zu urtheilon. 

Von speciellem Interesse dürfte zunächst die Fül- 
lung sein, bei welcher der Dampfkanal eben noch aus- 
genutzt, d. h. bei welcher derselbe nur einen Moment 
lang vollständig geöffnet wird und namentlich, welchen 
Einfluss eine Veränderung des Nacheilungswinkels — d^ 
auf diesen Füllungsgrad hat. Wir werden nämlich 
gleich sehen, dass es eine gewisse Lage des Expansions- 
schieberkreises giebt, bei welcher jene Füllung mit 
momentaner Kanalausnutzung ein Minimum ist. Gehen 
wir zu dieser Betrachtung über: 



QünatigaU Lage des ExpansitmiBchieherkreiaes m Bezug amf 

gute Kanalauetnitzung, 

Zur Bestimmung des Kurbeldrehungswinkels Wj, 
bei welchem ^ — e=a = a^ ist, dient nach Früherem 
die Gleichung 



« = .^•-§1^ (6) 



wo 



(bei Einführung eines negativen d*) und 

ist. Diese Gleichung (6), nach toe aufgelöst, giebt 

coe=arc8m\-Y+sm{d^ + (aM — d^ , . . (7) 

Als günstigste Lage des Expansionsschieberkreises 
in Bezug auf gute Kanalausnutzung kann nun diejenige 
bezeichnet werden, bei welcher jenes Wg ein Minimum 
ist, damit bei möglichst vielen Füllungen der Dampf- 
kanal eine gewisse endliche Zeit hindurch ganz geöffnet 
wird. Zur Bestimmung jenes d* differenzire man die 
Gleichung (7) nach d^ und setze den so erhaltenen 
Quotienten gleich Null, wodurch man nach wenigen 
Reductionen die Gleichung erhält 



oder kürzer 



2rUm(d»+ai,) = — Ä 



•c 1 

^1 — 



a 
2 



(8) 



Durch Verbindung der Gleichungen (6) und (8) 
erhält man weiter für diesen Fall 



a 



?«^ = -^, also auch = — §1* . . . (9) 

Die letztere Gleichung sagt aber nichts anderes, 
als dass zur Erfüllung der Gleichung 

d(Of 

die Halbirungsliuie des Winkels w« — (o^ senkrecht zur 
Richtung des r' stehen muss, woraus weiter folgt, dass 
dieselbe identisch mit der Gleichung ist: 

(O^ -f Olj 



8' = — 



(10) 



Da weiter bei Innehaltung der Gleichungen (8), (9) 

und (10) .,^^* positiv ist, wovon man sich leicht 

überzeugen kann, so geben Gleichung (8) und die 
aus ihr hergeleiteten (9) und (10) ein Minimum des 
zugehörigen w^, d. h. bei Erfüllung genannter Glei- 
chungen wird die Füllung mit momentaner Kanalaas- 



397 



Schmidt, Gonstructionsregeln für die Eyth'sche Expansloussteaeraiig. 



398 



imtzung eine möglichst kleine. Da weiter nach der 
trigonometrischen Formel • 



dntt — »tnß = 2 8in — - — cos — 



2nn 



w, 



w, 



008 



h'+^p^ 



^] ■ 



(11) 



SO fällt r* bei unverändertem w^, cog und a am klein- 
sten aus für 



[■ 



I VI j^ w^ + «i 



]=+.. 



d. h. ebenfalls bei Erfüllung der Gleichung (10); in 
Worten: Die aus Gleichung (10) sich ergebende Lage 
des Expansionsschieberkreises liefert bei gegebener Fül- 
lung mit momentaner Kanalausnutzung zugleich die 
kleinste mögliche Excentricität r^ des Expansions- 
schiebers, weshalb man mit Recht dieselbe als die gün- 
stigste Lage bezeichnen kann. 

Man kommt indess leicht in Versuchung, dem letzt- 
erkaltenen Resultate einen allzu grossen Werth beizu- 
legen, wenn man nicht auch hier wieder das Diagramm 
als Rathgeber benutzt. Dass nämlich We sich nicht 
wesentlich mit d* bei constanten übrigen Grössen ver- 
ändert, ersieht man beispielsweise aus Figur 8, wo die 
Strahlen O^Rf, und O^R^ die zu den Lagen ^K^ und 
^K^ des Expansionsschieberkreises gehörigen Kurbel- 
stellungen bei Beginn der Expansion und bei momen- 
taner Kanalausnutzung vorstellen. Etwas, aber immer- 
hin nui* wenig vergrössert sich die Divergenz dieser 
Strahlen bei sehr kleinen Füllungen, bei welchen der 
Kanal nur zum geringen Theile ausgenutzt wird, wie 
dieses Figur 9 zeigt. Das Resultat der letzten Unter- 
suchung lässt sich daher in folgenden Worten zusam- 
menfassen : 

Soll eine Eyth'sche Steuerung für eine 
meistens mit kleinen Füllungen arbeitende 
Maschine entworfen werden, so nehme man 
den Nacheilungswinkel — d^ des Expansions- 
exccnters nicht zu gross an, damit die Kanal- 
au^nutzung eine möglichst gute wird. Man 
binde sich also hier durchaus nicht an den voil 



Wie man neuerdings den Meyer 'sehen Expan- 
sionsschieber mit getheiltem Rückenkanale ausfuhrt, so 
lässt sich auch hier das Princip der Kanalspaltung zur 
Erzielung eines möglichst schnellen Dampfabschlusses 
verwerthen; auch hierüber mögen einige Bemerkungen 
Platz finden. 



Eyth' scher Schuber mit getheiltem Exparmonssehieherkaruüe. 

Bei der Theilung des Zufuhrungskanales von der 
Weite «i (siehe Figur 1) in n gleiche Theile (n z. B. 
in Figur 10 gleich 3) geht die Gleichung (1) für solchen 
Schieber über in 



n n n 



oder 



a^ = n\L^ — x) + a^ — l—nl'^ . . . (12) 

Ist wieder für f* = 5,* a4 = 0, so hat man 

o=r»(Z3 — ar) + Äi — /— n|-/, 
oder auch 

«, = n(|.»-|') ..... (13) 

Durch Vergleichung der Gleichungen (2) und (13) 
erhält man hiernach folgenden Satz: 

Unter denselben Verhältnissen ist die 
Excentricität des Eyth'schen Schiebers mit 
getheiltem Expansionsschieberkanale gleich 
dem nten Theile der Excentricität des gewöhn- 
lichen ungetheilten Schiebers, oder mit an- 
deren Worten: aus dem Diagramme des letz- 
teren erhält man die Excentricität des ersteren 



zu 



n 



n 



Eyth gemachten Vorschlag, 6^ gleich . - zu 

wählen; namentlich aber dürfte der Umstand, 
dass mit der Vergrösserung des — d* auch der 
sogenannte relative Schieberkreis JT* (siehe 
Figur 6), also auch die Schieberreibungsarbeit 
bedeutend zunimmt, wesentlich zu einer Miss- 
billigung des Eyth'schen Vorschlages bei- 
tragen. 



Da sich nun in den meisten Fällen mit kleiner 
werdendem r^ auch r^ (siehe Figur 6j verkleinern wird, 
so wird eine solche Kanalspaltung, vergröesem sich 
nicht dabei die Reibungsflächen in bedeutenderem 
Maasse, auch hier auf eine Verringerung der Schieber- 
reibungsarbeit hinwirken; auch wird man durch die- 
selbe ein schnelleres Abschliessen des Dampfes erreichen, 
was aus Gleichung (13) namentlich in der Form 

^e* — ^i=:,A sofort zu ersehen ist; ob indess nicht 
fit 

auch bedeutende Nachtheile, wie etwa eine enorme 
Vergrösserung der Schieberdimensionen, mit derselben 
verbunden sind, darüber lässt sich erst nach Berech- 
nung der Schieberdimensionen urtheilen, weshalb nun- 
mehr letztere einer eingehenden Besprechung unter- 
zogen werden muss. 



ayy 



Schmidt, Constructiousregeln für die Eyth'sche Expausioussteuerung. 



400 



Berechnung d^r Schieber dimensionm. 

Obeuan stellen wir folgende Regel: Die zur Be- 
rechnung der Schieberdimensionen erforder- 
lichen Grössen greife man ohne Weiteres aus 
dem Diagramme ab, denn eine peinliche Be- 
rechnung derselben würde einestheils zu zeit- 
raubend, anderentheils aber auch von keinem 
praktischen Werthe sein, da man eine Bewe- 
gung des Schiebers in genau derselben Weise, 
wie sie das Diagramm giebt, in der Wirklich- 
keit wegen der endlich langen Schieberstange 
und unvermeidlicher Ausführungsfehler nicht 
erwarten kann und darf. 

Zunächst sei erwähnt, dass Eyth seinen Schieber 
so construirte, dass nie Verengungen des Expansions- 
schieberkanales durch Kanten des Vertheilungsschiebers 
eintraten. Wij- können uns aber mit dieser Construc- 
tionsweise insofern nicht befreunden, als solche Ver- 
engungen wohl erlaubt sind, so lange sie die Dampf- 
vertheilung nicht beeinflussen und insofern, als durch 
letztere constructive Freiheit der Schi(»ber bedeutend 
kleiner, sowie seine Entlastung vollkommener ausfallen 
muss, als bei Innehaltung der Eyth 'sehen Construc- 
tionsweise, wie wir später an Beispielen hinlänglich zu 
zeigen Gelegenheit haben werden. Unterschätze man 
daher nicht die Wichtigkeit einer Betrachtung jener 
Verengungen. 

Verengung der Expanmonsschieberkanäh durch den Verthei- 

lungssckieber. 

Da solche Verenguugen möglicher Weise sowohl 
durch die Kante 6f als auch durch die H (siehe Fi- 
gur 10) hervorgerufen werden können, dieselben aber 
ganz verschiedener Art sind, so wird die weitere Be- 
trachtung in zwei Theile zerfallen, deren erster 

1) die Verengungen durch die Kante G 

(Figur 10) 

behandele. Nach Figur 11 ist nun bei dfen früheren 
Bezeichnungen 

a,= L-''~^ {h + a,)-L,^'e • • (U) 
n 

Construirt man nun den Schieber so, dass stets die 
Ungleichung resp. Gleichung 

n — 1 



(siehe Figur 1 und 11) erfüllt ist, so geht man offen- 
bar sicher, dass bei keiner Füllung jene Vei*engung die 
Dampfvertheilung beeiuflusst. Da weiter a^ veränder- 
lich oder constant ist, je nachdem dasselbe kleiner oder 
gleich a (siehe Figur 1) oder, was dasselbe, je nach- 
dem ^ — G kleiner oder grösser als a ist und darnach 
obige Ungleichung (15) verschieden gehandliabt werden 
muss, so wird dieser Theil der Betrachtung wieder in 
zwei Theile a und ß zerfallen müssen, deren einer den 
Fall 

et) «2 = 5 — <•, d. h. <^a 

behandelt. Durch Vereinigung der Gleichung (14) und 
Ungleichung (15) erhält man nun hier 



Z — 



n — 1 



n 



/,-Z,--|^>J~. 



oder bei Bezeichnung der Constanten 



w— 1 



n 



h —L.,-\-e 



(16) 



mit C\ 

6',>§ + r (17) 

den Ausdruck rechter Iland erhält man aber leicht im 
Diagramm als Radius vector §** eines Kreises K^^ dessen 
Durchmesser die Diagonale des aus den Seiten r und 
r^ construirten Parallologrammes ist (siehe Figur 12), 
oder, da auch ^ + ?-=| + | — 1*=2^ — ^S so lässt 
sich der Kreis K^ sozusagen auch als relativer Schieber- 
kreis zu den Excentrici täten 2r und r^ ansehen. Be- 
zeichnet man nun das gi-össte für a^ = ? — e vorhandene 
^* mit ^^Max. (über welchen Werth das Diagramm leicht 
entscheidet), so wird die Ungleichung 

C\>k'Max. (18) 

die (17) in sich schliessen, weshalb wir auch nur diese 
(18) zu berücksichtigen haben. 

Weiter muss für den zweiten Fall, dass 

j3) aj = a 

ist, naeh Gleichung (14) und Ungleichung (15) 

sein, oder bei Bezeichnung der Constanten 



n ^ 



«« + 



n 



a, > a^ 

1 - ~ m 



m m 



• (15) 



....... l/,_Z^+,_(,+,) 

n 

(19) 
mit Cj — (a-{- e) 

C,-{a+e)>^,' (20) 

Bei Bezeichnung des grössten bei a^ = a auftreten- 
den ^^ mit '^^Max. werden wir im weiteren Verlaufe 
unserer Betrachtung nun die Ungleichung 



401 



Schmidt, Constractionsregelu für die Ejth'sche Expansionssteaerung. 



402 



C,-{a + e)>'^^Max. (21) 

zu berücksichtigen haben, da dieselbe wieder die Un- 
gleichung (20) in sich schliesst. Ueber die Grösse des 
^Max. entscheidet auch hier wieder leicht das Diagramm. 
Von den Ungleichungen (18) und (21) darf aber 
offenbar diejenige in eine Gleichung übergehen, welche 
die andere Ungleichung in sich schliesst, aus welcher 
Bedingung dann mit Zuhilfenahme des Diagrammes 
der Werth der Constanten Cj folgt; mit anderen Wor- 
ten, es sind hier zwei Fälle möglich, entweder ist 

C^— {a + e) = l^ifox. und zugleich 

6, >l*jfajc.> woraus durch Subtraction folgt 

'ä+e>^^Max, — ^^Max., odcr CS ist 

Ci =l*jfax. und zugleich 
C^ — {a-\-e)y> l^Mnx. y woraus wieder durch Subtraction 
folgt 

durch welche Combination wir zu folgendem Resultat 
der ganzen Betrachtung über die Verengungen durch 
die Kante G (Figur 10) gelangen: 
Die Constante 

C,=L-^L, — '^—^i, + e . . . (22) 
bestimmt sich aus der Gleichung 

ist. 

Zum Schlüsse machen wir noch darauf aufmerksam, 

dass vermöge der Lage der Kreise K^ und K^ solche 
Verengungen durch die Kante G nur bei kleinen Kur- 
beldrehungswinkeln und zwar bei solchen mit positivem 
A ?^ vorkommen werden , worauf wir bei unserer wei- 
teren Betrachtung noch einmal verweisen müssen ; dass 
ferner keine Verengung des nächsten Expansionsschieber- 
kanales durch die Kante G, wie solche Figur 13 ver- 
sinnlicht, eintreten kann, folgt schon leicht daraus, 
dass hierzu eine relative Verschiebung der beiden Schie- 
ber um den Betrag — ^ nöthig wäre, solche aber bei 

der Lage des relativen Schieberkreises K^ hier ganz 
undenkbar ist. Gehen wir nun zum zweiten Theil un- 
serer Betrachtung über. 

2) Die Verengungen durch die Kante H 

(Figur 10). 

Bei den Bezeichnungen der Figuren 14, 15 und 
16 hat man folgende Formeln für die bei sehr weit 
getriebener Kanalspaltung möglichenfalls nacheinander 
eintretenden Verengungen durch die Kante H 

Ctvlllngenieur ZXIII. 



I je nachdem a + e \' J{ I^mox. — l^¥ax. 



s 



«7 = — + -'^»-A + S', 

n n 

a, = ä^ + ?i'+Z,_i, + |* U. 8. f. 
n n 

Daher die zu diesen Werthen gehörigen Gesammtkanal- 
eröffnungen des Expansionsschiebers ohne Rücksicht 
auf etwa zu gleicher Zeit eintretende Verengungen 

durch die Expansionsplatten bezüglich 

« 

«10 ==«7 H —' «1=01+^3 A+l^ 

n 

«ii=«8H — — «i=»i+X3— Zi+ ~ +J^ 

n n 

<»i2 = «9+ «i = ajL+X3 — Z^4- * + l^ u. S. f. 

Diese Kanaleröffnungen haben aber sämmtlich die Form 



n 



(23) 



WO C^ die Constante a^ + L^ — L^ und die positive 
ganze Zahl m (incl. der Null) bestimmt ist durch die 
Grenzen 0<w<n — 1. Aus dieser Gleichung (23) ist 
nun in Anbetracht der Lage des relativen Schieber- 
kreises K'^ bei dieser Steuerung (siehe Figur 6) sofort 
ersichtlich, dass solche Verengungen durch die Kante 
H nur bei grösseren Kurbeldrehungswinkeln und zwar 
bei solchen mit negativen A^^ vorkommen können, so 
dass also nie zu befürchten ist, dieselben könnten mit 
den Verengungen durch die Kante G zu gleicher Zeit 
auftreten. Wie ferner aus Gleichung (23) ersichtlich, 
lässt sich aber bei Unkenntniss der Dimension l^ nicht 
über diese Verengungen urtheilen, weshalb die Bestim- 
mung jener hier unbedingt einzuschalten ist. Da ferner 
der Bestimmung sänmitlicher anderer Dimensionen mit 
Ausnahme der von L^ keine Schwierigkeiten entgegen- 
stehen werden, so wollen wir zur Vermeidung einer zu 
grossen Zersplitterung des Ganzen auch diese ohne 
Weiteres folgen lassen und endlich zum Schluss auf 
die Eröffnung A zurückkommen, um aus ihr L^ her- 
zuleiten. 

Die bis jetzt betrachteten Kanalverengungen wur- 
den durch Kanten des Vertheilungsschiebers bewirkt; 
bei gewisser Schieberconstruction sind indess auch solche 
durch die Kanten K der Expansionsplatten (siehe Fi- 
gur 17) denkbar. Da nun diese Platten nur mit den 
Kanten J die Füllung bestimmen sollen, so sind die 
eben erwähnten Verengungen gleichfalls nur dann zu- 
lässig, wenn sie ohne Einfluss auf die Dampfvertheilung 
sind. Da ferner aus letzterer Bedingung abermals be- 

26 



403 



Schmidt, Constractionsregeln fttr die Eyth'sche Expansionssteuerong. 



404 



stimmte Schieberdimeusionen abgeleitet werden können, 
so ist eine Betrachtung auch dieser Verengungen nicht 
2u übersehen. 

Verengungen durch die Kanten K (Figur 17). 
Da nun nach Figur 17 



«13=5^ + ^ + 



l+«5 j 

— — 2j^ 

n 



(24) 



solche Verengungen also nur bei kleinem JS d. h. bei 
kleinem lo eintreten werden, so ist es immerhin denk- 
bar, dass dieselben mit der durch die Gleichung (14) 
bedingten Verengung zu gleicher Zeit auftreten, in 
welchem Falle man offenbar (nach Figur 11 und 17) 
die Gesammtkanaleröffnung des Expansionsschiebers zu 

'»14 = <'6+(« 1)^13 

erhielte, welche Formel nach Benutzung der Gleichungen 
(14), (24) und der ohne Weiteres verständlichen 

H + l=^i + h (25) 

übergeht in 

Da es weiter auf den kleinsten möglichen Werth 
dieser Eröffnung ankommt, letzterer aber für XMm. 
(grösste Füllung) auftritt, so erhalten wir nach oben 
bei Verwerthung der Gleichung ?^ = f — ^^ die Un- 
gleichung (siehe Figur 1) 



Äi4 = X— nX3 4-(n— l)a;j^wi. + «l^ — ^.^«2 



(26) 



Bei Bezeichnung der Gonstanten 

L — nL^ + {n—\)xMü,. .... (27) 

mit Cg erhält man so, in Anbetracht dessen, dass jene 
Eröffnung a^^ bei kleinem u) auftreten wird, man also 
auch hier einen ähnlichen Weg betreten muss, wie bei 
Betrachtung der Verengung durch die Kante G, fol- 
gende zwei Ungleichungen (A) und (B), welchen wir 
kurz mit Hinweisung auf das Frühere die aus ihnen 
herzuleitende Entwickelung folgen lassen. 

C3 + n|^~§>^-. (A) 

giltig für a^ = ^ — e, d. h. <« 

und bei Bezeichnung des grössten für a2 = ^ — e auf- 
tretenden Radiusvector ^^ des aus 2r und nr^ con- 
struirten Hilfskreises K'"" (siehe Figur 18) mit ^^mox. 
schliesst die Ungleichung 



gütig für a^ = a 



^3 + ««' — ^>« 



C. — a>A — n^^ 



(B) 



jene in sich. 



ayJte>i'^Miu. (C) 



und bei Bezeichnung des grössten für a2=a auftreten- 
den Badiusvector ^^ des aus r und nr^ construirten 
Hilfskreises K^ (siehe Figur 19) mit ^^uax. schliesst die 
Ungleichung 

C^ — a>A^Max, (D) 

jene in sich. 

Aus diesem Grunde kommen in unserer weiteren 
Betrachtung auch nur die Ungleichungen (C) und (D) 
in Frage, von denen diejenige nun in eine Gleichung 
übergehen kann und soll, welche die andere Ungleichung 
foitbestehen lässt. Wir haben sonach auch hier wieder 
zwei Fälle zu unterscheiden: 

entweder ist 

C^-\'e=:l^xax. und ausserdem 

^8 — g>'l^ifaa?..< woraus durch Subtraction folgt 

oder es ist 

C3 — a=^l^Max. und ausserdem 

C3 — e^i^Max . 9 wo raus wieder durch Subtraction folgt 

Hieraus erhalten wir folgendes Resultat: 
Die Constante 

C\ = L^nL^ + {n—\)xMin. . . . (28) 

bestimmt sich nach der Gleichung 

C?3 = rjfax. + « 
je nachdem die Ungleichung 

B 

besteht, über welch' letztere das Diagramm leicht Auf- 
schluss ertheilt. 
Was weiter die 

Bestimmung der Dimension L.^ 

anlangt, so geschieht dieselbe mit Hilfe der Bedingung, 
dass bei keiner Plattenentfemung während der Ikpan- 
sionsperiode frischer Dampf in den Ojrlinder treten 
darf, mit anderen Worten, dass die in Figur 20 dar- 
gestellte Ueberdeckung ü, so lange ^>6 ist, poeitiv 
ausfallen muss. Da nun nach dieser Figur 

diese Ueberdeckung also am kleinsten für Xmmms, und für 



« + <? \^J{ i^Max. — k^Max. 



405 



Schmidt, Constructionsregeln fttr die Eyth'sche Expansioiissteuerinig. 



406 



das grösste innerhalb der Periode f >ß vorkommende 
^S welches wir mit ^^^ bezeichnen wollen, ist, so mnss 
das durch die Gleichung 



L, = ü + XMax. + i2' (29) 

gegebene ü positiv ausüallen, nach welcher Gleichung 
nunmehr die Dimension Z, leicht zu berechnen ist. 

Darnach folgt aber ohne Weiteres aus den Glei- 
chungen (28) und (29) 

Die Dimension L 

zu I' = Cji + nL^ — {n—l)xMm. . . • (30) 

(siehe Gleichung 28). 

Nach Berechnung dieses Werthes ergiebt sich endlich 

Die Dimension l^ 
mit Hilfe der Gleichung (22) zu 



n 



n — 1 



Die Dimension l 



(31) 



leitet sich endlich aus der Stellung des Schiebers, Fi- 
gur 21, bei Beginn der Ebcpansion für irgend eine, z. B. 
die grösste Füllung, her. Bs ist nämlich nach dieser 
Figur 

n n 

also bei Bezeichnung des zur grössten Füllung gehörigen 
X und ^,* mit XMi». und ^e^Max. 

l = ai + n{L^ — ^3iüi. — h^Max.) . . • (32) 

nach welcher Gleichung ohne Weiteres aus Gleichung 
(25) die 



Dimension ar, 
folgt zu 

Endlich wird die 



(33) 



Dimension L^ 

mit Hilfe der Figur 22 aus der Bedingung abgeleitet, 
dass eine Eröifnung ai5, wie sie diese Figur zeigt, unter 
keinen Umständen während der Periode, innerhalb 
welcher |>e ist, stattfinden darf, damit nicht frischer 
Dampf während der Expansion in den Cylinder tritt. 
Da nun nach dieser Figur 

«15 = ^ — ^2 — ^S 

diese Eröffnung also mit abnehmendem ^^ zunimmt, so 
wird solche auch nur am Ende des Kolbenlaufes zu 



erwarten sein. Bezeichnet man jetzt das kleinste zu 
f>e gehörige |* mit ^3* und fuhrt man auch hier 
wieder des sicheren Schlusses halber eine Ueberdeckung 
ü^ ein, so muss offenbar die Gleichung bestehen 

«15 für ^* = S3* gleich — «\ , 

oder 

L,='Z + ü,-^,^ (34) 

Die Dimension a^ 
endlich ist stets so zu wählen, wegen der Contraction 

des durch die Kanäle — fliessenden Dampfes, dass das- 

selbe um ein Greringes grösser als a ist, 

«i>« (35) 

welche Ungleichung indess für w = 1 in eine Gleichung 
übergeht. Die Dimension L^ endlich ist aus der Ka- 
naleröffnung Ä abzuleiten, weshalb wir jetzt, wie schon 
oben bemerkt, auf diese zurückkommen müssen. 

ForUdzung über du Betrachtung der Verengungen durch du 

Kante H (siehe oben). 

Da nach S. 402 die aus jenen Verengungen abge- 
leitete Gesammteröffnung A des Expansionsschiebers 
mit abnehmendem ^^ ebenfalls abninmit, vermöge der 
Lage des Kreises K^ (siehe Figur 6) aber bei dieser 
Steuerung durchschnittlich |^ bei zunehmendem (a ab- 
nehmen wird, so werden jene Verengungen nach dem 
Ende des Kolbenlaufes hin auftreten und namentlich 
in der Periode, innerhalb welcher der Vertheilungs- 
schieber den Gylinderkanal allmälig verschliesst, von 
Einfluss sein. Da nun solche Verengungen durchaus 
zu vermeiden sind, so lange noch a^^^a ist (zur Ver- 
meidung einer Beeinflussung der Dampfvertheilung)* 
dieselben also nur während der Periode, während wel- 
cher zum zweiten Male | — e<Ca ist, unter Umständen 
statthaft sind, ferner aber zum vollständigen Abschneiden 
eines oder mehrerer Expansionsschieberkanäle durch 
die Kante H (wie solches die Figuren 15 und 16 zeigen) 
eine sehr bedeutende innerhalb jener Periode nicht 
denkbare Abnahme des ^^ nöthig wäre (A " wenigstens 

gleich — ^ - ), so kann auch nur so lange, als f >c 

ist, von der Verengung nur eines die Dampfvertheilung 
bewirkenden Kanales die Rede sein, mit anderen Worten, 
es ist m = zu setzen (siehe oben) und für a + > | > c 
und „d^ negativ" die Ungleichung Ä^a^ einzuhalten, 
damit jene Verengung ohne Einfluss auf die Dampf- 
vertheilung bleibt. Man hat so nach Gleichung (23) 

C, + ^'>^ — e oder da | — 5^ = |-§ -f- |i = |^ 

26 • 



407 



Schmidt, Constractionsregelii filr die^^th'sche Expansionssteaeinng. 



408 



ist bei Bezeichnung des kleinsten innerhalb der Periode 
a-b€>^>e und „d^ negativ" auftretenden |* mit ^4* 

aus welcher Gleichung nach Einführung der Constanten 
Ci (siehe Gleichung (23)) nunmehr 

Die Dimension L^ 

folgt zu 

Z,=«, + <f4-X3 — 14» .... (36) 

Zum Schluss muss indess noch auf die in Figur 22 
dargestellte Eröffnung a^^ aufmerksam gemacht werden, 
da solche durchaus zu vermeiden ist. Nach dieser 
Figur ist aber 

«ni = — s'* — A — • -^3 » 

weshalb unbedingt darauf zu achten ist, dass 

L, + L,>r'^ (37) 

Hiermit ist die Berechnung aller dem Eyth 'sehen 
Schieber eigenthümlichen Dimensionen als erledigt zu 
betrachten und möge jetzt noch ein Beispiel die An- 
wendungsweise derselben verdeutlichen, so¥rie auf die 
Brauchbarkeit auch dieses Schiebei-s hinweisen. 

Beispiel. 

Für das Vertheilungsschieberdiagramm Figur 23 
ist ein Eyth 'scher Schieber mit der grössten Füllung 
= 0,76 und einmal für die kleinste Füllung ^0,i und 
das andere mal füi* dieselbe = zu berechnen und zu 
zeichnen, und zwar für n = 1 und n = 3. Die Dampf- 
vertheilung soll bei den vier Schiebern die nämliche 
sein, um auf diese Weise leicht ein Urtheil über den 
Einfluss der Kanalspaltung zu gewinnen. Endlich sei 
die Füllung mit momentaner Kanalausnutzuug 0,3, 
XMn». = 0, ü = üi — 3«"" und a, für w = 3 gleich 28°". 

Da die sich auf die Füllung mit momentaner Ka- 
nalausnutzung beziehende günstigste Lage des Kreises 



K^ (siehe Gleichung 10 und 11) die durch die grösste 
Füllung gegebene Grenzlage ( — d^)Müt. noch nicht über- 
schreitet, so werde dieselbe hier dem Ezpansions- 
schieber zu Grunde gelegt und ergeben sich nunmehr 
sämmtliche Hilfskreise K* bis JT^, wie sie Figur 23 
zeigt, sowie aus diesen folgende Werthe der zur Berech- 
nung der Schieberdimensionen erforderlichen Grössen: 



Kleinste Füllung. 




n«l 


n«=:3 




« = 


7 


7 




1*'- 


47 
55,6 


15,7 


0,1 


f^ifox.— 


18,9 





84 


28 




76,6 

44,4 

44,4 
76,6 

44 ; 

— 39,3 
40 


76,5 




b Max. 


44,4 




37 




S^Max. — 


68,3 




b« Max. ^^ 


14,7 






— 8,5 




13,3 




25 


28 




r 2 — 


49,3 


37 



Wir wollen im Folgenden die Berechnung für die 
kleinste Füllung =0,i geben, die für die kleinste Fül- 
lung = dem Leser selbst überlassend, da der Gang 
der Rechnung in beiden Fällen derselbe ist. Die 
Zeichnungen geben wir in 0,3 natürlicher Grösse (Fi- 
guren 24 bis 27). Man hat nun für 



kleinste Füllung =0,i 



71 = 1 



n = 3 



Z3 = 3 H- 55,6 + 47 = 105,6 . . . (29) : Z3 =3 + 18,9 + 15,7 = 37,6 . . . 

Da hier , Da hier 

«4-, = 25 + 7 = 32<|^v.,. — |^v«r. = 76,5 — 44 = 32,1 '■ « + ^ = 32 < |^v.;.. - |«jirax. = 32,1 . . 

so ist (28) so ist auch 

^'3 = ^^v«^. — «^ = 76,6 — 7 = 69,5, C3 = ^^Max. — e = 69,5, 

daher daher 

Z = 69,5 + 105,6 = 175,1 . . . . (30) Z = 69,5 + 112,8 -- 182,3 . . . 

Da weiter die Dimension /, für n = 1 nicht zur ^^ ^®^^®^ ^*®^* 
Ausführung gelangt, so hat auch eine Berechnung der- « + ^=32>-J^if«jc. — l*.¥ax. = 68,3 — 37 = 31,8 . 
selben keinen Sinn. Ferner ist so ist auch 



(29) 
(28) 



(30) 



(22) 



409 



Schmidt, Constractioiisregeln für die £yth*«che Expansionssteuerang. 



410 



daher 



/= 25 +.105,6 — 44=86,6 .... (32) 
Für a^ gilt dasselbe wie für l^ 

Z^ = 175,1 4-3 + 39,3 = 217,4 . . . (34) 
Xi = 25 + 7 + 105,6 — 40 = 97,6 . . (36) 
endlich ist hier die Ungleichung 

Zj + X3 = 97,6 + 105,6 = 203,2 > r- = 49,3 . (37) 
erfüllt. 



C,=|*ifax.+ « + ^=37 + 32 = 69, 



/i = -^ (182,3 + 7 — 37,6 — 69) =124 



/=28 + 3(37,6 — 14,7) = 96,7 . . . 

a^ = 28 + 124 — 97,7 = 55,3 . . . . 

Z^= 182,3 + 3 + 8,5= 193,8 . . . . 

Zi = 28+ 7 + 37,6 — 13,3 = 59,3 . . 
endlich ist auch hier die Ungleichung 

Zi + Z3 = 59,3 + 37,6 = 96,9 > r* = 37 
erfüllt. 



(31) 

(32) 
(33) 
(34) 
(36) 

(37) 



Wollte man so construiren, dass die durch die 
Figuren 11 und 13 bis 17 dargestellten Verengungen 
als die Eröffnung a^^ (Fig. 22) unter allen Umständen 
vermieden werden sollten, wie es auch Eyth that^ 



a. 



so müsste man aQjim. = <^7Mm.=(ii3Miu. sämmtlich = — - 

und ai^jfojc. == — Wg setzen, wo ü^ wieder eine des sicheren 
Schlusses halber einzuführende Ueberdeckung bedeutet. 
Auf diese Weise erhielte man aus den Gleichungen (14)^ 
(23), (24) und (34) die 

Z — i^ — öj — Zj — r* = 0, 

fi 



r * + XMni. + ^ 



M2 = Z 



n 
X,+r^ 



Z, = 0, 



Dann müsste aber auch die durch Fig. 20 darge- 
stellte Ueberdeckung ü stets positiv sein, was der Fall 
ist, wenn 

ü = L^— XMax. — r^' 

Diese Gleichungen geben aber mit denen (32) und 
(33), welche auch jetzt noch gelten, folgende zur Be- 
rechnung der Schieberdimensionen erforderliche Werthe : 

Verheuerte Eyt hasche ConstrucU'onsweüe. 

L,=ü + xjiaz, + r' (29*) 

^* =^+r, (31*) 

n n 

»!, = li + a^~l (33) 

X, = X, — r' (36*) 

^=^+-— -^ /. + «, + r- . . . (30*) 

It 



L.^L + r' — ü, (34*) 

Wir bezeichnen diese als die verbesserte Eyth 'sehe 
Constructionsweise insofern, als wir uns hierbei keines- 
wegs, wie es Eyth that, an eine bestimmte Grösse und 
Lage der Kreise K und K^ banden, dieselbe also auf 
jedes beliebige Diagramm angewendet werden kann. 
Die Figuren 28 und 29 zeigen z. B. für obiges Beispiel 
und für die kleinste Füllung = die Schieber bei An- 
wendung letzterer Constructionsweise. 

Da nun den Fi^ren 24 bis 29 dieselbe Dampf- 
vertheilung zu Grunde liegt, so können wir aus ihnen 
mit Leichtigkeit folgende Schlüsse ziehen: 

Die Kanalspaltung im Expansionsschieber 
erzeugt, bei unveränderter Dampfvertheilun^, 
keine wesentliche Vergrösserung der Schie- 
berdimensionen, verringert die Reibungsar- 
beit zwischen Expansionsschieber undPlatten, 
vergrössert dagegen die zwischen Expansions- 
und Vertheilungsschieber. Ob durch dieselbe 
ein Vortheil erreicht wird oder nicht, dürfte 
also schwer zu entscheiden sein. 

Je kleiner die kleinste Füllung, desto 
grösser fällt, bei sonst unveränderter Dampf- 
vertheilung, der Schieber aus; aus diesem 
Grunde ist die Constructionsweise, welcher 
die kleinste Füllung gleich Null zu Grunde 
liegt, zu verwerfen, da ein Absperren des 
Dampfes leichter und besser durch ein Ab- 
sperrventil zu erreichen ist. 

Die verbesserte Eyth'sche Constructions- 
weise trägt wesentlich zur Schiebervergrösse- 
rung, sowie zur R^ibungsvermehrung zwischen 
Expansions- und Vertheilungsschieber bei 
und ist deshalb mit Recht als unpraktisch zu 
verwerfen. 

Man construire daher, um den Schieber 



415 



Beck, Ueber den Begriff „Maschine^. 



416 



und Delaunay cfeHaton das gleichbedeutende Fremdwort: 
„Apparat^ gebrauchen, womit man immer etwas von Men- 
schenhand zur Erreichung eines gewissen Zweckes Hergerich- 
tetes versteht. Auf den Widerspruch, der darin liegt, wenn 
man auch Naturproducte mit unter die Maschinen rechnet, 
haben ¥dr bereits hingewiesen. 

Femer drückt die Definition Reuleaux's nicht aus, 
dass eine Maschine den Zweck habe, eine bestimmte 
mechanisch-technische Arbeit zu verrichten, sondern 
bezeichnet als deren Zweck nur die Erzeugung einer be- 
stimmten Bewegung. Dass aber nicht nur die Bestimmt- 
heit der Bewegung, d. h. des Weges bei der Bewegung, 
sondern auch die Ueberwindung bestimmter Widerstände, 
oder mit einem Wort die Verrichtung einer bestimmten 
mechanischen Arbeit Zweck der Maschine sei, darin stimmen 
fast alle anderen Autoren überein. Durch die R e u 1 e a u x 'sehe 
Definition aber wird der Unterschied zwischen „Mechanismus^^ 
und Maschine gänzlich verwischt und die Yermengung dieser 
beiden Begriffe führt zu manchen ungerechtfertigten Schlüssen. 
Da auf den 3 ersten Zeilen der Seite 38 von Beuleaux's 
Kinematik zu lesen ist: „Wenn wir eine Maschine ausfuhren, 
so wollen wir damit eine Vorrichtung zur Ausführung be- 
stimmter mechanischer Arbeiten schaffen, sei es eines Trans- 
portes, oder einer Umformung eines Körpers, oder beider 
zugleich^^, so ist es um so weniger begreiflich, warum dieser 
von den älteren Autoren fast allgemein angegebene Zweck 
der Maschine in der Reuleaux'schen Definition nicht an- 
gegeben und auch später ausser Acht gelassen wird. 

Auf Seite 54 von Reuleaux's Kinematik wird z. B. 
gesagt, dass auch Fernrohre, geometrische Messapparate, 
Waagen u. s. w. unter die Maschinen zu rechnen seien, weil 
an denselben bestimmte, (zwangläufige) Bewegungen, resp. 
Vorrichtungen zur Erzeugung solcher, vorkonmien. Da aber 
die Hervorbringuug einer bestimmten Bewegung nicht der 
Zweck von optischen Instrumenten, Messwerkzeugen und 
Waagen u. s. w. ist und noch viel weniger die Verrichtung 
einer mechanischen Arbeit; da vielmehr die bestimmte Be- 
wegung hier nur als Mittel zur Erreichung anderer Zwecke 
dient, so pflegt man desshalb (und nicht etwa „weil die be- 
treffenden Mechanismen nur vorübergehend gebraucht wer- 
den und die dabei angewendeten Kräfte klein sind") der 
Anschauungsweise älterer Autoren gemäss diese Vorrichtungen 
nicht zu den Maschinen oder Mechanismen zu rechnen. 

Niemand wird bestreiten, dass die Stell- und Wende- 
vorrichtungen an einem Teleskop Mechanismen resp. Ma- 
schinen sind. Sie haben den Zweck, bestinmite Bewegungen 
resp. die Ueberwindung der dabei vorkommenden Wider- 
stände zu ermöglichen; spricht man aber von dem Teleskop 
als Ganzen, so ist sein Zweck ein anderer. 

Einer Waage pflegt man nicht etwa, wie Reuleaux meint, 
deshalb den Namen „Maschine" vorzuenthalten, weil bei ihr 
die Bewegung auf enge Grenzen eingeschränkt ist (denn dies 
ist sehr häufig nicht einmal der Fall), sondern deshalb, 
weil ihr Zweck Gewichtsbestimmung und nicht Verrich- 
tung mechanischer Arbeit ist. Die Bewegung tritt dabei 
nur als Nebenerscheinung auf, oder dient nur als Mittel zum 



beiters darauf beschränkt sei, Störungen in den einzelnen Opera- 
tionen derselben zu verhüten und höchstens einzelne bestimmte 
Operationsweisen der Maschine, nachdem andere ausgeführt sind, 
einzuleiten. Dr. Hart ig. 



Zweck. Letzteres gilt z. B. von den Zeigerwaagen, Ersteres 
aber von den Balkenwaagen, bei denen die Bewegung sogar 
ganz vermieden werden kann, wenn man sich die Mühe 
machen will, die Waagschale mit der Hand so zu nnt«^ 
stützen, dass der Waagbalken horizontal bleibt, während man 
den zu wägenden Gegenstand darauf bringt, und dann aU- 
mälig Gewichte in die andere Waagschale zu legen, bis man 
fühlt, dass dieselben dem zu wägenden Gegenstande das 
I Gleichgewicht halten. Zieht man dann die Unterstützung 
j der ersten Waagschale weg, um sich auch noch durch dea 
Gesichtssinn zu vergewissern, ob Gleichgewicht besteht, so 
braucht keine Bewegung in der Waage einzutreten. Die 
Ausführung mechanischer Arbeit ist bei der Waage daher 
nur Nebenerscheinung und je feiner und rascher man wägen 
will, desto mehr muss man bestrebt sein, diese auf ein Mi- 
nimum zu beschränken. 

Aehnlich verhält es sich mit Uhren, wie sie heutigen 
; Tages gebräuchlich sind. Ihr Zweck ist das Messen der 
Zeit und in dieser Hinsicht sind sie mit Sanduhren, Sonnen- 
uhren u. s. w. in eine Klasse zu rechnen. Die gleichförmige 
I Bewegung des Zeigers ist eigentlich nur Mittel zu jenem 
Zweck; will man sie aber auch als Zweck der Uhr gelt^ 
lassen, so sind doch immerhin die bei der Bewegung unver- 
meidlichen Widerstände nur als störende Nebenerscheinungen 
zu betrachten, welche der Uhrmacher möglichst vermeiden 
muss. Deshalb ist von diesem Standpunkte aus eine Uhr 
I nur ein Mechanismus, nicht aber eine Maschine zu nennen. 
' Letztere Bezeichnung wäre erst dann gerechtfertigt, wem 
I man annehmen wollte, die Uhr habe den Zweck, zur Ver- 
j richtung von Reibungsarbeit und Ueberwindung von Luft- 
' widerständen zu dienen, was doch kaum annehmbar sein dOrfta 

Wollte man nach Reuleaux Teleskope, Theodolitbiy 
Waagen und dergl. zu den Maschinen rechnen, so mflsste 
mau diese Bezeichnung auch auf Barometer, Thermometer, 
Zirkel Reissfedern u. s. w. anwenden, denn an allen dies« 
Vorrichtungen kommen bestimmte Bewegungen vor, wddie 
durch die Verbindung widerstandsfähiger Körper erzwungen 
sii^i. Damit wäre dann das Gewerbe des Mechanikiis mit 
dem des Maschinenbauers wieder vereinigt Es w&re aber 
selbst kein Grund mehr vorhanden, warum man nicht Regen- 
schirme, Taschenmesser, Thürschlösser, Riegel und eine 
Unzahl anderer Gebrauchsgegenstände, an denen sich zwang- 
läufige Bewegungen auffinden lassen, nicht auch Maschinei 
nennen sollte. £s wäre dies eine Wiederverdünnnng oder 
Wiederverflüchtigung der Bedeutung dieses Wortes, die u» 
durchaus nicht wünschenswerth erscheint 

Nach unserer Ansicht dürfte sich daher folgende ab- 
geänderte Form der Reuleaux 'sehen Definition des Wortes 
„Maschine" empfehlen : 

Eine Maschine ist eine künstliche Verbindung wid^ 
standsfähiger Körper, welche zur Verrichtung einer be- 
stimmten mechanisch-technischen Arbeit dient 
und zu diesem Zwecke so eingerichtet ist, dass durch sie 
mechanische Kräfte genöthigt werden können, nnter be- 
stimmten Bewegungen zu wirken. 

Wir wollen damit nicht sagen, dass die Definition ii 
dieser abgeänderten Form erschöpfend und durchaus befrie- 
digend sei, sondern halten nur die Abänderungen ftbr nOthig, 
um die Präaisirung, welche der in Rede stehende Begrif 
bereits erfahren hat, nicht wieder zu verwischen. 



Die Stickmaschiiie. 

Von 

H. Fischer, 

Assistent am k. Polytechnikum zu Dresden. 

Habilitationsschrift. 

(Hierzu Tafel XIX-XXI.) 



Seitdem im Jahre 1829 der Elsässer Josua Heil- 
mann die Stickmaschine erfand, ist eine neue Aera in 
der Ausbildung der Stickkunst angebrochen. Hatte es 
zwar für den Anfang den Anschein, als könne diese 
Maschine nicht mit der fleissigen und geübten Hand 
der Stickerin concurrireu, so hat sie sich doch im 
Laufe der Zeit für die Herstellung gewisser Stickwaaren 
80 eingebürgert, dass sie gegenwärtig als unentbehrlich 
bezeichnet werden muss. Trotz alledem ist der Hand- 
stickerin noch ein reiches, weites Feld der Thätigkeit 
geblieben, denn den „sinnigen Geist" deraelben zu ein- 
setzen, wird der Stickroaschine niemals gelingen. ^ 

Die bei der Handstickerei zur Steigerung des Ef^ 
fectes der Arbeit benutzten mannigfachen Sticharten 
sind bei der Maschinenstickerei durch einige wenige 
ersetzt. Die hervorragendsten, am häufigsten vei*wen- 
deten und den übrigen Sticharten als Grundlage die- 
nenden sind der Plattstich, der Festonstich und 
der Tambour irstich. Ersterer, als der einfachste 
unter den drei Sticharten, besteht wie Figur 1, Tafel 
XIX, zeigt aus geradlinig verlaufenden, mehr oder 
weniger langen, auf der Oberfläche des zu stickenden 
Stoffes flott liegenden Fäden, die entweder parallel 
dicht nebeneinander gelegt sind, oder von denen je zwei 
benachbarte einen sehr kleinen Winkel einschlicssen. 
Letzteres findet statt, wenn die zu stickenden Muster 
in gekrümmten Linien verlaufen. Durch entsprechende 
Aneinanderreihung der einzelnen Stiche lassen sich 
durch den l'lattstich verschiedene andere, in der Hand- 
stickerei gebräuchliche Sticharten combiniren, welche 
dann als Ziernilthe Verwendung finden. 

Die beiden anderen Sticharten sind gegenseitig in- 
sofern verwandt, als der Festonstich (Fig. 4) eine 
Abart des Tambourirstiches (Fig. 2) repräsentirt. 

CiTÜiutreoieur XXIII. 



Der letztere bildet eine Aneinanderreihung mehr oder 
weniger lang gestreckter, auf der Oberfläche des Stoffes 
liegender Schleifen, von denen stets die folgende die 
ihr vorangehende bindet. Der die Schleife bildende 
Faden kehrt hierbei stets durch dasselbe Loch wieder 
auf die Rückseite des Stoffes zurück, durch welches er 
zum Zwecke der Schleifenbildung auf die Vorderseite 
desselben hervortrat. Diesem entsprechend liegen die 
Fäden der Rückseite stets in der Längenrichtung der 
Schleife und folgen wie diese den Contouren der zu 
stickenden Zeichnung. 

Erfolgt das Hervortreten und Zurückkehren der 
Fäden durch verschiedene, innerhalb des von der Fa- 
denschleife umschlossenen Raumes liegende Stichlöcher 
a und />, so ist die Möglichkeit geboten, die Schleife 
in beliebigem Betrage in die Breitenrichtung auszu- 
dehnen und es geht der in Fig. 3 gezeichnete Doppel- 
fes ton stich hervor, eine Stichart von ausserordentlich 
schönem und reichem Ansehen, welche ich bei Unter- 
suchung einer aus dem 17. Jahrhundert stammenden 
Handstickerei vorfand , und auf die ich der genannten 
Eigenschaften wegen hier ganz besonders aufmerksam 
machen möchte. Aus diesem Doppelfes tonstich ent- 
wickelt sich der einfache, auch in der Maschinen- 
stickerei gern benutzte Feste n st ich (Fig. 4) dadurch, 
dass der Stichpunkt a, durch welchen der Stickfaden 
auf die Rückseite des Stoffes zurückkehrt, nicht inner- 
halb der vorhergehenden Schleife liegt; hierdurch ver- 
liert dieselbe ihre ursprüngliche Gestalt und geht in 
einen Plattstich über, der an einem Ende in einen 
kleinen Haken ausläuft. 

Im Allgemeinen finden zur Erzeugung dieser Stich- 
arten zwei Systeme von Stickmaschinen Anwendung: 
Die Plattstichstickmaschine und die Tambou- 

27 



419 



Fischer, Die Stickmaschiue. 



420 



ririnaschine. Zur Bildung des Festonstiches werden 
mit der Plattstichstickmaschine zu verbindende, eigens 
für den Zweck construirte Apparate, die sogenannten 
Feston- oder Bogapparate, benutzt. 



A. Die PlattstichBtickmasehine. 
I. Maschinen mit hurten Fäden, 

Im Allgemeinen besteht eine jede derartige Maschine 

1) aus einem Rahmen, welcher den zu bestickenden 
StoflF trägt und welcher als ein in seiner Ebene beweg- 
liches ebenes Punktsystem anzusehen ist. Derselbe ist 
so mit einem Pantographen verbunden, dass sämmtliche 
dem Fahistift dieses letzteren mitgetheilte Bewegungen 
im verkleinerten Massstab und zwar übereinstimmend 
für jeden seiner Punkte wiedergegeben werden; 

2) aus zwei die Sticknadeln mittels kleiner Zangen 
tragenden Wagen, die zu beiden Seiten des aufge- 
spannten Stoffes auf Schienen laufen, welche mit dem, 
den Stickrahmen und die Bewegungsmechanismen tra- 
genden Gestell verbunden sind. 

Die Nadelzangen sind in Reihen angeordnet und 
befinden sich stets 2 bis 4 (höchst selten 5) derartige 
Nadelreihen übereinander liegend an jedem der Wagen. 
Hiernach theilt man die Stickmaschinen ein in zwei-, 
drei- und vierreihige oder -etagige Maschinen, welche 
letztere man zuweilen auch mit dem Namen doppelte 
Stickmaschinen belegt. Die ersten von Heilmann con- 
sti-uirten Maschinen*) waren zweireihig und haben sich 
bis auf den heutigen Tag der grössten Beliebtheit und 
Anwendung zu erfreuen. Die dreireihigen Maschinen, 
zuerst von Albert Voigt in Kappel bei Chemnitz 



(jetzt Sächsische Stickmaschinenfabrik), welcher für 
Sachsen der Einführer und Hauptvertreter des Stick- 
maschinenbaues ist, im Jahre 1862 auf den Markt ge- 
bracht, eignen sich besonders zur Erzeugung grösserer 
Stickwaaren, bei deren Anfertigung auf zweireihigen 
Maschinen die Nadelzahl zu gering werden würde, um 
noch die Erzeugung entsprechend billigen Fabrikates 
zu ermöglichen. Denn gerade auf die gleichzeitige 
Anfertigung einer grösseren Anzahl gleichartiger Muster, 
oder sogenannter Garnituren, auf einem und demselben 
Stickstuhl gründet sich der Vortheil und die Rentabi- 
lität der gesammten Maschinenstickerei ; dass dies aber 
nur durch möglichste Vergrösserung der Nadelzahl an 
einer Maschine zu erreichen ist, wird aus der näheren 
Beschreibung hervorgehen. Das Anwachsen der Nadel- 
zahl findet aber seine Grenze in der damit verbundenen 
Vergrösserung der Maschine und der Erhöhung der 
Betriebskraft, welches letztere besonders zu beachten 
ist, da der Betrieb der Stickmaschinen meist durdi 
den bedienenden Arbeiter selbst erfolgt; aus dem Be- 
streben, hiervon unabhängig zu werden, gehen die An- 
strengungen hervor, welche in neuerer Zeit für den 
Bau selbstthätig arbeitender Stickmaschinen gemacht 
werden und zum Theil schon von Erfolg gekrönt sind. 
Die vierreihigen Maschinen kommen, wegen der m 
ihrer Bewegung erforderlichen grossen Betriebskraft, 
bei Handantrieb nur vereinzelt zur Anwendung. 

Im Handelskammerbezirk Plauen, welcher den 
grössten Theil der Stickereiindustrie des Königreichs 
Sachsen umfasst, vermehrten sich beispielsweise die 
Stickmaschinen in den Jahren 1862 bis incl. 1872 wie 
folgt**): 



Art der Maschine 



Anfang 



1862 




Ende 



1864 



1866 



1866 



1867 



1868 




1871 



1872 



2 reihig 

3 reihig 



4 reihig 



? 
? 



V 



Summa 



9 



85 

28 

1 



43 



113 



114 




134 

68 



153 



108 



183 

160 

1 



341 

211 

2 



429 



262 



713 



424 



203 



262 



344 



554 



693 



1139 



? 



1628 



Es betrug daher 



im Jahre 



die Zahl der Stickmaschinen mit 



2 Reihen 



3 Reihen 



4 Reihen 



1864 
1871 



74,6 Proc. 24,6 Proc. 



62,6 Proc. i 37,2 Proc. 



0,8 Proc. 
0,2 Proc. 



der Gesammtzahl aller am Ende dieser Jahre im Plauen- 
schen Handelskammerbezirk thätigen Maschinen. 

*) Dingl. polyt. Journal, Jahrg. 1836, S. 5 u. f. 

**) Diese und die folgenden statistischen Angaben sind Resul- 
tate einer Vergleichung der in den Berichten der HandelBkaminer 
zu Plauen für die Jahre 1862—71 enthaltenen Notuen. 



421 



Fischer, Die Stickmaschiue. 



422 



Ausser vou der Auzahl der Etageu häugt die Na- 
delzahl und somit die Leistungsfähigkeit einer Stick- 
niaschine noch ab von der Länge der Maschine und 
dem Bapport, welcher hier nicht nur den gegenseitigen 
Abstand zweier gleichartiger Muster, sondern gleich- 
zeitig die Entfernung je zweier benachbarter Nadeln 



ausdrückt. Die Länge der Maschinen schwankt zwi- 
schen 3,4° (6^ ^hs.) und 5,i"* (9'^ sächs.), der Rapport 
zwischen 18°"» (VO ^d 47'"° (%'')• ^^^^ ^^ Plauen'- 
Bchen Handelskammerbezirk in den Jahren 1866 — 71 
stattgehabten Erhebungen zufolge betrug die Anzahl 
der Maschinen 



II 



im Jahre 



bei einer Länge von 



3,4-3,7 



m 



4-4,2 



in 



4,6 



m 



6,1 



m 



bei einem Rapport von 



17,7 



mm 



*i3,6 



mm 



29,6 



mm 



35,4 



mm 



47,2 



mm 



1866 



1871 



31,5 o/o 
8,1 7« 



31,0 7o 



12,3 »/o 



36,9 'V„ 
79,5 "'„ 



0,5 «/„ 
0,1 "/o 





11,3»/,, 



32,5 »/o 



61,9 7o 



6,9 «/„ I 59,5 "/o , 0,1 «/o 
1,5 »/„ I 25,1«;., ' 0,2 "/o 



der Gesammtzahl. Mithin hatten am Schlüsse des 
Jahres 1871 Maschinen von 4,5"" Länge und 23,6""" 
Rapport am meisten Eingang gefunden. 

Die Grösse des Rapports und damit die Anzahl 
der Nadeln ist unabhängig von der Länge und der 
Etagenzahl einer Maschine; die Nadelzahl schwankt 
zwischen 200 und 450. Die Nadeln von ca. 20"™ Länge 
weichen von den zur Handstickerei benutzten insofern 
ab, als beide Enden derselben zu einer Spitze ausge- 
bildet sind und das den Faden aufnehmende Oehr in 
der Mitte zwischen den Spitzen eingeschlagen ist (siehe 
Fig. 5, Taf. XIXj. Durch das Oelu* jeder Nadel wird 
ein ca. 1 " langer Faden gezogen und durch Zusammen- 
drehen der dem Oehr zunächst liegenden Theile darin 
befestigt. 

Die nach Massgabe des Hebelarmverhältnisses dos 
Pantographen vergrösserte Musterzeichnuug (Patrone, 
Schablone) ist auf einem seitlich am Maschinengestell 
in senkrechter Stellung angeordneten Bret befestigt 
und es sind auf ihr die Stellen, welche den Stichlöchern 
der Nadeln im StoflF entsprechen, durch Punkte ver- 
zeichnet. Dadurch, dass der Zeigerstift des Pantographen 
nach jedem erfolgten Stich auf den nächstfolgenden, 
der Stichlage entsprechenden Punkt eingestellt wird, 
erfolgt die erforderliche Verschiebung des Stickrahmens. 
Diese Pantographenbewegung, sowie das Ein- und Aus- 
fahren der Stickwagen wird von einem Ai-beiter ge- 
leitet, der seinen Sitz vor dem Musterbret zur Seite 
der Maschine hat. 

Bei einer Stellung der Wagen A und B, wie sie 
die eine dreietagige Stickmaschine von Voigt*) vor- 
führenden Figuren 6, 7 und 8 auf Taf. XIX zeigen, 
beginnt soeben die Einfahrt des Wagens B. Derselbe 
hält in den geschlossenen Zangen die Nadeln, während 
der Wagen A mit geöffneten Zangen dicht hinter dem 

•) Sachs. Patent No. 1404 v. t>6. März 1862. 



Stoffe steht und bereit ist, die ihm nach beendeter 
Einfahrt des Gegenwagens dargebotenen Nadeln aufzu- 
nehmen. Das Einfahren des Wagens B bewirkt der 
Arbeiter durch Drehung der Kurbel k in der Pfeilrich- 
tung. Die Drehung überträgt sich durch die verzahnten 
Räder a, &, c auf das Rad ä, das auf einer über die ganze 
Länge der Maschine reichenden Welle w steckt; an den 
beiden Enden dieser Welle sind die Scheiben e, e auf- 
gekeilt, über welche die mit dem Wagen B bei f ver- 
bundenen und über die Rollen g, g geführten Riemen 
laufen. Zur Vergrösserung der Adhäsion der Riemen 
am Umfang der Scheiben e, e sind diese sehr oft mit 
Zacken ausgerüstet, welche in correspondirende Löcher 
der Riemen fassen. Das Triebrad a, sowie die Trans- 
porteure b und c sind an einem Steg gelagert, der 
durch die Klemmschraube A' mit dem zur Steuerung 
der Wagenbewegung dienenden Hebel h verbunden ist. 
Sind nach erfolgtem Einfahren des Wagens B und 
Durchstechen des Stoffes die Nadeln in die geöffneten 
Zangen des durch die Sperrfalle i gehaltenen Wagens 
A eingetreten, so folgt das Oeffnen resp. Schliessen 
der Nadelzaugen, sowie das Auslösen und Arretiren 
der beiden Wagen durch die Sperrfallen i, i\ Diese 
sämmtlichen Manipulationen werden vom Arbeiter durch 
Treten der Tritte t P eingeleitet und wird hierdurch 
dem doppelarmigen Hebel o, welcher an der Welle n 
befestigt ist, mittels der Schnüre und Schnurscheiben 
X x\ der Welle l und Kurbel mit Zugstange m eine 
Drehbewegung ertheilt. Die Endzapfen des Hebels o, 
welche von den gabelförmigen unteren Enden der Stangen 
5, s* umschlossen werden, wirken durch Herabziehen 
resp. Aufwärtsschieben dieser auf die später zu be- 
schreibenden Mechanismen zum Oeffnen der Nadel- 
zangen ; ingleichen mittels der Zugstangen />, p' auf die 
Sperrfallen t, t'. Gleichzeitig wird durch den Zapfen 
der auf Welle / steckenden Kurbel q dem Hebel h eim* 

solche schwingende, durch die Anschläge des Sectors 

27 ♦ 



423 



Fischer, Die Stickmaschine. 



424 



r begrenzte Bewegung ertheilt, dass der Eingriff der 
Räder c und d aufgehoben, derjenige der Räder c und 
d* dagegen hergestellt wird. Indem das letztere Rad 
aber auf einer der Welle w analogen, mit den Riemen- 
scheiben &, ef ausgerüsteten Welle u^ sitzt, erfolgt 
durch Drehung der Kurbel k in der früheren Richtung 
das Ausfahren des Wagens A und damit das Ziehen 
aller Stickfäden durch den Stoff. Nach erfolgter Aus- 
fahrt bewirkt der Arbeiter durch entsprechende Ver- 
rückung des Pantographenzeigers u auf der Muster- 
schablone die Einstellung des Stickrahmens für einen 
neuen Stich und hierauf durch Drehen der Kurbel k 
in entgegengesetzter Richtung die Einfahrt des Wagens 
A und das Durchstechen des Stoffes. Die nunmehr 
erfolgende Umsteuerung durch Treten der Tritte ^, t* 
bringt einestheils die Aufnahme der zur Hälfte den 
Stoff durchragenden Nadeln durch den Gegenwagen, 
anderntheils den Wechsel des Zahnradeingriffes hervor, 
so dass bei Weiterdrehung der Kurbel in der ange- 
nommenen Richtung die Ausfahrt des Wagens B er- 
folgt. Es zerfällt hiemach ein Spiel in vier Perioden, 
die sich im Kurzen wie folgt charakterisiren lassen: 

1. Periode. Einstellung des Rahmens für den fol- 

genden Stich, Einfahrt des Wagens B; 

2. Periode. Oeffnen resp. Schliessen der Nadelzangen 

beider Wagen, Wechsel des Rädereingriffes 
durch Treten der Tritte, Ausfahrt des Wa- 
gens A; 

3. Periode. Einstellung des Rahmens für den fol- 

genden Stich, Einfahrt des Wagens A durch 
Umkehr der Drehrichtung der Kurbel; 

4. Periode. Oeffnen resp. Schliessen der Nadelzaogen 

beider Wagen, Wechsel des Rädereingriffes 

St. Gallen 6732 Masch., davon 5061 in Thätigkeit u. 

Appenzell 1798 „ „ 1428 „ 

Thurgau 1412 „ ,\, _989 „ 

die 3 Can- 

tone zus. 9942 „ „ 7478 „ „ „ 

beschäftigend. 

Es fanden somit durch 7478 Maschinen im Ganzen 
17453 Arbeiter Beschäftigung, was nach Abzug der die 
Vollendungsarbeiten ausführenden 1860 Nachstickerinnen 
pro Maschine ca. 2 Arbeiter incl. Stickers ergiebt. 

Wenngleich das hier bei Erläuterung der Arbeits- 
weise angegebene Princip der Maschine noch dasselbe 
ist, welches schon Heil mann seiner Construction zu 
Grunde legte, so bieten doch die Ausführungen der 
einzelnen Constructionsdetails so wesentliche Verschie- 
denheiten, dass es zum vollen Verständniss der heutigen 



>» 



>> 



>> 



>> 



>» 



» 



durch Treten der Tritte, Ausfahrt des Wa- 
gens B. 

Diese sämmtlichen Arbeiten werden von einem 
Arbeiter ausgeführt und man kann rechnen, dass bei 
einer 12 stündigen Arbeitsdauer 

ein guter Sticker pro Stunde ca. 210 
mittelmässiger „ 180 

geringer „ 150— 160 

Stiche oder Wageneinfahrten machen kann ; hierbei ist 
jedoch angenommen, dass, wie dies immer geschieht, 
die Nebenarbeiten, als : Beaufsichtigung der Stickfäden, 
Einsetzen neuer Nadeln, wenn die alten zerbrochen, 
oder der Faden verstickt ist. Einfädeln der Nadeln und 
dergl., von anderen Personen, meist erwachsenen Ar- 
beiterinnen resp. Kindern besorgt werden. Auf diese 
Weise wurden nach Ausweis der oben citirten Handels- 
kammerberichte im Jahre 1871 von sieben Plauener 
Firmen an 191 Maschinen ausser 191 männlichen 
Stickem, 234 erwachsene Fädlerinnen (Aufpasserinnen) 
und 62 kleinere Gehilfen beschäftigt, so dass exclusiv 
de!s Stickers auf jede Maschine durchschnittlich 1'/« Per- 
sonen für Nebenarbeiten zu rechnen sind. An anderen 
Orten dagegen, wie Auerbach, Eibenstock und Schnee- 
berg beschäftigt man excl. Sticker noch 2 — 2'/^ Per- 
sonen als Hilfsarbeiter pro Maschine. 

Etwas geringer stellt sich die Zahl der pro Ma- 
schine beschäftigten Arbeiter in der Schweiz. Den 
1876 von dem St. Galler kaufmännischen Directorium 
veranstalteten Erhebungen zu Folge beschäftigt die 
Schweiz incl. Vorarlberg im Ganzen 10424 Plattstich- 
stickmaschinen. Die grösste Ausdehnung hat die Schwei- 
zer Maschinenstickerei in den Cantonen St Grallen, 
Appenzell und Thurgau gefunden; von diesen hatte in 
obigem Jahre aufzuweisen: 

11461 Arb. (4991 Sticker, 5301 Fädler, 1169 Nachstck.) 
3626 „ (1428 „ 1811 „ 387 „ ) 
2366 „ ( 989 „ 1073 „ 304 „ ) 



17453 



» 



>» 



(7408 



>' 



8185 



99 



1860 



f9 



) 



Bauarten der Plattstichstickmaschinen nothwendig ist, 
dieselben im Folgenden näher zu betrachten. 

1) Der Stickrahmen. 

Zur Aufnahme des mit Mustern zu bestickenden 
Stoffes trägt der im Gestell oder Stuhl C (Fig. 6, 7, 8, 
Taf. XIX) horizontal und vertical geführte hökeme 
Rahmen (Gatter) D die sechs (bei zweireihigen Ma- 
schinen vier) Stoffwalzen (Waarenbäume) aa\ ßß\ y/. 
Dieselben sind paarweise zusammengehörige so zwar. 



425 



Fischer, Die Stickmaschine. 



426 



dass aßy den rohen Stoff, ct^ß^y* den bestickten Stoff 
aufnimmt, nachdem derselbe während der Operation des 
Stickens zwischen beiden Walzen ausgespannt war. 
Jede dieser Stoffwalzen ist an ihren Enden drehbar 
gelagert und mit einem Sperrrad d versehen, um sie 
beim Auf- oder Abwickeln von Stoff in jeder beliebigen 
Lage leicht und sicher fixiren und den Stoff genügend 
straff spannen zu können. Nur die Achsen der Mittel- 
walzen a* ß ß' y fallen mit der Mittelebene des Rahmens 
zusammen, die äusseren Walzen a/ dagegen werden 
an ihrem Umfange von dieser Ebene tangirt. Damit 
der Stoff sich dennoch stets in einer Verticalen halte, 
sind an dem Rahmen die Schienen e angebracht, deren 
innere Kanten genau in der Mittelebene des Rahmens, 
also in der gemeinschaftlichen Tangentialebene der bei- 
den äusseren Walzen liegen. Zur seitlichen Anspan- 
nung des Stoffes dienen ferner noch die durch Schrau- 
benspindeln mit dem Rahmen verbundenen gezahnten 
Spannbacken t. 

Zur Verhütung des Durchbiegens der langen, meist 
aus Holz, selten nur aus dünnem Blech gefertigten 
Spann walzen wendet Riet er in Winterthur*) aus 
u-förmig gebogenem Blech hergestellte Bügel (Fig. 10, 
Taf XIX) an, welche er zwischen die Walzen stellt 
und durch Anziehen der Schraube a mittels des zwei- 
armigen Hebels h festklemmt. 

Eine andere Rahmenconstruction, die Fig. 11 vor- 
fuhrt, wurde 1859 den Engländern Wood und Bil- 
lington patentirt**) und ist für das Einspannen ab- 
gepasster Gewebestücke bestimmt. Diese Stücke werden 
an den Langseiten in Schienen a festgeklemmt, deren 
specielle Einrichtung aus Figur 12 zu ersehen, und 
welche im Innern eines grossen Stickrahmens A liegen. 
Die unterste Schiene ist mit der untern Langseite dieses 
Rahmens durch Haken verbunden, während die oberste 
Schiene mittelst Oesen an einer theilweise keilförmig 
gestalteten Stange t hängt, deren Keilflächen sich gegen 
die auf der oberen Seite des Hauptrahmens ruhenden 
Führungen c stützen. Durch Verschieben der Keil- 
stange in der Pfeilrichtung erfolgt ein Heben der oberen 
Schiene a, also ein Anspannen des Stoffes. Statt der 
Spannbacken lassen sich hier auch die von Voigt an- 
gegebenen Nadelstäbe zum Festhalten des Stoffes an- 
wenden, deren Querschnitt Fig. 13 zeigt; dieselben sind 
ihrer Länge nach mit Drahthaken a besetzt, über welche 
der Stoff hinweggehangen wird. 

Das Hebelarm verhältniss des zur Rahmen Verschie- 
bung dienenden, bei ri (Fig. 8) am Maschinengestell, 



*) Patent Spedfication 1873, No 4278. 
^) Fat Spec. 1869, No. 1364. 



bei ^ am Rahmen befestigten Pantographen t beträgt 
bei Stickmaschinen in der Regel 1 : 6. Dieses grosse 
Uebersetzungsverhältniss ist die Ursache, dass ohne 
Anstrengung und Eimüdung des Arbeiters nur schmale, 
ca. 70"" breite Stoffstreifen bestickt werden können, 
ohne ein Weiterspannen des Stoffes vorzunehmen. Der 
hierdurch bedingte Zeitverlust macht es erklärlich, dass 
man schon früh bemüht war, diesem üebelstand abzu- 
helfen. Bereits 1857 construirte William Clark*) 
den auf Taf. XIX, Fig. 14, dargestellten Apparat, be- 
stehend aus einer am Stickrahmen befestigten Prisma- 
fuhrung a, in welcher mittelst einer Schraube ein den 
Pol (Reductionspunkt) des Pantographen bildender Gleit- 
backen h höher oder tiefer gestellt werden kann. Es 
wird hierdurch die Möglichkeit erlangt, ohne Verrückung 
des Pantographen, nur durch Drehung der Schraube, 
den Rahmen heben oder senken zu können, je nach- 
dem es die Arbeit erheischt, um nach erfolgter Ver- 
stellung sofort mit Sticken fortfaliren zu können. 

Gleichen Zweck verfolgt der durch Fig. 15 dar- 
gestellte, von A. Voigt erfundene und ihm 1861 in 
Sachsen patentirte Stellapparat; bestehend aus einer 
mit dem Pantographen am Pol verbundenen Schraube 
a, deren Mutter h in einer am Stickrahmen D zwischen 
Spitzen gelagerten Büchse c durch Nut und Vorsteck- 
stifte drehbar befestigt ist. Die Schraube ist mit der 
von ihr durchragten Büchse durch Nut und Feder ver- 
bunden, so dass sie sich zwar verschieben, nicht aber 
drehen kann und daher bei Drehung der Mutter h steigt 
oder niedergeht. Bei Festhaltung der Schraube durch 
Einstellen des Pantographen auf einen bestimmten 
Punkt resultirt hieraus umgekehrt ein Heben oder 
Senken des Stickrahmens. Bei entsprechender Länge 
der Schraube kann man mit Hilfe dieser Apparate ca. 
200"" breite Zeugstroifen besticken, ohne dass ein 
Umspannen erforderlich wird. 

Damit der von Seiten des Arbeiters bei Verschie- 
bung des Gatters auszuübende Kraftaufwand möglichst 
gering sei, ist dieses nebst Pantograph durch entspre- 
chend angeordnete Gegengewichte ausbalancirt. Diese 
Gewichte sind entweder getrennt vom Maschinengestell 
am Fussboden oder der Decke des Arbeitsraumes ge- 
lagert, oder sie sind, wie in neuerer Zeit fast allgemein 
üblich, direct mit dem Maschinengestell verbunden, so 
dass die gesammte Maschine ein abgeschlossenes Ganzes 
bildet, was für die Montirung derselben von nicht zu 
unterschätzendem Vortheil ist. Zu den erstercn Con- 
structionen gehört die von Heil mann**), welcher den 



*) Pat. Spec. 1867, No. 1160. 
*'^) Ding], polyt. Journal, Jahrg. 1836, S. 13. 



427 



Fischer, Die Stickmaschiue. 



42« 



Rahmen auf Rollen stützte , die an dem einen Ende 

r 

zweier doppelarmigen Hebel gelagert waren; kleine am 
Fussboden festgeschraubte Lagerböcke bildeten deren 
Stützpunkte, während die anderen Enden die Balan- 
cirungsge Wichte trugen. Hierher gehört ferner die auf 
Taf. XIX, Fig. 16, dargestellte Construction , welche 
1857 für William Clark*) in England patentirt 
wurde. An dem Maschinengestell A sind die Lager 
aa' festgeschraubt, welche den einarmigen Hebeln bV 
als Stützpunkte dienen. Die vorderen, freien Enden 
dieser Hebel sind durch Seile oder Ketten, welche über 
an der Decke des Raumes befindliche Rollen geHlhi-t 
sind, mit den (iegengewichten c c' verbunden und dienen 
mittels der Rollen d d* dem Stickrahmen B zur Stütze. 
Voigt wendete an seiner dreireihigen Maschine zuerst 
eine Stützung des Gegengewichtes dircct auf der Stuh- 
lung an, wie aus den Fig. 6 und 8 zu ersehen. Zwei 
am oberen Rahmen des Gestelles gelagerte doppelai*mige 
Hebel xx* tragen an ihren äusseren Enden die Rollen 
Xk*j auf denen sich die am Stickrahmen befestigten 
Gleitschienen fifi* auflegen. Die inneren Hebelenden 
sind durch ein in Fig. 9 besonders dargestelltes Ge- 
hänge V mit einer vertical geführten Stange verbunden, 
welche das Balancirungsgewicht ;^ trägt. 

Zwei andere derartige Rahmenbalancirungen sind 
durch die Figuren 17 bis 19 auf Taf. XIX veranschau- 
licht. Fig. 17 repi-äsentirt die von H. Rieter in 
Winterthur gewählte, ihm 1873 in England patentirte**) 
Anordnung, welche analog der Voigt 'sehen aus zwei 
am Maschinengestell gelagerten doppelarmigen Hebeln 
aa* besteht, deren eines Ende den Stickrahmen, auf 
Rollen laufend, trägt. Auf den anderen Enden dieser 
Hebel ruhen die Gegengewichte 66' verschiebbar und 
durch Schrauben festzustellen. Um bei Hebung oder 
Senkung des Rahmens eine gleichmässige Bewegung 
beider Hebel zu erzielen, sind die letztgenannten Enden 
derselben durch verzahnte Sectoren cc* verbunden, so 
(lass bei einer Bewegung des Hebels a auch der Hebel 
a' eine genau entsprechende Bewegung machen muss 
und sämmtliche Punkte des Stickrahmens sich in ver- 
tikalen Linien bewegen. Figur 18 zeigt eine Modifi- 
cation dieser Hebelkuppelung ; sie besteht in zwei glatt- 
landigen Sectoren, welche durch Stahlbänder aa* und 
h V gegenseitig verbunden sind. Indem die Enden jedes 
dieser Bänder an den zwei gegenüberstehenden Sectoren 
bei aa* resp. 66' befestigt sind, erfolgt bei Bewegung 
eines der Hebel durch Auf- beziehentlich Abwickeln 
der Bänder die entsprechende Mitbewegung des anderen 



Hebels, so dass die den Stickrahmen tragenden Rollen 
gleichzeitig und um gleichviel steigen oder fallen. 
Durch Regulirung der Bandlänge mittelst der Schrauben 
a* V lässt sich diese Bewegung beliebig genau erreichen, 
was neben dem sanfteren Gange oifenbar ein Vortheil 
gegenüber den verzahnten Sectoren ist. Die noch hier- 
her gehörende Rahmen balancirung von Easton, Prit- 
chard und M^ Gaw*) ist offenbar der Voigt'schen 
nachgebildet und vermeidet das die Traghebel verbin- 
dende und die Gewichtsstange stützende Gehänge, in- 
dem die Hebelenden direct mit der Gewichtsstange 
drehbar verbunden sind, wie aus Figur 19 zu ersehen. 

2) Der Wagen. 

Jeder der die Nadelschienen (Lineale) tragenden 
Wagen einer Stickmaschine besteht analog dem in den 
Figuren 6 und 8, Taf. XIX, dargestellten aus einem 
mit Seitenschilden (Teuchelschilden) ji uf versehenen 
Träger (Teuchel) ^, welcher sich in der Längenrichtung 
der Maschine, also parallel zu der Stofffläche, erstreckt 
und mittelst vier an den Schilden gelagerten Spurrädem 
o auf, rechtwinklig zur Stofifläche stehenden und am 
Gestell C befestigten, Schienen xi läuft. An dem meist 
rohrfbrmigen, zuweilen auch aus I- Eisen gebildeten 
Teuchel sind mehrere Arme tp angeschraubt, welche 
die den Nadelzangen (Klüppchen, Klüppel) zur Stützung 
dienenden Lineale / tragen. Die Form dieser Lineale 
ist verschieden, theils u-förmig, theils trapezförmig, oder 
dieselben sind, wie in neuerer Zeit fast allgemein üblich, 
direct aus Winkeleisen hergestellt. Die Befestigung 
der Nadelzangen ei-folgt so, dass ihr gegenseitiger Ab- 
stand dem gewünschten Rapport gleich kommt. Die 
einfachste in Fig. 20, Taf. XIX, skizzirte Zangencon- 
struction besteht aus einem federnden, an der Schiene 
a festgeschraubten Arm 6, welcher mit dem freien Ende 
gegen einen Vorsprung der Schiene drückt und die ein- 
gelegte Nadel c festklemmt. Solidere und constructiT 
durchgebildetere Zangen zeigen die Figuren 21 bis 24 
Dieselben bestehen aus einer auf den Linealen a fest- 
zuklemmenden Platte 6, welche den Drehpunkt für den, 
einen doppelarmigen Hebel bildenden, Zangenarm c 
trägt; in den ersten drei Figuren drückt dieser un- 
mittelbar auf die Nadel, in Fig. 24 dagegen unter Da- 
zwischenkunft einer kleinen, um einen Zapfen drehbaren 
Deckplatte d. Unter dem hinteren langen Zangenami 
liegt eine Feder e und bewirkt durch Aufwärtsdrückeu 
dieses Armes den Schluss des Zangenmaules, also die 
Festhaltung der Nadel. 



♦) Pat. Spec. ISf)?, No. 1160. 
♦•) Pat. Spec. 187a, No. 4278. 



*) Pat. Spe(j. 1874, No. 2%8. 



421> 



Fischer, Die Stickmaschine. 



430 



Die älteste, schon von Heilmanu augewandte und 
noch jetzt meist gebräuchliche Art des Mechanismus 
zum Oeffhen der Zangen besteht aus einer über sämmt- 
lichen Nadekangenarmen hinlaufenden, excentrisch ge- 
lagerten Welle, durch deren Drehung die Zangenarme 
niedergedrückt werden. Die Drehung der Welle erfolgt 
theils durch an ihren Enden befestigte Hebel und 
Zugstangen (James Cropper 1835% Matthew 
Dunnett 1857**), Albert Voigt 1862***)), wie die 
Figuren 6, 8, 20 und 21 zeigen, theils durch Stirnrad- 
sector und Zahnstange (Heil mann 1828t)), Fig. 22, 
theils durch Schraubenradsectoren und auf einer ver- 
ticalen Welle gelagerte mit diesen in Eingriff stehende 
Schraubenräder (William Clark 1857tt), Maschinen- 
fabrik St. Georgen bei St. Gallen ttt)), Fig. 23. 

Eine zweite Art des Oeffnungsmechanismus, welche 
vor der vorigen besonders den Vorzug hat, dass sie 
weniger Kraft beim Oefihen der Nadelzangen consumirt, 
indem die bedeutende Reibung vermieden wird, die bei 
Drehung der Excenterwelle zwischen dieser und den 
Nadelzangenarmen auftritt, wurde bereits 1859 von 
Wood und Billingtou eingeführt und neuerdings 
auch von der Sächsischen Stickmaschinenfabrik in 
Chemnitz (vormals Voigt) angewandt. Dieselbe be- 
währt sich sehr gut und wird namentlich bei Maschinen 
mit kleinem Bappoil, also viel Zangen, gern benutzt. 
Es liegen hierbei, wie in der Figur 24 zu ersehen, ent- 
lang der Maschine über den Armen der Nadelzangen 
schwache Schienen t\ welche mittelst Zugstangen g mit 
einem auf der Welle h sitzenden Hebel verbunden sind 
und bei Drehung der Welle sich senken oder heben 
und somit die Zangen öffnen oder schliessen. 

Die nähere Betrachtung dieser Ausführungsformen 
der Oeffnungsmechanismen zeigt, dass die Uebertragung 
der vom Fusse des Arbeiters eingeleiteten Steuerbe- 
wegung auf dieselben entweder durch geradlinige Ver- 
schiebung einer Zugstange, oder durch Drehung einer 
verticalen Welle erfolgen kann. Die erstere Art ist 
die allgemein angewandte und für alle Mechanismen 
benutzbare, welche gleich oder ähnlich den durch die 
Figuren 20, 21, 22, 24 auf Taf. XIX repräsentirten 
construirt sind. Ueber die Art des Zugstangenantriebes 
ist bereits das Nöthige S. 422 bei Besprechung der 
Arbeitsweise der Maschine gesagt. Der, die Anwen- 



*) Pat. Spec. 1835, No. 6931. 
**) Pat. Spec. 1867, No. 1143. 
***) Sachs. Patent No. 1404 vom 26. März 1862 

t) Dingl. pol. Joiiro., Jahrg. 1836, S. 10. 
tt) Pat. Spec. 1857, No. 1160. 
ttt) Sachs. Patent No. 1042 vom 1. Juli 1869. 



duug von Schraubenradsectoren (Fig. 23) voraussetzen- 
den, verticalen Steuerwelle wird die Drehung durch 
eine am unteren Ende dieser Welle aufgesteckten Kurbel 
mitgetheilt, deren Warze beim Einfahren des Wagens 
in die rinnenformige Aushöhlung einer horizontalen, 
unterhalb des Stickrahmens liegenden Welle tritt, die 
von den Fusstritten des Arbeiters aus unter Vermit- 
telung eines Kegelradvorgeleges Verschiebung in ihrer 
Längsrichtung erfährt; die Drehung der Steuerwelle 
rosultirt aus der Theilnahme der Kurbelwarze an dieser 
Verschiebung. 

Für Stickereien,^ welche aus einer mehrfachen An- 
einanderreihung eines und desselben Musters bestehen, 
wie dies z. B. die Figur 25 versinnlicht, haben Du nett 
und Wood & Billington besonders construirte 
Nadelschienen träger angegeben. Ersterer*) verbindet 
jeden der am Teuchel festen Schienenträger mit einem 
zweiten an ihm höher oder tiefer stellbaren und rüstet 
jeden dieser Träger mit besonderen Nadelbarren aus; 
hieraus entsteht eine vierreihige Maschine, bei welcher 
je zwei Reihen immer sehr nahe über einander liegen 
und deren Entfernung durch gegenseitige Verstellung 
der Schienenträger variirt werden kann. 

Wood & Billington**) hingegen behalten die 
gewöhnliche Wagenconstruction bei, geben aber der 
Nadelbarre a* die in Fig. 24, Taf. XIX, gezeichnete 
Form und legen über dieselbe mit Hilfe von auf ihr 
befestigten Schraubenbolzen i eine zweite Nadelbarre a. 
Die Zangen dieser Barren liegen nicht unter einander, 
sondern sind so versetzt, dass die oberen stets über 
dem Zwischenraum zweier unteren Zangen stehen, wo- 
durch einem Verfangen der Stickfäden vorgebeugt wird. 

Zur Verhütung dieses Verfangens, was namentlich 
auch bei den gewöhnlichen drei- und vierreihigen Ma- 
schinen wegen der geringen gegenseitigen Entfernung 
der Nadelschienen zuweilen sehr lästig wird, werden 
meist, wie dies die Figuren 6 und 8, Taf. XIX, zeigen, 
gekrümmte Schutzplatten xp, deren obere Kante dicht 
am zu stickenden Zeug ansteht und welche durch Schutz- 
tücher oder Netze co mit den Wagen verbunden sind, 
angewandt. Bei Einfahrt des Wagens legen sich die- 
selben in eine Falte und nehmen die schlaff werdenden 
Stickfäden auf. Für sehr geringen gegenseitigen Ab- 
stand der Nadelschienen, werden die Tücher in mehrere, 
daher kürzere Falten gelegt. Hierauf bezügliche Con- 
structionsformen zeigen die Figuren 1 und 2, Taf. XX. 
Die erstere von Voigt angegebene***) verbindet die 



♦) Pat. Spec. 1867, No. 1143. 
') Pat. Spec. 1859, No. 1364. 
**•) Sachs. Pat. No. 2828 v. 16. Juni 1870. 



**i 



431 



Fischer, Die Stickmaschine. 



432 



Tücher mit der Oberkante der Schutzplatten a und mit 
der Maschine entlang laufenden Stäben b; diese laufen 
mittelst an ihren Enden befestigter Röllchen auf Schie- 
nen c und werden durch Gewichte d nach Aussen ge- 
zogen, dabei die Tücher anspannend. Der einfahrende 
Wagen schiebt die Stäbe der Reihe nach vor sich her 
und bewirkt, dass sich das Tuch in kurze Falten legt, 
welche dem locker herabhängenden Stickfaden als Unter- 
lage dienen. Von dieser ist die in Fig. 2 wiederge- 
gebene, von dem Engländer H. Houldsworth*) her- 
rührende Anordnung insofern verschieden, als der 
äusserste der Stäbe b durch Stangen e direct mit dem 
Wagen verbunden ist und somit der Bewegung desselben 
unmittelbar folgend, dieselbe auf die übrigen Stäbe 
überträgt. 

Bei dem Betrieb der Stickmaschinen ist sorgfältig 
darauf zu achten, dass für jede Wagenstellung genauer 
Parallelismus zwischen der die vorderen Kanten der 
Nadelschienen enthaltenden Ebene und der StoffHäche 
besteht, da im anderen Falle nicht sämmtliche Nadeln 
den Stoff bis zur erforderlichen Tiefe durchdringen oder 
nicht alle Stickfäden beim Auszug gleichmässig gespannt 
würden. Hauptursachen des Verlustes dieses Parallelis- 
mus bildet einestheils die ungleiche Abnutzung der 
Laufräder des Wagens und der Laufschienen, andern- 
theils die mangelhafte Construction oder Ausführung 
der zur Fortbewegung des Wagens dienenden Mechanis- 
men. Wenn erstere leicht durch Verstellbarkeit der 
Laufradachsen, wie solche z. B. in Fig. 3, Taf. XX, 
skizzirt ist, beseitigt werden kann, so gelingt die Be- 
seitigung der letzteren nur durch besondere, zum Theil 
complicirte Gonstructionen. 

Meist geschieht die Fortbewegung des Wagens auf 
den Gestellschienen t auf die in den Figuren 6 und 8, 
Tafel XIX, dargestellte und schon Seite 422 erläuterte 
Art. Durch den auf beide Seiten des Wagens durch 
Lederriemen ausgeübten Zug kann nie der vollständige 
Parallelismus der Nadelschienenebene und der Stoff- 
fläche in jeder Wagenstellung herbeigeführt werden, da 
die verschiedenen Elasticitätsverhältnisse beider Riemen, 
die sich durch den jeweiligen grösseren oder geringeren 
Feuchtigkeitsgehalt der Luft des Arbeitsraumes auch 
noch in weiten Grenzen ändern, hindernd wirken. Es 
muss daher das Bestreben der Stickmaschinenconstruc- 
teure gerechtfertigt erscheinen, diesen üebelständen 
durch Erfindung anderer Wagenbewegungsmechanismen 
abzuhelfen. Zuerst gelang dies der Firma Drescher 
in Kappel bei Chemnitz durch Einführung des Zahn- 
stangen])etriebo8, worauf dieselbe 1869 ein Patent für 



das Königreich Sachsen erhielt Dieser folgte im Jahre 
darauf die Fabrik von Voigt daselbst und nahm auf 
eine Reihe von Parallelrührungen des Stickmaachinen- 
wagens ebenfalls ein Patent. 

Die Drescher 'sehe Construction ist in den Figuren 
4, 5, 6 auf Taf. XX wiedergegeben. Die Teuchel- 
schilder sind auf der dem Stickrahmen zugekehrten 
Seite bedeutend verlängert und zu Zahnstangen umge- 
formt. Diese Zahnstangen aa' werden durch die Räder 
6, b* angetrieben, welche ihre Drehung von einer dar 
Maschine entlang laufenden Welle c empfangen. Die- 
selben sitzen nicht unmittelbar auf dieser Welle, son- 
deni sind auf eine Hülse d (Fig. 6) drehbar aufge- 
schoben, die mit Nut und Feder auf der Welle c ge- 
fuhrt ist. Gegen seitliche Verschiebungen sind die 
Getriebe durch entsprechendes Einfügen zwischen die 
Laufschienen e des Wagens gesichert. Die Hülse d 
trägt einen Stift /*, welcher in Einschnitte am Rande 
der Getriebe passt und bei Verschiebung der Hülse 
eines oder das andere der Triebräder mit derselben, 
also auch mit der Welle c kuppelt, so dass sich die 
Drehung dieser auf das Rad überträgt und eine Be- 
wegung der mit dem Rad im EingriiF stehenden Zahn- 
stange erzeugt. Die Verschiebung der Hülse erfolgt 
jedesmal nach Einfahrt eines Wagens durch den Fuss 
des Arbeiters unter Vermittlung der Zugstange g und 
des Sectors ä, welcher letzterer die Hülse an dem vor- 
springenden Rand i erfasst. 

Voigt*) behält zur Wagenbewegung den Riemen- 
zug bei ; dadurch, dass er ihn nur einseitig am Wagen 
anwendet, werden die der Maschine entlang laufenden, 
die Triebscheiben tragenden Wellen entbehrlich und 
treten nur kurze Wellenstücke an deren Stelle. Zur 
Parallelführung des Wagens bedient er sich besonderer, 
in den Figuren 7 — 11, Taf. XX, dargestellter Anord- 
nungen. Die Figuren 7 — 9 zeigen eine Bandfuhrung, 
welche der bei Mulefeinspinnmaschinen schon von Alters 
her angewendeten Kreuzschnurenfiihrung nachgebildet 
ist. Ein jedes der Teuchelschilde aa* eines Wagens trägt 
zwei horizontale Rollen b b', über welche die Stahlbänder 
c, d geleitet sind. Die Befestigungspunkte dieser Bänder 
liegen einerseits am Gestell bei 6, €% andererseits an 
dem Umfange der kleinen Rollen /' und /**, die durch 
Sperrräder an ihrer Drehung verhindert werden und 
zur Anspannung respective Regulirung der Länge der 
Stahlbänder dienen. Ist der Wagen mit ihrer Hilfe 
einmal genau eingestellt, so behält er diese Lage 
auch in jeder ihm eilheilten Stellung bei, da die 
Summe der Bandlängen eV -\-W -{-Vf^ beziehentlich 



) Pat. Spec. 1862, No. 14161 



*) Sachs. Pat. 2828 vom IG. Juni 1870. 



433 



Fischer, Die Stickmaschino. 



434 



€'6 + 66+-6/* stets constant bleibt. In den Figuren 10 
und 11 sind Zahnstangenfuhrungen vorgefiihii, denen 
die Anwendung zweier an den Laufschienen festge- 
schraubter Zahnstangen a und zweier am Wagenteuchel 
gelagerter Triebräder h gemeinschaftlich ist. Sie unter-r 
scheiden sich gegenseitig allein in der Art des An- 
triebeBy so zwar, dass bei Fig. 10 der Wagen unmittel* 
bar den Zug des Riemens empfängt und sich die auf 
einer gemeinschaftlichen Welle, welche den Teuchel 
durchragt, steckenden Getriebe auf den 2^hnstangen 
abwälzen, bei Fig. 11 dagegen der Wagen in Folge 
Abwälzens der ebenso montirten Getriebe auf den 
Zahnstangen fortbewegt wird. Der Zugriemen d ist 
hierbei veimittels der Leitrollen c direct um eine Rie- 
menscheibe der Getriebwelle geführt und versetzt diese 
bei seiner Bewegung in Umdrehung. 

Schliesslich sei an dieser Stelle noch eines Faden- 
atiszugsmechanismus von Voigt*; gedacht, welcher ein 
schnelleres Arbeiten der Stickmaschine ermöglichen soll, 
doch wenig Eingang gefunden hat. Derselbe ist durch 
die Figuren 12 und 13, Taf. XIX, wiedergegeben und 
beruht darauf, dass gleichzeitig bei Bewegung des Wa- 
gens die Fäden durch über ihnen befindliche, der Ma- 
schine entlang laufende Drähte nach unten abgebogen 
"werden, wodurch eine grössere Fadenlänge zum Auszug 
gelangt, als die Länge des Wagen weges beträgt. Die 
Dimensionen des Apparates sind so bemessen, dass bei 
neu eingezogenen Fäden der Weg des Wagens höch- 
stens 400"™, statt wie gewöhnlich 1"», beträgt. Die 
das Niederdrücken bewirkenden Drähte a sind zwischen 
den Enden gekrümmter Hebel ausgespannt, welche auf 
in den Nadelschienenträgorn drehbar gelagerten Wellen 
sitzen. Diese sind gegenseitig durch Triebräder c und, 
wie Fig. 13 zeigt, an den Schienenträgern in Führungen 
gleitende Zahnstangen d gekuppelt, so dass sich sämmt- 
liche Wellen übereinstimmend drehen. Die oberste 
Welle trägt ausserdem an jedem Ende einen Stab e^ 
welcher sich gegen am Gestell befestigte Stäbe f lehnt 
und bei Einfahrt des Wagens an diesen gleitend eine 
Drehung der Wellen heiTorbringt, durch welche das 
Aufheben der Spanndrähte erfolgt, bis die gekrümmten 
Hebel eine Lage einnehmen, wie sie die rechte Seite 
der Figur 12 zeigt. Bei der Wagenausfahrt erfolgt das 
Senken anfänglich durch Vermittelung der Gegengewichte 
g^ später durch das Gewicht der Hebel h selbst. 



) S&chs. Pat. No. 22ß2 vom 26. September 1867. 



3) Selbstthätige Stickmaschinen und Ueber- 

gänge dazu. 

Das Bestreben, bei dem Betrieb der Stickmaschinen 
Elementarkräfte anzuwenden und hierdurch nicht nur 
schneller, sondern auch billiger zu produciren und die 
Beaufsichtigung resp. Leitung der Maschine in die 
Hände von für geringeren Lohn arbeitenden weiblichen 
Arbeitern und Kindern legen zu können, tritt zuerst 
im Anfange der sechziger Jahre in England hervor. 
Bereits 1861 nahm A. Heaven und R. Smith ein 
englisches Patent auf eine dieses Ziel anstrebende Stick- 
maschino, welcher sehr bald andere derartige Construc- 
tionen folgten. Es wurden die Bemühungen wesentlich 
erleichtert, als man anfing, Maschinen zu bauen, welche, 
dem Vorgänge der Nähmaschinen folgend, Fäden direct 
von Spulen verarbeiteten und deren Nadel nur einen 
sehr kleinen Weg pro Stich zurücklegte. Aber auch 
für die gewöhnliche, bisher betrachtete Plattstichstick- 
mascliine liegt eine Construction vor, welche die Auf- 
gabe der Herstellung einer selbstthätig arbeitenden 
Maschine löst und die ich im Folgenden vorzuführen 
gedenke. Vorher jedoch möchte ich einige Mechanismen 
erw^ihnen, welche das selbstthätige Anhalten des Stick- 
wagens nach erfolgtem Wagenauszug bezwecken und 
gewissermassen den Uebergang zu den völlig selbst- 
thätigen Maschinen bilden. Zwei dieser Apparate ent- 
standen im Jahre 1869, der eine (von A. Voigt in 
Chemnitz herrührend) im Anfang des Jahres*), der an- 
dere jedenfalls aus diesem hervorgegangene wurde am 
Ende des Jahres**) von der Maschinenfabrik zu Land- 
quait bei Chur eingeführt. Ein dritter ist zu Folge 
der Patent Specification im Jahre 1852 von H. Houlds- 
worth in Manchester erfunden worden.***) 

Sämmtlichen Apparaten ist die Ableitung des die 
Hemmung hervorrufenden Impulses durch die am Ende 
jeden Auszugs stattfindende Fadenspannung, den ersten 
beiden auch die Hemmung selbst durch Pressen eines 
Bremsbackens gegen eine der Wagenbahn entlang lau- 
fende Schiene gemeinsam. Die Mittel zur Uebertragung 
der durch die Fadenspannung erzeugten Bewegung auf 
den Bremsbacken sind aber in den einzelnen Fällen 
wesentlich von einander verschieden. 

Die Voigt 'sehe Construction ist in den Figuren 
14 und 15, Taf. XX, dargestellt. Neben der das OeflFnen 
und Schliessen der Nadelzangen bewirkenden excentri- 



Clvilinflrenidur XXIII. 



*) Sachs. Pat No. 2561 vom 23. Jan. 1869. 
♦♦) Sachs. Pat. No. 2718 vom 10. Decbr. 1869. 
♦♦*) Pat. Spec. 1852, No. 14161. 

2« 



435 



Fischer, Die Slickmaschine. 



436 



sehen Welle a ist in dem Schienenträger b eine zweite 
der Maschine entlang laufende Welle c gelagert, auf 
welcher die gekrümmten Hebel d und e, sowie die 
Gabel f befestigt sind. Lose auf diese Welle aufge- 
schoben ist der doppelarmige Hebel g, dessen einer 
Arm sich unter einen Vorsprung des Hebels d legt, 
während der andere Arm durch eine Zugstange h mit 
dem Hebel e verbunden ist; dieser sitzt gemeinschaft- 
lich mit dem Bremsbacken k auf einer kurzen, am 
Teuchelschild drehbar gelagerten Welle l. Die freien 
Enden der Hebel d sind durch Drähte ß verbunden, 
welche die Stickfäden während des Auszugs dicht vor 
den Nadeln nach abwärts drücken. Nähert sich der 
Wagen dem P^nde seines Weges und sind die Fäden 
völlig durch die Löcher des Zeugs hindurch gezogen, 
so kann die Weiterbewegung des Wagens nur auf 
Kosten der Fadenlänge erfolgen, welche der grösseren 
Länge der Summe der Dreiecksseiten aßy gegenüber 
der dritten Seite ay entspricht. Es wird sich also der 
Winkel bei ß vergrössern und gleichzeitig der Hebel d 
heben. Hierdurch ist aber auch dem doppelarmigen 
Hebel // die Möglichkeit geboten, sich in Folge des an 
seinem rechten Ende hängenden Uebergewichtes zu 
drehen ; es erfolgt gleichzeitig ein so starkes Anpressen 
des Bremsbackens k gegen den unteren keilförmig ge- 
stalteten Theil der Wagenbahn, dass die weitere Aus- 
fuhrbewegung des Wagens verhindert wird. Bei der 
nun folgenden Wageneinfahrt gleitet der Bremsbacken die 
Wagenbahn entlang, da er sich ohne Festklemmung an 
dieselbe um den Zapfen l drehen kann und in Folge 
des Schlaffwerdens der Stickfäden der Hebel d sich 
wieder abwärts senkt. Noch ehe der Wagen seine Ein- 
fahrt vollendet hat, stösst die Gabel f gegen einen am 
Maschinengestell befestigten Zapfen und bewirkt da- 
durch eine solche Hebung des Hebels d, dass die Nadel- 
zangen bis dicht vor den Stoff gelangen können. 

Der Bremsbacken k ist hierbei durch eine an dem 
inuem Ende der Wagenbahn festgeschraubte Schiene 
m verhindert, gegen die Wagenbahn zu drücken und 
bei der wieder erfolgenden Ausfahrt sich festzuklemmen. 
Die Spannung, mit welcher die Fäden nach vollendetem 
Zug durch den Stoff angezogen werden sollen, ist re- 
gulirbar und zwar entweder durch Verstellung des Ge- 
wichtes n, oder durch Aendemng der Länge des hin- 
teren Armes von Hebel ^, an welchem die Zugstange h 
angreift oder endlich durch Verschiebung des Gleit- 
backens im Hebel }'. 

Der Hauptübelstand, welcher dieser Vorrichtung 
anhaftet, besteht in dem Umstände, dass der Wagen bei 
jeder auch nur zufälligen Hebung des Fadenabdrückers 
gebremst werden wird. Derartige zufällige Hebungen 



sind aber nie zu vermeiden, da die Ausfahrt des Wagens 
nie ganz ohne Stösse vor sich geht und deshalb der 
Hebel d sehr leicht in schwingende Bewegung gerathen 
wird. Es ist daher der in den Figuren 16 und 17 
dargestellte Mechanismus der Maschinenfabrik zu Land- 
quart bei Chur vollkommener als der soeben beschrie- 
bene, weil bei ihm die Aufhebung des Fadenabdriicken 
nur dann erfolgen kann, wenn der Wagen seinen Weg 
wirklich zurückgelegt hat. In den eigenthtimlich ge- 
stalteten Teuchelschilden a findet die der Maschine 
entlang laufende, die Fadenabdrücker b tragende Welle 
c ihre Lagerung. 

Der Hebel b ist nach rückwärts verlängert und 
trägt an diesem Ende die Knagge d. Unterhalb der- 
selben liegt das Ende zweier Hebel 6, f, von denen e 
lose auf der ebenfalls im Teuchelschild gelagerten Welle 
g sitzt und auf seiner Verlängerung das Gegengewicht 
h trägt, der andere f aber fest mit dieser Welle ver- 
bunden ist. Die Länge der Hebel ist verstellbar, wie 
die in der Zeichnung ersichtliche Schraube a andeutet 
Auf dem anderen Ende der Welle g ist der doppel- 
armige, einseitig durch Gewicht i belastete Hebel i 
festgekeilt, welcher durch die Zugstango / mit dem 
Excenter m verbunden ist und sich für gewöhnlich, 
d. h. während der Wagenaus- oder Einfuhr, gegen den 
Hebel n stützt. Unterhalb des Excenters sitzt die Rolle 
fest am Teuchelschild und licide fassen die, der 
Wagenbahn entlang laufende Schiene p zwischen sicL 
Ist der Wagen in der Ausfahrt begriften, so ist es un- 
möglich, dass Hebel b sich heben könne, denn die 
Knagge d stützt sich gegen Hebel /*, und dieser ist da- 
durch an Bewegung verhindert, dass Hebel n sich g^n 
k stützt. Hat jedoch der Wagen seinen Weg vollendet 
und beginnen sich die Stickfäden straff zu spannen, 
so stösst der Hebel q gegen einen an der Büdise r 
sitzenden Stift, dreht sich um seine Achse und löst den 
Hebel k aus , welcher nun dem von den Fäden auf h 
ausgeübten, durch die Knagge d auf ihn übertragenen, 
Drucke folgen kann und durch Drehung des Exoenters 
eine solche Reibung an der Schiene p erzeugt ^ dass 
der Wagen zum Stillstand gebracht wird. Die Ein- 
wärtsbewegung des Wagens ist dagegen nicht verhindert, 
da sich bei ihr der Bromssector von der Bremsschiene 
löst, was auch noch bei dem Schlaffwerden der Fäd» 
durch die Gewichte befördert wird. Da nun auch 
Hebel q den Stift an Büchse r verlässt, so stellt er 
sich wieder in seine Anfangslage und verhindert das 
Herabsinken des Hebels k, Ist aber das Ende der Ein- 
fahrt des Wagens ziemlich erreicht, so gleitet Zqifen 
s des Hebels n auf den am Maschinengestell befestigten 
Stab t, wird frei und da inzwischen ddie an Welle c 



437 



Fischer, Die Stlckmaschiiie. 



438 



feste Gabel u auf den am Gestell befestigten Zapfen 
V aufgelaufen ist, so heben sich die Fadenabdrücker 
soweit, dass die Nadelzangen bis dicht an den Stoff 
gelangen können. Ehe dies letztere jedoch geschieht 
und der Wagen still steht, stösst der am Teuchelschild 
sitzende Zapfen x gegen einen solchen w, welcher der 
mit Sperrzahnen versehenen Stange y angehöi-t; diese 
Stange bewegt sich nach links, die Feder a spannend, 
und nimmt Iiierbei mittels des Sperrkegels z die Büchse 
r mit. Da aber diese Büchse eine stärkere Reibung 
an der Wagenschiene erfahrt, als diejenige ist, die bei 
dem Gleiten der Sperrkegelzähne über die Zähne der 
Zahnstange erzeugt wird, so bleibt sie bei dem durch 
die Feder a bewirkten und bei Beginn der Wageuaus- 
fuhr erfolgenden Zurückschieben der Zahnstange stehen. 
Hierdurch ist der den Hebel q auslösende Stift um so 
yiel dem Stickrahmen näher gerückt als die Verscliie- 
bung des Zapfens w betrug ; der Wagen wird also jetzt 
nicht soweit ausfahren können wie vorher, ohne ge- 
bremst zu werden. Durch Verstellung des Zapfens Wf 
sowie Verschiebung der Schraube ß lässt sich die Dif- 
ferenz der Längen zweier aufeinander folgenden Wagen- 
au8fahi*t<en genau mit der pro Stich verbrauchten Faden- 
länge in Uebereinstimmung bringen. Der Anzug der 
Fäden wird durch das Gewicht h des Hebels e regulirt, 
welcher gegen die Knagge d drückt. 

Für den in Fig. 18, Taf XX, skizzirten Houlds- 
worth 'sehen Apparat ist als besonders charakteristisch 
die Anwendung eines Moderators hervorzuheben, mit- 
telst welchem ein allmäliges Anhalten des Wagens am 
Ende der Aus- oder Einfahrt erreicht wird. Der Mo- 
derator besteht aus einem mit Wasser gefüllten Cyliuder 
a, in welchen der Kolben b mit geringem Spielraum 
cingepasst ist. Dieser Kolben hängt an einem Winkel- 
hebel c, welcher andererseits die gezahnte Stange d 
erfasst. Beginnen bei der Ausfahrt des Wagens die 
Stickfäden sich zu spannen, so bewirkt die Erhebung der 
die Fäden niederhaltenden Hebel e vermittelst der Zug- 
stangen /*, g das Einfallen der Sperrfalle h in die Zähne 
der Stange d. Diese Stange ist hierdurch gezwungen, 
an der Bewegung des Wagens theilzunehmen, und es 
beginnt der Moderatorkolben zu steigen, indem die 
über demselben stehende Flüssigkeit durch den Spiel- 
raum zwischen Kolben und Cylinderwand unter den 
Kolben tritt. Der hierbei auftretende Widerstand 
wird zur allmäligen Verzehrung der dem bewegten 
Wagen innewohnenden lebendigen Kraft verwendet und 
dieser langsam und ohne Stoss in die Ruhelage über- 
gefühi-t noch ehe die Stickfäden völlig gestreckt worden 
sind. Ganz analog ist der Vorgang am Schlüsse der 
Einfahrt des Wagens, indem kurz vor demselben das 



einerseits am Wagen, andererseits am Hebelte befestigte 
Zugorgan i eine Auswärtsschiebung der Zahnstange d 
und damit ein Aufwärtsheben des Moderatorkolbens be- 
wirkt. Die Figur 19 zeigt eine Modification des Zahn- 
stangenantriebes, indem der Winkelhebel c durch eine 
Bolle k ersetzt ist und sich das über diese Rolle ge- 
leitete Zugorgan l direct an die Zahnstange anschliesst. 

Die Stickmaschine von A. Heaven und R. Smith 
(Fig. 20 und 21, Taf. XX) ist noch nicht vollständig 
selbstthätig ; sie bedarf zur Umsteuerung der Wagen- 
bewegung noch immer die Leitung des Arbeiters. Der 
Auszug der Stickfäden erfolgt durch Elementarkraft, 
die Einfahrt des Wagens durch Gewichtswirkung, a 
ist die Antriebwelle der Maschine, welche die Riemen- 
scheibe h in Umdrehung versetzt und zwei Frictions- 
scherben c und d trägt. Eine dritte dergleichen Scheibe 
steckt auf der Welle e, welche ddrch Kegelräder mit 
der horizontalen Welle f verbunden ist. Je nachdem 
die Scheibe der Welle e an c oder d mittelst des Fuss- 
trittes g vom Arbeiter gedrückt wird, dreht sich Welle 
e nach rechts oder links. Erfolgt die Drehung in der 
gezeichneten Pfeilrichtung, so stösst Hebel h gegen die 
Nase i und bewirkt durch die gezeichnete Zugstangen- 
und Hebelverbindung eine Drehung der Welle k; die 
an dieser Welle befestigte Riemengabel legt den über 
Scheibe b laufenden Treibriemen auf die Festscheibe m 
und gleichzeitig wird durch Einfallen des Klinkenhebels 
n die Stellung der Riemengabel fixirt. Indem die Dre- 
hung der Scheibe m durch Zahnräder auf die Trommel 
übertragen wird, windet sich auf diese letztere der 
auf Scheibe p aufgewundene Riemen. Die hierdurch 
erzeugte Rotation dieser am Teuchelschild des Wagens 
gelagerten Scheibe p bewirkt vermittelst Zahntriebes 
und Zahnstange q die Ausfahrt des Wagens. Die Wa- 
genbewegung hat ihr Ende erreicht, wenn durch An- 
spannen der Stickfäden die Fadenabdrücker r gehoben 
werden; es drückt der Arm s auf eine der Welle t 
entlang laufende Schiene, dreht diese Welle nebst dem 
auf ihr sitzenden Arm u und bewirkt die Auslösung 
des Klinkenhebels; die Riemengabel l kann jetzt dem 
Zuge der Feder v folgen und der Riemen wird von der 
Festscheibe abgeschoben und auf die Losscheibe gelegt. 
Der Wagen fahrt nun unter Wirkung des Gewichtes w 
ein, indem sich der Riemen x auf die Scheibe y auf- 
windet. 

Nach erfolgtem Umsteuern mit Tritthebel g über- 
trägt sich die Betriebskraft auf die ganz gleich an- 
geordneten Mechanismen des andern Wagens und be- 
wirkt dessen Bewegung. Das OeflFnen und Schliessen 
der Nadelzangen wird von Excentern der Welle f aus- 
durch Hebel vermittelt. 

28» 



439 



Fischer, Die Stickmaschiuc. 



440 



Wie mau sieht, leidet diese Maschine an sehr grossen 
UnvoUkommeuheiten , namentlich ist die Anordnung 
des Bewegungsmechanismus füt* die Wagenausfahil 
und Einfalirt höchst unzweckmäesig ; denn durch das 
Aufwickeln resp. Abwickeln des Riemens auf den 
Scheiben o und p, sowie durch die beschleunigte Be- 
wegung des abwärts sinkenden Gewichtes Wy wird die 
Bewegung des Wagens um so mehr besclileunigt, je mehr 
sich der Wagen dem £nde seines Weges nähert; es 
wird also im Moment des Bewegungs wechseis die Ge- 
schwindigkeit am . grössten und sind die Stickfäden 
einem starken Stosse ausgesetzt. 

Wesentlich vollkommener, wenn auch nicht ganz 
frei von Mängeln, ist die völlig selbstthätig arbeitende 
Maschine von James Pritchard und John Collins 
zu Glasgow,*) welche, wenn ich recht unterrichtet bin, 
gegenwäi'tig auch in dem Etablissement des Stickerei- 
fabrikanten Göldy in der Schweiz Anwendung findet. 
Der Bewegungsapparat ist in den Figuren 1 — 10 der 
Tafel XXI dargestellt und für Maschinen bestimmt, bei 
denen die Wagenbewegung durch über Rollen geleitete 
Riemen oder Schnüre erfolgt und die Nadelzangen 
durch Schi'aubenradmechanismus (s. S. 430) geöffnet 
und geschlossen werden. 

Auf der mit Los- und Festscheibe A und B (Fig. 
1 und 4) ausgerüsteten Antriebwelle sitzen drehbar, 
aber gegen Verschiebung gesichert, mit KlauenmufFen 
a und 6 ausgerüstete gleichbenannte Zahnräder, welche 
theils direct, theils durch ein Zwischengetriebe c mit 
auf den kurzen Wellen C, D festgekeilten Zahnrädern 
J, e, f in Eingriff stehen. Fig. 7 zeigt die entspre- 
chende Uebersetzung bei X, Fig. 8 diejenige bei F. 
Die Wellen (7, D können mit Hilfe der Klauenkupp- 
lungen gy h mit den der Maschine entlang laufenden 
Wellen J?, F gekuppelt werden. 

Nimmt man an, der Klauenmuli' a^ sei mit a, der 
Muff des Rades e mit g im Eingriff und die Antrieb- 
welle rotire in der Pfeilrichtung, so wird der Welle E 
durch die Radübersetzung Fig. 7 eine solche Drehung 
ei-theilt, dass der Wagen W nach aussen gezogen wird. 
Der Wagen W bleibt still stehen mit geöffneten Nadel- 
zangen, da die gelöste Kupplung h die Bewegung nicht 
auf die Welle F überträgt. Hat der Wagen W seine 
Ausfahrt ziemlich vollendet und beginnen die Stickfäden 
sich straff zu spanneu, so bewirken sie ein Durchbiegen 
des im Stickrahmen (der wie gewöhnlich von einem 
Arbeiter mittels eines Pantographen nach Massgabe der 
Musterschablone bewegt wird) aufgespannten Stoffes. 



*) Pat. Spec. 1869, No. 3703. 



Diese Durchbiegung, in Fig. 2 bei G durch Stiich- 
punktirung angedeutet, wird in der Art als Impuls für 
die Einleitung des Wagenrückganges benutzt, dass die 
auf Welle i sitzenden, mit der Schiene k am Stoff an- 
liegenden Hebel / zurückgediückt werden und eine 
Drehung von i bewirken. Dieser folgt der dem doj^l- 
armigen Hebel m (Fig. 1 und 2) bisher als Stützpunkt 
dienende Hebel n; ersterer wird ausgelöst und die am 
Hebel o angreifende Feder p gelangt zur Wirkung. 
Gleichzeitig drückt der einen Theil des Hebels n bil- 
dende Arm q (Fig. 2) gegen den Sperrkegel r und be- 
wirkt dessen Eingriff' in das auf der Triebwelle E 
steckende Sperrrad s, hierdurch die Auswärtsbewegung 
des Wagens hemmend. Der Arm des Hebels o, welcher 
durch m erfasst wird, trägt aber am Ende eine Klane 
t (Fig. 3), die dem Zug der Feder p folgend steigt, 
hierbei den Hebel u (Fig. 1, 3 und 5), gegen dessen 
Ende sich die Nase v der verticalen Welle w stützt, 
um seine Achse drehend und diese Welle auslösend. 
Diese, von der Hauptwelle aus mittelst Zwischenwelle x 
und Frictionsrädern y und angetrieben, dreht sich 
und bewirkt durch ihr gekröpftes oberes Ende die Ver- 
schiebung der Klauenmuft'e, wodurch eine Kupplung 
des Rades b mit, und eine Entkupplung des Rades a 
von der Hauptwelle stattfindet. Damit w nur die zur 
Umsteuerung nothwendige halbe Drehung mache, geht 
Hebel u noch vor Beendigung derselben in seine frü- 
here Ruhelage zurück, indem ein Stift a der sich he- 
benden Klaue t an der schiefen Ebene ß gleitet und 
hierdurch der Klaue neben der aufsteigenden noch eine 
seitliche Bewegxuig ertheilt, wodurch Hebel u frei wird 
und dem Drucke der unter ihm liegenden Feder folgen 
kann. Das Resultat aller dieser Bewegungen ist die 
Veränderung der Drehrichtung der Triebachse CEj in- 
dem jetzt die Bewegung der Hauptwelle durch die in 
Fig. 8 gezeichnete Uebersetzung derselben mitgetheilt 
wird. Der Wagen W beginnt seine Einfahrt, die Zeug- 
fläche geht wieder in die Verticalebene zurück. Ziem- 
lich am Schlüsse der Wageneinfahrt stösst die am Wagen 
befestigte Knagge H (Fig. 3 und 4) gegen den Hebd 
J und bewirkt mit dessen Hilfe den Niedergang der 
iUaue t und die Spannung der Feder p (Fig. 3), indem 
der Arm J' auf den Hebel einen nach abwärts ge- 
richteten Druck ausübt, worauf die Stütze n die Lage 
dieser Theile wieder fixirt. 

Bei der Weiterbewegung des Wagens stösst aber 
Knagge H gegen das abgeschrägte, zwischen Rollen 
geführte Ende der horizontalen Stange K und gleich- 
zeitig hiermit die eben&lls an dem Wagen befestigte 
Knagge L gegen die Zähne y (Fig. 1, 3, 10), während 
die Gabel M am unteren Ende der Steueningswelie für 



441 



Fischer, Die Stickmaschiiie. 



442 



die Nadelzangen den Zapfen N (Fig. 0) der der Ma- 
schine entlang laufenden, horizontalen Welle Z uinfasst 
und die Nadeln den Stoff durchdringen. Dies veranlasst 
gleiclizeitig die folgenden drei Bewegungsvorgänge: 

1) Der Stoss von Knagge H gegen den Stab K 
verschiebt diesen nach rückwärts; es schwingt der dop- 
pelarmige, die Klauenmuff'e g umfassende Hebel 0, löst 
die Verbindung der beiden Wellen E und C und 
spannt die Feder d; die neue Stellung wird dadurch 
fixirt, dass sich Hebel P vor die an K sitzende Knagge 
£ (Fig. 3 und 4) legt und damit den Zurückgang der 
Stange verhindert. Wagen W steht still. 

2) In Folge des Anstosses der Knagge L an die 
Zähne / drehen sich diese um ihre am Maschinen- 
gestell befestigte Achse r und drücken die Stange Q 
(Fig. 1, 3, 4, 9 und 10) abwäits; der mit dieser ver- 
bundene Hebel R rückt die Zahnkupplung S ein und 
die verticale Welle T folgt dem Antrieb des Kegelrades 
üf weichesy mit einem dei^leichen auf der Antriebwelle 
im Eingriff stehend, beständig rotirt. Die untere Hälfte 
der Kuppelung, die mit Nut und Feder auf Welle T 
(Fig. 9) aafgepasst ist, besitzt an ihrer unteren Fläche 
zwei sich diametral gegenüberstehende Vertiefungen ip, 
1^; in eine derselben tritt bei offner Kupplung der am 
Gestell festgeschraubte Zapfen cu, während bei geschlos- 
sener Kupplung die untere Fläche von S auf diesem 

Auslösung von Hebel m' 



Zapfen ruht. Gleitet nun nach erfolgtem Kupplungs- 
schluas die Knagge L sofort über die Zähne y hinweg, 
so sucht die an Stange Q angreifende Feder die Kupp- 
lung wieder zu lösen, es gelingt ihr dies aber nur 
dann, wenn eine der Vertiefungen </ oder i// über dem 
Zapfen lo steht, die Welle T also eine halbe Umdrehung 
gemacht hat. Während dieser halben Umdrehung be- 
wirkt aber die unrunde Scheibe v (Fig. 1, 3 und 6) 
mittelst der Flebelübertragung q, a eine Verschiebung 
der Stange Z in ihrer Längsrichtung, was in Folge 
Eingriffes der Zapfen N, N* in die Gabeln M, M* eine 
Drehung der Steuerwellen und damit die Oeffnung der 
Nadelzangen an dem einen Wagen, die Schliessung der- 
selben an dem anderen Wagen bewirkt. 

3) Ausserdem bringt aber der am Kopf der Welle 
T sitzende Flügel ^ (Fig. 1, 3, 4) die Hebung des 
Arretirungshebels P* hervor, die Stange K* wird frei 
und folgt dem Zuge der Feder d', gleichzeitig die 
Kupplung h einrückend. Hierdurch überträgt sich die 
Bewegung der Welle D auf die Triebwelle F und der 
Wagen W beginnt seine Ausfahrt, die Stickfäden durch 
den Stoff ziehend. 

Nachdem der Auszug vollendet, verstellt der Stioker 
den Stickrahmen und es folgen nun für diesen Wagen 
die soeben bescliriebenen Bewegungsvorgänge, welche 
sich im Kui'zen wie folgt zusammenfassen lassen : 



1) Durdibiegen des Stoffes 



Entgegengesetzte Rotationsbe- 
wegung der Wellen D und F\ 
W^agen W* fahrt ein. 



2) 



3) 



Feder p* hebt Klaue V (Fig. 3) und löst die 

Welle w aus 
Lösen resp. Schliessen der Kupplungen h und a 

Knagge H* stösst gegen J* (Fig. 3); Feder p* wird wieder gespannt. 

Lösen der Kupplung ä; Wagen W steht still. 

I Oeffnung und Schluss der Nadelzangen. 
Rotation der Welle T^ Auslösung des Hebels P und Schliessen der Kupp- 
lung g\ Wagen W fährt aus. 



\ Knagge H' stösst gegen K* 
\ Knagge L* stösst gegen y 



1 



Der Patentbeschreibung zufolge soll die Maschine 
pro Minute 6—10 Stiche ausführen, würde also circa das 
1*;»- bis 3 fache eines an einer Handstickmaschine ar- 
beiteten Stickers leisten. 

Als eine UnvoUkommenheit der Maschine ist jeden- 
falls die Ableitung des Umsteuerungsantriebes von der 
Durchbiegung des Stoffes zu bezeichnen, denn eines- 
theils setzt dieselbe einen schlaff aufgespannten Stoff 



voraus, anderntheils ist jede Möglichkeit benommen, die 
Anspannung der Stickfäden, also den Anzug der Stiche 
zu reguliren, was Beides namentlich für das Besticken 
dünner Stoffe von grossem Nachtheil ist. Gewiss liesse 
sich diesem Mangel abhelfen durch Uebertragen des bei 
den selbstthätigen Hemmungsapparaten von Voigt und 
Anderen beschriebenen Principes, die Anspannung des 
Fadens selbst zum Steuerungsimpuls zu benutzen. 



(Fortsetzung folgt.) 



Versuche über das Ausströmen der atmosphärischen Luft durch gut abgerundete 

Mündungen. 

Von 

Albert Fliegner, 

Professor der theor. Maschinenlehre am eidgen. Polytechnikum in Zürich. 

(Hierzu Tafel XXII.) 



Im Jahrgange 1874 dieser Zeitschrift (Seite 13 u. 
flgd.) habe ich die Ergebnisse einiger Versuche über 
das Ausströmen der atmosphärischen Luft durch eine 
gut abgerundete Mündung mitgetheilt. Damals konnte 
ich nur das Ausströmen in die Atmosphäre untersuchen, 
hatte aber schon weitere Experimente in Aussicht ge- 
nommen, bei denen verschiedene äussere Pressungen 
benutzt wei*den sollten. Die Fertigstellung der dazu 
nöthigen Apparate hat aber so viel Zeit gekostet, dass 
ich ei*st jetzt im Stande bin, weitere Ergebnisse in 
dieser Richtung zur Mittheilung zu bringen. 

Beschreihwig der VersuehaappartUe. 

Die Versuche sind mit dem auch früher benutzten 
pneumatischen Apparate des hiesigen Polytechnikums 
angestellt. Beschi*eibung und Abbildung desselben fin- 
den sich im Jahrgange 1874 dieser Zeitschrift in dem 
Aufsatze des Hrn. Geh. Bergrath Prof. Dr. G. Zeuner: 
„Resultate experimenteller Untersuchungen über das 
Ausströmen der Luft bei starkem Ueberdruck", Seite 1 
und flgd., doch habe ich inzwischen an dem Apparate 
einige Aeuderungen vornehmen lassen. 

Zur Füllung des Kessels diente früher eine in 
seinem Inneren befindliche Luftcompressionspumpe, welche 
von Hand getrieben wurde. Die Eigenwiderstände dieser 
Pumpe waren aber sehr bedeutende und nahmen mit 
der Zeit noch zu, so dass die Füllung des Kessels von 
0,810876 <^^™ Inhalt auf etwa 37^ Atmosphären üeber- 
druck schliesslich 3 bis 4 Stunden Zeit und 4 Arbeiter 
erforderte. Ausserdem war es nicht gut möglich, die 
eingepumpte Luft, wenn auch nicht ganz vollständig, 
so doch wenigstens theilweise von den mitgerissenen 
Wasser- und Oeldämpfen zu befreien, da das Druck- 



veutil im Inneren des Kessels, also unzugänglich lag. 
Ich habe daher diese Pumpe vollständig entfernt und 
durch eine neue, ganz ausserhalb des Kessels befind- 
liche ersetzt, welche von dem hydraulischen Motor un- 
serer Werkstatt getrieben wird. So kann ich die voll- 
stÄndige Füllung des Kessels in etwa einer halben 
Stunde vornehmen. Auch ist es jetzt möglich ge- 
worden, die Luft einigermassen zu trocknen. Zu 
diesem Zwecke ist in die von der Pumpe zum Kessel 
gehende Rohrleitung, welche sonst aus gezogenen 
schmiedeiserneu Röhren von 1" engl, besteht, ein guss- 
eisernes Rohrstück von 0,06*" innerem Durchmesser 
eingeschaltet. Anfangs hatte ich dasselbe mit Watte 
und Chlorcalciumstücken gefüllt. Es zeigte sich aber, 
dass das flüssig gewordene Ghlorcalcium schliesslich 
sogar durch ein aufsteigendes Rohrstück von 1"" Höhe 
mit in den Kessel gerissen wurde, ebenso, dass es in 
einige der zu den Manometern führenden Leitungen 
eindrang und die dort befindlichen Hähne angriff. Ich 
liess daher das Ghlorcalcium ganz entfernen und ver- 
suchte es zunächst mit Watte allein. Aber auch diese 
verfilzte sich bald durch das aufgesaugte Gel und nö- 
thigte die Luft mit zu bedeutender Geschwindigkeit 
zwischen diesem Pfropfen und den Rohrwandungen hin- 
durchzuströmen ; dadurch wird aber natürlich das fer- 
nere Ablagern der mitgerissenen Wasser- und Oeltheil- 
chen erschwert. Ich habe schliesslich also auch die 
Watte herausgenommen und überlasse die Trocknung 
der Luft nur der natürlichen Abkühlung und der ge- 
ringeren Geschwindigkeit in dem jetzt ganz freien wei- 
teren Rohrstücke. Die Absonderung soll noch dadurch 
erleichtert werden, dass das Rohr tiefer gel^ and 
durch zwei nach oben gerichtete Krümmungen mit dar 
übrigen Leitung in Verbindung gesetzt wurde. 



Fliegner, Vereuche über das Ausströmen der atmosphärischen Luft. 



446 



Durch die Entfernung der Pumpe ist übrigens 
ein anderer, wenn auch nicht gerade sehr bedeu- 
r Vortheil erreicht, der nämlich, dass das ent- 
len viel zu kleine Volumen des Kessels etwas ver- 
ert worden ist, allerdings nur von 0,8 1 0876«^" auf 



^1 



cbm 



Bei den ersten Vereuchen arbeitete ich mit dem 

Hahnen (siehe die oben citirte Beschreibung und 
idung). Sollte dann vor der Mündung ein Druck 
chen, grösser als der Atmosphärendruck, so wurde 
rhalb derselben ein 0,23™ langes, 35™" weites Rohr 
icht aufgeschraubt (s. Taf. XXII, Fig. 4, wo nur 
i^latzes wegen die Rohrachse horizontal gezeichnet 
während sie sich in Wirklichkeit in verticaler Lage 
id). An seinem äusseren Ende war dieses Rohr 
1 eine mittelst eines zwischenliegenden Lederringes 
lichtete, in ihrer Mitte durchbohrte Kappe ge- 
ssen. Ich habe mehrere solche Kappen mit Ver- 
den grossen OefFnungen, so dass ich den Druck 
der Mündung zwischen weiten Grenzen ändern 
te. Das Rohr reichte nahe an die Mündung heran, 
b vor der Oeffnung B (Fig. 4), durch welche der 
k ausserhalb der Mündung gemessen wurde, kei- 
i Wirbel herrscheu konnten. Wollte ich vor der 
lung einen luft verdünnten Raum haben, so er- 
j ich dieses Rohr durch ein engeres, das aber 
n nicht geschlossen war, sondern cylindrisch durch- 
Ich habe auch mehrere solche Röhren, benutzte 

bei jeder untersuchten Mündung nur das eine, 
les das stärkste Vacuum ergab. Für Ausströmen 
e Atmosphäre wurden diese Röhren natürlich ganz 
3lassen. 

Die zweite Gruppe von Versuchen wurde mit einem 
1 Hahnen angestellt, der namentlich in der Be- 
tung construirt wurde, dass die verhältnissmässig 
Bohrung des alten bei den später zu untersuchen- 
lündungen in dünner Wand und den Ansatzröhren 

Abrundung die Vollkommenheit der Contraction 
Aussen könnte. Dieser neue Hahnen ist auf Tafel 
, Fig. 1 und 2, in natürlicher Grösse abgebildet, 
t an der Stelle des Kessels angebracht, an welcher 
früher die Luftcompressionspumpe befunden hatte, 
einer unteren Fläche besitzt er eine kleine Ver- 
ig, entsprechend geformt, wie die oberen End- 
tn der Mündungen. Diese selbst sind mittelst 
r Schrauben (C, Fig. 2) und mit zwischenliegendem 
schukringe am Hahnen befestigt; sie befinden sich 
im Innern des Ausflussgefässes, und kann eine 
uction, wo dieselbe überhaupt auftritt, in keiner 
) beeinträchtigt werden. Die Bohrung des Hah- 

ist nach oben conisch divergent ausgeführt, in 



der Hoffnung, dass sich der Strahl bei freier oberer 
Oeffnung nicht anlegen, dass man also Ausströmen in 
die Atmosphäre haben würde. Diese Erwartung wurde 
allerdings bisher nicht erfüllt. Wurde die obere Oeff- 
nung dieser Bohrung durch eine engere oder weitere 
Mündung geschlossen, so Hess sich vor der untersuchten 
Mündung jeder beliebige Ueberdruck erzeugen. Zur 
Erreichung eines Vacuums wurde in den Hahnkörper 
ein cylindrisch ausgebohrtes, unten erweitertes Stück 
(Z), Fig. 2) eingesetzt, welches durch eine Schraube E 
am Herausfallen oder Verschobenwerden bei der Dre- 
hung des Hahnes gehindert war. 

Ich hätte es vorgezogen, den Hahnen wesentlich 
niedriger zu machen, damit die Bohrung divergenter 
geworden wäre und der Strahl beim Weglassen einer 
oberen Mündung sicherer frei hätte austreten können, 
ohne sich anzulegen. Derselbe Hahnen soll aber später 
auch zu Versuchen über den Ausfluss von Dampf dienen, 
und er musste daher einer an unserem Dampfkessel 
schon vorhandenen Oeffnung angepasst werden. 

Einige Schwierigkeiten verursachte die Führung 
der Ganäle, durch welche der Druck gemessen werden 
sollte. Ich habe schliesslich die in Fig. 1 angegebene 
Anordnung beibehalten. Die von der Mündungs- 
ebene ausgehende alte Bohrung A war aussen durch 
eine kurze, nachher vernietete Schraube geschlossen. 
Dafür wurde sie nach oben zu durchgeführt. Dort stand 
sie durch ein genau passendes Loch in dem Kautschuk- 
ringe mit dem Ganal F in der unteren Platte des 
Hahnens in Verbindung. An der oberen Ausmündung 
dieses Canals wurde mittelst Flansch ein Bleirohr an- 
geschraubt, das zum Manometer führte. Der Druck 
um den ausgetretenen Strahl wurde in ähnlicher 
Weise durch den Canal O abgenommen, dessen untere 
Ausmündung in einer Aussparung des Kautschukringes 
liegt, also an einer Stelle, die für etwaige Wirbel nicht 
erreichbar ist. Meine anfängliche Befürchtung, diese 
Art der Befestigung würde vielleicht nicht ~ genügend 
dicht sein, hat sich durchaus nicht bestätigt, jedenfalls 
mit, weil der Kautschuk nur während ganz kurzer Zeit 
wirklich auf Abdichten beansprucht wird. So lange 
nämlich der Hahnen geschlossen ist, herrscht an allen 
Seiten des Kautschuks derselbe Druck. 

Zu den Druckbestimmungen habe ich bei 
meinen älteren Versuchen nur Quecksilbermanometer 
benutzt. Ich kann aber nur mit abnehmendem, theil- 
weise sogar sehr rasch abnehmendem Drucke arbeiten ; 
zum Constanthalten desselben wären Pumpen und Mo- 
toren von Dimensionen erforderlich, wie ich sie nicht 
besitze und auch nicht anschaffen kann. Ein erheblich 
grösseres Volumen des ganzen Kessels würde diesen 



447 



Flieg 11 er. Versuche über das Ausströmen der 



448 



Uebelstand natürlich bedeutend verringern. Für Beob- 
achtungen bei veränderlichem Drucke sind aber Queck* 
siibernsanometer sehr ungeeignet. Sind dieselben so 
construirt, dass das Quecksilber bei seiner Bewegung 
nur geringe Widerstände zu überwinden hat, so tritt 
die Wirkung seiner Trägheit sehr in den Vordergrund 
und das Sinken erfolgt äusserst ungleichmässig. Findet 
das Quecksilber dagegen bedeutende Bewegungswider- 
stände vor, so bleibt es zurück und zwar, wie ich mich 
bei meinen jetzigen Versuchen überzeugt habe, oft sehr 
bedeutend. Da ich bei den neuen Versuchen den 
Druck manchmal gleichzeitig an drei Stellon zu no- 
tiren hatte, so hätte ich auch drei Quecksilbermano- 
meter mit drei Beobachtern nöthig gehabt. Das Aus- 
strömen der Luft erfolgt aber, namentlich bei höheren 
Pressungen, mit bedeutendem Geräusche, durch welches 
man mit der Stimme kaum durchdringen kann. Es 
wäre daher schwer möglich gewesen, ein wirklich 
gleichzeitiges Notiren des Druckes bei den drei Beob- 
achtern zu erreichen, noch ganz abgesehen von den 
weiteren persönlichen Fehlem. 

Alle diese Gründe haben mich veranlasst, zu den 
Druckbestimmungen drei Metallmanometer zu be- 
nutzen. Dieselben sind von dem inzwischen verstor- 
benen, durch seine Aneroidbarometer auch weiter be- 
kannton Mechanikus J. Goldschmid in Zürich nach 
dem Bourdon 'sehen Princip ausgeführt. Da ich aber, 
um genügende Genauigkeit zu erhalten, einen möglichst 
grossen Weg des Zeigers nöthig hatte, so wurden der 
Feder von elliptischem Querschnitt feust zwei volle Win- 
dungen gegeben. Die Bewegung des freien Endpunktes 
der Feder ist zunächst auf einen excentrisch ange- 
brachten Zeiger übertragen, der über einer nach Atmo- 
sphären getheilten Scala spielt. Von der Achse dieses 
Zeigers aus wird durch einen Hebel und einen seidenen 
Faden der BLauptzeiger in Umdrehung versetzt. Der 
Uebertragungsmechanismus ist so angeordnet, dass dieser 
Hauptzeiger auf 6 Atmosphären Ueberdruck ungefähr 
zwei Umdrehungen macht. Die Manometer sind wesent- 
lich grösser ausgeführt als andere; der Durchmesser 
der Theilung, über welcher der Hauptzeiger spielt, 
beträgt 260™*". Der doppelte Umfang, entsprechend 
6 Atm. Ueberdruck, oder einer Quecksilbersäule von 
6.735,61=4413"»™, hat also eine Länge von 1634™", 
so dass der Zeiger des Manometers sich im Mittel etwa 
0,37 mal so viel fortbewegt, wie das Quecksilber. In 
dieser Richtung geht also der Druck genügend genau 
abzulesen. Da übrigens die Bewegung der Feder und 
der Zeiger in keiner Weise durch irgend einen Anschlag 
begrenzt ist, so kann man mit diesen Manometern 
sowohl Ueberdruck, als auch ein Vacuum beobachten. 



Um der Schwierigkeit eines genügend genauen 
Eiuschätzens der jeweiligen Stellung des continuirlich 
bewegten Zeigers auszuweichen, sind die Manometer 
mit einer liegistrirvorrichtung versehen. Der 
Hauptzeiger ist an seinem Ende als ein Schälchen 
geformt, das mit Farbe gefüllt wird; nach längeren 
Versuchen benutze ich jetzt eine hinreichend dick- 
flüssige, aber doch nicht leicht harzende blaue Stempel- 
farbe. Ueber dem Zeiger liegt eine Feder mit Stift, 
welcher für gewöhnlich oberhalb der Farbe gehalten 
wird. Durch einen Druck an einem Knopfe wird diese 
Feder frei, und der Stift tritt durch die Farbe und 
eine kleine Oeffnung im Boden des Schälchens auf eine 
über der Theilung befindliche Glasscheibe und madit 
einen Punkt auf dieselbe. Durch eine einfache Tast- 
vorrichtung kann ich die Knöpfe von allen drei Mano- 
metern genau gleichzeitig hinunterdrücken' und also 
ihre zusammengehörigen Stände ohne persönlicheQ 
Beobachtungsfeliler notiren. Will ich auch die zuge- 
hörigen Zeiten wissen, so schliesse ich beim Hinunter- 
drücken der Knöpfe einen elektrischen Strom, der einf 
Schreibuhr in Thätigkeit setzt, wie das schon bei den 
früheren bezüglichen Veröffentlichungen von Hm. Prof. 
Dr. Zeuner und auch von mir angegeben worden ist 

Die Anbringung einer nach Atmosphären oder 
Millimetern Quecksilber fortschreitenden Scala für den 
Hauptzeiger war bei diesen Manometern nicht möglich. 
Einmal war das Fortrücken des Zeigers für dasselbe 
Druckintervall an den verschiedenen Stellen nicht ge- 
nau gleich zu erwarten, und da der Zeiger zwei Um- 
gänge macht, so hätten zwei verschiedene Theilungen 
nebeneinander angebracht werden müssen, eine Quelle 
für Beobachtuugsfehler. Wirklich zeigte sich diese 
Differenz noch grösser, als wir erwartet hatten, die 
Wege, welche gleichen Druckänderungen entsprechen« 
wachsen mit dem Drucke stärker als im Veiiiältnisse 
von 4:5. Der zweite Grund, warum eine sofort den 
Druck angebende Scala unmöglich war, lag in der un- 
unterbrochenen Aeuderung der Elasticität der Feder 
und der übertragenden Theile. Eine solche Scala hätte 
öfters erneuert werden müssen. Ich habe sogar mandi- 
mal nach Benutzung der Manometer während weniger 
Stunden eine Verschiebung des Nullpunktes beobachtet 
Um aber einen markirten Druck doch notiren zu können« 
liess ich den Umfang einfach in 500 gleiche Theile 
theilen. 

Die so registrirten Manometerstände wurden ent- 
weder theilweise während der Versuche, oder sämmt- 
lich unmittelbar nach denselben mit einem' Qoecksilber- 
manometer verglichen. Dazu war eine ziemlich ver- 
wickelte Rohrfülirung nöthig, welche auf Tal XXII, 



449 



atmosphärischen Luft durcli gut abgerundete Mündungen. 



450 



Fig. 3, sckematisch dargestellt ist. In derselben be- 
deutet H den, der Einfachheit wegen unmittelbar auf 
dem Kessel angenommenen neuen Hahnen. Die drei 
Manometer sind mit Nr. I, II , III bezeichnet. Sie 
haben je zwei Hähnchen (1 bis 6), so dass Nr. I durch 
das Hähnchen 2 und das Bleirohr J mit dem Canal G 
in Fig. 1 in Verbindung steht, und also den Druck vor 
der Mündung anzeigt. Nr. II geht durch Hähnchen 4 
und Rohr K nach dem Canal F des grossen Hahnes 
und nach der Mündungsebene; Nr. III communicirt durch 
Hähnchen 6 und Rohr L mit dem Inneren des Luft- 
kessels. Bei den Versuchen mit dem älteren Hahnen 
waren die £nden der Rohre J und K an Stutzen an- 
geschraubt, die in den Oeffnungen A und B (Taf. 
XXII, Fig. 4) steckten. 

Sollten nun die drei Metallmanometer mit Queck- 
silber verglichen werden, so wurden die Hähnchen 2, 
4, 6 geschlossen und dafür diejenigen 1, 3, 5 geöffnet. 
Dann standen die Manometer durch die Rohre M, N, 
jP mit der Rohrleitung Q in Verbindung, welche von 
der Luftpumpe nach dem Luftkessel führt. Ein grös- 
seres Stück dieser Leitung war durch zwei Kautschuk- 
Quetschhahnen absperrbar (dieselben sind in der Figur 
als Drosselklappen R, R eingezeichnet), so dass dieser 
Raum, unabhängig von dem Drucke im Kessel, unter 
jeden beliebigen Druck gebracht werden konnte. Durch 
das Rohr S und die Hähnchen 8 und 10 war dann 
noch die Conmiunication mit dem Quecksilbennanometer 
T möglich. Bei kleineren Pressungen wurde nach 
Oeffnen des Hähnchens 7 das Hebermanometer U be- 
nutzt. Sollten dagegen die Quecksilbermanometer mit 
dem Inneren des Kessels in Verbindung stehen, so 
wurde das Hähnchen 8 geschlossen und 9 geöffnet. 

Es war nicht möglich gewesen, den Raum Q, an 
dem in Wirklichkeit sehr viele Verschraubungen vor- 
handen waren, vollkommen luftdicht herzustellen; der 
Di-uck nahm vielmehr stetig, wenn auch sehr langsam, 
ab. Es hätte aber doch zu viel Zeit gekostet, wenn 
bei der Vergleichung der Manometer immer diese lang- 
same Druckänderung hätte abgewai^tet werden müssen. 
Daher war an dem Räume Q noch ein weiteres, in der 
Figur nicht mit angegebenes Hähnchen vorhanden, 
durch welches nach Bedürfniss Luft ausgeblasen werden 
konnte. War der markirte Punkt erreicht, so wurde 
dieses Hähnchen rasch geschlossen. Unmittelbar dar- 
nach hielten sich die Diuckabnahme in Folge der Undicht- 
heiten und die Druckzunahme in Folge der Erwärmung 
nach beendetem Ausströmen angenähei-t das Gleich- 
gewicht und die Ablesung konnte bei fast absolut ru- 
higem Drucke, also mit möglichster Genauigkeit ge- 
macht werden. 

CiTilingenleur XXIH. 



Umständlicher war es, wenn auf den Manometern 
I und auch II ein Vacuum markirt war. Zur Ver- 
gleichung der tiefsten Stände des Manometers I wurde 
der Kessel noch etwas über das sonstige Maximum ge- 
füllt. Dann wurde das Rohr M vom Hähnchen 1 ge- 
löst und dafür das Rohrende V angeschraubt, so dass 
der Raum vor der Mündung in H durch J, die beiden 
offenen Hähnchen 2 und 1 und V einestheils mit dem 
Manometer I, anderntheils mit dem Hebermanometer U 
in Verbindung stand. Der andere Schenkel des Hebers 
U communicirte durch 1 , 8, S, Q, M mit der Atmo- 
sphäre. Nun wurde der Hahnen H eine kurze Zeit 
geöffnet, bis sich in dem Räume vor der Mündung, in 
Jj I, V und 17, das Vacuum eingestellt hatte. Vor H 
wurde noch 2 geschlossen. Die Zunahme des Druckes 
wurde dann entweder den Undichtheiten überlassen, 
oder ich liess durch 2 vorsichtig etwas Luft einströmen. 
Zur Vergleichung von Manometer Nr. II wurde ent- 
weder das Rohr V vor das Hähnchen 3 geschraubt, 
das Rohr K an der linken Seite von H mit dem Räume 
vor der Mündung in Verbindung gebracht und dann 
im Weiteren vorgegangen, wie vorhin; oder es wurde 
mit einer Rohrverbindung, genau wie in der Figur, der 
Raum Q durch J, 2, 1, M evacuirt. Dann musste 8 
und 7 offen, 9 dagegen und 10 geschlossen sein. Das 
Entleeren des Raumes Q durch Aussaugen erforderte 
aber viel Zeit, und es ging also diese Art der Ver- 
gleichung nur für die jedesmaligen geringeren Luftver- 
dünnungen anzuwenden. 

Wenn ich nun auch die Genauigkeit dieser Beobach- 
tungsart für erheblich grösser halte als bei Benutzung 
von lauter Quecksilbermanometern mit der dazu erforder- 
lichen vermehrten Zahl von Beobachtern, so sind doch 
meine Wünsche und Erwartungen in dieser Richtung 
nicht ganz in Erfüllung gegangen. Die Metallmanometer 
zeigten nämlich trotz ihrer geringen bewegten Masse und 
trotz der möglichst vollständigen Beseitigung aller Rei- 
bungswiderstände einen nicht unbedeutenden todten Gang. 
Dieser geht allerdings durch Klopfen an den Apparaten 
ziemlich vollständig zu beseitigen. Dafür zeigt sich dann 
aber manchmal ein anderer Uebelstand. Klopft man 
nämlich zu stark, so fängt dfer Zeiger an zu oscilliren. 
Beobachtet man bei ruhigem Drucke, so kann man 
beide Uebelstände beinahe ganz beseitigen, indem man 
zwischen Klopfen und Markiren oder Ablesen des Standes 
einige Secunden wartet. Bei abnehmendem Drucke 
dagegen muss man, namentlich wegen der theilweise 
sehr bedeutenden Oscillationen, das Klopfen unmittelbar 
vor dem Markiren auch unterbrechen oder doch min- 
destens massigen, läuft dann aber Gefahr, dass die 
Manometer zurückbleiben. Die letztere Ungenauigkeit 

29 



451 



Fliegner, Versuche über das Ausströmen der 



452 



würde allerdings von untergeordnetem Einflüsse sein, 
wenn der todte Gang bei allen drei Manometern der- 
selbe wäre. Das ist aber durchaus nicht der Fall, viel- 
mehr verhalten sich die drei Manometer nach todtem 
Gange und Oscillationen sehr verschieden, so zwar, 
dass die mit stärkerem todtem Gange geringere Oscil- 
lationen zeigen und umgekehrt. Ausserdem ändern 
sich die einzelnen Manometer in dieser Hinsicht mit 
der Zeit. Es wird dann aus der Vergleichung der ver- 
schiedenen Versuche unter sich auf das jedesmalige 
gegenseitige Verhalten der Manometer zurückgeschlossen 
werden müssen. 

Zu den Zeitbestimmungen diente die früher 
auch benutzte und oben schon erwähnte Schreibuhr mit 
schleichendem Secundenzeiger. Dieselbe war aber nicht 
scharf regulirt, so dass bei Ausflusszeiten zwischen 30 
und 60 Secunden, noch länger habe ich nie ausströmen 
lassen, zu der Ablesung der Uhr noch 0,i Secunde ad- 
dirt werden musste. Daher rühren die ungeraden De- 
cimalen bei solchen Versuchen. Bei kleineren Zeiten 
beträgt die Correction weniger als 0,05 Secunden, vnirde 
also natürlich fortgelassen. 

Da nach früheren Erfahrungen eine gute Be- 
schaffenheit der äussersten Kante der Mün- 
dung namentlich bei den Druckbestimmungen ein un- 
bedingtes Erforderniss ist, so Hess ich wieder benutzte 
ältere Mündungen je frisch nacharbeiten. Die neuen 
sind aus Messinggussstücken hergestellt, welche vor der 
Bearbeitung auf dem Amboss um etwa 10 Proc. ihrer 
Dicke zusammengeschlagen worden waren. Femer wurde 
das Loch erst kleiner ausgebohrt, dann mittelst Durch- 
treibens eines Stahldomes erweitert und darauf erst 
fertig hergestellt. Die Bohrung selbst war, wie früher 
auch, ein kurzes Stück cylindrisch und hatte so weit 
aussen, als es überhaupt mit Sicherheit ausführbar war, 
eine kleine seitliche Oefi'nung (Ä in Fig. 1 und 4 auf 
Tafel XXII), durch welche der Druck in der Mündungs- 
ebene gemessen wurde. 

Die Ausmessung der Mündungsdurchmesser 
konnte ich nur bei den kleineren Mündungen auf der 
Theilmaschine vornehmen, bei den grösseren erhielt ich 
keine zuverlässigen Resultate. Das Fadenkreuz im Mi- 
kroskop der Theilmaschine war nämlich nicht gerad- 
linig, so dass man den Faden nicht als Tangente der 
Mündung einstellen konnte. Die Mündung selbst liess 
sich auch nicht so .mbringen, dass sich der Kreuzungs- 
punkt der beiden Fäden genau in einem Mündungs- 
durchmesser bewegt hätte. Diese Mündungen sind dann 
mit einem sehr gut gearbeiteten conischen Massstabe 
gemessen worden, auf welchem man die Zehntel-Milli- 
meter direct ablesen, die Hundertel einschätzen konnte. 



Zur Schonung der äusseren Kante der Mündung wurde 
diese Ausmessung erst nach dem Gebrauche vorge- 
nommen. 

Bei Versuchen zur Bestimmung des ausgeströmten 
Luftge¥dchtes muss das Oeffnen und Schliessen des 
Hahnes möglichst rasch erfolgen. Dann ändern sich 
natürlich auch die Pressungen in der Mündungsebene 
und vor der Mündung sehr schnell. Die Metallmano- 
meter dürfen aber keinen zu raschen Druckänderungen 
ausgesetzt werden, man läuft sonst Gefahr, dass der 
Mechanismus in Unordnung geräth. Daraus folgte die 
Unmöglichkeit, das Verhalten der Pressungen gleidi- 
zeitig mit den Bestimmungen der Ausflussmenge zn 
untersuchen; für beide Grössen waren vielmehr ge- 
trennte Versuchsreihen nöthig. 

Versuche %ur Bestimmung des Druckes in der Mündungsehene, 

Zur Bestinmiung des Druckes in der Mündungs- 
ebene und seines Zusammenhanges mit demjenigen im 
Inneren des Kessels und vor der Mündung war der 
Apparat eingestellt, wie es Taf. XXII, Fig. 3, zeigt, 
d. h. die Hähnchen 1, 3, 5 geschlossen, diejenigen 2, 
4, 6 dagegen ofifen. Es wurde nun der Hahnen i/, oder 
der alte Hahnen, vorsichtig geöffnet, so dass sich die 
Manometer hinreichend langsam auf die betreffenden 
Pressungen einstellen konnten. Dann wurden eine 
Reihe von zusammengehörigen Punkten je auf allen 
drei Manometern gleichzeitig notirt und endlich der 
Hahnen H wieder langsam geschlossen. Unmittelbar 
darauf wurden sämmtliche notirte Punkte durch die 
Vorlage Q mit den Quecksilbermanometom T oder V 
verglichen, wie das vorhin angedeutet worden ist. 

Die Resultate dieser Versuche sind in den mit 
„Versuche über Pressungen" überschriebenen Ta- 
bellen mitgetheilt. Die drei ersten Columnen dieser 
Tabellen enthalten unter 

1. p„^ den Druck im Inneren des Ausflussgefässes, 

2. p „ „ in der Mündungsebene, 

3. p^ „ „ vor der Mündung. 
Sämmtliche Pressungen sind in Millimetern Queck- 
silbersäule absoluten Druckes angegeben. Jede Ver- 
suchsreihe bezieht sich auf eine untersuchte Mün- 
dung, deren Durchmesser je rechts oben unter d an- 
gegeben ist. In den Unterabtheilungen -4., B u. s. w. 
bedeutet in der Ueberschrift rf, den Durchmesser der 
Mündung vor dem Rohre (Taf. XXII, Fig. 4) oder oben 
am neuen Hahnen. Da es auf die genaue Grösse der 
betreffenden Mündung nicht ankommt, so ist d^ nur 
abgerundet angegeben. Das „freie Ausströmen** in je 
einer Zwischenüberschrift der drei ersten Reihen ent- 



453 atmospbärischeu Luft durch gut abgerundete MQudungen. 

I. Reihe. 
Versuche über Pressungeo. 



spricht dem Ausströuien in die freie Atmosphäre ohne ' ein enges Rohr ohne Kappe vorn, beim neuen ein 

irgend eine Vorlage bei den Versuchen mit dem alten j Einsatz von der Art J) (Taf. XXII, Fig. 2) benutzt 

Hahnen. Bei dem neuen Hahnen legte sich der Strahl i worden, so dass sich vor der Mündung ein Druck kleiner 

an und konnte ich also derartige Versuche nicht aus- ' als der Atmosphärendruck einstellte, b giebt den je- 



führeu. Wo hinter dem numerischen Werthe von d, 
„Vacuum" angi^eben steht, ist bei dem alten Mahnen 



weiligen Barometerstand an. 

Bei meinen älteren Versuchen über den Druck in 



455 



Flieguer, Versuche über das Aussü'ömeu der 



406 



Versuche über Pressungen. 



IL Reihe. 



rZ= 6,96""°. 



'IW 



2 

P 



3 
Pi> 



1^ 

Pm 



6 

Po 



P 



m 



A) dl = 10"'™. 6 = 723,0 



tum 



:509r>,4 

2853,7 

2640,0 

2428,5 

2234,1 

2059,5 

1879,1 

1705,1 

1542,1 

1375,4 

1231,4 

1106,6 

996,6 

879,6 

789,7 



1855,3 
1715,6 
1594,3 

1480,0 

1376,9 

1281,1 

1185,3 

1090,5 

1011,4 

934,8 

877,9 

835,9 

803,3 

767,5 

739,1 



1650,8 
1527,1 
1423,8 
1336,5 
1258,2 
1189,4 
1113,2 
1048,5 
976,4 

911,7 

863,5 
835,3 
804,4 
765,0 
739,9 



0,5994 
0,6012 
0,6039 
0,6094 
0,6163 
0,6-J20 
0,6308 
0,6396 
0,6559 
0,6797 
0,7129 
0,7554 
0,8060 
0,8726 
0,9359 



0,5333 

0,5351 

0,5393 

0,5503 

0,5632 

0,5775 

0,5924 

0,6149 

0,6332 

I 0,6629 

I 0,7012 

' 0,7548 

'. 0,8071 

; 0,8697 

' 0,9369 



'f» 



2 

P 



3 


4 


5 




P 


Po 


Po 








Pm 


pm 



B) Freies Ausströmen, b = 723,o 



mm 



3120,7 
2920,1 
2670,3 
2462,3 
2139,7 
1969,3 
1797,8 
1640,4 
1495,3 
1363,2 
1234,3 
1110,4 
1010,4 
919,2 



1815,0 

1697,8 

1554,2 

1434,6 

1243,4 

1136,0 

1033,8 

927,4 

832,4 

770,9 

747,1 

729,2 

725,5 

723,6 



723,0 


0,5816 


99 


0,5814 


99 


0,5820 


99 


0,5826 


99 


0,5811 


99 


0,5769 


99 


0,5750 


99 


0,5653 


99 


0,5567 


99 


0,5655 


99 


0,6055 


99 


0,6567 


99 


0,7180 


'9 . 


0,7872 



0,2317 
0,2476 
0,2708 
0,2936 
0,3379 
0,3671 
0,4022 
0,4407 
0,4835 
0,5304 
0,5858 
0,6511 
0,7156 
0,7866 



P 



in 



2 
P 



3 

Po 



4 
P 



P 



m 



C) dl = 12'°™ (Vacuum). h =721 



3102,4 
2433,1 
1903,0 
1695,4 
1509,0 
1361,8 
1219,7 
1104,7 
1003,6 
891,3 
779,1 



1798,7 
1412,0 
1097,7 
959,4 
837,0 
747,0 
684,1 
632,3 
611,3 
640,5 
691,5 



343,2 
331,5 
355,9 
397,5 
435,1 
475,2 
518,8 
555,4 
588,3 
636,6 
696,4 



0,5798 
0,5812 
0,5768 
0,5659 
0,5547 
0,5485 
0,5609 
0,5724 
0,6091 
0,7186 
0,8876 



'( 



Versuche über Pressungen. 



III. Reihe. 



d = 9,82""". 



P 



m 



P 



3 



V<^ 



Pm 



Po 
Pm 



A) di = 15^ 


3116,2 


1869,2 


2816,6 


1684.6 


2546,0 


1514,5 


2288,3 


1366,2 


2060,3 


1230,5 


1845,9 


1112,2 


1638,3 


1017,7 ! 


1489,2 


955,4 ; 


1355,8 


902,5 


1219,9 


855,9 1 


1075,1 


813,4 ! 


923,2 


768,4 


795,6 


732,a 



mm 



6 = 720,9'"'". 



1415,0 

1306,7 

1226,7 

1139,3 

1066,9 

997,5 

945,1 

902.5 

867,9 

838,5 

798,o 

762,2 

738,2 



0,5998 
0,5981 
0,5949 
0,5970 
0,5972 
0,G025 
0,6212 
0,6416 
0,6657 
0,7016 
0,7566 
0,8323 
0,9204 



0,4541 
0,4639 
0,4818 
0,4979 
0,5178 
0,5404 
0,5769 
0,6060 
0,6401 
I 0,6874 
; 0,7425 
0,8256 
0,9279 



Pm 



2 
P 



3 

Po 



o 



Pm 



l9. 
Pm 



B) Freies Ausströmen. 6 = 719,3 



mm 



3168,9 
2833,3 
2528,8 
2328,0 
2077,1 
1830,5 
1639,3 
1456,2 
1298,1 
1176,3 
1031,7 
868,1 



1804,9 

1611,7 

1432,4 

1307,1 

1160,6 

1031,3 

916,4 

819,5 

754,4 

736,2 

725,5 

722,4 



719,3 



99 
99 
99 
99 
91 
99 
"*9 
SS 

91 
59 
99 



0,5696 
0,5688 
0,5664 
0,5615 
0,5588 
0,5634 
0,5590 
0,5628 
0,5812 
0,6259 
0,7032 
0,8322 



0,2270 
0,2539 
0,2844 
0,3090 
0,3463 
0,3930 
0,4388 
0,4940 
0,5541 
0,6115 
0,6972 
0,8286 



1 

Pm 



Pq 



Pm 



C) dl = 15'"™ Vacuum). 6 = 71' 



3108,4 
2763,1 
2456,4 
2129,3 
1749,8 
1478,4 
1268,4 
1113,0 
1013,7 
923,1 
809,0 



1766,1 

1567,8 

1394,4 

1201,7 

991,1 

836,6 

719,2 

659,4 

638,0 

646,0 

680,0 



535,8 
492,1 
441,9 
408,9 
422,1 
465,8 
515,2 
561,0 
599,7 
633,7 
682,5 



0,5682 
0,6674 
0,5677 
0,5644 
0,5664 
0,5659 
0,5670 
0,5925 
0,6294 
0,6998 
0,8405 



der Mündungsebene hatte sich ergeben, dass die wäh- 
rend des Ausströmens im Inneren des Kessels eintre- 
tende Teniperaturabnahine auf den Verlauf des gegen- 
seitigen Verhaltens der Pressungen ohne nachweisbaren 
Einfluss war. Ich habe in Folge dessen bei meinen 



jetzigen Versuchen von vornherein grössere Temperatur- 
senkungen nicht gescheut, habe also längere Zeit un- 
unterbrochen ausströmen lassen. Meistens habe icb 
eine Unterbrechung gemacht, und ist dieselbe in 
den Tabellen durch einen horizontalen Strich in den 



457 



atmosphärischen Luft durch gut abgerundete Mündungen. 



458 



Versuche über Pressungen. 



IV. Reihe. 



d = 4,015 ""»• 



1 



2 
P 



3 

Po 



4 

iL 

Ptn 



5 

Po 



P 



m 



A) d^ = 6"". h = 708,6™". 



68,0 

44,2 
®5,8 

€9,6 
25,9 
87,0 
49,4 
3d,i 
07,6 
64,0 
63,1 

41,8 

36,6 

63,4 

40,9 
28,3 



2298,4 
2190,4 
2092,4 
2002,0 
1896,7 
1804,6 
1709,2 
1626,6 
1546,8 
1472,8 
1384,1 
1311,2 
1238,4 



1266,0 
1186,0 
1119,7 



2276,7 
2196,5 
2100,3 
2011,4 
1916,7 
1819,2 
1725,7 
1638,0 
1556,2 
1474,6 
1392,1 
1314,0 
1246,5 

1260,0 
1190,8 
1127,7 



0,6824 
0,6752 
0,6760 
0,6742 
0,6712 
0,6716 
0,6704 
0,6685 
0,6703 
0,6744 
0,6714 
0,6752 
0,6743 

0,6794 
0,6813 
0,6876 



0,6760 
0,6771 
0,6785 
0,6773 
0,6783 
0,6770 
0,6769 
0,6732 
0,6744 
0,6752 
0,6748 
0,6767 
0,6787 

0,6762 
0,6840 
0,6926 



1 
Pm 



1516,7 

1408,7 

1306,1 

1202,7 

1107,6 

1026,9 

943,1 

867,8 

792,1 

734,3 



! Po 



1059,8 
1005,9 
960,5 
906,1 
862,1 
828,7 
800,2 
767,2 
739,1 
720,4 



1068,0 
1011,1 
959,2 
907,6 
869,4 
827,8 
792,1 
763,6 
733,0 
715,7 



'm 



P_ 
Pw 



0,6988 
0,7141 
0,7354 
0,7534 
0,7783 
0,8070 
0,8485 
0,8841 
0,9331 
0,9811 



0,7042 
0,7178 
0,7344 
0,7646 
0,7849 
0,8061 
0,8399 

I 0,8799 
0,9254 

i 0,9747 



B) d, = U™"« (Vacuum). h = 709,4™™. 



3319,2 
3127,7 
2959,3 
2868,9 
2739,2 
2614,7 



1713,3 
1606,7 
1503,1 
1454,8 
1385,7 
1329,1 



545,3 
549,6 
558,7 
569,3 
584,2 
597,8 



0,5162 
0,5137 
0,5079 
0,5071 
0,5059 
0,5083 



0,1643 
0,1757 
0,1888 
0,1984 
0,2133 
0,2286 



P 



m 



2 
P 



3 

Po 



2463,2 
2286,3 
2135,0 
2002,8 
1871,7 



1969,7 
1813,5 
1672,3 
1494,4 
1344,0 
1216,3 
1128,5 
1018,2 
916,9 
821,0 



1240,8 
1170,8 
1078,7 
1004,2 
948,5 



988,8 
912,0 
829,1 
743,0 
681,9 
650,5 
666,2 
676,0 
705,1 
699,2 



602,6 
607,6 
612,5 
621,0 
629,6 



618,0 
624,9 
629,2 
633,6 
645,7 
655,2 
662,8 
676,4 
686,2 
698,0 



-i_ 

Pm 



5 

?! 

Pm 



0,5037 
0,6121 
0,5052 
0,5015 
0,5068 

0,5018 
0,5029 
0,4958 
0,4972 
0,5074 
0,5348 
0,5903 
0,6639 
0,7690 
0,8516 



0,244C 
0,266C 
0,286S 
0,3101 
0,8364 

0,818C 
0,844C 
0,376S 
0,424C 
0,4804 
0,638g 
0,6878 
0,6642 
0,7484 
0,860S 



Das Manometer zur 
am Schlüsse 



Bestimmung von p macht 
starke Oscillationen. 



drei ersten Columnen angedeutet. Bei den Reihen II 
und III liess ich dagegen den ganzen Kesselinhalt auf 
ein Mal ausströmen. Wie aus der nachherigen Dis- 
cussion noch genauer folgen wird, hat sich meine frü- 
here Beobachtung durchaus bestätigt. Ich bin nicht 
im Staude, aus den Versuchen einen Einfluss der Tem- 
peratur zu erkennen; wenn ein solcher vorhanden ist, 
und das dürfte allerdings wohl der Fall sein, so liegt 
er innerhalb der sonstigen ziemlich weiten Fehler- 
grenzen. 

Anfänglich war es meine Absicht, diese Versuche 
in folgender Art weiter zu verwerthen: Ich wollte die 
beobachteten Pressungen p und ^^, als Functionen von 
Pm auftragen, danach die betreffenden Curven möglichst 
continuiiiich verlaufend einzeichnen und schliesslich 
für eine Anzahl angenommener constanter äusserer 
Pressungen p = f(Pm) interpoliren. Dieser Weg hätte 
eine sehr umfassende Reihe von Versuchen erfordert. 
Bei der Nachrechnung hat sich aber bald ergeben, dass 
man viel schneller zum Ziele kommen kann. Es be- 
steht nämlich zwischen den Verhältnissen der 
Pressungen eine ganz bestimmte Beziehung, welche 
von dem absoluten Werthe des Druckes voll- 
ständig unabhängig ist. 

Da in den Formeln für AusÜussgeschwindigkeit und 
Ausflussmenge die Quotienten - - und - eine wichtige 

Pm Pm 



Rolle spielen, so habe ich diese beiden einer weiteren 
Untersuchung unterzogen. Sie sind in der vierten und 
fünften Columne der Tabellen sämmtlich berechnet. 

Vergleicht man nun die angenäher tgleichen Werthen 
von -^ entsprechenden Werthe von — , so zeigen 

Pm Pm 

sich allerdings nicht unbedeutende Differenzen, aber 
doch sieht man sofort, dass man es hier wirklich mit 
einem ganz bestimmten Zusanunenhange zwischen diesen 
beiden Quotienten zu thun haben muss. Die Abwei- 
chungen lassen sich überdies leicht aus der Anordnung 
des Apparates und dem Verhalten der Manometer er- 
klären. 

Dabei sind zunächst die mit dem alten Hahnen 
angestellten Versuchsreihen I bis III von denen IV und 
V zu trennen, bei welchen der neue Hahnen benutzt 
wurde. Die ersten Reihen zeigen im Allgemeinen 
grössere Weithe yonj^'l^m- Es lassen sich dafür 
folgende Gründe anführen : Die Communication zwischen 
der Oeffnung A (Taf. XXII, Fig. 4) in der Mündungs- 
ebene und dem botreffenden Manometer erfolgte durch 
einen bei Ä eingeschraubten Stutzen, der, so weit das 
Gewinde reichte, eine ziemlich enge Bohrung hatte. 
Die Ausgleichung der Pressungen wird dadurch er- 
schwert, und da alle Versuche nur bei abnehmendem 
Drucke angestellt werden konnten, so musste das be- 
treffende Manometer stets etwas zurückbleiben, also 



459 



Fliegner, Versuche über das Ausströmen der 

V. Reihe. 



460 



Versuche über Pressungen. 



rf=r 7,oo""*. 



'm 



Po 



JL 

Pm 



P<1 
Pm 



'tu 



Po 



P 
Pm 



Ptn 



2 



'»I 



Po 



P 
Pm 



h 



A) eii = 4"°'. 6 = 732,6 



muo 



3309,0 
3170,4 
3056,9 
2948,1 
2837,1 
2726,9 
2619.8 
2426,7 
2292,1 
2188,4 
2079.6 
m4,2^ 

2008,7 
1898,6 
1797,2 
1689,9 
1571,7 
1454,3 
1337,2 
1205,8 
1079,7 
960,7 
838,2 



3219,9 
3084,5 
2969,4 
2871,4 
2756,8 
2655,8 
2546,9 
2359,8 
2236,0 
2131,3 
2026,0 
1941,2 

1958,9' 
1854,ß 
1750,2 
1643,0 
1534,1 
1416,4 
1308,5 
1181,8 
1055,9 
945,5 
830,0 



3213,0 
3078,9 
2971,1 
2868,5 
2759,9 
2658,4 
2549,5 
2361,6 
2232,4 
2132,9 
2029,6 
1945,4 



1960,7 
1856,5 
1749,7 
1643,7 
1534,1 
1416,4 
1309,5 
1190,3 
1056,4 
948,4 
830,0 



0,9731 
0,9729 
0,9714 
0,9740 
0,9717 
0,9739 
0,9722 
0,9724 
0,9755 
0,9739 
0,9742 
0,9732 

0,9752 
0,9768 
0,9738 
0,9722 
0,9761 
0,9739 
0,9785 
0,9801 
0,9780 
0,9842 
0,9902 



. 0,9710 

0,9711 
• 0,9719 
I 0,9730 

0,9728 
j 0,9749 
\ 0,9732 
■ 0,9732 

0,9740 
; 0,9746 
j 0,9760 

0,9753 

I 0,9761 
1 0,9778 
; 0,9736 
: 0,9727 
! 0,9761 
j 0,9739 
0,9793 
I 0,9871 
; 0,9784 
I 0,9872 
: 0,9902 



2337,8 

2186,0 
2063,9 
1927,7 
1812,8 



B) rfi = 10«»™. 6 = 728,2™ 



lU 



3ior),2 

2932,4 
2758,5 
2625,5 
2500,9 



1699,7 
1578,4 
1477,2 
1409,1 
1 H40,8 



1445,5 


0,5474 


1367,4 


0,5383 


1286,1 


0,5355 


1226,5 


0,5367 


1169,7 


0,5361 



0,4655 
0,4663 
0,4662 
0,4671 

0,4677 



2089,7 

1953,9 

1828,1 

1716,8 

1604,3 

1494,1 

1380,1 

1272,3 

1169,1 

1066,1 

954,6 

858,6 

772,7 



1259,6 
1182,2 
1124,5 
1069,8 
1001^ 

il4'6,5 
1061,3 
995,0 
950,5 
916,2 
882,8 
859,6 
829,7 
806,6 
785,8 
776,6 
752,9 
737,9 



1107,4 

1054,0 

1014,4 

975,8 

940,4 

1020,0 
980,4 
947,7 
916,2 
894,9 
869,7 
847,5 
824,8 
803,0 
782,4 
759,5 
744,5 
730,2 



0,5388 
0,5408 
0,5448 
0,5550 
0,5522 

0,5486 
0,5432 
0,5443 
0,5536 
0,5711 
0,5909 
0,6229 
0,6521 
0,6899 
0,7371 
0,8135 
0,8769 
0,9550 



0,4737 
0,4822 
0,4915 
0,5062 
0,51b8 

0,4881 
0,6018 
0,5184 
0,5337 
0,5578 
0,5821 
0,6141 
0,6483 
0,0869 
0,7339 
0,7956 
0,8671 
0,9450 



1484,1 
1302,1 
1079,5 



779,5 
721,9 
724,7 



725,4 
721,9 
719,2 



0,5252 ' 0, 



0,5544 
0,6713 




Das Manometer zur Bestimmang von p 
am Schlüsse starke Osclllationeo. 



D) rf, = 14'"" (Vacuum). 6=720,». 



C) dl = 14""". 6 = 718,2 "»"'. 



3160,9 
3026,6 
2889,8 
2767,1 
2631,2 
2480,8 
2297,4 
2128,9 



2050,5 
1859,4 
1681,8 



1634,1 
1557,5 
1488,2 
1437,7 
1360,9 
1288,0 
1196,8 
1112,2 



1083,1 
986,7 
916,4 



824,8 
812,2 
796,7 
793,0 
775,8 
769,3 
754,2 
743,5 

743,5" 

738,6 
734,5 



0,5170 
0,5146 
0,5150 
0,5196 
0,5172 
0,5192 
0,5209 
0,5224 

0,5282 
0,5307 
0,5449 



0,2609 
0,2684 
0,2757 
0,2866 
0,2948 
0,3101 
0,3283 
0,3492 

0,3626 
0,3972 
0,4367 



3195,7 
3001,9 
2803,6 
2671,3 
2542,6 
2395,0 
2266,9 
2132,4 
2011,0 
1879,2 



2046,1 

1891,4 

1758,7 

1632,7 

1472,4 

1357,1 

1262,8 

1158,4 

1057,6 

961,6 

• 899,6 

831,7 

782,1 



1655,6 
1544,8 
1444,4 
1386,0 
1320,7 
1248,3 
1183,9 
1121,4 
1063,6 
^95,^ 

1092,8 
1012,4 
924,5 
861,3 
787,4 
727,0 
674,0 
639,3 
636,9 
656,4 
667,9 
689,5 
705,8 



460,2 
467,0 
493,2 
513,6 
527,5 
543,4 
551,6 
557,7 
563,0 
580,1 



530,0 
532,0 
558,5 
573,2 
594,4 
600,1 
606,7 
616,9 
629,5 
649,5 
669,9 
685,4 
705,0 



0,5181 
0,5146 
0,5152 
0,5188 
0,5194 
0,5212 
,0,6223 
0,5259 
0,5289 
0,5297 

0,5341 

0,5853 

0,5257 

0,5275 

0,5348 

0,5357 

0,6337 

0,5519 

0,6022 

0,6826 

0,7424 

0,8290 

0,9024 



0,M 

0,1 

0,11 

0,1! 

Oj 



0; 

Or 

^11 
0,sa 
0,4« 

0,441 

0^ 

0,5« 
0,5« 

0,it] 

0,T4I 
OlM 

0^ 



einen zu hohen Druck anzeigen. Ausgenommen sind 
nur die wenigen letzten Versuche der Reihen mit Aus- 
strömen in ein Vacuum, weil bei diesen p wieder zu- 
nimmt, nachdem es vorher negativ geworden war. Dazu 
kommt noch, dass die beiden sich sehr verschieden 
verhaltenden Manometer Nr. I und II gegenüber 
der auf Tafel XXII, Figur 3, gezeichneten Anord- 
nung miteinander vertauscht waren. Es zeigte daher 
das zur Bestimmung von p dienende Manometer (Nr. I) 
namentlich den Fehler des todten Ganges, während 
das p^, angebende (Nr. II) bedeutend weniger todten 
Gang hatte, dafür aber stark oscillirte. 

Das Rohr, welches nach dem Räume vor der Mün- 



dung führte, hatte zwar im Gewindetheile B (Fig. 4) 
auch eine enge Bohrung; eine solche enge Stelle und 
noch dazu unmittelbar vor dem Räume, in welchem der 
Druck gemessen werden soll, scheint aber ohne weiteren 
Einfluss zu sein. Ich schliesse das aus dem Verlaufe 
der weiteren Versuche, bei denen sich der Druck in 
der Mündungsebene doch stets durch die sehr enge 
seitliche Bohrung A ausgleichen musste. Wo dagegen, 
wie bei den Versuchen mit dem alten Hahnen, die 
Ausgleichung durch eine plötzliche Erweiterung erfolgen 
muss, da treten bedeutendere Widerstände auf^ weldie 
das Manometer zurückbleiben lassen. Das Manometer 
Nr. III, welches den Druck im Inneren angiebt, hatte 



461 



atmosphärischeu Luft durch gut abgeruudete Mündungeu. 



462 



auch einen nicht unbedeutenden todten Gang, der sogar 
im Verlaufe der Zeit noch zunahm. Da aber p^^ bei 
beiden hier in Betracht kommenden Quotienten im 
Nenner steht, so wird dieser Beobachtungsfehler von 
untergeordneterem Einflüsse sein. Wichtig wird dieser 
Umstand erst bei der Bestimmung der Ausflussmenge. 

Die Versuche der Reihe II und III verlaufen mit 
denen der Reihe I nicht ganz gleichartig, sie liegen 
nämlich anfangs meistens etwas höher, späterhin theil- 
weise nicht unbedeutend tiefer. Das anfängliche Höher- 
liegen lässt sich leicht dadurch erklären, dass bei der 
grösseren Geschwindigkeit, mit der sich bei den grös- 
seren Mündungen die Pressungen änderten, namentlich 
das Manometer für p stark zurückbleiben musste. Das 
nachherige Sinken dagegen hiek ich anfangs für eine 
Folge von Widerständen, die die Luft beim Durch- 
strömen der verhältnissmässig langen und engen Boh- 
rung des alten Hahnes vorfinden könnte. Daher habe 
ich den neuen Hahnen schon jetzt anfertigen lassen. 
Die mit diesem erhaltenen Resultate haben obige Ver- 
muthung aber entschieden als unrichtig gezeigt, und 
kann ich mir den eigenthümlichen Verlauf dieser Gurven 
nur aus einer Aenderung in dem Verhalten der ein- 
zelnen Manometer erklären. Eine solche Aenderung 
ist jedenfalls dadurch noch begünstigt worden, dass die 
Manometer gelegentlich auseinandergenommen werden 
mussten, wenn der Mechanismus durch zu schnelles 
Oeffnen oder Schliessen des Hahnes oder aus einem 
anderen Grunde in Unordnung gerathen war. 

Bei dßn mit dem neuen Hahnen angestellten Ver- 
suchsreihen IV und V waren zunächst, wie schon er- 
wähnt, die beiden Manometer I und II gegen früher 
vertauscht. Jetzt wird in Folge des todten Ganges von 
Manometer Nr. I der Druck p^ yot der Mündung zu 
gross angegeben werden, der Druck p in der Mün- 
dungsebene dagegen jedenfalls weniger, da Manometer 
Nr. II bedeutend geringeren todten Gang hat. Dazu 
kommt noch, dass die Verbindung zwischen diesem 
Manometer und der Mündungsebene keine Verengung 
hat, wie beim alten Hahnen, da dieselbe durch das 
Bleirohr K (Taf. XXII, Fig. 3) und den weiten Canal 
F (Fig. 1) erfolgt. 

Durch diese üeberlegung ist allerdings festgestellt, 
nicht nur dass die erste Gruppe von Versuchen im 
Allgemeinen höhere Worthe des Quotienten jp :^,„ er- 
geben muss, als die letztere, sondern auch, dass gegen- 
über den wahren Werthen diejenigen der ersten Gruppe 
meistens zu gross, die der letzten zu klein sein wer- 
den. Dagegen lässt sich doch kein Schluss darauf 
ziehen, welches die wahrscheinlichsten wahren Werthe 
sind, da man zwar die Art, aber nicht den numerischen 



Betrag der Abweichungen angeben kann. Um zu dem 
wahrscheinlichen Gesetze der Gurven zu gelangen, muss 
man die Versuche über die Ausflussmengen mit in 
Betracht ziehen. So findet man, es wird das natürlich 
später noch genauer begründet werden, dass man den 
Zusammenhang mit vollkommen genügender Genauigkeit 
durch die Gleichung der Hyperbel 



^- =0,2820 + 0,4891 — + 
Ptn Pm 



V' 



(1) 



0,0632 — 0,2874 — -f- 0,2266 ( — ) . . 

Pm \ pJ 

darstellen kann. Die Coefficienten dieser Gleichung 
lassen sich übrigens nicht nach der Methode der klein- 
sten Quadrate bestimmen ^ da die einzelnen Versuche 
zu verschiedenes, aber doch nicht angebbares Gewicht 
haben. Aus den drei ersten Versuchsreihen berechnet, 
erhält man gar nicht einmal die verlangte Hyperbel, 
sondern die im Nebenwinkel der Asymptoten liegende, 

welche also in der Nähe von —=0,5 für — imagi- 

Pm Pm 

näre Werthe ergiebt. Zur besseren Vergleichung des 
Verlaufes der Hyperbel mit den directen Beobachtungs- 
resultaten sollen noch in einer späteren kleinen Tabelle 
einige Werthe der Pressungen angegeben werden. 

Vergleicht man den durch Gl. (1) gegebenen Zu- 
sammenhang mit dem bei meinen früheren Versuchen 
(„Civiling." 1874, S. 13) gefundenen, so zeigen sich 
hier bedeutend geringere Pressungen in der Mündungs- 
ebene. Namentlich sieht man das an dem kleinsten 

Werthe von ^^, den man für »0 = 0, also auch ---=0 

Pm Pm 

erhält. Die obige Formel ergiebt nämlich 



( 



P 

Pm/mm 



\ = 0,5334, 
.'mm 

während ich damals als Grenzwerth, dem sich dieser 



Po 



schon bei ~ = 0,5 genügend näherte, 
pm 



( 



^ \ = 0,5767 
Pmjmin 



gefunden hatte. Ich hatte dort schon angedeutet, dass 
dieses Verhältniss namentlich bei hohen Pressungen 
etwas zu hoch sein könnte, weil das zur Bestimmung 
von p benutzte Quecksilber- Uebermanometer bedeutende 
Widerstände zeigte. Die beiden Schenkel sind nämlich, 
wegen einer anderweitigen Verwendung, für die es an- 
fänglich bestimmt war, durch ein ziemlich enges Rohr 
mit mehreren Krümmungen verbunden. Ausserdem 
war in der Leitung zur Mündung eine Verengung euoi- 
geschaltet, wie bei meinen jetzigen Versuchen mit dem 



463 



Fliegner, Versuche über das Ausströmen der 



464 



alten Hahnen. Meine neuen Resultate bringen mich 
nun zu der Ueberzeugung, dass ich damals jene schäd- 
lichen Einflüsse bedeutend unterschätzt habe. Das einzig 
Auffallende ist dabei nur, dass die Abweichung gerade 
so gross war, dass ich "auf die Veimuthung kommen 
konnte, die grösste Ausflussgeschwindigkeit sei gleich 
derjenigen mittleren Geschwindigkeit, mit der sich nach 
der Moleculartheorie der Gase die Masse senkrecht zur 
Mündungsebene und gegen diese bewegt. Damit fällt 
allerdings auch die Annahme dahin, dass man beim 
Ausströmen der Luft durch eine gut abgerundete Mün- 
dung die „Widerstände" vernachlässigen und unter Ein- 
setzung der richtigen Pressung in der Mündungsebene 
die bekannten theoretischen Formeln benutzen dürfe. 
Aber auch die Holtzmann'sche Annahme, dass die 
grösste Ausflussgeschwindigkeit gleich der Fortpflan- 
zungsgeschwindigkeit des Schalles sei, ist noch weniger 
haltbar, da dieselbe einen Grenzwerth für das Verhält- 
niss der Pressungen von 0,ß065 erfordern würde. Es 
ist vielmehr, wie nachher erst genauer nachgewiesen 
werden kann, jedenfalls derjenige Werth als Grenzwerth 
anzusehen, welcher aus der Formel für das Ausfluss- 
gewicht dieses zu einem Maximum macht. 

Ich habe natürlich auch versucht, das Gesetz 



^ Pm Pmf 



analytisch herzuleiten, aber ohne Erfolg. So lange als 
ich noch die von der Moleculargeschwindigkeit abhän- 
gige Grenzgeschwindigkeit für die richtige hielt, bin 
ich auf Grund dieser Anschauungen vorgegangen, habe 
aber stets Gleichungen erhalten, die weit gi*össere 
Pressungen in der Mündungsebene ergeben, als die 
beobachteten^ so dass sie nicht einmal als Annäherung 
angesehen werden durften. Nach dem Vorigen scheint 
die Ausflussgeschwindigkeit überhaupt mit der Mole- 
culargeschwindigkeit gar nicht so einfach zusammenzu- 
hängen. Vielleicht ist das aber doch der richtige Weg 
und besteht die Schwierigkeit einstweilen nur in der 
Unmöglichkeit, der angenähert adiabatischen Zustands- 
änderung der Luft beim Hinströmen nach der Mün- 
dung von der Moleculartheorie aus Rechnung zu tragen. 
In dieser Ansicht werde ich noch durch den Umstand 
bestärkt, dass es nach den Versuchen vollständig gleich- 
giltig ist, was mit der Luft nach dem Verlassen der 
Mündung wirklich geschieht; der Zusammenhang der 
Pressungen ist lediglich abhängig von dem unmittel- 
bar um den austretenden Strahl herrschenden 
Drucke, dagegen durchaus nicht von der Bedingung, 
dass die Luft unter diesem Drucke auch wirklich zur 
Ruhe kommt, llci den Versuchen wenigstens, bei wel- 



chen vor der Mündung ein Vacuum herrscht, nimmt 
die ausgeströmte Luft überhaupt niemals diesen geringen 
Druck an, und sie kommt erst zur Ruhe, wenn sie das 
äussere Rohr verlassen und sich in der Atmosphäre 
ausgebreitet hat. 

In diesem Umstände suche ich auch den Grund, 
warum mich der zweite Weg, den ich zur analytischen 
Berechnung des Zusammenhanges eingeschlagen habe, 
nicht zum Ziele geführt hat, die Annahme nämlidi 
eines Gesetzes /"(j?, v) = 0, nach welchem die Beruhigung 
bis zum bekannten Endzustande erfolgen solle. Dann 
könnte man, da man das Gesetz der Zustandsänderung 
vom Inneren des Gefässes bis zur Mündungsebeue kennt, 
den Zustand in der letzteren berechnen. Ich habe aber 
auf diese Art auch nur Resultate erhalten, die mit den 
Beobachtungen durchaus nicht stimmten, wenn sich der 
Zustand in der Mündungsebene nicht ganz forthob. 

Es bleibt mir also nichts übrig, als mich einst- 
weilen mit der oben gegebenen empirischen Formel zu 
behelfon, bis es vielleicht einmal gelingen wird, das 
wahre Gesetz herzuleiten. 

Mit der vorhin gemachten Bemerkung, dass der 
Verlauf der Pressungen nur von dem unmittelbar vor 
der Mündung herrschenden Drucke abhängt, mag die 
Luft unter diesem Drucke wirklich zur Ruhe kommen, 
oder nicht, ist übrigens auch ein Einwand widerlegt 
der mir vielleicht gemacht werden könnte und den ich 
mir auch selbst gemacht hatte, der Einwand nämlich, 
dass der Raum vor der Mündung zu klein ge- 
wesen sei. Wenn Versuche mit Ausströmen in die freie 
Atmosphäre und solche mit einer kleinen Vorlage so 
vollkommen übereinstimmen, so ist das der sicherste 
Beweis dafür, dass es auf die Grösse der Vorlage gar 
nicht ankommt. Uebrigens habe ich auch früher eine 
Versuchsreihe mit einem grösseren Ballon vor der Mün- 
dung angestellt, die mit denen, bei welchen nur das 
kleinere Rohr benutzt wurde, vollkommen überein- 
stimmte. Mitgetheilt sind diese Versuche nicht, es war 
bei ihnen noch nicht gelungen, die verschiedenen Ver- 
bindungen und Hähnchen genügend luftdicht herzu- 
stellen; die daraus entspringenden Fehler traten aber 
bei allen diesen Versuchen gleichartig auf. 

Es möge noch kui'z darauf hingewiesen werden, 
dass aus dem Verlaufe der beobachteten Punktreihen 
ein Einfluss der inneren Temperatur wirklich nicht 
nachweisbar ist. Ein solcher müsste sich namentlich 
zu beiden Seiten einer Unterbrechung zeigen, weil vor 
derselben nach längerem Ausströmen innen eine nie- 
drigere, nach derselben, in Folge der Erwärmung wah- 
rend der Pause, eine höhere Temperatur herrscht. Nun 
haben allerdings die Reihen V, B und V, D zu beiden 



.J 



465 



atmosphärischen Luft durch gut abgerundete Mündungen. 



406 



Seiten des Striches ziemlich abweichende Werthe der 
Pressungen und ihrer Quotienten ergeben» andere Reihen 
zeigen aber eine bedeutend bessere, die meisten sogar 
eine vollkommen befriedigende Uebereinstimmung. Ich 
muss also die theilweise nicht unbedeutenden Abwei- 
chungen für eine Folge von Fehlern der Manometer 
ansehen. 

Untersucht man nicht das Verhält niss der Pres- 
sungen, sondern diese selbst, so zeigt der Druck in 
der Mündungsebene beim Ausströmen in einen luftver- 
dünnten Raum einen eigenthümlichen Verlauf (siehe je 
die ^letzten Versuche einer Reihe). Mit abnehmendem 
inneren Drucke nimmt er nämlich zunächst auch ab, 
und wird sogar negativ, um später wieder zuzunehmen 
und endlich mit den beiden anderen Pressungen gleich 
dem Atmosphärendrucke zu werden. Einen ähnlichen 
Verlauf eines solchen Druckes habe ich schon früher 
bei meinen Versuchen über den Einfluss der Envei- 
terungen in Rohrleitungen für Wasser („Civiling.'* 
1875) beobachtet und auch dort auf S. 128 oben als 
auffallend hervorgehoben. Die Ergebnisse der Versuche 
mit Luft lassen erwarten, dass die Verhältnisse der 
Pressungen nichts in dieser Art Auffallendes zeigen 
würden. 

Das hat auch eine Versuchsreihe bestätigt, die ich 
mit einer gut abgerundeten Mündung über den Aus- 
fluss von Wasser unter Wasser angestellt hatte. 
Dabei hatte ich dieselben drei Pressungen beobachtet, 
wie jetzt bei Luft, und auch dieselben Quotienten be- 
rechnet. Die letzteren verlaufen so, dass man ihren 
Zusammenhang jedenfalls auch durch eine analoge 
Gleichung darstellen kann, wie bei Luft, d. h. durch 
eine Hyperbel, nur natürlich mit wesentlich anderen 
numerischen Coefficienten. Eine Berechnung der letz- 
teren habe ich nicht vorgenommen; ich habe vor der 
Mündung kein genügendes Vacuum erreicht, um die 
Lage des Scheitels der Hyperbel hinreichend genau be- 
stimmen zu können. Aus diesem Grunde unterlasse ich 
auch eine ausführlichere Mittheilung dieser Versuche. 

Der als continuirliche Curve interpolirte Zusammen- 
hang der Pressungs- Quotienten stimmt bei Luft und 
Wasser auch in dem Sinne überein, dass stets 






> ^-•'- 



'I« 



ist, mit Ausnahme natürlich des Grenzfalles p^ =p =Pq- 
Die directen Versuchsresultate weichen allerdings theil- 
weise davon ab. Bei Wasser aber schwankten nament- 
lich die Pressungen p und p^y ununterbrochen, ihre 
Mittelwerthe Hessen sich also nicht genau einschätzen. 

Civilingcnieur XXIII. 



Bei Luft sind die Ausnahmen in den drei ei-sten Ver- 
suchsreihen nur ganz vereinzelt, in den beiden letzten 
freilich häufiger. Es ist jedoch schon darauf hinge- 
wiesen worden, dass bei diesen Reihen der Druck in 
der Mündungsebene gegenüber dem äusseren zu klein 
zu erwarten ist. Auch liegen die Abweichungen bei 
Wasser und Luft an Stellen, an denen alle drei Pres- 
sungen nicht mehr besonders verschieden sind. Sie 
müssen also als Folgen von Beobachtungsfehlern ange- 
sehen werden, und glaube ich daher, das schon früher 
von mir als sehr wahrscheinlich hingestellte Gesetz, 
dass beim Ausströmen einer Flüssigkeit in 
einen mit gleichartiger Flüssigkeit angefüll- 
ten Raum der Druck im bewegten Strahle in 
der Mündungsebene stets grösser ist, als der 
Druck in der ruhenden Flüssigkeit Vor der 
Mündung, durch diese Versuche für Luft und Wasser 
bei einer gut abgerundeten Mündung als endgiltig be- 
wiesen ansehen zu dürfen. Höchstens der numerische 
Zusammenhang kann sich vielleicht durch weitere, mit 
genaueren Apparaten angestellte Verbuche etwas ändern. 
Im Uebrigen bin ich aber der festen Ueberzeuguug, 
dass dieses Gesetz nicht blos für die bis jetzt unter- 
suchten Fälle, sondern ganz allgemj^iu gilt. 

Verstiche zur BesUnimutig der Atutfltinsinenyen. 

Wie bei den Druckbestimmungen, so kam es mir auch 
hier darauf an, vor der Mündung verschiedene Pressungen 
herzustellen, um die Frage möglichst vollständig unter- 
suchen zu können. Da aber wegen der nöthigen Schonung 
der Manometer Druckbestimmungen und Beobachtungen 
von Ausflussmengen nicht vereinigt werden konnten, so 
musste ich beide Arten von Versuchen sich ergänzen lassen. 
Ich habe daher immer mit derselben Combination von 
Mündungen d und d^ beide Bestimmungen vorgenommen, 
und zwar der Zeit nach möglichst unmittelbar nachein- 
ander, damit sich die an der Vorlage vorhandenen, meist 
nicht so zuverlässig ausführbaren Abdichtungen nur mög- 
lichst wenig ändern konnten. Jedenfalls ist der Apparat 
zwischen zwei solchen Versuchen niemals auseinander 
genommen worden. So war es möglich, für die Versuche 
über Ausflussmengen den äusseren Druck und den in 
der Mündungsebene mit genügender Sicherheit zu er- 
mitteln. Die Versuche über Ausflussmengen erforderten 
vor der Mündung einen möglichst kleinen Raum, damit 
der Beharrungszustand bald eintrat. Aus diesem Grunde 
habe ich auch für die Druckbestimmungen von der 
Anwendung einer grösseren Vorlage absehen müssen. 

Die Resultate der Versuche sind in den mit 
der Ueberschrift „Versuche über Ausflussmengen" 

30 



467 



Flieguer, Versuche Ober das Ausströmeu der 



468 



versehenen Tabellen mitgetheilt. Die einzelnen Reihen 
haben dieselbe Nummer , die Unterabtheilangen den- 
selben Buchstaben, wie bei den zugehörigen Versuchen 
über Pressungen. 

Die Versuche selbst sind nun in folgender Art an- 



gestellt worden: Das grosse Quecksilber-Gefäss-Mano- 
meter, bei kleineren Pressungen das Hebermanometei 
waren durch die geöffneten Hähnchen 9 und 10, ode 
7, ununterbrochen mit dem Inneren des Kessels in Vei 
bindung, ebenso das Metallmanometer Nr. lU durc 













I 


. Reihe 


» 








^ 


Versuche über Ausflussmengen. 










d = 4,027 »». 


1 


2 


8 


4 


5 


6 


7 


8 


9 


10 




Nr. 


t 


Pt 
P. 


Pi 

1 


Pm 


6 

F 


-Po 
Pm 


^ 


k 


f* 










A) 


d, — 2™*». 6 = 722,85"". T, = 273+17, 


45. 




1 


50,3 


3389,6 


3222,8 


3303,6 


287,48 


0,9795 


0,005142 


1,4801 


10,4449 




2 


49,7 


3248,9 


3093,1 


3167,3 


272,37 


0,9796 


0,005022 


1,4627 


10,3478 




3 


47,» 


3117,2 


2971,9 


3040,2 


262,81 


0,9797 


0,005075 


1,4704 


10,4268 




4 


47,9 


2994,7 


2858,9 


2933,3 


251,30 


0,9798 


0,004987 


1,4577 


10,3614 




5 


48,8 


2877,6 


2745,7 


2808,8 


239,58 


0,9799 


0,004943 


1,4511 


10,3399 




6 


47,9 


2765,0 


2626,9 


2692,0 


230,02 


0,9800 


0,004948 


1,4520 


10,3713 




7 


49,3 


2657,8 


2531,5 


2591,1 


219,75 


0,9801 


0,004883 


1,4423 


10,3277 


^ 


8 


52,1 


2552,4 


2425,2 


2485,5 


211,32 


0,9802 


0,004908 


1,4460 


10,3796 




9 


52,6 


2445,3 


2322,7 


2380,9 


202,07 


0,9804 


0,004890 


1,4434 


10,4127 




10 


53,9 


2342,1 


2224,5 


2278,7 


192,20 


0,9806 


0,004832 


1,4348 


10,4025 




11 


54,1 


2241,3 


2127,2 


2176,8 


183,57 


0,9807 


0,004831 


1,4346 


10,4276 




12 


56,5 


2144,7 


2029,8 


2085,8 


175,04 


0,9808 


0,004779 


1,4269 


10,3979 




13 


57,5 


2048,5 


1937,3 


1989,9 


166,40 


0,9810 


0,004745 


1,4218 


10,4144 


Mittel von fi aus all 


14 


58,9 


1955,4 
1864,7 


1848,3 


1899,4 


158,28 


0,9812 


0,004713 


1,4171 


10,4335 


Versuchen fi = 10,39 



B) dl = 4»"». b= 722,25"". T^ = 273 + 17,6. 



1 


' 15,8 


3386,6 


3237,8 


3312,2 


812,68 


0,7988 


0,040913 


4,1750 


10,4142 


2 


20,0 


3261,6 


3076,0 


3168,8 


773,54 


0,7989 


0,040418 


4,1496 


, 10,3528 


3 


20,0 


3111,0 


2937,1 


3024,0 


735,02 


0,7990 


0,040088 


4,1327 


10,3125 


4 


19,8 


2967,9 


2804,9 


2885,0 


696,80 


0,7991 


0,039588 


4,1068 


10,2498 


5 


21,2 


2833,6 


2666,4 


2747,0 


652,22 


0,7992 


0,038220 


4,0352 


10,0730 


6 


20,0 


2699,0 


2543,2 


2620,4 


630,75 


1 0,7993 


0,039268 


4,0902 


10,2120 


7 


19,8 


2576,2 


2435,6 


2503,4 


596,64 


0,7994 


0,038543 


4,0523 


10,1193 


H 


19,8 


2461,2 


2320,6 


2387,8 


577,95 


0,7995 


0,039712 


4,1132 


10,2735 


9 


20,2 


2349,8 


2214,3 


2279,9 


545,18 


0,7996 


0,038757 


4,0636 


10,1513 


10 


25,0 


2242,6 
2117,6 


2087,0 


2161,8 


513,64 


0,7998 


0,038228 


4,0357 


10,0854 


11 


24,6 


2096,0 


1954,7 


2022,3 


480,66 


0,8000 


0,038278 


4,0383 


10,0957 


12 


26,2 


1980,9 


1838,1 


1905,4 


452,83 


0,8013 


0,038243 


4,0365 


10,1159 


13 


26,0 


1865,4 


1735,4 


1796,7 


421,18 


0,8039 


0,037234 


3,9828 


10,0312 


14 


31,1 


1758,8 


1610,4 


1681,8 


394,68 


0,8110 


0,037234 


3,9829 


10,1731 


15 


30,7 


1639,3 


1506,6 


1570,2 


365,40 


0,8189 


0,036654 


3,9517 


10,2615 


16 


38,1 


1530,1 


1383,3 


1453,4 


334,89 


0,8286 


0,035923 


3,9121 


10,3808 


17 


39,9 


1405,9 


1268,8 


1333,8 


297,09 


0,8405 


0,033r)56 


3,7810 


10,3267 


18 


40,5 


1290,5 


1163,7 


1224,5 


269,66 


0,8522 


0,032793 


3,7378 


10,5319 


19 


40,1 


1184,2 


1073,3 


1126,1 


236,69 


0,8660 


0,029878 


3,5678 


10,4735 


20 


50,1 


1091,8 


969,8 


1027,9 


214,50 


0,8840 


0,027956 


3,4511 


10,7772 


21 


51,1 


987,2 


891,2 


936,7 


166,42 


0,9067 


0,021373 


3,0176 


10,3751 


22 


50,7 


904,4 
837,8 


828,5 


863,5 


134,98 


0,9319 


0,016575 

1 


2,6573 


10,5484 



Mittel von fi aas all« 
Versuchen |ii= 10,28« 



469 



atmosphärischen Loft durch gut abgemndete Mflndongen. 



470 



1 


2 


3 


4 


6 


6 


7 


8 


9 


10 


\ 


Nr. 


t 


Pi 


Pn 


Pm 


6 

F 


P(i 

Pm 


li, 


k 


^ 










C)d, 7 


»». 6 = 


722,65. 


T, — 273 + 17,8. 


> 




1 


15,2 


3397,7 


3208,0 


3302,9 


1055,62 


0,3769 


0,069363 


5,4361 


11,2234 




2 


15,2 


3241,4 


3071,2 


3156,3 


964,46 


0,3794 


0,063460 


5,1993 


10,7149 




3 


15,0 


3098,6 


2930,6 


3014,6 


930,07 


0,3838 


0,064619 


5,2469 


10,7892 




4 


16,0 


2962,7 


2796,9 


2879,8 


872,58 


6,3879 


0,062836 


5,1634 


10,6768 




5 


20,0 


2826,7 


2628,4 


2727,1 


825,36 


0,3959 


0,062081 


5,1429 


10,6162 




6 


20,4 


2665,9 


2476,9 


2571,0 


768,90 


0,4051 


0,060610 


5,0815 


10,3513 




7 


20,2 


2513,1 


2332,8 


2422,5 


731,33 


0,4168 


0,061648 


5,1249 


10,3983 




8 


20,4 


2369,2 


2196,3 


2281,9 


686,88 


0,4278 


0,061342 


5,1121 


10,3826 




9 


20,8 


2232,7 


2068,9 


2147,2 


645,61 


0,4407 


0,061206 


5,1064 


10,2866 




10 


19,8 


2101,9 


1957,6 


2026,9 


609,17 


0,4541 


0,061237 


5,1078 


10,2689 


• 


11 


20,2 


1984,4 


1846,0 


1913,1 


570,67 


0,4693 


0,060312 


5,0690 


10,1573 




12 


24,4 


1872,1 


1710,1 


1791,3 


537,72 


0,4891 


0,060903 


5,0938 


10,1901 




13 


25,2 


1744,3 


1595,1 


1668,7 


491,73 


0,6118 


0,058761 


5,0030 


10,0088 




14 


30,1 


1623,6 


1458,4 


1537,1 


454,98 


0,6424 


0,069166 


5,0206 


10,0776 




15 


30,6 


1490,2 


1343,5 


1413,6 


409,60 


0,6783 


0,066784 


4,9186 


9,9600 




16 


30,8 


1368,5 


1237,3 


1301,2 


373,67 


0,6171 


0,056823 


4,8767 


10,0326 




17 


41,1 


1258,2 


1105,2 


1178,3 


326,65 


0,6673 


0,061940 


4,7041 


9,9821 




18 


40,8 


1127,4 


997,8 


1059,4 


273,17 


0,7267 


0,044943 


4,3768 


9,8188 


Mittel werth aas Versuch: 


19 


47,7 


1017,6 


895,5 


951,2 


227,69 


0,7930 


0,038763 


4,0638 


10,0302 


1—12: A — 5,1662. 


20 


54,7 


911,7 


806,0 


853,0 


171,76 


0,8710 


0,027432 


3,4187 


10,1989 


13—21: |ii = 9,9951. 


21 


54,7 


820,2 
761,0 


751,9 


780,7 


111,07 


0,9356 


0,013733 


2,4189 


9,8471 










D) F 


reies Aiu 


sströmen. 


6 = 71( 


?,9. r,= 


= 273 + 14;3. 




1 


10,4 


3332,2 


3204,6 


3268,4 


1027,13 


0,2202 


0,066343 


5,3166 


12,8299 




2 


15,2 


3229,4 


3054,8 


3142,1 


963,23 


0,2288 


0,063027 


5,1819 


12,3361 




3 


15,2 


3088,5 


2917,4 


3003,0 


921,46 


0,2394 


0,063103 


5,1850 


12,1609 




4 


15,2 


2953,7 


2794,3 


2873,3 


870,23 


0,2502 


0,061606 


5,1190 


11,8187 




5 


15,8 


2826,4 


2666,7 


2746,6 


827,94 


0,2618 


0,060897 


5,0936 


11,6866 




6 


15,4 


2700,5 


2553,9 


2634,9 


789,39 


0,2728 


0,060179 


5,0635 


11,3684 




7 


16,4 


2583,5 


2432,6 


2508,1 


764,14 


0,2866 


0,062210 


5,1482 


11,3856 




8 


16,2 


2462,9 


2317,3 


2390,1 


713,86 


0,3008 


0,059716 


5,0439 


10,9984 




9 


15,4 


2351,6 


2222,7 


2283,7 


692,96 


0,3148 


0,061728 


5,1282 


11,0418 




10 


14,8 


2248,9 


2128,5 


2187,4 


658,57 


0,3287 


0,060750 


5,0874 


10,8302 




11 


15,6 


2155,1 


2032,9 


2092,1 


629,47 


0,3436 


0,060638 


5,0827 


10,7026 




12 


12,8 


2060,6 


1964,9 


2011,1 


599,86 


0,3576 


0,059666 


5,0419 


10,6200 




13 


15,2 


1986,7 


1876,0 


1929,5 


582,40 


0,3726 


0,061026 


5,0990 


10,6460 




14 


15,4 


1901,6 


1799,0 


1845,6 


556,01 


0,3895 


0,060865 


5,0922 


10,4427 




15 


16,4 


1819,1 


1713,6 


1764,1 


527,75 


0,4075 


0,059967 


5,0545 


10,2866 




16 


16,8 


1735,8 
1653,8 


1630,4 


1681,3 
6 = 


507,17 
= 721,6. 


0,4276 

T, — 2' 


0,060928 

Vd + 13,j 


5,0949 

1. 


10,2983 




17 


19,6 


1690,8 


1574,3 


1631,0 


495,46 


0,4424 


0,061670 


5,1258 


10,3203 




18 


19,6 


1597,5 


1488,6 


1541,9 


457,26 


0,4680 


0,058756 


5,0032 


10,0270 




19 


25,2 


1511,4 


1375,8 


1443,0 


427,08 


0,5001 


0,058294 


4,9835 


9,9670 




20 


25,6 


1408,0 


1297,0 


1349,6 


396,79 


0,5347 


0,057870 


4,9654 


9,9547 




21 


30,5 


1311,4 


1183,5 


1247,0 


357,03 


0,5787 


0,054673 


4,8263 


9,7743 




22 


25,2 


1205,8 


1114,6 


1160,2 


327,15 


0,6220 


0,053237 


4,7625 


9,8218 




23 


30,3 


1126,6 


1025,9 


1075,5 


294,36 


0,6709 


0,050064 


4,6184 


9,8287 


Mittelwerth aus Versuch: 


24 


30,7 


1040,9 


944,1 


992,4 


257,00 


0,7271 


0,044628 


4,3604 


9,7888 


1 — 18: k — 5,1089. 


25 


29,6 


965,1 
901,2 


887,9 


925,3 


224,73 


0,7798 


0,036237 


3,9292 


9,4820 


19—25: 1(4—9,8025. 



30' 



471 



Ffiegner, Vei'suche über das Ausströmen der 



472 



1 

Nr. 





3 
Pt 


4 


5 


6 

G 


7 

Po 


8 


9 

« 


10 


t 


P\ 


P^ 


Pm 


F 


Pm 


t/; 


k 


f* 



P:) d, = 8,ö •"" (Vacuum). 6 = 725,3. T, = 273 + 18,4. 



1 


15,2 


2 


15,8 


3 


15,6 


4 


15,2 


5 


15,4 


(i 


15,4 


7 


15,4 


H 


20,6 


9 


20,4 


10 


20,0 


11 


20,0 


12 


20,0 


13 


30,3 


14 


30,3 


15 


30,3 


16 


30,5 


17 


40,3 


IH 


40,3 


19 


50,7 


20 


50,1 



3342,5 
3192,1 
3049,0 
2912,8 
2783,7 
2660,0 
2543,5 
2429,9 
2287,9 
2155,9 
2033,5 
1918,2 
1809,6 
1657,8 
1518,7 
1392,4 
1276,3 
1139,0 
1016,2 
893,7 
803,5 



. 3155,5 


3249,0 


3014,3 


3102,2 


2880,2 


2963,2 


2752,5 


2831,5 


2629,3 


2705,8 


2511,2 


2583,7 


2403,9 


2470,3 


2257,3 


2340,6 


2122,2 


2203,.i 


2003,3 


2079,0 


1887,8 


1960,6 


1772,7 


1845,4 


1623,0 


1714,1 


1491,3 


1572,8 


1366,2 


1441,5 


1249,5 


1319,4 


1112,1 


1190,1 


992,0 


1062,3 


874,9 


939,8 


790,5 


835,7 



1013,70 
927,85 
894,46 
870,07 
822,86 
775,00 
755,74 
706,16 
662,98 
626,97 
590,60 
556,28 

513,26 

470,:i3 
426,99 
390,01 
349,03 
312,16 
247,61 
184,40 



0,1086 
0,1168 
0,1228 
0,1298 
0,1890 
0,1497 
0,1616 
0,1778 
0,1978 
0,2174 
0,2384 
0,2681 
0,2943 
0,3361 
0,8826 
0,4376 
0,6059 
0,6926 
0,7115 
0,8842 



0,066200 

0,060838 

0,061973 

0,064220 

0,062888 

0,061149 

0,063678 

0,061841 

0,061436 

0,061743 

0,061673 

0,061517 

0,06C679 

0,060613 

0,059448 i 

0,069136 

0,068136 I 

0,058864 

0,046992 

0,033032 j 



5,3107 
5,0911 
5,1874 
5,2307 
5,1762 
5,1041 
5,2084 
5,1329 
5,1160 
5,1288 
5,1218 
5,1194 
5,0846 
5,0817 
5,0326 
5,0194 
4,9767 
4,9861 
4,4744 
3,7614 



17,0688 
15,9404 
15,6834 
15,6638 
14,9623 
14,3062 
14,1500 
13,4218 
12,8434 
12,4842 
12,0200 
11,6267 
11,1668 
10,0757 
10,3647 
10,1179 

9,9542 
10,1478 

9,8759 
10,0870 



Mittelwert-he aus Versuch; 

1 — 16: k= 5,1310. 

17—20: fi= 10,0162. 



das stets offene Häliiichen 6. Die beiden Manometer I 
und II waren dagegen vollständig abgesperrt. Wenn 
nun im Kessel die Temperaturausgleichung nach dem 
Füllen desselben, oder nach einem vorangegangenen 
Versuche eingetreten war, so wurde der Stand des 
Quecksilbermanometers abgelesen und notirt, dann so- 
fort der Stand des Metallmanoraetei*8 Nr. III auf dem- 
selben markirt, und nun rasch mit dem Versuche be- 
gonnen. Der grosse Hahnen musste möglichst plötzlich 
geöffnet werden, und es wurde dieser Zeitpunkt selbst- 
thätig electrisch auf der Schreibuhr notirt. Während 
des Ausströmens markirte ich stets eine Anzahl Stände 
des Manometers III und selbstthätig auf electrischem 
Wege die zugehörigen Zeiten. Um den Druck im 
Augenblicke des Hahnschlusses möglichst genau zu er- 
halten, markirte ich anfangs den letzten Punkt unmit- 
telbar, meist etwa 0,2 Secunden, vor dem Ende des 
Ausströmens. Dann konnte ich den Eiiddruck gra- 
phisch interpoliren. Später habe ich zur Bestimmung 
dieses Druckes den kurzen Zeitraum benutzt, der zwi- 
scheu der Druckabnahme beim Ausströmen und der 
Zunahme bei der Temperaturausgleichung nach dem 
Ende des Ausströmens liegt. In Wirklichkeit ist eine 

m 

solche Ruhe jedenfalls nicht vorhanden, die Trägheit 
des Metallmanometers bewirkt aber, dass dasselbe hin- 



reichend lange still steht, um seinen Stand wälirend 
der Ruhe markiren zu können. Bei starken Tempera- 
tursenkungen dauert diese Ruhe allerdings kaum eine 
Secunde. Nun musste noch die Temperaturausgleichung 
abgewartet und der betreffende Druck am Quecksilber- 
und Metallmanometer notirt werden. Das war dann 
auch gleich der Anfangsdruck für je den nächstfolgenden 
Versuch. 

Auf diese Art sind die beiden Stände des Metall- 
manometers, welche die Pressung unmittelbar vor dem 
Ausströmen und die am Ende der Ausgleichung angeben, 
direct bei ruhendem Drucke mit dem Quecksilber- 
manometer verglichen. Eine Vergleichung auch der 
übrigen markirten Punkte wäre wegen des fortwähren- 
den VoUpumpens der Vorlage Q zu zeitraubend ge- 
wesen. Ich habe mir daher erlaubt, da die dabei ins 
Spiel kommenden Druckiutcrvalle doch nie besonders 
gross waren, die übrigen Punkte des Metallmanometers 
nach den beiden direct verglichenen proportional za 
interpoliren. 

Für die weitere Verwerthung der Versuchsresultate 
ist es noch nöthig, den mittleren constanten in- 
neren Druck zu bestimmen, da alle theoretischen 
Ausiiussformeln , welche hier überhaupt herangezogen 
werden können, constaute Zustände innen und aussen 



473 



atmosphänschen Lnft durch gat abgerundet« Müudungen. 



474 



Yersache über Ausflussmengen. 



U. Reihe. 



(i = 6,90°"". 



Nr. 



Vi 



4 


5 


6 


! 7 

1 


P'i 


Pm 


G 

F 


\ Pm 




. . 







8 



9 



10 









A) dl — 10"". b- 


= 724,4. 


T, — 273 + 18,J 


). 


1 


10,0 


1 3285,0 


2930,8 


3107,9 


991,75 


I 0,5332 


0,068960 j 5,4203 


, 10,8646 


2 


10,4 


3000,3 


2659,8 


2829,6 


902,37 


0,5353 


0,068772 


5,4129 


10,8529 


3 


10,2 


2730,9 
2489,6 


2429,0 


2576,5 


824,09 


0,5426 


0,069240 


5,4313 


10,9022 


4 


11,0 


2337,0 


2061,3 


2197,7 


667,58 


0,5662 


0,062255 


5,1601 


10,3916 


90 




10,4 


2126,2 


1890,0 


2006,0 


632,05 


0,5822 


0,067183 


5,3500 


10,8476 






1937,5 










1 


1 

1 








b 


— 723,6. 


T^ = 273 + 19,6. 




6 


16,4 


1894,3 


1606,4 


1742,9 


535,73 


0,6082 


0,063900 


5,2177 


10,6886 


7 


16,0 


1656,9 


1396,7 


1523,3 


450,03 


0,6367 


0,058847 


5,0071 


10,4109 


8 


15,4 


1449,7 


1227,1 


1337,1 


389,95 


0,6723 


0,067275 


4,9398 


10,5241 


9 ' 


15,8 


1276,9 


1079,7 


1171,6 


328,37 


0,7233 


0,062804 


4,7431 


10,6022 


10 


16,0 


1127,6 


966,0 


1042,7 


270,40 


0,7813 


0,046883 


4,3947 


10,6315 


11 


16,4 


1003,1 


880,8 


938,8 


212,12 


0,8363 


0,034631 


3,8411 


10,3814 


12 


16,4 


903,0 


809,1 


853,9 


162,74 


0,8843 


0,024688 


3,2431 


10,1391 


13 

1 

1 


21,0 


826,2 
762,7 


742,7 


780,9 


105,09 


0,9440 


0,012275 


2,2868 


9,9462 








B) Freies Auss 


trömeu. 


1 1 t 1 

6 — 722,7. T, — 273 + 19,1. 


1 


10,8 


3372,8 


2984,9 3172,3 


982,75 


0,2278 


0,064909 5,2687 


12,5382 


2 


10,8 


3067,9 


2711,9 


2889,1 


885,11 


0,2501 


0,063413 5,1977 


12,0020 


:\ 


10,4 


2793,3 


2468,2 


2629,7 


849,85 


0,2748 


0,070603 


5,4845 


12,2857 






2539,4 














4 


10,4 


2095,4 


1844,5 


1969,9 


625,28 


0,3669 


0,067916 5,3791 


11,1609 


;> 


11,2 


1908,6 


1680,3 1794,2 


552,63 


0,4028 


0,064096 5,2266 


' 10,6546 


« 


11,0 


1730,8 


1522,1 1624,7 


504,45 


0,4448 


0,065069 5,2647 


1 0,5942 


7 


11,8 


1571,4 


1358,3 1461,5 


456,97 


0,4945 


0,066651 5,2887 


10,6780 


8 


11,2 


1416,5 


1246,3 1324,9 


406,87 


0,5455 


0,063671 5,2088 


10,4600 


9 


20,4 


1285,6 


1035,7 1162,6 


341,99 


0,6216 


0,067974 ; 4,9698 


10,2473 


10 


20,8 


1085,2 


885,5 ; 975,1 


269,44 


0,7412 


0,051253 4,6729 


10,6693 


11 


21,6 


924,2 

811,8 


778,9 ' 843,9 


181,16 


0,8564 


0,030955 


3,6316 


10,3556 








C) dl = 12"" ( 


Vacuum). 


1 1 1 

6 — 722,1. T, — 273 + 17,3. 


1 


10,4 


3375,5 
3067,2 


3003,9 j 3159,8 

: 


1038,34 


0,1090 


0,072820 = 5,5699 


17,8730 


2 


11,4 


2918,8 


2620,9 1 2769,8 


844,01 


0,1212 


0,062992 


5,1805 


15,8785 


3 


9,8 


2644,1 


2369,3 i 2501,8 


781,31 


0,1327 


0,065687 


5,2901 


15,5935 


4 


11,0 


2425,5 
2201,9 


2137,7 1 2281,6 


711,99 


0,1457 


0,065386 5,2780 

! 


14,9601 




14,2 


1995,9 


1707,4 , 1846,7 


565,13 


0,1981 


0,062740 5,1701 


12,9716 


1 


10,6 ' 


1766,8 


1570,8 1668,8 


513,50 1 


0,2408 


0,063703 ' 5,2096 


12,1843 


7 


10,4 1 


1611,4 ' 


1431,3 1521,1 


477,91 ! 


0,2837 


0,066388 5,3183 


11,7976 


« i 


10,4 . 


1469,5 


1311,4 1390,4 


432,44 


0,3350 


0,065183 


5,2698 ; 


11,165t» 


'• i 


11,0 i 


1341,1 j 


1192,1 i 1266,6 


386,67 


0,3970 


0,0(J2853 


5,1747 


10,5763 


10 


15,0 . 


1219,6 . 


1033,3 j 1126,3 


350,27 


0,4865 


0,064783 


5,2536 


10,5110 


11 


15,2 


1069,6 ! 


909,3 ; 989,4 


297,48 


0,5905 


0,060576 


5,0801 


10,3309 






940,6 , 


i 


1 













Mitte] von fi aas allen 
Versuchen: |ii = 10,5525. 



Mittelwerthe aus Versuch 
1 — 7: A= 5,2999. 
8 — 11: fi = 10,433(». 



Mittelwerthe aus Versuch 
1 10: A = 5,2715. 
11 : M — 10,3309. 



475 



Fliegner, Versuche über das Ausströmen der 



476 



1 

Nr. 



Versuche über Ausflussmengen. 



m. Reihe. 



2 






Pa 



'Wl 



6 
F 



E9. 

Ptn 



8 



^ 



9 



10 



d = 9,«8 ""*. 



2 
3 
4 
5 
6 
7 
8 
9 







a: 


) dl = 15™. b = 


= 719,2. 


T, = 273 + 17,3 


• 


10,8 


3340,8 


2602,6 , 2969,9 


909,66 0,4579 


0,061964 i 5,1380 


10,3127 




2772,7 
















10,4 


2649,9 


2091,7 


2370,3 


723,83 


0,4931 


0,061690 


5,1267 


10,2543 


10,6 


2214,9 


1741,9 


1977,0 


603,31 


0,5268 


0,061680 


5,1262 


10,2661 


10,4 


1845,1 


1455,3 


1648,8 


507,33 


0,5698 


0,062738 


5,1700 


10,4423 


12,6 


1540,0 


1175,2 


1352,1 


402,69 


0,6410 


0,058709 


5,0012 


10,4256 


10,6 


1246,6 


1004,0 


1121,7 


309,98 


0,7200 


0,050742 


4,6495 


10,3558 


11,0 


1056,6 


871,8 


961,0 


232,84 


0,8030 


0,039181 


4,0857 


10,2724 


10,4 


908,0 


781,7 


840,6 


163,28 


0,8890 


0,025221 


3,2780 


10,4350 


10,8 


810,3 
749,9 


733,3 


762,4 


96,72 


0,9580 


0,010845 


2,1495 


10,7160 



Mittelwerthe aus Versuch: 
1 — 2: k= 5,1323. 
3—9: ft = 10,4161. 



1 
2 
3 
4 
5 
6 
7 
8 
9 







B) Freies Ausströmen. 


6 = 717,2. T, 


— 273 + 16,9. 


9,4 


3360,3 


2706,0 


3033,1 


934,38 


0,2365 


0,062911 


5,1771 


12,1834 


9,2 


2853,1 


2295,0 


2573,3 


800,73 


0,2787 


0,064085 


5,2252 


11,6541 


9,2 


2427,7 


1956,1 


2189,7 


676,50 


0,3275 


0,063186 


5,1884 


11,0556 


9,8 


2068,3 


1654,3 


1860,8 


564,40 


0,3854 


0,060907 


5,0940 


10,4666 


9,8 


1748,9 


1393,8 


1571,1 


482,58 


0,4565 


0,062416 


5,1567 


10,3527 


9,4 


1475,8 


1195,0 


1335,4 


402,35 


0,6371 


0,060238 


5,0659 


10,1599 


10,8 


1257,4 


993,0 


1122,4 


334,79 


0,6390 


0,058986 


5,0109 


10,4330 


10,0 


1048,6 


861,5 


955,0 


250,06 


0,7510 


0,045552 


4,4053 


10,1873 


11,6 


904,2 


764,2 


827,5 


165,26 0,8667 


0,026638 


3,3688 


9,9112 




793,5 

















Mittelwerthe ans Versuch: 
1 — 5: X= 5,1683. 
6-9: j* = 10,1728. 



C) d^ = 15™»» (Vacuum). b = 717,o. T^ = 273 + 16,9. 



1 
2 
3 
4 
5 
6 
7 



9,4 


3363,2 


2682,6 


3010,3 


9,* 


2840,8 


2283,6 


2562,0 


9,6 


2410,8 


1926,3 


2168,3 


10,0 


2039,1 


1618,0 


1824,9 


11,0 


1714,0 


1325,5 


1518,0 


10,8 


1410,8 


1105,4 


1254,9 


10,6 


1175,6 
978,8 


924,7 


1043,4 



962,89 
792,18 
670,50 
562,98 
478,11 
376,32 
.321,51 



0,1760 
0,1776 
0,1902 
0,2287 
0,3002 
0,4106 
0,5610 



voraussetzen müssen. Bei den älteren Versuchen konnte 
ich den mittleren Druck nur als arithmetisches Mittel 
berechnen, hier war ich dagegen im Stande, genauer 
vorzugehen. Ich habe nämlich für jeden Versuch die 
am Metallmanometer notirten Zwischenpressungen als 
Function der zugehörigen Zeiten graphisch aufgetragen, 
durch diese Punktreihe eine continuirlich verlaufende 
Curve gelegt imd die so erhaltene Fläche in ein Recht- 
eck verwandelt; die Höhe desselben war der mittlere 
constante Druck. Die Ausmessung der Fläche habe 
ich schliesslich so vorgenommen, dass ich die Curve 



0,067611 


5,3670 


14,1250 


0,063840 


5,1947 


13,5925 


0,063267 


5,1917 


13,2287 


0,062946 


5,1786 


12,3300 


0,065472 


5,2814 


11,5228 


0,059365 


5,0291 


10,2229 


0,062823 


5,1735 


10,4248 



Mittelwerthe ans Versuch: 

1 — 6: k= 5,2071. 
7: fi = 10,4248. 



auf Millimeterpapier gezeichnet und die Anzaiil der von 
ihr abgeschnittenen Quadrat-Millimeter abgezahlt habe. 
Dabei rechnete ich Quadrate, die mehr als zur Hälfte 
abgeschnitten wurden, voll mit, die anderen dagegen 
liess ich ganz fort. Es ist diese Methode mindestens 
ebenso genau, sie führt aber schneller zum Ziele» als 
ein Ausmessen mittelst des Planimeters, das ich audi 
vorher versucht hatte. Gelegentlich war ich übrigens 
nicht im Stande, die Punkte anders » als durch eine 
Gerade zu verbinden, dann ist natürlich als mittlerei 
Druck einfach das arithmetische Mittel aus An&ngs- 



i 



477 



atmosphärischen Luft durch gut abgerundete Mündungen. 



478 



\md Enddruck genouimen worden, nur wo an der zweiten 
Decimalstellc eine 5 hätte stehen sollen, ist dieselbe 
weggelassen. . 

Bei der angegebenen genaueren Bestimmung des 
mittleren constanten Druckes konnte ich natürlich län- 
gere Ausflusszeiten anwenden, und habe das auch ge- 
than, namentlich bei den Versuchen mit kleineren 
Mündungen und bei den geringeren Pressungen. 

Die auf diese Art gefundenen Werthe sind in den 
ersten Columnen der Tabellen enthalten, und zwar in : 

1) Die Nummer des Versuches, 

2) die Ausflusszeit t in Secunden, 

3) der Druck p^ (absolut und in Millimetern Queck- 

silbersäule) beim Beginne des Ausströmens, und 
je in der nächsten Zeile der Druck p^ nach 
erfolgter Temperaturausgleichung, der also 
gleichzeitig Anfangsdruck (p^) des nächsten 
Versuches ist, 



4) der Druck p^ am Ende des Ausströmens, 

5) der mittlere constante innere Druck pm» 

Mit den bis jetzt entwickelten Grössen lässt sich 
nun leicht das bei jedem Versuche ausgeströmte Luft- 
gewicht Ge berechnen, wie es bei den früheren Ver- 
suchen auch geschehen ist. Bezeichnet V das Volumen 
des Luftkessels (=0,8i853i^^°'), v^ und v^ die specifi- 
schen Volumina am Anfang des Ausströmens und nach 
erfolgter Temperaturausgleichung, entsprechend p^ und 
l>i, so folgt sofort 

Bei den beiden Zuständen der Luft ist aber die 
Temperatur dieselbe, nämlich die äussere Temperatur 
7;^; es besteht also auch die Beziehung: 



Pi ^i ^^Pl ^\^ R ^s» 



IV. Reihe. 





Versuche über Ausflussmengen. 












d = 4,016"". 




1 

Nr. 


2 

t 


1 1 

P:\ 
Pi 


5 
Pm 


6 



F 


i 

7 

Pm 

i 


8 


' 9 

1 

1 


10 


• 





A) d, = 6»". 6 = 705,3. Tj, = 273 + 14,6. 



1 

2 

3 

4 

5 

6 

7 

8 

9 

10 

11 

12 

13 

14 

15 

16 

17 

18 

19 

20 

21 

22 

23 

24 

25 

26 



10,0 
15,0 
15,0 
14,8 
14,8 
14,8 

15,2 
14,8 

14,6 
19,4 
19,6 
20,2 
19,8 
20,0 
24,2 
24,6 
24,8 
30,8 
30,7 
30,1 
38,7 
39,3 
40,1 
49,9 
49,7 
49,7 



3329,6 
3233,0 
3098,0 
2966,2 
2841,6 
2721,9 
2608,7 
2498,0 
2393,7 
2295,4 
2171,5 
2054,1 
1940,7 
1835,4 
1736,4 
1622,7 
1516,4 
1416,5 
1306,4 
1205,8 
1117,5 
1019,1 
933,8 
861,8 
793,2 
746,1 
717,7 



3210,4 

3064,9 

2934,5 

2799,9 

2692,5 

2582,5 

2472,4 

2369,3 

2269,4 

2144,1 

2022,7 

1910,3 

1802,9 

1710,5 

1592,5 

1487,3 

1391,6 

1278,2 

1182,2 

1098,8 

998,9 

917,6 

846,2 

781,9 

738,0 

714,5 



3269,5 
3148,7 
3015,7 
2882,2 
2764,0 
2650,5 
2539,6 
2432,2 
2330,3 
2218,8 
2095,0 
1980,8 
1871,6 
1772,5 
1663,6 
1553,0 
1452,1 
1345,4 
1241,2 
1150,7 
1055,7 
965,1 
887,0 
817,5 
762,4 
726,9 



1008,71 
939,79 

917,55 

879,12 
844,56 
798,72 
760,50 
735,85 
703,07 
666,94 
625,48 
586,22 
555,31 
516,88 
490,57 
451,20 
420,61 
379,47 
342,19 
306,37 
265,54 
226,59 

187,54 

143,58 

98,99 

59,62 



0,6770 
0,6763 
0,6758 
0,6754 
0,6752 
0,6750 
0,6749 
0,6749 
0,6750 
0,6751 
0,6752 
0,6760 
0,6774 
0,6817 
0,6886 
0,6991 
0,7103 
0,7284 
0,7483 
0,7707 
0,7994 
0,8340 
0,8736 
0,9100 
0,9478 
0,9780 



0,064031 
0,059815 
0,062158 
0,062343 
0,062686 
0,060994 
0,060225 
0,061475 
0,061100 
0,060607 
0,059712 
0,058663 
0,058901 
0,056976 
0,058154 
0,056435 
0,056140 
0,053122 
0,050806 
0,047453 
0,042286 
0,03<}888 
0,029904 
0,020675 
0,011316 
0,004531 



5,2230 

5,0481 

5,1460 

5,1537 

5,1679 

5,0976 

5,0654 

5,1177 

5,1021 

5,0815 

5,0438 

4,9993 

5,0094 

4,9269 

4,9775 

4,9034 

4,8906 

4,7573 

4,6525 

4,4963 

4,2444 

3,9643 

3,5694 

2,9679 

2,1957 

1,3894 



11,1692 
10,7892 
10,9940 
11,0069 
11,0354 
10,8837 
10,8138 
10,9256 
10,8982 
10,8500 
10,7704 
10,6822 
10,7159 
10,5769 
10,7491 
10,6910 
10,7811 
10,6958 
10,7202 
10,6957 
10,5992 
10,6545 
10,7404 
10,3706 
9,8716 
9,4722 



Mittel von ^ aus allen 
Versuchen: |[i = 10,6980. 



479 



Fliegner, Versuche Über das Ausströmeu der 



480 



1 


2 


3 


4 


l 


Nr. 


t 


Pt 


V^ 


P^ 






fx 


• 






B) dy = 14»™ (Vacuiim). h = 710,9. T, =^ 273 + 14,6. 



1 


10,0 1 


3354,5 


3229,7 i 


3291,3 


1151,76 


0,1609 


0,082481 


5,9279 


16,1831 


Die Ausgleichimg dauerte 


2 


10,2 1 


3244,2 


3120,6 


3181,9 


1092,35 


0,1697 


0,079344 


5,8141 


15,4890 


bei allen Ver»achen dieser 


3 


10,2 


3137,5 


3017,9 


3076,4 


1053,40 


0,1804 


0,078930 


5,7989 


15,0809 


Reihe erheblich kürzere 


4 


10,0 


3034,6 


2923,4 


2976,7 


1014,97 


0,1899 


0,078296 


5,7756 


14,7252 


Zeit als sonst. 


5 


15,2 


2937,4 


2778,5 


2857,2 


941,88 


0,1997 


0,073073 


5,5796 


13,9568 




6 


14,8 


2800,3 


2646,7 


2723,2 


887,58 


0,2152 


0,071340 


5,5130 


13,4150 




7 


14,6 


2674,5 


2531,5 


2602,8 


865,44 


0,2279 


0,074311 


5,6267 


13,4132 




8 


14,4 


2553,5 


2414,9 


2483,4 


830,98 


0,Ü412 


0,075212 


5,6607 


13,2317 




9 


15,2 : 


2438,9 


2301,1 


2369,7 


779,71 


0,2546 


0,072701 


5,5654 


12,7753 




10 


14,8 


2325,4 


2192,2 


2258,8 


734,50 


0,'2689 


0,070911 


5,4964 


12,3965 




11 


15,0 


2221,3 
2122,0 


2095,2 


2157.8 


691,-27 


0,2839 


0,068843 


5,4157 


12.0112 




12 


19,8 


2119,0 


1959,6 


2038,3 


659,21 


0,3040 


0,069998 


5,4610 


11,8721 




13 


20,0 


1994,0 


1848,2 


1918,8 


606,69 


0,3253 


0,066954 


5,3409 


11.4003 




14 


19,4 


1877,8 


1746,9 


1810,8 


569,51 


0,3459 


0,066300 


5,3147 


11,1734 




15 


20,0 


1772,0 


1642,5 


1706.6 


540,90 


0,3676 


0,067286 


5,3541 


11,1046 




16 


19,6 


1668,4 


1549,1 


1608,3 


505,61 


0,3931 


0,066199 


5,3107 


10,8728 




17 


19,8 


1573,5 


1463,0 


1517,8 


475,74 


0,4200 


0,065867 


5,2973 


10,7330 




18 


24.8 


1483,3 


1352,1 


1415,5 


442,54 


0,4545 


0,065357 


5,2768 


10,5976 




19 


24,8 


1378,2 


1257,6 


1326,3 


407,14 


0,4885 


0,063019 


5,1815 


10,3658 




20 


29,6 


1281,5 


1148,5 


1212,7 


378,53 


0,5380 


0,065051 


5,2644 


10,5594 




21 


,29,8 


1174,2 


1056,0 


1113,8 


337,80 


0,5925 


0,061465 


5,1173 


10,4143 




22 


39,9 


1077,8 


944,8 


1007,4 


292,27 


0,6764 


0,056194 


4,8929 


10,4584 




23 


40,1 


966,1 


857,7 


908,0 


242,15 


0,7590 


0,047587 


4,5027 


10,5279 




24 


39,9 


873,1 


788,2 


827.0 


188,48 


0,8485 


0,034 781 


3,8495 


10,7366 


Mittelwerthe ans Versuch: 


25 


40,7 


801,1 


1 740,5 


767.5 


129,80 


0,9585 


0,019179 


2,8585 


14,3324 


1—19: k — 5,5111. 


26 


39,7 


750,5 
722,7 


( 720,4 


733.3 

t 


73,09 


0,9844 


0,006696 


1,6890 


13,6295 


20—24: f* — 10,.'i393. 

(25 und 26 als zu stark ab- 
weichend fortgelassen.) 


minirl 


t man da 


.mit die 


beiden i\ 


so wird 




nicl 


it der E 


^iTLck au 


und fii 


r äic.Ii, sondern uur der 



V 

Bezeichnet F den Mündungsquerschnitt in Quadrat- 
metern, t die Ausflusszeit in Secunden, so ist in jeder 
Secunde im Mittel pro Flächeneinheit des Mündungs- 
querschnittes ein Luftgewicht 



F RT.F t 



(2) 



ausgeströmt. Dieser Werth ist in der H. Columne der 
Tabellen angegeben. 

Es fehlt noch die Bestimmung des bei der jedej?- 
maligen Combination von Mündungen dem inneren mitt- 
leren Constanten Drucke />,„ entsprechenden niittleren 
äusseren Druckes p^,, Diese kann nun leicht mit Hilfe 
je der zugehörigen Versuche über Pressungen vorge- 
nommen werden. Dji aber für die \veiteren Rechnungen 



Quotient p^^ipm wichtig ist, so habe ich gleich diesen 
in Function von p,„ graphisch interpolirt und in Co- 
lumne 7 der Tabellen aufgenommen. Die genaue Ein- 
zeichnung und nachherige Benutzung einer continuir- 
lichen Curve bot allerdings namentlich bei den kleineren 
Weithen von j>,„ manchmal Schwierigkeiten, da die 
Curve dort ziemlioh steil ansteigt und sich verhältniss- 
massig nur wenige Punkte direct bestimmen lassen. Die 
weiteren mit diesen Werthen des Quotienten noch zu 
berechnenden Grössen werden daher auch Abweichungen 
erwarten lassen. Ich hätte allerdings "rückwärts aus 
der Art dieser Abweichungen eine Correctur der Curve 
herleiten können, habe es aber unterlassen, da ich ein 
solches Vorgehen jedenfalls für willkürlicher halte, als 
eine möglichst sorgfältige graphische Interpolation di- 
rect aus den gegebenen Punkten. Eine Veit)ffentlichuug 
dieser, sowie anderer bei der Untersuchung benutzter 
Curven muss ich unterlassen; in kleinem Massstabe 



481 



atmosphärischen Luft durch gut abgerundete Mündungen. 



482 



gezeichnet, haben sie keinen Werth und die Grösse, in 
der ich sie benutzt habe, übersteigt das in dieser Zeit- 
schrift verfügbare Format. 

Nach diesen Vorbereitungen konnte ich nun zu 
einer Vergleichung der Versuchsresultate mit den theo-* 



retischen Formeln übergehen. Für das in einer Secunde 
ausgeströmte Luftgewicht findet man bekanntlich den 
Ausdruck : 



Versuche über Ausflussmengen. 



V. Reihe. 



1 

Nr. 



2 

t 



Pl 



d==7,oo"*". 




A) dl =4™«». 6 = 730,4. 



1 


13,4 


3233,9 


3057,5 


3150,7 


346,62 


0,9720 


2 


15,2 


3098,5 


2916,3 


3004,2 


326,34 


0,9723 


3 


14,8 

1 ' 


2953,9 


2792,2 


2873,0 


307,13 


0,9726 


4 


! 19,2 


2821,4 


2620,3 


2723,3 


288,20 


0,9729 


5 


19,8 


' 2660,1 


2462,6 


2561,3 


269,78 


0,9732 


6 


20,0 


2504,4 


2321,4 


2412,2 


251,97 


0,9736 


7 


19,8 


2357,5 


2186,6 


2269,2 


237,70 


0,973'J 


8 


19,8 


2220,3 


2053,0 


2136,2 


221,95 


0,9742 


9 


19,6 


2092,2 


1940,7 


2015,1 


208,64 


0,9744 


10 


20,2 


1973,0 


1827,6 


1898,9 


194,78 


0,9747 


11 


20,0 


1858,3 


1720,7 


1788,3 


183,53 


0,9750 


12 


20,0 


1751,3 


1619,9 


1684,7 


171,70 


0,9753 


13 


24,2 


1651,2 


1506,5 


1578,2 


162,02 


0,9758 


14 


24,4 


1536,9 


1402,8 


1469,4 


150,87 


0,9762 


15 


25,2 


1429,6 


1300,9* 


1364,4 


136,81 


0,9771 


16 


29,6 


1329,1 


1195,2 


1260,7 


126,69 


0,9787 


17 


29,6 


1219,8 


1097,4 


1157,5 


113,24 


0,9803 


18 


40,3 


1122,1 


988,4 


1050,7 


96,71 


0,9828 


19 


39,9 


1008,5 


899,8 


950,4 


79,45 


0,9862 


20 


40,1 


916,1 


833,8 


871,7 


61,68 


0,9897 


21 


50,1 


844,0 
780,9 


769,9 


801,6 


43,19 


0,9937 



T, = 273 + 15,0 


. 


0,008127 


1,8608 


11,2796 


0,007926 


1,8376 


11,1972 


0,007685 


1,8095 


1 11,0844 


0,007514 


1,7892 


11,0191 


0,007437 


1,7800 


11,0219 


0,007319 


1,7659 


11,0147 


0,007361 


1,7709 


ll,lü76 


0,007236 


1,7558 


11,0748 


0,007187 


1,7499 


11,0795 


0,007054 


1,7335 


11,0393 


0,007058 


1,7340 


11,1067 


0,006955 


1,7214 


11,0907 


0,007054 


1,7336 


11,2811 


0,007060 


1,7343 


11,3778 


0,006724 


1,6926 


11,3153 


0,006758 


1,6968 


11,7520 


0,006399 


1,6511 


11,8812 


0,005670 


1,5542 


11,9541 


0,004682 


1,4123 


12,1065 


0,003364 


1,1972 


11,8572 


0,001949 


0,9112 


11,5160 



Mittel von ^ aus allen 
Versuchen: (t = 11,3408. 



B) d, = 10™". b = 726,3. T, = 273 + 15,3. 



1 


9,8 


3349,1 


2984,5 


3166,8 


1010,26 


0,4658 


2 


10,0 


3060,2 


2718,6 


2889,4 


897,52 


0,4660 


3 


10,0 


2798,3 


2486,5 


2642,2 


828,98 


0,4664 


4 


10,2 


2556,4 


2262,3 , 


2409,3 


758,62 


0,4702 


5 


10,2 


2330,6 


2065,3 


2197,0 


686,07 


0,4805 


6 


10,6 


2126,4 


1869,8 


1997,9 


631,72 


0,4973 


7 


10,6 


1931,0 


1706,2 


1818,4 


561,23 


0,5188 


8 


10,6 


1757,4 


1551,5 


1654,2 


506,91 


0,5468 


9 


10,8 


1600,6 


1416,0 


1508,1 


458,18 


0,5802 


10 


10,2 


1456,2 


1293,2 


1374,7 


416,96 


0,6151 


11 


11,0 


1332,1 


1178,4 


1255,2 


372,80 


0,6544 


12 


10,2 


1212,6 


1083,4 


1147,6 


333,61 


0,6956 


13 


10,2 


1113,3 


998,1 


1053,8 


291,29 


0,7382 


14 


14,6 


1026,6 


900,4 


960,6 


238,96 


0,7897 


15 


20,2 


924,8 


797,7 


857,6 


172,38 


0,8726 


16 


19,6 


823,2 
761,4 


744,2 


777,7 


108,05 


0,9470 



0,068019 


5,3832 


10,7917 


0,064363 


5,2365 


10,4974 


0,065701 


5,2907 


10,6053 


0,066108 


5,3070 


10,6329 


0,065041 


5,2640 


10,5361 


0,066582 


5,3260 


10,6522 


0,063522 


5,2022 


10,4118 


0,062570 


5,1631 


10,3717 


0,061598 


5,1228 


10,3801 


0,061345 


5,1123 


10,5067 


0,058693 


5,0006 


10,6150 


0,056418 


4,9027 


10,6542 


0,050987 


4,6607 


10,6019 


0,041323 


4,1959 


10,2957 


0,026917 


3,3864 


10,1564 


0,012915 


2,8457 


10,4702 



Civülngenlear X.KIII. 



Mittelwerthe aus Versuch 
1 — 6: il= 5,3022. 
7 — 16: ft= 10,4346. 

81 



483 



Fliegner, Versuche über das Ausströmeu der 



4? 





1 


2 


3 


4 


5 


6 


7 


8 


9 


10 




N, 


' Nr. 


i 


Pi 


Pi 


Pm 


G 

F 




t/' 


k 


f* 





C) dl = 14™» 6 = 718,6. Tg = 273 + 14,8. 



2 

3 

4 

5 

6 

7 

8 

9 

10 

11 

12 

13 

14 

15 

16 



9,8 

10,0 

10,0 

9,8 

10,2 

10,0 

10,0 

9,8 

9,8 

10,0 

9,8 
10,2 

10,0 
14,0 
20,2 
20,0 



3369,0 

3083,4 

2817,6 

2576,3 

2353,7 

2154,9 

1969,4 

1802,2 

1 648,3 

1509,6 

1384,2 

1267,9 

1162,9 

1065,7 

982,5 

887,2 

791,2 

738,5 



3014,4 3191,0 



2500,1 

2282,9 

2094,6 

1900,9 

1751,8 

1599,7 

1473,0 

1345,4 

1232,7 

1135,9 

1036,0 

955,1 

860,7 

769,0 

728,5 



I 



2657,6 
2428,4 
2223,9 
2027,7 
1860,6 
1700,9 
1555,5 
1426,6 
1306,9 
1197,8 
1099,2 
1010,4 
919,0 
821,7 
754,4 



1000,45 


0,2580 


0,065638 


828,36 


0,2937 


0,064659 


764,16 


0,3143 


0,065885 


696,40 


0,3365 


0,065315 


624,31 


0,3646 


0,062924 


573,98 


0,3969 


0,063389 


528,32 


0,4323 


0,064214 


485,86 


0,4686 


0,065107 


439,27 


0,5083 


0,063149 


399,25 


0,5525 


0,062169 


367,80 


0,6000 


0,062954 


327,12 


0,6547 


0,058994 


285,62 


0,7243 


0,053227 


233,68 


0,7920 


0,043025 


163,13 


0,8864 


0,026259 


90,46 


0,9700 


0,009647 ; 



5,2881 

5,2485 
5,2981 
5,2751 
5,1776 
5,1967 
5,2304 
5,2667 
5,1869 
5,1465 
5,1789 
5,0183 
4,7620 
4,2814 
3,3448 
2,0273 



12,0862 

11,5237 
11,4125 
11,1639 
10,7572 
10,6217 
10,5581 
10,5542 
10,3753 
10,3502 
10,5714 
10,5411 
10,6564 
10,5484 
10,5405 
11,8844 



Mittelwerthe aus Versuc 

1 — 8: k= 5,2476. 
9 — 16: |i4 = 10,6838. 



D) d, = 14°»'" (Vacium). b - 719,3. T, = 273 + 14,5. 



1 


10,0 


2 


9,8 


3 


9,8 


4 


10,0 


5 


9,8 ; 


6 


10,0 


7 


10,0 


8 


10,2 


9 


10,0 


10 


10,2 


11 


10,0 ' 


12 


10,0 


13 


10,2 


14 


15,2 


15 


15,0 1 


16 


20,0 



3374,0 
3086,2 
2828,4 
2591,4 
2370,9 
2173,0 
1990,2 
1821,8 
1666,1 
1524,7 
1394,6 
1277,5 
1165,9 
1066,4 
938,4 
840,3 
757,3 



3015,6 


3194,0 


2764,5 


2921,2 


2519,7 


2673,3 


2299,9 


2441,4 


2109,4 


2239,9 


1932,7 


2052,8 


1770,8 


1877,8 


1617,6 


1719,5 


1480,2 


1573,1 


1356,0 


1440,3 


1240,4 


1316,4 


1134,3 


1204,1 


1035,3 


1099,3 


905,3 


981,9 


821,8 


877,6 


746,2 


785,4 



989,02 
904,00 
831,08 
757,74 
693,96 
628,19 
578,70 
524,58 
485,92 
438,32 
402,41 
383,51 
335,23 
289,39 
224,75 
142,61 



0,1400 
0,1667 
0,1927 
0,2205 
0,2471 
0,2734 
0,3011 
0,3334 
0,3700 
0,4130 
0,4694 
0,5080 
0,5698 
0,6590 
0,7715 
0,8995 



worin ausser den schon bekannten Grössen bedeutet: 
p den mittleren constanten Druck in der Mündungs- 
ebene, 
X den Exponenten der adiabatischen Curve der per- 
manenten Gase, 
n den Exponenten der Curve ^t;" = Con8t., nach der 
sich auf Grund der Zeun er 'sehen Annahmen*) 
der Zustand der Luft auf ihrem Wege aus dem 



*) Civiling. 1871. „Neue Darstellmig der Vorgänge beim 
AiLBBtrömen der Gase und Dämpfe aus Gefässmündungen.'^ 



0,063970 
0,063895 
0,064317 
0,064032 
0,063826 
0,062281 
0,063194 
0,062312 
0,063448 
0,061633 
0,002144 
0,067529 
0,061839 
0,057583 
0,043771 
0,022086 



5,2205 
5,2175 
5,2347 
5,2230 
5,2146 
5,1511 
5,1887 
5,1524 
5,1992 
5,1242 
5,1455 
5,3638 
5,1326 
4,9530 
4,3183 
3,0675 



15,0452 
14,0326 
13,2719 
12,5963 
12,0898 
11,6573 
11,3110 
10,9293 
10,7687 
10,4073 
10,3250 
10,7289 
10,3668 
10,4485 
10,2851 
10,2022 



Mittelwerthe aus Yersud 
1 — 11: 1= 5,1883. 
12—16: |ii = 10,4063. 



Inneren des Gefässes nach der Mündungseben 
ändert, und zwar unter Berücksichtigung de 
„Widerstände", 

T^n die mittlere constante Temperatur im Innere 
während des ganzen Versuches. 

Die letzte Grösse sollte eigentlich auch experimen 
teil bestimmt werden; es fehlen mir aber noch di 
Mittel, bei sich rasch ändernder Temperatur eine An 
zahl von Werthen derselben zu beobachten. Eine ge 
naue Berechnung der mittleren Temperatur istaud 
nicht möglich, und die Aufstellung irgend einer üj- 



485 



atmospb arischen Luft durch gut abgerundete Mündungen. 



486 



poihese ist mir von vornherein zu unsicher. Nun sind 
aber die Aenderungen der Temperatur im Ganzen nicht 
gross, im Maximum ein Mal etwa 18^ Gels., bei anderen 
Versuchen ist das Maximum nur etwa 15^, bei lang- 
samerem Ausströmen sogar noch viel kleiner. Es wird 
daher als hinreichend genau erklärt werden können, 
wenn ich Tm einfach gleich dem arithmetischen Mittel 
aus der Temperatur T.^ beim Anfange und derjenigen 
T3 am Ende des AusstrÖmens setze, und das um so 
mehr, als der numerische Werth der absoluten Tem- 
peratur schon an und für sich gross ist, und derselbe 
noch unter der Quadratwurzel auftritt. Dann ist in 
Folge des constanten Volumens während der Ausgleichung 

p^v^ = ETj und |»3«'i = ^^37 
folglich durch Division 

fp ___ _£_3_ yr 

» *. ^' 

Pl 

und die mittlere constante innere Temperatur 
angenähert 



r«= 



T,+ T,_ 1 p, +p. 



-*2* 



(4) 



2 2 |>, 

Setzt man noch die Function der Pressungen in 
Gl. (3) 

(^)!_(-^)^' = ^, .... (5) 

80 schreibt sich 61. (3) auch 









(6) 



In diesem Ausdrucke sind jetzt sämmtliche Grössen 
experimentell bestimmt oder anderweitig bekannte 
Constanten, mit einziger Ausnahme von xp^ und es lässt 
sich also xp für jeden Versuch berechnen zu 

^ y^ ^g ^ Pi ^Fp„,>' 

oder, wenn man die Constanten einsetzt, und zwar 
x = l,4i, dem noch allgemein angenommenen, wenn 
auch wahrscheinlich etwas zu grossen Werthe, 
U = 29,269, entsprechend dem specifischen Gewichte des 
Quecksilbers von 13,596, flf = 9,80773. für Zürich, und 
gleich so umformt, dass man pm in Millimetern Queck- 
silbersäule einfuhren kann: 

1/; = 0,00117860 r /^ ^^' (-^j ... (7) 

Nach dieser Formel sind die in der 8. Golumne 
der Tabellen enthaltenen Werthe von ifj berechnet. 

Die Function xp ist nach Gl. (5) abhängig von dem 
Pressungsverhältnisse p :pm und von dem Ausflussexpo- 



nenten n. Die Pressungen sind aus den zugehörigen 
Druckversuchen als bekannt anzusehen, und man könnte 
daher den Exponenten n berechnen. Da aber der Aus- 
druck für n transcendent ist, so würde eine solche nur 
auf dem Wege des Probirens ausführbare Berechnung 
für jeden Versuch ungemein zeitraubend sein. Und 
dieses Vorgehen würde noch um so schwülstiger sein, 
als man, wie schon hervorgehoben, die Druckcurve aus 
den betreffenden Versuchen allein gar nicht genügend 
genau bestimmen kann, sondern dazu vielmehr auch 
die Ausfiussversuche, also die Werthe von ip^ mit her- 
anziehen muss. 

Ich habe daher einen anderen, theils graphischen, 
theils rechnenden Weg eingeschlagen. 

Zunächst habe ich im Anschlüsse an die Zeuner'- 
schen Entwickelungen den Ausflussexponenten n als 
eine absolut constante Grösse für alle gut abgerundeten 
kreisförmigen Mündungen und alle Pressungen ange- 
sehen. Dann erscheint ip als Function des Quotienten 
p : pm allein. Bei den praktischen Anwendungen des 
Ausflusses ist aber p nicht direct gegeben. Dagegen 
ist oben nachgewiesen worden, dass der Quotient jp:jpm 
eine ganz bestimmte Function des anderen Quotienten 
p^,:p,n ist, und die in diesem auftretenden Pressungen 
sind nun beide als stets bekannt anzusehen. Es wird 
also bequemer sein, xp auch als Function dieses letz- 
teren Quotienten aufzufassen. Da dieser Quotient fiir 
jeden einzelnen Versuch bekannt ist (Golumne 7), so 
konnte ich ip als Function von Po^Pm graphisch auf- 
tragen. 

Die unvermeidlichen Beobachtungsfehler lassen 

natürlich erwarten, dass die Curven ip==fl — j gegen- 

^ Pm 

seitige Abweichungen zeigen werden, und es soll zu- 
nächst die Art derselben kurz besprochen werden. 

In dieser Richtung ist zuerst hervorzuheben, dass 
es trotz aller Mühe unmöglich war, den Luftkessel 
vollkommen dicht herzustellen. Es sind also, nament- 
lich bei höheren Pressungen, Luftverluste zu erwarten. 
Der nach Gl. 2 berechnete Werth von O : F giebt nun 
nicht nur das während des eigentlichen Versuches 
durch die Mündung ausgeströmte, sondern auch das 
während des AusstrÖmens und besonders während der 
Ausgleichung durch die Undichtheiten verlorene Luft- 
gewicht. Den letzten Verlust könnte man für die 
Beobachtung nur dann beseitigen, wenn man im Stande 
wäre, T3 direct zu bestimmen; der erstere geht gar 
nicht zu vermeiden. Es ist also zu erwarten, dass 
sich namentlich bei den höheren Pressungen, also bei 
den Anfängen der einzelnen Reihen, 0:F zu gross 
ergeben wird. Dann muss aber auch nach Gl. (7) xp 

31* 



487 



Fliegner, Versuche über das Ausströmen der 



48Ä. 



erst recht zu gross werden. Namentlich stark zeigt 
sich dieses Verhalten bei der Reihe IV, B. Es war mir 
aber schon wahrend dieser Versuche aufgefallen ^ dass 
die Ausgleichung wesentlich schneller vollendet war, 
als sonst. Es muss also da eine grössere nicht ent- 
deckte Undichtheit vorhanden gewesen sein. 

Das bedeutend grössere i/' für je den ersten 
Versuch einzelner Reihen erkläre ich mir dagegen 
daraus, dass ich die Temperatursenkung nach dem 
Vollpumpen vielleicht nicht genügend abgewartet hatte. 
Diese Temperaturausgleichung erforderte bedeutend mehr 
Zeit, als die Erwärmung nach einem Ausflussversuche. 
Fängt man aber zu früh an zu beobachten, so wird^jj 
zu gross, und damit auch das nach Gl. (2) berechnete 
ausgeströmte Gewicht (?, sowie endlich xp. 

Eine zweite Abweichung, aber im entgegengesetzten 
Sinne, ist zu erwarten durch die Trägheit des Mano- 
meters Nr. ni, welche nun hier von bedeutendem Ein- 
flüsse werden kann. Es wird nämlich dadurch die 
Curve, welche zur Bestinmiung von p^ dient, zu hoch 
gefunden werden, folglich auch der Werth von pn^ selbst. 
Das zieht aber nach Gl. (7) einen zu kleinen Werth 
von xfj nach sich. Da nun die Trägheit des Manometers 
und der Betrag seines Zurückbleibens jedenfalls eher 
eine constante Grösse ist, als dass sie sich angenähert 
proportional mit dem Drucke ändern wird, so sind 
diese Abweichungen namentlich bei den kleineren Pres- 
sungen als bedeutender zu erwarten. Diesem Umstände 
schreibe ich es mit zu, dass einige Versuche, haupt- 
sächlich der Reihen I, C, D, E, ganz besonders kleine 
xp ergaben. Möglich ist aber auch, dass eine ungenaue 
Interpolation der Curve Po:pm = fiPin) daran Schuld ist. 

Uebrigens sind bei den Werthen von ifj ohnehin 
bedeutende gegenseitige Abweichungen zu erwarten, da 
sie von sämmtlichen bei diesen Versuchen überhaupt 
denkbaren Beobachtungsfehlem beeinflusst sind, nament- 
lich auch den Fehlern bei der Zeitbestinmiung. Trotz- 
dem folgt aus den Tabellen, und namentlich deutlich 
aus einer graphischen Darstellung, mit Sicherheit, dass 
ein ganz bestimmtes Gesetz für den Zusammenhang 
von yj und p^ ip^ bestehen muss. 

Dieses Gesetz und das Verhalten des WeiUies von 
n lassen sich nun unter gleichzeitiger Berücksichtigung 
der Beziehung zwischen den Pressungen (Gl. 1) er- 
mitteln. Dabei muss allerdings die wohl von keiner 
Seite anzuzweifelnde, auch schon anderweitig aufge- 
stellte Hypothese zu Grunde gelegt werden, dass der 
Werth von G (Gl. 3) bei zunehmendem Ueberdrucke 
jedenfalls niemals wieder kleiner werden kann, als 
er sich für das Maximum von ifj ergiebt. Dagegen | 
muss einstweilen noch dahingestellt bleiben, ob er | 



diesen Maximalwerth auch wirklich erreicht. Nact^ 
meinen älteren Versuchen wäre das nicht der Fall 
wesen. Der jetzt gefundene geringere Druck in 
Mündungsebene lässt es aber doch als möglich 
scheinen. 

Das Maximum von ifj tritt nun bekaiintlidi ein fltj. 



(P.) =(-1-);:^ 



(S) 



(■ 



berechnet man diesen Quotienten und auch nacb 
Gl. 5 das zugehörige Maximum von (/;, so findet man 
für: 

n = x(= 1,41) 1,39 1,37 1,35 1,33 

^1 = 0,0266 0,5300 0,5384 0,5369 0,5404 

Pm m 

l/;„^= 0,06850 0,06545 0,06237 0,05926 • 0,056U 

Wei-the von n grösser als x sind nicht berücksich- 
tigt, da unmöglich n > x werden kann. 

Man sieht, dass mit abnehmendem n das Verhält- 
niss der Pressungen zunimmt, aber nicht bedeutend. 
Die angegebenen numerischen Werthe desselben liegen 
auch sämmtlich innerhalb der Grenzen, zwischen welche 
es nach den Druckbestimmungen jedenfalls fallen muss, 
d. i. zwischen etwa 0,5i und 0,56. Es lassen sich also 
hieraus allein auf die Pressungen keine sicheren Schlüsse 
ziehen, sondern nur der schon angedeutete allgemeine, 

dass der tiefste Punkt der Druckcurve, für ~ =0, 

Pm 

wahrscheinlich die Ordinate ( — I hat. Das soll auch 

jetzt als Hypothese hingestellt werden. 

Anders steht es mit dem Werthe von iptnax» Dieser 
nimmt mit abnehmendem n auch ab, und zwar ziem- 
lich rasch. Ein Blick auf eine graphische Darstellung 
und die Tabellen zeigt nun, dass die Werthe von xpmax 
für n=l,4i und n = l,39 entschieden zu gross sind. 
Der erstere Werth würde noch über den ersten Wer- 
then der Reihe III, C liegen, det letztere etwas über 
denselben Werthen von II, B. Die Werthe für n:^l,S5 
und 1,33 sind dagegen ebenso entschieden zu klein, da 
sie ipfnax <C 0,06 ergeben würden. Es scheint also der 
richtige Werth von n in der Nähe von 1,37 zu liegen, 
wenigstens für pQ:pm = 0. Ob er sich weiterhin än- 
dert, konnte nur durch Berechnung mehrerer Druck- 
und i/;-Curven entschieden werden. • 

Ich hatte daher schon vorher für einen grösseien 
Werth von n aus dem damit nach der oben ange- 
stellten Hypothese fest gegebenen Anfangs- und dem 
gleichfalls gegebenen Endpunkte (Po:pm=P»Pm = i^)* 
sowie aus einigen graphisch interpolirten Zwischen- 
punkten der Druckcurve diese nach der Methode der 



189 



atmosphärischen Luft durch gut abgenmilete MünduDgen. 



490 



ileinsteu Quadrate als Hyperbel berechnet; ebenso die 
ugehörige i/'-Curve. Die Druckcurve stimmte gut, die 
ff-Curve dagegen lag entschieden in ihrer ganzen 
tätige zu hoch, doch so, dass ich schliessen konnte, 
ine Verkleinerung von n und eine geringe Erhöhung 
ler Druckcurve auf ihrer ganzen Länge werde bessere 
Jehereinstimmung geben. Ich habe daher die Druck- 
curve nicht mehr frisch nach der Methode der kleinsten 
^uadi'ate berechnet, sondern dieselbe nur bei festge- 
i£kltenem obersten Punkte (|?„ :pm = p :pm = 1) pro- 
>ortional der Veränderung des untersten Punktes ver- 
schoben. 



Nach mehi*fachen Versuchen bin ich dann bei 

n = 1,37 

stehen geblieben, welchem Werthe auch die in Gl. 1 
gegebene empirische Formel für den Zusammenhang 
der Pressungen entspricht. Zur Vergleichung der di- 
recten Beobachtungsresultate mit den von mir als 
wahrscheinlich hingestellten Beziehungen gebe ich nach- 
stehend einige Werthe von — nach G-l. (1) und von ip 
nach Gl. (5) mit n = 1,37. 



Pm 
P_ 

Pm 

?/; =0,06237 0,06237 0,06237 0,06236 0,06234 0,06217 0,06010 0,05730 0,06318 0,04773 0,04089 0,03275 0,02319 0,01228 



-=0,00 0,10 0,20 0,30 0,40 0,50 0,60 0,65 0,70 0,75 0,80 0,85 0,90 0,95 1 
Pm 

— =0,5334 0,5352 0,5375 0,5399 0,5447 0,5604 0,6235 0,6677 0,7141 0,7610 0,8086 0,8562 0,9041 0,9520 1 



Diese berechneten WeiiJie von ifj weichen zwar von 
den beobachteten im Allgemeinen in dem Sinne ab, 
dass sie anfangs, also bei grossem Ueberdrucke , etwas 
zu klein, späterhin eher etwas zu gross sind. Genau 
diese Abweichung konnte aber oben aus der Art der 
Beobachtungsfehler, anfangs Undichtheiten des Appa- 
rates und später Trägheit des Manometers, als wahr- 
scheinlich hingestellt werden. Ich hätte allerdings die 
Werthe von i/^ in noch bessere Uebereinstimmung mit 
den directen Versuchswerthen bringen können, ich hätte 
dazu nur die Druckcurve (Gl. 1) für geringeren Ueber- 
druck heben, für grösseren dagegen eher senken müssen, 
aber in einem Betrage, der mir doch nicht gerecht- 
fertigt erschien. Ein anderes Mittel wäre auch ge- 
wesen, n variabel anzunehmen, aber auch dieses halte 
ich nach den Versuchen nicht für nöthig. 

Ich glaube also jetzt folgende Resultate als durch 
lie Versuche bewiesen ansehen zu können: 

1) Der Zeuner'sche Ausflussexponent ist constant, 

und zwar w = 1,37, für x= l,4i.*) 

2) Der kleinste Wertli von p : p^n entspricht dem 

Maximum von tp und tritt ein für pQ:p^ = 0. 

3) Weiterhin lässt sich das Verhältniss p:pm mit 

vollständig genügender Genauigkeit aus der 
empirischen Gleichung (1) berechnen. 

4) Der dem Maximum von i/^ entsprechende Maxi- 

malwerth von G wird für pQ:pfn = wirklich 
eiTeicht (p^n und T,» constant vorausgesetzt). 

5) Weiterhin nimmt G mit abnehmendem ijj gleich- 

falls ab. 



Die Resultate 1, 2, 4 sind schon anderweitig als 
Hypothesen aufgestellt worden, 2 und 4 wurden aber 
nicht blos für den einen Punkt p^ip^^^sQ geltend an- 
genommen, sondern so lange, als ungefähr i)o*i'm<lO,5 
blieb. Das letztere ist nun entschieden nicht der Fall, 
wenn man auch allenfalls diese Annahmen zur Her- 
leitung von Näheningsformeln benutzen könnte. 

Die Aufstellung von solchen einfacheren Nähe- 
rungsformeln ist allerdings sehr wünschenswerth, 
da eine Benutzung der genauen Formeln bedeutende 
Rechnungen erfordert. Als gegeben hat man nämlich 
im Allgemeinen anzusehen die inpere und die äus- 
sere Pressung. Dann müsste man zunächst aus der 
nicht besonders einfachen Gl. (1) den Druck in der 
M ün dun gs ebene bestimmen, und endlich aus der 
noch unbequemeren Gl. (3) G oder vielleicht auch F. 
Die Berechnung einer der Pressungen aus anderen 
gegebenen Stücken wäre noch viel umständlicher, da 
Gl. (3) für beide darin enthaltene Pressungen trans- 
cendent ist. 

Nun hatte ich schon bei meinen früheren Ver- 
suchen gefunden, dass man die von Napier für Dampf 
I aufgestellten Näherungsformeln auch ganz gut für Luft 
! verwenden könne, natürlich mit durch die verschiedene 
; Beschaffenheit der Körper bedingten Aenderungen, so 
I namentlich mit Einführung der Temperatur. Meine 
damaligen Formeln würden hier lauten für: 

i -jL<o,5, |=A ^ (9) 



*) Eine Aenderung von x würde natürlich auch eine geringe 
/ienderung der Druckcurve und eine etwas beträchtlichere von n 
rar Folge haben. 



Pm r 



=.v 



Po{fm — Po) 



, . (10) 



m 



worin X und fi Constanten sind, und zwar noch /d = 2L 



491 



Flieg ner, Versuche über das Ausströmen der 



i^2 



l und fii lassen sich aber für jeden einzelnen Versuch 
leicht berechnen. Aus Gl. (9), (3) und (5) folgt näm- 
lich, wenn man die constauten Zahlengrössen gleich 
zusammenfasst: 

A = /426,039T/^ (11) 

während sich aus (9) und (10) direct nach leichter 
Umformung 

(1= 






ergiebt, wenn man vorher -^ für alle Pressungen 

nach Gl. (9) berechnet hat. Die W^erthe von l und ^ 
sind in den Columnen 9 und 10 in die Tabellen auf- 
genommen, und zwar sind für alle Versuche beide 
Werthe berechnet. 

Die Werthe von l zeigen sich nun wirklich, so 
lange |>o • Pwi < 0,5 ist, als angenähert constant, nach- 
her dagegen nehmen sie rasch ab. Nur bei der Reihe 
IV, B nimmt l von Anfang an ab, wenn auch zunächst 
laugsamer. Diese Reihe ist aber, wie schon oben her- 
vorgehoben wurde, nicht so zuverlässig, da jedenfalls 
durch unbemerkte Undichtheiten am Apparate bedeu- 
tendere Luftverluste stattgefunden haben. Die Werthe 
von fi nehmen dagegen anfangs ab, um ihrerseits für 
1>() •l'm]> 0,5 angenähert constant zu bleiben. Einzelne 
Reihen, wie I, D; 11, A; IV, A, zeigen allerdings eine 
entschiedene Abnahme, denselben stehen aber andere 
gegenüber, wie IV, B; V, A, bei denen ein» entschie- 
dene Zunahme zu erkennen ist. Man wird also auch 
fi im Mittel constant annehmen dürfen. Ferner zeigt 
sich auch aus allen Reihen, bei denen A und jCi zu be- 
rechnen waren, der Mittelwerth von /u etwa doppelt so 
gross, als der von L Die früheren Näherungsformeln 
werden also auch auf Grund dieser Versuche benutzt 
werden dürfen. 

Doch wäre es nicht richtig, einfach die Mittelwerthe 
von k und /u aus allen Versuchen zu nehmen, es wäre 
dann der Undichtheit des Apparates bei höheren Pres- 
sungen keine Rechnung getragen. Besser ist es, von 
der Gurve der x^f auszugehen, ip nimmt auf der Strecke 
Pi^:pm = bis 0,5 von 0,06237 bis 0,062i7 ab, also nur 
sehr wenig, und das noch am Anfänge ungemein lang- 
sam. Das danach berechnete l ändert sich also auch 
nur sehr wenig, so dass auch hiernach die Einführung 
eines constanten Mittelwerthes vollkommen zulässig er- 
scheint. 

Die Näherungsformeln sind aber namentlich für 
Rechnungen der technischen Praxis bestimmt. Dabei 
sind die Pressungen im Allgemeinen in Atmosphären 



gegeben, wenn es sich um grössere Pressungen handelt, 
bei kleinerem Drucke dagegen in Wassersäule, die sich 
aber sehr einfach, nämlich nur durch Verschiebung des 
Komma, auf die neue Atmosphäre reduciren lässt. In 
Quecksilbersäule wird der Druck meistens nur ange- 
geben, wenn es sich um genauere Resultate handelt, 
und da ist es ohnedies besser, nach den genaueren, 
wenn auch umständlicheren Formeln zu rechnen. Man. 
wird also die Formel so einzurichten suchen, dass sie, 
wenn man den Druck in Atmosphären einsetzt, mög* 
liehst einfache Zahlencoefficienten erhält. Das würde 
nicht der Fall sein, wenn man k auf die obige Art^ 
berechnet. Nimmt man es dagegen etwas grösser, so 
kann man setzen: 

A = 3800, /i = 7600, i> ia Atmosphären (zu LOOOO»). 

oder 

i = 5,1666, /! = 10,3330, jp in Millmtr. Queckslbr. 

Eine Vergleichung mit den in der Tabelle berech- 
neten Werthen von l und f.i zeigt, dass die angenom- 
menen Mittelwerthe für alle praktischen Rechnungen 
durchaus genügende Genauigkeit erwarten lassen. Da- 
gegen sind sie um etwa 4 Proc. kleiner, als die in 
meiner früheren Mittheilung enthaltenen : l = 5,87n, 
fi = 10,7456. Die damaligen Versuche ergaben aber 
auch, mit Ausnahme einer einzigen Reihe, etwas kleinere 
Werthe der Ausflussmengen, und dabei war noch der 
eine Umstand gar nicht berücksichtigt, auf dessen be- 
deutenderen Einfluss ich erst jetzt aufmerksam geworden 
bin, nämlich die Undichtheiten des Apparates, nament- 
lich bei höheren Pressungen. Mit den neueren kld- 
neren Goefficienten rechnet man übrigens auch sicherer. 






Aus dem jetzt bekannten Ausflussexponenten n 
lässt sich nun noch der auch von Hm. Prof. Zeuner 
eingeführte „Widerstandscoefficienf ^ berechnen. 
Nach Gl. (24) seiner oben schon erwähnten Abhand- 
lung : „Neue Darstellung der Vorgänge beim Ausströmen 
der Gase u. s. w." (Civiling. 1871) ist derselbe: 



i= 



(13) 



x(n — 1) 

Setzt man x = l,4i, w==l,87 ein, so wird 

{;= 0,0767. 

Bei Wasser ist dieser Coefficient für eine gut 
abgerundete Mündung bekanntlich 

f = 0,068, 

also kleiner. Da nun die Molekularkräfte bei Luft 
verschwindend klein sind, bei Wasser dagegen nicht, 



495 



Flieguer, Versuche über das Ausströmen der 



496 



der Widerstände nach den Zeun er 'sehen Anschauungen 
eine, aber nicht von aussen kommende, Wärmemenge 
ÄdW mitgetheilt, welche nach Zeun er auch propor- 
tional der Temperaturänderung ist; d. h., wenn c„ eine 
weitere Gonstante bedeutet: 

AdJr= — o„,d7 (18) 

Die Grundgleichung für die Zustandsänderung des 
Gases, so lange sie umkehrbar erfolgt, ist dann 
(Gl. II der Zeun er 'sehen Abhandlung): 

dQ-\-AdJr=A{dir+pdv) 

oder gleich fiir permanente Gase und nach Gl. (15) 
und (18): 

Of)dT'\-' Ap dv = — (jßq ■■\-Ciß)d7. 

Wenn man hier die Glieder mit d T auf der linken 
Seite zusammenfasst, T nach der Zustandsgieichung 
durch p und v ersetzt, dann mit A diyidirt und be- 
rücksichtigt, dass 

A R = Cp — c^ 

ist, so folgt die Differentialgleichung des Gesetzes der 
Zustandsänderung zu: 

.^l±h±.'-.d{pv)+pdv=0. 

Cp — Cr 

Diese Gleichung ergiebt, wenn man noch die ein- 
fachere Bezeichnung 

n= '^t''1"'" (19) 

Cv-r Cq -f-Cte 

einführt, nach leichter Reduction als Aenderungsgesetz 

selbst: 

pv*' = C(mst, (20) 

also das vorhin schon benutzte Gesetz. 

Der Widerstandscoefficient ^ ist nun der 
Quotient aus der auf Widerstände verlorenen und 
der nützlich verwertheten Arbeit, d. h. nach Gl. (18) 
und (17): 

f=i^=-^ (21) 

an Cp "T" Cq 

Dividirt man nun Gl. (19) im Zähler und Nenner 
mit Cp + Cq und setzt noch 



(22) 



80 ei^ebt eine ein&che Umformung: 

_ (i+S:)( « + v) 

Hieraus folgt endlich durch Umkehrung: 



n 



(23) 



c. _ x-fv — n (l + v ) _ X — n -- v (n — 1) . 

^~ (x + v)(n— 1) x(n— i)-|-v(n — 1 * ^ ^ 



Für v=0, d. h. bei Vernachlässigung einer Wärme- 
mittheilung von aussen, gehen die beiden letzten Glei- 
chungen in die betreffenden Zeuner'schen über. Aus 
der zweiten Form der Gl. (24) sieht man dann, dass 
mit zunehmendem v^ also nach Gl. (22) zunehmendem 
Cq oder nach Gl. (15) auch wachsender Wärmemitthei- 
lung seitens der Mündungswandungeu , t wirklich ab- 
nimmt, da das Glied mit v im Zähler subtractiv, im 
Nenner additiv auftritt. 

Eine Wärmemittheilung seitens der Mündungswan- 
dungen müsste von folgenden Umständen abhängig sein: 
Die Temperatur im Inneren des Ausflussgefässes nimmt 
während des Ausströmens ununterbrochen ab, folglich 
muss auch die Temperatur in der Mündungsebene stetig 
sinken. Die Mündungswandungeu werden sich also 
auch immer mehr abkühlen, die verlorene Wärme aber 
durch Leitung von den benachbarten Theilen des Mün- 
dungskörpers zu ersetzen streben. Hat sich so die Ab- 
kühlung weit genug hinaus verbreitet, so wird die 
Mündung an£a,ngen, von der umgebenden Luft; Wärme 
aufzunehmen, und zwar nicht nur von der äusseren, 
sondern vielleicht auch von der inneren, die, wenn sie 
in die Abrundung einzutreten beginnt, in Folge der 
dortigen geringeren Geschwindigkeit noch eine höhere 
Temperatur hat. Die Wärmeaufnahme von aussen liesse 
sich durch Umhüllung mit einem schlechten Wärme- 
leiter fast beseitigen. Ginge das mit der von der in- 
neren Luft abgegebenen auch zu erreichen , so könnte 
man aus der Abkühlung des Mündungskörpers leibht 
ermitteln, wie viel Wärme die ausströmende Luft auf- 
genommen hat. Auf der inneren Seite darf man aber 
die Mündung natürlich nicht umhüllen, dort müssen 
gut abgeinindete, in eine zur Mündungsachse normale 
Ebene auslaufende, glatte Wandungen vorhanden sein. 
Ich musste also auf eine solche directe Bestimmung 
verzichten. 

Doch habe ich auf anderem Wege wenigstens das 
Vorhandensein einer derartigen Wärmemittheilung fest- 
zustellen gesucht. Jedenfalls ist zu erwarten, dass eine 
solche wesentlich von dem inneren Wärmeleitongsver- 
mögen des Materiales abhängt, aus welchem die Mün- 
dung hergestellt ist, dass sie also bei einem schlech- 
teren Wärmeleiter geringer sein wird. Dann wäre t^ 
kleiner, und da man die eigentlichen inneren Bewe- 
gungswiderstände und damit c«, jedenfalls als oonstant 
ansehen darf, so würde aus Gl. (19) folgen, weil nodi 
Cp^Cr ist, dass n kleiner sein müsste, als bei einem 
guten Wärmeleiter. 

Der einzige zur Herstellung brauchbarer Mün- 
dungen geeignete schlechte Wärmeleiter ist wohl 
das Holz. Ich habe also noch einige aus Buchs- 



497 



atmosphärischen Luft durch gut abgerundete Mündungen. 



498 



l 
Nr. 



2 
t 



Pt 
Pi 



Versuche mit Mündungen aus Buchsbaumholz. 



4 
P6 



5 
Pm 



6 



Pm 



8 



^ 




I. d = 3,02. 6 = 726,1. 2^ = 273 + 14,1 



1 


19,8 


, 3392,7 


2 


20,0 


3268,7 


3 


20,4 


3148,2 


4 


20,4 


3031,1 


5 


19,8 


2918,7 


6 


20,0 


2813,4 


7 


20,4 


2710,7 


8 


20,2 


2610,4 


9 


25,4 


2515,2 


10 


25,0 


2400,4 


11 


25,2 


2293,2 


12 


25,2 


2190,0 
2093,0 



3237,2 


3313,3 


3115,1 


3190,9 


3000,2 


3072,9 


2890,5 


2956,7 


2791,6 


2854,4 


2685,4 


2746,3 


2586,8 


2648,5 


2495,6 


2552,0 


2375,7 


2443,9 


2267,4 


2331,7 


2161,3 


2225,0 


2064,1 


2125,6 



1150,31 

1106,60 

1054,25 

1012,01 

976,75 

943,14 

903,10 

865,63 

830,18 

787,57 

752,12 

706,94 



0,2191 
0,2276 
0,2363 
0,2456 
0,2544 
0,2644 
0,2742 
0,2845 
0,2971 
0,3114 
0,3263 
0,3416 



0,080834 
0,080622 
0,078914 
0,078567 
0,078602 
0,079106 
0,077999 
0,077231 
0,077361 
0,076448 
0,076496 
0,074025 



5,8684 
5,8607 
5,7983 
5,7855 
5,7868 
5,8054 
5,7646 
5,7361 
5,7410 
5,7070 
5,7088 
5,6158 



b = 724,2. T, = 273 + 14,o. 



13 


30,1 


2009,1 


1878,0 


14 


30,9 


1903,7 


1773,1 


15 


29,9 


1802,2 


1684,8 


16 


29,9 


1708,8 


1597,8 


17 


40,3 


1621,8 


1485,2 


18 


40,5 


1510,3 


1385,4 


19 


40,5 


1407,6 


1291,6 


20 


40,3 


1312,8 


1206,0 


21 


50,1 


1226,0 


1107,5 


22 


50,3 


1127,7 


1020,5 


23 


50,1 


1040,6 


952,8 


24 


50,3 


964,2 


887,5 


25 


50,3 


899,0 


835,8 


26 


50,5 


845,2 


796,0 


27 


49,9 


800,2 


762,3 


28 


50,5 


766,9 


740,7 


29 


54,9 


743,2 
729,2 


728,7 

1 



1941,8 


.643,43 


0,3730 


0,073466 


1835,4 


603,56 


0,3946 


0,072258 


1743,0 


573,98 


0,4155 


0,072539 


1651,1 


534,66 


0,4886 


0,070115 


1550,9 


508,39 


0,4670 


0,071785 


1444,6 


465,94 


0,5013 


0,069527 


1347,1 


430,12 


0,5876 


0,068122 


1257,1 


395,76 


0,5761 


0,066222 


1166,3 


360,48 


0,6209 


0,063777 


1071,7 


318,22 


0,6757 


0,058820 


992,2 


280,19 


0,7299 


0,053403 


922,4 


238,02 


0,7851 


0,044569 


864,5 


196,59 


0,8377 


0,034642 


818,7 


163,71 


0,8846 


0,026865 


778,3 


122,55 


0,9305 


0,016652 


751,4 


86,17 


0,9638 


0,008844 


735,5 


46,85 


0,9846 


0,002732 



5,5946 
5,5484 
5,5592 
5,4655 
5,5302 
5,4425 
5,3873 
5,3116 
5,2126 
5,0060 
4,7699 
4,3575 
3,8417 
3,3831 
2,6635 
1,9411 
1,0789 



14,1872 
13,9780 
13,6530 
13,4409 
13,2871 
13,1639 
12,9219 
12,7136 
12,5629 
12,3243 
12,1769 
11,8414 



11,5687 
11,3520 
11,2806 
11,0143 
11,0846 
10,8850 
10,8053 
10,7485 
10,7441 
10,6941 
10,7428 
10,6066 
10,4187 
10,5887 
10,4738 
10,3919 
8,7616 



Mittelwerthe aus: 
1—17: k= 5,6986. 
18—29: |ü = 10,4884. 



baumholz gebohrte Mündungen untersucht. Dabei 
habe ich mich aber auf das Ausströmen in die Atmo- 
sphäre beschränkt, auqh habe ich nur Ausflussmengen 
bestimmt und den Druck in der Mündungsebene inter- 
polirt, indem ich in Gl. (1) die Coefficienten so um- 



geändert habe, dass 



der Punkt ^^ = ^=1 

Pm Pm 



natür- 



lieh festgehalten wurde, für ^^ = bestimmte ich -^ 

Pm Pm 

aus dem beobachteten Ausflussexponenten n nach Gl. 
(8), und für die Zwischenpunkte nahm ich proportionale 



Verschiebung an. Die Versuche sind sonst genau so 
angestellt und berechnet, wie die früheren. Die erhal- 
tenen Resulte finden sich in der „Versuche mit Mün- 
dungen aus Buchsbaumholz'^ überschriebenen Ta- 
belle mitgetheilt. 

Auf graphischem Wege habe ich als passendsten 
Werth von n gefunden: 

« = 1,395. 

Das gab für den Zusammenhang der Pressungen: 



Po 



J'- =0,2755 + 0,4936 -~ + 1/ 0,0643 — 0,2418 ^ + 0,230H ( ^ )", 
Pm Pm f Pm Pm^ 



CiTiliugenicur XX III. 



32 



499 



Fliegner, Versuche über das Ausströmen der 



500 



1 


2 


3 


4 


5 


6 


7 


8 


9 


10 




Nr. 


t 


Pt 

Vi 


n 


fm 


G 

F 


Pm 


1/; 


k 


^ 










II 


. d = 4,80«'"». 6 = 


- 727,0. T, — 273 + 14,o. 


1 


10,4 


3363,6 


3176,0 


3266,9 


1055,21 


0,2225 


0,069869 


5,4559 


13,1174 




2 


10,4 


3213,7 


3033,9 


3123,5 


1017,21 


0,2328 


0,071034 


5,5012 


13,0169 




3 


10,4 


3069,2 


2899,9 


2984,3 


960,18 


0,2436 


0,069344 


5,4354 


12,6626 




4 


10,2 


2932,8 


2774,4 


2853,6 


912,30 


0,2548 


0,068468 


5,4009 


12,3945 




5 


10,4 


2805,7 


2651,7 


2728,7 


869,39 


0,2664 


0,067994 


5,3822 


12,1747 




6 


10,6 


2682,2 


2534,5 


2604,6 


816,39 


0,2791 


0,065802 


5,2947 


11,8038 




7 


10,0 


2564,0 


2427,1 


2494,8 


804,60 


0,2914 


0,069683 


5,4486 


11,9905 




8 


10,2 


2454,1 


2320,6 


2386,9 


759,43 


0,3046 


0,067791 


5,3742 


11,6770 




9 


10,2 


2348,3 


2221,5 


2284,6 


721,36 


0,3182 


0,066768 


5,3335 


11,4507 




10 


10,0 


2247,8 


2126,1 


2182,4 


695,52 


0,3331 


0,067996 


5,3823 


11,4196 




11 


15,4 


2152,8 


1978,1 


2057,2 


653,71 


0,3534 


0,067394 


5,3564 


11,2052 




12 


15,4 


2015,3 


1850,6 


1928,2 


607,08 


0,3770 


0,066137 


5,3082 


10,9531 




13 


15,0 


1887,6 


1738,8 


1809,8 


570,54 


0,4017 


0,066346 


5,3166 


10,8449 




14 


15,2 


1770,7 


1626,1 


1696,4 


538,99 


0,4286 


0,067334 


5,3560 


10,8228 




15 


15,2 


1658,8 


1527,2 


1592,6 


497,04 


0,4565 


0,065015 


5,2630 


10,5662 




16 


15,0 


1555,6 


1429,6 


1491,3 


473,90 


0,4875 


0,067352 


5,3567 


10,7168 




17 


20,2 


1458,5 


1302,2 


1379,5 


435,32 


0,5270 


0,066175 


5,3097 


10,6349 




18 


20,0 


1338,4 


1202,3 


1268,3 


395,71 


0,5732 


0,064829 


5,2554 


10,6253 




19 


20,0 


1230,3 
1133,1 


1107,3 


1168,0 


355,81 


0,6224 


0,001803 


5,1313 


10,5846 





20 
21 
22 
23 
24 
25 



! 24,8 


1132,7 


1 25,0 


1026,4 


25,2 


934,8 


25,2 


860,6 


25,0 


803,7 ! 


25,0 


763,7 




738,8 



1002,2 
903,3 
843,9 
794,1 
753,3 
721,8 



6 = 726,6. T2 = 273 + 14,i. 



1065,6 
963,0 
886,2 
823,7 
776,4 
739,4 



313,68 


0,6819 


0,057705 


4,9583 


10,6461 


268,16 


0,7645 


0,051374 


4,6784 


10,8704 


215,46 


0,8199 


0,039447 


4,0995 


10,6683 


165,26 


0,8821 


0,026964 


3,3894 


10,5101 


117,10 


0,9359 


0,015225 


2,5468 


10,3981 


72,89 


0,9827 


0,006473 


1,6606 


12,7356 



und 1/; nimmt dann folgende Werthe an: 



Mittelwerthe aus: 
1 — 16: A= 5,3729. 
17—25: (14=10,8626. 



i>u 



= 0,0 



0,2 



0,4 



0,6 



'm 



\p = 0,06622 0,06621 0,06618 0,06602 

Vergleicht man diese Werthe von xp mit den Wer- 
then der Tabelle, so stimmt anfangs nur die III. Reihe 
gut, die I. namentlich weicht stark ab, die II. weniger, 
die IV. wieder etwas mehr. Die letzte Abweichung 
kann ich nur auf Undichtheiten schieben, wenigstens 
dauerte die Ausgleichung nicht so lange^ als ich er- 
wartet hatte.*) Bei den Reihen I und II Hess dagegen 



*) Das Auftreten von Undichtheiten bei einzelnen Versuchs- 
reihen, während der Apparat bei anderen dicht war, könnte auf- 
fallen. Ich will daher in dieser Richtung noch bemerken, dass 
z. B. das eine Hähnchen (7) an einem Tage dicht war, am an- 
deren Hess es etwas Luft durch, so dass das Quecksilber im 



0,6 



0,7 



0,8 



0,9 



0,06381 0,05646 0,04335 0,02459 

die Dichtheit des Apparates nichts zu wünschen übrig. 
Die sehr ^bedeutenden Abweichungen der Reihe I na- 
mentlich kann ich nun nicht allein auf einen Fehler 
in der Ausmessung des Mündungsdurchmessers oder 
auf sonstige Beobachtungsfehler schieben. Ich Yemmthe 
vielmehr, dass der starke Ueberdruck in der Mündungi- 
ebene das nachgiebigere Holz auseinander gedrückt imd 
so den Mündungsquerschnitt wahrend des Ausströmens 



Heber stieg, am dritten Tage war es wieder dicht M^mOwid 
war es dabei von einem Tage zum andern nicht einmsl bertkhit 
worden. Es scheinen dabei Temperatoreiiiflflne mit im SpMe 
zu sein. 



501 



atmosphärischen Luft durch gut abgcruudete Müudungeu. 



502 



.Yr. 



Pi 



Pa 



P 



m 



6 

F 



Po 

Pm 



8 



n> 



9 



10 



III. ^ = 7,02™«". 6 -=723,3. T, = 273 + 16,5. 



1 

2 

3 

4 

5 

6 

7 

8 

9 

10 

11 

12 

13 

I^ 
le 



10,2 

10,0 

10,4 
10,2 
10,2 
10,6 

10,0 

10,2 
10,2 
10,4 
9,8 
10,4 
10,4 
10,0 
15,4 

15,0 
15,0 



3400,5 


3031,5 


3096,9 


; 2744,5 


2821,3 


2504,8 


2565,3 


2277,7 


2335,5 


2047,4 


2127,1 


1886.,5 


1932,0 


1712,2 


1761,2 


1548,8 


1604,3 


1419,2 


1461,2 


1291,7 


1330,8 


1183,4 


1216,6 


1067,8 


1110,9 


985,1 


1017,2 


910,5 


941,0 


824,1 


846,8 


761,5 


782,1 


732,1 


743,6 





3208,9 

2920,4 

2661,1 

2418,2 

2189,4 

2001,5 

1821,4 

1654,3 

1511,1 

1375,6 

1256,5 

1142,0 

1045,0 

963,0 

875,7 

802,2 

756,1 



1010,02 

935,20 
835,27 
764,48 
693,28 
624,58 
579,58 

521,96 

476,05 
425,46 
395,42 
344,86 
305,74 
258,57 
207,57 

1 46,34 

87.11 



0,2254 
0,2477 
0,2718 
0,2991 
0,3304 
0,3614 
0,3971 
0,4372 
0,4787 
0,5258 
0,5756 
0,6334 
0,6922 
0,7511 
0,8260 
0,9016 
0,9566 



0,066609 . 

0,068734 

0,066150 

0,067072 

0,066858 

0,065391 

0,067847 

0,066476 

0,066470 

0,064047 

0,066378 

0,060763 

0,057249 

0,048196 

0,037667 

0,022315 

0,008949 



5,3271 

5,4114 

5,3087 

5,3456 

5,3371 

5,2782 

5,3764 

5,3218 

5,3215 

5,2237 

5,3179* 

5,0880 

4,9387 

4,5314 

4,0059 

3,0884 

1,9526 



12,7488 
12,5857 
11,9326 
11,6752 
11,3468 
10,9869 
10,9879 
10,7286 
10,6526 
10,4614 
10,7595 
10,5586 
10,6996 
10,4801 
10,5666 
10,3522 
9,5828 



Mittelwerthe aus: 

1— 9: A= 5,8364. 
10—17: |it = 10,4326. 



IV. d = 9,92"»». 6 = 725,0. r, = 273 + 16,5. 



1 


10,2 


3379,1 


2642,7 


3010,0 


1000,11 


, 0,2409 


2 


10,2 


2802,1 


2224,4 


2505,4 


814,30 


0,2894 


3 


10,2 


2332,3 


1845,1 


2087,3 


688,81 


1 0,3473 


4 


10,4 


1934,9 


1532,4 


1725,8 


560,65 


; 0,4201 





10,2 


1605,1 


1280,1 


1437,4 


462,95 


0,5044 


6 


10,2 


1338,0 


1075,7 


1201,8 


373,87 


0,6033 


7 


10,4 


1122,3 


902,6 


999,2 


285,75 


0,7256 


8 


10,0 


954,2 


810,8 


876,6 


210,21 


0,8271 


9 


10,0 


835,3 
765,5 


747,9 


788,6 


123,40 


0,9194 



0,072883 


5,5723 


1 13,0307 


0,070121 


5,4657 


12,0528 


0,072282 


5,5493 


11,6555 


0,070090 


5,4645 


11,0714 


0,068962 


5,4204 


10,8412 


0,064397 


5,2379 , 


10,7069 


0,054071 


4,7996 ; 


10,7564 


0,038502 


4,0501 j 


10,7100 


0,016447 


2,6471 ! 

i 


9,7241 



Mittelwerthe aus: 

1 — 4: k= 5,5129. 
5—9: |Li== 10,5477. 



^ergrössert hat. Das müsste sich dann namentlich bei 
der kleinsten benutzten Mündung bemerklich machen. 
Bei den grösseren tritt dieser Fehler neben den übrigen 
JMitiirlich zurück. 

Der weitere Verlauf der berechneten Werthe von 
^ schliesst sich nicht so gut an die Beobachtungen an, 
^e bei den früheren Versuchen, die berechneten Werthe 
liegen hier etwas zu hoch. Es ist das vielleicht eine 
f'olge davon, dass sich der Druck in der Mündungs- 
öbene durch die proportionale Verschiebung der Druck- 
cnrre dort zu klein ergeben hat. Vielleicht sind auch 
andere Fehlerquellen mit im Spiele. Zur Erledigung 
dieser Frage sind die Versuche zu wenig zahlreich. 
Die entscheidende Stelle für die Bestimmung von n 
liegt aber bei grossem Ueberdrucke. 

Ee hat sich also wirklich der Ausflussexponent n 
für die Holzmündungen grösser ergeben, als für die 



aus Messing hergestellten, ein Beweis, dass die Wärme- 
mittheilung von den Mündungswandungen an die aus- 
strömende Luft durchaus nicht verschwindend klein ist. 
Die Versuche gestatten aber nicht, den wirklichen Be- 
trag dieser Wärmemittheilung zu bestimmen, also auch 
nicht das gegenseitige Verhältniss von Cq und c^. 
Würde man annehmen dürfen, die Holzmündung gäbe 
gar keine Wärme ab, so würde man mit 1^ = und 
X = 1,41 aus Gl. (24) 

f = 0,0269 

erhalten; ich bin aber entschieden der Ansicht , dass 
auch hier eine Wärmemittheilung stattfindet, dass also 
C in Wirklichkeit noch kleiner ist. Es soll sogar ein- 
mal die entgegengesetzte Annahme etwas weiter verfolgt 
werden, die nämlich, dass die Widerstände vollständig 
zu vernachlässigen gehen, dass also die Wärmemitthei- 

32* 



503 



Flieguer, Versuche über das Ausströmen der 



504 



luDg die alleinige Ursache der Reduction von n gegen- 
über X sei. Dann wäre l = 0. Unter dieser Annahme 
ergiebt Gl. (24) 



n 



n — 1 



Damit lässt sich Cq aus Gl. (22) berechnen. Die 
mittlere constante innere Temperatur, T^, folgt aus 
Gl. (4) und dann die mittlere constante» Temperatur 
in der Mündungsebene, T, aus 



m 






P 



ist nach den angegebenen empirischen Formeln aus 



'm 



D 

dem bekannten -^ berechenbar. Das im Ganzen aus- 

Pm 

geströmte Luftgewicht ist 

und die demselben im Ganzen zugeführte Wärmemenge 
durch Integration von Gl. (15) zwischen den Grenzen 
T^ bis T: 

Nimmt man dann angenähert an, .diese ganze 
Wärmemenge sei vom Material der Mündung allein 
hergegeben worden, ohne Ersatz von der umgebenden 
Luft, so lässt sich leicht die Abkühlung t der Mün- 
dung berechnen. Bezeichnet nämlich 

g das Gewicht der Mündung, 

c die specitische Wärme derselben, so müsste auch sein : 

woraus dann r einfach bestimmbar ist. Allerdings ist 
dabei auch angenommen, dass sich die ganze Mündung 
gleichmässig um so viel abkühle. Das ist nun natür- 
lich nicht der Fall, vielmehr werden sich die den Mün- 
dungswandungen zunächst liegenden Theile stärker, die 
entfernteren weniger stark abkühlen. Namentlich gross 
muss diese DifiFerenz bei Holz werden, weil das innere 
Wärmeleitungsvermögen desselben ein sehr geringes ist. 
Eine Berücksichtigung dieser ungleichen Vertheilung 
der Abkühlung würde aber zu weit führen. 

Der Werth von r möge noch für zwei Versuche 
berechnet werden, bei denen er besonders gross zu er- 
warten ist, nämlich für Messingmündung Reihe III, C, 
Nr. 1 und Holzmündung Reihe IV, Nr. 1. Für diese 
beiden Fälle erhält man folgendes: 

Mündung aus 
MessiDg Holz 

y 0,1081 0,0S80 



9 
T 

Q 



Mündung aus 
Messing Holz 

0,0939 0,570*) 

0,360*^« 0,030^ 

281,8« 281,3« 

238,2« 235,5" 

43,6« 45,8« 

0,5440 Cal. 0,2222 Cal. 

T 16,1« 13,0«. 

Die berechneten mittleren Abkühlungen liegen woS:^ 
kaum ausserhalb der Grenzen der Wahrscheinlichke^^ 
und das noch um so weniger, wenn man berücksichtig^ 
dass die beiden benutzten Versuche grössere Ausflos»- 
meugen zeigen, als den interpolirten Mittelwerthen ent- 
sprechen würde. Es ist daher jedenfalls nicht undenk- 
bar, dass die inneren Widerstände der Luft ganz ver- 
nachlässigt werden dürfen. Die Unmöglichkeit, diese 
Frage jetzt [schon mit Sicherheit zu entscheiden, hat 
für die praktischen Rechnungen glücklicherweise keinen 
Nachtheil, da es bei solchen nur auf den Werth des 
Ausflussexponenten selbst ankommt, dagegen nicht 
darauf, wovon derselbe beeinflusst wird. 

Dass der Ausflussexponent bei den Holzmündungen 
grösser ist, als bei den Messingmündungen, hat, noch 
beiläufig bemerkt, zur Folge, dass durch jene bei gleichem 
Ueberdrucke mehr Luft ausströmt, als durch diese. 
Daher sind auch die für Holz gefundenen Mittelwerthe 
von l und // grösser, als sie früher für Messing an- 
gegeben wurden. 



Zur Correctur der theoretischen Ausflussformeln 
ist von einigen Seiten die Einführung des sogenannten 
Ausflussquerschnittes vorgeschlagen worden. Man 
muss dabei in der Formel (3) für O anstatt des Druckes 
p in der Mündungsebene den äusseren Druck Po ein- 
fuhren. Dann darf aber nicht der Mündungsquerschnitt 
F stehen bleiben, sondern man muss ihn eben durdi 
den Ausflussquerschnitt, aF^ ersetzen, d. h. den- 
jenigen Querschnitt, in welchem der bewegte Strahl 
den äusseren Druck angenommen hat. Bezeichnet man 
dann analog Gl. (5) 



P 



P 



0,01821 



0,00640 



*) Die specifische Wärme von Bachsbaumhols ist noch mehi 
bestünmt Ich habe statt ihrer die fQr Eichenhols gefondene be- 
nutzt In Moasson, Physik, II, findet sich nur noch flür TaoiMii- 
holz c== 0,654 und für Bimbaumholz c«» 0,500. Diesen 
Werthen würde entsprechen rr=ii,8» und ra»14f8*. 



atmospliärischen Luft durch gut abgeruudete Mtindungen. 



50G 



o schreibt sich Gl. (3) auch 



G = ciFp, 



m 



V. 



\9_ X 
ÄT^x — 1 



t/^ü 



(26) 



In den obigen Untersuchungen habe ich diesen 
Weg nicht eingeschlagen, weil ich mich der demselben 
zu Grunde liegenden Anschauung je länger je weniger 
anschliessen kann. 

Zunächst ist der Ausflussquerschnitt eine Grösse, 

der man in keiner Weise direct experimentell beizu- 

kommen im Stande ist. Der Coefflcient a lässt sich 

nur indirect bestimmen, und zwar ergiebt er sich aus 

den beiden Gleichungen (26) und (3) (mit 4) sofort zu : 



Nun ist bei Messingmündungen für: 

0,5334 1 



(27) 



^ = 

^~— 0,5334 
Pm 

1/^0 = 

1/; =0,06237 



0,5751 

0,06237 
0,06189 



1 


0. 



0,6237 ist dabei nach den früheren Entwickelungen 
der Maximalwerth von xp und xp^. Aus obiger Zusam- 
menstellung folgt nun, dass anfangs 

i/;o<^» a.lso a>l 

wird, später dagegen kehrt sich das Grössenverhältniss 
um, und man hätte 

t/;o>t^, also a<<l. 

Der Ausflussquerschnitt wäre also dann 
kleiner, als der Mündungsquerschnitt. Das 
Minimum von a ist ungefähr 0,980. Ein Querschnitt 
fe bewegten Strahles kleiner als der Mündungsquer- 
schnitt kann nun bei einer gut abgerundeten Mün- 
dung jedenfalls nicht im Inneren liegen, aussen 
Aber auch nicht, da der Strahl sonst die Erschei- 
nung der Contraction zeigen müsste. Es kann also in 
diesen Fällen gar kein der Gleichung (26) entsprechen- 
der Querschnitt vorhanden sein. 

Bei einer Anzahl meiner Versuche ist es ferner im 
l^öchsten Grade unwahrscheinlich, an einer früheren 
Stelle habe ich mir sogar erlaubt, ganz entschieden zu 
«igen: unmöglich, dass der bewegte Strahl überhaupt 
jemals den äusseren Druck annimmt, nämlich bei 
allen Versuchen mit einem luftverdünnten Räume vor 
der Mündung. In einigen Fällen herrscht im austre- 
tenden StraMe ein g^en zwei Atmosphären grösserer 



Druck, als im umgebenden Räume. Bis zum Anlegen 
an das äussere Rohr sinkt der Druck des sich ausbrei- 
tenden Strahles jedenfalls. nicht einmal auf den Atmo- 
sphärendruck, geschweige denn auf den noch kleineren 
Druck vor der Mündung. Weiterhin kann dann der 
Druck auch nur bis zum Atmosphärendruck abnehmen. 
In diesen Fällen wäre also dieser Ausflussquerschnitt 
auch vollständig imaginär. 

Die Einfuhrung des sogenannten Ausflussquer- 
schnittes setzt natürlich die Annahme voraus, dass 
das Gesetz der Zustandsänderung ptf^ = Const. vom 
Inneren des Ausflussgefässes bis in jenen Querschnitt 
gelte. Diese Annahme hätte aber höchstens Berechtigung, 
so lange jener Querschnitt im Inneren der Ausfluss- 
vorrichtung zu suchen sein würde, also nur bei com- 
plicirterer Gestalt der letzteren. Bei einfachen Mün- 
dungen aber, wie die gut abgerundete Mündung, kann 
der Ausflussquerschnitt jedenfalls nicht im Inneren 
liegen, und dann ist die obige Annahme nicht mehr 
zulässig. Die Anwendbarkeit des Gesetzes ^1;" = Const., 
sowie überhaupt der Ausflussformeln, setzt nämlich aus- 
drücklich voraus, dass die Zustandsänderung des be- 
wegten Gases umkehrbar erfolge. Und das geschieht 
nur, so lauge der Gegendruck der Umgebung gleich 
dem eigenen Drucke des Gases ist, so lange dasselbe 
also von aus starrem Material hergestellten Mündungs- 
wandungen eingeschlossen wird, die ausserdem keine 
zu plötzlichen Querschnittsänderungen zeigen dürfen. 
Sowie dagegen der Strahl die Mündungsebene verlassen, 
oder sich in Folge der Art der Querschnittsanderungen 
von den Wandungen der Ausflussvorrichtung losgelöst 
hat, trifl't er in der umgebenden Luft voraussichtlich 
immer einen kleineren Druck an, als sein eigener 
ist. Die Zustandsänderung muss also sofort anfangen, 
nicht umkehrbar zu werden, und dann gelten natür- 
lich die alten Formeln nicht mehr. Um weiterhin 
rechnen zu können, müsste man noch wissen, nach 
welchem Gesetze eine solche nicht umkehrbare Zustands- 
änderung erfolgt. Dieses Gesetz ist aber noch nicht 
bekannt; Versuche von mir, dasselbe unter gewissen 
Hypothesen abzuleiten, sind, wie schon angedeutet, bis 
jetzt erfolglos geblieben. 

Die gewöhnlich gegebenen Ausflussformeln gelten 
also jedenfalls nur bis zur Mündungsebene, und 
es erscheint daher dem Wesen der Sache entsprechen- 
der, gleich den dortigen Druck in die Formeln einzu- 
setzen. Man kann aber natürlich auch Gl. (26) be- 
nutzen, d. h. den äusseren Druck stehen lassen und 
mit a corrigiren, nur darf man dann a nicht als 
Querschnittscoefficienten auffassen. Will man 
diesem Factor eine besondere Bedeutung beilegen, so 



507 



Fliegner, Versuche über das Aasströmen der 



508 



müsste man ihn richtiger zu ifj^ nehmen, ihn also so 
bestimmen 9 dass 



a Y% F 



/t/; 



ist, wie er auch schon nach Gl. (27) berechnet wurde. 

Auf die Berechnung der Ausgleichungstempe- 
ratur, welche das ausgeströmte Gas nach seiner Beruhi- 
gung unter dem äusseren Drucke annehmen würde, wenn 
es dabei von dem umgebenden Gase vollständig isolirt 
bleiben könnte, haben die oben gemachten Bemerkungen 
keinerlei Einfluss. Nur muss man nicht unter der 
Annahme rechnen, dass man es dabei mit einer von 
der Verringerung der Geschwindigkeit herrührenden 
Wärmemittheilung bei constantem Drucke zu thun 
habe. Denn die Beruhigung beginnt unmittelbar nach 
dem Verlassen der Mündungsebene, also bei einem 
höheren Drucke im Strahle, als er nachher eintritt. 
Man muss vielmehr direct die Arbeiten am Anfang und 
Ende des ganzen Processes und die gesammte etwaige 
Wärmemittheilung während desselben ins Auge fassen. 

Die vom Inhalte des Gefässes auf jedes ausgeströmte 
Kilogramm übertragene Arbeit ist bei constanten Pres- 
sungen 

Pm Vin = Ä Tm. 

Bezeichnet v^* das specifische Volumen, T^,' die 
Temperatur des Gases nach der Beruhigung unter dem 
äusseren Drucke ^„, so hat das Kilogramm zum Ver- 
drängen der Umgebung eine Arbeit 

PoVf/= JÜTq 

verrichten müssen. Ferner seien mit sofortiger Weg- 
lassung der Integrationsconstanten Uq: 

A U„, = c„T„, und A U^* = c^T^ 

die in Wärmeeinheiten gemessenen inneren Arbeiten 
am Anfang und Ende. Ist dann noch Q die während 
des ganzen Processes von den Mündungswandungen 
oder sonst woher aufgenommene Wärmemenge, so muss 

A V^-\-Ap^v^,-\-Qz=:AU^-^Ap^^^ 

sein. Führt man die Temperaturen ein und berück- 
sichtigt, dass 

ist, so folgt zunächst 

und daraus sofort die Ausgleichungstemperatur zu 

O 

Man kann dieselbe also berechnen, ohne vollstän- 
dige Kenntniss der Gesetze, nach denen beim ganzen 
Vorgange die einzelnen Zustandsänderungen erfolgen. 



weil man am Anfange und Ende umkehrbare Pro- 
cesse substituirt hat. 

Für Q=0 erhält man das bekannte Resultat, dass 
die Ausgleichungstemperatur gleich der inneren Tem- 
peratur wird. Findet dagegen eine Wärmemittheilung 
statt, und nach meinen Versuchen ist das wirklich der 
Fall, so wird ^>0 und To'>^«. Beobachtet ist 
eine solche Temperaturerhöhung allerdings nie worden, 
was bekanntlich mit zu der Annahme Q = geführt 
hat. Die Berechnung von T^ erfolgt aber unter der 
ausdrücklichen Annahme, dass der sich ausbreitende 
Strahl von der umgebenden Luft vollkommen isolirt 
bleibe. Das ist nun in Wirklichkeit nie der Fall, man 
hat es vielmehr mit einer Mischung zu thun, und dabei 
kann die geringe Luftmenge, welche ausströmt, und die 
kleine Mehrwärme, welche sie mitbringt, auf die grosse 
Luftmasse im Experimentirlocale keinen mjerklichen 
Einfluss ausüben. Dazu kommt noch, dass der äusseren 
Luft diese mitgetheilte Wärmemenge, wenn auch aller- 
dings in etwas längerer Zeit, durch die sich wieder 
erwärmende Mündung auch wieder entzogen wird. 

Zum Schlüsse muss ich noch kurz darauf hinweisen, 
dass und warum ich einen schon früher von Weis- 
bach und neuerdings wieder von Emil Herrmann 
in Schemnitz*) für die Berechnung derartiger Versuche 
vorgeschlagenen Weg nicht eingeschlagen habe. Danadi 
geht man nämlich von der Hypothese aus, dass man 
die Zustandsänderung im Inneren des Ausflussgefasses 
genügend genau als eine adiabatische ansehen dürfe. 
Dann wäre allerdings die weitere Verwerthung der Ver- 
suchsresultate eine wesentlich sicherere. 

Schon der einfache Verlauf des Versuches zeigt 
aber, dass diese Annäherung jedenfalls zu weit geht 
Unmittelbar nach dem Aufhören des Ausstiömens be- 
ginnt nämlich der Druck sofort so rasch zu steigen, 
dass man daraus schliessen muss, es habe auch wäh- 
rend des Ausströmens eine an Intensität schnell zu- 
nehmende Wärmemittheilung stattgefunden. Direde 
Versuche von Zeuner, auf die derselbe Civiling. 1874, 
S. 9 oben, hinweist, haben das auch vollkommen be- 
stätigt. Da aber dort keine numerischen Angaben ge- 
macht wurden, so mögen hier noch einige Platz finden. 

Unter der Annahme einer adiabatischen Zu- 
standsänderung im Inneren seien die Bestimmungsstücke 
der einzelnen Zustände: 

^2» ^2» ^2 ^^ Anfange des Ausströmens (wie sonst), 

Pay Vi, Ta „ Ende „ „ 

Pi» Vp ^2 99 99 der Ausgleichung (wie sonst). 

*) Zeitschrift des österr. Ingen, u. Arch.-yer. 1876, S. 87. 



)9 



atmospliärischeu Luft durch gut abgerundete Mündungen. 



510 



Zwischen diesen Grössen müssten dann folgende 
eiden Beziehungen bestehen: 

Daraus würde sich der Enddruck des Ausströmens 
^rechnen zu: 



-="(t)" 



11 


12 


13 


1009,0 


980,4 


953,8 


1003,6 


976,6 


950,7 



0,156 0,109 0,091 0,025 



P2 

Hat man dagegen Wärroemittheilung, so wird der 
ruck nicht so rasch sinken, und der beobachtete 
addruck p^ muss werden : 

Ps^Pa- 

Ich habe nun für eine Anzahl der in meiner £rü- 
ren Mittheilung (Civiling. 1874, S. 37 u. flgd.) ent- 
Itenen Versuche den Werth von pa berechnet, näm- 
h für die ganze Tabelle V (Versuche von Hrn. Prof. 

Nr. 10 
• p^ = 1035,7 

Pa = 1031,2 

^^—^= 0,115 
P2 — P^ 

Für die sämmtlichen Versuche der Tabelle X, I 
it der letzte Quotient, unregelmässig schwankend, 
ischen die Grenzen 0,i57 und 0,i75. 

Es sind das Abweichungen, welche die Annahme 
liabatischer Zustandsänderung unzulässig erscheinen 
ssen. Und wenn Hr. Prof. Herrmann trotzdem sehr 
ite Uebereinstimmung zwischen seinen Rechnungen 
id den Versuchen findet, so hat das seinen Grund 
irin, dass er noch zwei weitere Annäherungen macht, 
e das Rechnungsresultat im entgegengesetzten Sinne 
leinflussen. Einmal nimmt er nämlich an, das Gesetz, 
ich welchem das Gas auf seinem Wege zur Mündung 
inen Zustand ändert, sei auch das adiabatische, 
ihrend der Exponent kleiner ist, etwa 1,37. Sodann 



Zeuner mit kurzer Ausflusszeit von im Mittel 10") 
und für Tab. X, I (eigene Versuche mit langer Aus- 
flusszeit von 53,8 bis 61, o"). Nur in einem einzigen 
Falle, Tab. V, II, 15 hat sich p« gleich p^ ergeben, 
sonst stets kleiner, am Anfange der Tabelle V um 
12—13"», bei Tab. X, I abnehmend von 113,5 bis 
43,2 ™™ Quecksilbersäule. Richtiger ist es aber, die Ab- 
weichung p^ — 2^a gegenüber der wirklich eingetretenen 
Drucksenkung ^jj -- JP3 zu berechnen, also den Quotienten 

~ — --, Dieser wird nun für Tab. V, I anfangs etwa 
Pi —Ps ^ 

0,100, am Ende 0,027. Die Tab. V, II enthält Versuche 
bei kleinen Pressungen und Versuchszeiten, also auch 
kleinen Temperatursenkungen, bei denen folglich auch 
nur eine geringe Wärmemittheilung zu erwarten ist. 
Doch ist, mit der einzigen vorhin schon erwähnten Aus- 
nahme, auch hier noch eine ganz bedeutende Wärme- 
mittheilung vorhanden, und die 10 letzten Versuche 
ergeben : 

14 15 16 17 18 19 

925.6 903,6 882,9 863,3 843,7 826,i 

924.7 903,5 881^ 861,5 842,3 824,9 



0,049 0,066 0,054 0,050 



setzt er bei Berechnung der Tabelle V, I den Druck in 
der Mündungsebene constaut gleich 0,5266 des inneren 
Druckes, während derselbe in Wirklichkeit grösser ist. 
Vielleicht würde das von Hrn. Prof. Grashof an- 
genommene Gesetz für die Zustandsänderung im In- 
neren, nämlich pt?*' = Const., bessere Uebereinstimmung 
geben. Untersucht habe ich diese Frage aber nicht, 
da ich bei Nachrechnung meiner Versuche nicht gern 
angenäherte, mehr empirische Formeln benutze, sondern 
lieber direct vorgehe, unter Umständen auf graphischem 
Wege. Das wahre Gesetz der Wärmemittheilung und 
Zustandsänderung aufzustellen, dürfte aber jedenfialls 
sehr schwierig sein. 

Zürich, Mai 1877. 



Zur Literatur der Geodäsie. 



Von 



Prof. A. Nagel in Dresden, 



III. Tachymetrie. 

1) La Celerimensura cogli strömen ti comuni*) (a divisione sessagesimale, senza lente anallatica). Tavole di kSena, kCoBay Tanguy 

Cotatfgct di minuto in minuto, da 0® a 360°. Tavola di ridozione all* orizzonte {kOos^a) e Tayole altimetriche (k Tonga) 
deir Ingegnere Giuseppe £rede, Professore di Geometria pratica e Gostruzioni nell' Istitato Tecnico Proyindale di 
Firenze. ' Pistoia, Tipografia Niccolai, 1875. 

2) Marcks & Balke (Technisches Bureau), Das Terrain -Relief, seine An&ahme mittelst distanannessender Winkelinstromente 

und seine Darstellung mittelst Horizontalcurven. Unter Beifügung einer Tachymeter-Tabelle kurz dargestellt. Selbstverlig 
der Verfasser. Berlin SW., Grossbeerenstrasse 63. 

3) Franz Ereuter, das neue Tacheometer aus dem Reichenbach^schen mathematisch -mechanischen Institute in München. 

Ein Universalinstrument für alle .Feldarbeiten des Ingenieurs. Mit 6 lithograph. Tafeln und 38 Seiten Text Brfinn 
(Winiker) 1876. 

4) C. Wagner 's Tachygraphometer. Von Prof. Dr. W. Tinte r. (Separat- Abdruck der Zeitschrift des österr. Ingenieur- und 

Architekten- Vereins 1876. V.— VIII. Heft.) 






Unter dem Namen Tachymetrie versteht man in 
neuerer Zeit eine Methode der Aufnahme von Schich- 
tenplänen mit Hilfe eines Theodoliten, der mit einem 
distanzmessenden Fernrohre versehen ist und daher die 
gleichzeitige Ablesung der Horizontal- und Vertical- 
winkel, sowie der vom Instrumente aus gerechneten 
Entfernungen gestattet. Man ist sonach im Stande, 
von einem Aufstellungspunkte aus alle drei Coordinaten 
eines jeden sichtbaren Punktes zu bestimmen, nach 
einer Methode, deren Erfindung dem Mailänder Pro- 
fessor Porro und deren Ausbildung dem französischen 
Ingenieur Mo in ot zugeschrieben wird, die aber, worüber 
fast alle sachverständigen deutschen Schriftsteller einig 
sind, durchaus kein neues Princip enthält. Auch die 
besonders zu dieser Aufnahmemethode construirten In- 
strumente von Richer in Paris und G. Starke in 
Wien, Tacheo- und Tachymeter**) genannt, sind nichts 
weiter als Theodoliten mit distanzmessendem Femrohr 



*) Die SchnellmesskuDst mit gewöhnlichen Instrumenten. 

**) Wir ziehen die von dem griechischen taxvq, schnell, ab- 
geleitete Benennung „Tachymeter** (Schnellmesser) vor, da man 
unter Tacheometer einen Schnelligkeitsmesser verstehen kann, 
unter welchem Namen Instrumente auftreten, mit denen man Ge- 
schwindigkeiten , z. B. der Eisenbahnzüge, misst. Da übrigens 



und Bussole. Den zur bequemeren Ausredmung der 
Distanzen und Höhenunterschiede angewandten logarith- 
mischen Rechenschieber, sowie den auf Kartenpapier 
gezeichneten Transporteur zum Auftragen der gemes- 
senen Horizontalwinkel rechnet man in der Regel zum 
Tachymeterapparate. 

Die im U. Artikel besprochene neue Auflage von 
Hartner's niederer Geodäsie enthält, wie daselbst be- 
merkt wurde, einen Anhang, welcher sich sehr ausführ- 
lich über die tachymetrische Aufnahmemethode ver- 
breitet, dabei sich einestheils dem Werke von Moinot: 
„Leves de Plans ä la Stadia'^ anschliesst» aber auch 
zugleich die reichen Erfahrungen verwerthet» die öster- 
reichische Ingenieure schon seit mehreren Jahren mit 
dieser Aufnahmemethode gemacht haben. 

Die neue Auflage des v. Bauernfeind'scheD 
Werkes, Elemente der Vermessungskunde, beecfareibt 
zunächst in der I. Abth., S. 404, das Tacheometer von 
Moinot und in der II. Abtheilung, Seite 321, die 



der eigentliche Schnellmesser der ausübende Ingenieur Min loD» 
und man mit dem in Rede stehenden Instmmente im Stande Irtr 
alle Bestimmungen für die Lage eines Ponktes von eiiiea 
Standorte des Instrumentes aus zu machen, so wtirde Jedoifidb 
die Benennung Pantometerfür dasselbe beieidmendar 



513 



Nagel, Zur Literatur der Geodäsie. 



514 



Anwendung desselben zur Aufnahme der Horizontal- 
curren. 

An letztgenannter Stelle sagt y. Bauernfeind: 
„Seit man den Universalinstrumenten, welche 
Theodolit, Nivellirinstrument und Distanzmesser 
zugleich sind, den Namen „Tacheometer" bei- 
gelegt hat (seit 1865), giebt es auch eine „Ta- 
cheometrie der Terrainaufnahme** und viele 
Ingenieure scheinen zu glauben, dass mit der 
Erfindung dieser Namen auch neue Gattungen 
von Messinstrumenten und Aufnahmsmethoden 
ins Leben getreten seien. Das ist jedoch keines- 
wegs der Fall, denn die Ertel'schen und 
S t a m p f e r 'sehen Universalinstrumente bestehen 
seit mehr als 40 Jahren, und es ist bereits 
über 30 Jahre , dass der Verfasser und sein 
College Prof. Culmann das erstgenannte In- 
strument bei der Terrainaufnahme für den Bau 
der bayerischen Südnordbahn durch das Fichtel- 
gebirge fast ganz in der Weise verwendet haben, 
welche vor Kurzem von Porro in Italien und 
Moinot in Frankreich so lebhaft empfohlen 
wurde. Nur vom Rechenschieber, der gegen- 
wärtig ein wesentliches Zubehör des Tacheo- 
meters ist, haben wir damals keinen Gebrauch 
gemacht.'' 
Referent kann sich diesen Ausführungen nur an- 
schliessen und constatiren, dass er bereits im Jahre 
1849 von der bayerischen Tracirungsmethode unter Zu- 
grundelegung von Schichteuplänen, d. h. von der Lö- 
sung der Aufgabe, die kürzeste und dabei sich mög- 
lichst der Erdoberfläche anschliessende Linie zwischen 
zwei gegebenen Punkten innerhalb gegebener Grenzen 
der Steigungen und Curven zu ermitteln, ebenso Kennt- 
niss erhalten hat, wie von der dabei angewandten, von 
dem bayerischen See tions- Ingenieur Brückner erfun- 
denen rationellen Massenvertheilungsmethode, welche 
erst später, im Jahre 1856, durch Professor Bauern - 
f eind unter dem Namen „Massennivellement" veröfiFent- 
licht mirde. Seit 1849 ist Referent bestrebt gewesen, 
seine Studirenden mit diesen vorzüglichen bayerischen 
Methoden bekannt zu machen , wenn er auch die Auf- 
nahme der Schichtenpläne meist nach anderen, für seine 
speciellen Uebungeu und die damit verfolgten Zwecke 
ihm geeigneter erscheinenden Methoden hat bewirken 
lassen, üebrigens dürfte nicht unbekannt geblieben 
sein, dass die im Jahie 1828 durch Herrn Pauli 
(gegenwärtig Oberbaudirector; erfolgte Aufsuchung der 
Trace für den in den Jahren 1836—45 erbauten Lud- 
wigscanal (Donau- Main -Canal) in Bayern zum Theil 
ebenfalls auf der Grundlage von Niveaulinien erfolgt ist. 

CWIlingenlear XXIII. 



Die tachymetrische Aufnahmemethode, insbesondere 
nachdem sie von Moinot im Grossen bei seinen viel- 
jährigen Tracirungsarbeiten angewendet und von ihm 
dabei ein rationelles Verfithren geschaffen worden ist, 
leistet Vorzügliches bei der Aufnahme von Schichten- 
plänen für Eisenbahntracirungen , weil durch dieselbe 
die Resultate in selir kurzer Zeit mit dem für diesen 
speciellen Zweck ausreichenden Genauigkeitsgrad erlangt 
werden. Wenn aber Porro in seinen im „Giornale 
del Ingegnere-Architetto ed Agronomo, Anno XIII" 
veröffentlichten drei Vorlesungen*) über die Geschwind- 
messkunst so grossen Werth darauf legt, dass durch 
seine Methode die „numerische Gleichung der 
Terrainfläche" erhalten werde und dabei ausführt, 
dass nur sein Instrument (Klepscyclus) — das, neben- 
bei bemerkt, weniger Glück als seine Methode gehabt 
hat — das einzige rationelle sei und alle andern In- 
strumente nur als Ergebniss mehr oder weniger weit 
getriebener Verstümmelungen, von unwissenden Prak- 
tikern und von Mechanikern niedern Ranges ausge- 
gangen, zu betrachten seien, und dass bei seiner Me- 
thode der Messtisch, bezüglich dessen man sich schämen 
müsse, ihm vom Jahre 1576 an treu geblieben zu sein, 
ausgeschlossen bleibe, so können wir uns über den 
einseitigen Standpunkt dieses sonst so genialen Mannes 
nur wundem, von dem aus er, nicht vorurtheilsfrei, 
über Hilfemittel den Stab bricht, die unter Umständen 
sehr zweckmässige Verwendung finden und die jeden- 
falls erst berufen sind, seiner Methode eine Zukunft zu 
bereiten.**) 

Der gepriesenen „numerischen Gleichung der Ter- 
rainöäche" messen wir in dem vorliegenden Falle einen 
so hohen Werth nicht bei, da diese Resultate ja zu 



*^ Finden sich übersetzt im ,,CiYÜingemeur", XL Band (1866), 
S. 474 u. f. 



•♦> 



') Wir haben bisher häufig die Gelegenheit gehabt, zu be- 
merken, dass als grösste Eiferer gegen die Messtischmessung sich 
solche zeigen, die gar nicht im Stande sind, mit dem Messtisch 
eine Aufnahme rationell auszuführen. Eine gute Messtischauf- 
nahme erfordert allerdings einen ausserordentlichen Ueberblick, 
grosse Correctheit und viel Routine und wir halten sie, um einen 
angemessenen Genauigkeitsgrad zu erzielen, unter den Horizontal- 
messuDgsmethoden. trotz ihres sohr einfachen Princips, für die 
schwierigste. Ein rationeller Messtischaufhehmer, wenn er sonst 
die ausreichenden Kenntnisse besitzt, wird sich schnell und leicht 
in jede andere Messungsart einarbeiten, während das umgekehrte 
nicht immer behauptet werden kann. Welches verhältnissmässig 
grossen Genauigkeitsgrades die Messtischaufiiahme fähig ist, hat 
seiner Zeit die mit der österreichischen Landesvermessung ver- 
bundene graphische Triangulirung bewiesen, obgleich wir durch 
diese Bemerkung einer derartigen Organisation einer Landesver- 
messung niemals das Wort reden wollen. 

33 



515 



Nagel, Zur Literatur der Geodäsie. 



516 



Nichts weiter als zur graphischen Darstellung des Ge- 
messenen gebraucht werden können. Wir leisten ge- 
wiss den Bestrebungen, die Messungsresultate in Zahlen 
auszuwerfen, gern Vorschub; dann müssen sie aber 
einen grösseren Grad von Zuverlässigkeit liefern, als 
ihn die Tachymetermethode zu gewähren vermag. Eine 
Messungsmethode aber, die zwar die Winkel bis auf 
1 



lÖÖ 



Grad genau geben kann, hingegen die Entfer- 



nungen nur etwa bis auf ^^ derselben zuverlässig 

zu bestimmen vermag, ja, die sogar durch die mit dem 
Instrument verbundene Bussole die Orientirung des 
Instrumentes bis nur auf V« Grad genau verbürgt und 
die nach Moiuot die genau gemessenen Winkel mit- 
telst eines auf Hörn oder Kartenpapier gezeichneten 
Transporteurs zur graphischen Darstellung des Gemes- 
senen verwendet, bietet keineswegs einen solchen Ge- 
nauigkeitsgrad, bei dem es sich der Mühe verlohnt, die 
Resultate unbedingt in Zahlen zu erlangen. 

Die Aufnahme mit dem Messtisch steht gewiss hin- 
sichtlich des Genauigkeitsgrades dieser Methode nicht 
nach und was die Schnelligkeit anlangt, so sind wir 
der Ueberzeugung, dass bei gehöriger Construction der 
Kippregel die Tachymetermethode mit dem Messtisch 
noch schneller sichere Resultate liefern wird, als das 
bisherige Verfahren. Hierbei darf nicht unbeachtet 
bleiben, dass das Eintragen der interpolirten Niveau- 
curven gleich vom Standpunkte des Messtisches aus in 
viel grösserer Uebereinstimmung mit dem natürlichen 
Terrain erfolgen kann, als auf die bisherige Weise im 
Zimmer, wobei oft Irrungen nicht ausbleiben können. 

Dagegen hat aber auch die Tachymetermethode, 
welche die gesuchten Coordinaten in Zahlen finden läsSt, 
den wesentlichen Vortheil, dass man selbst unter Wit- 
terungsverhältnissen arbeiten kann, die sonst das Auf- 
nehmen mit dem Messtisch nicht gestatten, dass man 
ferner im Stande ist, die Zeiten, die wegen schlechter 
Witterung das Arbeiten im Freien überhaupt verbieten, 
im Bureau mit Ausarbeitung des Gemessenen auszu- 
nutzen und dass endlich durch selbige die Arbeiten 
im Freien abgekürzt, die Büreauarbeiten vermehrt und 
dadurch unter Umständen die Kosten der Darstellung 
vermindert werden. 

Daher hat jede Methode ihre Vortheile und ihre 
Nachtheile, und ein tüchtiger Ingenieur sollte mit jeder 
vertraut sein, um sie eintretenden Falls mit Voi-theil 
in Anwendung bringen zu können. 

Seit dem Erscheinen von Moinot's „Leves de 
Plans ä la Stadia" sind mehrere Schriften über Tachy- 
metrie aufgetaucht, von denen sich einzelne die Auf- 



gabe stellen, die tachymetrischen Berechnungen, inso- 
weit selbige nicht durch den Rechenschieber bewirkt 
werden, durch Tabellen zu erleichtem, andere wiederum, 
diese Berechnungen durch anzubringende Vorrichtungen 
an dem tachymetrischen Instrument ganz überflüssig 
zu machen. Die beiden ersten oben annoncirten Werk- 
chen gehören zur ersten, die beiden letzten zur zweiten 
Gattung. 

Die tachymetrischen Tabellen bestehen theils 
in den bekannten Coordinaten-, theils in Reductions- 
Tabellen. Die letzteren haben den Zweck, die Hori- 
zontaldistanz und den Höhenunterschied aus dem ab- 
gelesenen Lattenabschnitt und dem Höhenwinkel oder 
der Zenithdistanz zu geben. Hierbei ist zu unterscheiden, 
ob die Distanztatte immer rechtwinklig zur Gollimations- 
linie des Fernrohres, oder ob sie vertical gehalten wird. 
Gewöhnlich findet in der tachymetrischen Praxis das 
letztere statt. Dann bestehen für die Horizontaldistanz 
D und für den Höhenunterschied H zwischen der ho- 
rizontalen Drehachse des Fernrohres und dem vom 
Mittelfaden des letztern eingestellten Punkte an der 
Latte (auch vertreten durch den durch das arithme- 
tische Mittel der Ablesungen am Ober- und Unterfaden 
gegebenen Punkt) die Formeln 

I) = K, L . co8^ a -\- e . cos ci '^ 11= , L.9in2x'\- c,»ina 
für Reichenbach's, 

für Porro's Distanzmesser. 

Bekanntlich ist in diesen Formeln K eine von dem 
Abstände des Ober- und Unter&dens und von den 
Brennweiten der Objectiv- und CoUectivlinse abhängige, 
gewöhnlich zu 100 oder 200 herbeizuführende Constante, 
L der abgelesene Lattenabschnitt, a der abgelesene 
Höhenwinkel der mittleren Visur, c beim Reichen- 
bach 'sehen Distanzmesser eine Constante, nämlich die 
Entfernung des vor dem Objectiv des Fernrohrs liegen- 
den Brennpunktes der Objectivlinse von der horizon- 
talen Drehachse des Fernrohrs. * 

Die eine Reductionstabelle hat nur den Werth 

mit den Eingängen a und Z, oder, wie man sagt» die 
Vielfachen von K, cos^ a darzustellen. Dieser Werth ist 
für den Porro 'sehen Distanzmesser ohne Weiteres die 
gesuchte Horizontaldistanz D; dagegen ist bei Anwen- 
dung des Reichenbach'schen Distanzmessers nodi 
die Grösse ccosa hinzuzufügen. Dies erscheint etw«B 
unbequem, ist es aber nicht, da c klein, meist kleiner 
als 0,5 Meter ist, der Winkel a in der Praxis 25® selten 



517 



Nagel, Zur Literatur der Geodäsie. 



518 



und 40® wohl Die überschreitet. Man könnte sich 
demnach nöthigenfalls für sein Instrument ein kleines 
Täfelchen construiren, aus dem man diesen Werth bis 
auf Gentimeter genau erhält. Es ist z. B. für c=0,5 "* 
und für 

a=0^ 10«; W; 20^ 25«; 30«; 35«; 40«; 
c.(^5a=0,5; 0,49; 0,48; 0,47; 0,45; 0,43; 0,41 ; 0,38". 

Da nun die Distanzen höchstens bis auf Decimeter 
mit dem Distanzmesser abgelesen werden können, die 
Constante c aber gewöhnlich kleiner als 0,5" auftritt, 
so reicht es aus, bis zu Neigungen von 25« die Con- 
stante c selbst anstatt ceosa dem aus der Tabelle 
entnommenen Werthe hinzuzufügen. 

Eine zweite Tabelle würde den Höhenunterschied 
H zu geben haben. Hier kann man aber nicht unter 
allen Umständen — insbesondere wenn es sich um 
einen grösseren Genauigkeitsgrad handeln sollte — die 
für den Porro 'sehen Distanzmesser ohne Weiteres an- 

K 

wendbare Tabelle, die die Höhe H=-^.L,sin2a mit 

den beiden Eingängen a und L giebt, auch für den 
Eeichenbach'schen Distanzmesser anwenden, da das 
hinzuzufügende Glied c.sina mit a viel veränderlicher 
auftritt als ccosa und eigentlich eine besondere Tabelle 
erfordert, die allerdings, wie wir weiter unten sehen 
werden, unter gewissen Umständen auch vermieden 
werden kann. Daher dürfte es zweckmässig sein, die 
Höhentabelle nach der Formel 

mit den Eingängen a und D zu construiren, welche 
ebenso für den Reichenbach 'sehen als für den Porro'- 
schen Distanzmesser anzuwenden ist. Wenn 2> aus der 
ersten Tabelle beziehentlich unter Hinzufügung von 
ceosa für den Reichenbach'schen Distanzmesser ge- 
funden ist^ benutzt man es als Eingang in die zweite 
Tabelle, um auf bekannte Weise auch H zu ermitteln. 

Die beiden oben angezeigten Tabellenwerke ent- 
halten solche Reductionstabellen. Der letzte Fall der 
Bestimmung von H ist durch das erste, der oben er- 
wähnte erste Fall durch das zweite Werk vertreten. 



Erede^ La Celerimensura cogli strumenti comuni 

enthält zunächst auf 90 Seiten die tan und cotan^ so- 
wie die 1-, 2-, 3- ... . 9- (also viel-) fachen sin und 
cos der Winkel von Minute zu Minute mit 5 beziehent- 
lich 4 Decimalen, welche zur Berechnung der Coordi- 
naten dienen, aber auch ziir Berechnung des erwähnten 
Gliedes c.sina in der Formel für H benutzt werden 



können. Unter den bekannten Coordinatentabellen für 
die Sexagesimaltheilung hat diese mit der Defert'schen 
den weitgehendsten Umfang. Hierauf folgt auf 6 Seiten 
die zweite Tabelle zur Berechnung der Höhenunter- 
schiede nach der Formel n=D.tana (oder nach der 
Bezeichnung des Verfassers: K.tana) mit den vielfachen 
tan von 5 zu 5 Minuten bis 30« ebenfalls mit 5 be- 
ziehentlich 4 Decimalen. Endlich ist auf den beiden 
letzten Seiten die dritte Tabelle zur Reduction der an 
der senkrechten Latte abgelesenen Distanz auf den 
Horizont nach der Formel 

mit den 1-, 2-, 3- ... . 9-fachen cos-a mit 4 Deci- 
malen bis zu 10« von 30 zu 30' und von 10« bis 30« 
von 20 zu 20' enthalten. Die beiden Reductionstabellen 
können also sowohl für den Porro 'sehen wie für den 
Reichenbach'schen Distanzmesser angewendet werden. 

Den Tabellen geht auf 31 Seiten ein Text voran, 
welcher in sehr ausführlicher, hier und da in zu um- 
ständlicher Weise die tachymetrische Methode erklärt 
und auch nachweist, dass es nicht blos das anallatische 
Fernrohr Porro 's ist, mit dem man schneir messen 
kann, sondern dass sich dazu das gewöhnliche Fem- 
rohr (es ist damit das Reichenbach 'sehe gemeint) 
ebenfalls leicht eigne. Der Verfasser giebt dabei an, 
wie eine Distanzlatte einfach für den Reichenbach'- 
schen Distanzmesser einzurichten sei, um die Distanz 
direct ablesen zu können, ohne immer, wie an den 
bayerischen Latten, genöthigt zu sein, den Nullpunkt 
der Latte mit dem einen Faden einzustellen. Er bringt 
nämlich auf der einen Hälfte der Skalenseite neben 
jedem Zehnerstriche der Theilung noch einen Theil- 

strich an, der um denjenigen Betrag (-=) höher liegt, 

um welchen der Lattenabschnitt grösser abgelesen wer- 
den muss, damit dieser Abschnitt mit dem bekannten 
Coefficienten (K) multiplicirt die Entfernung (D) von 
der Drehungsachse des Fernrohres giebt. Man braucht 
dann bei der Distanzmessung nur den einen Faden auf 
eine solche Marke, den anderen aber auf die richtige 
Theilung einzustellen und die Ablesung so zu bewirken, 
als stehe der erstere Faden auf dem nächstliegenden 
Zehnerstrich ein. Wir haben schon im IL Artikel be- 
merkt, dass wir jede derartige Künstelei an der Latte 
für überflüssig halten, da, wie wir auch oben wieder 
gesehen haben, das Hinzufügen einer kleinen Con- 
stanten zur abgelesenen Distanz so gut wie keine Mühe 
verursacht. 

Nachdem der Verfasser im I. Cap. die Methode 
der Distanzmessung nach Reichenbach und Porro 

33* 



519 



!Nage], Zar Literatur der (ieodäsie. 



52() 



besprochen und die Theorien entwickelt, giebt er im i 
IL Cap. die Formeln für die Coordinaten sowohl in 
horizontaler als in verticaler Richtung , behandelt im 
III. Cap. fünf der bei der Schnellmessung auftretenden 
Aufgaben, bespricht im IV. Gap. die Rechnungsmittel: 
logarithmischer Rechenschieber und Tabellen, im Y. Cap. : 
die Operationen der Tachymetrie auf dem Felde nach 
Porro und Moinot und schliesst im VI. Cap. mit 
den Bureauarbeiten seine beachtenswerthe Schrift. 



Mareks ^' Balke^ das Terrain- Relief. 

Der wesentlichste Theil dieses Werkes ist die auf 
48 Seiten enthaltene Tafel, welche die tachymetrischen 
Werthe 

K . L . cos^ a und -— - . X . «in 2 a 

2 

für K = 100 mit den Eingängen : Lattenabschnitt L 
(== 1, 2, 3 . . . . 9) und Höhenwinkel a von Minute 
zu Minute in einem für tachymetrische Zwecke aus- 
i-eichenden Umfange von 0^ bis 24" der Sexagesimal- 
theilung des Kreises giobt. Die Anordnung ist eine 
übersichtliche und bequeme, das Format handlich. Das 
die Tachymetrie ausübende Publicum dürfte diese Ta- 
bellen mit Freuden begrüssen, da dieselben bis jetzt 
sowohl hinsichtlich ihres Umfangs als hinsichtlich der 
Kleinheit der Intervalle unübertroffen dastehen. 

Um so mehr ist es aber Pflicht, darauf aufmerk- 
sam zu machen, dass die letzte Decimalstelle nicht 
immer vollständig sicher ist. So findet sich z. B. für 
L = 5 bei 15^15' der Höhenunterschied zu 126,89, 
während er nur zu 126,88 angegeben sein sollte, da die 
strenge Rechnung 126,8846 giebt. Aehnliche Abwei- 
chungen,, die ofiFenbar in der nicht ganz scharfen Ab- 
rundung der letzten Decimalstelle ihren Grund haben, 
finden sich fast in jeder Zeile. Nun werden zwar diese 
kleinen Unsicherheiten auf die praktische Verwendbar- 
keit der Tabellen keinen Einfluss ausüben, weil man 
die Angaben gewöhnlich nicht bis zu dem Genauigkeits- 
grade braucht, der die Sicherheit der letzten Decimale 
erheischt; immerhin macht man aber an ein Zahlen- 
werk den Anspruch der grössten Correctheit, insbeson- 
dere dann, wenn dieselbe, wie hier, ohne grosse Schwie- 
rigkeit zu erlangen ist. 

Auch von Druckfehlern, oder wohl besser Manu- 
scriptfehlem , ist dieses Tabellen werk nicht ganz frei. 
Zufällig sind wir auf einen sich über eine ganze Seite 
verbreitenden gestossen. Es sind nämlich die Höhen- 
unterschiede unter dem Lattenabschnitte 6,oo von 19^32' 
bis 19*^60' sämmtlich um eine Einheit zu gross. Es 



dürften daher wohl die sonst so überaus bequemen 
Tabellen mit einiger Vorsicht zu gebrauchen, den Ver- 
fassern würde aber zu empfehlen sein, dieselben einer 
genauen Controle zu unterwerfen und nöthigen£Edls ein 
Fehlerverzeichniss folgen zu lassen. 

Die Höhentabelle gehört zu den oben im Allge- 
meinen besprochenen für den Porro 'sehen Distanz- 
messer bestimmten. Die Verfasser wollen sie aber iiir 
den Reiche nb ach 'sehen unter der Voraussetzung in 
Anwendung bringen, dass die Constante c.sina vernach- 
lässigt, der Höhenunterschied also von der Drehungs- 
achse des Fernrohres aus gerechnet wird, während die 
Tabelle ihn nur vom vorderen Brennpunkte der Objec- 
tivlinse aus giebt. Um den, wie wir oben gesehen, 
nicht allenthalben zu vernachlässigenden Fehler in der 
Horizontaldistanz sowohl als im Höhenunterschied za 
vennindern, schlagen die Verfasser vor, die Entfernung 
der horizontalen Fäden des Fadennetzes so zu regu- 
liren, dass eine von der Drehachse des Fernrohres an 
gerechnete horizontale mittlere Distanz von etwa 200 
Metern direct durch Multiplication der Gonstanten 
K = 100 mit dem abgelesenen Lattenabschnitt erhalten 
wird. Man bekommt dann bei Vernachlässigung der 
Constanten c die mittlere und die in der Nähe der- 
selben liegenden Distanzen richtig, die grossem zu gross 
(nicht zu klein, wie die Verfasser behaupten), die klei- 
neren zu klein.*) Wenn der Lattenabschnitt noch ein- 
mal so gross wie der für die mittlere Entfernung sich 
ergiebt, so kommt die durch vorgenanntes Verfahren 
entstehende Vernachlässigung in der Distanz dem ab- 
soluten Werthe c gleich. Dieser Umstand dürfte bei 
grossen und kleinen Distanzen nicht immer ohne Be- 
rücksichtigung zu lassen sein. 

Uebrigens kann man die vorliegende Tafel selbst 
sehr leicht zur Ermittelung des an dem aus derselben 

TT" 

entnommenen Werthe -^.L.sin2a anzubringenden Cor- 

rectionsgliedes c . sin a, welches ja die Verticalprojection 
von c repräsentiit, benützen, da für jeden Neigungs- 
winkel die Horizontal- und die Verticalprojection einer 
und derselben Grösse nebeneinanderstehen und man 



I _. 



*) Ist X der mittlere Lattenabschnitt, fdr welchen die Con- 
stante K==100 bestimint ist, dann ist für irgend eine DiBtani D, 
zu der der Lattenabschnitt L gehört: 

D^IOO.I/— — -J-^c, 

worin das letzte Glied den Fehler repräsentirt, um welchen die 
Distanz zu gross (für X > A) oder zu klein (für X < 1) eriialtai 
wird, wenn man zur Ermittelung der Distans einfach nur d« 
Lattenabschnitt mit 100 multiplicirt. 



521 



Nagel, Zur Literatur der Geodäsie. 



522 



meist c anstatt ccosa als die gegebene Horizontalpro- 
jection ansehen kann. 

Zum Beispiel hätte man mit einem Reichen- 
bach 'sehen Distanzmesser, dessen Gonstanten £*= 100 
und c=0,5" seien, gefunden L = 1,748" und a = 
2O«20'. 

Die Horizontalprojection für c = 0,5^ ist nach dem 
oben (S. 517) aufgeführten einfachen Täfelchen c,cosa= 
0,47° hinreichend genau, wozu sich die Verticalprojec- 
tion mit Hilfe der Tabellen auf der Horizontalen für 
a = 20** 20' durch folgende einfache Rechnung findet : 
Horizontalprojection. Verticalprojection. 

Gegeben 0,470, 

für 0,4397 giebt die Tabelle 0,i62 
Rest 3030 



für 



2639 



Rest 3910 
für 3520 



>» 



>> 



>> 



99 



>» 



>> 



0,010 
0,001 

0,173. 



daher zu 0,47 gehört 

Hierzu in derselben Horizontalen für er = 20® 20' 
und für L = 1,748™ ermittelt: 



153,24 



in 



56,789'" 



mithin 153,7i™ 56,962"* 

= Horizoutaldistanz ; = Höhendifferenz ; 

von der Drehachse des Fernrohres aus gerechnet. Da 
man die Höhenunterschiede für tachymetrische Arbeiten 
nicht auf Millimeter genau sucht, so lässt sich obige 
Ermittelung noch abkürzen. 

In neuerer Zeit kommt man immer mehr davon 
ab, für Verticalmessungen die HöhenvoUkreise zum Ab- 
lesen der Elevations- und Depressionswinkel einzurichten ; 
man giebt diesen Kreisen vielmehr eine solche Bezif- 
ferung, dass die Verticalwinkel als Zenithdistanzen er- 
halten werden, wodurch die Unsicherheit vermieden 
wird, der man leicht bei Bestimmung des Vorzeichens 
ausgesetzt ist, wenn der Höhenwinkel sich in der Nähe 
von 0^ befindet. G. Starke 's Tachymeter giebt eben- 
falls Zenithdistanzen. 

Die in Rede stehenden Tabellen sind aber nur für 
Elevationswinkel eingerich^t. Hat man daher Zenith- 
distanzen abgelesen, so sind diese Tabellen nur zu ge- 
brauchen, wenn vorher die Zenithdistanzen von 90^ 
abgezogen werden, was bei vielen Hunderten von der- 
artigen Messungen ziemlich unbequem wird. 

Es dürfte sich daher bei einer zukünftigen neuen 
Auflage empfehlen, neben den bisherigen Minuten- 
rubriken noch je eine Minutenrubrik mit darunter be- 
findlicher Gradzahl für Zenithdistanzen anzubringen. 
Keferent hat das dem Dresdner Polytechnikum gehörende 
Exemplar in dieser Weise vervollständigt, indem er die 



besagten Minutenrubriken auf Streifen hat drucken und 
letztere an die betreffenden Stellen hat kleben lassen. 

Der den Tabellen auf 54 Seiten vorgedruckte Text 
bespricht theils die Theorie, theils die praktische Durch- 
führung der tachymetrischen Messung. Während der 
praktische Theil, welcher insbesondere das Verfahren 
der Aufnahme des Terrain-Reliefs auseinandersetzt, 
manche beachtenswerthe Winke für tachymetrische Ar- 
beiten enthält, ist der theoretische Theil unbrauchbar 
und wäre besser ungeschrieben geblieben, da er, nament- 
lich so weit er das distanzmessende Fernrohr betrifft, 
einen mit dem Stoff noch Unbekannten nicht zu be- 
lehren, einen Halbeingeweihten aber nur zu verwirren 
vermag. Die Unklarheit ist auch der Grund, weshalb 
die Verfasser zu der Meinung gelangt sind, als sei beim 
Reichenb ach 'sehen Distanzmesser die Constante c zu 
subtrahiren, anstatt zu addiren. Glücklicher Weise 
bleibt diese Theorie ohne jeden Einfluss auf die Brauch- 
barkeit der Tabellen. Auch die geschichtlichen Notizen 
in Bezug auf die Terraindarstellung durch Horizontal- 
curven und in Bezug auf das erste Auftreten des di- 
stanzmessenden Fernrohres sind unrichtig. 

Zum Schlüsse wollen wir nicht unterlassen zu be- 
merken, dass ausser den hier besprochenen Tabellen 
von Erede und von Marcks & Balke insbesondere 
noch solche vom Prof. Tinter in Wien existiren, welche 
derselbe im Jahre 1873 für die Werthe 200 L.sin^g 

(=^ 200 L , cos^ a) und -^ -L.sin2is{=^- ^~L.sin2a) 

mit den Eingängen der Zenithdistanz g von 1*^ zu V 
und beziehentlich von 30' zu 30', und L von 0,02 zu 
0,02 Meter fortschreitend in der Zeitschrift des öster- 
reichischen Ingenieur- und Architekten- Vereins, sowie 
durch Separatabdruck unter dem Titel: „G. Starke 's 
Tachymeter" veröffentlicht hat. 

Der neue Tacheometer von Frant Kreuter, 

Obgleich nach Mein ot 's Methode die tachymetri- 
schen Arbeiten sehr rasch von Statten gehen, so bleibt 
doch die Berechnung der zahlreichen Coten, trotz der 
Anwendung des Rechenschiebers und der Reductions- 
tabellen, immer eine zeitraubende und ermüdende. 

Deshalb sind bereits mehrfache Versuche gemacht 
worden, ein Messinstrument so einzurichten, dass die 
Berechnungen ganz oder theilweise wegfallen. 

Der Verfasser des oben unter 3) angezeigten Schrift- 
chens hat ein derartiges Instrument angegeben und in 
dem Münchener Reichenbach 'sehen mathematisch- 
mechanischen Institut anfertigen lassen, welches alle 
Beachtung verdient. Der Verfasser sagt, es sei sein 



523 



Nagel, Zur Literatur der Geodäsie. 



524 



Bestreben dahin gerichtet gewesen , nicht ein Special- 
Instrument „für gewisse Zwecke, sondern ein wirkliches 
Universal-Instrument für alle Feldarbeiten des Ingenieurs 
zu schaffen." 

Dies ist insofern richtig, als die Vorrichtung spe- 
ciell für die tachymetrischen Arbeiten an einem mit 
den neuesten Verbesserungen versehenen grösserem 
£ r 1 6 1 'sehen Niv ellirinstrument mit Horizontalkreis, 
welches die Vornahme aller Aussteckungen, Horizontal- 
winkel-Messungen und Präcisionsnivellements ermög- 
licht, angebracht wird und sich nach Bedarf ohne 
Schwierigkeit abnehmen und wieder anbringen lässt. 
Das Gotiren, Situations- und Querprofilaufnehmen kann 
mit dem aufgesetzten Tachymetrirapparat mit derselben 
Baschheit erfolgen, wie bei Anwendung des Richer'- 
schen Tachymeters, vor welchem sich aber das Ereu- 
t er 'sehe Instrument „dadurch auszeichnet, dass ab- 
solut nichts mehr gerechnet zu werden braucht, 
indem sich jede Horizontal-Distanz und jede 
Höhencote ohne Weiteres am Instrumente ab- 
lesen lässt und die im Feldnotizbuche enthaltenen 
Daten unmittelbar zur Anfertigung der Pläne benutzt 
werden können." 

Der Tachymetrirapparat besteht in drei Maassstäben, 
von denen der eine parallel mit dem Fernrohr, der 
zweite horizontal und der dritte vertical an dem ge- 
nannten Üniversalnivellir-Instrument so angebracht wer- 
den, dass deren Theilungsmittellinien , in die parallele 
Lage der einzelnen Seiten des in der Natur zu messenden 
rechtwinkligen Dreiecks gebracht, ein diesem ähnliches 
Dreieck einschliessen , dessen Seitenlängen an den auf 
den drei Maassstäben befindlichen Theilungen direct 
abgelesen werden können. Die Hypotenuse dieses 
Dreiecks wird in der Natur mittelst des distanzmessen- 
den Fenirohrs des Universalinstruments gemessen und 
dann an dem betreffenden Maassstabe eingestellt, worauf 
nach gehöriger Einstellung des horizontalen und ver- 
ticalen Maassstabes die Horizontaldistanz und der 
Höhenunterschied abgelesen werden können. 

Obwohl wir das besagte Instrument nur aus der 
Beschreibung in dem vorliegenden Buche kennen, 
glauben wir doch, es als einen wesentlichen Fortschritt 
unter den Tachymetem bezeichnen zu können. 

Nach der nöthigen Beschreibung des Instruments 
und der dazu construirten neuen Distanzlatte werden 
Regeln über die Handhabung und Justirung desselben 
gegeben. 

Der zweite Abschnitt handelt alsdann von den 
Feldarbeiten und bespricht die Organisirung derselben 
bei Tracirungen. Der dritte und letzte Abschnitt be- 
handelt endlich die Hausarbeiten, insbesondere die An- 



fertigung der Schichtenpläne und das Auftragen der 
Querprofile. Ein Anhang giebt noch eine Tabelle zur 
Verwandlung der neuen Kreistheilung in die alte und 
umgekehrt, 'die Formel für die Länge der Ereisböga 
bei der neuen Theilung, Formeln für das Bogenab- 
stecken mittelst Winkelmessinstruments und endlich die 
Längen der trigonometrischen Linien von 0,5 zu 0,$ 
Grad der Centesimaltheilung. 

Das Werkchen ist als eine unentbehrliche Instrac- 
tion für diejenigen zu betrachten, die sich des neuen 
Tachymeters bedienen wollen. 

C. Wagner^ 9 Taehygraphometer von IVof, Ttnier. 

Ingenieur C. Wagner ist noch einen Schritt weiter 
gegangen alsKreuter, er hat den Tachymeterapparat, 
der im Princip analog dem K reut er 'sehen ist, mit 
Kippregel und Messtisch, anstatt mit einem Universal- 
Nivellirinstrument, in Verbindung gebracht, so dass 
man mit demselben im Stande ist, auf dem Messtisdifi 
nicht allein in der gewöhnlichen Weise die Visirlinien 
nach den einzelnen Punkten zu verzeichnen , sondern 
auch ohne Weiteres die mit dem Distanzmesser be- 
stimmten Entfernungen nach diesen Punkten im ver- 
jüngten Maassstabe aufzutragen. Bereits im Jahre 1868 
hat Wagner das Tachygraphometer genannte Instru- 
ment ausfuhren und seit dieser Zeit mit mancherlei 
Verbesseiningen versehen lassen. 

Der an der Kippregel angebrachte „ Projections- 
Apparat^' ist analog dem K reut er 'sehen Tachymetrir- 
apparat zum Ablesen der einzelnen Seiten des beim 
Tachymetriren in Anwendung kommenden rechtwink- 
ligen Dreiecks eingerichtet; es ist aber damit zngleidi 
noch „der Kartir-Apparat'' verbunden, der es eben er^ 
möglichen soll, die auf den Horizont reducirten Di- 
stanzen ohne Anwendung von Zirkel und Transversal- 
maassstab nur durch den Druck auf den Kopf eines 
mit einer Nadelspitze versehenen verticalen Cylinders, 
der alsdann durch eine Spiralfeder wieder in die Hohe 
geschoben wird, auf die horizontale Messtischplatie 
überzutragen. 

Um aber auch bei Witterungsverhaltnissen, bei 
denen das Arbeiten mit dem Messtische, also eigent- 
lich die graphische Winkelbestimmung, wegen des Feacbt- 
werdens des Papiers nicht angeht, dennoch im Frei^ 
arbeiten zu können, ist der Apparat so eingerichtet, 
dass die Messtischplatten sich von dem sogenanntes 
Aufsatze abschrauben, dagegen aber mit letzterem sich 
die Kippregel verbinden lässt. Der Aufsatz entliih 
einen eingetheilten Kreis, so dass nun mit diesem Ap- 
parat die Winkel in Gradmaass erhalten werden kSmieii. 



j 



Nagel, Zur Literatur der Geodäsie. 



526 



er Verfasser der vorliegenden Schrift , der die- 
ebenso wie früher viele Artikel über in Wien aus- 
te Instrumente» zuerst in der Zeitschrift des 
dchischen Ingenieur- und Architekten -Vereins 
intlichte, hat in derselben eine eingehende Be- 
}ung nebst Zeichnung, sowie eine Theorie des 
ments geliefert, die Prüfungen und Berichtigungen 
r an ihm gewöhnten gründlichen und wissen- 
ichen Art und Weise gezeigt und sich dadurch 
ank der die Tachymetrie anwendenden Ingenieure 
>en. 

ur wenige Bemerkungen gegen einige Ausfüh- 
i seien gestattet, die jedoch der Vorzüglichkeit 
ihrifb keinen Abbruch thun sollen, 
ezüglich der auf Seite 40 und 41 gegebenen Me- 
i der Rechtwinkligstellung der Visirachse des 
)hrs zur horizontalen Drehachse und der Parallel- 
ig der letztern zur Unterlagsebene des Lineals 
sen wir auf die Bemerkungen, die wir bereits im 
^ikel bei Besprechung der beti-effenden Prüfungen 
i Hartner'schen und Bauernfeind'schen Werke 
ht haben. Die erwähnte Eechtwinkligstellung 
ßbenfalls mit einem oder zwei Gauss 'sehen Gol- 
ren bewirkt und diese Methode namentlich auch 
e unter 5, Seite 42, aufgeführte Parallelstellung 
jhse der Fernrohrlibelle zur Visirachse des Fern- 
angewendet werden. 

uch über dieses Instrument können wir, wie über 
reut er 'sehe, ein definitives Urtheil nicht ab- 
da wir es nur aus der vorliegenden Beschreibung 
i. Der ganze Apparat will uns noch etwas zu 
fallig und zu compUcirt erscheinen. Insbeson- 
cann uns die grosse Excentricität des Fernrohrs 
zug auf die Linealkante ^ welche 8 Gentimeter 
t, nicht gefallen. Der Verfasser der vorliegenden 
: rechnet aus, dass der dadurch entstehende Fehler 
Winkelmessung ungünstigen Falls 13' betragen 
und dass, wenn dieser Fehler nicht 2' über- 
;en solle, die kürzeste Distanz, die mit der grössten 
z von 400" zusammentreffe, nicht unter 102™ 
en dürfe. Dies beschränkt allerdings die Anwend- 
t des Apparates sehr. Sollte sich nicht, wenn 
iuf die Verbindung der Kippregel mit dem Auf- 
1 einem die Winkel in Gradmaass gebenden In- 
int verzichtet, die Excentricität vermindern oder 
beseitigen lassen, indem man das Femrohr der 
ilebene durch die Linealkante naher rückt, den 
ipparat an der Ganalkante lässt, dagegen den 
tionsapparat, die Maassstäbe, nach der entgegen- 
en Seite verlegt? 
9 ist dies nur eine beiläufige Idee, deren Durch- 



führbarkeit erst beurtheilt werden kann, wenn man das 
Instrument selbst sieht. 

Der Ver£Bi.sser bespricht auf Seite 18 und 19 die 
centrische Aufstellung des Messtisches, nämlich so, dass 
die verticale Drehungsachse desselben vertical über dem 
gegebenen Punkte in der Natur liegt, mithin der ge- 
gebene Punkt auf dem Messtische im Allgemeinen gegen 
die Verticale durch den Naturpunkt excentnsch ist. Es 
wird daselbst auch berechnet, dass im ungünstigsten 
Falle die kleinste Distanz bei einer Winkelmessung nur 
340" betragen dürfte, wenn der durch diese Excentri- 
cität entstehende Fehler in der Winkelmessung nicht 
zwei Minuten überschreiten solle. 

Wir sehen nicht recht ein, warum man nicht unter 
allen Umständen den gegebenen Punkt auf dem Mess- 
tische centrisch über den Naturpunkt zu stellen an- 
ordnet, was doch eigentlich gar keine Schwierigkeit hat. 
Wenn etwa der Giiind in der Unbequemlichkeit gesucht 
werden sollte, mit der sich der Messtisch ohne Pian- 
chettenverschiebung aufstellen lässt, so können wir diese 
Unbequemlichkeit um so weniger als maassgebend er- 
achten, als sie je nach der Geschicklichkeit und Ge- 
wohnheit des Arbeiters mehr oder weniger auftritt. Die 
sächsischen (Lehmann 'sehen) Messtische haben keine 
Planchettenverschiebung, auch häufig keine Horizontal- 
stellungsvorrichtung , und doch stellt ein sächsischer 
Feldmesser in sehr kurzer Zeit den Messtisch mit dem 
auf demselben gegebenen Punkte möglichst centrisch auf. 

Mit der eine excentrische Aufstellung entschuldi- 
genden Ansicht des Verfassers, S. 19, dass man jeden 
Punkt des Messtisches als über dem gegebenen Punkte 
des Feldes, insoweit er innerhalb der Projection des 
Messtischblattes sich befinde, centrisch liegend be- 
trachten könne, weil das verjüngte Bild der Messtisch- 
platte doch eigentlich nur als Punkt auftrete, eine An- 
sicht, die unseres Wissens bereits A. L. Grelle in 
seinem 1826 herausgegebenen Handbuche des Feld- 
messens und Nivellirens ausgesprochen hat, können wir 
uns nicht einverstanden erklären. Der Herr Verfasser 
hat ja selbst ausgerechnet, dass bei vorhandener Ex- 
centricität der Aufstellung die Fehler in den zu ver- 
zeichnenden Winkeln nicht unbedeutend seien. Warum 
will man einen solchen Fehler ohne Noth hereinbringen? 
Es tauchen überdies noch Fehlerquellen genug auf; 
man vermehre sie demnach nicht unnöthiger Weise. 

Ebenso kann auch der Fehler wegen der Stärke 
der Anschlagnadel, hier vertreten durch das Gentrir- 
stäbchen, leicht vermieden werden, und müsste eigent- 
lich bei vorliegendem Instrumente ganz wegfallen, wenn 
dem Kartirapparate die Einrichtung gegeben wird, dass 
die Entfernung seiner Nadelsf^tze von der Linealkante 



527 



Nagel, Zur Literatur der Geodäsie. 



immer genau 80 gross bleibt, wie die durch das Cen- 
trirstäbchen vermittelte Eutfernung der Linealkante vom 
gegebenen Scheitelpunkte der zu verzeichnenden Winkel. 
Wie gesagt, sollen diese Bemerkungen keineswegs 
den hohen Werth der Schrift, die alle bei dem Apparat 
einschlagenden Verhältnisse gründlich untersucht und 
erörtert, abmindern. Wir freuen uns vielmehr über 
deren Durchführung, sowie über das Instrument, das 
berufen sein dürfte, den von Porro so viel geschmähten 
Messtisch, welcher hier gerade an seinem Platze zu sein 
scheint, wieder zu Ehren zu bringen. 

In einem Anhange giebt der Verfasser die von den 
gegenwärtigen Verfertigern des Instruments, G. Starke 
& Kammerer in Wien, nach den Erfahrungen Wag- 
ner 's angebrachten Verbesserungen, und fügt seine Er- 
fahrungen über den Genauigkeitsgrad der Messungs- 
resultate bei, welche in Vergleich mit den durch andere 
Tachymeter erhaltenen vollständig befriedigend aus- 
gefallen sind. 

Auch über die Zeitdauer, die die tachygraphome- 
trische Methode im Vergleich zu der gewöhnlichen ta- 
chymetrischen braucht, theilt er seine Versuchsergeb- 
nisse mit. Zur Ermittelung der nöthigen Beobachtungs- 
daten für die Bestimmung von 50 Punkten brauchte 
er exclusive der Zeitdauer für die Aufstellung des In- 
struments mittelst des Tachymeters von Starke 
1 Stunde 38 Minuten, mittelst des Wagner 'sehen 
Instruments als Tachygraphometer 2 Stunden und mit 
demselben lustmment als Tachymeter 1 Stunde 58 Mi- 
nuten. Er sagt daher S. 65: 

,JDiese beiden letzten Zahlen sprechen wohl 
deutlich, dass durch das Hinzufügen des Kartir- 
apparates zum Tachymeter von Wagner gegen- 
über anderen derartigen Instrumenten kein 
Zeitverlust bei der Arbeit im Felde entsteht, 
besonders, wenn ich noch zu bedenken gebe, 
dass ich das erste Mal mit diesem Instrumente 
von Wagner gearbeitet, und dass mir das 
Bewegen der Kippregel um das Centrirstäbchen 
ungewohnt war. 

Es widerlegt sich hierdurch auch die in 
der Wochenschrift Nr. 20 gemachte Bemerkung 
des Herrn Fr. Kreuter, als ob durch die 
Anwendung des Kartirapparates die der Feld- 
arbeit zugemessene kostbare Zeit auf solche 
Operationen vei-wendet würde, die ohne Rück- 
sicht auf Witterungsverhältnisse und Tageszeit 
durch billige Arbeitskräfte im Bureau vorge- 
nommen werden können u. s. w.'' 
Diese Bemerkung Kreuter 's erscheint allerdings 
eigenthümlich, da das Kreuter 'sehe und das Wag- 



ner 'sehe Instrument eigentlich den Projectionsapparat 
nach demselben Princip construirt haben und der Unter- 
schied in der Handhabung nur darin besteht, dass am 
Kreuter 'sehen Instrument die Horizontaldistanz ab- 
gelesen und in einem Buche notirt, beim Wagneri- 
schen aber diese Distanz durch Niederdrücken der 
Nadelspitze auf den Messtisch übertragen und 
der erhaltene Punkt bezeichnet wird. 

Am Ende unserer Besprechung des Werkes über 
das Wagner 'sehe Tachygraphometer angelangt, können 
wir nicht umhin, noch kurz des vom Ingenieur Jahns 
an der Muldenthalbahn anfangs der 70 er Jahre con- 
struirten Instruments, Yielmesser genannt, zu ge- 
denken, das denselben Zweck wie das Tachygrapho- 
meter verfolgt, nämlich: als Kippregel für Messtisch- 
arbeiten zu dienen und dabei durch eine einfache 
Manipulation den anvisirten und auf dem Messtische 
gesuchten Punkt auf den letztern überzutragen, sowie 
seine Höhe über einen gegebenen Horizont abzulesen. 
Die üonstructionsprincipien dieses Instruments, soweit 
sie den Distanzmesser betreffen, sind allerdings wesent- 
lich andere als die des Tachygraphometers , was schon 
aus dem Umstände hervorgeht, dass für den Vielmesser 
eine constante, beim letztern aber eine variable Latten- 
höhe in Anwendung kommt. 

Der Vielmesser ist mit grossem Vortheil bei den 
Vorarbeiten der Muldenthalbahn in Anwendung ge- 
kommen. Seine specicUe Beschreibung findet man, 
ausser in einigen Zeitschriften, in dem als Manoscript 
gedruckten Werke: „Der Vielmesser (Patent 1873), 
ein neues Feldmessinstrument zu universalem Gebrauche 
auf dem Messtische; construirt und beschrieben y<m 
R. Jahns, Ingenieur. Berlin, 1874." 

Am Schluss dieses Artikels sei noch auf das wäh* 
rend des Druckes desselben erschienene Werk: 

„2>^ geodätische Tachygraph und der Tachjfgraph'JPfammeUr eU 
von I^of. Jvseph Sc hl es ing e r. Wien {Faesy Sf F^riek) 1877," 

au&ierksam gemacht, welches die Ck)n8truction» Theorie 
und den Gebrauch zweier vom Verfasser erfundenen 
und demselben patentirten Instrumente enthält, die zur 
schnellen und genauen graphischen Gonstnicticm der 
aus den Daten einer Theodolit-Messung herzustellenden 
Detailpläne, sowie zur Ausmittelung der Flächeninhalte 
dienen. Der Tachygraph soll insbesondere den Trans- 
porteur und den Sehnenmaassstab beim Zeichnen der 
Winkel nach Gradmaassangaben, also bei. tachymetri- 
schen Aufnahmen, ersetzen, weshalb wir glauben, den- 
selben an diesem Oi*t erwähnen zu sollen, ol^leich wir 
nach der blosen Beschreibung dieses Apparates nodi kein 
eudgiltiges Urtheil über denselben abgeben kßnnen. 



Beschreibung eines neuen Eindampf- und Calcinir- Ofens zur Wiedergewinnung 
der Soda aus der Lauge der Holz- und Stroh-Cellulose- Fabrikation. 



Von 



Ingeniear Biehard Schneider in Dresden. 



(Hierzu Tafel XXm.) 



Vor etwa zwei Jahren wurde dem technischen 
Bureau Friedr. Siemens, Dresden, Fabrikstr. 5, die 
Frage \orgelegt, ob es möglich sei, die in der Ueber- 
schrift genannten Laugen einzudampfen unter Beseiti- 
gung des üblen Geruches, welcher bei allen bis dahin 
zu gleichem Zwecke construirten Oefen in grösserem oder 
geringerem Maasse auftrat. 

Auf Wunsch des genannten Bureau wurde von 
Seiten der anfragenden Direction ein Gutachten über 
die chemische Beschaffenheit und Entstehungsweise der 
den übelen Geruch verursachenden Gase eingeholt. 

Auf Grund dieses Gutachtens konnte der betref- 
fenden Direction mitgetheilt werden, dass, die Richtig- 
keit des Gutachtens des Herrn Hoirath Prof Dr. Stock - 
hardt, welche an und für sich nicht bezweifelt wurde, 
vorausgesetzt, nicht nur eine vollkommen rauch- und 
geruchlose Vernichtung jener Gase möglich sei, sondern 
dass auch diese Gase, zur Heizung benutzt, eine bedeu- 
tende Brennmaterialerspamiss herbeiführen müssten. 

Das Gutachten des Herrn Dr. Stöckhardt sagt 
in Bezug auf die Holz-Cellulose-Fabrikation : 

„Aus der Trockenmasse der Holz-Cellulose-Lauge 
entwickeln sich in der Verkohluugshitze empyreuma- 
tische Gase und Dämpfe von üblem Geruch; der Ge- 
ruch ist vorherrschend Kreosot und Acrolein ähnlich 
und nicht so ekelerregend, wie der unter gleichen Um- 
ständen aus der Trockenmasse der Stroh-Cellulose-Lauge 
der T ho de 'sehen Fabrik sich ei*zeugende Geruch.*' 

„Die Geruchsentwickelung währt nur so lange, als 
die diu'ch Schmelzung erreichte Masse sichtbare weisse 
Dämpfe ausgiebt; die nach dieser Periode in langsame 
Verglimmung übergehende feste schwarze Masse ent- 

Clvllinseniour XXIII. 



wickelt einige Zeit lang nur noch einen schwachen 
Geruch von schwefliger Säure." 

„Beim Erhitzen der Trockenmasse in einer Retorte 
erhält man ein brennbares Gas, während die Dämpfe 
sich durch Abkühlung zu Theer und einer wässerigen 
Flüssigkeit — beide minder übel, ähnlich wie Holztheer 
riechend — verdichten. Das heisse Gemenge der Gase 
und Dämpfe lässt sich an der Oeffuung des Retorten- 
halses anzünden und brennt mit stark leuchtender 
Flamme unter Vernichtung des üblen Geruches." 

„Ebenso verschwindet der üble Geruch — doch 
schwerer — , wenn man die heissen Gase und Dämpfe 
durch ein stark erhitzes längeres Glasrohr mit Bims- 
steinfuUung leitet." 

„Bei der Untersuchung der Thode 'sehen Stroh- 
Gellulose-Lauge lehrte ein Versuch, dass die den höchst 
widerwärtigen Geruch der Calcinirungsgase verursachen- 
den flüchtigen Substanzen durch Kalilauge gebunden 
wurden und aus Dämpfen von empyreumatischem Oel 
und Brandharz (Theer) nebst Schwefelwasserstoffgas 
bestanden, resp. an erstere gebunden waren. Es ist 
anzunehmen, dass die Holz-Cellulose-Lauge ein gleiches 
Verhalten zeigen werde u. s. w." 

Aus einem Gutachten desselben Herrn über Sti-oh- 
Cellulose-Lauge, welches zum grossen Theil mit Obigem 
übereinstimmt, erwähne ich nur folgenden Passus: 

„Eines besonderen Beweises für die Annahme, dass 
während des langsamen Calcinirens der organischen 
Substanz der Laugen Rückstände durch Verglimmuug 
bei beschränktem Luftzutritt sich dieselben flüch- 
tigen Producte erzeugen, wie bei der ohne Luftzutritt 
vorgenommenen trockenen Destillation, bedarf es nicht, 

34 



531 



Schneider, Beschreibung eines neuen Eindampf- und Calcinir-Ofens 



532 



da die Wissenschaft die Identität der bemerkten zwei 
Vorgänge und der durch sie erzeugten Producte sicher 
genug festgestellt hat; wenn nun auch bei dem Ver- 
glimmen durch zeitweilige und local eintretende flam- 
mende Verbrennung ein Theil der letzteren zur voll- 
konamenen Verbrennung gelangt und damit unschädlich 
wirdy so ist dies nach meiner Wahrnehmung über das 
Verhalten der glimmenden Massen und die Intensität 
und die Tragweite des von ihm sich yerbreitenden 
ekelhaften Geruches doch nur ein kleiner Bruchtheil 
des Ganzen und beschränkt sich auf die erste Zer- 
setzungsperiode, in der sich wasserstoffreiche Producte 
erzeugen, während das nachfolgende, Tag und Nacht 
andauernde, langsame Verglimmen der kohlenreichen 
Rückstände eine stetige Quelle von Kohlenozydgas 
darstellt, das sich nebst den der Verbrennung ent- 
gangenen stinkenden Theerdämpfen ohne irgend welche 
Abhaltung oder Minderung den unteren Luftschichten 
der Umgebung mittheilt u. s. w." 

Aus diesen Gutachten erhellt nun 

1) dass sowohl bei der Holz- wie Stroh-Cellulosen- 

Lauge brennbare Gase die Träger des ekeler- 
regenden Geruches sind; 

2) dass diese, in richtiger Weise benutzt, eine Wärme- 

quelle sind; eine Ersparniss an Brennmaterial 
daher aus ihrer Benutzung resultiren muss, und 

3) dass eine derartige Benutzung bisher nirgends vor- 

handen ist. 
Vieles hat man zur Beseitigung des üblen Geruches 
vorgeschlagen, aber meistens direct das Gegentheil von 
dem gethan, was wirklich zu thun nöthig gewesen wäre. 
Man hat diese Gase abgefangen, künstlich getrocknet 
und in oder auch unter das Feuer von Kesseln ge- 
leitet und Aehnliches mehr; aber nirgends wurde ein 
günstiges oder auch nur halbwegs befriedigendes Re- 
sultat erzielt, und zwar deshalb, weil man die erste 
Bedingung einer rationellen, rauch- und geruchlosen 
Verbrennung organischer Körper nicht erfüllte. Es 
fehlte die zur Verbrennung nöthige Luft und zwar Luft 
in hocherhitztem Zustande. Nur wenn diese contiuuir- 
lich und in genügendem Maasse zutreten kann, ist es 
möglich, eine rauch- und geruchlose Verbrennung zu 
erzielen. Alle die unendlich vielen Rauchverbrennungs- 
vorrichtungen sind zum Theil recht verfehlt und er- 
reichen ihren Zweck nur beim Zusammentreffen ver- 
schiedener günstiger Umstände. Das einzige Mittel, 
unsere Städte von den ewig qualmenden Schornsteinen 
ohne Schädigung der Industrie zu befreien, ist das, mit 
den bisherigen Heizeinrichtungen zu brechen und den 
Kohlenstoff der zur Verwendung kommenden Brenn- 
materialien in gasförmige Verbindungen überzuführen 



und diese dann mit dem nöthigcn Quantum hoch- 
erhitzter Luft zu verbrennen. Die Gegner der Gag- 
feuerung sagen zwar, dass bei dieser Umwandlung des 
Kohlenstoffes in Kohlenoxydgas ein Wärmeverlust eiih 
träte; sie haben bis zu einem gewissen Grade Recht 
Was aber kosten die vielfach höchst sinnreichen, 
ihren Zweck aber trotzdem nicht erreichenden Rancfa- 
verbrennungsvorrichtungen an Unterhaltungsspesen etc.? 
Ich glaube, diese sind jenen Verlusten gleich zu stelleQ, 
jedoch mit dem grossen Unterschiede, dass das Problem 
einer rauch- und geruchlosen Verbrennung durch letzt- 
genannte nicht, durch erstgenanntes Feuerungsprincip 
aber vollkommen gelöst wird. 

Dem technischen Bureau war die Frage vorgelegt: 
Ist es möglich, diese in der Holz- wie Stroh-Cellulose- 
Fabrikation beim Wiedergewinnen der Soda durch Ein- 
dampfen und Calciniren der Laugen auftretenden übel- 
riechenden Gase in rationeller rauch- und geruchloser 
Weise zu entfernen ? Diese Frage wurde bejaht und ihre 
praktische Behandlung sogleich in Angriff genommen. 

Im Frühjahr 1875 war von Herrn Friedr. Sie- 
mens ein Apparat erfunden und unter dem Namen 
Begenerativ-Hoissluft-Apparat demselben patentirt wor- 
den, mit dessen Hilfe die Aufgabe auf das Glänzendste 
gelöst wurde. 

Dieser Apparat besteht aus zwei von feuerfesten 
Steinen hergestellten Räumen oder Kammern mit ent- 
sprechenden Ein- und Austrittsöffnungen , welche nadi 
Art der Siemens 'sehen Regeneratoren mit ebensolchen 
Steinen ausgesetzt sind. Im vorliegenden Falle und 
allen solchen, wo es auf Erzielung eines continuirlicheu 
Stromes hocherhitzter Luft von ca. 1000^ C. ankommt» 
wird der Apparat mit Gas geheizt und zwar derart, 
dass während durch die Gasfeuerung die Steinmassen der 
einen Kammer bis zur Weissgluth erhitzt werden, die- 
jenigen der anderen die in ihnen aufgesammelte Hitie 
an die hindurchstreichende Luft wieder abgeben. 

Nach entsprechenden Zeiträumen werden die die 
Zugrichtung regulirenden Ventile gewechselt, wodunsh 
zugleich auch die Functionen der Kammern wechseln. 

Dieser Apparat ist nun zweimal bei dem in Bede 
stehenden Ofen zur Anwendung gekommen. Der dne 
Hauptapparat H^ steht am Ende des ca. 17" langen 
Ofens, während der andere H^^ etwas kleinere, ungefilir 
um ^/s der Länge des Ofens von dem Haupti^^Kurat 
entfernt, gegenüber ^5 erbaut ist. Der Strom hoch- 
erhitzter Luft von fix tritt in der lÄngsrichtang des 
Ofens, dagegen der von H^ rechtwinklig zu dieser in den 
Calcinirraum ein ; ersterer am Ende, letzterer knn tot 
der Feuerbrücke des Calcinirraumes. Diese Anerdnnng 
von H^ war nöthig, um selbst bei foroirtem Betriebe 



Ö33 



zur Wiedergewinnung der Soda aus der Lauge der Holz- und Stroh-Cellulose-Fabrikation. 



534 



des Ofens des gewünschten Erfolges YoUkommen sicher 
zu sein. 

Der Bau des Ofens begann im Januar 1876 und 
wurde im März beendet, so dass der Ofen Anfang April 
dem Betriebe übergeben werden konnte. Die Gesammt- 
Ofenanlage besteht aus den Gaserzeugern mit Ableitnngs- 
canälen, dem Eindampf- und Calcinir-Ofen und dem 
Schornstein. 

Die Gaserzeuger waren im vorliegenden Falle für 
Iwhmische Braunkohle als einfache Schachtöfen con- 
struirt 

Als Schornstein wurde der von früher Torhandene, 
ca. 3ö"^ hohe Schornstein 8 benutzt. 

Der eigentliche Eindampf- und Calcinir-Ofen be- 
steht aus: 

1) den beiden eben näher bezeichneten Heissluft- 

Apparaten J7| und H^; 

2) dem Galcinirraum C; 

3) der daneben liegenden unteren schmiedeeisernen 

Eindampfpfanne B; 

4) der über dieser und dem Galcinirraum angeordneten 

oberen schmiedeeisernen Eindampfpfanne Ä; 

5) dem wieder über dieser liegenden grossen schmiede- 

eisernen Reservoir R und 

6) dem unter C befindlichen Glüh- und Kühlraum K. 

R fasst ca. 28,6''^'" Lauge, 
A „ „ 17,0 
B „ „ 7,6 

C 99 99 2,75„ 

Das in den Gaserzeugern O^ gewonnene Gas ge- 
langt von dem Hauptsammelcanal durch abzweigende 
Canäle jP| . . JP4 zu den Heissluftapparaten. Gaserzeuger, 
Haupt- wie Nebengascanäle sind mit entsprechenden 
Absperrvorrichtungen versehen, um zu ermöglichen, 
dass man einzelne Theile für sich allein in Betrieb 
nehmen oder auch in beliebiger Weise combiniren kann. 

Die Heissluft- Apparate J7, und H2 werden mit den 
gewonnenen Schwelgasen geheizt; die hierbei entstehen- 
den Yerbrennungsproducte gehen nicht in den Gal- 
cinirraum, sondern müssen durch entsprechende regulir- 
bare Canäle nach dem Schornsteine abziehen. 

Ausser den Eintrittsöffnungen für die hocherhitzte 
Luft von £r, und H.j münden in den Galcinirraum bei 
jR^ die Oeffnungeu m, . . . . und bei H^ die Oeffnungen 
t»i . . ., durch welche Gas, zugeführt durch F^ und F^, 
austreten kann. Es ist dies vorgesehen, damit man 
bei Unterbrechungen des Betriebes oder nach Bedarf 
vor Beginn einer neuen Gliarge, durch Zuführung von 
Brenngasen den Galcinirraum aufheizen, resp. in Hitze 
erhalten kann. 



» 



99 



99 



99 



» 



Femer sind bei H^ die Oeffnungen o^ und o^ be- 
merkbar. Diese stehen in Verbindung mit dem Glüh- 
raume und leiten die, sich in demselben aus dem Gal- 
cininingsproduct während des Auskühlens noch ent- 
wickelnden Gase direct in den Strom hocherhitzter 
Luft. 

Sämmtliche hocherhitzte Yerbrennungsproducte, 
welche im Galcinirraum entstehen und aus EohlensäurCy 
Wasserdampf, Stickstoff und überschüssigem Sauerstoff 
zusammengesetzt sind, durchstreichen den Galcinirraum 
in seiner Längsrichtung, nehmen dann ihren Weg über die 
Feuerbrücke und unter B hin, dann in Richtung des 
Pfeiles über B und gleichzeitig unter Ä und hierauf 
über A und gleichzeitig unter R hin, worauf sie durch 
den regulirbaren Schornsteincanal nach dem Schorn- 
stein selbst abziehen. 

Die Lauge gelangt von der Gellulose-Fabrik durch 
die Rohrleitung r nach dem verdeckten Reservoir JR, 
von diesem durch Rohrleitung a nach der oberen Pfanne 
A, von derselben durch b hach der unteren Pfanne B 
und zuletzt durch c von dieser nach dem Galcinirraum 
C, Vergleichen wir die Wege, welche die heissen Ver- 
brennungsproducte und die Lauge verfolgen, so zeigt 
sich, dass wir es hier mit einem Gegenstromapparat 
zu thuu haben, welcher schon an und für sich die beste 
Wärmeausnutzung verspricht; unter gleichzeitiger Er- 
wärmung von unten findet eine lebhafte Oberflächen- 
verdampfung statt. 

Nehme ich an, dass sich die Heissluftapparate in 
vorschriftsmässigem Zustande befinden und einen con- 
tinuirlichen Strom hocherhitzter Luft nach C abgeben, 
so gestaltet sich der Betrieb folgendehnasseu. Sind 
Bj A und R gefüllt, so lässt man nach Oeffhung der 
Ventile in Cj by a langsam C volllaufen, und füllt B 
und A nach Massgabe der Laugenstandsgläser wieder 
entsprechend voll. Je nach Gonsistenz der Lauge muss 
diese Manipulation 2 — 3 Mal innerhalb von 3—5 Stun- 
den wiederholt werden. Während dieser Zeit lässt mau 
bei H^ durch m Heizgase mit eintreten. Infolge dessen 
steigert sich ti-otz der starken Oberflächenverdampfung 
die Temperatur in C. Ist die Eindampfung bis zu 
einem gewissen Grade vorgeschritten, so wird, nach ca. 
3 Stunden, der Gaszustrom durch m abgeschlossen und 
es tritt nun auch bei ITi, wie während der ganzen Zeit 
schon bei jET^' ^^^ atmosphärische Luft in hocherhitztem 
Zustande (ca. 1000® G.) ein. Diese ist also von dem 
Moment der beginnenden Galcination an in beliebigem 
Maasse vorhanden und auf das vollkommenste im ganzen 
Galcinirraum vertheilt. Es erscheint daher als ganz 
unmöglich, dass irgend welche Grase organischen Ur- 
sprungs den Galcinirraum unzersetzt verlassen. Beob- 

34* 



535 



Schneider, Beschreibung eines nenen Eindampf- und Calcinir-Ofens. 



536 



achtet man von Beginn der Calcinirung diesen Process, 
so sieht man anfangs auf der schwarzen Masse sich 
Blasen bilden , diese platzen auf und die daraus ent- 
weichenden Gase und Dämpfe verbrennen mit hell 
leuchtender Flamme. Wie Irrlichter tanzen diese Flam- 
men auf der ganzen Masse herum; nach und nach 
mehren sich dieselben, bis zuletzt bei lebhafter Cal- 
cination die ganze Masse in Flammen zu stehen scheint. 
Bei richtiger Regulirung sind die vom Calcinirraum 
entweichenden Yerbrennungsproducte klar und durch- 
sichtig und vor Allem geruchlos. 

Je nach dem Quantum Lauge, welches man ein- 
laufen lässt, wird die Charge grösser oder kleiner und 
nimmt auch einen dem entsprechenden Zeitraum in 
Anspruch. Während der ganzen Dauer der Charge 
wird dieselbe wiederholt, anfangs weniger, dann häufiger, 
mit eisernen Krücken umgerührt. Die Zugverhältnisse 
im ganzen Ofen müssen so regulirt sein, dass keine 
Gase von innen nach aussen gedrängt werden können, 
sondern vielmehr Luft von aussen nach innen ein- 
gesaugt wird. Bemerkt man nun, dass eine merkliche 
Gasentwicklung nicht mehr stattfindet und im Calcinir- 
raum nur noch einzelne Flammen auftreten, so wird 
die Charge, welche dem Auge als eine schwach roth- 
glühende, schmutziggraue, bröckelnde Masse erscheint, 
durch die Thüren t herausgezogen, jedoch nicht in den 
freien Raum vor den Ofen, sondern dieselbe fällt nach 
Wegnahme der eisernen Platten e durch Rutschen in 
den Verglüh- resp. Abkühlraum K. Ist die Charge 
heraus, so werden die Platten e wieder aufgedeckt und 
die Thüren t geschlossen; hierauf lässt man nach Oeff- 
nung der entsprechenden Ventile durch f»^ . . . wieder 
Brenngase in den Calcinirraum eintreten und die Charge 
kann von neuem beginnen. 

Die in den Verglühraum hinuntergefallene, in Haufen 
liegende Sodaasche lässt man, indem man unter den 
Haufen und in dieselben etwas atmosphärische Luft 



führt, langsam in sich selbst verglühen. Die sich etwa 
noch entwickelnden Gase und Dämpfe werden oben 
abgesaugt und durch die Canäle o^ und o^ direct in 
den Strom hocherhitzter Luft bei H^ geleitet und auf 
diese Weise unschädlich gemacht. In entsprechenden 
Pausen wird die nunmehr weisse Sodaasche bei k he^ 
ausgenommen und der Cellulose-Fabrik zurückgegeben. 
d sind Oefifnungen resp. Thüren zum* Nachsehen, eveni 
Reinigen. 

Durch den soeben beschriebenen Ofen war die ge- 
stellte Aufgabe vollkommen gelöst. Man kann mit 
demselben alle von der Cellulose- Fabrik kommenden 
Lauge- und Waschwässer auf eine vollkommen rauch- 
und geruchlose, leicht zu behandelnde und zu contro- 
lirende Art und Weise aufarbeiten ; der Effect war ein 
überaus günstiger. 

Ein nach längerer Betriebszeit angestellter Ver- 
gleich mit den früheren Resultaten zeigte auch eine 
bedeutende Kohlenerspamiss; wie viel gerade der Ofen 
beanspruchte, ist in vorliegendem Falle schwer festza- 
stellen, weil mit denselben Gaserzeugern zwei coUossale 
Kochkessel/ der Cellulose -Fabrik gleichzeitig betrieben 
wurden. Im Folgenden gebe ich in kurzen Worten zur 
Orientirung des Lesers noch einige Betriebsresultate 
und mache auf das grosse Quantum der wiedergewon- 
nenen Soda besonders aufmerksam. 

Zum Betriebe des Eindampf- und Caldnirofens 
und der zwei Kochkessel, ca. 13" lang und 1,6" Durch- 
messer, dienten 3 Gaserzeuger obengenannter Construo- 
tion, welclie pro Tag zusammen ca. 4000^ böhmische 
Braunkohlen mittlerer Güte consumirten. Es wurden 
im Durchschnitt 3 Kochungen pro Tag gemacht. Die 
sich hierbei ergebenden Lauge- und Waschwässer wur- 
den auf dem Ofen verarbeitet in 2 grosseren Chargen 
oder 3 kleineren Chargen mit einer Wiedergewinnung 
von 80 — 90 Proc. der aufgewendeten Soda. 



Variable Expansion fftr Fördermaschinen, 

auegeführt 
von der Sächsischen Maschinenfabrik zu Chemnitz. 

Von 

Ingenieur H. Krause in Chemnitz. 

(ffierzu Tafel XXIV.) 



Die erhöhten Löhne und der wirthschaftliche Noth- 
Btand drängen auf allen industriellen Gebieten nach 
minimalen Betriebskosten, und so sehen wir denn auch 
im Kohlenbergbau die Frage nach billig arbeitenden 
Förder- und Wasserhaltungsmaschinen erörtert und 
theilweise gelöst. Während jetzt die klare Waschkohle 
und selbst der den Wäschen entnommene Kohlenschlamm 
noch mit Nutzen verkauft werden, erschien es früher, 
als man die sorgfältige Aufbereitung der Kohle noch 
nicht eingeführt hatte, rationell, alle Schiefer- und Staub- 
kohlen unter grossen Kesselanlagen zu verbrennen — 
und so aus der Welt zu schaffen. Es waren zu diesem 
Zwecke stark dampf consumirende Maschinen willkommen. 

Dass im Erzbergbau, wo Kohle zugefahren werden 
muss, die Frage nach ökonomisch arbeitenden Ma- 
schinen dringlicher ist, leuchtet ein und so dürfte wohl 
ein Beitrag zur Lösung derselben, und zwar speciell 
für Fördermaschinen, willkommen sein. 

Bekanntlich hat man die alte eincylindrige, mit 
Vorgelege ai'beitende horizontale oder Balancier-Förder- 
dampfmaschine verlassen und stellt fast ausschliesslich 
horizontale, gekuppelte Fördermaschinen auf, die direct 
auf *der Kurbelwell« die Körbß und Bremsen tragen ; 
bequeme Wartung und Uebersichtlichkeit, exacte Hand- 
habung, solide Fundirung und directe Kraftübertragung 
sind die geschätzten Eigenschaften dieses Systems. Im 
Allgemeinen kann man wohl annehmen, dass für ge- 
ringe Teufen bis 200" Rundseile mit cylindrischen 
Körben, dass fiir Teufen von 200" bis 500" conische 
Seilkörbe, und dass endlich für Teufen von 500 bis 800" 
und mehr, Spiralkörbe mit Stahlbandseilen üblich und 
zweckmässig sind, wenigstens was die Ausgleichung der 
Lastmomente anlangt. Es besteht die verlangte Lei- 



stung der Maschine bekanntlich im Heben der Förder- 
last, der Fördergefässe, des Gerüstes und des Seiles; 
erstere Gewichte sind als constant anzunehmen, wäh- 
rend das Seilgewicht resp. die Seillänge veränderlich 
ist. Beim Anheben aus dem Tiefsten ist das volle Ge- 
wicht des aufgehenden Seiles zu heben, in der Mitte 
des Zuges halten sich beide Seilgewichte, weil von 
gleicher Länge und an entgegengesetzten Hebelarmen 
angreifend, das Gleichgewicht und gegen Ende des 
Zuges wirkt das niedergehende Seil sogar im Sinne der 
Maschine. Die so entstehende Veränderlichkeit der 
Lastmomente schwankt mit der Teufe und der Förder- 
last und ist zu bemerken, dass bei grossen Teufen nicht 
selten das Gewicht des Seiles grösser als die Summe 
der Gewichte von Förderlast, Gefässen und Gerüst zu- 
sammen ist. Diese veränderlichen Lastmomente sucht 
man nun auszugleichen durch veränderliche Seilkorb- 
radien, d. h. conische oder Spiralkörbe, oder durch 
Gegengewichte (für grosse Teufen fast ganz unprak- 
tikabel) und endlich durch Drosselimg oder besser 
durch Expansion des Treibedampfes. Ueberdies muss 
man in allen Fällen noch einige kräftige Bremsen als 
Reserve haben. 

Einige weitere Rücksichten, die man bei Gonstruc- 
tion der Fördermaschine und ihrer Steuerung zu nehmen 
hat, möchten noch kurz erörtert werden. 

Von fast allen neueren Fördermaschinen wird ver- 
langt, dass sie im Stande sind, das obere Gerüst, Ge- 
fässe und Nutzlast auch dann von der Hängebank ab- 
zuheben, wenn das untere Gefäss mit Zubehör im 
Schachttiefsten aufsitzt; da nun hierbei die eine Kurbel 
der gekuppelt angenommenen Maschine im todten Punkte 
stehen kann, so muss dies von der anderen Kurbel 



539 



Krause, Variable Expansion für Fördermaschinen. 



540 



allein ermöglicht werden. Bei Förderung von nur einem 
Füllort kann man sich zwar durch CoiTectur der Seil- 
längen etwas helfen; das geht aber nicht gut, wenn 
von 2 oder 3 Oertem gefordert wird. Bei stattgehabtem 
Uebertreiben des Gerüstes oder nach einem Seilbruche 
sollte die Maschine sogar im Stande sein, das untere 
Gerüst mit Gef ässen und vollem Seilgewicht auszuheben, 
eventuell sogar mit nur einer Kurbel. Eine Förder- 
maschine soll also, der besprochenen Ausnahmefälle 
wegen, eine ganz wesentlich grössere Leistung eimög- 
lichen, als dies der normale Betrieb erfordert, woraus 
folgt, dass während des regulären Betriebes der mitt- 
lere nützliche Dampfdruck auf den Kolben nicht nur 
wegen der Variation der Lastmomente ziemlich ver- 
änderlich, sondern auch verhältnissmässig klein sein 
wird, wegen der Dimensionirung der Maschine, mit 
Rücksicht auf obige Ausnahmefälle. Eine mit nur ge- 
ringem Kolbendruck arbeitende Dampfmaschine ist aber 
stets unökonomisch und zwar um so mehr, wenn sie 
ohne Expansion und ohne Condensation geht. Da nun 
bei einigermassen beträchtlichen Teufen das gehobene 
Wasser schon nicht mehr genügt, um die Dämpfe 
der Wasserhaltung zu condensireu, die Fördermaschine 
also fast stets ohne Condensation arbeiten muss, so 
scheint dieselbe unter allen Umstilnden zum hohen 
Dampfconsum bestimmt zu sein. 

In neuerer Zeit verwendet man die Fördermaschinen 
vielfach zum Ein- und Ausfahren der Leute, denen 
man das anstrengende Steigen dadurch erspart und soll 
daher die Maschine möglichst solid und ein&ch sein, 
sowie alle difficilen Constructionsdetails vermeiden; 
schon deshalb sieht man an manchen Orten von der 
füfi Vorwärts- und Rückwärtsgang immerhin etwas com- 
plicirten Expansionssteuerung ab. Geht man doch im 
Streben nach Einfachheit des Mechanismus, selbst bei 
grossen Maschinen, so weit, für Vor- und Rückwärts- 
gang nur ein einziges Exoenter zu verwenden, obgleich 
man weiss, dass Dampfeintritt und Austritt bei passen- 
der Voreilung durch zwei Excenter sich wesentlich 
günstiger gestalten. 

Endlich ist bei beschlossener Anwendung der Ex- 
pansion noch das Folgende zu berücksichtigen : 

Setzen wir voraus, dass die Anfangs-Cylinderspan- 
iiung 4 Atm. absolut beti'age, was in Anbetracht der 
periodischen Dampfentnahme (während des Aus- und 
Einladens) nicht zu niedrig scheint, und nehmen wir 
an, dass der mittlere indicirte Dampfdruck auf die 
Kolben der gekuppelten Maschine als Folge oben be- 
sprocliener Bedingungen bei grösserer Teufe zwischen 
1,6 bis 0,8^« pro Q^" schwanke, so würde, mit Zu- 
grundelegung des Mari otte 'sehen Gesetzes, die Fül- 



lung des Cylinders zwischen den Grenzen */, bis ca. 
^/ft zu schwanken haben, wenn man den wechselnden 
Dampfdruck durch Variation der Expansion erzielen 
wollte. 

Nun ist im ersten Falle bei 1,6 ^k mittlerm Ueber- 
druck zu Anfang des Zuges und bei l,i*^«f Gegendruck 
der Atmosphäre der Kolbendruck zu Anfang des Hubes 
= 2,9^» und zu Ende des Hubes =0,23^ und ün 
zweiten Falle bei 0,8^« mittlerm Druck zu Ende des 
Zuges der Anfangskolbendruck =2,9^ und der End- 
kolbendruck = — 0,3^«. Construirt man hiemach die 
Curven der Tangentialdrücke beider Kurbelzapfen wäh- 
rend einer Umdrehung, so ergiebt sich, dass die Gleich- 
förmigkeit des Ganges bei ^2 Füllung sogar grösser als 
bei Volldruck ist, bei ^i^ Füllung aber natürlich wesent- 
lich geringer als dort. Bei Abwesenheit eines Schwung- 
rades werden nun die bald positiven, bald negativen 
Ueberschüsse der Kraft über den Widerstand Beschleu- 
nigungen und Verzögerungen der bewegten Massen des 
Systems bewirken, die im Allgemeinen wohl zu ver- 
meiden sein möchten. In welchem Grade diese Pul- 
sationen für die Dauer der Seile, Anschlüsse, Gerüste und 
Körbe nachtheilig sind, kann nur die Erfahrung lehren ; 
vorsichtiger ist es aber allemal, die Expansion nicht zu 
weit zu treiben und lieber gegen Ende des Zuges die 
Anfangsspannung mit zu drosseln. Mechanismen , die 
den Füllungsgrad allein von der Geschwindigkeit ab- 
hängig machen (z. B. Maschine von Sacre Madame, 
Engineering 1876), sind hiernach nichtdurchaus rationell 

Unter Berücksichtigung der oben dargelegten Ge- 
sichtspunkte erhält man also folgende Bedingungen, 
denen eine Fördermaschinen-Steuerung zu genügen hat: 
Präcision und Solidität des Mechanismus, leichte Ma- 
növrirbarkeit , Möglichkeit der variablen Elxpansion, 
wenn auch nicht Selbstthätigkeit derselben, dazu mög- 
lichste Einfachheit des Apparates. In wie weit die im 
Folgenden beschriebene Combination diesen Bedingungen 
genügt, möge der Leser selbst entscheiden. 

Für giössere Fördermaschinen hat sich die Steuerung 
mittelst Glockenventilen so allgemein eingeführt^ daas 
dieselbe wohl kaum durch entlastete Schieber odei^eine 
indirecte (hydraulische) Umsteuerung verdrängt werden 
wird ; der Grund hierfür ist leichte Handhabung, Dauer- 
haftigkeit und Zuverlässigkeit. So ist denn auch der in 
Fig. 1—2, Tafel XXIV, dargestellte Apparat, der an 
einer gekuppelten Maschine von 0,820™ Bohrung und 
1,520" Hub functionirt, eine Ventilsteuerung mit nur 
einigen neuen Details. Es sind a das Eingangs- und 
b das Ausgangsven til an dem einen Cyliuderende; 
dieselben werden durch die Welle c und Hebel d und e 
vermittelst der Zugstange f in bekannter Weise von 



541 



Krause, Variable Expansion für Fördermaschinen. 



542 



einer Umsteuercoulisse bow^, deren einziges Excenter 
genau rechtwinklig zur Kurbel arbeitet, also weder 
Voreilung noch Compression zulässt. 

Während nun die Ausgangsventilspindel durch ein 
Kugelgewicht belastet ist, wird die Eingangsventilspindel 
durch Luftpuffer mit darüber sitzender Spiralfeder nie- 
der gedrückt, was ein langsames Heben und beim freien 
Niederfallen ein ruhiges Aufsitzen gestattet. Das Ein- 
gangsventil soll nun bei gewissen Kurbelstellungen aus- 
gelöst werden, schnell niederfallen und so durch frü- 
heren oder späteren Dampfabschluss die yeränderliche 
Expansion bewirken. Zu diesem Zweck ist der Ventil- 
spindelkopf mit einem Stahlkeil f versehen, unter 
dessen unterer schmaler Seite eine Winkelhebelklinke g 
eingreift, die im Ventilhebel d gelagert mit ihrem hori- 
zontalen Schenkel beim Aufgang des Ventils gegen den 
Daumen h trifft, so die Ventilspindel ihrer Unterstützung 
beraubt und zum schnellen Niederfallen zwingt. Der 
Daumen h an der Welle i wird mittelst Hebel h und 
Zugstange Z von einem zweiten Excenter bewegt, das genau 
mit der Kurbel arbeitet, d. h. gleichzeitig mit dieser 
seinen Todpunkt hat. Es ist nun leicht zu übersehen, 
dass bei constant begrenzter Bewegung des Daumens die 
Variation der Expansion einfach durch den veränderten 
Hub des Eingangsventils bewirkt wird ; ein grosser Hub 
bewirkt ein ftüheres Ausklinken und geringe Füllung, 
ein kleiner Hub ein späteres Ausklinken und grössere 
Füllung und endlich ein Zurückbleiben des Spindel- 
hubes unterhalb des Wirkungskreises des Daumens, die 
gewöhnliche volle Füllung, wenn auch mit etwas ge- 
ringerem Ventilhub. Der Maschinenführer stellt also, 
ohne Einfuhrung eines besonderen Hebels und ohne 
den bisher hierzu erforderlichen Kraftaufwand um einen 
Bruchtheil zu erhöhen, die gewünschten Expansions- 
grade, sowie den Volldruck in einer oder der anderen 
Richtung mit Hülfe des gewöhnlichen Maschinistenhebels. 
Das Schliessen des Ventils erfolgt fast momentan, ohne 
jede Drosselung des Dampfes und sind gleichzeitig die 
grossen schädlichen Räume, welche bei Einschaltung 
eines besonderen Expansionsschiebei-s oder Ventils den 
ökonomischen Effect der Expansion so wesentlich herab- 
ziehen, gänzlich vermieden. Im Vergleich mit den bisher 
bekannten complicirten Constructionen dürften diese 
Punkt« sehr einleuchtend zu Gunsten des beschriebenen 
Apparates sprechen. 

Zu den in Fig. 3 und 4 dargestellten Diagrammen 
(nach Zeuner) wäre vielleicht noch Folgendes zu be- 
luerken : 

Cassirt man den beweglichen Daumen h von Fig. 1 
und 2 und ersetzt denselben durch einen festen Punkt, 
der Montage wegen am besten durch eine Schraube, so 



genügt alsdann ein Excenter für Umsteuerung und 
Expansion; den verschiedenen Stellungen des Maschi- 
nistenhebels entsprechend, werden die Schieberkreise 
(Ventilhebelenden -Kreise) OA, OB und OC, Fig. 3, 
entstehen und werden die Schnittpunkte dieser Kreise 
mit dem concentrischen Kreise DBF des festen Aus- 
rückepunktes, nämlich O und B* oder vielmehr deren 
Radien O und B* die Kurbelstellungen bezeichnen, 
bei denen die Ausrückung beziehentlich die Expansion 
erfolgt. Dabei ist natürlich angenommen, dass 0D = 
OE die Entfernung des Schraubenendes von der mitt- 
leren Stellung des Ventilhebelendes darstellt. Stellt 
man aber den Maschinistenhebel so, dass die Bewegung 
des Coulissensteines, also auch die der Ventilhebelenden 
dem Kreise OA entspricht, so hat man volle Füllung, 
da der Kreis OA den D — B — E überhaupt nicht 
berührt; bei der Bewegung nach dem Kreise OB hat 
man ca. 0,37 Füllung, beim Kreise OC circa 0,20 Fül- 
lung u. s. w. Man wolle bemerken, dass bei 0,37 Fül- 
lung eine circa l*/«""* betragende Sicherheit des Aus- 
klinkens gerechnet ist und dass bei Volldruck der Hub 
des Ventils kleiner, also Anheben der Gerüste . und des 
Seiles sanfter erfolgt, als wenn man hohen Ventilhub hat. 

Den Eünfluss der Schubstangenlängen kann man 
wegen Rück- und Vorwärtsgang nicht ganz aufheben, 
das hat aber bei gekuppelter Maschine nicht viel zu 
sagen; einige Millimeter Sicherheit des Ausklinkens 
sind zweckmässig wegen eintretenden todten Ganges in 
den Charnieren. 

Wendet man das besprochene Princip auf bestehende 
Schiebermaschinen durch besonderes Expansionsventil 
an, so gestaltet sich die Sache nach Fig. 5 sehr ein- 
fach: abc und a^b'& sind zwei Winkelhebel, um b und 
b* drehbar, bei a gekuppelt und durch Exoenterstange 
g bewegt; f ist das Ventil, durch den Keil e gehoben; 
die bei c& drehbaren Ausrückeklinken werden durch 
die festen Schrauben ddf ausgelöst. Ersetzt man dd* 
durch bewegliche, vom Regulator gestellte Daumen, so 
hat man eine höchst einfache variable Expansion für 
gewöhnliche Betriebsmaschinen. Für Fig. 1 und 2 ist 
das Diagramm in Fig. 4 dargestellt: 

OAB ist der Kreis des Ventilhebelendes, D und 
OD' die Daumenkreise, OEC ist der beiden entspre- 
I chende relative Kreis. Soll die gewünschte kleinste 
Füllung =0,20 betragen, so muss die Ausrückung bei 
A erfolgen und ist in dieser Stellung der Daumen noch 
um EA = OF von seiner mittleren Stellung entfernt. 
Für 0,5 Füllung ist der Daumen in seiner mittleren 
Stellung, d. h. in der Entfernung OE=OF von 0; 
da aber F gleichzeitig ein Punkt des Ventilhebelkreises 
und des relativen Kreises sein muss, so ist Of" zugleich 



Ö43 



H artig, Beobachtungen au eiuer Pappentrockeumaschine. 



541 



Durchmesser des Yentilhebelkreises für diese Füllung. 
Etwas innerhalb OF beginnen die Kreise, bei denen 
nicht mehr ausgerückt wird, die also volle Füllung 
bedingen. Die Kreise OD und OD* sind natürlich in 
Lage und Grösse unabhängig von der Lage des Ma- 
schinistenhebels. Mit Hilfe eines besonderen Expan- 
sionsexcenters kann man also bequem die Füllungen 
zwischen 0,2 und 0,5 variiren lassen und auch volle 
Füllung geben. 

Will man die Expansion mit der Stellung des auf- 
gehenden Gerüstes selbstthätig variabel machen, so 
dürfte die schematische Combination in Fig. 6 ent- 
sprechen. 

h sei das Eingangsventil, a das Ausgangsventil, 
cdef dlQ Steuerwelle mit ihrem festen Drehpunkt d, 
ihren Hebeln cd und ed und dem Angriffspunkte /*fur 
die Excenterstange; geh ist die schon bekannte Ventil- 
hebelklinke mit ihrem Drehpunkt e, der zugleich um d 
schwingt; iklm ist ein Balancier zum Ausrücken der 
Klinke vermöge des Gontactes zwischen i und h. Dieser 
Balancier hat in m seinen Excenterstangenangriffspunkt, 
während, sein Drehpunkt k selbst wieder auf dem Hebel 
no liegt, dessen fester Drehpunkt in n ist. Die Dre- 
hung des Hebels no erfolgt nun mittelst Druckstauge 
p* von dem Hebel q^p* r* aus, dessen Mitte p* um den 
festen Punkt s drehbar ist, während in g^ die Um- 
steuerstange q'V vom Maschinistenhebel u*t* aus an- 
greift und der Punkt r' durch eine vom Teufenzeiger 
aus betriebene Schraubenmutter v* beweglich ist. Die 
Function dieses Systems ist nun leicht verständlich. 

Steht der Maschinistenhebel in t*y die Mutter der 
Schraube in v*^ so wird das Ende der Druckstange op 
in p' stehen und sich, während das volle Gerüst auf- 
geht und die Mutter v sich langsam von v* nach v^ 



schraubt, nach p^ zu stellen. Der Drehpunkt h sinkt 
also allmälig und mit ihm zugleich die Enden i und I, 
resp. die Schwingungsmittelpunkte der Ausrückebabin- 
cierenden, d. h. also, je mehr das volle Gerüst nach 
oben kommt, desto eher wird bei feststehendem Ma- 
schinistenhebel ausgerückt, d. h. um so geringer wird 
die Füllung. Beim Umsteuern von V nach P wird das 
Spiel des Hebels g, p^ r nach der anderen Seite des 
Lothes OS verlegt und ist auch leicht ersichtlich, dass 
bei kleineren Auslagen des Maschimstenhebels die ge- 
wünschte FügUchkeit der vollen Füllung für alle Falle 
bleibt; man hat nur zu sorgen, dass oberhalb p' der 
Daumen nicht mehr ausrückt, was um so leichter her- 
zustellen, als in der Nähe der Mittelstellung von i der 
Hub von e auch geringer wird. Das Balancierende I 
hat für das hintere Eingangsventil dieselben Functionen 
wie % für das vordere und würde man die selbstthätige 
Variation vielleicht zwischen den Grenzen 0,5 bis 0,90 
wählen. 

Für die erwähnte Combination, Fig. 5, mit nur 
einem Excenter würde ikl nur in in senkredit nieder- 
zuführen sein — alles Andere würde bleiben. 

Was nun das Verhalten der einzelnen Details im 
Betriebe betrifft, so sind Expansionsmaschinen, für 
Fabrikbetrieb mit der beschriebenen Ausrückung seit 
1872 im Gange, theilweise mit über 50 Touren pro 
Minute. Speciell Fig. 1 und 2 sind seit ca. 3 Jahren 
im Gange. Fig. 5 seit ca. ^/^ Jahre. Fig. 6 ist vor- 
läufig noch Papier und hat nach unserem Ermessen 
keine so hohe praktische Wichtigkeit, um die grössere 
Gomplication aufzuwiegen. 

Die erhaltenen Indicatordiagramme zeigen die 
scharfe Expausionsecke und den geringen schädlichen 
Kaum, wie das zu erwarten war. 



Beobachtungen an einer Pappentrockenmaschine. 



Von 



Dr. Uartig in Dresden. 

(Hierzu Tafel XXV.) 



Die Trocknung der Pappen im Freien, sowie die neuerdings von verschiedenen Seiten, unter andern mit 



in geheizten Trockenräumen hat bekanntlich mit man- 
cherlei Schwierigkeiten zu kämpfen. Es ist daher 



vielem Erfolge von Herrn MaschinenfiEtbrikant Wilhelm 
Kunze in Berthelsdorf bei Freiberg i. S., die Trock- 



545 



Bartig, fieobachtnngen an einer t^appentrockenntascliine. 



546 



nung der Pappen auf dampfgeheizten Cylindem in An- 
griff genommen worden. Die Feststellung der zweck- 
mässigsten Grösse der hierbei zu benutzenden Ober- 
flächen macht die Kenntniss des Wärmedurchgangscoef- 
ficienten für gusseiseme Wandungen, die von feuchter 
Pappe bedeckt sind, erforderlich. Da uns diese Kennt- 
niss bisher noch mangelte, so ergriff der Verfasser gern 
die von Herrn Kunze gebotene Gelegenheit , hierüber 
einige Beobachtungen anzustellen. 

Die hierzu benutzten beiden Maschinen*), eine 
Walzenpresse und eine Trockenmaschine , die sich in 
der dem Genannten gehörigen Pappenfarik zu Berthels- 
dorf befinden, sind auf Taf. XXV in Verticalschnitten 
dargestellt 

Die Ton der Pappenmaschine mit einem Wasser- 
gehalt von ca. 68 Proc. gelieferten Pappen werden zu- 
nächst auf der in Figur 1 skizzirten Walzenpresse 
thunlichst (bis auf etwa 55 Proc.) entwässert. Die 
gusseiseme Unterwalze a (Durchmesser 300"", Länge 
1100"") wird Yon einer Antriebwelle mit einer Ge- 
schwindigkeit von 8 Umdrehungen pro Min. (126"" 
Umfangsweg pro Secunde) umgetrieben. Die Oberwalze 
by deren Zapfenlager in vei-ticalen Gestellschlitzen ge- 
führt sind, wird durch Gewichtshebel belastet, zur Zeit 
der Beobachtungen mit 3361 \ wozu das Eigengewicht 
der Walze mit 529^^ zu rechnen ist; daher Gesammt- 
pressung 3890*^* oder pro Centimeter Walzenlänge 55^«. 
Durchmesser der Antriebscheibe 565"", mittlere Tou- 
renzahl derselben pro Min. 40; Uebersetzung von der 
Antrieb welle nach der Unterwalze (Stirnräder) 18 : 90. 
Zwischen beiden Walzen passiren zwei endlose Wollen- 
filze cd, von denen der untere das Auflegen und Ab- 
nehmen der nassen Pappen ermöglicht; ersteres geschieht 
bei 1, letzteres bei 2. Die Anordnung der Leit- und 
Spannwalzen ist aus der Figur unmittelbar ersichtlich. 
Das ausgepresste Wasser dringt grösstentheils durch 
den Filz c und wird mittels einer unter a angebrachten 
Fangrinne abgeführt. Nur die stärksten Pappen er- 
fordern einen mehrmaligen Durchgang durch die Ma- 
schine. 

Die ausgepressten Pappen gelangen hiemach zur 
eigentlichen Trockenmaschine, Fig. 2 und 3, deren 
Hauptbestandtheile die drei hohlen gusseisernen Walzen 
A, B, C sind; Durchmesser 1200"", Länge 1100"", 
Wandstärke 22""; mittlere Tourenzahl pro Min. 1,35 
(Umfangsweg pro See. := 85""). Die Drehung dieser 
Walzen erfolgt in der Richtung der eingezeichneten 



*) Dieselben sind neuerdings, so in Russland, zur Trocknung 
des in BlÄtterform zu versendenden Holzstoffs in Verwendung ge- 
kommen. 

CiTiliDC«nienr XXIII. 



Pfeile von einer Antriebwelle aus durch Stirnraderpaare 
mit einer Gesammtübersetzung von 

18 _18_ 
90" 120* 

Durchmesser der Antriebscheibe 565"", normale 
Tourenzahl derselben 45 pro Min. Die Heizung der 
Trockenwalzen geschieht durch den Abdampf einer 
kleinen fünfpferdigen Betriebsmaschine, der durch die 
Rohrleitung a zu-, durch b abgeführt wird; innerer 
Durchmesser des Dampfeintrittsrohrs 25"", des Dampf- 
austrittsrohrs 32""; das durch Condensation gebildete 
Wasser wird durch Schöpfer c nach dem Ableitungs- 
rohr b befördert. An dem letzteren ist ein Federmano- 
meter angebracht, das zur Ablesung der im Folgenden 
notirten Dampfspannungen diente. 

Die Anpressung der Pappen an die heissen Ober- 
flächen — und hierin liegt eine wesentliche, durch Pa- 
tente geschützte Eigenthümlichkeit der Kunze 'sehen 
Maschine — geschieht durch endlose Gewebe D, E, F 
von feinem Messingdraht (Drahtdicke 0,6"", Maschen- 
weite 1,5""), welche mittels je 4 Leitwalzen d und 
einer Spannwalze e so geführt sind, dass ca. 70 Proc. 
des Walzenumfangs nutzbar gemacht werden. Wie für 
die Walzenpresse sind auch hier zur Bedienung zwei 
Personen erforderlich, eine zum Einlegen der Pappen, 
die andere zum Abnehmen; ersteres geschieht bei 1, 
letzteres bei 2. Die einlegende Arbeiterin steht auf 
dem Fussbrett f und hat den Pappenvorrath zur linken 
Hand auf dem Tisch g; die Abstreif bleche h bewirken 
eine sichere üeberführung der Pappen von Ä auf B 
und von B auf C; der Tisch i dient zum Aufschichten 
der getrockneten Pappen; von i nach g führt auf der 
einen Seite des Maschinengestells ein Schienengleis, 
auf welchem mittels eines kleinen Transportwagens die 
Pappen nach dem Einlegtisch zurückgeführt werden 
können, wenn eine einmalige Passirung der Maschine 
(bei stärkeren Pappen) nicht genügt. 

Man ersieht aus der Art der Pappenführung, dass 
beide Seiten mit den geheizten Oberflächen in Berüh- 
rung kommen; auch ist klar, dass die Anwendung der 
Drahtgewebe ein viel rascheres Entweichen der Wasser- 
dämpfe gestatten muss, als die sonst gebräuchliche Be- 
nutzung der Wollenfilze. 

Die benutzte Gesammtlänge der Walzenumfänge 
beträgt 7,9 1", die Länge des von den Pappen zurück- 
gelegten Weges 8,83", daher die Zeit des Verweilens 
jeder Pappe in der Maschine 8830 : 85 = 104 Secunden 
= 1'44". 

Als ein wesentlicher Vortheil dieser Trocknungs- 
methode muss es angesehen wei*den, dass dieselbe 

35 



U1 



Hartig, Beobachtungen an einer t^appentrockenmaschine. 



548 



keinerlei Ausschuss veranlasst, sowie dass die 
Pappen in völlig ebener Form erbalten wer- 
den, also die Notbwendigkeit dos Satinirens für viele 
Verwendungen entfällt. 

Unter Benutzung der bcscbriebenen beiden Ma- 
schinen führte der Verfasser am 7. Aug. d. J. die fol- 
genden Versuche durch. 

I. Trocknung dünner Pappen aus Lumpenstoff. 
Format 98.71'^'"; von der fertigen Pappe gehen 250 
Stück auf 50''« oder das Gewicht pro IQ™ beträgt 
287«. 

100 Stück der von der Papiermaschine entnom- 
menen Pappen zeigten ein Gewicht von 49,4^«; die- 
selben wurden einzeln (mit der schmalen Seite) der 
Walzenpresse vorgelegt und waren in 20' 15" ausge- 
presst; die mittlere Tourenzahl der Antriebwelle dieser 
Maschine wurde hierbei zu 41 beobachtet. Die Pappen 
zeigten nach dem Auswalzen ein Gewicht von d3,o^^. 
Sie wurden nun (mit der längeren Seite) der Trocken- 
maschine vorgelegt und waren nach einmaligem Durch- 
gang — in Zeit von 13' 35'' — völlig trocken; das 
Gewicht der fertigen Pappen betrug nun 20^«. Die 
mittlere Dampfspannung während des Trocknens wurde 
zu 1,22 Atm. Ueberdruck beobachtet, die minutliche 
Tourenzahl der Antriebwelle zu 54. 

n. Trocknung mittelstarker Pappen. Format 
98.71*^'°; auf 50 •'«gehen 125 Stück; Gewicht pro in™ 
575«. 

100 Stück der nassen Pappen zeigen vor dem 
Pressen ein Gewicht von 92,5*'«, nach dem Pressen 
69,6 ''«; die Zeit zum Auspressen betrug 16' 45"; Touren- 
zahl der Antriebwelle 39 pro Min. 

Zum Trocknen war eine zweimalige Durchlaufung 
der Trockenmaschinc erforderlich; bei der 2. Passage 
wurden häufig 2 Pappen aufeinanderliegend eingelegt. 
Das Gewicht der 100 Pappen ergab sich nach dem 
ersten Durchgange zu 52,75^«, nach dem zweiten zu 
40^«; ausserdem wurde beobachtet 

bei der 1. 2. Passage 
die erforderliche Zeit . . 15' 20" 13' 30" 
die mittlere Dampfspannung l,io Atm. 1,28 Atm. 
die minutliche Tourenzahl 

der Antriebwelle . . 47,3 47,7. 

Die Gesammtzeit zum völligen Trocknen dieser 
100 mittelstarken Pappen betrug daher 28' 50". 

III. Trocknung dicker Pappen. Format 98.71*^™; 
auf bO^« gehen 73 Stück; Gewicht pro IQ"» 973«. 

Die Pappen durchlaufen sowohl die Walzenpresse 
als auch die Trockenmaschine zweimal. Es wurden 
35 Stück Pappen abgezählt und deren Gewicht 



99 



>• 



99 



»> 



» 



99 



99 



99 



99 



vor dem Pressen . . 
nach dem 1. Pressen 
2. ff 

1. Trocknen 

2. „ 
ermittelt. Ausserdem wurde beobachtet: 

beim 1. 
die erforderliche Zeit . . . 5' 25" 
die minutliche Tourenzahl der 



zu 50,5^, 

41,725»^«, 
38,26^«, 

31,6 ^ 

23,75^ 



2. Pressen 
5' 50" 



Antriebwelle 



46 
beim 1. 

8' 10" 

2,00 Atm. 



35 

2. Trocknen 

9^50" 
1,90 Atm. 



die erforderliche Zeit . . 
die mittlere Dampfspannung 
die minutliche Tourenzahl 

der Antriebwelle . . 38,26 36,4. 

Zum Trocknen von 100 Stück würde also die Ge- 
sammtzeit beim Auspressen 32' 8", bei Passirung der 
Trockenmaschine 51*26" betragen. 

Von den bei diesen Versuchen erhaltenen Pappen 
wurden Proben genommen, deren Wassergehalt nach- 
träglich in dem technologischen Laboratorium des Ver- 
fassers bestimmt wurde; derselbe ergab sich im Durch- 
schnitt zu 10,2 Procent. 

Aus den vorstehenden Beobachtungen lässt si(£ 
zunächst für die drei Pappensorten die stündliche Lei- 
stungsfähigkeit der beiden Maschinen, ausgedrückt in 
Kilogramm fertiger Pappe, berechnen; dies führt zu 
folgenden Ergebnissen: 

Format der Pappen 98.71^™ (Grösse 0,696 □"). 







Gewicht 


Standliche (maximale) 




Zahl der 


der fertigen 


Leistung in Kilogramm 


Nr. 


Pappen 


Pappen 


der fertigen Pappe. 




auf 50 ^«, 


pro 1 D ". 


Walzen- 


Troekeo- 






Gramm. 


presse. 


maschine. 


I 


250 


287 


59,3 


88,4 


U 


125 


575 


143 


83,2 


m 


73 


973 


127 


79,2 



Hierbei sind die Stillstände, welche durch das Zu- 
tragen und Fortschaffen der Pappen u. s. w. entstehen 
können, noch nicht berücksichtigt; rechnet man diede 
zu 15 Proc. der Arbeitszeit, so würde immerhin eine 
stündliche Leistungsfähigkeit von 0,85 . 83,6 = 71 ^« fer- 
tige Pappe anzunehmen sein. Jedenfalls ist das von 
dem Erfinder. garantirte Pappenquantum von 45—50*^ 
pro Stunde sehr niedrig gegriffen. 

Die mitgctheilten Beobachtungen gestatten aber 
noch eine anderweite Verwendung: es lässt sich daraus, 
wie schon Eingangs erwähnt, der Wärmedurchgangs- 
Coefficient für die vorliegenden Verhältnisse (Wasser- 
dampf — Gusseisen — nasse Pappe — Drahtgewebe — 



; 



549 



Hart ig, Beobachtungen an einer Pappentrockenmaschine. 



550 



atmosphärische Luft) annähernd berechnen, denn be- 
zeichnet 

T die Temperatur des Heizdampfes, die sich aus der 
beobachteten Spannung ergiebt, 

t die Anfangstemperafur der zu trocknenden Pappen, 
die mit der Temperatur der umgebenden Luft als über- 
einstimmend angenommen werde, 

F die totale benutzte Heizfläche der Maschine, gleich 
dem Product aus Pappenbreite und Länge der berührten 
Walzenumfänge = 0,7 . 11,3 . 0,98 = 7,75 □'", 

Q das Gewicht der stündlich zugofiihrten feuchten 
Pappe in Kilogr., 

a,Q die pro Stunde durch Verdampfung entfernte 
Wassermenge in Kilogr., 



/M die pro Stunde, pro IQ" Walzenumfläche und 
pro 1® C. Temperaturdifferenz beförderte Wärmemenge 
in Calorien, 

so besteht die Gleichung 

/'(r— 0|iA = Q(100 — < + 537.a), 

woraus der Coefflcient 

_Q (100 — <+537.a) 
'*— " F(T—i) 

sich berechnet. 

Fühi-t man diese Rechnung für die vorliegenden 
fünf Beobachtuugsreihen durch, so gelangt man zu den 
in folgender Tabelle enthaltenen Zahlen werthen : 



Art der Pappe. 



Dünnste Pappe 

Mittlere Sorte. 

1. Passage .... 

2. „ .... 

Stärkste Pappa 
1. Passage .... 
2. 



Gewicht der 

pro Stunde 

zugeführten 

nassen Pappe. 



Wasservcriust 
der Gewichts- 
einheit 



a. 



Dampf- 
spannung 
Atm. Ueber- 
druck. 



Temperatur 
des Heiz- 
dampfes. 

T 



Temperatur 
der umgeben- 
den Luft. 

t 



Coefficient 
für den 
W&ripe- 

durchgang. 



?» 



146 

273 
234 

281 
192 



0,394 

0,242 
0,242 

0,176 
0,217 



1,22 

1,10 
1,28 

2,00 
1,90 



124 

122 
125 

134 
133 



30 

30 
31 

32 
32 



56,5 

76,7 
63,9 

57,8 
45,4 



Als Mittelwerth der fünf berechneten Zahlen ergiebt sich 

|ii = 60, 

DQit dessen Benutzung nunmehr die zutreffende Berechnung der für gegebene Verhältnisse erforderlichen Heiz- 
Sache möglich ist. 

Es ergiebt sich nämlich unter Beibehaltung der oben angeführten Bezeichnungen 

C(100 — ^ + 537.«) 
60 (r—^) 



30 



Secundäre Eisenbahnen und Bergbahnen.' 



(Literarische Bevue.) 



Von 



C. Bother, 

geprüfter Ci?iliiigenieur, Sectionsingeniear in Bischofswerda. 



1) Neues System für Secund&rbahnen von Normalspur. Von Dr. Hugo von Ritgen. Berlin. Ernst & Korn. 1876. 

2) Secundäre Eisenbahnen. Von Arnold Samuelson. Hamburg. Otto Meissner. 1876. 

3) Die technischen Vorarbeiten der Gotthardbahn. Erläuterung zu der officiellen Darstellung der Finanzlage. Von K. Wetli» 

Strassen- und Wasserbauinspector des Cantons Zflrich. Zürich 1876. Orell, Füssli & Co. 

4) Betrachtungen über die Tradrung der Zufahrtsrampen der Gotthardbahn mit Rücksicht auf den Bericht von -W. Hell wag» 

Oberingenieur der Gotthardbahn. Von H. A. Gütschow. Hamburg. Carl Grädener (Boyes & Geisler Nachf.). 1876. 

5) Die üetlibergbahn mit Neigungen bis auf 70 per Mille und Bergbahnlocomotiven mit einfacher Adhäsion. Von J. Tobler. 

Zürich. Orell, Füssli & Co. 1876. 

6) Die drei Rigibahnen und das Zahnradsystem. Beschrieben von Roman Abt, Constructeur der Maschinenfabrik Aaran. Zürich 

1877. Orell, Füssli & Co. 

7) Die Alpenlocomotive der Zukunft (Fairlie*s System) mit symmetrisch articulirten Motorgestellen. Resultate aus dem Betriebe 

mit Duplex-Maschinen nach „Practical Evidence of the Working of the Fairlie Engine'* zusammengestellt von A. Branner, 
Ingenieur. Zürich 1876. 

8) Der Eisenbahnbetrieb durch lange Tunnels von M. M. Freiherr von Weber. Wien (Hartleben*s Verlag) 1877. 

Mit einem Anhang: Die Wechselwirkungen zwischen den continentalen und den englischen Bahnsystemen nach der Vollen- 
dung des unterseeischen Tunnels. 



Kaum ein Gebiet wirthschaftlicher Thätigkeit ist 
von den Wirkungen der Krisis von 1873 so tief berührt 
worden, als das Gebiet des Eisenbahnbaues; es hat 
allerdings auch eine Ueberproduction von Eisenbahnen 
stattgefunden, welche den Betheiligten noch lange Jahre 
Schmerzen machen wird. Zur Zeit gehört die Eisenbahn- 
frage unter die Nothstandsfragen, und zwar unter die 
aussichtsloseren. Man hat sich daran gewöhnt, das 
bisherige Gebiet dos Eisenbahnbaues als ein abgebautes 
zu betrachten; man ist bemüht gewesen, neue Felder 
der Thätigkeit für die freigewordenen Kräfte aufzu- 
finden, aber der Erfolg hat den Erwartungen noch 
nicht entsprochen. Der Verfasser der unter Nr. 1 ge- 
nannten Schrift hält dafür, dass die Flussthäler zweiter 
Ordnung besonders im Hügellande zur Anlage neuer 
Bahnen sich eignen, die den Verhältnissen entsprechend 
als „billige ^/j Bahnen" mit normaler Spur auszuführen 
sein würden. Auf Grund einer Reihe von Gesichts- 
punkten, von denen hervorzuheben sind: 

die Möglichkeit, dass die Wagen der Secundär- 
bahn in den langsam fahrenden Zügen der an- 
schliessenden Hauptbahn laufen können; 



die Anwendung von 120° Curvenradius, Nei- 
gungsermässigung in Curven und event. Zags- 
theilung; 

die Länge des grössten Radstandes 2,5**, die 
grösste Achsbelastung 8000^ und die Beschrän- 
kung des Normallichtprofils auf 3,2° Höhe, 

construirt Herr Ritgens die Betriebsmittel für sein 
Secundärbahnsystem. Die gemachten Vorschläge sind 
zwar nicht für die Ausführung, wohl aber für ein ge- 
nerelles Project eingehend genug behandelt und deut- 
lich gezeichnet. 

Den Unter- und Oberbau seines Bahnsystems be- 
handelt Herr Ritgens kürzer und besdiränkt sich zu- 
meist darauf, die Ersparnisse nachzuweisen, welche 
durch Reduction der Dimensionen I und Grewichte er- 
wachsen. Die Erfolge, welche durch Verringerung des 
Normallichtprofils in Bezug auf Wohlfeilheit des Bahn- 
baues zu erzielen sind, scheint der Herr Verfisusser in 
zu günstigem Lichte zu sehen. Die wenigen Wege- 
brücken, deren Höhe dadurch kleiner aosfaUt, können 
kaum in Betracht kommen. Fürdie Tonnek aber, die 
an solchen Secundärbahnen jedenfalls recht sehr selten 



5&3 



Roth er, Secundäre Eisenbahnen und Bergbahnen. 



554 



Torzukommen haben werden, sinkt der Ausföhrungs- 
preis durchaus nicht proportional mit der Fläche der 
Lichtöffhung. Ein Normalprofil von geringer Höhe 
schliesst auch gewisse Gegenstände vom Bahntransport 
aus, ja für manche Industriezweige reicht schon jetzt 
die Höhe des Hauptbahnnormalladeprofils (4,65 ^) nicht 
mehr überall zu. 

Das Buch verdient in der That eine eingehende 
Würdigung, auch wie es der Herr Verfasser wünscht, 
seitens des Vereins deutscher Eisenbahnverwaltungen. 

Der Verfasser der unter Nr. 2 genannten Broschüre, 
Herr Samuelson, fuhrt ein Secundärbahnsystem vor, 
das sich mehr als Strasseneisenbahnsystem charakteri- 
sirt. Die Grundzüge sind: 

1) Noimalspur. 

2) Gurven bis 28 '" Radius, dabei soll der Spurki'auz 

des Aussenrades auf der seitwärts gerückten 
Aussenschiene auflaufen. 

3) Radstand 2,2'°, Maximalachsbelastung 5000^. 

4) Eigenthümlich construirte Locomotive mit stehen- 

dem Kessel und zu Vermehrung des Adhäsions- 
gewichtes mit einem Personenwagen combinirt. 

„Die Gründe für diese Grundzüge — sagt Herr 
Samuelson — werden dem Kenner der von Weber'- 
schen Schriften schon von vornherein klar sein, den 
Rest der Klarheit wird hoffentlich das Nachstehende 
bringen." 

Die Locomotiven, Wagen und Kuppelungen für 
sein Eisenbahnsystem beschreibt Herr Samuelson ein- 
gehender, auch sind diese Gegenstände durch gut aus- 
geführte Zeichnungen erläutert. Auf den Oberbau 
legt Herr Samuelson besonderes Gewicht: „Erst der 
Abschnitt vom Oberbau wird Manches von dem vor- 
stehend Gesagten zum vollen Verständnisse bringen. 
Man hat sich in Deutschland durch die Schriften von 
Sorge und die älteren Schriften von Webers und 
Anderer daran gewöhnt, die Secundärbahnen als eine 
kleinere Abart der grossen Eisenbahnen anzusehen, 
welche zwar einfacher und billiger angelegt und be- 
trieben werden, im Uebrigcn aber ähnliche Kosten für 
Terrainerwerb, Bahnhöfe u. s. w. aufwenden müssen 
und in ähnlicher Weise mit dem kostspieligen Betriebs- 
apparat, Signalwesen, Bahnhofsbetrieb u. s. w. versehen 
sind. Man muss daher, wenn man die Secundärbahn, 
wie der Verfasser sie versteht, auffassen will, sich zuerst 
gänzlich von diesen Ideen losmachen. Solche Los- 
machung bahnt schon v. Weber 's vorzügliche Schrift: 
,,Neue Pfade der Volkswirthschaft^^ an, es werden aber 
darin die Mittel nicht gegeben, durch welche das auf- 
gestellte Programm ausfuhrbar sein würde. Ich glaube, 
dass das vorliegende System viel weitergehend ist , als 



das V. Weber 'sehe, denn es ermöglicht das Befahren 
von Gurven mit 28"^ Radius und von Steigungen, im 
Nothfall bis zu 5 Procent, reicht daher für jede Ge- 
birgsbahn aus.^' 

Der Oberbau ist für verschiedene Fälle gut und 
klar dargestellt und zwar für 

1) Lage in chaussirter Strasse (nach Art der Pferde- 

bahnen, gewöhnliche Vignolschiene bis zum 
Kopfe verfullt). 

2) Lage in gepflasterter Strasse und Curve von 28" 

Radius (aussen: Vignolschiene für Spurkranz- 
auflauf, innen : [ Schienen mit verticalgestellter, 
durch Bolzen und Hülsen befestigter Schutz- 
flachschiene). 

3) Lage in städtischer Strasse (An9rdnung für beide 

Schienen wie vorher für die Innenschiene). 

Wie sich alsdann Hen* Samuelson den Bau einer 
Secundärbahn nach diesem Systeme denkt, geht aus 
seinen folgenden Sätzen hervor: „Die Fa^onstücke für 
28" Gurven werden in den Werkstätten fertig gestellt^ 
so dass an Ort und Stelle nur die Gurven mit mehr 
als 150 "^ Radius hergestellt zu werden brauchen. Dieses 
kann entweder durch Biegen der Schienen geschehen 
— eine Schiene von 6" Länge wird bei 150"* Radius 
um 30"™ in der Mitte durchgebogen — oder dadurch, 
dass man kürzere Schienenstücke von verschiedener 
Länge vorräthig hält, welche man in unmerkbaren 
Knicken verlegt. Solche Schienenstücke muss man 
ohnehin vorräthig haben, um die Curven von 28" Ra- 
dius an ihre richtige Stelle hinrücken zu können. 

So ausgerüstet braucht man keine Tracirung, keine 
Aufmessungen, ja nicht einmal eine vorherige genaue 
Absteckung. Die Goordinaten der Endpunkte der Cur- 
venstücke kann man sich ein für alle Mal notiren oder 
merken und es kann dann die ganze Schienenlegung 
nach dem Augenmass mit Hilfe von Setzwaage, Winkel 
und Schnur beschafft werden. Eine Holzschablone, 
welche zusammengesetzt einen Viertelkreis von 28" 
Radius bildet, könnte vielleicht unter Umständen mit 
Vortheil zu verwenden sein. Man wird bei Legung 
der Gurven, abweichend von den Eisenbahncurvon, stets 
von der inneren Schiene ausgehen. Ein kleines Nivel- 
lirinstrument ist wünschenswerth, um die Steigimgs- 
verhältnisse zu registriren. Schliesslich muss noch be- 
merkt werden, dass statt der hölzernen Unterlagen auch 
eiserne, wie Glocken u. s. w. angewendet werden können. 
Wer also eine Leidenschaft für solche Gonstructionen 
fühlt oder an die Zukunft derselben glaubt, der möge 
sie anwenden." 

Endlich berührt der Verfasser noch die Detailcon- 
structionen des Radreifens und schliesst mit den Worten : 



555 



Roth er, Secandäre Eisenbahnen und Bergbahnen. 



556 



,,Hierau8 folgt dann alles Andere von selbst und kann 
getrost der Weiterbildung und Vervollkommnung von 
Tausenden einsichtsvoller Ingenieure aller Orten über- 
lassen werden. 

Der Verfasser hat auf das, was an diesem System 
etwa neu und eigenthümlich sein sollte, keine Patente 
irgend welcher Art genommen (ausser auf den Dampf- 
wagen). Er stellt Alles zur freiosten Benutzung dem 
Gemeinwohl zur Verfügung." Ja es wird allerdings 
noch der Arbeit vieler einsichtsvoller Ingenieure aller 
Orten bedürfen, um die Secundärbahnfrage zu lösen 
oder — unter uns gesagt — den Eisenbahnbau wieder 
in Flor zu bringen. Bis jetzt gehen die Meinungen 
noch recht weit auseinander und die Schwierigkeiten 
scheinen eher zu wachsen als abzunehmen, v. Weber 
sucht unter Aufwand zahlreicher Gründe nachzuweisen, 
dass mit Schmalspur beim Bau nur wenig, beim Be- 
trieb £Etst Nichts zu sparen sei und ist Anhänger der 
Normalspur. Kopeke dagegen stellt sich und zwar 
auf Grund eingehender Verkehrsbeobachtungen auf Seite 
der Schmalspur und glaubt dadurch dem Baucapitale 
noch am ehesten eine Rente sichern zu können. Die 
Secundärbahn im Sinne Kopeke 's ist schon mehr 
Dampfomnibuslinie mit gelegentlicher Güterbeforderung. 
Interessant und von sachlicher Wichtigkeit sind die 
Untersuchungen Kopeke 's in Bezug auf die Concur- 
renz zwischen Strasse und Secundärbahn, siehe Pro- 
tocoU der 1875er Versammlung des sächsischen Inge- 
nieur- und Architekten- Vereins zu Dresden. 

In ziemlichem Widerspruche hiermit stehen die 
Anschauungen, auf Grund deren man Seiten preussischer 
Provinziallandtage dem Secundärbahnbau näher getreten 
ist. Man hat sich dort gesagt, dass eine Secundärbahn 
wenig mehr koste, als eine gute Strasse und während 
letztere nur Unterhaltungsaufwand erfordere, bringe 
erstere noch etwas ein, dabei ist freilich das Gespenst : 
Betriebsdeficit einfach todtgeschwiegen. 

In fast gleich schwieriger Lage, wie das gesammte 
Eisenbahnbauwesen, befindet sich zur Zeit das wohl 
bedeutendste technische Unternehmen der Gegenwart, 
nämlich die Gotthardbahn. Der Bericht des Ober- 
ingenieurs Hellwag*) hat die Schweizer Ingenieure 
empfindlich berührt, sie suchen sich gegen die indirect 
gemachten Vorwürfe zu vertheidigen, davon legen die 
unter Nr. 3 und 4 genannten Schriften von Gütschow 



*) Eine weitere Schrift des genannten Verfassers — Mein 
Gutachten über A. Thoumen's Gotthardbahn, 7. Heft der tech- 
nischen Mittheilungen von Orell Füssli & Co., Zürich — weist 
überzeugend nach, dass durch die von Thoumen, dem £rbauer 
der Brennerbahn, gemachten Vorschläge das Deficit der Gotthard- 



und Wetli Zeugniss ab. In einem Punkte sind sich 
die Herren He 11 wag und Wetli einig, insofern sie 
die Kostenanscliläge der internationalen Couferenz al» 
ungenügend erklären. He 11 wag legt dies im Einzelnen 
dar, während Wetli mehr im Allgemeinen nachweist, 
dass seine Anschläge den Hell wag 'schon sehr nahe 
kommen und dass vor Allem die enorme Kostenüber- 
schreitung beim Baue der nun fertigen tessinischen 
Thalbahnen lediglich der internationalen Conferenz und 
der auf ihre Anschläge gegründeten unzureichenden 
Finanzii-ung zur Last fällt. 

Den Arbeiten Wetli 's wird überall gebührende 
Anerkennung gezollt und seine Schichtenpläne im Mass- 
stabe 1 : 100000 wurden vielfadi benutzt und selbst 
Hell wag that dies. Trotzdem sind gerade diese Pläne 
in kurzer Zeit und mit sehr massigem Kostenaufwande 
hergestellt worden, was in gleicher Weise von den spä- 
teren Tracirungsarbeiten nicht gesagt wird. Ueber den 
Hell wag 'sehen Bericht in manchen Fällen klares Licht 
zu verbreiten, ist die Wetli 'sehe Schrift ganz geeignet 
und beide Werke können, zumal überhaupt die Lite- 
ratur über Eisenbahnvorarbeiten noch keineswegs aus- 
gedehnt ist, zum Studium bestens empfohlen werden. 

Die unter Nr. 4 genannte Schrift von Gütschow 
enthält eine sehr abfällige Kritik des Hell wag 'sehen 
Projectes und bezweckt demgegenüber die Vertheidigung 
des älteren Projectes von Gerwig. Die Art und Form 
der Darstellung flösst jedoch so wenig Vertrauen zu 
den Schlussfolgerungen ein, dass eine Wiedergabe von 
Einzellieiten kaum interessiren dürfte. 

Eifreulicheres bietet die Monographie über die 
Uetlibergbahn von Tob 1er; als wohlgelungenes Werk, 
wird dieser beachtenswerthe Verkehrsweg eingehend 
beschrieben und dargestellt und zwar in einer Form 
und Ausstattung, die als Muster^^hingestellt zu werden 
verdient. 

Von Zürich aus gewinnt die Bahn mit Steigungen 

1 : 50 bis 1 : 25 den Fuss des Uetliberges, dann wachsen 

die Steigungen und im letzten Theile liegt die Strecke 

1^™ lang in 1 : 14,3. Die Gesammtlänge beträgt 9,i67*», 

die Höhendifferenz der Endpunkte 399" und die mitt- 

399 1 
lere Steigung ^. ,,-- = ^. Der gewöhnliche Curvenra- 

dius ist 150", ausnahmsweise kommen Radien von 135" 



bahn durch Eiolegung von Zahnradstrecken mit i6®/oo Neigung, 
ansehnlich zu verringern, nicht das erhoffte Resoltat m erreichen 
sein wird. Erst bei Erhöhung der Neigung auf 707oo ^U "^ 
eine wesentliche Erspamiss herausstellen, gleichzeitig aber nach 
die Unmöglichkeit, den zu erwartenden Verkehr mit dem Zihn- 
radsystem zu bewältigen. 



557 



ttother, Secandäre Eisenbahnen und Bergbahnen. 



558 



vor, die Länge der Curvenstrecken beträgt 53 Proc. 
der ganzen Länge. 

Die Locomotiven sind dreiachsige Tendermaschineu 
▼on 25''' Betriebsgewicht, 2" Radstand, 0,9 1» Triebrad- 
durchmesser, 0,54" Kolbenhub, 0,32" Cylinderweite 
und der Kessel ist für 12 Atmosphären Dampfdruck 
gebaut 

Die Personenwagen haben 2,8" Radstand, 5,7" 
Länge, 3,o" Breite, fassen 40 Personen sammt Gepäck 
und wiegen beladen 12^^; Güterwagen besitzt die Bahn 
nur drei von je 7,6 "^ Tragkraft. 

Der Oberbau der Bahn besteht aus 110"" hohen, 
30^* schweren Eisenschienen und imprägnirten Quer- 
schwellen. Es sind Eisenschienen vorgezogen worden, 
weil sie beim Biegen weniger sorgsam behandelt wer- 
den können. 

Die Spurerweiterung beträgt in Curven von 150" 

Radius 0,oi3" und ist nach der Formel: e = ^^^, wo- 

rin d der Radstand und jB der Curvenradius in Metern 
ist. Diese Formel giebt fast um die Hälfte kleinere 
Spurerweiterungen, als man sie sonst wohl verwendet, 
die Gleise und Spurkränze sollen sich aber gut gehalten 
haben. Die Ueberhöhung der Gleise in Curven ist für 
150 Radius und 20^" Geschwindigkeit (r) zu0,i3" aus 

der Formel h= p bestimmt worden, was den gebräuch- 
lichen Annahmen entspricht. Die Baukosten betrugen, 
eingerechnet Betriebsmaterial, 137960 Mark pro Kilo- 
meter. Als Billetpreis werden 15 Pfennige pro Kilo- 
meter berechnet, die jährlicdie kilometrische Einnahme 
hat sich zu etwa 21000 Mark (44000 Mark bei den 
sächsischen Staatseisenbahnen) herausgestellt und diese 
Summe erlaubt bei etwa 45 Proc. Betriebskosten 5 Proc. 
Dividende für das Anlagecapital. 

Die Züge bestehen in der Regel aus 1 Locomotivc 
und 3 Personenwagen (120 Plätze) und werden bei der 
Thalfahrt fast nur durch die Luftbremse der Maschine 
dirigirt, in Ausnahmefällen können jedoch die Doppol- 
klotzbremsen der Räder mit verwendet werden. Ueber 
die Wirkungsweise der Luftbremse sagt Herr Tob 1er 
Folgendes : 

,,Die technisch wichtigste Neuerung im Betriebe der 
Uetlibergbahn ist unstreitig die Verwendung des Bewegungs- 
mechanismus zur Hemmung des Zuges bei der Thalfahrt Sie 
allein ermöglicht einen sicheren und ökonomischen Betrieb 
auf den aussergewöhnlichen Steigungen. Die Wirkung der 
comprimirten Luft ist grösser und auch ökonomischer als 
diejenige des Gegendampfes. Die Manipulationen sind bei 
Anwendung des letzteren etwas einfacher und erfordern viel- 
leicht etwas weniger Aufmerksamkeit von Seite der Führer; 



allein auch die Handhabung der Luftbremse verursacht keine 
Schwierigkeiten. Auf luftdichten Abschluss der Kolben, 
Schieber und Lufthahnen muss allerdings grosse Sorgfalt 
verwendet werden. Im Anfang, wenn alle Theile voUkonunen 
schliessen, ist man immer im Stande, die Triebräder zum 
Stehen zu bringen, nach einiger Zeit aber, wenn die Kolben- 
ringe sich etwas abgenutzt haben und nicht mehr gut schliessen, 
lässt die Wirkung nach ; das Bremswasser dringt mit grosser 
Heftigkeit durch die Fugen der Kolbenringe und greift an 
den betreffenden Stellen sogar die Cylinderwände an. Ebenso 
nutzt das Bremswasser die Kanten der Lufthahnen ab und 
macht sie undicht. Um diesen Uebelständeu zu begegnen, 
wurden die Fugen der gewöhnlichen selbstspannenden Kolben- 
ringe durch besondere Deckstücke möglichst luftdicht ge- 
macht. Bei einiger Sorgfalt im Montiren und bei öfterem 
Nachsehen halten übrigens auch die gewöhnlichen Kolben- 
ringe auf beledigende Weise aus. Dem Undichtwerden 
der Lufthahnen wurde durch Vergrösserung ihres Quer- 
schnittes abgeholfen. 

Das Ausströmen des Bremswassers und der comprimirten 
Luft verursacht ferner ein unangenehmes, die Reisenden be- 
lästigendes Geräusch. Zur Vermeidung desselben und zu- 
gleich in der Absicht, die durch Compression erzeugte Wärme 
eiuigermassen zu benutzen, ist der Versuch gemacht worden, 
die ausströmende Luft durch etwa 40""* weite Kupferrohre 
in den Wasserkasten zu leiten. Nach den bis anhin gemachten 
Beobachtungoa steht allerdings die Erwärmung des Speise- 
wassers in keinem Verhältniss zu der mechanischen Arbeit, 
welche das Gewicht eines von einer Höhe von 400° herab- 
rollenden Zuges, im Gewicht von 40 — 50'^, hervorbringen 
könnte; allein die blosse Beseitigung des erwähnten Ge- 
räusches kann schon als ein Gewinn betrachtet werden. 

Die Zuleitung des Bremswassers muss selbstverständlich 
auf das Nothwendigste beschränkt werden. Um die genü- 
gende Sättigung der comprimirten Luft zu erkennen, ist auf 
dem höchsten Punkte des Ableitungsrohres ein kleiner Pro- 
birhahn augebracht; sobald die Färbung der ausströmenden 
Luft ins Bläuliche geht, ist der Zutritt des Bremswassers zu 
vermindern. 

Die Verwendung von Wasserstrahlen zum Reinigen der 
Schienen und zur Vermehrung der Adhäsion hat zwar gün- 
stige Resultate geliefert, die vorhandenen Finrichtungen be- 
friedigen jedoch nicht vollständig. Die Führer ziehen die 
Anwendung des Sandes vor. £s unterliegt keinem Zweifel, 
dass der schmierige Ueberzug, welcher sich durch Staub 
und Rost auf feuchten Schienen bildet, durch einen kräf- 
tigen und lange genug einwirkenden Wasserstrahl beseitigt 
werden kann. Die bisher nicht ganz befriedigenden Frfolge 
liegen nur in dem Umstand, dass die Zuleitungsröhren wegen 
der seitlichen Bewegungen der Maschine, namentlich in den 
Curven nicht immer auf die Mitte der Schienen treffen und 



659 



Röther, Secundäre Eisenbahnen und ßerghahnen. 



560 



dass die Geschwindigkeit des Zuges mitunter noch zu gross 
ist, um lange genug auf den erwähnten schmierigen Ueber- 
zug einzuwirken. Heisses Kessclwasser, das beim' Anstritt 
aus den Köhren sofort verdampft, wirkt offenbar weniger 
als ein Wasserstrahl von geringerer Temperatur. Bei der 
Schwierigkeit des Wasserspeisens auf starken Steigungen 
werden überdies die Iigecteure sonst in Anspruch genommen 
und ist der Widerwille der Führer gegen Wasserverlust be- 
greiflich. Im Allgemeinen aber ist ein gewisser Erfolg nicht 
in Abrede zu stellen; es stehen weitere Versuche bevor, um 
das Sauden, welches auf Schienen und Bandagen nachtheilig 
einwirkt und einen gewissen Widerstand erzeugt, ganz zu 
beseitigen oder wenigstens auf Ausnahmefälle zu beschränken. 
Die zeitherigen ErÜEihrungen im Betriebe der Bahn zeigen 
übrigens, dass die gewöhnliche Adhäsion für die angenom- 
mene Belastung vollständig ausreicht.^^ 

In der That giebt die Schrift des Hemi Tobler 
beaehtenswerthe Fingerzeige für die Anlage von Borg- 
und auch von Seeundärbahnen, ebenso sind die Resul- 
tate der verwendeten Locomotiven (gebaut von Kraus 
& Co. in München) dazu angethan, bei neuen Pro- 
jecten an erster Stelle in Betracht gezogen zu werden. 

Nicht minder ungetheiltes Lob ist dem folgenden 
Werke des Herrn Abt über die drei Rigibahnen zu 
zollen, um so mehr als Nichts von Reclame darin zu 
finden ist, während doch direct geschäftliche Interessen 
die Herausgabe des Buches veranlasstei;. Dia Maschinen- 
fabrik Aarau ist die Eigenthümerin des Rigizahnrad- 
systems Riggenbach-Zschockke und, wie der Titel 
sagt, ist Herr Abt Constructeur der Fabrik. Es wer- 
den durch die eingehenden Darlegungen des Herrn 
Verfassers manche Hoffnungen, die man in neuerer 
Zeit auf das Zahnradsystem gesetzt, reducirt werden, 
dagegen haben auch eine Reihe Zweifel und vermeint- 
liche Mängel des Systems Erledigung gefunden. 

Nach einer kurzen Beschreibung der drei Rigi- 
bahnen*) in Bezug auf Trace und Bauwerke folgt eine 
Uebersichtstabelle der Verhältnisse einiger Zahnrad- 
bahnen, von denen die Wasseralfinger und Ostermun- 
dingcr Bahn hervorzuheben sind, weil bei ihnen die 
Locomotiven auch als Adhäsionsmaschinen arbeiten. Auf 
Strecken geringerer Steigung fehlt die Zahnstange und 
da, wo sie nöthig wird, beginnt sie mit einem federnd 
gelagerten Stück von abnehmender Theilung, so dass 



*) Es sind die Linien: Vitznau-Kulm 7^" lang, 1873 eröffnet, 
ISO"* Rad, ^0^00 Maximalsteigung, reine Zahnradbahn; 
Arth-Kulm 11,2''" lang, davon 9,8^" mit Zahnstange, 180~ Rad, 

212,6 %^^ Maximalsteigung und 
Rigi- Scheideck ohne Zahnstange 60 ^!^,^ Steigung, 6,7 *'" lang, 
1876 eröffnet 



ein Aufstoigen der Zähne nicht eintreten kann. Die 
Locomotiven und Wagen der Rigibahnen sind sehr gut 
graphisch dargestellt und eingehend beschrieben, auch 
sind einige Untersuchungen über Zugswiderstand und 
Leistungsfähigkeit der Maschinen in übersichtlichster 
Form angeführt. Die Dauer der Zähne wird nach 
Massgabe der bis jetzt vorliegenden Erfahrungen aUs 
eine fast unbegrenzte herausgerechnet; dabei mag wohl 
ausser Ansatz geblieben sein, dass die Abnutzung, 
welche der einzelne Zug jetzt hervorbringt, wesentlich 
kleiner ist, als diejenige Abnutzung, die ein Zug er- 
zeugt, nachdem die Zähne bereits bis zu einem gewissen 
Grade abgeschliffen sind. 

Immerhin lehren die bis jetzt gesammelten Beob- 
achtungen bereits, dass die Erhaltungskosten der Zalm- 
stangen nicht höher sein werden, als im Verhaltniss 
z. B. die der Schienen. 

Den Schluss des Werkes bildet eine Uebersicht der 
Betriebsergebnisse der Rigibahnen vom Jahre 1875. 
Daraus ist zu entnehmen, dass die Vitznau- Kulmer 
Bahn 4033 Züge befördert hat (die Arih-Kulmer Bahn- 
linie beförderte 2471 Züge, die betreffenden Zahlen für 
diese Bahn sind in Klanmiem gestellt), dabei sind 
26825 (21625) Locomotivkilometer, d. i. pro Maschine 
und Tag 14,5 (20)^" zurückgelegt worden. Die Ein- 
nahmen betrugen 360000 (132000) Mark, aus dem Per- 
sonenverkehr entfielen davon 83 (82) Proc. Die Aus- 
gaben stellten sich auf 156000 (70400) Mark, wovon 
der Maschinendienst 58 V« Pn>c. in Anspruch nahm. 

Der Reinertrag war 11,5 (2,4) Proc. des Anlage- 
capitals, wobei die Ausgaben pro Kilometer Bahn 22400 
(5850) Mark, die Einnahmen 51900 (12000) Mark be- 
trugen. 

Die Finanzlage der Rigibahnen ist sonach eine 
ganz erfreuliche. 

Für diejenigen Fachgenossen, welche mit Anlagen 
von Zahnradbahnen zu thun haben, bietet das Werk 
des Herrn Abt eine Fülle brauchbarer Daten» es sei 
deshalb bestens empfohlen. 

In der unter Nr. 6 aufgeführten Schrift ist zwar 
die Fairlie-Locomotive als Zukunftsalpenlocomotive 
bezeichnet, es wird aber darüber wohl noch nicht das 
letzte Wort gesprochen sein. Die Broschüre ist ein 
Auszug aus einem Fabrikmusterbuch, enthält aber im- 
merhin eine ganze Reihe praktisch brauchbarer Notizen. 
Die folgende Tabelle ist aus den Daten der Broschüre 
zusammengestellt. 

In einzelne Angaben der Broschüre diirften Zweifel 
zu setzen sein, so z. B. in die: dass auf den canadi- 
schen Bahnen die Fairlie- Maschinen Schneewehen 
von 1,5*" Tiefe mit 32^"" Geschwindigkeit durchfahren. 



561 



Hother, SecnUdäre tlisenbalmen und Bergbahnen. 



56^ 



Name der Bahn. 



Spurweite. 
Meter. 



Mazimal- 
steigung. 

/oo 



Minimal- 

curven- 

radius. 

Meter. 



Gewicht der 

Maschine 

im Dienst 

Tonnen. 



Zaggeschwin- 
digkeit. 
Kilom. pro 
Stunde. 



Kohlen- 
verbrauch 
pro Tonnen- 
kilometer. 



Zuggewicht 

in 

Tonnen. 



Festiniogbahn in Wales . . . 
Paüllosbahn in Peru .... 
Porto k Poroa de Varzim, Bahn 

in Portugal 

Donedin und Port Chalmers-Bahn 
IdTny-Schmalsporbahn, Gouv. Orell, 

Bassland 

Toronto Grey und Bruce-Babn in 

Canada 
Bahn Yera-Cruz, Mexico . . . 
Iquique-Balm in Peru .... 
Nasajö und Oscarshaim-Bahn in 

Schweden 

Grand Loxemburg-Bahn in Belgien 
Grosse Sttd- and Westbahn in 

Irland 



Uebersichtsweise Uetlibergbahn, 
Schweiz 



0,597 
0,762 

0,900 
1,067 

1,067 

1,067 
1,435 
1,435 

1,435 
1,435 

1,600 



12,5 
35 

24 

18 

12,5 
16,66 

40 
45 

16,66 

16 

16,66 



35 
40 

138 
150 

200 

150 

100 

60 

300 
300 

300 



21 
26 



26 

46 

34 
62 



28 



25 
45 

25 
56 

16 



0,357 



0,940 



0,33 

0,07 
0,08 



120 
80 

70 
200 

350 

210 
147 
120 

60 
400 

80 



1,435 



70 



135 



25 



20 



0,28 



16 



Die Vortheile der Fairlie -Maschine gegenüber zwei 
gekuppelten Tendermaschinen werden kurz besprochen 
und mit folgenden Worten schliesst der Herr Verfasser : 
,J)en grössten Triumph aber hat die Fairlie-Maschine 
im Lande des grössten £isenbahntalentes, Amerika, gefeiert. 
Kach dem Vorbilde der Bergbahnen in Peru and in 
Mexico (Steigangen 1 : 25 bis 1 : 20, Carven 100"" Bad) 
werden auch die eoropäischen Gebirgs- and Alpenbahnen 
der Znkanft gebaat werden müssen, wenn die angeheoren 
Kapitalien, welche das bisherige Bausystem (Steigangen: 
1 :40, Carven 180—300"» Rad) erforderte, nicht mehr auf- 
gebracht werden können. Die Vorschläge einer Reduction 
der durch die Semmering-, Brenner-, Mont-Cenis- oder Gott- 
bardbahn repräsentirten Baunormalien zum Zwecke Abmin- 
denmg der enormen Anlagekosten sind dagegen als blosse 
Palliativcurven zu bezeichnen, welche die starre, monumen- 
tale Form verkrüppeln — nicht aber mit dem lebendig 
machenden Geiste der amerikanischen Praxis erfüllen können/^ 
Zur Zeit dürfte es jedoch noch nicht als berechtigt 
anzuerkennen sein, wenn im Hinblick auf die Leistungs- 
fähigkeit der Fairlie-Maschine Bahnen für bedeuten- 
deren Verkehr mit Steigungen über 1 : 40 (2ö^/oo) und 
Badien unter 180™ angelegt würden, immer worden hierzu 
sich nur kleine Linien mit exceptionellen Verkehrsver- 
hältnissen eignen. Sonach werden die langen Tunnels 
der jetzigen bedeutenderen Bergbahnen auch bei den 
späteren wieder zu finden sein. Die Betriebserschwer- 
iiissey die durch Anlage langer Tunnels entstehen, be- 
handelt eingehend das letzte der eingangs genannten 
AVerke in populärer Weise. 

giTllin|reni«ar XXIII. 



Als solche werden bezeichnet: 

1) Verderbniss der Luft, 

2) Vergrösserung der Gefahr bei Unfällen durch die 

Enge des Raumes und die Dunkelheit, 

3) Schlüpfrigkeit der Schienen, infolge des Tropf- 

wassers und mangels Abspülung von Schmiere etc. 
durch den Regen. Das dadurch hervorgerufene 
Schleudern der Räder bedingt einen gewissen 
Mehraufwand von Brennstoff, also Rauchver- 
mehrung und einen längeren Aufenthalt des 
Zuges im Tunnel. 
Das zulässige Maass der Luftverunreinigung setzt 
Herr von Weber auf 0,ooiö Theile (Volumentheile) Koh- 
lensäure und 0,0001 Kohlenoxydgas fest, während ein star- 
ker Eisenbahnzug die vorher reine Luft eines ein- resp. 
zweigleisigen Tunnels von P™ Länge mit 0,0076 resp. 
0,0043 Volumentheilon Kohlensäure schwängert, so dass 
ohne Ventilation der nächste Zug total unathembare 
Luft vorfindet. (In Versammlungssälen kommen 0,oo32 
Kohlensäure vor, welche schon zu Ohnmächten der 
Anwesenden Veranlassung geben.) Vor Verwendung 
obiger Zahlen, etwa als Grundlage für die zur Venti- 
lation der Tunnel anzulegenden Einrichtungen, warnt 
der Herr Verfasser, weil es sich nicht um ein Hinaus- 
drängen der verunreinigten Luft, sondern um ein Ver- 
dünnen der schädlichen Mischung handelt, worauf sich 
keine der vorhandenen Formeln für Luftbewegung in 
geschlossenem Räume anwenden lasse, wenigstens nicht 
mit gutem technischen Gewissen. 

Die Ventilation der Tunnelräume durch die Kol- 



&63 



ttealeanx, Ueber die l)efinition der Maschine. 



56^ 



benwirkung der Züge wird als ungenügend hingestellt, 
zweigleisige Tunnel der Ventilation wegen als Doppel- 
tunnel auszuführen 9 verbietet sich aus Rücksicht auf 
etwaige Unfälle. 

Die Luftbewegung, welche durch Verschiedenheit 
der Verhältnisse an den Tunnelmündungen entsteht, 
hält der Herr Verfasser auch nicht für alle Zeit zu- 
verlässig und ausreichend. 

Alsdann werden einige künstlich ventilirte Tunnel 
behandelt, so der Tunnel zwischen Gowerstreet und 
Portland Road der Metropolitan Railway in London, 
(Aspiration durch die Luftröhren der Pneumatic-Des- 
patch- Company) der Lime Street Tunnel in Liverpool 
(Ventilator von 8,93™ Durchmesser und 61™ über Schie- 
nenkopf hohem, unten 16, oben 7" weitem Schornstein). 

Der Montcenis-Tunnel (Pulsation durch die alten 
Bohrercompressoren, 20 ^'" Rohrweite und Lufthähne an 
verschiedenen Stellen), alsdann noch einige andere 
Tunnel, bei denen die beim Bau benutzten Schächte 
als Ventilationsschlote eingerichtet worden sind. 

Aus alledem kann jedoch der Schluss gezogen wer- 
den, dass das System der Pulsation für die Ventilation 
der langen Tunnel eher einen Erfolg sichert, als das 
der Aspiration. 

Die unter Nr. 2 und 3 aufgeführten Uebelstände 
langer Tunnel sind schwer abzustellen und führen den 
Herrn Verfasser dazu, die gesetzliche doppelgleisige 
Ausführung aller Tunnel über 1^" motivirt zu finden. 



Der Anhang zu dieser Broschüre ,,die Wechsel¥dr^ 
kungen zwischen den englischen und continentalen 
Bahnsystemen nach Vollendung des unterseeischen Tun- 
nels^' wird den Verehrern englischen Eisenbahnwesens 
zu denken geben, besonders das, was über Solidität des 
Verkehrs gesagt ist. 

Der Herr Ver&sser wendet sich gegen die Her- 
stellung des Tunnels und meint, es drohe damit dem 
englischen Eisenbahnwesen, das jetzt dem National- 
geist und seiner Heimat so ganz congenial entwickelt 
war, eine Invasion fremder Einflüsse und Anschauungen, 
die gewiss demselben hie und da einen Vortheil bringen 
möchte, ebenso sicher aber die Charakteristik desselben^ 
abschwächen , bedeutende Complicationen hervorrufei^ 
und grosso Geldopfer erheischen würde. Und da auch 
der so innige vielseitige Contact und Verkehr zwischen 
dem geistigen Leben Englands und dem des CJontinents, 
der sich jetzt auf so zahlreichen Wegen in völlig ge- 
nügender Weise vollzieht, durch den Bau des La Manche- 
Tunnels gewiss kaum noch mehr belebt werden könnte, 
so zeigt sich der kühne Gedanke zu diesem immensen 
Ingenieurwerk als einer von denen, bei deren Goncep- 
tion die Phantasie und gewisse Zeitströmungen in den 
Ideen der Völker wie der Fachmänner mit glänzenden 
aber unklaren Vorstellungen von Nationen und Has^n- 
bewegungen. Besiegungen der Natur u. s. w. die küh- 
leren Erwägungen der Staatswirthschaft und der Völker- 
Physiologie in den Hintergrund gedrängt haben. 



üeber die Definition der Maschine. 

Als Beantwortung der Bemerkungen des Herrn Th. Beck. 



Von 

Prof. F. Beoleaux in Berlin. 



Im vierten und fünften Hefte dieser Zeitschrift bespricht 
Herr Beck die von mir aufgestellte Definition der Maschine 
und schlägt, nachdem er sie einer dankenswerthen objectiven 
Kritik unterzogen, eine Erweiterung oder Abänderung der- 
selben vor, nachdem er nachgewiesen zu haben glaubt, dass 
der von mir gewählte Wortlaut theils Mängel der Begriffs- 
erklärung, theils Ueberschttsse besitze. Es sei mir gestattet, 
einige Worte der Entgegnung hier vorzutragen. 

Herr Beck geht zunächst auf die griechischen Quellen 



des Wortes Maschine zurück und will demselben den 
des „klug ersonnenen und kunstreich gefertigten Hfll&mittdfl^ 
als untrennbar innewohnend beimessen. Demzufolge möchte 
er solchen in der Natur vorkommenden Körperveriyindimgeii, 
welche sehr ähnlich oder ganz so wie Maschinen wirkoi, den 
letzteren Namen abgesprochen wissen. Diese AiUBchliessimg 
soll nach ihm in der Definition ihren Ausdruck finden. Zo 
dem Ende schlägt Herr Beck vor, ra sagmi: „Die Maschine 
ist eine künstliche Verbindung u. s. w.^ 



565 



Reuleaux, Ueber die Definition der Maschine. 



566 



Hiergegen ist mehrere» einzuwenden. Allerdings ist 
zuzugeben, dass den 'Wörtern (ifixavt}, iirixos, i^^iX€tg u. s. w. 
ursprünglich allein der Gedanke der künstlichen, durch 
Menscbenhand geschehenen Herstellung zu Grunde gelegen 
habe. Allein diese Wörter haben mit der ganzen Masse 
der Qbrigeu im Laufe der Zeit ihre Bedeutung geändert. 
Wörter erweitem und verschieben ja ihren Begriffskreis; 
aus der Engigkeit der anfänglichen Bestimmung kann sich 
eine grössere, auch aus der anfänglich allgemeinen eine ver- 
engerte, einseitige entwickeln; ja wir kennen Beispiele, wo 
bei fortgesetztem Wandlungsprocess der Begriff eines Wortes 
in das Gegentheil des anfänglichen übergegangen ist (wie 
beim Worte „schlecht^^;. Der sich gestaltende, wachsende 
B^riff -nimmt das Wort mit sich, ohne sich von ihm in 
seiner Entwickelung hindern zu lassen. So hat denn auch 
dis Wort lifixavfj^ auf dessen älteren Sinn sich Herr Beck 
beruft, den Anfangsbegriff vom künstlich Hergestellten all- 
nälig und schon früh verlassen. Die „Mechanik'' nahm im 
Laufe der Zeiten eine wachsende Zahl von Erscheinungen 
der Körperwelt in sich auf; sie schwang sich in den letzten 
Jahrhunderten hinauf zum Himmelsgewölbe und nahm in 
imserer Zeit festen Besitz vom ganzen Universum, vom Welt- 
system herab bis zum mikroskopischen Körperchen, das in der 
Pflanzenzelle kreist Niemand denkt daran, dem Worte 
w^en seiner geringen Herkunft das Recht auf seinen all- 
un&ssenden Begriffsbesitz zu bestreiten. Wenn demnach 
das Aosgangswort iirjx<xvrj angerufen wird, so führte derselbe, 
genau im Gegensatze zu Herrn Beck's Meinung, zu einer 
Erweiterung des Begriffes anstatt zu einer Einschränkung. 

Neben dem Worte Mechanik hat sich das Wort Ma- 
schine ebenfalls alUnälig umgebildet, obwohl lange nicht in 
dem Maasse, wie das Mutterwort Ja dasselbe hat theil- 
weise eine Beschränkung oder einseitige Verschiebung er- 
&hren, indem es sich mit Vorzug an dasjenige künstliche 
Hfllüsmittel anschloss, dessen Theile gegeneinander beweglich 
siad. Au9^diesem Grunde verlor auch das Wort „Rüstzeug'^ 
Kine Brauchbarkeit für den vorliegenden Fall und ver- 
ichwand wieder. Herr Beck will aus diesem letzteren 
Worte eben&Us die Nothwendigkeit einer Beschränkung des 
Segriffes ableiten, aber, wie man sieht, mit Unrecht, denn 
^ Wort verlor sich, weil der Begriff die Beschränkung 
nicht vertrug. Ich habe übrigens S. 594 meiner Kinematik 
Sicht gesagt, dass die deutsche Bezeichnung R. ein „Holz- 
gerttste^ bedeute, sondern, dass Vitruv unter coniunctio 
^i materia ein Holzgerüst gemeint, und dass aus der 
Ilebersetzung dieses Wortes, unter halbem Missverständniss, 
si^ das deutsche „Rüstzeug" gebildet habe. Aus dem 
Teite S. 594 geht diese meine Meinung unzweideutig hervor."^) 



*) Nin^ds früher als bei Z ei sing (1607) habe ich das 
Wort TOffgefimden; bei Agricola (|661) steht es noch nicht, 



Das Wort Maschine konnte eine Bedeutungsentwicklung 
gleich der des Wortes Mechanik nie erfahren, weil die 
Nothwendigkeit, dass die Theile der Maschine einander be- 
rühren, den Spielraum des Begriffes begrenzt Dass aber 
deshalb diejenigen seltenen Fälle, in welchen die Natur 
zwangläufige Verbindungen hervorbringt, ausgeschlossen sein 
müssten, ist meines Erachtens theoretisch nicht erweisbar. 
Jedenfalls hat Herr Beck den Beweis nicht geführt, sondern 
bei dem Versuche hierzu die Beschränktheit des Werthbe- 
griffes, die er beweisen will, nur wieder postulirt Haben solche 
Körperverbindnngen die wesentlichen Eigenschaften der künstr 
lieh hergestellten Maschinen, so werden sie Maschinen ge- 
nannt werden müssen. Wir sind dann zu ihrer Aus- 
schliessung nicht einmal berechtigt, geschweige verpflichtet 
Dass durch die Einbeziehung eine Schädigung des Ganzen 
entstehen könne, muss ich bestreiten. Einestheils ist die 
Zahl der Fälle wirklich ausserordentlich gering — es han- 
delt sich beinahe nur um Seltenheiten — ; anderntheils ent- 
steht für den Naturforscher ein nicht geringer Vortheil, 
wenn der besondere, seltene Fall sich in ein grosses geord- 
netes Gebiet einstellen, sich nach den Gesetzen benrtheilen 
lässt, die in diesem Gebiete Geltung haben. Ich habe wie- 
derholt gefunden, dass vom Naturforscher gerade der hier 
beregte Umstand willkommen geheissen worden ist Im 
Gegensatz hierzu begegnet man in den Kreisen der Maschinen- 
techniker gelegentlich einer wahrhaft seltsamen Besorgniss 
gegenüber den Versuchen, in der Maschinentheorie einen 
freieren, mehr umfassenden Standpunkt zu erklimmen. 

Abgesehen von dieser geistigen Seite der Sache ist es 
Erforderniss jeder Definition, das Wesentliche möglichst rein 
darzustellen. Als wesentlich kann aber die künstliche, 
d. i. durch Menschenhand bewirkte Herstellung nicht ange- 
sehen werden, und darum ist es besser, die ausdrückliche 
Anführung derselben zu unterlassen, möge auch immerhin 
die Zahl der ktlnstlich hergestellten Maschinen die durchaus 
überwältigende Mehrheit bilden.*) 



sondern dort heisst Maschine (im Index des bekanntlich im 
Uebrigen lateinisch geschriebenen Buches) noch Zeug, Gezeug, 
Kunst Dass Zeising als Autorität galt, geht aus Böckler's 
Theatnmi mach, novum (1661) hervor, wo Zeising's Buch als 
wichtiges Quellenwerk angeführt wird. 

*) Es sei mir gestattet, hier einzuschieben, dass in meinen 
zahlreichen Versuchen, eine Definition der Maschine zu constmlren, 
die ktlnstliche Herstellung ebenfalls als begriffsbestimmend vor- 
kam. Wiederholte Prüfung und die Anlegung der obigen Argu- 
mente bestimmten mich aber, dieselbe als nicht hingehörig wieder zu 
beseitigen. Dass auch die jetzige Form nicht diejenige ist, welche 
ich zuerst glaubte, öffentlich vorschlagen zu dürfen, wissen meine 
ehemaligen Zuhörer seit 1864. Die Un Vollkommenheit dieser und 
noch anderer schwieriger Begriffisbestimmungen war es auch, was 
mich abhielt, den Wünschen meiner Zuhörer, autographirte Wieder- 
gaben meiner Vorträge zu veranstalten, anders als in sehr beschränk- 



567 



Reuleaux, Ucber die Definition der Maschine. 



568 



Bemcrkenswcrth bleibt übrigens das fast immer ab- 
sichtsvolle Zusammenbringen der Körper zu dem Maschinen- 
gcbilde, und deshalb verdient es auch, in der Definition berück- 
sichtigt zu werden. Soweit trete ich Herrn Beck bei. In 
(lern Maasse aber, als die Berücksichtigung erwünscht ist, 
glaube ich sie durch das Wort „eingerichtet" geübt zu haben. 
„Kingerichtet" kann sowohl die künstliche Herstellung be- 
tleuten, als die schaffende, bauende Thätigkeit der Natur. 
Stände „beschaffen" da, statt „eingerichtet", so würde damit 
von der Herstellung, dem Zusammenbringen, Gestalten der 
Theile abgesehen und dadurch eine hervorragende Eigen- 
thümlichkeit der Maschine unausgedrückt geblieben sein. 
„Eingerichtet" berücksichtigt auch den Gedankengang, wel- 
cher in einigen älteren Definitionen zu den Ausdrücken 
„Vorrichtung", „Apparat" u. s. w. Veranlassung wurde. Ich 
liabe den dadurch erstrebten Hinweis nicht unterdrückt, wie 
Herr Beck annimmt, sondern versucht, dem Gedanken eine 
Holche Form zu geben, welche, wie ich glaube, das eigent- 
lich Beabsichtigte wiedergiebt 

Ich komme zum zweiten Theile der Abänderungsvor- 
Holiingo. Herr Beck tadelt, dass meine Definition nicht 
uuHdrUcke, „dass eine Maschine den Zweck habe, eine 
liONtlmmtt* mechanisch-technische Arbeit zu ver- 
rlclittMi," vielmehr als deren Zweck „nur die Erzeugung einer 
iH^Ntiiiimton Bewegung" angebe. Auch diesen gewich- 
tigiMi Kinwurf kann ich seinem ganzen Umfange nach wider- 
legen. 

Zunächst muss ich hervorheben, dass es für das Wesen 
iliM* Körperverbindung, welche wir Maschine nennen, gleich- 
gültig ist, welche Bestimmung dieselbe hat. Wenn ich weiss, 
/,u was für Leistmigen eine Maschine vermöge ihrer Ein- 
nchtung befähigt ist, bin ich Über ihre allgemeinen Eigen- 
Hchaften unterrichtet. Und diese mir klar zu machen, ist 
die Aufgabe der Definition. Eine Maschine kann bei einer 
und derselben Einrichtung aber verschiedene Bestim- 
mungen haben. Eine Kurbeldampfmaschine gewöhnlicher 
Art z. B. , deren Steuerung keine Voreilung und keine 
Deckung besitzt, kann auch als Wassersäulenmaschine dienen, 
auch von irgend einer anderen tropfbaren oder gasförmigen 
Flüssigkeit getrieben werden; sie kann, wenn die Triebkraft 

tem Maasse nachzugeben. Auch heute sind in den zahlreichen, 
von der älteren Auffassung abweichenden Sätzen meines Buches 
gewiss Mängel genug zu finden, indessen, wie ich glaube, nur solche, 
welche die Hauptsache nicht berühren. Diese Mängel werden 
sich hoffentlich bald vermindern, indem ja ein recht löblicher 
Eifer, dieselben aufzudecken, entfaltet wird. Dass in diesem 
Eifer hier und da etwas weit gegangen wird, ist begreiflich. Es 
gf'srhicht ja um der Wissenschaft willen! Ich zähle nicht hier- 
her eine unlängst erschienene „wider" mich gerichtete Schmäh- 
schrift, welche sich durch ihren Inhalt selbst richtet, sondern 
spreche nur von den redlichen, der Sache und dem wissenschaft- 
lichen Fortschritt wirklich ergebenen Arbeiten der jüngeren Schule. 



in die Kurbelwelle eingeleitet wird, als Pumpe zur Beför- 
derung irgend einer Flüssigkeit dieneif (und wird auch so 
gebraucht); sie kann als Luftverdünnungspumpe benutzt wer- 
den; sie treibt auf der Locomotive beim Gegendampfgeben 
Luft in den Dampfkessel. Solche mehrfache Verwendungen 
einer und derselben Maschine lassen sich noch durch zahl- 
reiche andere Beispiele belegen. In der Definition von dem 
Zwecke der Verrichtung einer bestimmten mechanisch- 
technischen Arbeit zu sprechen, ist somit ganz unstatthafL 
Das Beiwort „ bestimmt ^^ dürfte also unmöglich in dem 
Beck*schen Vorschlage stehen bleiben. Streichen wir es, 
so bleibt übrig: „. . . . Verbindung widerstandsfähiger Körper, 
welche zur Verrichtung einer mechanisch-technischen Arbeit 
dient und zu dem Zwecke so eingerichtet ist, dass . . . .^ 
Gegen das Wort „dient^ wäre Einspruch zu erheben; denn 
eine Maschine bleibt was sie ist, auch wenn sie stille steht, 
jahrelang nicht arbeitet, nie gearbeitet, nie gedient hat 
Setzen wir für „dient'' daher „beföhigt ist'', so würde der 
Satz wohl anzunehmen sein, nnd ich habe mich in meiner 
Kinematik S. 38 auch ganz ähnlich ausgesprochen, wie 
Herr Beck mit Recht dtirt. Er hätte auch ferner anführen 
können, was auf derselben Seite noch weiter unten steht, 
wo es nämlich heisst: „Unser Verfahren ist also ein zwei- 
„faches, einmal negatives: Ausschliessung der Möglichkeit 
„anderer als der gewünschten Bewegung, nnd dann posi- 
„tives: Einleitung von Bewegung. Das Resultat ist, dass 
„die verwendete Naturkraft die gewünschte mechanische 
„Arbeit vollzieht." 

Ich habe mich also dicht vor der Definition ganz so 
ausgesprochen, wie Herr Beck will, dass es nämlich in dem 
Wesen der Maschine liege, dass sie zur Verrichtung einer 
mechanischen Arbeit befähigt sei. Mit nichten habe ich 
aber, wie Herr Beck behauptet, dies später unbegreiflicher 
Weise ausser Acht gelassen, sondern es wirklich in die 
Definition hineingebracht. Herr Beck citirt nftffl- 
lich in Spalte 5 seiner Bemerkungen irrig, wenn er sagt, 
meine Definition bezeichne als Zweck der Maschine nur die 
„Erzeugung" einer bestinunten Bewegung. Dies habe ich 
nicht gesagt. In meiner Definition steht vielmehr, wie Herr 
Beck in Spalte 4 auch richtig buchstäblich citirt, „unter 
bestimmten Bewegungen zu wirken." 

Das Wort wirken bedeutet arbeiten, insbesondere eine 
mechanische Arbeit vollziehen. Ich lege nicht etwa 
hier diese Bedeutung in das Wort hinein, folge und folgte 
vielmehr hier Redten b acher, welcher ausdrücklich „wirken** 
in diesem Sinne benutzt und definirt. Statt „mechanisch 
arbeiten" sagt R. „wirken", statt „mechanische Arbeit" „)yi^ 
kung", „Wirkungsgrösse'', und spricht sich über die Wahl 
dieses schönen und kurzen Ausdruckes des weiteren ans 
(siehe Principicn der Mechanik, S. 52 ff.); viele Schriftsteller 
sind ihm daiiu gefolgt, so dass die Verwendung des Wortes 



569 



Reuleaux, lieber die Definition der Maschine. 



570 



in der angefahrten Bedeutung auch keineswegs eine Selten- 
heit ist Umschreibt' man das Wort „wirken" in meiner 
Definition, wie ja in meinem Buche thatsächlich durch die 
unmittelbar vorher stehenden Erläuterungen geschehen ist, so 
Keisst deren Schluss: „dass durch sie mechanische Natur- 
>-»\r&fte genöthigt werden können, unter bestimmten Bewe- 
»gongen mechanische Arbeiten zu y errichten," was also mit 
Sleim Beck 's Forderung im Allgemeinen abereinstimmt. 
X)as8 ich das Wort „wirken" seiner Umschreibung wohl mit 
Xecht vorgezogen habe, zeigt ein Blick auf den vorstehenden 
Satz, in -welchem das Wort „mechanisch" nun zweimal vor- 
kommt. 

£s bleibt aber noch ein kleiner Dififerenzpunkt übrig. 
Herr Beck verlangt, dass „mechanisch -technische" Arbeit 
gesagt werde, während ich, indem ich „wirken" setzte, nur 
allgemein „mechanische" Arbeit ausgedrückt habe. Aber- 
mals ist der Schein auf den ersten Blick wider mich, indem 
es wie zweifellos aussieht, dass überall mit der Maschine 
technisch nützliche Arbeit erstrebt werde. Hier ragt wieder 
der Zweck in die Definition herein , während doch die An- 
gabe der Befähigung völlig ausreichen würde. Der Zweck 
könnte also zum mindesten unbeschadet der Genauigkeit 
unerwähnt gelassen werden. Sodann aber ist auch wirklich 
der Zweck der Maschine nicht ausnahmslos der, eine me- 
chanisch-technische Arbeit zu verrichten. Das Löschen 
des Feuers durch die Maschine Feuerspritze ist keine me- 
chanisch-technische Arbeit, ebensowenig das Spiel der Wasser 
eines Springbrunnens; sehr zweifelhaft ist das Mechanisch- 
technische des Zweckes bei manchen Maschinen für chemische 
Anlagen. In allen diesen Fällen aber verrichtet die Ma- 
schine „mechanische Arbeit". Dass die „mechanische Arbeit" 
der Maschine rein im Gebiete der mechanischen Technik, 
d. i. der mechanischen Kunst liege, gilt nur von der grössten 
Zahl der Fälle, ist aber nicht Grundsatz. Das wahrhaft 
Allgemeine ist indessen durchweg, auch bei Einschluss der 
Naturmaschinen, die Verrichtung mechanischer Arbeit. Nur 
das wirklich Allgemeine darf in der Definition Platz finden 
und deshalb darf diese nur von „mechanischer Arbeit", 
nicht von mechanisch- technisch er Arbeit sprechen. 

Herr Beck besorgt, dass durch meine Definition der 
Unterschied zwischen Maschine und Mechanismus gänzlich 
verwischt werde und dass die Yermengung beider Begriffe 
zu ungerechtfertigten Schlüssen fuhren werde. Dieser Ein- 
wurf ist durch das Vorstehende eigentlich bereits erledigt, 
denn er führt sich auf die irrige Lesung meiner Definition 
zurück. Nur noch einige Worte zur Aufklärung. Gerade 
die Aufgabe des Mechanismus, der Vermittler bestimmter 
Bewegungen zu sein, sondert ihn von der Maschine. In 
der Maschine kommt der Mechanismus vor; er dient dazu, 
eine bestimmte Bewegung an irgend einem Punkte zu er- 
zwingen, er ist aber keineswegs, der Definition nach, selbst 



die Maschine. Dass das Riesenteleskop, wiederum der Defi- 
nition nach, als Maschine anzusehen ist, ist richtig; eine 
Schädlichkeit vermag aber ich nicht in diesem Umstände zu 
erblicken. (Ich bemerke hierbei, dass ich nicht etwa gefor- 
dert habe, man solle künftig das Teleskop eine Maschine 
nennen, sondern dass ich hervorgehoben habe, der Name 
„Instrument" verdiene für derartige Vorrichtungen den Vor- 
zug.) Man gehe nur einen Schritt weiter und wird sich 
überzeugen, dass es sogar nöthig ist, den allgemeinen Begriff 
bei der Hand zu haben, wenn man auch den Namen ge- 
braucht Auf der Berliner Sternwarte wird zum Betrieb des 
Thurmdaches, dessen Spalt bekanntlich bei Stembeobach- 
tungen gedreht werden muss, eine Gaskraftmaschine ^benutzt. 
Die ganze Drehvorrichtung ist deshalb zweifellos eine Ma- 
schine, und doch soll sie, weil sie zu Himmelsbeobachtungen 
dient und mit dem Teleskop gleichsam ein Ganzes bildet, 
keine solche sein? Wo ist, nebenbei gesagt, auch hier wie- 
derum die mechanisch-technische Arbeit als Zweck, der doch 
allein die Freilegung des Gesichtsfeldes ist? Die Sternwarte 
zu Bichmond besitzt noch vollkommenere machinale Ein- 
richtungen, welche allein vom Beobachter gehandhabt werden 
und noch inniger mit dem Teleskop zu einem Ganzen ver- 
schmelzen. Warum sollte die dort benutzte Wassersäulen- 
maschine nebst Anhang keine Maschine sein? Sie ist vom 
Maschinenbauer entworfen und angefertigt, ebenso wie der 
Berliner Drehapparat; es ist nicht zu erweisen, wo der 
specifische Unterschied zwischen ihr und etwa der Treib- 
maschine einer grossen Eisenbahn-Drehscheibe steckt. Alles 
dies beweist, dass man bei Anlegung der Definition keine 
andere Wahl hat, als auf das allen Fällen wahrhaft Gemein- 
same zurückzugehen, was sich demnach als das Wesentliche 
des Begriffes herausstellt. Die Gefahr, beim Definiren Un- 
wichtiges mit einzuschliessen , ist sehr viel geringfügiger 
als diejenige. Wesentliches auszuschliessen. 

Dies zeigt sich deutlich bei Herrn Beck, indem der- 
selbe sich gezwungen sieht, die Uhren und Waagen aus der 
Keihe der Maschinen auszuscheiden. Die Maschinen zum 
Messen und Zählen werden herkömmlich als „Maschinen" 
angesehen. Sie als blosse Mechanismen zu bezeichnen, heisst 
sowohl gegen den Gebrauch und die hervorragendsten Lehr- 
bücher, als gegen die Analogie Verstössen und zudem die 
klare Stellung, welche der Mechanismus, wie wir oben sahen, 
einnimmt, verkennen. Die Waage ist kein Mechanismus, 
sondern sie besitzt einen oder mehrere und ist, vom all- 
gemeinen Standpunkt aus betrachtet, eine Maschine, oder 
wenn man sie zugleich in eine Nebenklasse schieben will, 
ein Apparat, ein Instrument. Die Thomas 'sehe Rechen- 
maschine ist eine Maschine, nicht blos dem Namen, sondern 
auch dem Wesen nach; sie enthält mehrere „zusammen- 
gesetzte Mechanismen'', oder hat, wie man sich ja auch aus- 
drückt, einen verwickelten Mechanismus, ist aber nicht selbst 



571 



Herrmaniiy Bemerkungen zu Herrn J. Illeck's Theorie 



572 



ein Mechanismus. Der Zirkel dagegen und die Reissfeder, 
die Herr Beck anführt, sind Geräthe und keine Maschinen, 
fallen aber auch nicht miter die Definition der Maschine. 
Damit soll ttbrigens nicht behauptet werden, dass nicht auch 
ein Zeichenapparat bis zu der Höhe einer Maschine ent- 
wickelt werden könne; Beispiele Hessen sich ja anfiähren. 

Hiermit glaube ich die Vorschläge des Herrn Beck 
als unannehmbar erwiesen und zugleich die Zweifel, welche 
derselbe gegen die Brauchbarkeit meiner Definition aufge- 
worfen, gehoben zu haben. Ein letzter Yerbesserungsvor- 
schlag scheint noch von ihm zwischen den Zeilen gemacht 
werden zu sollen, indem er „ Kräfte ^^ statt „ Naturkräfte ^, 
wie ich gesagt, gesetzt hat Auch dieser allerletzte Punkt 
verdient noch Erwähnung. Ich gebe zu, dass der Ausdruck 
„mechanische Naturkräfte ^' für einen Pleonasmus gehalten 
werden kann, wiU aber bemerken, dass ich denselben be- 
wusstermassen angebracht habe. Ich gedachte durch die 
gewählte Form deutlich zu machen, dass die Maschine als 
Vermittlerin zwischen Natur und Kunst (im weiteren Sinne), 
d. i. zwischen den ungebundenen und den geregelten Kraft- 



äusserungen steht. Dieser Gedanke hätte sich bei blosser 
Setzung des Wortes „Kräfte^' auch erschliessen lassen, aber 
erst mittelbar auf dem Wege einer logischen Folgerung, 
welche bei der angenommenen, im Grunde doch nicht störend 
weitläufigen Form entbehrlich wurde. 

Ich glaube hiernach meinen Vorschlag festhalten zu 
dürfen, die Maschine wie folgt zu definiren: Eine Ma- 
schine ist eine Verbindung widerstandsfähiger 
Körper, welche so eingerichtet ist, dass mittelst 
ihrei: mechanische Naturkräfte genöthigt werden ^^ 
können, unter bestimmten Bewegungen zu wirken 

Habe ich im Vorstehenden eigentlich nur zu zeigec:^^ 
gehabt, dass da^enige, was meiner Definition angeblich fehlt^^ 
wirklich darin steht, dass dieselbe also nicht genau genu^^ 
gelesen worden, so waren doch die gemachten Ausstelliingeii 
solche, deren Beantwortung sich empfahl, weil dadurch eine 
Klärung der Ansichten erreicht und die anscheinend nicht 
ausreichend gewesene Begründung meines Vorsdüages hat 
vervollständigt werden l^önnen. 



Bemerkungen zu Herrn J. Illeck's Theorie des Ausflusses der Luft durch ein 

cylindrisches Rohr. 



Von 



Emil Herrmann, Professor. 



Im vierten und fünften die^ährigen Hefte des „Civil- 
ingenieur" veröffentlicht Herr II leck eine Theorie der Be- 
wegung d^ Luft in einer cylindrischen Röhre, welche ich 
nicht ohne Bemerkimg lassen kann. 

Die Theorie beginnt Seite 350 mit dem Satze: „Um 
eine strengere Lösung des vorliegenden Problems zu er- 
halten'^ u. s. w. 

Aus den Gleichungen 



w* 



^2^ = -*^^^' 



— = — . und — — = 







auf Seite 350 ist ersichtlich, das*s alle Grössen mit dem 
Zeiger Null sich auf den Eintrittsquerschnitt der Röhre be- 
ziehen, wogegen die Gleichungen: 

w.^ 1 7!» • «, 

A--^ = —-AET^^ max~ = l,i454 und wm^^-^=0,6270 
2y 2 2\ Pq 



erkennen lassen, dass alle Grössen mit dem Zeiger 1 auf 
den Austrittsquerschnitt der Röhre zu beziehen sind. 

Nach der Gl. (11) des Herrn II leck, oder der ihr 
unmittelbar vorangehenden, ist die Eintrittsgeschwindigkeii: 

demnach das in der Secunde in die Röhre eintretende Lnfl^ 
gewicht: 

Die Austrittsgeschwiudigkeit dagegen ist nach der, da 
61. (12) vorangehenden 

also das in der. Secunde ans der ROhre fliesseode Gewidit: 

Fiot _Fo>,pt_ V/~7~ 






673 



des Ausdnsses der Laft durch ein cylindrisclies tlotir. 



574 



Laut den Gl. (12) und (13) ist 



^1 = 



mithin 



1,1454 



und Pi^^ 0,6270po, 



= 0,6270 / 1,1450 Fp^ y^T "^ ^'*^^^* ^'^« VJy' 

Herrn II leck 's Theorie führt somit zu dem gewiss 
^unrichtigen Resultate, dass bei einem continuirlichen 
-Ausflüsse in jeder Secunde mehr Gas in die cylindrische 
^ftöhre eintritt als ausflieset 

Um zu erforschen, wo der Fehler sich einschleicht, 
nehmen wir uns die Mühe, Herrn II leck 's Abhandlung von 
rflckwärts an zu untersuchen. Hierbei fällt uns zunächst 
die, der Gleichung (12) vorangehende Gleichung 



auf. 



A^=e.(T,— T,) = —AltT, 

Wie kommt Herr Illeck zu derselben? 
Die Gleichung 

gilt offenbar nur dann, wenn die Luft aus einem unendlich 
weiten Querschnitte, worin ihre Geschwindigkeit =0 und 
ihre Temperatur Tg ist, in einen engeren Querschnitt tritt 
und durch adiabatische Expansion die Geschwindigkeit toi 
und die Temperatur 7\ erlangt. Fflr den Uebergang von 
Wq und Tq auf o)^ und T^ ist in Wahrheit 

2 



«f 



W 







2^ 



= c{To-T,) 



zu benfitzen. Wie die Gleichung 

w.* 1 

2g 2 ^ 

entsteht, ist mir unbekannt, denn Herr Illeck sagt darüber 
nichts; ich vermuthe aber, dass sie aus der Gleichung (11) 
durch Yertauschung des Zeigers Null mit Eins hervorgeht 

Herr II leck begeht entweder den Irrthum, in der- 
selben Gleichung 7)^ einmal die Temperatur im unendlich 
weitem Ausflussgef&sse, das andere Mal jene im Eintritts- 
Querschnitte der Röhre bedeuten zu lassen, oder Herr Illeck 

lässt irriger Weise den Subtrahent A -^, welcher von Null 

2g 

verschieden ist, weg. 

Schon die Gl. (11) hat eine fragwürdige Entstehung. 
Herr Illeck beginnt die Analyse der Gl. (10), ans welcher 
die (11) hervorgeht, mit der Behauptung: „Wie leicht nach- 
„weisbar, bezieht sich in Gl. (10) das positive Zeichen auf 
„jS <; 1, das negative Zeichen hingegen auf ß > 1." 

Dieser Nachweis ist mir nicht gelungen und leider gibt 



ihn auch Herr II leck nicht Meinem Dafürhalten nach 

müsste man Folgendes schliessen: 

CO T 

Weil — mit -;=- gleichzeitig wachsen oder abnehmen 
Wo ^0 . 

muss und dies nach Gl. (10) nur dann möglich ist, wenn 

man das Pluszeichen ausschliesst und nur das Minuszeichen 

gelten lässt, so kann nur dieses der Aufgabe entsprechen. 

Die Gl. (10) muss also lauten: 



^y-v-VH^r-'i 



T 



Eine Beziehung zwischen dem Zahlenwerthe von /5 und 
dem Plus- oder Minuszeichen ergiebt sich hieraus aber nicht. 

Soll auch nun, nachdem das Pluszeichen ausgeschlossen 
ist, fttr T= 7o auch fti = o>o sein, so muss freilich /3=1 
sein, weshalb man entweder T= TJ, als Bedingung der 
adiabatischen Bewegung in der cylindrischen Rohe annehmen 
muss, oder wenn man dies — wie Herr II leck — nicht 
thun will, auf die Bedingung ß^^ = 1 fttr den adiabatischen 
Ausfluss verzichten. 

üebrigens kann die Gl. (10) selbst mit dem Minus- 
zeichen nicht richtig sein. Herr Illeck giebt nämlich keine 

T 
Bedingung, welche den Werth des Gliedes ß — derartig 

einschränkt, dass immer 

sein müsste, vielmehr geht aus der, der Gl. (10) folgenden 
Analyse des Herrn II leck hervor, dass T als eine im All- 
gemeinen unabhängige Veränderliche zu betrachten ist In 
Folge dessen kann T auch solche Werthe annehmen, dass 



4>( 



1+^ 



)' 



wird und dann ist die Austrittsgeschwindigkeit trotz der 
reellen EinStrömungsgeschwindigkeit imaginär. Nachdem dies 
ein Widerspruch ist, muss ich bis auf weitere Erklärungen 
die Gl. (10) als unrichtig betrachten. 

Der Uebergang von der Gl. (9) zur Gl. (10) enthält 
keine Unrichtigkeit, es muss also die Gl. (9) selbst schon 
unrichtig sein, obwohl sie ihre Entstehung der richtigen 
Verbindung zweier an und für sich wahrer Gleichungen ver- 
dankt. 

Wir kommen somit zu dem Schlüsse, dass die unmittel- 
bare Verbindung der Gleichungen: 



d 



ia' 



^ = — vdp und — = — ^ = Const. 
^9 V vo 



nicht statthaft ist. 

In der That ist die erste nur dann integrabel, wenn 
das Gesetz, nach welchem sich das Volumen mit der Span- 



675 



Kotiz and Berichtigung. 



6*?e 



nung ändert, vor der Integration hinemgelegt wird. Die 



Gl. 



CO 



V 



= Const, sagt über dieses Gesetz nichts aus und 



Ol' 



kann deshalb zur Integration von d — - = — vdp nicht Ver- 

Wendung finden. 

Das Gesetz, nach welchem sich v mit p ändert, findet 
seinen richtigen Alisdruck eben in der von Herrn Geheim- 
rath Zeuner aufgestellten, seither allseitig benützten Be- 
ziehung: 



dQ 



vdp = d U-^dipv) -, 

aus welcher mit Rücksicht auf die Gase die Gl. (105) der 
Grundzüge (1. Aufl. 164): 



Adl-^j^ — Kc^dt-^-d 



Q 



folgt. 



Bei dieser Gelegenheit kann ich nicht unterlassen, jenen 



Ausspruch zu erwähnen, welcher leider von einem Au^^^ 
ersten Ranges herrührt und nun die Veranlassung dafür t^^ 
dass man den Satz vom Maximum des ausfliessenden Cfe- 
wichtes eine Hypothese nennt, obwohl derselbe das Ergebuiss 
einer strengen Theorie ist. Herr Hofrath Grashof sagt in 
seiner theoretischen Maschinenlehre Seite 580: „Weni^ 
„übrigens Fliegner der Meinung ist, dass der Grenzwert 1^ 



»> 



des Verhältnisses 



Po 



nur scheinbar mit dem Maximum dc^s 



„Ausdruckes der Ausflussmenge zusammenhängt, in Wahrhe^ t 
„vielmehr von anderen Umständen, als einer solchen Zufäü- 
,4igkeit eines analytischen Ansdrnokes abhängen werd^ 
„so ist dem ohne Zweifel beizupflichten.'^ Gewiss h^t 
Herr Hofrath Grashof bei der Niederschreibnng dieses 
Satzes nicht berücksichtigt, dass damit der analytischen Be- 
handlung der Naturerscheinungen alle Sicherheit und damit 
gewissermassen die Berechtigung abgesprodien wird. 

Schemnitz in Ungarn, am 6. September 1877. 



Von der Redaction des Arbeitgebers (Franz Wirth) 
in Frankfurt a. M. wurde uns die nachfolgende Notiz ein- 
gesendet, die wir mit dem Bemerken veröffentlichen, dass 
die officiellen Listen der in Deutschland angemeldeten und 
ertheilten Patente im Reichsanzeiger und in dem vom kaiser- 
lichen Patentamt herausgegebenen „Patentblatt'' enthalten 
sind, sowie dass auch die von F. C. Glaser in Berlin her- 
ausgegebenen „Annalen für Gewerbe und Bauwesen" die- 
selben in einer übersichtlichen Anordnung publiciren. 

Dr. Hartig. 

Das neue Reichs -Patentgesetz hat eine bedeutende Verän- 
derung für die ganze Industrie gebracht, fast 8000 Patentgesuche 
sind bereits eingelaufen, und darunter befindet sich eine grosse 
Zahl^ die ausländische Erfindungen betreffen. Letztere behandeln 
oft denselben Gegenstand, den deutsche Eifinder bearbeiten und 
sind für viele Industrien auch geschäftlich von Bedeutung. Die 
Fabrikanten sowohl, als der Handelsstand können nicht mehr wie 
früher jeden Artikel nehmen, den sie vorfinden, sondern sie müssen 
sich vorher darüber orientiren, ob derselbe patentirt ist oder nicht. 
In Folge des unheilvollen § 23, wonach Beschreibung und Zeich- 
nung sofort nach Richtigbefund der Anmeldung veröffentlicht wer- 
den, müssen neue Erfindungen immer noch zuerst im Auslande 
patentirt werden. Wir werden daher stets 3 — 6 Monate hinter 
jenem zurück sein, wenn unsere Industriellen nicht auch die aus- 



wärtigen Patentlisten durchgehen. Ganz im StQlen entwickelt 
sich oft im Auslande eine bisher unbeachtete Industrie und plötz- 
lich steht sie als gefährliche Wettbewerberin der eigenen Industrie 
da, wie wir seiner Zeit an der Sodafabrikation und neuerdings 
an der Uhren-Industrie gesehen haben. 

Ebenso wichtig ist die Anregung, welche das Studium neuer 
Erfindungen dem Techniker giebt. Ein Gedanke ruft den anderen 
hervor, und zahllose kleine Verbesserungen entstehen auf diese 
Weise, welche ohne das nicht oder jedenfalls weit später gemacht 
worden wären. Heute nogh ist bei uns eine Menge amerikaniacher 
Erfindungen unbekannt, weil wir nicht daran gewöhnt lind, uni 
danach umzusehen. 

Diese Läs.sigkeit wird künftig aufhören müssen, wenn sie 
unsere Industrie nicht erheblich schädigen solL Techniker und 
Industrielle werden die Patent-Listen regelmässig verfolgen mOsten, 
wenn sie nicht zurückbleiben wollen. Bis jetzt hat es bei dm 
nur Ein Blatt derart gegeben, welches als Beiblatt som Frank- 
furter „Arbeitgeber^* erschien und seit vorigem Jahre mit 
diesem verschmolzen worden ist In dem laufenden Jalire ist 
nun diese „Patentliste*' durch die Patente von Amerika, Belgien, 
England, Frankreich und Oesterreich ergänzt worden, so das 
nun wohl keine neue Erfindung gemacht wird, die nicht in diesen 
Verzcichniss vorkäme. Die betreffenden Industridlen und Tedi- 
niker werden daher gut thun, dasselbe regelmässig zu verfdgea, 
was bei dem niederen Preise des Blattes nicht schwer fallen 
dürfte. Beschreibung und Zeichnung der Patente vermittdt die 
Expedition des Blattes. • 



Berichtigung. Im Artikel „Geradführung etc' ist S. 243 , Z. 3 , statt „und der Punkt M^ auf der Angriffncunre F^** eöh 
zuschalten: „denn der Punkt 3f, liegt auf der Curve F^, weil dieselbe durch zwei projectivische Krcisbüschel mit den dnmdpimkten 
Pj^^P^'^* und P'*P** (Fig. 8) erzeugt werden kann, deren Chordalen sich entsprechen''. 



Ae durch den Winddruck erzengten Spannungen in Chamierbogenbrücken. 



Von 



Kud. Kohfabl, 

Ingenieur der Actien- Gesellschaft „Harkort'' in Duisburg. 

(Hiersra Tafel XXVI.) 



Neun eine Chamierbogenbrücke durch Winddruck, 
in horizontalem Sinne, belastet wird, so treten 
lerselben ähnliche Verhältnisse auf, wie bei der 
erticalem Sinne belasteten Brücke. Es werden 
ch (Fig. 1 , Taf. XXVI) die beiden Hälften des- 
3u Hauptträgers -4' C JS', welcher direct vom Winde 
BFen wird (da derselbe in der Figur der hintere 
)0 soll er in Folgendem kurzweg als solcher be- 
aet werden), im Scheitelcharnier C* sich fest gegen 
der stemmen, während die beiden Hälfben des 
eren Hauptträgers im Scheitelcharnier C ausein- 
* klaffen werden. Ebenso werden die Enden Ä 
B des vorderen Hauptträgers im horizontalen 
e fest gegen die Pfeiler gepresst werden, während 
es hinteren, Ä^ und B% in demselben Sinne sich 
len Pfeilern abheben werden. Von dem Einflüsse 
erticalen Belastungen auf die Auflager- und Char- 
Eleactionen sehen wir ganz ab, indem wir uns den 
3r gewichtslos denken. Da femer die horizontalen 
tungen das Bestreben haben, die Brücke um die 
AB umzukippen, so müssen von den Widerlagern 
Brücke auch noch Reactionen in verticalem 
) auf die Hauptträgerenden ausgeübt werden, und 
müssen dieselben bei A und B veilical aufwärts, 
l' und B^ vertical abwärts gerichtet sein. 

)ie auf die Brücke wirkende und als Belastung 
Knotenpunkte der oberen und unteren Gurtung 
i concentrirte Einzelkräfte aufzufassende Wind- 
bung kann nur auf eine einzige Weise nach den 
igem hingeleilet werden. Zunächst muss bei j edem 
enpuukte eine Querverbindung vorhanden sein, 
le die in der oberen Gurtung angreifende Horizon- 
Lastung auf die untere Gurtung überführt, so dass 
in den Knotenpunkten der letzteren die ganze 
belastuug concentiirt ei^cheint. Alsdann sind die 

Ilingeniear XXIU. 



unteren Gurtungen beider Hauptträger durch ein System 
von Windkreuzen zu verbinden. Da die obem Grur- 
tungen in der Mitte durchschnitten sind, so würde ein 
sie verbindender Horizontal verband, selbst wenn man 
ihre Enden seitlich lagern wollte, völlig unnütz sein. 
Ein Fehlen der verticalen Querverbindung an irgend 
einem Knotenpunkte dagegen wäre geradezu fehlerhaft. 

Es sei nun für die Folge vorausgesetzt, dass der 
Bogen die Form einer Parabel habe. Die Hauptträger 
seien in 2 m gleiche Felder von der Länge a eingetheilt, 
80 dass die Stützweite l = 2ma ist. Bezeichnen wir 
die Höhen der Knotenpunkte einer Bogenhälfbe über 
dem Auflager der Reihe nach mit A,, \, A3, . . . Am-i» 
A^ = A, 80 folgt aus der Parabelgleichung (Fig. 2) 

'■='['-(=F)']=*[v-^-]- 

*-=*['-i)']=4-!-(— "-i-<"-"']- 

Sowohl bei der leeren, als auch bei der mit voller 
mobiler Belastung versehenen Brücke kann die WMnd- 
belastung als gleichmässig über die ganze Länge der 
Brücke vertheilt angesehen werden. Es erhält alsdann 
jeder mittlere Knotenpunkt von 1 bis m — 1 einer Bo- 
genhälfte einen gewissen Druck P, jeder der beiden 

P 



Endpunkte und m die Hälfte davon. 



2 • 



Die Be- 



lastung von wird direct vom Auflager aufgenommen, 
ohne den Träger zu beeinflussen. Das Auflager A des 
vorderen Trägers leistet nun folgende Reactionen: 

87 



679 



Kohfahl, Die durch den Winddruck erzeugten Spannungen in ChftmierbogenbrQcken. 



1) Einen horizontalen Gegendruck R in der Rich- 

tung der Windbelastungen P; derselbe bildet 
mit der Resultirenden der letzteren ein Kräfte- 
paar. 

2) Einen horizontalen Gregendruck H senkrecht zur 

Richtung von i2, der mit dem gleich grossen, 
entgegengesetzt gerichteten Charnierdrucke des 
hinteren Bogens bei O ein Kräftepaar bildet, 
welches eine durch das unter 1) genannte 
Kräftepaar erstrebte Drehung um eine verti- 
cale Achse verhindert. 

3) Einen verticalen Gegendruck F, der mit dem 

gleich grossen, entgegengesetzt gerichteten Auf- 
lagerdrucke des hinteren Bogens in Ä* ein 
KräAepaar bildet, welches den um eine hori- 
zontale Axe drehenden Einfluss des unter 1) 
erwähnten paralysirt. 

Die Grössen dieser Reactionen ergeben sich wie 
folgt: 



o==Ä~(m-l)P 2-, 



Ä=P 



2f» 



(1) 



=—J5r.i + p(l + 2 + 3-h... 4-^»— 1 +--)«, 



ff=p 



m* 



(2) 



^=pI P (l + 2+3 + ...+m— 1) — 
Im 



V=F 



b 6m 



(3) 



bildeten Träger im n**° Felde durchschnitten und ^J^ 
in den durchschnittenen Stäben vorhandenen Spu»^^ 
nungen J7„ und ün (Fig. 3) durch ihre horizontale 
und verticale Componente ersetzt, Dn dagegen na<:^ij 
den Richtungen von Un und P zerlegt, so ergiebt siol3 
aus den Bedingungen des Gleichgewichts 

= — UuOosctti.h — JST. b-\' B{n — l)a — 

P(l + 2 + 3+...+^r=ä)«, 



0= UJeo8an.b + E.n.a — P{l + 2 + S +..+ n — 1) ä, 

0=DnC08ßn+{n—l)P—R, 

Durch Einsetzen der in den Gleichungen (1) und 
(2) gefundenen Werthe und nach gehöriger Reductioo 
erhalten wir 



008 Ou b 2 



_ 1 p g n(2m— «) 

eota^i 2 

__ 1 „2»i+j_-2« 

008 Pu 2 



(4) 



(5) 



(6) 



Die Spannung der Normalen findet sich leicht gleich 

2m + l — 2H 



Nn = — P 



(T) 



Wenn wir nun aus dem vorderen Bogen den »** 
Knotenpunkt herausschneiden (Fig. 4) und die Span- 
nungen der in demselben zusammenstossenden Stäbe in 
eine horizontale und eine verticale Componente serr 
legen, so finden wir, dass zwar die Summe der hori- 
zontalen, nicht aber die der verticalen Gomponenten 
gleich Null ist, dass vielmehr die letzteren eine ver- 
tical aufwärts gerichtete Resultirende Qn er- 
geben. 

Ebenso finden wir, wenn wir in gleicher Weise bH 
dein n^®° Knotenpunkte des hinteren Bogens Terfiüireii, 
dass sich auch hier eine aufwrärts gerichtete 



Denken wir uns den von den beiden Bögen und rende Q,/ ergiebt. (Fig. 5.) Die Kräfte Qn und^ Q«' 
den sie verbindenden Normalen und Diagonalen ge- sind bestimmt durch die Gleichungen 

Q» = Un8mcCn 2>n «n jS« «» «n + C^w^-l «n OfH+l , 

Qn' = l^n «» «n + ^«-f-l «« j^n+l «» «,»+1 + U'h+I 9tn «h+I , 

oder mit Hilfe der Gleichungen (4), (5) und (6) 

(L = P ->-^- -^-<^«„— P- ~^^ - tgß,,8inu,,--P -^ ^ 



^ , ^ a n(2m — n), .^2w — 1 — 2n,^ . ^ 



h 2 ^'''•+'* 

a (» + l)(2w — n — 1) 



-- ^ffn+l. 



Es ist nun 



^ 



a a L m ,nr J 



h 2m+l — 2n 



m' 



II 



Eohfahl, Die durch den Winddrack erzeugten Spannungen in Charnierbogeobrflcken. 



583 



d femer, wenn K die Länge des Gurtongsstückes im n^" Felde bedeutet, 



tgß„9inan = 



m* 



b K h h 
Die Substitution dieser und der durch Vertauschung von n mit n-f-1 daraus entstehenden Werthe ergiebt 
a_ {m'\-\—nf _Ä_ 2w+l — 2 w _ 2in+l — 2 n h 2»t + l — 2n _ a (m — nY Ä2m— 1 — 2» 



tn* 



m' 



m 



«. 



_a^ n{2m — n ) ^ 2m+l — 2n 2m—l — 2 n A 2m— 1 — 2w 

~ T 2 T m» "^ 2 1 ^ 



d nach gehöriger Reduction 



m — 
m 



')' 



^,_^jÄ^n(2w — «) 



w 



(8) 



(9) 



Wir haben gefunden, dass das System der beiden 
Igen mit den sie verbindenden Normalen und Diago- 
len fiir sich allein nicht im Gleichgewichte ist, dass 
;h vielmehr in jedem Knotenpunkte eine vertical auf- 
^rts gerichtete Resultante ergiebt. Es müssen daher 
ch gewisse andere Constructionsglieder vorhanden 
n, welche im Stande sind, diesen Resultanten Wider- 
ind zu leisten. Solche Constructionsglieder sind aber 
n vornherein in den Systemen der Hauptträger ge- 
t)en; wir sehen also: 

Es werden durch die horizontalen Wind - 
belastungen die sämmtlichen Glieder 
der Hauptträger in Spannung versetzt. 

Beiläufig bemerkt, gilt dieser Satz für jede Brücke 
nicht nur für die Chamierbogenbrücken — , bei der 
3 Hauptträger eine (oder auch zwei) gekrümmte Gur- 
ng haben und bei der längs dieser Windkreuze an- 
ordnet sind. 

Wir gehen jetzt «dazu über, die Einflüsse einer 
krtiellen Windbelastung, wie sie entsteht, wenn 
r ein Theil der Brücke mit mobiler Last besetzt ist, 
bestimmen. In diesem Falle werden die der letz- 
ten parallelen Reactionen der Auflager Ä und B (im 
Igemeinen) verschieden gross sein und es wird im 
larmer C neben der horizontalen Kraft H in der 
chtung der Brückenachsen auch noch eine zu dieser 
ikrechte Horizontalkrafb übertragen werden. 

Wir nehmen nun an, dass nur der x^ Knotenpunkt 
le horizontale Last P erhält, alle anderen Knoten- 
nkte aber unbesetzt bleiben, und bestimmen wieder, 
ö vorher, die Spannungen im n*®° Felde des ge- 
limmten Trägers. Hierbei sind in Bezug auf die 
Ige von X drei verschiedene Fälle zu unterscheiden. 



a (n+l)(2«!i — » — 1) h 2m— 1 — 2n 



h 2 a 

1. Fall. x<n — l. (Fig. 6.) 

2m — X 



m' 



E^ = F 



2m 



2r=p 



a 
J 



X 



Hiermit findet sich 



1 _ a m — n-f-l 
jp — X 

€08 CCn h 2 m 



Un'= — 



Dn = — 



008 CCu 
1 



^ a 2m — n 
P-z-x 



2m 



X 



008 ßn 2 m 

2. Fall. n<a:<m. (Fig. 7.) 
R^ und H wie oben, alsdann 

m + fi — 1 



(10) 



008 «n * \ 



2m 



) 



UJ= — 



2>« = 



1 T. « 

008 (in b 



2m — X 



2m 



2m — X 



008 ßn 2 m 

3. Fall. w<a;. (Fig. 8.) 

2m 



(11) 



R,=P 



X 



2m 

Hiermit ergiebt sich 
1 



H=P 



a 
J 



2m 



Un-= — 



U,* = - 



Dn = 



008 dfi 
1 



P~j{m — n + l) 



2m — X 



2m 



^ a 2m — X 
008 Un Am 

t _ 2m — X 



(12) 



008 ßn 2 m 

Nach diesen Gleichungen lassen sich nun sowohl 
die Belastungsscheiden, als auch die Maximal- und 
Minimalwerthe für die Spannungen der Gurtungen und 
der Diagonalen (und damit auch zugleich der Nor- 
malen) bestimmen. Dies für die Gurtungen auszu- 
führen, hat indessen keinen praktischen Nutzen, da 
diejenige Yertheilung der mobilen -Last, bei welcher 

87» 



583 



K oh fahl, Die durch den Winddruck erzeugten Spannungen in Chamierbogenhrücken. 



584 



hier infolge der Windbelastung ein Maximum oder 
Minimum der Spannung entsteht, im Allgemeinen nicht 
mit jener Vertheilung übereinstimmen wird, bei welcher 
die unmittelbare verticale Belastung ein solches her- 
vorruft. Dagegen empfiehlt es sich, für die Diagonalen 
(und Normalen) geschlossene Formeln für die grösste 
Beanspruchung abzuleiten. Da man stets die Diago- 
nalen auf Zug, die Normalen auf Druck construiren 
wird, so sind nur die Formeln für D^^Max ußd NnMm 
nöthig. Aus den Gleichungen (10), (11), (12) ergiebt 
sich, dass Dh durch jede Belastung rechts von der 
Schnittstelle positiv, durch jede Belastung links von 
derselben negativ wird; wir erhalten daher 

x=»i ( cosptt 2m \ 

1 1 **** 

= — ^ P J^ 2'(2w — x). 



ist, Nn also ein Minimum wird, wenn Dn ein Maximum 
ist, so ergiebt sich sofort 



NnMiH=P- 



(2w — n)(2/w — » + 1) 



4m 



(14) 



1 „ (2w-n)(2»« — n +1) 

-t'«,Wrtx= 5" ^ T~ ■ 

CO« Pm 4 0» 



(13) 



Da 



iV„= — D^cosßtt 
a) wenn x<n ist*), mittels der Gleichungen (10) 



2m 



m* 



h 2m 



Denken wir uns nun wiederum den n**" Knoten- 
punkt sowohl des vorderen als auch hinteren Bogens ^ 
herausgeschnitten, so finden wir wiederum, dass di^ 
Spannungen der in demselben zusammenstossendei^ 
Glieder für sich allein nicht im Gleichgewichte sin(^ 
vielmehr wie bei der vollbelasteten Brücke eine verticj^ 
aufwärts gerichtete Resultirende 

für den vorderen und 

für den hinteren Bogen ergeben. Indem wir nun in 
diese Gleichungen die unter (10), (11) und (12) be- 
rechneten Werthe einsetzen und die für tga^ und für 
tgßuSina,t an früherer Stelle ermittelten Werthe sub- 
stituiren, erhalten wir 



X 2 w -h 1 — 2 w , /< {m — n) 2 m — 1 — 2 « 
m^ h 2 m m* 



h 2m — «2 m 4-1 — 2« h x'2m — 1 — 2« h 2 tn — n — 1 2m — 1 — 2 n 

^" ~ h^~~2m ^~~ "" T 2m "^i^ h "^ " 2m m" ~ ' 



__ p^^(»» — ») 



?/l* 



Q.' = P 



h x{2 m — «). 



nv 



(IS) 



Qn = 



Qn' = 



h) wenn n + l<^x<m ist, mittels der Gleichungen (11) 
h/ m + n- l\2m+l — 2« 



\ 2m / m* b 2m wr h \ 



m-^rA^ 2m — 1— 2i» 



2m 



■) 



m- 



^h 2m — ;r 2m + l — 2« , , ä 2 m — x 2m — 1 — 2w ,. ä , , . 2m— x 2m — 1 — 2« 
j> ^__ ^ p jf> („-j_ 1) — _ 

h 2 m m* b 2m m* b 2 m m- 



*) Die unter a) gegebene Ableitung gilt, streng genommen, 
nur bis zur Grenze o; ^ n — 1 ; da indessen für den speciellen von vornherein um eins erhöht. Für x*^n sind fOr C/n, ün osd 
Fall x = n auch noch, wie sogleich gezeigt werden soll, die Glei- Dh die Gleichungen (11^, für lJn-\-ii ^n+i' nnd Dn+i die Glei- 
chungen (15) sich ergeben, so wurde oben die Gültigkeitsgrcnze chungen (10) gültig; es findet sich 



^ 6 V 2m / m' 6 2m m* ' h 



m — n 2m — l — 2n 



2m 



m' 



/) ' _ p * 2m — n2m + l— .2n t> * '* 2m — 1 — 2« ^Ä 2m — n -f- 1 2m— 1 — 2« 



2m 



m' 



h 2m 



m* 



h 
b 



2m 



m* 



h n (m — n) 
^"--^ b m* 

h M^2m — n) 
V" =^ Ä m' • 



K oh fahl, Die durch den Winddrack erzengten Spannungen in Charnierbogenbrttcken. 



586 



„ Ä mx — M(2m 
b mr 

n ' ~t>^ «(2i« — «) 



*) 



(16) 



m 



8 



enn m<:x ist, mittels der Gleichungen (12) 



^ h 2 m — x2m-{-t 

P -- n 

b 2 m m' 



x2m-\- l — 2n _ h_ 2m -^ 2m + \ — 2n 
~~^ ~ "~ h 2m~ m* 



m' 



^ h , , .2m — x2m — 1 — 2« 

P -r- (m + n) — 5 — , 

J ^ ' ^ 2»! i»2 



2» ^h2m—x2m — 1 — 2n ^A, , .x 2i» — «2»i — 1 — 2« 

\- P -, ; P — (n + 1) — 5 . 

h 2m m^ h 2m m^ 



Qn = P 



QJ=P 



h {m — n) (2 m — x) 



h m^ 

h w (2 »t — x) 



unter (10), (11), (12), (15), (16) und (17) zu- 
;efas8ten Gruppen von Gleichungen setzen uns 
tand, in strengster Weise dieiim System 
idkreuze und in den Theilen der Haupt- 
befindlichen Spannungen für jede be- 
vertheilte Horizontalbe lastung, ent- 
durch den Druck des Windes auf eine in be- 
Lage auf der Brücke befindliche mobile Last, 
chnen. Jede einzelne der vorhandenen Kno- 
sbelastungen liefert zu den Spannungen der 
jn, Diagonalen und Normalen der Windaus- 
einen Beitrag, welcher je nach der Lage der 
nach den Gleichungen (10), (11) oder (12) zu 
n ist. Durch Summation der sämmtlichen Bei- 
hält man für die Diagonalen und Nor- 
}ofoil die wirkliche Spannung, welche bei dem 
nen Belastungszustande in jedem dieser Con- 
sglieder erzeugt wird. Was die Gurtungen 
so erhält man durch diese Summation erst 
iestandtheil der durch den Wind erzeugten 
g. Den anderen findet man, indem man mit 
• Gleichungen (15),. (16) und (17) die Beiträge 
, welche jede der vorhandenen horizontalen 
inktsbelastungen zu den sämmtlichen verticalen 
inktsresultanten liefert, mit der Summe dieser 

den Hauptträger — und zwar mit ^Q den 
, mit 2'^' den hinteren -— belastet und nun 
nter Weise die durch diese Verticalbelastungen 
mteren Gurtungen erzeugten Spannungen be- 

Bei dieser Gelegenheit findet man auch die 
in Winddruck in den übrigen Theilen der 
rag er hervorgerufenen Spannungen. 

(}ang der Rechnung wird am deutlichsten 
n Zahlenbeispiel, das gleichzeitig am besten 
ihluss auf den praktischen Werth der ge- 
1 Resultate gestattet. 



m" 



(17) 



I 



Zahlenbeüpiel. 

Als Beispiel möge die 40 -Meter -Brücke dienen, 
deren Hauptträger in Prof. Ritter 's „Dach- und 
Brücken - Constructionen " berechnet sind. Wird die 
(dort unbestimmt gelassene) Entfernung der Haupt- 
träger gleich 4 Meter gesetzt, so ist 



h = 4. 



m 



= 10. 



a==2™, Ä = 5", 

Die gesammte dem Winde dargebotene Fläche der 
Brücke möge als ein Streifen von 2" Höhe, die der 
mobilen Last (eines Eisenbahnzuges) als ein solcher 
von 3" Höhe veranschlagt werden. Bei einem Wind- 
druck von 100 Kilo pro □ Meter beträgt alsdann 

die permanente Windbelastung 2 X 2 X 0,i =0,4 Tonnen, 
„ mobile „ 2x3XO,i=0,o „ 

für jedes Feld der Brücke. 

A) Einfluss der permanenten Windbelastung. 

Die Gleichungen (4), (5), (6) und (7) ergeben die 
in Fig. 9 eingeschriebenen Spannungszahlen (in Tonnen). 
Mit Hilfe von Gleichung (8) finden sich die in Fig. 10 
eingetragenen verticalen Knotenpunktsbelastungen für 
den vorderen Hauptträger, und diese erzeugen in den 
einzelnen Gliedern desselben die ebenfalls in diese Figur 
eingetragenen Spannungen. Von den drei Werthen, 
welche sich bei der unteren Gurtung finden, ist der 
obere der auf diese Art erhaltene, der zweite der durch 
Gl. (4) bestimmte, aus Fig. (9) wiederholte, und der 
unterste endlich die Summe der beiden anderen und 
damit die wirkliche, durch den Wind erzeugte Span- 
nung. Fig. 11 enthält die mit Hilfe der Gleichung (9) 
in gleicher Weise für den hinteren Hauptträger sich 
ergebenden Resultate. 



587 



Kohfahl, Die durch den Winddrack erzeugten Spuinangen in CharnierbogenbrOckeiL 

Es folgt nämlich 



DaB mit RückBicht auf die verschiedenartige Be- 
lastung beider auf den ersten Blick vieU 
leicht auffällig. Resultat, dass die Diago- 
nalen, die S Theile der oberen Gnrtung 
des einen Trägers eine dem Äbsolutwerthe nach gleiche, 
dem Sinne nach Spannung erleiden, 
wie die gleichliegenden Theite des anderen Trägen, lasst 
sich leicht begründen. Durch Summation der Glei- 
chungen (8) und (9) ergiebt sich 



«.+«..=4(^.)'+.^ 



»(2»-») 



Der in dieser Gleichung eeinen Ausdruck findende 
Satz gilt auch bei der horizontalen Belastung nar eines 
Knotenpunktes und folglich auch hei der mehrerer 



heliehiger Knotenpunkte. 
Gleichungen (15) 



Q.+e.'=-r-^ 



aus Gl. (16) 



L' + p. 



-'(ü- -») , 



'(a"-") . 



und aus Gl. (17) 



Kohffthl, Die durch den Winddrack erzengten Spannungen in Chamierbogenbrttcken. 



590 



Tabelle II. 



Werthe 




'• 






Werthe vo» \ 


■ 










H«l 


n-»2 


» = 3 


n==4 


n = 6 


n=«6 


H=7 


«-=8 


n«9 


n— 10 


1 


0,019 


0,018 


0,017 


1 

0,016 

0,032 


0,015 


0,014 


0,013 


0,012 


0,011 


0,010 


2 


0,018 


0,036 


0,034 


0,030 


0,028 
0,042 


0,026 
0,039 


0,024 


0,022 


0,020 


3 


0,017 


0,034 


0,051 


0,048 


0,045 
0,060 


1 

0,036 


0,038 


0,080 


4 


0,016 
0,015 


0,032 
0,030 


0,048 
0,045 


0,064 
0,060 


0,056 


0,052 


0,048 


0,044 


0,040 


ö 


0,075 


0,070 


0,065 


0,060 


0,055 


0,050 


6 


0,014 


0,028 


0,042 
0,089 


0,056 


0,070 


0,084 


0,078 


0,072 


0,066 
0,077 
0,088 


0,060 


7 


0,013 
0,012 
0,011 


0,026 


0,062 
0,048 


0,065 
0,060 


0,078 
0,072 
0,066 


0,091 


0,084 


0,070 


8 


0,024 


0,036 


0,084 
0,077 


0,096 


0,080 


9 


0,022 


0,033 
0,030 


0,044 


0,055 


0,088 


0,099 


0,090 


10 


0,010 
0,009 


0,020 
0,018 


0,040 
0,036 


0,050 


0,060 
0,054 
0,048 
0,042 
0,036 
0,030 
0,024 
0,018 


0,070 


0,080 


0,090 


0,100 


11 


0,027 


0,045 


0,063 


0,072 


0,081 


0,090 


12 


0,008 


0,016 


0,024 


0,032 
0,028 


0,040 


0,056 
0,049 
0,042 


0,064 
0,056 


0,072 


0,080 


13 


0,007 


0,014 


0,021 


0,085 

■ 


0,063 


0,070 


14 


0,006 


0,012 


0,018 
0,015 


0,024 
0,020 


0,030 


0,048 


0,054 


0,060 


15 


0,005 


0,010 


0,025 , 


0,035 


0,040 
0,032 


0,045 


0,050 


16 


0,004 


0,008 


0,012 
0,009 
0,006 ! 


0,016 
0,012 
0,008 1 

0,004 

1 


0,020 ; 

0,015 ; 


0,028 


0,036 


0,040 


17 


0,003 


0,006 


0,021 


0,024 


0,027 


0,030 


18. 


0,002 

0,001 


0,004 
0,002 


0,010 


0,012 
0,006 


0,014 
0,007 


0,016 

0,008 

1 


0,018 


0,020 


19 


0,003 


0,005 


0,009 


0,010 






Nadi der Theorie der Charnierbogenbrücken er- 
Uden nim, wenn alle Knotenpunkte der unteren Gur- 
bng eine gleich grosse Belastung (also beispielsweise 
die Belastung Qn + QJ) tragen , die Diagonalen , Yer- 
ticalen und Theile der oberen Gurtung gar keine Span- 
i^ong. Da nun 

18t, 80 müssen die genannten Theile bei der Belastung 
durch — Qn dieselben Spannungen erhalten, wie bei 
der Belastung durch Q^f bei der Belastung durch 
^Qn dagegen dem Zahlenwerthe nach gleiche ; dem 
Sinne nach entgegengesetzte Spannungen. 

Die Figuren (10) und (11) zeigen, dass auch die 
onteren Gurtungen in gleichgelegenen Stücken entgegen- 
gesetzt gerichtete und dem Zahlwerthe nach nahezu 
gleiche Spannungen erleiden. 



B) Einfluss der mobilen Windbelastung. 

In Fig. 12 sind die Ergebnisse der Gleichungen 
(13) und (14) für das bisher behandelte Beispiel und 
die mobile horizontale Enotenpunktsbelastung P = 0,6 
Tonnen eingetragen. Diese Werthe sind zu denen der 
Fig. 9 zu addiren, wenn man die Quei-schnitte der 
Normalen und Diagonalen bestimmen will. 

Man hat ferner noch für jede Gruppirung der 
mobilen Last, welche in irgend einem Gliede der Haupt- 
träger ein Maximum oder Minimum der Spannung er- 
zeugty zu berechnen, welche Spannung gleichzeitig durch 
Winddruck in dem fraglichen GUede erzeugt wird. Es 
ist dies am bequemsten zu erreichen, wenn man sich 
zunächst Tabellen anlegt, in denen die Werthe von 
Qm Qny Un uud Un för alle Werthe von n von 1 bis 
m und für alle Werthe von x von 1 bis 2w — 1 ver- 



Ö91 



Kohfahl, Die darch dea Winddrnck erzeugten Spannungen in Charnierbogenbrücken. 



5« 



zeichnet sind. Besser noch ist es, die Tabellen für 
die Ausdrücke 



Q„ 



Ä' 



_ Ä' 



U. 



1 a 

— /> -.- 

CO» a„ 



- und 



U„' 



P-r- 

COS or„ 



h h 

anzulegeuy da dieselben iu dieser Form für jede be- 
liebige Charnierbogenbrücke von gleicher Felderzahl 
wieder verwandt werden können. So sind z. B. die 
Tabellen I bis IV für jede derartige Brücke von 20 
gleichen Feldern zu benutzen, nicht etwa nur für die 
hier als Zahlenbeispiel behandelte. 

Bei dieser letzteren Brücke ergiebt nun beispiels- 
weise eine mobile Belastung aller Knotenpunkte vom 
linken Auflager bis zum siebenten einschliesslich, wäh- 
rend alle übrigen unbesetzt bleiben, Spannungsmaxima 
in den Gliedern D^, D3, Fg, U-j und TJ^ und Span- 
nungsminima in den Gliedern 0^, 0^, O4, O5, V^ und 



V^. Mittels der Tabelle I erhalten wir nun die bi 
dieser Stellung der mobilen Last durch den Winddrua 
hervorgerufene Verticalbelastung für irgend einen Kno 
tenpunkt des vorderen Hauptträgers durch Summatio 
der Werthe aus der ihm zugeordneten Verticalcoluma 
für ar=l, 2, 3 u. s. w. bis ä- = 7, z. B. für de 
Knotenpunkt 4 

— ^ = — 0,006 — 0,012 — 0,018 -- 0,024 — 0,010 -f 0,004 -f 
h 0,018 = — 0,048, 

5 

öi = — 0,048.0,6 - = — 0,036 Tonnen. 

4 

Für die Knotenpunkte der rechten Trägerhälft 
fehlen in der Tabelle die entsprechenden Vertical 
columnen; doch kann mau auch für diese die Wertii 
von Q aus ihr ableiten. Man sieht nämlich sogleicl 
dass, wenn z. B. Q^^ bestimmt werden soll, der Knotei 



Tabelle III. 



Werthe 
von 0". 


w = l 


n = 2 


n»3 


Werthe von - 

. - P 
cos an 

' 1 1 
n»4 w— 5 w— 6 

1 1 


• 

a 

h 


n — S 


'• w — 9 


n--10 


1 


— 0,50 


0,45 

— 0,10 

— 0,65 

— 1,20 

— 1,75 

— 2,30 

— 2,85 

— 3,40 

— 3,95 

— 4,50 

— 4,05 


0,40 
0,80 
0,20 

— 0,40 

— 1,00 

— 1,60 
--2,20 

— 2,80 

— 3,40 

- 4,00 

— 3,60 

— 3,20 

— 2,80 

— 2,40 


0,35 0,30 

0,70 i 0,60 


0,25 
0,50 
0,75 
1,00 
1,25 
0,50 

— U,25 

— 1,00 1 

— 1,75 , 

— 2,50 . 

— 2,25 

— 2,00 

— 1,75 1 

— 1,50 

— 1,25 i 

i 

-- 1,00 

— 0,75 ' 

1 

— 0,50 ■ 

— 0,25 

1 


0,20 
0,40 
0,60 
0,80 
1,00 
1,25 
0,40 

— 0,40 

— 1,20 

— 2,00 

— 1,80 

— 1,60 


0,16 
0,30 
0,45 
0,60 
0,75 
0,90 
1,20 
0,20 


1 : 

1 0,10 0,05 


2 


— 1,00 


1 

0,20 


0,10 


3 
4 


— 1,50 

— 2,00 

— 2,50 

— 3,00 

— 3,50 

— 4,00 

— 4,50 

~ 5,00 

— 4,50 

— 4,00 

— 3,50 

— 3,00 

— 2,50 

— 2,00 

— 1,60 

— 1,00 

— 0,50 


1,05 

0,4 (. 


0,90 

1,20 


0,30 
0,40 


0,16 
0,20 


5 


— 0,25 ' 0,50 


0,60 


0,25 
0,30 
0,35 


6 

7 


— 0,90 

— 1,55 


— 0,20 

— 0,90 


0,60 
0,70 


8 


— 2,20 

— 2,85 


— 1,60 


0,80 


0,40 


9 


— 2,80 


— 0,66 

— 1,50 


— 0,10 

— 1,00 


0,46 


10 


., 

— 3,50 — 3,00 

— 3,15 — 2,70 

— 2,80 — 2,40 


— 0,60 


11 


— 1,85 

— 1,20 

— 1,05 


— 0,90 — 0,45 


12 


— 3,r,o 

— 3,15 

— 2,70 

— 2,25 

— 1,80 

• — 1,35 

■ - ■ 

! — 0,90 

— 0,46 


— 0,80 — 0,40 


13 


— 2,45 


— 2,10 


— 1,40 

— 1,20 

— 1,00 

— 0,80 
— 0,60 

— 0,40 

— 0,20 


— 0,70 


— 0,35 

— 0,30 


14 


— 2,10 


— 1,80 


— 0,90 

-. 

1 — 0,75 

. . _ 

— 0,60 

— 0,45 

— 0,30 

— 0,15 


— 0,60 


15 
16 


— 2,00 

— 1,00 

— 1,20 

— 0,80 

1 

— 0,40 

1 


— 1,75 — 1,50 

— 1,40 — 1,20 

— 1,05 1 — 0,90 

— 0,70 j — 0,60 

— 0,35 — 0,30 


— 0,60 

— 0,40 

— 0,3a 

— 0,20 

— 0,10 


— 0,26 

— 0,20 


17 

18 


— 0,16 

— 0,10 


19 


— 0,05 



593 



Kohfahl, Die den durch Winddfack erzeugten Spannungen in Chamierbogenbrttclcen. 



594 



Tabelle IV. 



Werthe 
Ton X. 


Werthe von ~- -^ — . 

eoittn 




n — 1 


n»8 


n»S 


n — 4 


n-s5 


1 

fi — 6 


n^l 


n^H 


fl — 9 


fl — 10 


1 


— 0,95 


— 0,90 


— 0,85 


— 0,80 


— 0,75 


— 0,70 


— 0,65 


— 0,60 


— 0,55 


— 0,50 

• 


2 


— 0,90 


— 1,80 


— 1,70 


— 1,60 


— 1,50 


— 1,40 


— 1,30 


— 1,20 


— 1,10 


— 1,00 


3 


— 0,85 


— 1,70 


— 2,55 


— 2,40 


— 2,25 


— 2,10 


— 1,95 


— 1,80 


— 1,85 


— 1,50 


4 


— 0,80 


— 1,60 


— 2,40 


— 3,20 

— 3,00 

— 2,80 


— 3,00 


— 2,80 


— 2,60 


— 2,40 


— 2,20 


— 2,00 


5 


— 0,75 


— 1,50 


— 2,25 


— 3,75 


— 3,50 


— 3,25 

— 3,90 


— 3,00 


— 2,75 


— 2,50 


6 


— 0,70 


— 1,40 


— 2,10 


— 3,50 


— 4,20 


— 3,60 


— 3,30 


— 3,00 


7 


— 0,65 


— 1,30 


— 1,95 


— 2,60 


— 3,25 


— 3,90 — 4,55 


— 4,20 


-3,85 


— 3,50 


8 


— 0,60 


— 1,20 


— 1,80 


— 2,40 


— 3,00 


— 3,60 

— 3,30 


— 4,20 


— 4,80 


— 4,40 


— 4,00 


9 


— 0,55 


— 1,10 


— 1,65 


— 2,20 — 2,75 


— 3,86 


— 4,40 

— 4,00 


— 4,95 

— 4,50 


— 4,50 


10 


— 0,60 

— 0,45 


— 1,00 


— 1,50 


— 2,00 

— 1,80 


— 2,50 


— 3,00 i — 3,50 

f 


— 5,00 


11 


— 0,90 


— 1,35 


— 2,25 


— 2,70 

— 2,40 


— 3,15 


— 3,60 

— 3,20 


— 4,05 


— 4,50 


12 


— 0,40 


— 0,80 


— 1,20 


— 1,60 


— 2,00 


— 2,80 


— 3,60 


— 4,00 


13 


— 0,35 


— 0,70 


— 1,05 


— 1,40 


— 1,75 


— 2,10 


— 2,45 


— 2,80 


— 3,15 


— 3,50 


14 


— 0,80 


— 0,60 


— 0,90 


— 1,20 


— 1,50 


— 1,80 


— 2,10 


— 2,40 


— 2,70 


— 3,00 


15 


— 0,25 


— 0,50 


— 0,75 


— 1,00 


— 1,25 


— 1,50 


— 1,76 


— 2,00 


— 2,25 


— 2,50 


16 


— 0,20 


— 0,40 


— 0,60 


— 0,80 


— 1,00 


— 1,20 


— 1,40 


— 1,60 


— 1,80 


— 2,00 


17 


— 0,15 


— 0,80 


— 0,45 


— 0,60 

— 0,40 


— 0,75 


— 0,90 


— 1,05 


— 1,20 


— 1,35 


— 1,50 


18 


— 0,10 


— 0,20 

— 0,10 


— 0,30 


— 0,50 


— 0,60 


— 0,70 

— 0,35 


— 0,80 


— 0,90 


— 1,00 


19 


— 0,05 


— 0,15 


— 0,20 


— 0,25 


— 0,30 


— 0,40 


— 0,45 


— 0,50 



punkt 12 genau in derselben Lage ist, in welcher der 
symmetrisch zur verticalen Mittelachse liegende Knoten- 
punkt 8 sich befinden würde, wenn statt der Knoten- 
punkte bis 7 die symmetrisch zu dieser Achse liegen- 
den Knotenpunkte 13—20 mit mobiler Last besetzt 
wären. Man findet demnach Qi^ durch Summation der 
Werthe aus der Q^ zugeordneten Verticalcolumne für 
X = 13, 14, 15 u. 8. w. bis x = 19, 
5 

Ql2 = 0,6 . — (0,014 -f 0,012 -f 0,010 + 0,008 + 0,006 + 0,004 

+ 0,002) = 0,042 Tonnen. 

In dieser Weise sind für sämmtliche Knotenpunkte 
des Trägers die Grössen Q berechnet und in Fig. 13 
eingetragen, ebenso die durch diese Verticalbelastungen 
in den hier in Frage kommenden Gliedern entstehenden 
Spannungen. Die gleiche Operation wurde sodann für 
den hinteren Hauptträger mit Hilfe der Tabelle H 

Olrllinfeniear XXIII. 



ausgeführt; Fig. 14 enthält die hier sich ergebenden 
Resultate. 

Wenn man ebenso, wie es hier für die eine ge- 
schehen, auch für alle diejenigen andern Gruppirungen 
der Verkehrslast, welche in irgend einem Hauptträger- 
gliede ein Spannungsmaximum oder -Minimum erzeugen, 
die durch gleichzeitigen Winddruck in diesem Gliede 
entstehende Spannung berechnet, so erhält man für 
den vorderen Hauptträger die in Fig. 15, für den hin- 
teren die in Fig. 16 eingetragenen Spannungszahlen als 
Zusätze zu den Spannungsmaxima, femer für den 
vorderen Hauptträger die in Fig, 17, für den hinteren 
die in Fig. 18 zusammengestellten Werthe als Zusätze 
zu den Spannungsminima. Bei der unteren Gurtung 
finden sich je zwei Werthe eingeschrieben; der obere 
ist der auf die eben beschriebene Weise gefundene Bei- 
trag, für U^Max. z. B. der Werth 1,39 Tonnen aus Fig. 13; 

38 



595 



Kohfahl, Die durch den Winddruck erzeugten Spannungen in Chamierbogenbrücken. 



596 



der untere wurde mittels der nach den Gleichungen 10, 
11, 12 berechneten Tabellen III und IV erhalten, z. B. 
als Beitrag ^su U^Max. 

- -^ -— = 0,2 4- 0,4 + 0,C + 0,8 + 1,0 + 1,2 + 0,4 = 4,6, 

1 tt 

— P 

2 ^ 

U^ = 4^e . 1,0162 . 0,6 — = 1,40 Tonnen. 

Die' Summe beider Beträge ergiebt den effectiven 
Znsatz durch mobile Windbelastung zu TJiUax. 

Die Betrachtung der Figuren 15-r-18 lehrt, dass 
für den hiateren Hauptträger gar nicht die Rechnung 
durchgefuh^ zu werden brauchte; denn mit Ausnahme 



einiger weniger Glieder derselben, der Diagonalen D^ 
und Dg, des Stückes TJ^^ der unteren Gurtung und der ^ 
Verticalen Fj wird in allen Theilen dess^ben durd^ 
den Winddruck eine Verkleinerung der absoluten Span^ ^ 
nungszahl, also eine Entlastung bewirkt. Bei de^^ 
genannten vier Gliedern documentirt sich die Abwe^^ 
chung von der aufgestellten Regel auch nur in so g^. 
ringfügigen Zahlwortheuj 4$t9S wir wohl berechtigt siacf, 
von diesem speciellen Falle aufs Allgemeine zu schliesseu 
und in der Praxis stets nur den vorderen Hauptträger 
ins Auge zu fassen. Die Tabellen II und IV brauchen 
somit nicht erst berechnet zu werden. 

Die relative Grösse der gefundenen Spannungs- 
zahlen und daoiit die eigentliche Bedeutung unserer 



Tabelle V. (Spannungs-Maxima.) 



Untere Gurtung. 




Obere 


Gurtung. 




Diagonalen. 


Verticalen. 


u. 


— 53,14 


— 9,24 

— 7,16 


-17,4 

— 13,9 

— 10,4 

— 6,9 

- 3,2 


Ol 
0, 

% 

0, 

Oe 
O7 
0« 
O9 
Oio 


5,20 
11,16 


0,74 


14,2 
12,6 

11,1 


J5. 

Ao 


12,92 
12,69 


— 0,62 


1 

-4,8 


• 

y, 

y, 

y, 

yi 

y. 


10,62 
9,66 


1,68 
1,24 


15,8 


u. 


— 61,41 


1,39 

2,W 


— 0,33 


-2,6 
-0,8 
1,0 
2,4 
3,9 
3,8 

5,7 
3,9 


12,6 


^3 


— 48,78 


— 5,07 

— 3,10 


18,06 
25,68 
34,29 


12,80 


— 0,07 


9,00 
7,90 
6,6i4 
4,68 
3,16 


0,91 

1 0,61 

0,87 


10,1 


U, 


— 44,Tt 

— 39,8« 


2,54 

2,94 


9,6 

8,6 
6,1 


12,07 


0,12 
0,29 
0,43 


V 


V, 


-1,27 


11,90 
11,07 


5,« 


TJ, 


— 34,^1 


0,43 
1,»7 


1'» 


43,67 

50,70 


3,14 


0,16 


3^ 


^7 


— 28,74 


6,9 


3,09 
2,63 
1,41 



10,73 0,35 


— 0,07 


-2,» 


^8 


— 24,60 

— 27,50 

— 48,02 


2,93 
3,W 


11,9 

14,2 

8,6 


50,29 

36,00 



5,0 

3,9 


9,80 


0,41 
1,21 


1,8.7 


— 0,17 


-12,4 


^9 


21,40 


3,20 


0,08 


0,9 


^,0 


4,11 


37,29 ' 1,46 

1 


6,00 


0,21 


3,5 













Tabelle VI. (Spanuuugs- Minima.) 










untere Gurtung. 




Obere 


Gortung. 


Diagonalen. 




Verticalen. 


^i 


— 128,05 1—23,11 

1 


18,0 

12,4 
9,6 


Ol 
0* 
0, 
O4 
O5 

06 
O7 


— 5,20 


0,25 —4,8 
0,43 —3,9 


I)[ —12,92 
i>, — 12,59 


— 1,83 


14,2 

11,2 

8,9 


Vi 

^6 
^7 


— 17,0« 
— 16,88 


1 

0,66 —3,3 


u. 


— 149,00 
— 152,80 


— 18,44 

— 14,68 


— 11,16 


-Ml 


0,29 --1,« 


V, 


— 18,06 


0,47 — 2,6 


^3 


— 12,30 


— 1,09 

— 0,81 

— 0,57 

— 0,30 


— 15,40 0,0T :— 0,4 

1 ■ 


^K 


— 149,90 


— 11,46 


7,6 

6,0 


— 25,88 


0,40 — 1,5 


— 12,07 

— 11,90 


6,7 
4,6 
2,7 


— 14,80 
— 18,04 


— 0,09 0,6 


V, 


— 146,20 
- 142,70 


— 8,84 


— 34,29 

— 43,67 


0,18 —0,5 


— 0,20 1^ 


A 


— 6,68 


4,7 


— 0,13 i 0,3 


— 1 1,07 


— 11,28 —0,28 2,0 


^7 


— 140,30 


4,91 


3,6 


— 50,70 

— 50,29 


— 0,57 ' 1,1 

— 0,93 1,8 




— 10,73 


0,21 

0,67 

— 0,09 


-2,0 

— 5,8 
0,4 

2,4 


— 9,56 


— 0,16 1,9 


A 


— 139,30 1 — 2,82 


2,0 

0,8 


08_ 
O9 

0,0 


— 9,80 


— 7,77 


— 0,14 : W 


»9 


— 139,89 


- 1,12 


— 36,00 


— 0,89 1 2,5 


— 21,40 


— 9,60 


— <MM 5,« 


u,. 


— 141,71 


0,80 


— 0,6 





! — 

1 


— 37,29 


— 0,91 


— 12,40 


— 0,84 2,7 

1 



5^&7 



Lembcke, Die Herstellung von „Zwei Mal Waare^ im mecbamschen Webstuhl. 



598 



a^ansen Untersuchung für die Praxis finden wir 
3undi «inen Vergleich mit den durch Eigengewidit und 
cnobile Last zusammen erzeugten Spannungs-Mazima 
aind -Minima. Diese letzteren sind nach Prof. Ritt er 's 
Berechnung in den ersten Verticalcolumnen der Tabellen 
^ und VI zusammengestellt. Die zweite Columne ent- 
liilt die bei derselben Lage der mobilen Last im vor- 
deren Bauptträger durch gleichzeitigen Winddruck ent- 
stehende Spannung, welche durch Summation der Werthe 
Ton Fig. 10 und Fig. 15, bezi^ungsweise Ton Fig. 10 
und Fig. 17 erhalten wurde. Femer wurde mit den 
W^rthen der ersten Cohimne in die der zweiten hin- 
eindiyidirt imd der Quotient, in Procenten ausgedrückt, 
in der dritten Verticalcdumne verzeichnet. Endlich 
sind nocdi diese letzteren Werthe in den Figuren 19 
und 20, von denen erstere der Tabelle V, letztere der 
TaMte VI zugeordnet ist, graphisch als Ordinaten von 
Curven aufgetragen ; letztere veranschaulichen am besten 
den Einfluss des Winddruckes. Ein Negativwerden des 
Procentsatzes oder der Curvenordinaten bedeutet ein 
Umschlagen jenes Einflusses; der fragliche Theil wird 
dureh den Winddruck entlastet. Die negativen Gur- 
venzweige bieten demnach wenig Interesse. Man sieht, 
dass in den weitaus meisten Gliedern eine Belastung 
stattfindet und zwar, wenn auf das Maximum hin be- 
lastet ist, vorzugsweise in den Verticalen und der obem 
Gurtung, wenn auf das Minimum hin, in den Diago- 
nalen und der untern Gurtung. Dabei nimmt der 
Procentsatz der zusätzlichen Spannung durch Wind- 
druck im Allgemeinen vom Auflager nach der Mitte 
hin al) und erreicht in der Nähe des ersteren eine sehr 
betalk^htliche Grösse, bei Foir««. 15,s Proc., bei O^Max. 



14,2 Proc, bei Djjr*,. 14,2 Proc., bei UiM4n. 18,oProc.l 
Es ist dabei wohl zu beachten, dass die von uns ge- 
machten Annahmen hinsichtlich der Grosse der Wind- 
belastung und der Breite der Brücke durdiaus nicht 
besonders ungünstig zu nennen sind. Betrüge z. B. die 
Breite der Brücke statt 4" nur 2"*, was bei einer ein- 
geleisigen Eisenbahnbrücke (wie es die vorliegende den 
angegebenen verticalen BelastimgM nach ist) durchaus 
noch nicht unmöglich wäre, so würden aHe jene Pro- 
oentsätze auf das Doppelte steigen I 

Angesichts jener hohen Procentsätze müssen wir 
es aber als absolut unzulässig erachten, fernerhin 
bei der Berechnung von Charnierbogenbrücken von dem 
Einflüsse des Windes auf die Spannungen Aet Haupt- 
träger abzusehen. Bei Brücken von grosser Spann- 
weite, bei denen man die Querschnitte der einzelnen 
Theile den berechneten Spannungen mehr oder weniger 
scharf anzupassen vermag, wird man den Einfluss des 
Windes auf jedes einzelne Gli6d des Hauptträgers in 
strenger Weise nach den hier entwickelten Regelui er- 
mitteln müssen. Bei kleinem Brücken muss man, um 
diese immerhin ziemlich zeitraubende und mühselige 
Rechnung zu vermeiden, wenigstens für die Theile des 
dem Auflager zunächst liegenden Feldes die zusätzliche 
Spannung durch Winddruck berechnen und kaüü dann 
für die übrigen Felder dieselbe, namentlich, wenn erst 
mehrere ganz durchgerechnete Beispiele vorliegen, nach 
Maiaasgabe dieser schätzungsweise festsetzen. Hierbei 
dürften sich die „Curven der Procentsätze der 
zusätzlichen Spannung durch Winddruck", 
Fig. 19 und 20, mit Nutzen verwerthen lassen. 



Die Herstellung von „Zwei Mal Waare" im mechanischen Webstuhl. 



Von 



EmU Lembcke in Chemnitz. 



(ffierzu Tafel XXVII.) 



In Rücksicht auf die gegenseitige Anordnung der 
in einem Webstuhl gleichzeitig hergestellten Grewebe 
hat man drei Methoden zu unterscheiden. Entweder 



wird vom und hinten im Webstuhl Waare erzeugt, 
oder es liegen die zwei Gewebe übereinander, oder sie 
liegen nebeneinander. 



38 



Lembcke, Die Heretellang von ^wei Mal Waare'^ im mechamaw^ 



Gewebe werden vorti wid Mnien im Webstuhle gefertigt. 

lu diesem Falle kann man die hierzu verwendeten 
ibstöhle y^Vertical -Doppelstühle'' heissen. Es be- 
iden sich in einem Grestell zwei Webapparato, es wird 
.eichzeitig an der Vorder- und Hinterseite des Ge- 
belles ein Grewebe erzeugt. 

Die Ketten sind hierbei vertical aufgespannt, die 
Lade läuft auf und ab, die Schäfte gehen horizontal 
hin und her. 

George White in Glasgow construirte einen sol- 
chen Stuhl zur Herstellung von Segeltuch und bediente 
sich der genannten Anordnung namentlich deshalb, um 
recht kräftige Ladenschläge durch die frei niederfallende 
Lade zu bekommen. Die beiden Kettenbäume und .die 
Streichriegel liegen oben, die Brustbäume und die 
Waareubäume unten. Die Geschirre werden durch eine 
Gegenzugvorrichtung mit Excenter und Tritten genau 
in derselben Weise bewegt, wie es bei den Manchester- 
stühfen geschieht, nur dass die ganze Trittvorrichtung 
nebst den Gescliiri-en um 90 Grad verdreht ist, dass 
also die Tritte senkrecht und die Geschirre nebst den 
Schnürungen horizontal liegen. Die Laden werden 
durch Hebedaumen gehoben und fallen durch ihre 
Schwere frei nieder. Die Schützenschlagvorrichtungen 
sind wie die gewöhnliche Oberschlagvorrichtung be- 
schaffen, nur dass selbige in ähnlicher Weise, wie die 
Geschirrbewegung, gestürzt ist. Da die Lade den Ein- 
schlag nach unten schlägt, giebt die Lade selbst keine 
Schützenbahn ab, wendet White eine von der letz- 
teren unabhängige Bahn an, die aus Zähnen besteht, 
welche bei dem Lauf des Schützens in die Kette ein- 
tritt, bei dem Anschlag aber wieder austritt und dem 
Rietblatt freien Niedergang gestattet. Diese Zähne sind 
kammartig mit einander verbunden und an Armen be- 
festigt, die oben an dem I^dengestell leicht drehbar 
aufgehängt sind, bei dem Ladenhochgange infolge einer 
Gewichtswirkung nach der Kette zu schwingen, bei dem 
Ladenniedergange aber gegen feststehende Rollen stossen 
und zurückgedrückt werden.*) 

Ebenso wie White haben sich W. Gad in Not- 
tingham und J. Moone in Manchester, John Rams- 
hotten und Richard Holl zu Todmanden in Lan- 
cashire u. A. viel Mühe mit Herstellung solcher Ver- 
ticaldoppelstühle gegeben. Trotzdem, dass alle diese 
Webstühle sehr sinnreich construirt sind und sehr wenig 
Raum beanspruchen im Vergleich zu zwei Stück ein- 



' -1» 



•''•h (lor Woborei von F. H. Voiirt 



fachen Stühlen, die je ein Gewebe derseim»!« ^ 
herstellen, haben sie sich doch nicht sehr einsafähren 
vermocht. 

Die Gewebe liegen übereinander. 

Bei dieser Anordnung erspart man ebenfiJls viel 
an Raum und Anlagekapital und etiiält man ebenso ^ 
wie zuvor, solide Sahlleisten, und als Folge hiervoKx 
feste und tadellose Gewebe. Nachtheilig ist aber hierbei^ 
dass man die untere Kette und das unten liegende Ge- 
webe schwer beau&ichtigen kann, schwer hinzukommen 
kann, dass grosse Zeitverluste bei dem Einknfipfen ge* 
rissener Fiiden entstehen. 

Namentlich W. Gad in Nottingham und J« Moona 
in Manchester haben sich viel mit Herstellung solclwr 
Stühle beschäftigt. Damit gerissene Kettenfaden leichter 
aufzusuchen und ebenso anzuknüpfen sind, bringea 
Genannte vor der Lade zwischen beiden Geweben eine 
horizontal liegende Stange an, die an den fjiden von 
Armen befestigt ist, welche ihren Drehpunkt vorn am 
Brustbaume haben. Hebt man diese Stange ^ so wird 
das obere Gewebe gehoben und das untere zugänglicher; 
senkt man sie, so kommt die obere Waare wieder in 
ihre alte Lage. Das Rietblatt muss sehr hoch sein; 
in der halben Höhe desselben sind zwei Schienen vor 
die Riete gelegt, welche als Schützenbahn ftir den 
Schützen und als Auflage für das Unterfach der obern 
Kette dienen. 

Bessere Erfolge als die Genannten hat der Fabri- 
kant Gerber-Ulrich in Markirch mit seinem Web- 
stuhl mit Doppellade erzielt. Dieser Stuhl ist genau 
so eingerichtet, wie der gewöhnliche Webstuhl für Her- 
stellung zweibindiger Waare, nur sind alle die Theile, 
welche zur Herstellung eines zweiten Gewebes nöthig 
sind, doppelt vorlianden. Wir haben hier: zwei Ketten- 
bäume, zwei Kreuzschienen-Systeme, ein Schäftesystem 
mit doppelten Maillons, eine Lade mit zwei Blättern, 
zwei Schützen bahnen und vier Schützenkästen, zwei 
Schützen, die gleichzeitig durch eine Schlagvorrichtnng 
getrieben werden, sowie zwei ZeuglMiume. Die Entfer- 
nung der beiden Ketten und Zeuge ist so gross, dass 
man ziemlich leicht die unteren Kettenfäden einbinden 
und die untere Waure beaufsichtigen kann, so dass die 
Zeitverluste, denen beide Ketten gleichzeitig unterworfen 
sind, auch nicht übermässig gross werden. An Raum, 
Anschaft'ungskosten und Betriebskraft wird hier, zwei 
einfachen Stühlen gegenüber, sehr gespart. Ein geübter 
Arbeiter soll, wenn der Stuhl mit 130 Schützensdilagen 
pro Minute arbeitet, in 12 Stunden 42 bis 67" Waarf 
fertigen können. Vergleicht man diese Lieferung mi 
der eines gewöhnlichen Stuhles, welcher pro Minu 



" 1 



Lembcke, Die Herstellong von ,^wei Mal Waare^ im mechanischen Webstuhl. 



602 



Schu88 eintragen kann und pro Tag 32*" liefert, 
ird der Webstuhl des Gerber-Ulrich 'sehen Sy- 
B 31 bis 78 Procent mehr liefern. Der Erfinder 
Dt im Mittel 50 Proc. Mehrleistung an, was auch 
gut moglieh ist 

Die Gewehe lügen nehenemander. 

Man nennt die hierfür dienenden Stühle »^Web- 
e für doppeltbreite Waare^'. Trotzdem , dass die 
oit hergestellte Waare nicht tadellos ist, hat dieses 
»m eine weitaus grössere Anwendung gefunden, als 
beschriebenen. Grewisse Fabrikanten ziehen für 
tellung bestimmter Waaren, namentlich leichter halb- 
tner Kammgamgewebe, dieses System sogar dem 
3n mit einfachen Stühlen vor, damit an Anlage- 
al, Raum, Bedienung und Betriebsspesen gespart 

Alle Mechanismen und Stuhltheile sind hier genau 
Iben, wie sie der einfache mechanische Webstuhl 

nur die Breite des Stuhles wird um eine Stück- 
e und um den circa 1 bis 1,5 ^"^ breiten Zvrischen- 
i zwischen beiden Geweben grösser, so dass der 
tzenschlag um so viel heftiger sein muss. 
Ein grosser Uebelstand ist hierbei der, dass beide 
)be nur an den Schützenkastcnseiten solide Sahl- 
n haben, hingegen in der Mitte nicht. Schneidet 

die im Webstuhl zusammengewebten Stoffe aus- 
ider, um solche von einfetcher Breite zu erhalten, 
erden in letzteren die an der Schnittstelle liegen- 
iettenfäden fast gar keinen Halt haben, sehr leicht 
lern Gewebe herausgezogen werden können. Dieses 
was zu mindern, stellt man eine falsche Sahlleiste 
fertigt man eine sogenannte „Kettel-Leiste^^ Wenn 
tre auch nicht die Festigkeit der gewöhnlichen 
e hat, vermindert sie doch das Herausgleiten der 
nfäden um ein Bedeutendes. Für leichte Waaren, 
le der Walke nicht ausgesetzt werden, eignen sich 
B Leisten immerhin ziemlich gut, für schwere zu 
mde Waaren sind sie aber nicht anwendbar. Man 
übrigens bei solchen Stoffen, die in grossen ein- 
n Breiten gewebt werden, wie z. B. Tuche, Bucks- 

Segeltuch u. s. w. auch nicht in die Lage kommen, 
aal nebeneinander Waare herzustellen. Die Breiten 
tühle und die Schützenlauflängen würden so über- 
g grosse werden, dass entweder die Schützen- 
gvorrichtungen nicht kräftig genug wirken, oder 

die Leistung des Stuhles infolge des langsamen 
es keine vortheilhaftere wird, 
[n Nachfolgendem sollen drei Vorrichtungen für 
«Uung falscher Leisten beschrieben werden. Die 



ersten beiden ergeben dieselbe Bindungsweise der 
Leistenfäden, die dritte macht eine andere Leiste. Die 
erste Vorrichtung und ebenso die dritte dienen nament- 
lich der Schaftweberei, die zweite ist für die Jacquard- 
weberei bestimmt; es würden sich aber, wie es ja auch 
geschieht, die erste und dritte ebenso gut am Jac- 
quardstuhl anbringen lassen. 

Obwohl der erste Apparat mehr Raum beansprucht 
und constructiv nicht so gelungen ist als wie dritte, 
wird er doch diesem vorgezogen, findet man ihn weit mehr 
in dieser oder jener Ausführung angewendet und zwar 
namentlich deshalb, weil man die Spannung der sich 
kreuzenden Fäden besser reguliren, dadurch eine gleich- 
massigere festere Leiste herstellen und weil jeder Schlosser 
ihn leicht anfertigen kann. Bei allen Vorrichtungen 
kreuzt man die letzten beiden Kettenfiulen der Leiste, 
oder auch Paare derselben, gaze- oder dreherartig und 
schiesst den Schuss 'durch. 



Sahll eiste napparate mit glatter Gaze-Bindung. 
(Siebe Tafel XXVII, Fig. 1, 2, 3 und 4.) 

Die Bindung, welche diese Apparate herstellen, ist 
in Taf. XXVII, Fig. 1, gezeichnet. Zwischen jedem 
Schusse findet eine Kreuzung der Kettenfäden statt. Bei 
dem Schützendurchgange liegen die Fäden q und p stets 
im Oberfache, s und r im Unterfache und zwar allemal 
abwechselnd, einmal an der rechten Seite, einmal an 
der linken Seite. Zwischen jedem Schusse gehen die 
Fäden q und p unterhalb s und r hinweg. 

In Fig. 1 ist ein für die Kettelung nöthiger Apparat 
in der Vorderansicht gezeichnet; Fig. 2 giebt eine 
Seitenansicht des Apparates und einiger Webstuhltheile ; 
Fig. 3 ist eine Hinteransicht der Lagerung der Leisten- 
spulen. Fig. 4 zeigt die Verschnürung der Platinen, 
wenn durch die Jacquardmaschine gekettelt werden soll. 

Die Schlagexcenterwelle a (siehe Fig. 1 und 2) 
trägt in der Mitte des Webstuhles einen Doppeldaumen 
6, auf welchem ein bei d drehbarer Arm c ruht. Letz- 
terer wird durch b bei jeder halben Umdrehung von 
a gehoben und gesenkt; die Hochstellung findet kurz 
vor dem Anschlage der Lage statt, die tiefste Lage von 
c ist während des Schützeudurchganges vorhanden. 
Mit c verbunden ist die Stange e, die oben am Ge- 
schirrriegel vertical geführt ist und deren Hub 9 bis 
10*^™ beträgt. Namentlich Fig. 1 zeigt, dass oben an 
e unterhalb der Führung rechts und links zwei Nadeln 
f und f befestigt sind, deren untere Enden maillon- 
artig durchlocht sind zur Durchführung der Kettenfäden 
s und r. 



603 



Lembcke, Die Herstellung von „Zwei Mal Waare" im mechanischen Webetuhl. 



601 



Nach der rechten Oestellwand des Webetuhles zu 
trägt die Welle a einen zweiten 'Hebedaumen g^ der 
auf einen bei i drehbaren Winkelhebel h in solcher 
Weise einwirkt » dass der liegende Schenkel Ton h für 
den einen Schuss&dendurchgang gehoben und für den 
zweiten gesenkt ist. An den stehenden Arm des Hebels 
h sind zwei Nadeln Je und k^ geschraubt, deren oberes 
Ende öhrförmig ist und die Leistenfäden q und p auf- 
nimmt. Der Form des Daumens g zufolge werden diese 
Nadeln nach links und rechts gestellt; die Grösse des 
Schwingungsbogens an der Durchgangsstelle der Fäden 
q und p beträgt 15"°. 

Damit die vier durch /*, f, k und k^ gezogenen 
Kettenfäden rückhaltende Spannung haben , damit sie 
den Schussfaden fest einbinden, auf dass sie femer von 
den anderen Kettenfäden der zu webenden Waare un- 
abhängig sich einarbeiten können, sind sie extra ge- 
bäumt, hat man sie paarig auf Pfeifen m und l (siehe 
Fig. 3) aufgespult und von da über den Gambaum weg 
zu den Nadeln gefühi-t in folgender Weise: Die zwei 
Fäden r und s laufen gleichzeitig von der Spule l ab, 
gehen über den Kettenbaum, über den Draht n und 
über die Pfeife (Kettenspule) o hinweg|, hierauf durch 
die Nadeln f und f, weiterhin zwischen den Litzen 
der Schäfte hindurch und zuletzt ein jeder durch ein 
Rohr des Rietblattes nach der Waare hin. Die Fäden 
q und p laufen von der Spule m ab, über den Garn- 
baum und Streichriegel des Webstuhles weg, ebenso 
über die Spule o, alsdann durch k und k', zwischen 
den Litzen der Schäfte hindurch und ein jeder durch 
ein Rohr des Blattes nach der Waare. Damit aber p 
mit r und ebenso q mit s binden kann, sind p und r 
und ebenso q und s jedes Mal zwischen dieselben Litzen 
der Schäfl;e und durch dasselbe Rohr des Rietblattes 
gezogen. Beide Spulen l und m sind leicht drehbar 
auf einen feststehenden Draht gesteckt und mit Wirtein 
verbunden, um welche durch Hebel und Gewichte be- 
lastete Bremsschnüre gelegt sind. Man erreicht hier- 
durch eine richtige Anspannung der zu kettelnden Fäden. 

Die Wirkung des Apparates ist folgende : 

Liegen die Nadeln k und f links von f und f 
(siehe Fig. 1) und sind f und f gesenkt, so liegt der 
Faden s rechts von q und der Faden r rechts von p; 
q und p liegen im Oberfach, 5 und r im Unterfach. — 
Der Schuss 1 geht durch. 

Vor Eintragen des zweiten Schusses haben sich die 
Nadeln f und f gehoben, sind hierauf k und k* nach 
rechts geschwungen und sind zuletzt f und f wieder 
gesenkt worden. Zufolgedem hat sich der Faden q 
unterhalb s hinweg nach rechts in das Oberfach be- 
geben; ebenso war es mit p in Beziehung auf r. Bei 



dem Einschiessen des zweiten Schusses liegen 8 links 
unten und q rechts oben und ebenso befindet sich r 
links im Unterfach und p rechts im Oberfach. 

In dieser Weise wiederholt sich das Beschriebene 
für alle zwei Schuss, so dass die in Fig.l für 5 Schuss 
gezeichnete Bindung entsteht. 

Dieselbe Verschlingung der Leisten£aden lässt sich 
auch mit der Jacquardmaschine erreichen, wenn 
man die in Fig. 4 gezeichnete Anordnung tri£Ft 

s ist ein ruhender, stets im Unterfach liegen blei- 
bender* Faden, q ist durch das Mailion oder Zwimauge 
a gezogen, welches an zwei Platinen b und c geschnürt 
ist und an beiden Seiten, also für jede Platine, Ange- 
hänge d hat. Beide Fäden 8 und q kommen von einer 
in der beschriebenen Weise gebremsten Spule und geben 
durch dasselbe Rohr des Rietblattes. Schlägt man nun 
die Karte für die Platinen b und c so, dass z. B. für 
den einen Schuss c sich hebt und b liegen bleibt und 
für den anderen b gehoben wird und o unten steht, so 
wird der Faden q bei dem ersten Schusse rechts von s 
im Ober&che liegen und bei dem anderen Schusse links 
davon und wird man genau dieselbe Verschlingung er- 
halten, wie sie Fig. 1 Schuss 2 und 3 zeigen. 

Sahlleistenapparat mit gedrehter Gaze- 
Bindung. 

Der in Taf. XXVII, Fig. 5 und 6, gezeichnete 
Apparat ist von der Firma J. Leeming & Son in 
Bradford ausgeführt worden und bewirkt, wie der vorige, 
eine Kreuzung der letzten beiden LeistenfiLden einer 
jeden Waare, jedoch in der Weise» dass beide Vidßn 
abwechselnd in das Ober- und Unterfiach kommeii. Die 
Verschlingung der Fädenpaare qs und pr mit den 
Schusse zeigt Fig. 6. 

Die Herstellungsweise hat gegen die vorige einen 
Nachtheil insofern, als die Fäden q und 5, sowie p und 
r sich .sehr reiben, über ihre ganze zwischen Waare 
und Apparat frei liegende Länge hin, dass somit du 
Garn rauher wird und leichter bricht. Ebenso ist die 
zurückhaltende Spannung dieser Fäden keine so gnte^ 
so elastische, hin- und herspielende, als die bei den 
vorigen Apparat. 

Selbstverständlich laufen auch hier die mit ein* 
ander arbeitenden Fäden q und 8 zwischen zwei Schaft* 
litzen durch in dasselbe Rohr des Rietblattes; ebenso 
ist es mit den Fäden p und r. 

Die Einrichtung des Apparates ist folgende: Von 
der Hauptwelle des Stuhles aus werden durch Stirn- 
räder mit der Uebersetzung 1 zu 2 und durch Ve^ 
mittelung eines Transporteurs zwei schwache Mrtall- 






605 



Lembcke, Die HerstelluBg von „Zwei Mal Waare^^ im mechanischen Webstahl. 



606 



Scheiben a in constante Drehung gebracht. Ihre Achse 
ist in der Höhe ^er Webekette nahe zum Streichriegel 
gelagert. Bei jeder Tour der Ladenbetriebswelle 6, 
also für jeden Schuss in die Kette» machen a eine halbe 
Umdrehung, wodurch bei dem einen Schusse die OeflF- 
nungen c oben und d unten, bei dem anderen Schusse 
d oben und c unten stehen. An den inneren Flächen 
von a sind je zwei Spulen befestigt. Auf jede ist eia 
Kettenfaden möglichst fest aufgewickelt und durch die 
nächstliegende Oeffnung der betreffenden Scheibe nach 
aussen und Yon da direct zur Waare hin geführt. Es 
empfiehlt sich übrigens hier und ebenso bei dem vorigen 
Apparat, Zwirn zu den Fäden zu nehmen, oder jeden 
Faden zweifach zu spulen, damit diese Fäden recht 
haltbar werden. Die Entfernung von c und d, also 
die Fachhöhe im Apparat, beträgt 12°'°, was einer Fach- 
höhe im Blatt von circa 5 bis 6°™ entspricht. 

Ist der Faden q durch c und ist s durch d ge- 
flogen, so kMnmt für den ersten Schuss q in das Obeiv 
fioh und $ in das Unterfach. Hierauf dreht sich die 
Scheibe a um ein Viertel, während die Lade in den 
Anschlag geht; beide Fäden q und s kommen neben- 
einander zu liegen. Weiterhin gdit die Oeffnung c 
mehr und mehr nach unten, d ebenso nach oben, so 
dass sich q mehr und mehr senkt und s in derselben 
Weise hebt. Es wird der kurze, also augenblicklich 
der durch c laufende Faden, an der Scheibenseite liegen 
bleiben und der längere, also der aus d kommende, 
unterhalb q hinweg in das OberfEich schwingen, so dass 
bei dem Schütsendurchgange q rechts unten und s links 
oben liegt (siehe Schuss 2 in Fig. 6). Bei dem dritten 
ScfauBM taaschen die Fäden ihre Rollen, s kommt nach 
rechts in das Unterfach, wie bei dem ersten Schusse, 
nnd q nach links in das Oberfisu;h u. s. w. 

Mit den Fäden p und r wird dasselbe eintreten, 
imr dass hier die Kreuzung und der Stand der beiden 
Fäden für jeden Schuss in Bezug auf q und .<? ent- 
gegengesetzte werden. 

Gebremst sind die Spulen in folgender Weise: Sie 
sind paarweise auf einen leicht drdibaren Draht ge- 
steckt» der in der Mitte Schraubengewinde hat, auf 
welches zwei Muttern aufgeschraubt sind. Zwischen 
die Spulen und die Lager des Drahtes sind Leder- 
scheiben aufgesteckt. Die eine Mutter (in Fig. 5 die 
obere I drückt direct die obere Spule g^en die Leder- 
scfaeibe, die andere drückt aber gegen eine Spiralfeder 



und diese erst die untere Spule gegen das Leder. Es 
wird zwar hiemach die Spiralfeder auf beide Spulen 
Einfluss haben, da der Draht lose in seinen Lagern 
liegt und wird man durch kräftiges Zusammenschrauben 
der Feder ziemlich starke Bremsung geben können; es 
hat aber diese Vorrichtung den Nachtheil, dass sie die 
Fäden nicht zurückzieht, namentlich während sie an- 
einander TPrüber schwingen, se dass bei dem Anschlagen 
des Schusses der von oben niedergehende Faden und 
bei dem Schützenlauf der im Ober&ch liegende Faden 
schlaff werden. Es gleicht sich diese verschiedene 
Spannung der Fäden während des Weiterwebens zwar 
wieder etwas aus, der Schussfaden wird aber nicht sehr 
fest eingeklemmt und zufolgedem die Haltbarkeit der 
Leiste beeintt^chtigt. 

Damit nian nicht genöthigt ist, nach dem Weben 
die Schussfäden zwischen den falschen Leisten zer- 
schneiden zu müssen, bringt man oft im Webstuhl 
selbst ein Messer hierzu an. Dasselbe (siehe Fig. 7 im 
Aufriss und Fig. 8 im Grundriss) ist am Brnstbaum 
angeschraubt, so dass es während des Webens sofort 
eine Trennung der Zeuge selbstthätig bewiikt. 

Die beschriebenen Apparate arbeiteten an Web- 
stühlen, welche pro Minute 100 Schützenschläge geben 
und lieferten pro Tag 

21,5" doppeltbreite Waare. 

Vergleicht man diese Leistung mit der einfach 
breiter Stühle desselben Systems bei Herstellung der- 
selben Waare, so ergiebt sich folgendes Yerbältniss: 
Ein einfach breiter Stuhl liefert bei 160 Schützen- 
schlägen pro Tag 

32"* einfach breite Waare. 

Ein doppelt breiter Stuhl liefert bei 100 Sohütsen- 
schlägen pro Tag 

43° einfach breite Waare. 

Die Mehrleistung des doppeltbreiten Stuhles beträgt 
11", d. i. 

circa 34 Procent. 

Betragen somit der grössere Kapitalaufwand und 
die Spesen für den Betrieb von zwei einfach breiten 
Stühlen 65 Procent mehr als die eines doppelbreiten, 
so wird es sich empfehlen, letzteren anzuwenden, voraus- 
gesetzt, dass der Verkaufspreis der Waare nicht noch 
Einfluss darauf hat. 



lieber eine Verbesserung an Fordergestellen. 

(Metallbremse.) 



Von 



Bergdirector Menzel in Zwickau. 

(Nach einem im Mai 1877 iu Sect. lY des Sachs. Ing.- und ArcL-Yereins vom Yerfasser gehaltenen YortragB.) 

(Hierzu Tafel XXym.) 



Die ausgedehnte Anwendung, welche bei der Schacht- 
förderung mittels Fördergestellen die Fangvorrichtungen 
an denselben gefunden haben, beweist zur Genüge, 
welch hohen Werth man denselben beilegt. Wenn man 
in früherer Zeit noch hie und da der Ansicht begeg- 
nete, es sei gefahrlich, die Fördergerüste mit Fangvor- 
richtungen zu versehen, weil das Aufsichtspersonal der 
Gruben sich dann auf die Wirksamkeit derselben ver- 
lassen zu können glaube und infolge dessen der Be- 
schaffenheit der Seile u. s. w. nicht die nöthige Auf- 
merksamkeit schenke, so dürfte jetzt bei den Bergbau- 
treibenden Deutschlands wenigstens diese Ansicht wohl 
nur noch wenige Vertreter finden. 

Die Constructionen, welche den Fangvorrichtungen 
gegeben worden, sind ausserordentlich mannigfaltig. 
Allgemeinere Anwendiingen haben aber doch nur die- 
jenigen gefunden, welche, wie die verschiedenen Modi- 
ficationen der White und Grant 'sehen, der Fon- 
taine 'sehen und der beim sächsischen Kohlenbergbau 
mehrfach benutzten Otto 'sehen Fangvorrichtung, mög- 
lichste Einfachheit besitzen. Alle diese Yorrichtungen 
haben freilich bei Brüchen des Seiles oder der Schurz- 
kette nur ein sofortiges „Fangen", d. h. die Herstel- 
lung einer festen Yerbindung des Gestelles mit der 
Schachtleitung, im Auge, und besitzen deshalb, wie 
unten ausführlicher gezeigt werden soll, noch eine be- 
denkliche Un Vollkommenheit. Diejenigen Constructionen, 
welche, wie die Hoppe 'sehe Fallbremse, von diesem 
Mangel frei sind, indem sie nicht ein plötzliches Auf- 
halten des Gestelles, sondern eine allmäligc Aufzehrung 
der in ihm aufgespeicherten mechanischen Arbeit durch 
Bremsen bezwecken, haben sich gleichwohl eine all- 
gemeinere Anwendung nicht erobert. Es mag dies wohl 



in der allzu subtilen Gonstruction li^en, die rar Folge 
hat, dass selbst die kleinen Formverändemngeii« wdohe 
bei den fortwahrend sich wiederholenden Stoesen und 
Erschütterungen in Folge der Förderung so leidit eiB- 
treten können, die Sicherheit der Wirkung sehr in 
Frage stellen. 

Den erstgenannten Arten von einfBMiherer Construc- 
tion lässt sich dagegen nachrühmen, dass sie bei nur 
einiger Aufmerksamkeit leicht in gutem, wirkungs- 
fahigen Stande zu erhalten sind, und dass sich meist 
sehr leicht, selbst ohne besondere Fangproben, beur- 
theilen lässt, ob sie sich noch in jenem Zustande be- 
finden. Ist dies aber der Fall, so lässt sich auch &rt 
mit Sicherheit darauf rechnen, dass sie eintretenden 
Falls ihren Zweck soweit erfüllen, als ihre Constmction 
dies ermöglicht, dass sie nämlich in der That „fiuogen^ 

Diese Behauptung mag freilich zu weitgehend er- 
scheinen, der bekannten Thatsache gegenüber» daas in 
einer verhältnissmässig grossen Anzald Fällen das Vor- 
handensein vorzüglich construirter und im besten Stande 
erhaltener Fangvorrichtungen bei Seilbrüchen nidit 
verhinderte,^ dass das Fördergestell fortging nnd anf 
seinem Wege Yerwüstungen von mehr oder weniger 
Bedeutung herbeiführte. Man wird nach einer soldien 
Erfahrung immer geneigt sein, mangelhafte Wiikimg 
der Fangvorrichtung anzunehmen. Und doch wird ia 
den meisten, möglicherweise in allen derartigen Fallet 
jene Annahme falsch sein. Denn höchst wahrsdieinlid 
that die Fangvoiiichtung ihre Schuldigkeit, sie fing; 
wenn trotzdem das Gestell nicht an den Leitungs- 
bäumen hängen blieb, so lag dies daran, dass in im 
Augenblicke des Fangens das Fördergestell eine mecha- 
nische Arbeit in sich aufgespeichert hatte, die viel zu 



609 



Menzel, lieber eine Verbcsserang an Fördergestellen. 



610 



gross war, als dass sie beim blossen Fangen voUstÄndig 
nieder ausgegeben werden konnte. Der Ueberschuss 
^ard auf Formveränderungen der Fangvorrichtung 
selbst oder der Leitung verwandt, und es ward infolge- 
dessen ein Hängenbleiben des Gestelles an der Leitung 
immöglicL 

Inwieweit diese Ansicht gerechtfertigt ist, mag aus 
dem Weiteren sich ergeben. 

Man probirt die Gestelle, d. h. die Wirksamkeit 
ihrer Fangvorrichtungen, in der Regel über Tage und 
zwar meist an der Hängebank des Schachtes, indem 
man sie absichtlich dem freien Falle tiberlässt. Dabei 
wird sich die Fallhöhe, d. h. die Differenz zwischen 
dem Niveau, in welchem das Gestell ui-sprünglich, und 
demjenigen, in welchem es nach vollendeter Fangwir- 
kung hängt, selten grösser als etwa 5 Centimeter her- 
ausstellen. Diejenige Höhe, auf welche das Gestell 
vollständig frei fällt, ist jedenfalls erheblich geringer, 
denn sie ist streng genommen nur bis zti der Stelle zu 
rechnen, wo der Angriff der Excenter, der Klauen oder 
dergleichen auf die Leitungsbäume begann, und auch 
der Anfang des Fallens dürfte meist kein ganz freier 

i sein. Nehmen wir aber zum Nachtheile des beabsich- 

L tigten Beweises die Höhe von 5*^"* an. 

^ Dieser Fallhöhe entspricht nach der bekannten 
r Pallformel: 



s = --^i^ oder 
2 



f 9 



äne Fallzeit von nur 0,i Secunde, also ein Zeitraum, 
den wir uns seiner Kleinheit halber kaum voi-stellen 
können. Die mechanische Arbeit, welche das Förder- 
gestell mit seiner Belastung bei diesen Fangproben 
durch den freien Fall in sich aufnimmt und beim Ein- 
griff der Excenter oder Klauen in die Leitungsbäume 
^eder ausgiebt, beträgt, wenn Gewicht und Belastung 
des Gestelles zusammen mit G (in Kilogrammen) be- 
zeichnet wird, in Meterkilogramm 0,05 6f. Dass bei 
einigermassen schweren Gestellen die sichtbare Wir- 
kung dieser mechanischen Arbeit, die Zerquetschung 
der Leitungsbäume, au der Fangstelle nämlich, schon 
eine recht stattliche ist, braucht kaum erwähnt zu 
werden. 

Es treten jedoch auch Brüche der Seile und Schurz- 
ketten unter Umständen ein, welche den bei den Faug- 
pi-oben vorhandenen nicht ganz entsprechen , vielmehr 
eine Verlängerung der bis zur vollendeten Fangwirkung 
verfliesseuden Zeit, wenn auch nur um einige Zehntel- 
secunden, recht wohl möglich ei*scheinon lassen. 

Nehmen wir zunächst den unter sonst gleichen 

CK'iHnseniaar XXIII. 



Umständen günstigeren Fall, den Eintritt des Seil- 
bruches beim aufwärtsgehenden Gerüst an. 

Bei den Fangproben wird es immer nur ein ver- 
hältnissmässig kleiner Theil der Schui*zkette oder des 
Seiles sein, welcher der bewegenden Kraft der Federn 
seine träge Masse entgegensetzt. Bei Seilbrüchen da- 
gegen wird diese träge Masse oft erheblich grösser sein. 
Ein Seilschwanz z. B., welcher zehnmal so schwer ist, 
wie der bei den Fangproben in relative Bewegung zu 
setzende, wird diese Bewegung, wie aus der bekannten 
Grundformel der Mechanik P=M,p hervorgeht, mit 
10 Mal geringerer Beschleunigung p ausführen, infolge- 
dessen aber, wie die weitere Rechnung ergiebt, die 
Fallzeit des Gestelles auf ca. 0,32 Secunden verlängern, 
und bewirken, dass dasselbe während dieser Zeit 0,5" 
herabfällt, das 10 fache nämlich der bei den Fangproben 
durchfallenen Höhe. 

Die mechanische Arbeit 0,50 G, welche das Förder- 
gestell dabei in sich aufnimmt, beträgt also dann eben- 
falls das 10 fache der bei den Fangproben zur Wirkung 
kommenden. 

Es ist ferner nicht wahrscheinlich, dass in allen 
Fällen der Vorgang des Seil- oder Schurzkettenbruches 
sich in einen einzigen Augenblick, von welchem an das 
vollständig freie Fallen des Gestelles beginnt, zusammen- 
drängt. Es kann vielmehr vorkommen, — und gerade 
manche bei den Brückenbergschächten gemachte Beob- 
achtungen sprechen direct dafür — dass der Bruch des 
Seiles oder der Kette erst in einem Zeittheilchen 
beendigt ist, in welchem das Gerüst bereits dem wenig- 
stens theil weise freien Falle überlassen war, dass also 
die Zeit des Keissens und die des Fallens bis zum 
Fangen ineinander greifen. Es kann dies zur Folge 
haben, dass die das Fangen bewirkenden Federn nicht 
rasch genug wirken können, dass sie sogar, nachdem 
sie sich bereits ziemlich weit ausgedehnt haben, noch 
eiimial etwas zurückgespannt werden. Dann ist aber 
auch eine Verzögerung der Fangwirkung unvermeidlich. 
I Nimmt mau bei einem solchen Hergange die gesammte 
Fallzeit zu 0,4 bis 0,5 Secunden, die eingetretene Ver- 
! zögerung also zu 0,3 bis 0,4 Secunden an, so ergiebt 
\ sich, dass dann das Fördergestell dem mehr oder we- 
niger freien Falle auf eine Höhe überlassen ist, die in 
Wirklichkeit wohl die jenen Fallzeiten entsprechenden 
theoretischen Fallhöhen von 0,78" und 1,25" nicht er- 
reichen, immerhin aber das 10 — 20 fache der bei den 
Fangproben eintretenden Fallhöhe sein mag. 

Das Fördergestell nimmt also dann auch eine me- 
chanische Arbeit in sich auf, welche das 10 — 20 fache 
i der bei den Fangproben angesammelten ist. 
' Betrachten wir ferner die Verhältnisse beim nieder- 

89 



611 



Menzel, lieber eiue Verbesserung an Fördergestellen. 



612 



gehenden Fördergerüst. Eine Fördergeschwindigkeit 
von 5" z. B. entspricht einer Fallhöhe von 1,25", d. h. 
man kann sich diese Geschwindigkeit dadurch ent- 
standen denken, dass das Gerüst auf eine Zeit von 

5 5 

— = TT — = 0,61 Secunden dem freien Falle überlassen 
9 9,81 

war und dabei, indem es die Endgeschwindigkeit von 

5°* erreichte, einen Weg von 1,25" zurücklegte. Das 

mit dieser Geschwindigkeit niedergehende Fördergestell 

hat also bereits beim Seilbruche eine mechanische Arbeit 

in sich aufgestapelt, die das 25 fache der bei den Proben 

in Wirksamkeit kommenden beträgt. 

Selbst die geringe Fördergeschwindigkeit von 1,85 °, 
die nach bergamtlichcr Vorschrift in Sachsen bei der 
Mannschaftsförderung nicht überschatten werden soll, 
entspricht einer Fallzeit von 0,i9 Secunden und wenn 
man zu derselben noch die Zeit von 0,i Secunde hin- 
zufügt, die, wie weiter oben bemerkt, zwischen dem 
Augenblicke des Seilbruches und dem Zeitpunkte der 
vollendeten Fangwirkung verfliesst, so ergiebt sich eine 
der Zeit von 0,29 Secunden entsprechende Fallhöhe von 
0,38°, d. h. es wird im Moment des Fangens eine 
mechanische Arbeit von 0,38 G ausgegeben, die mehr 
als 7 Mal so gross ist, als die bei den Fangproben 
wirkende. 

Es ergiebt sich aus alledem, dass es der Möglich- 
keiten verschiedene giebt, in welchen einerseits dem 
Fördergestelle und speciell den das Fangen bedingenden 
Theilen desselben, anderseits den Leitungsbäumeu zu- 
gemuthet wird, dass einer bis 25 Mal so grossen mecha- 
nischen Arbeit*) ebenso sicherer Widerstand entgegen- 
gesetzt werden soll, wie derjenigen, welche bei den 
Fangproben auszuhalten ist. Inwieweit dies zu erwarten 
ist, wird ► vielleicht noch etwas deutlicher, wenn man 
sich die Vergrösserung der mechanischen Arbeit nicht, 
wie es thatsächlich der Fall, aus der Vergrösserung 
des Weges, sondern, was ja in Betreff des Resultates 
dasselbe ist, aus der Vergrösserung der Kraft, d. h. 
des wirkenden Gewichtes, hervorgehend denkt. 

Wir würden es beispielsweise sicherlich für sehr 
gewagt halten, ein nach erfolgter Fangwirkung an den 
Leitungsbäumen hangendes, mit seiner Ladung ca. 100 
Centner schweres Fördergestell noch mehr, und zwar 
soweit zu belasten, dass sein Gesammtgewicht auf 1000 
bis 2000 Centner stiege. Noch bedenklicher aber möchte 
es erscheinen, mit einem so überlasteten Gestell noch 



*) Bei sehr grossen Fördergeschwmdigkeiten stellt sich das 
Verhältniss natürlich noch weit ungOnstiger. Bei einer Fürder- 
geschwindigkeit von 8*" z. B. beträgt die dem niedergehenden 
Gestelle innewohnende Arbeit das 65 fache. 



eine Fangprobe vorzunehmen, dasselbe also vor dem 
Eingreifen der Excenter oder Klauen in die Leitung 
noch, wenn auch nur auf einige Centimeter, dem freien 
Falle zu überlassen. 

Kann man sich hiernach der Ueberzeugung nicht 
verschliessen, dass bei der jetzigen Einrichtung unserer 
mit Fangvorrichtungen ausgerüsteten Fördergestelle der 
eigentliche Zweck dieser Vorrichtungen keineswegs in 
allen Fällen erreicht werden kann, dass vielmehr der 
mehrerwähnte bedeutende Ueberschuss an mechanischer 
Arbeit auf eine gefährliche, ei^ie schädliche Formver- 
änderung verwandt wird, so führt dies zugleich auf 
einen einfachen Weg zur Beseitigung dieses Uebelstandes. 

Eine Formveränderung ist nicht zu vermeiden; 
aber sie kann in eine unschädliche verwandelt wer- 
den durch eine Einrichtung, die im Nachstehenden als 
Metallbremse bezeichnet werden mag. 

Das Wesentliche dieser Einrichtung besteht darin, 
dass, nachdem die Fangwirkung eingetreten, der Haupt- 
masse des Gestelles gestattet wird, noch 30—40*" weiter 
zu fallen, dass sie dabei aber einen Widerstand über- 
winden muss, welcher allmälig den Ueberschuss an 
mechanischer Arbeit auf eine unscjiädliche Weise ver- 
zehrt, indem durch Einwirkung eines harten auf einen 
weichen Metallkörper der letztere eine für das Ganze 
unschädliche Formveränderung erfährt. 

Die Art der angewandten Fangvorrichtung 
ist dabei gleichgültig. Wenn daher im Nach- 
stehenden der obere Theil eines Fördergestelles specieller 
beschrieben ist, welches von der Maschinenfabrik von 
Hofmann & Zinkeisen in Zwickau für den zweiten 
Schacht des Zwickauer Brückenberg- Steinkohlenban- 
vereins ausgeführt wird, so soll die Einrichtung des- 
selben nicht als Norm, sondern nur als Beispiel dienen. 

Es ist dieses Fördergerüst (vergl. Fig. 1, Taf. 
XXVUI) aus zwei Haupttheilcn ÄÄ und BB zusam- 
mengesetzt, von denen der eine B am anderen A auf 
eine Höhe von 30 — 40^™ gleiten kann, so dass er dann 
in die durch Punktirung angegebene Lage B'B^ gerath. 
Dieser rahmenförmige Theil B von der Breite des Ge- 
rüstes und einer Höhe von 30 — 40®" enthält die zur 
Fangvorrichtung gehörigen Theile, ausserdem aber bei ee 
je einen schmiedeeisernen Hohlcylinder von 45™" Weite, 
der mit radialen Löchern, ausserdem auch am unteren 
Ende mit einer durch auszuwechselnde Buchsen ver- 
schieden gross zu machenden Oeffnung versehen ist 
Diese Hohlcylinder cc werden mit Blei ausgegosseiu 
welches in diesem Falle die Rolle des oben ermhnten 
weichen Metallkörpers zu spielen hat. 

Der ganze Theil B wiegt, was nicht anwesentlich 



613 



Menzel, lieber eine Verbesserung an Fördergestellen. 



614 



ist, nur etwa den 10. Theil des leeren, also etwa den 
20. Theil des beladenen Fördergestelles. 

Der andere, grössere, in seinem oberen Theile eben- 
falls rahmenfönnige Gerüstkörper trägt die Gerüstetagen 
und die Führung an den Leitungsbäamen. Von seinem 
oberen Bügel ragen zwei cylindrische Stahlstäbe s.s bis 
za den oben erwähnten Hohlcyliudem cc des Theiles 
B herab. Diese Stahlstäbe repräsentiren den härteren 
Metallkörper der Metallbremse. Vergl. auch die bei- 
gefügte Zeichnung des betareffenden Gerüstobertheils. 
Taf. XXVm. 

Beim Bruche des Seiles oder der Schurzkette wird 
durch die Fangvorrichtung der Bahmen B an der 
Schachtleitung festgehalten. Der Hauptgerüsttheil da- 
gegen kann noch um die Höhe von 30 — 40^™ weiter 
fallen, er hat aber dabei, indem die Stäbe ss sich in 
den Bleikörper der Hohlcylinder cc eindrücken und 
das Blei verdrängen, einen gleichmässigen Widerstand 
zu überwinden, welcher die in ihm angesammelte me- 
chanische Arbeit, die andernfalls vielleicht auf Zer- 
störungen verwandt werden würde, durch Verwendung 
■ aaf unschädliche Formveränderungen verbraucht. *) Für 
? die Querschnittdimensionen der Stäbe ss gab der fol- 
r gende Versuch wenigstens ein ungefähres Anhalten. 
[ Auf einen Bleikörper ward ein 22 "" starker Stahldorn 
[ aufgesetzt und auf diesen Dom Hess man von einer 
Höhe von 2,9" ein Gewicht von 63 ^^ fallen. Der Dorn 
ward durch die mechanische Arbeit von 63 . 2,9 = 182,7"^» 
15"" tief ins Blei eingetrieben, erfuhr also einen Wi- 
'■■ derstand von 12180^».**) 

Statt des Bleies würde jedenfalls auch Kupfer als 
das weichere der beiden zur Construction der Metall- 
bremse dienenden Metalle dienen können. Die Ein- 
richtung würde dann etwa so zu treffen sein, dass an 
dem Gerüsttheile A und zwar an der inneren Seite 
ier Seitenwand desselben, über dem Theile B, ent- 
sprechend starke Kupferstreifen befestigt würden, welche 
^Urch auf dem Gerüsttheile B sitzende Stahlmesser 
^im Herabgleiten des Theiles A aufgeschnitten werden 
i^fissten, dabei also dem Herabgleiten ebenfalls einen 



*) Bei dem Vortrage ward eine etwas andere Einrichtung 
^er Bremse beschrieben. Es ist dieselbe auch ausgeführt worden ; 
bd einem damit angestellten Versuche stellten sich jedoch einige 
Mängel heraus, die zum Aufgeben derselben und zu der oben 
beschriebenen Einrichtung führten. 

•*) Hiemach würde der Widerstand des Bleies pro IQ™" 
Drockfl&che sich zu 82,1 ^^ berechnen. Aus den Versuchen Clarin- 
yars (Civü-Ingenieur 1861, S. 87) ergiebt sich dagegen für Blei 
nur ein Verdichtongswiderstand von 11,25— 14,57 ''f^, durchschnitt- 
lich 12,45; für Zinn 86,75, für rothglühendes Eisen 27,53 ''(f. 

Hartig. 



ganz bestimmten und gleichmässigen Widerstand ent- 
gegenstellten. 

Wie weiter oben schon bemerkt, ist es bei der 
Ausrüstung eines Fördergestelles mit der Metallbremse 
gleichgültig, mit -welcher Art von Fangvorrichtung das 
Gestell versehen ist, wenn dieselbe nur an sich nicht 
fehlerhaft ist, also das eigentliche Fangen mit Sicherheit 
besorgt. Es würde daher in vielen Fällen die Bremse 
auch an schon bestehenden Fördergestellen ohne allzu 
gfosse Constructionsänderungen anzubringen sein. — 

Der vorstehenden Niederschrift gestattet sich der 
Verfasser über die weitere Verfolgung des Gegenstandes 
in der inzwischen (bis November 1877) verflossenen 
Zeit Folgendes hinzuzufügen: 

Mit dem beschriebenen und abgebildeten Gerüst- 
kopfe, dessen Haupttheil A mit 110 Centnern = 5500^^ 
belastet worden war, sind mehrere Versuche in der 
Weise angestellt worden, dass man das Wesentliche 
der im vorstehend abgedruckten Vortrage geschilderten, 
besonders ungünstigen Fälle, die Verzögerung der 
Fangwirkung nämlich, absichtlich herbeiführte, indem 
man den Gerüstkopf auf eine Höhe von 80—100°" frei 
fallen Hess, ehe die Fangvorrichtung ausgelöst wurde.*) 

Die ersten Versuche waren nur insofern nicht ganz 
zufriedenstellend, als der Widerstand der Bleicy linder 
gegen das Eindringen der Stäbe ss sich grösser als 
erwartet zeigte. Dieses Eindringen erfolgte nämlich 
nur auf einige Centimeter. 

Zu dem am 24. Juli d. J. angestellten letzten Ver- 
suche, dem der königliche Revierbeamte, Herr Berg- 
meister Heucke, und mehrere meiner Herren Collegen 
beiwohnten, waren deshalb die Cylinder cc in der Weise 
mit Blei ausgegossen worden, dass im Innern noch ein 
hohler cylindrischer Raum von 20*^" Weite blieb. 

Der Erfolg dieses Versuchs, bei welchem die Fang- 
vorrichtung ausgelöst wurde, nachdem der Gerüstkopf 
ca. 82*^™ frei gefallen, war folgender: 

Der Gerüsttheil B sass an der Leitung fest, nach- 
dem er im Ganzen 122^™ gefallen war; der Haupttheil 
A war dagegen um 135*^"* gefallen und gesunken, es 
waren nämlich die Stäbe ss ca. 13 <^" in die hohlen 
Bleicylinder eingedrungen. Die mechanische Arbeit, 



*) Es wurden zu diesem Zwecke die Excenter an ihrer 
äusseren Seite in etwa IG'''" Entfernung von ihrem Drehpunkte 
mit einem hervorragenden Stifte versehen. Zwischen die Stifte 
der beiden sich gegenüberstehenden Excenter ward ein starkes 
Blech 80 eingeklemmt, dass dieselben der Wirkung der Feder 
nicht eher folgen konnten, als bis, nach 80 Centimeter freiem 
Falle, das Blech auf einen aussen am Leitungsbaume angebrachten 
Holzfrosch aufschlug und dadurch entfernt wurde. 

39* 



615 



Jaden feind-Hülsse, lieber die Spanbildung beim Hobeln der Metalle. 



616 



welche, wie dieser Erfolg zeigt, nur zum kleineren 
Theile auf das Eindrücken der Excenter in die Lei- 
tungsbäunie, zum grösseren dagegen auf die Umfor- 
mung der Bleicylinder verwandt worden war, betrug 
also ungefähr das 27 fache der bei den gewöhnlichen 
Fangproben in Wirksamkeit tretenden. Irgend welche 
Beschädigungen des Gerüstkopfes waren nicht einge- 
treten und die unvermeidliche Beschädigung der Lei- 
tungsbäume hatte dieselben nicht unfähig gemacht, das 
gefangene Gerüst zu tragen. 

Es kann für den ersten Augenblick befremden, 
dass auch der Gerüsttheil B^ nachdem die Fangvor- 
richtung ausgelöst war, noch den grossen Weg von 
ca. 40^" zurücklegte. Diese Erscheinung aber, die auch 
bei den vorhergegangenen Versuchen ganz in derselben 
Weise eingetreten war, erklärt sich sehr einfach. 

Durch den freien Fall auf 80-82«^™ Höhe hat 
nämlich das Ganze bereits eine Fallgeschwindigkeit von 
4™ pro Secunde, also von 40*^™ pro Zehntelsecunde er- 
langt. Da nun die eigentliche Fangwirkung, wie im 
vorstehenden Vortrage erwähnt, eine Zeit von ungefähr 
0,1 Secunde beansprucht, so vei-fliessen bis zum Ein- 
griffe des ersten Excenterzahnes in den Leituugsbaum 
immerhin einige Hundeilelsecuuden. Ebenso liegen zwi- 
schen dem Eingriffe des ersten und zweiten Zahnes, 
des zweiten und dritten Zahnes u. s. w. wieder einige 
Hundertelsecunden. 

Diesen kleinen Zeiträumen aber entsprechen bei 
der grossen Geschwindigkeit, welche die fiallenden Theile 
bereits erlangt haben, immerhin noch Fallhöhen von 
5 bis 8^™. Da nun die ersten Zahne das Gerüst noch 
nicht aufhalten können, so ist es unvermeidlich, dass 
dasselbe nach dem Auslösen der Fangvorrichtung noch 
auf eine Höhe von ca. 40^" herabfällt, ehe der Eingriff 



der Excenter ein so kräftiger geworden, dass ein wei- 
teres Fallen verhindert wird. 

Um auch die zweite oben nur in Kürze erwähnte 
Modification der Vorrichtung, diejenige, bei welcher 
Kupfer als das passive der beiden auf einander wirken- 
den Metalle angegeben wurde, praktisch erproben zu 
können, sind die inzwischen für den 4. Brückenberg- 
schacht erforderlich gewordenen Fördergestelle mit der- 
selben projectirt worden und bereits in der Ausfuhrung 
begriffen, so dass binnen Kurzem Versuche damit an- 
gestellt werden können. Aus den Figuren 5 — 7 der 
Taf. XXVIII ist die Einrichtung des Gerüstkopfes we- 
nigstens in seinen wesentlichen Theilen zu erkennen. 

Die eine Führungslasche (an der schmalen Seite 
des Gestelles ") ist am unteren Ende mit der verstählten 
Schneide s versehen, und selbstverständlich ist dies 
auch, nicht in symmetrischer, sondern in congruenter 
Form, an der entgegengesetzten Seite des Gestelles der 
Fall. 

Bei eintretender Fangwirkung wirkt diese dem 
Haupttheile A A des Gerüstes angehörende Schneide auf 
den prismatischen Metallkörper o, der in der Zeichnung 
nur im Grundrisse deutlich zu erkennen ist. Von diesem 
durch die Schrauben pp im Haupttheile BB des Ge- 
stelles festgeklemmten Körper, den man übrigens der 
leichteren Herstellung halber aus einer Legirung von 
Kupfer und Zink gestalten wird, soll die Schneide 5, 
nachdem der Gerüsttheil BB von den Elxcentem an der 
Leitung festgehalten worden, einen Span abhobeln und 
durch die dabei zu verrichtende Arbeit die beabsichtigte 
Bremswirkung ausüben. 

Der Verfasser wird nicht verfehlen, auch über den 
Erfolg dieser Versuche das Nöthige zu veröffenüichen. 



lieber die Spanbilduug beim Hobeln der Metalle. 



Von 



Dr. G. U. Judenfeind -Hfilsne in Chemnitz. 



Bei der grossen Bedeutung, welche die Arbeit des Foim des Stahles, der zur Bearbeitung dient, der 

Hobclns für die gesammte Metallbearbeitung hat, daif Schnittgeschwindigkeit, der Spandicke u. 8. w. auf die 

es nicht Wunder nehmen, wenn seit längerer Zeit schon ' Grösse der zur Ablösung einer bestimmten Spamnenge 

Versuche angestellt wurden , welche die Einflüsse der | aufzuwendenden mechanischen Arbeit zu bestimmen den 



Judenfeind-Httlsse, Ueber die SpanbilduDg beim Hobeln der Metalle. 



618 



k hatten. Es gehören hierher die Arbeiten von 
sei (Bulletin de la societe d'encouragement 18649 
35; Polytechnisches Centralblatt 1865, S. 353), 
mer (praktischer Maschinenconstructeur 1874, 
), Hartig (Versuche über Leistung und Arbeits- 
auch der Werkzeugmaschinen. Leipzig, Teubner, 
) u. A. Alle diese beschränkten sich auf die Be- 
lung des Arbeitsverbrauches, liessen aber die eigen- 
liche Structur und Gestalt der durch das Werk- 
abgelösteu Späne unbeachtet oder behandelten sie 
beiläufig, stellten wenigstens keine eingehenderen 
rsuchungen über die Entstehung der mannigfaltigen 
en, welche die Späne zeigen, an. Ausgedehnte 
iche über die Spanbildung, über die Gestalt der 
Hobeln der Metalle entstehenden Späne führte 
)ca aus (Bulletin de la societe d'encouragement 
, S. 584; Verhandlungen des Vereins zur Beför- 
ig des Gewerbfleisses in Preussen 1873, S. 370; 
, S. 189; Comptes rendus 1873, p. 1307; Polyt. 
•alblatt 1872, S. 156; Dingler's polyt. Journal, 
J03, S. 348). Er ist aber nicht der Erste gewesen, 
ler in der angedeuteten Kichtung thätig war. Viel- 
hat schon 1870 J. Thime, Professor an der 
ikadeAüie zu Petersburg, allerdings in russischer 
}he, eine Abhandlung über den Widerstand der 
lle und des Holzes gegen das Abhobeln veröffent- 
In dieser Schrift theilt der VerfiirSser seine Ver- 
i über das Hobeln von Stahl, Schmiedeeisen, Guss- 
, Bronze u. s. w. mit und stellt eine elementare, 
liese Versuche gegründete Theorie des Hobeins auf. 
demselben Verfasser liegt uns eine in diesem Jahre 
ienene Arbeit: Memoire sur le rabotage des metaux 
in welcher er weitere Untersuchungen über die 
3ildung beim Bearbeiten der Metalle mit schnei- 
en Werkzeugen mittheilt und die von ihm aufge- 
3n theoretischen Grundsätze mit den von Tresca 
denen vergleicht, resp. die stattfindenden Abwei- 
sen erklärt. 

Die Resultate der ausgedehnten Untersuchungen 
ca's weichen in mehreren Punkten von den 
Thime 's Versuchen sich ergebenden ab. Der 
d liegt jedenfalls darin, das Tresca seine Ver- 
! vorzüglich an Blei ausfühi*te und auch bei den 
en Metallen, die er verwendete, nur dünnere Späne 
te, welche fast stets zusammenhängende Bänder 
n und bei weitem nicht die besondere, sofort ins 
fallende Structur stärkerer Späne, selbst von 
sprödem Metall, wie Schmiedeeisen, zeigen; und 
r darin, dass die theoretischen Gesichtspunkte, 
denen aus die beiden Beobachter ihre Versuchs- 
te betrachteten, nicht überall übereinstimmen. 



Es sind besonders folgende drei Punkte, in denen 
beide von einander abweichen: 

1) Tresca hat die bekannte Erscheinung, dass 
die Länge des Spanes viel kürzer sei, als der vom 
Werkzeug durchlaufene Weg, als allgemein gültig hin- 
gestellt. Er findet, dass die Länge des Spanes nur Vs 
bis '/2 vom Wege des Stahles beträgt. Thime hat 
ganz ähnliche Werthe gefunden, jedoch bei weitem nicht 
in allen Fällen. Es ereignet sich vielmehr unter be- 
sonderen Verhältnissen, dass die Länge des Spanes dem 
Wege des Werkzeuges gleich kommt. Dann wird aber 
gleichzeitig die Beschaffenheit des Spanes eine völlig 
andere, als in dem Falle, wo eine Verkürzung eintritt. 
Thime erklärt diese Verkürzung aus einer beim Ab- 
nehmen des Spanes eintretenden Versdiiebung der ein- 
zelnen Theilchen der bearbeiteten Substanz. 

2) Tresca hat bei seinen Untersuchungen immer 
nur die äussere Gestalt der Späne betrachtet, der in- 
neren Structur derselben aber keine besondere Auf- 
merksamkeit geschenkt. Seine Versuche beschränken 
sich mit wenig Ausnahmen auf Blei und auch hier hat 
er nur Späne von verhältnissmässig geringer Dicke 
untersucht. Thime war dagegen bestrebt, möglichst 
dicke Späne auch von mehr oder weniger harten Me- 
tallen zu erhalten, weil diese eine besonders ausgeprägte 
eigenthümliche Beschaffenheit zeigen. Unter den Fi- 
guren, welche Tresca 's Abhandlung begleiten, findet 
sich eine, einen Schmiedeeisenspan darstellende. Dieser 
Span zeigt die eben erwähnte eigenthümliche Structur, 
doch ist diese nicht so regelmässig, wie Thime sie 
vielfach beobachtete und die Erscheinung selbst ist 
unbeobachtet geblieben. Bei Grelegenheit der Anfüh- 
rung der Versuche über das Hobeln von Zink macht 
Tresca auf die Zusammensetzung des Spanes aus ein- 
zelnen prismatischen Elementen aufmerksam, allerdings 
ohne weiter auf eine Erklärung der Bildung solcher 
Elemente einzugehen. (Siehe Fig. 25 und 26, Taf. IX; 
Verhandlungen des Vereins zur Beförderung des Ge- 
werbfleisses 1873). Die im Uebrigen so werthvoUe Arbeit 
Tresca 's ist für die Zwecke der Untersuchung der 
inneren Structur der Späne nicht geeignet. Sie giebt 
uns Aufschluss über eine Menge Dinge, die mit der 
Spanbildung im Zusanmienhange stehen; über die in- 
nere Stinictur der Späne und die Gründe für deren 
Eigenthümlichkeiten giebt sie uns keine Auskunft. 

3) Die Theorie des Hobeins. Wenn das Werkzeug 
den Angriff auf das Arbeitsstück beginnt, tritt zu- 
nächst eine Compression der Substanz des letzteren ein. 
Tresca nimmt nun an, dass diese Compression sich 
bis auf eine gewisse Entfernung von der Angriffsstelle 
des Werkzeuges fortpflanze. Den innerhalb dieser Ent- 



619 



Juden feind-Hülsse, Ueber die Spanbildung beim Hobeln der Metalle. 



620 



fernung gelegenen Raum nennt er Wirkungszone. In- 
nerhalb dieser Wirkungszone pflanzt sich die Compres- 
sion durch die ganze Dicke e des abzulösenden Spanes 
gleichmässig fort. Dies würde nach Thime richtig 
sein, wenn man an der unteren Seite der abzunehmen- 
den Schicht einen Einschnitt in das Arbeitsstück ge- 
macht hätte. 

Die beim Hobeln verrichtete mechanische Arbeit 
ist nach Tresca so zu berechnen: 

Da das Abscheeren nach seiner Voraussetzung jedes 
Mal innerhalb der Grenzen der Wirkungszone erfolgt, 
so würde die abgeschecrte Fläche bx sein, wenn x 
die Grösse der Wirkungszone, 6 die Breite der abge- 
lösten Schicht ist. Bedeutet dann R den Coefficienten 
der Scheerfestigkeit, so ist die zur Aufhebung des Zu- 
sammenhanges der Körpertheilchen nöthige Kraft bxR. 
Wäre dann L der vom Werkzeug zurückgelegte Arbeits- 
weg, so hätte man in bxRL die zur Abtrennung des 
Spanes nöthige mechanische Arbeit. 

Dem entgegen steht Thime 's Behauptung, dass 
die, allerdings stattfindende, Abscheerung nicht in der 
Fläche bXf sondern in ganz anderen Flächen erfolgt. 
Bestätigt wird dies durch die von ihm angestellten 
Versuche, wozu noch kommt, dass die abgehobelten 
Flächen durchaus nicht den Anblick gewäliren, wie 
Flächen, an denen eine Abscheerung erfolgte. Wir 
dürfen daher gegen die Ricktigkeit von Tresca 's Aus- 
druck bxRL wohl Zweifel erheben. 

Setzt man voraus, es sei entlang der zu bearbei- 
tenden Fläche des Arbeitsstückes ein Einschnitt her- 
gestellt worden (siehe Fig. 1), so wird, ehe ein Auf- 
steigen des Spanes erfolgt, eine Compression des Me- 
talles eintreten. Diese 
pflanzt sich durch die 
ganze Dicke des beein- 
flussten Prismas auf eine 
gewisse Strecke x fort. 
Erst wenn diese Compres- 
sion einen gewissen Grad 
erreicht hat, wird der Span sich aufbiegen und an dem 
Werkzeug in die Höhe steigend abfliessen (siehe Hoyer, 

Lehrbuch der mechani- 
schen Technologie, S. 209). 
Anders gestalten sich die 
Verhältnisse , wenn der 
hier vorausgesetzte Ein- 
schnitt nicht gemacht ist. 
Thime stellt die hier 

eintretende Erscheinung 
Fig. 2. , ^ 

® so dar: 

Die oberste Schicht des Arbeitsstückes wird sich 




Fig. 1. 







in ziemlich denselben Verhältnissen befinden, wie die 
vor dem Werkzeug befindlichen Materialtheilchen in 
Fig. 1. Es wird also unter dem Drucke des Werk- 
zeuges hier eine Compression eintreten, die sich auf 
eine Strecke nahe gleich x^ etwa bis e (siehe Fig. 2) 
fortpflanzt. Die Theilchen an der Fläche mn werdei^ 
eine solche Compression nicht erfahren können, ohne so^ 
gleich durch die Schneide abgescheert zu werden; es wird 
also ^ = gesetzt werden können. Die zwischen m % 
und der Oberfläche des Arbeitsstückes gelegenen Schichten 
werden nun unter Bedingungen von dem Werkzeuge 
beeinflusst, die zwischen den beiden angegebenen liegen. 
Daher kann sich die Compression nur innerhalb eines 
gewissen Winkels ß geltend machen. Die Grösse dieses 
Winkels ß ist mit dem Schncidwinkel a des Werk- 
zeuges und der Spandicke veränderlich. Die Abschee- 
iiing erfolgt nun in Richtung von uVy so dass man ß 
den „Abscheerungswinkel'' (angle de cisaillement) oder 
entsprechend Tresca 's Wirkungszone den „Wirkungs- 
winkel" (angle d'activite) nennen könnte. 

Zur Bestätigung des hier Vorgetragenen stellte 
Thime folgenden Versuch mit einem Bleiprisma an: 

Die eine Seite der abzunehmenden Schicht wurde 
polirt und versilbert, in halber Höhe derselben eine 
gerade Linie gezogen und auf dieser eine Theilung mit 
6,25"" als Einheit aufgetragen. Wurde nun das Werk- 
zeug in langsame Bewegimg versetzt, so erkannte man 
deutlich, wie die glatte spiegelnde Fläche inuner nur 
auf eine bestimmte Entfernung hin rissig und rauh 
wurde. Die Trennungsebene zwischen dem unverändert 
gebliebenen und dem comprimirten resp. abgelösten 
Theile war deutlich sichtbar und schloss einen gewissen 
Winkel mit der Vorderseite des Stahles ein. Man 
konnte mittelst der aufgetragenen Theilung leicht beob- 
achten, wie die Compression stets innerhalb einer ge- 
wissen Grenze blieb; denn eine Messung der Abstände 
der Theilpunkte vor der Stelle, wo die Trennungsfläche 
des comprimirten und des in seinem ursprünglichen 
Zustande gebliebenen Materiales sich befand, zeigte, 
dass dieselben unverändert geblieben waren. Die Er- 
scheinung tritt um so deutlicher hervor, je dicker der 
Span ist. 

Von der Richtigkeit der hier mitgetheilten Beob- 
achtung kann man sich auch sonst leicht überzeugen. 
Schneidet man, wie Thime angiebt, von einem Stack, 
Stearin, Wachs oder Seife mit einem Messer Späne ab, 
so zeigt sich alles das, was er am Blei und anderen 
Metallen beobachtete, auch an diesen Stoffen. 

Ueber die Grösse des Winkels ß und ihren Zn- 
sanunenhang mit der Grösse des Schneidewinkels o giebt 
folgende Zusammenstellung von Messungsresoltaten Auf- 



621 



Jadenfeind-Httlsse, Ueber die Spanbildang beim Hobeln der Metalle. 



622 



90>. 

62«>. 

1520. 

90^. 

600. 

150". 



schluss. Die Dicke des Spanes äussert keinen bedeu- 
tenden Einfluss auf die Grosso von ß. 

1) Blei. Spandicke 6,25"™ bis 12,5°»«». 

a= 450 550 65« 750 

/?=100o 90O 800 700 

a + /S = 145o 145" 145o 145o 

2) Zink. Spandicke 6,25"" bis 12,5"»". 

er = 450 550 650 750 

/?=100" 850 85« 750 

a + /?=145o 1400 150O 1500 

3) Gussstahl, Schmiedeeisen, Bronze, Gusseisen zu 
Maschinentheilen. Spandicke 1,562"™ bis 6,25"". 

a= 450 550 650 750 900 
/:^=100o 900 850 750 65« Mittelwerthe. 
a + /!? = 145o 1450 150O 150O 155«. 

Bemerkenswerth ist die geringe Veränderlichkeit 
der Summe a + /^. Der Werth von a + /? variirt zwi- 
schen 140® bis 152® ohne Unterschied des verwendeten 
Metalles. 

Die Bildung des Spanes erfolgt nun nach Thime's 
Beobachtungen in der Weise, dass das schneidende 

Werkzeug auf eine ge- 
wisse Tiefe eindringt bis 
ein Abscheeren des Me- 
talles in der Richtung uss 
eintritt. Ist b die Breite 
des Spanes, l die in Rich- 
tung von zu zu messende 




-TT 

e 



Fig 3. 



Dicke desselben, so er- 
folgt die Trennung in der 
Fläche blf welche mit der Vorderseite des Stahles den 
Winkel ß einschliesst. So bildet sich ein erstes Ele- 
ment des Spanes. Beim weiteren Vorrücken des Stahles 
gleitet dieses Element an demselben in die Höhe und 
es erfolgt die Bildung eines zweiten Elementes u. s. f. 
(siehe Fig. 4). 






/ N 



T 

I 



-*: ^ 










Fig. 4. 

Der Span erhält durch diese Entstehungsweise ge- 
-wissermassen das Aussehen einer gekrümmten Säge, 
deren Zähne sich auf der concaven Seite befinden, wäh- 
rend die convexe Seite glatt ist (siehe Fig. 5). 

Die einzelnen Elemente des Spanes treten um so 
deulicher hervor , je dicker der Span und je grösser a 
ist. Wird a sehr gross, so zerfällt der Span in ein- 



zelne prismatische Elemente. Dünne Späne zeigen 
diese Zusammensetzung aus einzelnen Elementen weniger 
deutlich, da sie einen festen Zusammenhang besitzen. 
Man erkennt aber das 
Vorhandensein dieser i^-^H 

Elemente an dem oft 

sammetartigeu Aus- 
sehen der inneren Seite 
solcher Späne und da- 
ran, dass dieselben be- 
kanntlich sehr leicht 
* 

quer abbrechen, was 
bei einem Metallstrei- 
fen von gleichen Di- 
mensionen nicht der 
Fall ist. Die Tren- 




Fig. 6. 



nungsflächen bl sind von mattglänzender Farbe und 
sehr dicht, zeigen also die charakteristischen Eigen- 
schaften von Abscheerungsflächen. Solche Späne nennt 
Thime „Abscheerungsspäne" (copeaux de cisaillement). 
Sie haben das besonders charakteristische Kennzeichen, 
dass ihre Länge kleiner ist, als der vom Werkzeug 
diirchlaufene Weg. Ist letzterer L, erstere L^, so er- 

giebt sich ein Reductionscoefficient K= 



L' 



der bei 



feinen Spänen allerdings nahe gleich 1 werden kann. 
Mittlere, von Thime gefundene Werthe sind: 



Schmiedeeisen 



Stahl, weich 



Bronze 



idwinkel a. 


^- L' 


45« 


0,59—0,65 


750 


0,45 — 0,48 


450 


0,65 


75» 


0,46 


45« 


0,70 


75« 


0,58-— 0,56 


45« 


0,60 


90" 


0,45. 



Blei (6 = 6,25—12,50™«') 

Eine Berechnung dieses Reductionscoefficienten 
kann in folgender Weise ausgeführt werden (siehe Fig. 4 
und 5): 



jr=A 



n.et 



n.& 







worin n die Anzahl der den Span zusammensetzenden 
Elemente; ferner 

A — ?i^ — *<>»(180^ — «— /^) 
Cq sinß 8tnß 

Für die Grenzwerthe von a==45® und a = 75^ 
und a + ß=: 145« bis a + ß = 150« erhält man K = 
ca. 0,60 und 0,5i. 

Aus der Uebereinstimmung dieser Werthe mit den 
direct durch Messung gefundenen schliesst Thime, 



623 



Jndenfeind-Hülsse, lieber die Spanbildung beim Hobeln der Metalle. 



624 



dass die Verkürzung des Spanes auf der Verschiebung 
der Elemente beim Aufheben des Spanes beruht, wäh- 
rend die Compression des Metalles durch eine geringe 
Verbreiterung des Spanes und ein Emportreiben des 
Metalles in der Spanmitte sich zu erkennen giebt. 

Da nun femer sinßi = j- (siehe Figur 4) und 

e, = , wo u als Vio bis 2 in den meisten Fällen, 

also als nahe constant sich ergeben hat, so folgt 6j = 

— ; — — , d. h. die Dicke e, der Elemente des Spanes 

steht in einem gewissen Verhältniss zu der Dicke e der 
abgenommenen Schicht oder zu der Dicke l des Spanes. 

Vergleichen wir die bisher angeführten Thatsachen 
mit den von Tresca beobachteten, so können wir con- 
statiren, dass Tresca mancherlei anführt, was Thime's 
Beobachtungen entspricht und dazu dienen kann, die 
Richtigkeit derselben noch weiter zu bestätigen. Hat 
Tresca auch dem Auftreten einzelner prismatischer 
Elemente im Spane keine besondere Aufmerksamkeit 
geschenkt, so führt er doch Thatsachen au, welche zur 
Bestätigung von Thime's Sätzen und Beobaohtungen 
beitragen. 

Am angegebenen Orte sagt Tresca: Der Coefficient 
der Längsverkürzung hängt von der Schärfe des Werk- 
zeuges ab, von der Leichtigkeit, mit welcher es den 
Span loslöst, besonders aber von der Dicke des los- 
gelösten Spanes, also ebenso wie Thime. Der Coef- 
ficient der Verkürzung ist bei dünnen Spänen kleiner. 
Ferner: Die Trennungsfläche zwischen dem Span und 
dem Blocke ist stets glatt und eine genaue Nachbil- 
dung der wirksamen Fläche des Werkzeugs. Die ent- 
gegengesetzte Fläche ist stets quer gestreift und zeigt 
eine Folge von parallelen Wellen, mit um so grösserer 
Ausbauchung, je dicker der Span ist. Diese Wellen 
erstrecken sich bis gegen die Ränder, wo man die 
Spuren eines Abfliessens nach der Breite bemerkt, 
welche sich in sehr geringer Entfernung vom Rande 
verlieren. Bei dünnen Spänen sind die Streifen viel 
feiner und geben der ganzen Metallfläche ein sammet- 
artiges Aussehen. 

Man erkennt hier leicht die Uebereinstimmung, 
welche zwischen beiden Beobachtungen herrscht. Die 
parallelen Wellen sind nichts anderes als die Spuren 
der prismatischen Elemente, die ja auch parallel der 
Breite des Spanes gelagert sind. Hätte Tresca nicht 
vorzüglich nur mit Blei gearbeitet, so würde ihm das 
Entstehen solcher Elemente sicher mehr aufgefallen 
sein. Das Aussehen der inneren Fläche dünner Späne 
beschreibt Tresca genau so wie Thime. 



Ein uns vorliegender Gusseisenspan von 80"" 
Breite und ca. 0,5™"* Dicke zeigt genau diese eigen- 
thümliche Beschafifenheit Die innere Fläche ist mit 
zahllosen feinen Blättchen besetzt, zwischen denen sich 
parallele Trennungslinien deutlich abheben. Diese 
Blättchen lassen sich nach diesen Trennungslinien leicht 
abbrechen und ertheilen der Oberfläche des Spanes 
ein „sammetartiges'' Aussehen. Eine gleiche Beschaffen- 
heit zeigt ein dünner Stahlspan von 11™»» Breite. 

Das von Thime als Folge einer Compression er- 
klärte Breitei-werden des Spanes constatirt Tresca 
gleichfalls. Er sagt: Wenn die Dicke im Verhältniss 
zur Breite gross wird, so tritt eine Ausdehnung in 
beiden Richtungen auf und der Span nimmt eine ganz 
eigenthümliche Gestalt an, dreieckig im Querschnitt 
Auch diese Erscheinung können wir an einigen uns 
vorliegenden Stahlspänen deutlich bemerken. 

Neben dieser Uebereinstimmung in vielen Punkten 
bleibt freilich die schon oben angeführte Abweichung 
zwischen beiden Entwickelungen, der von Tresca und 
von Thime, bestehen. Wir können uns aber den 
Thime 'sehen Ausführungen um so mehr ansclüiessen, 
als sie auf besondei^s zweckmässig angeordnete und 
umsichtig durchgeführte Experimente gegründet sind, 
von denen noch weiter unten die Rede sein wird. 

In einem folgenden Abschnitt bespricht nun Thime 
die beim Bearbeiten mehr oder weniger spröder Metalle 
sich bildenden Späne. Besonders, wenn der Winkel a 
klein ist, bemerkt man beim Hobeln von spröden Me- 
tallen (Bronze, Gusseisen, Zink) folgende, von der früher 
beschriebeneu völlig abweichende, Erscheinung: 

Beim Angreifen des Stahles treten zunächst wieder 
die oben angegebenen Verhältnisse auf, indem der Winkel 
ß sich deutlich markirt. Dann aber erfolgt plötzlicb 
ein Abbrechen eines grösseren Elementes. Mitunter 
hängen diese Elemente miteinander zusammen, so dass 
ein Span („Bioichspan", copeau de rupture) entsteht 
der sich aber von den Abscheei-ungsspänen dadurdi 
unterscheidet, dass die glatte Seite des Spanes auf seiner 
concaven Fläche sich findet, die rauhe dagegen auf der 
convexen. Die Länge der Bruchspäne ist, da man 
Elemente ablöst, deren Länge sich nicht wesentlich 
ändert, von dem vom Werkzeuge durchlaufenen Wege 
nicht venschieden, daher der Reductionscoefficient JK'=1. 

Mau kann also die sämmtlichen Späne ihrer Ent- 
stehung nach eintheilen in Späne, welche durch ein 
fortgesetztes Abscheeren gebildet werden und in Späne, 
welche durch ein foi'tgesetztes Abbrechen entstehen. 

Die Frage nach der Grösse der zum Ablösen eines 
Spanes nothwendigen Kraft beantwortet Thime fol- 
gendermassen : 



625 



Jadonfeind-Hülsse, lieber die Spanbilduug beim Hobeln der Metalle. 



626 



Es sei JP der vom Werkzeug ausgeübte Druck. 
Vernachlässigt werde die Reibung zwischen Werk- 
zengsohneide und Arbeitsstück. 

P sei die zur Abscheerung nöthige Kraft. 
Dann ist (siehe Fig. 6) 

F.x = P.y, F = P.^ =P.---. 

X 8tnß 



Bezeichnet h die Breite 



des abgenommenen Spanes, 



l die Dicke 
P den Coefficienten der Scheerfestigkeit, so ist 



e 



Kach Früherem ist aber j =sinß^^ 1 = —^---^ 

worin e die Dicke der abgenommenen Schicht und 
ß^:=lSO^ — (a + ß). Daher ergiebt sich: 



F = -.^^r 



*w ß^ . stn ß 



,b,e. R. 



F ist der Druck, den der Stahl ausüben muss, um 
das Abscheeren des Spanelementes zu bewirken. Beim 
ersten Angriff des Stahles erfolgt aber, wie oben gezeigt 
wurde, kein Abscheeren, sondern nur eine Comprcssion. 
Es wird daher der Dmck F nicht von Anfang an thätig 
sein, sondern ein allmäliges Anwachsen von bis F 
einti'eten müssen. Wir möchten daher an Stelle des 
berechneten F, welches constant wirksam ist, eine von 



bis F wachsende Kraft einsetzen, so dass als Mittel- 
wcrth, der dann als von Anfang bis Ende thätig zu 

denken wäre, ^- F angenommen werden müsste. 

Um die Grösse des zum Ablösen eines Spanes noth- 

wendigen Druckes und 

P 



den Einfluss der Grösse 
des Angriffswinkels a 
auf denselben zu be- 
stimmen, stellte T h i m e 
besondere Messungen 
an. Mit der Riemen- 
scheibe der bei den Ver- 
suchen benutzten 
grossen Hobelmaschine 
wurde ein Hebel verbunden. Dieser wurde so lange 
durch Gewichte belastet, bis das Ablösen eines Spanes 
erfolgte, und aus der Grösse der angehängten Gewichte 
der gesuchte Druck ermittelt, der zunächst natürlich 
die innei*en Widerstände der Hobelmaschine mit ent- 
hält. Diese Widerstände bestimmt Thime zu 0,4 der 
angewendeten Belastung, so dass die zuerst sich er- 
gebenden Zahlen mit 0,6 zu multipliciren sind, um den 
Druck an der Werkzeugschneide zu finden. Die von 
Thime gefundenen Zahlen sind, ausgedrückt in Kilo- 
grammen pro IQ""* Spanquerschnitt und mit Berück- 
sichtigung des Coefficienten 0,6 folgende: 




Fig. 6. 



AngrifiPswinkcl 




Mittlerer Druck D an der Werkzeugschneide. 




a des Stahles. 


Gussstahl. 


Scliraiedeisen. 


Gusseisen. 


Bronze weich. 


Bronze hart. 


45^ 
55" 
65" 
75" 
90" 


131,8:j 
152,40 

182,88 

■ ■ ■ 


68,58 1 
77,72 

99,06 ; 

106,68 
135,64 


33,53 

48,77 
51.82 

64.(»n 
68,58 


36,58 
48,77 
59,44 
62,48 
83,82 


30,48 

35,05 

48,77 
53,34 
60,96 



Kennt man diesen Druck 7), die Quersöinittsdi- 
raensionen h und e des Spanes (in Millimetern) und 
weiss , dass die Schnittgeschwindigkeit v "• pro Secunde 
beträgt, so ergiebt sich die beim Ablösen des Sjmnes 
geleistete Arbeit zu 

D.h.e,-— Pferdestärken . 
75 

Ist G^^ das pro 1 Stunde abgelöste Spangewicht, 
so braucht man, um P« Späne pro Stunde abzulösen: 



fj = />.Ä. e. 



V 

75 



G 



Pferdestärken. 



Diesen Werth nennt H artig (Leistung und Arbeits- 
verbrauch der Werkzeugmaschinen) den specifischen 

CirlllngsnUar XXIII. 



Arbeitsweilh. Es liegt nahe, eine Vergleichung zwi- 
schen diesem, mit Hilfe von Thime 's Zahlen (Z>) be- 
rechneten Werthe e^ und den von H artig gefundenen 
Werthen anzustellen. Bei Bearbeitung von Gusseisen 
ergab sich nach H artig 's Beobachtungen in einem 
Falle (a. a. 0. S. 90) 

17=: 0,0551™, i = 0,73™", <»=r2,70»»", 6^=1,28^», 

« = 85^ « = 0,0953. 

Daraus berechnet sich mit 7) = 68,58^^: 

fj=p,(»87; Differenz 0,oo8 Pferdestärken. 

Für die Werthe t;=0,06i2"; b =0,53»'"; e = 0,44' 
G = 0,155^«; a = 65^ ergiebt sich mit D = 64,oo^»: 

f,=0,77; 

40 



iiniii • 



627 



Jadenfeind-Uttlsse, Ueber die Spanbildong beim Hobeln der MetAlle. 



628 



von H artig beobachtet 

£ = 0,0968; Diflferenz 0,oi8 Pferdestärken. 

In einem dritten Falle ergiebt sich e^ = 0,06ö, 
während « = 0,0716 beobachtet wurde; Differenz 0,0066 
Pferdestärken. 

Bei Bearbeitung von Schmiedeeisen wurde beob- 
achtet: 

t; = 0,074"'; J = l,2"™; ^=3,1""; (?=6,37^»; 

«=70^ f = 0,068 (a. a. 0. S. 92). 

Mit D= 135,64^8 giebt die Rechnung ei=0,078, 
also Differenz 0,oi Pferdestärken. 

Für i; = 0,096 "> ; &=l,i5™'»; e=l,o"'°; G = 2,83**; 
a = 70^* ergab sich e zu 0,086, während «, = 0,070 wird, 
daher Differenz 0,oi6 Pferdestärken. 

Die sich ergebenden Differenzen sind nicht zu gross, 
wenn man bedenkt, dass Thime zur Bestimmung von 
D kein Transmissions -Dynamometer benutzte und die 
inneren Widerstände seiner Maschine nur schätzungs- 
weise bestimmte, und wenn man ferner berücksichtigt, 
dass die von beiden Beobachtern verwendeten Materia- 
lien von sehr verschiedener Beschaffenheit gewesen sein 
können. Die Thime 'sehen Werthe dürften daher für 
eine näherungsweise Bestimmung des Axbeitsverbrauches 
beim Hobeln von Metallen recht gut zu verwenden sein. 

Es sei uns gestattet, noch einige Worte über die 
von Thime beobachteten Spanformen anzuführen. Seine 
Abhandlung enthält eine grössere Anzahl von Spänen 
in natürlicher Grösse abgebildet, die, schön ausgeführt, 
die beobachteten Erscheinungen deutlich erkennen lassen. 
Es mag genügen, hier auf die Hauptpunkte hinzuweisen. 

1) Schmiedeisen. Ist der Angriffswinkel des Stahles 
35 — 45", so erhält man Späne von festem Zusammen- 
hang, die auf der inneren concaven Seite feine Linien, 
normal zur Länge des Spanes, zeigen und leicht ab- 
brechen. Die Bruchfiäche ist von mattem Silberglanze 
und zeigt, dass das Abbrechen nach zwar unsichtbaren, 
aber doch vorhandenen Abscheerungsflächen erfolgt. Ist 
der Angriffswinkel a = 55®, so bemerkt man bei feinen 
Spänen keinen grossen Unterschied mit den vorher- 
gehenden. Dicke Späne zeigen deutlich die Zusammen- 
setzung aus einzelnen Elementen, welche, wenn a = 
65^ — 90" wird, sowohl bei feinen, als auch bei starken 
Spänen stark hervortritt. Je grösser man a nimmt, 
desto mehr nähert sich die Querschnittsform der ein- 
zelnen Elemente einem Dreieck, welches, wenn a = 90", 
die Querschnittsform bildet. 

2) Gussstahl. Bei den feinsten, wie bei den stärk- 
sten Spänen lässt sich, wenn o = 45" bis 90" ist, die 
gegliederte Structur deutlich erkennen. Die einzelnen 
Elemente zeigen grosse Regelmässigkeit der Gestalt. 



3) Weiche Bronze. Bei einem Angriffswinkel a = 
35 bis 45" sind die Späne fest zusammenhängend, ähn^. 
lieh wie bei Schmiedeisen. Wird a grösser, so zeigei:^ 
sich wieder deutlich prismatische Elemente, deren Quer^ — 
schnitt viereckig ist, aber, wenn^a grösser als 65^ is%^ 
dreieckig wird. 

4) Harte Bronze. Besitzt die abgenommene 
Schicht mittlere oder grosse Dicke, so erhält man bei 
a = 35 — 55" an Stelle zusammenhängender Späne ein- 
zelne Elemente, die eines nach dem anderen abge- 
brochen werden. Sind die Späne fein und ist a klein, 
so entstehen vollständige Späne (Bruchspäne), die keine 
Reduction der Länge zeigen. Bei dicken Spänen und 
a:= 55" — 65^ erhält man ausschliesslich einzelne Bruch- 
elemente, bei feinen Spänen jedoch auch gleichzeitig 
Abscheerungselemente, eine Folge jedenfalls von Ver- 
schiedenheiten in der Beschaffenheit des Metalles. Bei 
a = 75 bis 90" erfolgt ein vollständiges Abscheeren, so 
dass man fast ausschliesslich Elemente mit dreieckigem 
Querschnitt erhält und nur selten ein Bruchelement 
auftritt. Aus dieser Bildung der Späne erklärt sich 
die rauhe Beschaffenheit der mit Stählen von kleinem 
Angriffswinkel bearbeiteten Oberfläche von Bronze- und 
Gusseisenstücken, die erst glatt werden, wenn der 
Stahl einen grossen Angriffswinkel hat. 

5) Gusseisen verhält sich gewöhnlich wie ^die harte 
Bronze. Je weicher das Metall ist, desto günstiger 
sind die Bedingungen für das Entstehen von Abschee- 
rungsspänen. Die einzelnen Spanelemente sind oft 
deutlich unterschieden, ihre Gestalt ist jedoch nicht 
immer so regelmässig, wie bei anderen Metallen. 

6) Zink liefert bei a = 35" und geringer Spandicke 
compacte Späne, deren Oberflächen von gleichförmiger 
Beschaffenheit sind. Bei grosser Spandicke treten wie- 
der die getrennt von einander sich ablösenden Bruch- 
Elemente auf. Ist a = 45 bis 55 ^ so treten beim Ab- 
nehmen fUcker Späne Bruch-Elemente auf; dünne Späne 
zeigen compacte Beschaffenheit, mit glatter concaver 
Oberfläche, ohne zahnartige Erhöhungen. Bei a=55^ 
und geringer Spandicke bemerkt man mitunter Ab- 
scheerungsspäne, die bei a = 65 bis 90^ mit deutlich 
markirter Structur auftreten. Bei a = 90® sind die 
einzelnen Spanelemente dreiseitigen Prismen ähnlich. 

7) Blei zeigt zufolge seiner grossen Weichheit stets 
compacte Späne, gleichgiltig, wie gross die Spandicke 
sei. Diese Späne sind nur wenig instructiv. 

Es fragt sich, ob beim Zerschneiden von Metall- 
stücken mittelst Scheereo analoge Erscheinungen, wie 
sie vorstehend beschrieben wurden, auftreten« Thime 
führt über diesen Gegenstand Folgendes an: 



529 



Nagel, Zur Literatur der Geodäsie. 



630 



Unterwirft^^an eine Staiige aus Schmiedeisen oder 
Umlich beschaffenem Material der Einwirkung einer 
ksheere, so entstehen auf der Oberfläche der Stange 
Eindrückey deren Tiefe und Breite von dem Drucke der 
ächeere abhängt. Je «grösser dieser Druck wird, desto 
;rÖ68er sind auch die hervorgebrachten Eindrücke, bis 
schliesslich das Ablösen eines Stückes der Stange er- 
folgt, und zwar nach einer 
Fläche &.Z, wenn b die Breite, 
l die Dicke der Stange. Bei 
Schmiedeisen ist die Tren- 
nungsfläche von dichter Be- 
schaffenheit und matt silber- 
glänzender Farbe. Das Ver- 

hältniss y = - 




<S3- 



ff 






hat sich zu 



Fig. 7. 



1,6 — 2 ergeben. Je näher 
die Scheeren am Ende der 
Stange arbeiten, desto mehr ändert sich die Beschaffen- 
heit des abgelösten Theiles. Bei einer gewissen Stel- 
limg wird ein einziges zusammenhängendes Stück ab- 
g^arennt. Dies tritt ein, wenn der Abstand der Scheeren 

vom Ende der Stange gleich ei= ist. Greifen die 

Scheeren noch weiter vom an, so lösen sich mehrere 
prismatische Elemente ab, bis endlich bei geringer 
Länge das abgeschnittene Stück die Beschaffenheit 
eines wirklichen Abscheerungsspanes annimmt. Die 



Abbildung eines solchen Spanes lässt deutlich die Eigen- 
schaften derartiger Späne erkennen. 

Thime zieht hieraus den Schluss, „dass die Wir- 
kungsweise der Scheeren ganz gleich der aller anderen 
schneidenden Werkzeuge im Allgemeinen ist und dass 
das Zerschneiden von Stangen in zwei Theile ganz mit 
dem Abscheeren der einzelnen Elemente beim Ablösen 
von Spänen übereinstimmt." 

Für dünnere Stäbe, sowie für das Abschneiden 
kurzer Stücke von dicken Stäben mittelst Scheeren mag 
das Angeführte richtig sein. Beim Zerschneiden dicker 
Stäbe treten aber andere Erscheinungen auf, welche die 
Lösung des Zusammenhanges nicht als ein Abscheeren, 
vielmehr als ein Abquetschen unter gleichzeitiger Zer- 
trümmung des abgeschnittenen Theiles aufzufassen ge- 
statten. Hartig (a. a. 0. S. 53) giebt z. B. an, dass 
beim Zerschneiden eines Flacheisenstabes von 128"" 
Breite und 55"" Dicke, ebenso wie beim Zerschneiden 
eines Rundeisenstabes von 83"" Dicke das abgeschnit- 
tene Stück sich in mehrere Theile parallel der Stab- 
achse trennte. Der Rundeisenstab hatte dabei gleich- 
zeitig eine Breitquetschung um 19,3 Proc., der Flach- 
eisenstab eine Zusammendrückung um ca. 16 Proc. 
erlitten. Auch der zuerst von Reiche*) genauer be- 
schriebenen und erklärten Erscheinungen beim Lochen 
der Metallplatten ist hierbei zu gedenken. 



'^) CivUlngenieur 1864, S. 285. 



Zur Literatur der Geodäsie. 



Von 



Prof. A. Nagel in Dresden. 
IV. XJr sprang des Repsold -Bertram 'sehen Heliotropen. 



Zuerst erwähnt und beziehentlich beschrieben in den Specialwerken: 
1) Beisel und Baeyer, Gradmessung in Ostpreussen. Berlin 1838. S. 65. 

))Hoffinann und Salzenberg, Trigonometrisches Nivellement der Oder. Berlin 1841. S. 11. 12. 
)) Baejer, Kttstenvermessong u. s. w. Berlin 1849. S. 52. 53. 



Bei Gelegenheit der Besprechung der „Elemente 
der Vermessungskunde von Dr. C. M. v. Bauerufeind" 

ff ^^ 

Jß gegenwärtiger Zeitschrift hat Referent (S. 270) über 
den g^enwärtig bei grossem trigonometrischen Arbeiten 
bst allgemein benutzten einfachen Heliotropen mitge- 
tbeilt, dass die ursprüngliche Idee dieses häufig unter 
dem Namen «yBertram'scher Heliotrop^' aufge- 
fShrten werthyollen Instrumentes von Repsold in Ham- 
burg ausgegangen sei. 



Diese Mittheilung ist vielleicht die Veranlassung 
zu einer Bemerkung des Herrn Prof. Dr. Helm er t in 
Aachen gewesen, welche derselbe gelegentlich eines 
Vortrages in der diesjährigen Hauptversanmilung des 
deutschen Geometer- Vereins in Frankfurt a. M. über den 
einfachen Heliotropen vom Ingenieur-Geographen Ber- 
tramgemacht hat. Diese Bemerkung befindet sich unter 
dem Texte auf S. 609 im laufenden Jahrgange der „Zeit- 
schrift für Vermessungswesen" in folgendem Wortlaute: 

40 • 



631 



Nagel, Zur Literatur der Geodäsie. 



,,Man hat neuerdings die Construction des 
erwähnten einfachen Heliotrops auf einen andern 
Urheber zurückfuhren wollen. Ich meine aber, 
dass man sich doch an dasjenige halten muss, 
was Bessel geschrieben hat, und er nennt 
ausdrücklich Bertram, wie man im 3. Bande 
seiner von Engelmann herausgegebenen Werke, 
S. 88, lesen kann." 
Herr Helme rt scheint daher von der Voraus- 
setzung ausgegangen zu sein, dass der von Bessel nur 
kurz erwähnte Heliotrop mit dem später von Baeyer 
in seiner „Küsten Vermessung" näher beschriebenen und 
bildlich dargestellten identisch sei, was wohl aber nicht 
80 ohne Weiteres angenommen werden konnte, da 
darüber in der „Küstenvermessung" nichts gesagt ist. 
Da Referent a. a. 0. geschrieben hatte, dass Rep- 
sold in Hambui'g die „ursprüngliche Idee" zu 
diesem einfachen Heliotrop gegeben habe, Bessel aber 
in der „Gradmessung in Ostpreussen" S. 65 (BesseTs 
Werke, 3. Bd., S. 88) nur die „sehr leicht aus- 
führbare Construction, welche von Herrn In- 
genieur-Geographen Bertram herrührt," ohne 
weitere Mittheilung darüber erwähnt, so glaubte Refe- 
rent, dass beides selbst für den Fall recht wohl neben 
einander bestehen könne, wenn beide in der „Grad- 
messung" und in der „Küsten Vermessung" erwähnten 
Heliotropen identisch sein sollten. Um darüber Ge- 
wissheit zu erlangen, trug er dem Herrn Generallieute- 
nant Dr. Baeyer schriftlich die Bitte vor, ihm gefäl- 
ligst eine Mittheilung über den Ursprung dieses ein- 
fachen Heliotropen zukommen zu lassen und zugleich 
die Genehmigung zu der Veröffentlichung dieser Mit- 
theilung ertheilen zu woUeu. 

Se. Excellenz Dr. Baeyer schreibt nun unter dem 
26. October 1877 mit der liebenswürdigsten Zuvorkom- 
menheit Folgendes: 

„Was den Bcrtram'schen Heliotropen an- 
betrifft, so hat es damit folgende Bewandtniss. 
Als ich im Jahre 1825 eine Reise nach Bremen 
und Hamburg machte, besuchte ich in Hamburg 
den alten Repsold, den Grossvater des jetzigen, 
und klagte ihm meine Noth darüber, dass die 
Spiegel am Gauss 'sehen Heliotropen sich fast 
nach jedem Transport derangirten, und dass 
die Leute, welche ich zum Heliotropiren be- 
nutzen müsste, sie nicht zu conigiren verstän- 
den, so dass ich bei jedem Stationswechsel 
einen Gehilfen dazu abschicken müsse. — 
Hierauf erwiderte er in seiner einfachen Ma- 
nier: Mein Gott! nehmen Sie doch ein Brett- 
chen und stellen an dem einen Ende einen 



Spiegel auf, der um eine vorticale und um 
eine horizontale Achse drehbar ist, so dass er 
in jede Ebene gebracht werden kann. In der 
Mitte des Spiegels machen Sie ein kleines Loch 
und stellen am anderen Ende des Brettchens 
ein Fadenkreuz auf. Richten Sie nun durdi 
das Loch im Spiegel das Fadenkreuz auf ein 
Object, und drehen den Spiegel so, dass der 
Schatten von dem Loch im Spiegel auf das 
Fadenkreuz fällt, so hat das Object Licht. 

Mit dieser Idee kam ich nach Berlin zurück 
und nun wurden verschiedene Constructionen 
dieses einfacheren Instruments versucht, unter 
denen die von Bertram die zweckmässigste 
war. Sein Heliotrop, dessen Bessel in der 
„Gradmessung'' erwähnt, hatte ein kleines Fern- 
rohr zum Richten, eine Vorrichtung zum Tele- 
graphiren und eine Einrichtung zum Dämpfen 
des Lichtes durch farbige Gläser. 

Die Construction der Heliotropen, die bei 

der Gradmessung gebraucht wurden, war von 

Bertram; die Grundidee dazu war aber von 

dem Hamburger Spritzenmeister Repsold.^' 

Wenn es sonach durch diese Mittheilung, für welche 

das wissenschaftliche Publicum dem Herrn Greneral Dr. 

Baeyer gewiss zu grossem Danke verpflichtet ist, un- 

umstösslich feststeht, dass die Priorität des in Rede 

stehenden Heliotropen Repsold gebührt, dieser Idee 

aber von Bertram eine zweckmässige Form gegeben 

worden ist, so dürfte wohl der Vorschlag Eingang 

finden, diesen Heliotrop den Repsold-Bertram'schen 

zu nennen. 

Wollte man ihm den kurzen Namen „Repsold'- 
scher Heliotrop" geben, was vollständig gerecht- 
fertigt sein dürfte, so ist zu bedenken, dass unter diesem 
Namen bereits eine andere Construction existirt. Diese 
ist der von Gauss sehr ähnlich; die Spiegel befinden 
sich aber nicht vor dem Fernrohre (wodurch das Visiren 
durch letzteres nach dem entfernten Object, das Licht 
erhalten soll, verhindert wird), sondern über dem Ob- 
jectiv. Anstatt in der Richtung der Visirachse, reflectirt 
alsdann der mittlere Spiegel das Sonnenlicht parallel 
zu dieser nach einer über dem Ocular befindlichen 
Scheibe mit runder Oeffnung, zum Zeichen, dass die 
beiden rechtwinklig zum Mittelspiegel gestellten Seiten- 
spiegel das Licht nach dem Object senden, auf welches 
das Fernrohr eingestellt ist. 

Um daher Verwechselungen zu vermeiden, dürfte 
es zweckmässig sein, dem einfachen Heliotrop obige 
vorgeschlagene Benennung, die beiden Männern gerecht 
wird, zu geben. 



j 



lieber Cupolöfen. 



Von 



Professor A. Ledebur in Freiberg (Sachsen). 



Die häufige Anwendung, deren sich der Cupol- 
ofen in den Eisengiessereien wie in den Bessemerwerken 
erfreut, erklärt in genügendem Maasse die Erscheinung, 
dass fast kein Jahr vergeht, in welchem nicht die tech- 
nischen Zeitschriften über neue, sogenannte „Cupol- 
ofensysteme** berichten, deren Erfinder als Hauptvorzug 
den geringen Brennstofi'verbrauch derselben hervorzu- 
heben pflegen. Prüft man jedoch diese Oefen etwas 
eingehender und vergleicht sie insbesondere mit schon 
vorhandenen Constructionen , so wird man meistens 
finden, dass, seitdem vor etwa zwanzig Jahren die äl- 
teren Constructionsregeln derCupolöfen durch Ireland's 
und Krigar's Cupolofenconstructionen umgestossen 
wurden, eigentlich kein anderer Ofen im Stande ge- 
wesen ist, günstigere Resultate hinsichtlich des Brenn- 
stoffverbrauchs als jene genannten Oefen zu erreichen, 
selbstverständlich eine richtige Betriebsleitung und rich- 
tige Abmessungen derselben vorausgesetzt. Ja, in vielen 
Fällen sind die neuen „Systeme" nichts Anderes als 
unwesentliche Variationen der längst bekannten. Früher, 
als die genannten beiden Erfinder, hatte schon 
Schmahel einen Cupolofen erbaut, welcher jedenfalls 
geeignet gewesen wäre, gleich günstige Resultate als 
die späteren Oefen zu liefern, wenn man es nur ver- 
standen hätte, die Verhältnisse desselben, insbesondere 
das Verhältniss der zugeführten Windmenge zum Schacht- 
querschnitte in Einklang zu bringen und die bedeutend 
grössere Production des Ofens zu verwerthen. 

Die obige Behauptung über den zweifelhaften Werth 
neuer Cupolofensysteme näher zu beleuchten und einige 
Regeln für zweckmässige Construction der Cupoloöfen 
zu geben, soll der Zweck nachfolgender Zeilen sein. 

Die Au^^abe des Cupolofens ist eine einfache. 
Ein einziges Metall, das Gusseisen, wird in demselben 
geschmolzen und auf die zum Giessen geeignete l'em- 
peratur erhitzt; es wird weder Reduction irgend welcher 
Körper beabsichtigt, noch soll Oxydation des Metalls 
oder seiner Nebenbestandtheile in erheblichem Maasse 



stattfinden. Ganz zu vermeiden ist dieselbe nie, und 
die etwaigen nachtheiligen Folgen derselben lassen sich 
meistens von vornherein durch richtige Wahl der Eisen- 
sorten ausgleichen. So z. B. weiss man, dass Guss- 
eisen eine bestimmte Menge Silicium enthalten muss, 
dass ein Uebermaass desselben das Eisen mürbe, ein 
Zuwenig dasselbe weiss, hart und spröde macht Man 
weiss ferner, dass ein Oxydationsprocess zuerst auf das 
Silicium des Roheisens wirkt. Es ist also Nichts einfacher, 
als dass man in Rücksicht auf diese Verringerung des 
Siliciumgehaltes für den Schmelzprocess ein entsprechend 
siliciumreicheres Roheisen wählt, dessen Beschaffenheit 
hinsichtlich seiner Verwendung für die Giesserei durch 
das Schmelzen alsdann jedenfalls verbessert werden muss. 

Ganz anders ist die Aufgabe des Eisen-Hochofens. 
Hier liegt der Schwerpunkt in der Reduction sauer- 
stoffhaltiger Körper — der Erze — durch Gase, vor- 
nehmlich durch Kohlenoxyd; die Reduction durch festen 
Kohlenstoff muss aus Gründen, deren Erörterung hier 
nicht am Platze ist, auf ein geringes Maass zurückge- 
führt werden. Diese Reduction durch Kohlenoxyd und 
die unmittelbar darauf folgende Kohlenstoffabgabe au 
das reducirte Eisen beansprucht den bei weitem grössten 
Theil des Hochofeninnern , und das spätere Schmelzen 
ist erst gewissermassen das Finale des ganzen Processes. 

Die Aufgabe des Cupolofens wird in um so voll- 
kommnerem Maasse gelöst werden, je vollständiger er 
das ihm zugeführte Brennmaterial zu Kohlensäure ver- 
brennt, und je mehr durch ein rasches Schmelzen die 
unvermeidlichen Wärmeverluste durch Transmission der 
Ofenwände relativ verringert werden; beim Hochofen 
ist in Rücksicht auf den Reductionsprocess und die 
Nothwendigkeit, vorzeitiges Schmelzen unreducirten 
Eisens zu vermeiden, das Endproduct aller Verbren- 
nung durch Sauerstoff des eingeblasenen Windes Koh- 
lenoxyd, und die vor den Formen entstandene Kohlen- 
säure muss sogar rasch zu Kohlenoxyd reducirt werden, 
wenn nicht die Reduction der Erze durch die Erschei- 



635 



Ledebur, Ueber Cupoloöteu. 



i)36 



iiung, welche die Eisenhüttenleute „Oberfeuer" (d. h. 
vorzeitige Schmelzung unreducirter Erze) nennen, em- 
pfindliche Störung erfahren soll. 

Die Verkennung dieser so verschiedenen Aufgaben 
des Hoch- und Cupolofens, die Thatsache, dass man 
lange Jahre hindurch früher, und vielfach noch heute, 
den Cupolofen gewissermassen als kleinen Bruder des 
grossen Hochofens betrachtete und Constnictionsregeln, 
die sich bei diesem als zweckmässig erwiesen hatten, 
demgemäss auch bei jenem anwendete, war die Ursache, 
dass man in den Cupolofen so lange Zeit hindurch 
eine gleiche Gasatmosphäre wie in Hochöfen erzeugte, 
und in Folge dessen die doppelte bis vierfache Menge 
desjenigen Brennmaterials verbrauchte, welches bei rich- 
tiger Construction erforderlich gewesen sein würde. 

Welche, zum grossen Theile den Hochöfen entnom- 
mene, Schachtprofilirungen sind bei den Cupolofen 
nicht versucht und empfohlen worden, um günstige 
Schmelzresultate zu erlangen I Und doch ist unzweifel- 
haft das einfachste Profil das beste, wenn eben nur ein 
Schmelzprocess durchgeführt werden soll; also cylin- 
drische Form, oder, wenn man die Gefahr des Auf- 
hängens der Roheisenstücke an den Wänden abschwächen 
will, eine schwach konische, nach unten sich erweiternde 
Form. Nebenrücksichten können Abweichungen von 
dieser Form geeignet erscheinen lassen, ohne dass je- 
doch das eigentliche Schmelzen dadurch beeinflusst wird. 
Eine solche Rücksicht kann z. B. auf die Thatsache 
genommen werden, dass das feuerfeste Material des 
unteren Ofenschachtes bedeutend rascher wegschmilzt als 
das des oberen, es also geeignet erscheint, unten eine 
grössere Stärke zu geben als oben. Man hat hierbei 
die Wahl, entweder den unteren Ofendurchmesser kleiner 
im Lichten oder grösser von aussen als den oberen zu 

machen. Im ersteren Falle, welcher wegen 

I der Ummantelung des Ofens der am leich- 

d testen ausführbare ist, entsteht neben- 

M stehendes Profil, welches dann bei längerer 

i Benutzung des Ofens durch Wegschmelzen 



1 
I 






r 



'mrTim'/ ohnehin mehr und mehr in das Cylindrische 

übergeht. 

Statt des Kreises als Grundform des Ofenschachtes 

kann eine oblonge Form alsdann zweckmässig sein, 

wenn ein sehr grosser Querschnitt des Ofens dem 

Winde das Vordringen bis gegen die Mit- 
tellinie bei Kreisform erschwert. 

Die früher vielgerühmte „Zusammen- 
schnürung" des Ire land 'sehen Cupol- 

g,^ __r' ofenschachtes ist nichts anderes als der 

eigentliche normale Schachtdurchmesser, wie 
er der Menge des zugeführten Windes entspricht; unter- 



halb desselben befindet sich eine Erweiterung zur An- 
sammlung grösserer Mengen flüssigen Gusseisens, ober- 
halb des Schmelzraumes, wo nur ungeschmolzene Massen 
sich befinden, der Schachtdurchmesser also ohne Ein- 
fluss auf die Wärmeentwickelung bleibt, erweitert sidi 
derselbe, um durch langsameres Aufsteigen der wärme- 
führenden Verbrennungsgase die Vorwärmung der 
Schmelzsäule zu begünstigen. Es ist bekannt, wie jene 
sogenannte Einschnürung zugleich benutzt wurde, um 
dahinter den ringsherumlaufenden Windkanal anzu- 
bringen. 

Wenn dieses Ireland'sche Ofeuprofil also einer- 
seits seine volle Begründung hat, so ruft doch anderer- 
seits die weniger einfache Form bei der Benutzung 
Uebelstände hervor (schwierigere Ausführung von Re- 
paraturen u. a. m.), welche die einfach cylindiisdie 
Form meistens als die geeignetere erscheinen lassen 
werden, um so mehr, als sich die Ansammlung von 
Roheisen noch bequemer durch Anbringung eines Vor- 
herdes (siehe unten) erreichen lässt. 

Fragen wir nun , wie jene als Aufgabe des Cupol- 
ofens bezeichnete vollständige Verbrennung des Brenn- 
stoffs erreicht werden kann, so finden wir bei unbe- 
fangener Betrachtung der Verbrennungserscheinungen 
Folgendes. 

Wenn ein Windstrahl mit starker Pressung — 
also bedeutender Geschwindigkeit und lebendiger Kraft 
— gegen eine im Ofenschachte angehäufte Menge Brenn- 
stoff geführt wird, so bietet er, da er in Folge seiner 
lebendigen Kraft gleichsam als geschlossener kegelför- 
miger Körper sich darstellt, jenem Brennmateriale eine 
verhältnissmässig kleine Berührungfläche dar; erst all- 
mälig, wenn jene lebendige Kraft mehr und mehr aof- 
gezehit wird, zertheilt er sich und kommt dabei mit 
immer neuen Brennstoffmengen in Berührung. Die 
Verbrennung geht also nur nach und nach und aut 
einem grösseren Räume vor sich, innerhalb dessen der 
Brennstoff dem Winde eine beträchtliche Oberflädie 
darbietet, mithin dem Sauerstoff des letzteren Gelegoi- 
heit giebt, so viel Kohlenstoff in Verbindung zu nehmen, 
als es seine chemische Beschaffenheit irgend gestattet 
Das Endproduct ist demnach Kohlenoxyd, die Verbren- 
nung unvollständig. 

Wenn nun aber dieselbe Windmenge mit gering»* 
Pressung, also dui*ch grosse Ausströmungsquerschnitle 
in den Ofen geführt wird, so wird ihre geringe leben- 
dige Kraft rasch verbraucht, der Wind vertheilt sich 
sofort, und statt des begrenzten Windstrahles findet 
sich innerhalb des Ofens eine entsprechende Menge 
Gebläseluft, deren kleinste Theilchen sämmtlich Ge- 
legenheit finden, mit dem Brennstoffe in Berührung za 



Ledebur, Ueber Cupoloöfen. 



638 



. Während ein stark gepresster WindstraM ein- 
t ist vom Brennstoffe, tritt hier der umgekehrte 
An; die Stücken des Brennstoffes sind vom Winde 
len, die Oberfläche des eingeblasenen 
les ist beträchtlich im Vergleiche zu der 
fläche des Brennstoffes, die Verbrennung 
rasch vor sich und coucentrirt sich auf einen 
ren Raum als im ersteren Falle. Die Folge ist die 
)hung derjenigen Verbindung zwischen Kohle und 
Stoff, welche am reichsten an letzterem ist, der 
Qsäure: Die Verbrennung ist vollständig. Das 
Itniss zwischen den Oberflächen, welche Brenn- 
md Luft einander darbieten, bestimmt in erster 
die Art der Verbrennung und somit die durch 
gegebene Menge Brennstoff erreichbare Wärme- 
). Diese Thatsache erklärt es, dass im Gupol- 
wo zunächst viel Wärme erzeugt werden soll, 
s Brennmaterial das geeignetste ist. Holzkohlen 
rennmaterial werden nie ein günstiges Resultat 
L können, weil sie eine viel zu grosse Berührungs- 
darbieten; man müsste einen luftverdünnten 
herstellen, um auch die Windoberfläche ent^ 
lend zu vergrössern. Aus demselben Grunde er- 
sieh aber zum Theile die Thatsache, dass beim 
►fen, wo Kohlenoxyd das Endproduct der Ver- 
ung durch atmosphärischen Sauerstoff sein soll, 
etrieb mit Holzkohlen im Allgemeinen einen gün- 
m relativen Brennstoffverbrauch giebt als mit 
mit weichen Holzkohlen einen günstigeren als 
lichten harten; dass ferner ein Absaugen der 
^ase die Entstehung von Oberfeuer veranlasst, so- 
es eine Verringerung der normalen Gasspannung 
eninnem (also eine Vergrösserung der Windober- 
) hervorruft. Auf den Cupolofenschmelzprocess 
ein solches Absaugen nur günstig wirken können. 
!s ist nun unläugbar, dass die durch einen ver- 
^n Gebläsewind erzeugte Kohlensäure im Cupol- 
zu Kohlenoxyd reducirt wird, und dass somit 
rste Erfolg der rationellen Verbrennung vereitelt 
n muss, wenn jene Kohlensäure im hocherhitzten 
Qde auf firischen Brennstoff trifft. Auch im Hoch- 
ehtdie Kohleuoxydgasbildung jedenfalls zum Theile 
Icher Weise vor sich. Hierbei geht nun nicht 
der bei der Reduction aufgenommene Kohlenstoff 
e Wärmeleistung des Ofens nutzlos verloren, son- 
es stellt sich für die Vergasung desselben noch 
ehrbedarf an Wärme heraus, welcher dem Ofen 
;en wird, so dass die Leistung des Brennstoffes 
iieselbe ist, als wenn von vornherein nur Kohlen- 
gebildet worden wäre, 
►ie Verhinderung dieser Reduction der Kohlen- 



säure wird aber durch den Umstand erleichtert, dass 
das Gusseisen als guter Wärmeleiter leicht Wärme auf- 
nimmt, einer langen Vorwärmung also nicht bedarf 
und mithin rasch von der Gicht aus in einem wenig 
erhitzten Zustande in den unteren Theil des Ofens ge- 
langt, wo jene hocherhitzten Gase emporsteigen. Hier 
findet eine schnelle Wärmeabgabe an das Eisen statt, 
welches die aufgenommene Wärme wieder nach unten 
führt; die Folge davon ist eine rasche Abkühlung des 
aufsteigenden Gasstromes bis unter jene Temperatur, 
wo noch Reduction der Kohlensäure möglich ist. Dieser 
Vorgang lässt sich täglich beobachten. Beim Beginne 
des Schmelzens wird der Ofen bis etwa zur Hälfte mit 
Brennmaterial gefüllt, es werden also reichlichere Mengen 
desselben verbrannt, als gerade zum Schmelzen nöthig 
sein würde, und entsprechend mehr Wärme wird ent- 
vrickelt. Das Gusseisen vermag nicht so viel derselben 
au&unehmen, als nöthig sein würde, um die Tempe- 
ratur unter die Reductionstemperatur der Kohlensäure 
herabzudrücken; aus der Gicht entweicht Kohlenoxyd- 
gas in reichlichster Menge und verbrennt mit blauer 
Flanmie. Dieselbe wird kleiner und kleiner mit dem 
Verbrennen der Füllkoks und verschwindet bei rich- 
tiger Betriebsführung bald ganz. Erst wenn der Ofen 
ausgeblasen werden soll und die Schmelzsäule sinkt, 
erscheint sie wieder in Folge des UmstandeS; dass jetzt 
die Abkühlung von oben her aufhört, und erhält durch 
die mechanisch emporgerissenen glühenden Kohlentheil- 
chen jene bekannte gelbe Färbung. 

Auch in Bezug auf Vermeidung dieser Reduction 
der Kohlensäure verhalten sich Koks weit günstiger 
als Holzkohlen, dichte Koks günstiger als poröse. 
Nach L. B e 1 Ts Versuchen liefert Kohlensäure in Roth- 
gluth über Holzkohlen geleitet annähernd die sechsfache 
Menge Kohlenoxyd als beim ffinüberleiten über dichte 
Koks. 

An die Aufgabe, eine möglichst grosse Wärme- 
menge durch Verbrennung des Brennstoffes zu Kohlen- 
säure zu erzeugen, reiht sich die zweite, die gewonnene 
Wärme in möglichst vollständiger Weise auszunutzen. 

Die hauptsachlichsten Wärmeverluste entstehen 
durch die abziehende Wärme der Gichtgase und die 
Transmission der Ofenwände. 

Der Wärmeverlust durch die Gichtgase lässt sich 
durch eine geeignete Höhe des Ofens auf ein geringstes 
Maass zurückführen. Hierbei wirkt wieder jene rasche 
Wärmeaufnahme durch das Eisen forderlich; und eine 
Höhe des Ofens von 2,5 bis 3 Metern oberhalb der 
Windzuführungsöffnungen genügt, eine Abkühlung der 
Gase bis auf durchschnittlich 50 Grad Celsius zu be- 
wirken. Eine grössere Höhe hat wenig Erfolg, weil 



639 



Ledebur, lieber Cupoloöfen. 



640 



die Wärmeabgabe um so langsamer vor sich geht, je 
kälter die Gase werden, bringt aber andere Uebelstände 
mit sich, wozu hauptsächlich der mit der Höhe des 
Ofens wachsende Widerstand der Schmelzsäule gegen 
das Durchdringen der Gase und die damit verknüpfte 
höhere Wind- beziehentlich Gasspannung zu rechnen 
ist, welche nicht allein eine höhere Leistung des Ge- 
bläses erforderlich macht, sondern auch nach den obigen 
Ausführungen die Entstehung von Kohlonoxyd be- 
günstigt. 

Die Wärmeverluste durch Transmission werden 
nicht etwa durch starke Ofenwände, wie man früher 
meinte, sondern durch rasches Schmelzen verringert. 
Je mehr Gusseisen in einem Schachte von gegebenem 
Durchmesser in der Zeiteinheit geschmolzen wird, desto 
geringer ist natürlich — auf die Gewichtseinheit .Eisen 
bezogen — der Wärmeverlust durch Transmission, desto 
niedriger mithin auch der relative Brennstoffverbrauch. 
Der Unterschied ist ziemlich erheblich. Wenn man 
nun in einem Ofen durch eine zweckmässige Windzu- 
fühiiing eine Verbrennung zu Kohlensäure statt zu 
Kohlenoxyd liervorruft, so erzeugt man mit der gleichen 
Windmenge die ^/a fache, nfit der gleichen Brennstoft- 
menge die 3 fache Wärmemenge als vorher, wird also 
in demselben Verhältnisse mehr Eisen schmelzen können 
und in dem gleichen Maasse die Wärmeverluste durch 
Transmission verringem. Mit derselben Arbeitsleistung 
der Betriebsmaschine aber, welche zur Lieferung eines 
stark gepressten Windes erforderlich war, vrird man 
erheblich beträchtlichere Windmengen zu liefern im 
Stande sein, wenn durch Ei-weiterung des Ausströmungs- 
quei'schnittes die Pressung vemngert wird, und wird 
auch aus diesem Gi*unde das Schmelzen beschleunigen 
können. 

Als Schmahel zuerst anfing, dem Ofen den Wind 
durch 16 in spiralförmiger Linie angeordnete Formen 
mit beträchtlichem Totalquerschnitte zuzuführen, ohne 
aber den Schachtdurchmesser zu verringern, zeigten 
ßich die Folgen der reichlicheren Kohlensäurebildung 
und reichlicheren Windzuführung durch eine gesteigerte 
Production; man wusste mit dem vielen Eisen nichts 
anzufangen, veningerte also die Windmenge und büsste 
in solcher Weise in Folge der vermehrten relativen 
Wärmetransmission die erlangten Vortheile theilweise 
wieder ein. Hätte man zugleich den Schachtdurch- 
niesser verkleinert, so würde ein weit besserer Erfolg 
«Mreicht worden sein. 

In der Eiiülhing jener beiden Bedingungen: mög- 
lichste Vertheilung des Ctebläsewindes zur Vergimserung 
seiner Obortläche (also schwache Pressung) und rasches 
Schmolzen durch Zuführung reichlicher Windmengen 



gipfelt das Greheimniss aller modernen Cupolofencon- 
structionen, deren Erfiüder über die Wirkungsweise 
ihres eigenen Ofens nicht selten sich ganz irrige Vo^ 
Stellungen zu machen scheinen. Ireland erreichte 
jene Windvertheilung durch Anordnung zweier Reihen 
Formen übereinander mit reichlichem Querschnitte; 
Krigar, indem er den Wind durch zwei breite, ein- 
ander gegenüberliegende gewölbartige Oeffnungen in 
den Ofen treten Hess, ihn in solcher Weise zwang, sich 
sofort um die entgegenrückenden Kokesstücke herum 
zu verthoilen; Mac Kensie durch Anwendung zahl- 
reicher schlitzförmiger Oeffnungen mit senkrechter Achse; 
und so fort. Eine jede dieser Constructionen erreicht 
ihr Ziel, wenn dabei die zweite Bedingung erfüllt wird, 
durch ausreichende Windmenge das Schmelzen in einer 
dem Schachtquerschnitte angemessenen Weise zu be- 
schleunigen. Wie ich in einer längeren praktischen 
Thätigkeit viel&ch zu erproben Gelegenheit fand, muss 
ein Cupolofen, nach jenen allgemeinen Grund^tzen 
construirt, mit 6 Gewichtstlieilen dichter, aschenarmer 
Koks excL der Füllkoks 100 Gewichtstheile Guss- 
eisen auf die zum Giessen geeignete Temperatur er- 
hitzen; ein günstigeres Resultat kann nach meiner 
Ueberzeugung kaum durch irgend eine specielle Gon- 
stiiiction erreicht werden. Vortheile, welche ein Sy- 
stem vor dem anderen haben kann, sind dagegen ge- 
ringere Reparaturbedürftigkeit und geringere Oxydation 
des Eisens, durch zweckmässige Lage der WindöfiEhungen 
erreicht. Ich glaube, dass in beiden Hinsichten der 
Kr i gar 'sehe Ofen nicht übertroffen ist. 

In gewissem Maasse wird bei den meisten der jetzt 
gebräuchlichen Cupolofen eine Verringerung des Wärme- 
verlustes erreicht, indem man den Wind, bevor er in 
den Ofen gelangt, durch einen ringförmigen Canal 
rings um die hcisseste Stelle des Ofens herum fuhrt 
dadurch die transmittirte Wärme von dem Winde auf- 
nehmen lässt und dem Ofen wieder zufuhrt; so beim 
Ireland-, Kr i gar- und anderen Oefen. Die in sol- 
cher Weise eiTcichte Windei-wärmung beträgt ca. 40 
Grad. 

Da ein rascher Sclimelzgaug nur durch entspre^ 
chend viel Wind erreicht werden kann, eine Steigemng 
der Windmenge aber auch eine Steigerung der Wind- 
pressung zur Folge haben muss, so gelangt man audi 
liier an eine Grenze, welche nicht ohne Nachiheil über- 
schritten werden kann. Wenn in dem Ofen die zur 
vollständigen Verbrennung erforderliche WindverÜieilang 
erreicht werden soll, so müssen die Windzugtrömungen 
des Ofens (Formen) einen so beträchtlichen QuerschDitt 
besitzen, dass die in der Windleitung mesabare Span- 
nung der im Ofen herrschenden annähernd gleich ist. 



641 



Ledebur, Ueber Cupolöfen. 



642 



mithin nicht durch den Ausströmungsquerschnitt , son- 
dern durch den Widerstand der Schmelzsäule hervor- 
gerufen wird. Erfahrungsmässig beträgt nun diese 
Spannung bei Cupolöfen zweckmässiger Weise nicht 
unter 200 und nicht erheblich über 400"" Wasser- 
säule; und der Totalquerschnitt der Windformen min- 
destens Vs ^^^ Schachtquerschnittes, häufig aber ohne 
Naohtheil 7« ^^^ darüber. 

Unter solchen Verhältnissen wird man pro Qua- 
dratmeter des Schachtquerschnittes an seiner engsten 
Stelle ein stündliches Schmelzen von 8000 bis 10000 
Kilogramm Gusseisen erhalten, wenn man beste Schmelz- 
kokes anwendet, so dass man umgekehrt pro 100 Kilogr. 
stündlich zu schmelzendes Gusseisen einen Schacht- 
querschnitt von 100 bis 125 Quadratcentimeter zu 
rechnen hat. Je weniger dicht das Brennmaterial ist, 
desto grösser muss natürlich der Schachtquerschnitt sein. 

Die erforderliche Windmenge, um eine solche Lei- 
stung des Ofens hervorzubringen, beträgt per Secunde 
und Quadratmeter des Schachtquei*schuittes 1,25 bis 1,5 
Cubikmeter. 

Recht zweckmässig sind die von Krigar einge- 
führten und seitdem auch für andere Cupolofencon- 
structionen angewendeten*Vorherde ; um so zweckmässiger, 
je grössere Mengen flüssigen Eisens angesammelt wer- 
den sollen. Daher sind sie auch besonders für Besse- 
merwerke sehr zu empfehlen. Sie gewähren den grossen 
Yortheil, dass der Schmelzprocess durch den höhern 
oder tiefem Stand der flüssigen Massen völlig unbeein- 
flusst bleibt und ermöglichen ein leichtes Ablassen von 
Eisen und Schlacke. Krigar baut bekanntlich seine 
Vorherde mit rechtwinkeliger Grundfläche und umgiebt 
sie mit gusseisemen Platten; und fast alle mir be- 
kannt gewordenen Vorherde von Cupolöfen zeigen eine 
getreue Nachbildung der Krigar 'sehen Foim. Zweck- 
mässiger und billiger, wie ich durch Erfahrung be- 
stätigen kann, ist ein kreisrunder Querschnitt. Der 
Kreis besitzt bei gleicher Fläche den geringsten Um- 
fang, giebt also am wenigsten Gelegenheit zu Wärme- 
vcrlusten durch Transmission ; die Rüstung wird ebenso 
wie die des Cupolofens durch einen umgelegten Mantel 
ans schwachem Kesselblech gebildet, welcher leichter 
und billiger ist als die schweren gusseisernen Platten. 

Der gleichfalls durch Krigar eingefühi'te bewegliche 
Soden (Klappenverschluss) des Cupolofenschachtes ist 
besonders da sehr zu empfehlen, wo man Gelegenheit 
hat, die nach dem Ausblasen und Oeffnen der Klappe 
herausfallenden glühenden Massen sofort in einem 
W^agen aufzufangen und fortzuschaffen, oder auch durch 
^ine Oeffnung im Boden des Schmelzhauses in einen 

ClTllIngenleur XXIII. 



tiefer gelegenen feuersicheren Ort hinunterstüi*zen und 
dort bis zur Erkaltung liegen zu lassen. 

Manche Erwägungen pflegt die Wahl einer pas- 
senden Wandstärke des Schachtes hervorzurufen. Wie 
schon oben erwähnt, gehört die früher allgemein ge- 
hegte und theoretisch begründete Anschauung, dass 
man durch starke Wände im Stande sei, erhebliche 
Mengen von Brennstoff zu sparen, zu den übei*wuudenen 
Standpunkten; ein Ofen mit 150"" starken Wänden 
arbeitet erfahrungsgemäss nicht merklich ungünstiger, 
als wenn man die Wände 1000"° stark machen wollte; 
ich bin sogar überzeugt, dass eine Kühlung der Ofen- 
wände, ähnlich wie man Hochofengestelle kühlt, kaum 
einen erheblichen Unterschied im Brennstoffverbrauche 
hervorrufen würde. Je dicker die Wände sind, desto 
mehr ungenutzte Wärme entlassen sie nach dem Aus- 
blasen; hierin ist meines Erachtens eine der Ursachen 
zu suchen, weshalb die starken Wände den früher ge- 
hegten Erwartungen nicht entsprochen haben. Dicke 
Schachtwände machen natürlich das Auswechseln sel- 
tener erforderlich als dünne und sind deshalb durch 
die Ersparung der öftern Arbeitslöhne und des Mate- 
rialverlustes beim Auswechseln relativ billiger als diese; 
je dicker aber die Wandstärke ist, desto weniger findet 
eine Kühlung des Steines von aussen her statt, desto 
rascher im Allgemeinen wird er durch die Hitze an- 
gegriffen, und, was nicht unterschätzt werden darf, je 
mehr die Steine wegschmelzen, desto mehr entfernt 
sich der Durchmesser des Schachtes von seiner nor- 
malen Abmessung, desto ungünstiger werden die Be- 
triebsresultate, insbesondere der Verbrauch an Füllkokes 
ausfallen. Dieser höhere Verbrauch von Füllkokes bei 
weiter gewordenen Schächten kann oft die Kosten eines 
neuen Schachtes ausgleichen. Je länger die einmalige 
Schmelzzeit eines Cupolofens ist, bevor er entleert und 
abgekühlt wird, desto mehr wird natürlich sein Schacht 
in Anspruch genommen, und desto stärker müssen 
dessen Wände sein. Cupolöfen für Bessemerwerke, 
welche oft die ganze Woche hindurch im Betriebe sind 
(wie z. B. die Oefen zu Königin-Marienhütte in Sachsen), 
müssen deshalb mit stärkerem Schachte versehen wer- 
den als die Cupolöfen der Eisengiessereien; und ge- 
rade bei ersteren dürfte sich die erwähnte Kühlung 
der Schachtsteine als zweckmässig erweisen können. 
Da die Steine im oberen Schachte weit weniger von 
der Hitze zu leiden haben als im unteren, nimmt man 
erstere gern schwächer, wodurch dann das oben er- 
wähnte Schachtprofil mit Erweiterung des obem Schachtes 
entsteht. Niemals sollte man versäumen, durch Ein- 
legen eines schmalen eisernen Ringes zwischen oberem 
und unterem Schachte zum Tragen des erstem die 

41 



643 



Illeck, Nochmals ttber den Ausfloss der permanenten Gase. 



644 



Möglichkeit zu geben, den letztern auszuwechseln, ohne 
den erstem in Mitleidenschaft zu ziehen. 

Als geringste zweckmässige Wandstärke eines neuen 
Cupolofenschachtes im Schmelzraume dürfte für kurze 
Schmelzen (3 — 4 Stunden) 175"°* anzunehmen sein; für 
längere Schmelzdauer 250'*°'; Oefen, welche den ganzen 
Tag hindurch im Betriebe sind, giebt man Schacht- 
stärken bis 300""°* u. s. £ Jeden&lls spricht hierbei 
die Beschaffenheit des Materiales mit. 

Den Schornstein des Cupolofens stellt man zweck- 
mässiger Weise auf einem gusseisemen Rahmen, welcher 



Ton Säulen oder von Mauerung getragen wird, unab- 
hängig vom Cupolofen auf. Man bewirkt hierdurch 
einen steten Luftwechsel innerhalb des Schornsteines, 
wodurch derselbe auch beim Ausblasen kühl erhalten 
und Tor Zerstörung bewahrt wird; ausserdem aber wird 
jede nachtheilige Belastung des Cupolofens yermieden; 
derselbe kann sich ausdehnen und zusammenziehen, 
ohne den Schornstein in Mitleidenschaft zu ziehen, was 
nicht der Fall ist, wenn der Schornstein, wie man es 
häufig findet, vom Ofen selbst getragen wird. 



Nochmals über den Ausfluss der permanenten Gase. 



Von 

J. meck in Wien. 



In den Heften 5 and 6, Bd. XXIII, des Civilingenienrs 
bringt Herr Professor Emil Herrmann in Schemnitz eine 
Erwiderung auf meine unmittelbar vorher in derselben Zeit- 
schrift erschienene Abhandlmig „lieber den Ausflnss der 
permanenten Gase mit Beziehung auf die Hypothese von 
de Saint-Yenant und Wantzel^, welche ich gleichfalls 
nicht stillschweigend übergehen kann, da in derselben die 
Eichtigkeit der im zweiten Theile meines Aufsatzes ent- 
wickelten Formeln bestritten wird. 

Zunächst muss ich nun erinnern, dass die an dem ge- 
nannten Orte gegebene Darstellung blos als eine neuartige 
Anschauung, nicht aber als eine streng erwiesene Theorie 
bezeichnet wurde; es wird mich daher keineswegs überraschen, 
wenn dieselbe eines Tages gründlich widerlegt wird. Allein 
den Eiuwtlrfen des Herrn Professor £. Herrmann kann ich 
vorläufig eine solche Bedeutung noch nicht beimessen, da es 
nicht schwer fällt, dieselben, wenigstens in der Form, in der 
sie aufgestellt werden, zu entkräften, zu welchem Ende ich in 
der Lage bin, gegenwärtig folgendes in Kürze zu bemerken: 

1) Die Gleichung: 

«^ 1 



CD 



^9 2 



(I) 



will sagen: 

Wenn sich ein Luftstrom von constanter Temperatur T 
in einer Rohrleitung von gleicher Weite mit gleichförmiger 
Geschwindigkeit bewegt, so ist oj die grösste Geschwindigkeit, 
welche er in derselben, ohne Einflussnahme äusserer Kräfte, 
annehmen kann. 



Die Relation (I) kann also nicht benutzt werden, um 
die Geschwindigkeiten a>^ und oj^ in zwei verschieden ge- 
legenen Querschnitten derselben Rohrleitung nach den Tem- 
peraturen 7q und 7\ zu berechnen und hiemach die pro 
Secunde durchströmenden Luftmengen zu vergleichen, ¥rie 
dies Herr Professor E. Herr mann gethan hat, da eine 
solche Anwendung der Formel (I) der Voraussetzung: 

und T=iCmtit. 

widerspricht; zu einem derartigen Vergleiche hfttte 
Herr Professor E. äerrmann offenbar die Gl. (10) 
benutzen sollen, die an diese Bedingungen nicht gebund^ 
ist; freilich wäre er dann nicht zu dem überraschenden Re- 
sultate gelangt, dass in die Röhre mehr Luft eintritt, als 
austritt; die Relation (I) hingegen steUt einen Grenzzustand 
dar und kann daher auf den allgemeinen FaU, aus dem sie 
hervorgegangen ist, nicht ohne weiteres wieder zurückbezogm 
werden. Ob die obige Definition der Gl. (I) richtig ist, das 
muss aus der Entstehung derselben beurtheilt werden; auf 
diese zurückzukonunen , kann ich mir aber an diesem Orte 
nicht mehr gestatten. Damit erledigt sich gleichzeitig die 
Frage, ob die Aufteilung der Gleichung: 



Ai^ = c{T,-T,)^^ART, . . . (n) 



29 



statthaft ist; man hat nämlich blos zu beachten, dass vom 
Querschnitte Fy^ (Fig. 1) angefangen, die Geschwindigkeit m^ 



645 



Illeck, Nochmals über den Ausfluss der permanenten Gase. 



646 



und die Temperatur 2^ als constant bleibend angenommen 
werden. 

2) Der Nachweis, dass sich in Gl. (10) das positive 
Zeichen auf ß <il^ das negative hingegen auf /3 > 1 be- 
zieht, ist sehr einfach zu führen. 

Aus GL (9) folgt nämlich für -^- = 1, 

Po 



Ol 



= 1; 



»0 
P^ ^ X. 

somit ist, wegen -^ - = -~, auch 



jPo«ü 







= 1. 



oder 







Das nämliche Resultat muss bei gleicher Annahme auch 
Ol. (10) geben; es ist also: 



1 + ^ 



±K(4^0-^='- 



Setzen wir nun beispielsweise j3 = l,2 und (3=0,8, so 
finden wir beziehungsweise: 



1,1 ± /l,2i — 1,20 = 1,1 ± 0,1 = 1 ; 



0,9 ± y 0,81 — 0,80 = 0,9 ± 0,1 = 1 ; 

und hieraus ist wohl ersichtlich, dass im ersten Falle das 
Zeichen minus und im zweiten Falle das Zeichen plus zu 
setzen ist 

Hier kann ich auch auf den Wunsch des Herrn Prof. 
E. Herrmann eingehen, für die Gl. (10) eine Bedingung 
aufzustellen, damit der Ausdruck unter dem Wurzebseichen 
nicht negativ y der Wurzelwerth also nicht imaginär werde. 

Zu diesem Ende betrachten wir zwei verschiedene Quer- 
schnitte der Rohrleitung von gleicher Weite und setzen für 
selbe: 

zwischen diesen beiden Querschnitten besteht nach Gl. (10) 
die Beziehung: 

Um den Grenzwerth von ß zu erhalten, setzen wir in dieser: 

\ 2 / ~P» 7o' 
damit wird gleichzeitig: 



tt. f ffr, 2 



Ans den beiden letzten Gleichnngen folgt: 

8 ^ —^ 



ST, 



Po n TT TT 



E 7. 



2J7; 







H, 7' 



daher schliesslich: 



RT 



= 1. 



T^fp 

So lange also i5 = ^^> 1 ist^ kann der Wurzelwerth 

2 S 

niemals imaginär werden und diese Bedingung wird ja er- 
reicht, wenn 

gesetzt wird. 

3) Herr Prof. E. Herrmann erlaubt schliesslich die 
Integration der Gleichung 



Q) 



8 



d—— = — vdp 
2^ 



(in) 



nur dann, wenn das Gesetz, nach welchem sich p mit v 
ändert, in diese unmittelbar eingesetzt wird; die Gleichung 

— = — sagt über dieses Gesetz nichts, darf daher auch, 

seiner Ansicht nach, zur Integration der Gl. (HI) nicht be- 
nutzt werden; hiemach wäre also die Gl. (9), nämlich: 






Vq '2H( 



\ Por 



welche auf solche Art entsteht, als unrichtig zu bezeichnen. 

Fügen wir uns also der vom Herrn Prof. E. Herr- 
mann vorgeschriebenen Bedingung und benutzen wir gleich- 
zeitig dessen Methode, die Verhältnisse von rückwärts nach 
vorwärts zu beleuchten, so können wir umgekehrt: 

iiz=a'\-bp^ wobei b = — ff[—^] 

(nach Gl. 9) ist, zur Abwechslung als bekannt voraussetzen; 
nichts steht jetzt der Integration der Gleichung (III) ent- 
gegen und man erhält, gleichgiltig, ob p oder r eliminirt wird: 



ctr — ci),) 



2 



2g 2b ' 

wird hierin der obige Werth fUr die Constante b eingesetzt, so 
folgt einfach: 

(0 V 

«ö ^0 

Das Resultat ist also ein Kreislauf, der jedenfalls nicht 
stattfinden könnte, wenn die Integration nur in dem einen 
Sinne erlaubt wäre. 

Sollte übrigens der soeben gegebene indirecte Beweis 

noch nicht genügen, so kann derselbe auch leicht durch einen 

directen ersetzt werden. Zu diesem Behufe wollen wir die 

Zustandsgieichung : 

pv = RT^ 

41* 



647 



Normeu fttr die einheitliche Lieferung und Prüfung von Portland-Cement. 



648 



unmittelbar in die Gleichung (III) einsetzen und hierauf 
integriren; wir erhalten so zunächst: 

dH= — RT 



P 



oder weil, mit Rücksicht auf die Beziehung 

dp_dT 1 dH 

~p~ T 2 H 

ist, so finden wir auch: 

RT 



(O 



CO 







V 



dff 



\2S ) 



RdT, 



Die Integration dieser Gleichung liefert uns ebenfalls o 
als Function von T\ die Richtigkeit des auf diese Art er- 
haltenen Resultates dürfte aber diesmal kaum zu bezweifeln 
sein, umsomehr, als Pr. Grashof in seiner theoretischen 
Maschinenlehre, Band I, S. 628, für eine analoge Aufgabe 
dieselbe Differential-Gleichung au&tellt und integrirt, insofern 
dessen Gleichung (10) an dem genannten Orte mit der obigen 
identisch wird, wenn man den Coefficienten des Leitungs- 
widerstandes il = setzt und sich die Röhre horizontal denkt, 
wofür Co»!/; ebenfalls =0 zu nehmen ist. 

Es Hesse sich nun leicht nachweisen, dass die Gleichung 

(10) der obigen Differential -Gleichung Genüge leistet; ich 

ziehe es aber, zum Behufe eines Vergleiches, spedell hier 

vor, diese Gleichung unter der Annahme zu integriren, dass 

R T 
gegen ß= - die Einheit zu vernachlässigen ist-, die In- 

tegration liefert dann die einfache Beziehung: 



Ol 







7 



Als analoges Resultat giebt Gleichung (10) unter gleicher An- 
nahme, wegen ß^l: 



Wo 2 r 4 ^2 



Die beiden letzten Relationen sind zwar in ihrer Bauart 
sehr verschieden, sie liefern aber trotzdem gleiche Resultate, 
wenn für j9, der Voraussetzung entsprechend, ein genügend 
grosser Werth angenommen wird; setzen wir z. B.: 

/3 = 200 und -^- = 2; 



so erhalten wir einerseits: 







(O 



(0 



=^2, 



und andererseits: 







Ol 



Wo 



0) 



= 100 — V 10000 — 400 = 2,020. 

Man kann übrigens auch: 

4 T^ 



.=ih(-ji)-]=i(i-K- ) 



nach dem binomischen Satze entwickeln und hieraus findet 
sich für /?=0D, gleichfalls: 

« _ r 

womit die vollkommene Uebereinstimmung erwiesen ist 



Normen für die einheitliche Lieferang nnd Prftfong von Portland-Cement 

Nach den Beschlüssen 

des Architekten-Vereins zu Berlin, des Vereint Berliner Bau-Interettenten: Berliner Btumarkt, des Deutschen Vereine fOr Fabrikation von ZIniK 

Thonwaaren, Kalk und Cement, des Vereins deutscher Cement- Fabrikanten. 

Beschlossen 1877« 



I. 

Das Gewicht der Tonnen und Säcke, in welchen Port- 
land-Cement in den Handel gebracht wird, soll ein einheit- 
liches sein; es sollen nur Normal-Tonnen von 180^ brutto 
und 170^8 netto, halbe Tonnen von 90^» brutto und 85 ^k 
netto, sowie Säcke von 60 ^^ Bruttogewicht von den Fa- 
briken gepackt werden. 

Streuverlust, sowie etwaige Schwankungen im Einzel- 
gewicht können bis zu 2 Proc. nicht beanstandet werden. 

Die Tonnen und Säcke sollen die Firma der betrefifen- 
den Fabrik und die Bezeichnung des Bruttogewichts tragen. 



Motive zu I. 

Ein einheitliches Gewicht der im Handel vorkommenden 
Tonnen und Säcke existirt bis jetzt nicht Während die nord- 
deutschen Fabriken Tonnen sowohl von 900 '^ als aach sdcbe 
von 180 *"« packen, haben die Tonnen der west- und sfiddeatachen, 
sowie die der meisten englischen Fabriken ehi Gewicht von 180^ 
brutto; es kommen indess auch noch leichtoe Tennen« nament- 
lich im Elöinverkehr beim Wiedenrerkauf, vor. Da nnn der Fkeis 
per Tonne gesteUt wird, so ist die Einfiähnmff eines einheitiiclMn 
Gewichts im Interesse der Consumenten und des reellen Geachifti 
dringend geboten. — Hierzu ist das weitaus gebräachlichate and 
im internationalen Verkehr fast ausschlieselicm ffeltende Gewicht 
yon 180^«^ brutto « ca. 400 Pfd. engl gewarnt worden. Die 
theilweise noch übliche Tonne von 200^ soll ans nraktiadben 
Gründen ausnahmsweise noch bis zum Schlosa des Jakres 18T9 
zulässig sein. 



•Normen für die einheitliche Lieferung and Prüfung von Portland-Cement. 



650 



fachdem die wesentlich billigere Verpackung in Säcken sich 
iner Reihe von Jahren in Süddeutschland, Holland, Belgien, 
.nd u. 8. w. für sehr viele Fälle als durchaus genügend er- 
Q hat, ist diese Verpackuugsweise we^en der grossen, für 
Oonsumenten zu erzielenden Erspamiss, namentlich für 
$re Lieferungen, ganz besonders zu empfehlen. Für das zur 
Itlichen Einführung zu bringende Gewicht von 1 Sack wurde 
als das geeignetste befunden, weil ein solches Gewicht mit 
tigkeit zu transportiren ist und weil dann das Bruttogewicht 
Säcken dem von l Tonne entspricht. 

n. 

Je nach der Art der Verwendung ist Portland-Cement 
un oder rasch bindend zu verlangen. Für die meisten 
ke kann langsam bindender Cement angewandt werden 
3s ist diesem dann wegen der leichteren und zuverläs- 
;n Verarbeitung und wegen seiner höheren Bindekraft 
r der Vorzug zu geben.. 

Als langsam bindend sind solche Cemeute zu bezeichnen, 
le in '/s Stunde oder in längerer Zeit erst abbinden. 

Erklärungen zu II. 

im die Bindezeit eines Cementes zu ermitteln, rühre man 
einen Cement mit Wasser zu einem steifen Brei an und 

auf einer Glas- oder MetaUplatto einen etwa 1,5*'" dicken, 

den Rindern hin dünn auslaufenden Kuchen. Sobald der 
m so weit erstarrt ist, dass derselbe einem leichten Druck 
em Fingernagel oder mit einem Spatel widersteht, ist der 
Qt als abgebunden zu betrachten. 

)a das Abbinden von Cement durch die Temperatur der 
und des zur Verwendung gelangenden Wassers beeinflusst 

insofern höhere Temperatur dasselbe beschleunigt, niedere 
eratur es dagegen verzögert, so sollten die Versuche, um 
•ereinstimmenden Resultaten zu gelangen, bei einer mittleren 
eratur des Wassers und der Luft von etwa 16— IS** C. vor- 
imen, oder, wo dies nicht anhängig, die jeweiligen Tempe- 
'erhältnisse immer in Berücksichtigung gezogen werden. 
Vährend des Abbindens darf langsam bindender Cement sich 

wesentlich erwärmen, wohingegen rasch bindende Cemente 
nerkliche Temperaturerhöhung aufweisen können. 
^ortland-Cement wird durch längeres Lagern langsamer bin- 

und gewinnt bei trockener, zugfreier Aufbewahrung an 
kraft. Die noch vielfach herrschende Meinung, dass Portland- 
Qt bei längerem Lagern an Qualität verliere, ist daher eine 

und es soUten ContractsbesUmmungen, welche nur frische 
e vorschreiben, in Wegfall kommen. 

III. 

Portland-Cement soll volumbeständig sein. Als ent- 
lende Probe soll gelten, dass ein dünner auf Glas oder 
degel ausgegossener Kuchen von reinem Cement, unter 
3r gelegt, auch nach längerer Beobachtungszeit durchaus 
Verkrümmung oder Kantenrisse zeigen darf. 

Erklärungen zu III. 

er zur Bestimmung der Bindezeit angefertigte Kuchen wird 
: der Glasplatte unter Wasser gebracnt. Bei rasch binden - 
ementen kann dies schon nach ^/^ bis 1 Stunde nach dem 
shen der Probe geschehen, bei langsam bindenden dagegen 
s, je nach ihrer Bindezeit, erst nach längerer Zeit^ bis zu 
mden nach dem Anmachen^ stattfinden. Zeigen sich nun 
den ersten Tagen oder nach längerer Beobachtungszeit an 
anten des Kuchens Verkrümmungen oder Risse, so deutet 
naweifelhaft „Treiben'* des Cementes an, d. h. es findet, in 
einer allmäligen Lockerung des zuerst gewonnenen Zu- 
mhangs , unter Volum Vermehrung eine beständige Abnahme 
»stigkeit statt, welche bis zu gänzlichem Zerfallen des Ce- 
) führen kann. 



I 



Eine weitere Probe zu gleichem Zweck ist die folgende: Es 
wird der zu untersuchende Oement mit Wasser zu einem steifen 
Brei angerührt und damit auf einem Dachzieffelstück , welches 
mit Wasser vollständig getränkt, jedoch äusseruch wieder abge- 
trocknet ist, ein nach aussen hin dünn auslaufender Kuchen ge- 
gossen ; je nach der Bindezeit des Cements wird diese Probe, wie 
oben angedeutet, nach kürzerer oder längerer Zeit unter Wasser 
gelegt Wenn der Kuchen weder in den ersten Tagen, noch 
später sich vom Stein ablöst, noch auch Verkrümmungen oder 
Risse zeigt, so wird der Cement beün Bau nicht treiben. 

IV. 

Portland-Cement soll so fein gemahlen sein, dass eine 
Probe desselben auf einem Sieb von 900 Maschen pro Q*^^ 
höchstens 25 Proc. Rückstand hinterlässt. 

Motive und Erklärungen zu IV. 

Da Cement fast -nur mit Sand, in vielen Fällen sogar mit 
hohem Sandzusatz verarbeitet wird, die Festigkeit eines Mörtels 
aber um so grösser ist, je feiner der dazu verwendete Cement 
gemahlen war ^weil dann mehr Theile des Cements zur Wirkung 
kommen), so ist die feine Mahlung des Cements von nicht zu 
unterschätzendem Werth. Es erscheint daher angezeigt, die Fein- 
heit des Korns durch ein feines Sieb von obiger Maschenweite 
einheitlich zu controliren. 

Es wäre indess irrig, wollte man aus der feinen Mahlung 
allein auf die Bindekraft eines Cements schUessen, da geringe, 
weiche Cemente weit eher sehr fein gemahlen vorkommen, sds gute, 
scharf gebrannte; letztere aber werden selbst bei gröberer Mahlung 
doch stets eine höhere Bindekraft aufweisen, als die ersteren. 

V. 

Die Biudekraft von Portland-Cement soll durch Prüfung 
einer Mischung von Cement und Sand ermittelt werden. Die 
Prüfung soll auf Zugfestigkeit nach einheitlicher Methode 
geschehen, und zwar mittelst Probekörpem von gleicher Ge- 
stalt und gleichem Querschnitt und mit gleichen Zerreissungs- 
apparateu. 

Die Zerreissungsproben sind an Probekörpem von 
5Qcin Querschnitt der Bmchfläche vorzunehmen. 

■ 

Motive zu V. 

Da man erfahrungsgemäss aus den mit reinem Cement ffe- 
wonnenen Fcstigkeits- Resultaten nicht einheitlich auf die Binde- 

' fähigkeit zu Sand schliessen kann, namentlich wenn es sich um 
Vergleichung von Cemcnten aus verschiedenen Fabriken handelt, 

' so erscheint es geboten, die Prüfung von Portland-Cement am 

; Bindekraft mittels Sandzusatz vorzunehmen. 

Obgleich in der Praxis Portland-Cement fast nur auf Druck- 
festigkeit in Anspruch genommen wird, so ist doch, wegen 
der Kostspieligkeit der bis jetzt bekannten Apparate und der 
schwierigeren Ausführbarkeit der Proben, von aer Prüfung auf 

i Druckfestigkeit Abstand genommen, und die weit leichtere und 
einfachere Prüfung auf Zugfestigkeit gewählt, um so mehr, als 
die hier empfohlenen Proben vor allem die leicht ausftOirbare 
Controlirung der Eigenschaften des zum Bau gelieferten Cements 
bezwecken sollen und die Zugfestigkeit einen hinlänglich sicheren 
Schluss auf die Druckfestigkeit zulässt 

Um voUständige Einheitlichkeit bei den Prüfungen su wahren, 
wird empfohlen, für den Bezug der Kormalformen, Zerreissungs- 
api>arate und der übrigen zur Prüfung erforderlichen Geräthe nur 
diejenigen Quellen zu benutzen, welche von dem Vorstande des . 
„Deutschen Cement-Fabrikanten-Vereins " nachgewiesen werden; 
hierzu sollen Bekanntmachungen in Fachblättem >*rfolgen. 

VL 

Guter Portland-Cement soll bei der Probe mit 3 Gew.- 
Theilen reinem scharfen Sand auf 1 Gew.-Theil Cement nach 



653 



Beck, Noch ein Wort über den Begriff „Maschine". 



654 



oder Verringernng der Verdichtung der Masse einwirkt, auch 
sofort die Festigkeit verändert. 

Will man die Probe auf absaugender Unterlage machen, so 
nehme man auf 1000 Gew.-Theile Cement 330 Gew.-Theile Wasser; 
der Ueberschuss von Wasser wird hier von der Unterlage auf- 
gesaugt und dadurch eine bedeutende Verdichtung der ganzen 
&8se herbeigeführt Selbstverständlich mtkssen die Unterlagen, 
um die absaugende Eigenschaft zu behalten, öfter gewechselt und 
getrocknet werden. Nachdem die Masse in die Form gegossen 
wt, werden' durch Anklopfen an die Form die Luftblasen ent- 
fernt Nachdem die Oberfläche abgestrichen und eine leichte 



Erstarrung eingetreten ist, kehrt man die Form um, so dass nun 
auch die obere Seite abgesaugt wird. Die Masse sinkt in Folge 
der Verdichtung in der Form. Man füllt dann von neuem Cement 
auf, streicht bei beginnender Erstarrung ab und zieht die Form 
vorsichtig vom Probekörper ab. Haftet hierbei der Cement zu 
fest an der Form, so klopft man die Form von allen Seiten leise 
an, wodurch eine Lösung von den Wandungen bewirkt wird. — 
Es gehört einige Uebung dazu, um auf diesem Wege zu guten, 
gleichmässige Festigkeit zeigenden Probekörpem zu gelangen. 

Die weitere Behandlung und Prüfung der Probekörper hat 
dann wie oben beschrieben zu geschehen. 



Noch ein Wort über den Begriff „Maschine". 



Von 



Th. Beck in Darmstadt. 



Im siebenten Hefte dieser Zeitschrift giebt Herr Professor 
Reuleaux einige dankenswerthe Erläuterungen darüber, wie er 
seine Definition des Wortes „Maschine*' verstanden haben möchte. 
£8 sei mir gestattet, in Betreff dieses Gegenstandes noch Fol- 
gendes zur Erwägung zu empfehlen. 

Die Bedeutung eines Wortes kann nicht theoretisch be- 
wiesen werden. Man kann nur durch Beobachtung der That- 
sache, wie ein Wort gebraucht ¥drd, dessen Bedeutung feststellen. 

Herr Prof. Reuleaux giebt zu, dass dem Worte „Maschine'* 
ursprünglich allein der Gedanke der künstlichen, durch Men- 
schenhand geschehenen Herstellung zu Grunde gelegen hat, und 
dass dasselbe bei späterer Umgestaltung nur noch eine Beschrän- 
kung erfuhr, indem es sich mit Vorzug an dasjenige künstliche 
Hülfsmittel anschloss, dessen Theile gegen einander beweglich sind. 

Wollte man also für die Folge auch Naturproducte zu den 
Maschinen zählen, so würde man die seither anerkannten Grenzen 
dieses Begriffes überschreiten. 

Herr Professor Reuleaux hält dies für noth wendig, um „einen 
freieren Standpunkt zu erklimmen'** und bezeichnet Besorgnisse, 
welche Maschinentechniker hiergegen hegen, als „seltsame". 

Auf Seite 39 seiner Kinematik sagt er dagegen, dass die 
Untersuchungen des Theoretikers eigentlich für die Praktiker an- 
gestellt werden und fährt fort: „Sie als Specialisten haben das 
Hecht, bis zu einem gewissen Grade volle Concentration auf die 
Aufgabe zu fordern." Wendet sich dieser Passus auch an der 
betreffenden Stelle zunächst gegen die „Verdünnung und Verflüch- 
tigung" der Aufgabe des Maschinenbaues durch reine Mechanik, 
80 ist doch nicht einzusehen, warum die Praktiker nur nach dieser 
einen Seite hin das Recht haben sollten, die Grenzen der betreffen- 
den Aufgabe zu hüten. Von ihrem Standpunkte aus dürfte es aber 
immer noch als nutzbringender erscheinen, wenn ein Studirender 
des Maschinenbaues etwas zu viel Zeit auf reine Mechanik verwen- 
det, als wenn er sich mit Betrachtungen über Wippsteine, Spring- 
qaellen und dergl. beschäftigt. Ob Naturforscher Vortheil daraus 
ziehen können, wenn sie diese Naturgebilde Maschinen nennen, 
kann Techniker nicht so interessircn, dass sie desshalb die Grenzen 
der Aufgabe des Maschinenbaues möchten wegräumen lassen. 
Auch ist nicht abzusehen, ob man es, wenn dies geschähe, bei 
Hereinziehung einiger Naturseltenheiten würde bewenden lassen. 
Was z. B. Springquellen betrifft, so ist die Höhe, bis zu welcher 



sie springen, für die vorliegende Frage ganz unwesentlich und es 
wäre nur consequent, wenn man alle QueUen mit in den 
Maschinenbau hereinzöge. Auch bei den Felsblöcken ist die Ver- 
suchung zum Erklimmen immer freierer Standpunkte sehr gross. 

Will man aber mit Herrn Prof. Reuleaux Naturproducte 
unter die Maschinen rechnen, so kann man nicht, wie er es eben- 
falls wünscht, das in seiner Definition vorkommende Wort „ein- 
gerichtet" so auffassen, dass es die absichtsvolle Zusammen- 
bringung der Körper zu einem Maschinengebilde ausdrückt, denn 
darunter kann nur verstanden sein, dass der Schöpfer der be- 
treffenden Körperverbindung sie mit der Absicht hergestellt 
habe, eine Maschine zu machen. Der stärkste Glaube aber 
dürfte noch starke Zweifel darüber zulassen, dass diese Absicht 
bei Erschaffung von Wippsteinen und Springquellen zu Grunde 
gelegen habe. 

Bestreitet man, dass in der Definition der Maschine von einer 
bestimmten mechanischen Arbeit die Rede sein dürfte, so muss 
andererseits auch bestritten werden, dass man darin von be- 
stimmten Bewegungen reden darf. Die Geschwindigkeit der 
Bewegungen bleibt in der Regel unbestimmt und lässt sich durch 
Regulatoren nur zu einer annähernd bestimmten machen, die 
Richtung bleibt unbestimmt, wenn ein Mechanismus sowohl Vor- 
ais Rückwärtsgang gestattet und selbst die Bahn, welche bei der 
Bewegung beschrieben wird, ist manchmal nur in gewisser 
Hinsicht bestimmt. Ein Krahn z. B. kann langsam und schnell, 
rückwärts und vorwärts arbeiten, kann die Last aus verschiedenen 
Richtungen herbeiziehen und gestattet dieser, sobald sie vom 
Boden aufgehoben ist, beliebige Pendelschwingungen und Drehungen 
um die durch den Auf hängepunkt gehende Verticalachse. Die 
Annäherung oder Entfernung zwischen Last und fester Seil- oder 
Kettenrolle ist hier der einzige bestimmte Factor der Bewegung, 
in jeder anderen Hinsicht aber bleibt sie unbestimmt. 

Stellt man sich auf den Standpunkt, dass in der Definition 
jedes Wort in seiner strengsten Bedeutung genommen werden 
müsse, so kann man weder von bestimmter Arbeit, noch von be- 
stimmter Bewegung bei Maschinen im Allgemeinen reden und man 
wird dann am besten auf diese Definition verzichten, wie so viele 
von den bedeutendsten Autoren gethan haben; betrachtet man 
aber das Attribut ,^ bestimmt" in gewisser Beschränkung für die 
Bewegung als zulässig, so ist es dasselbe auch ebenso für die 



i 



655 



Beck, Noch ein Wort über den Begriif „Maschiue". 



656 



mechamsche Arbeit; ja aus der ersteren Annahme folgt sogar die 
letztere mit einer gewissen logischen Nothwendigkeit, insofern es 
sinn- und zwecklos sein würde, Naturkr&fte zur Erzeugung be- 
stimmter Bewegungen zwingen zu wollen, wenn dies nicht 
zur Verrichtung bestimmter mechanischer Arbeit noth- 
wendig wäre. Um unbestimmte mechanische Arbeit zu ver- 
richten, ist bestimmte Bewegung nicht erforderlich. Der Aus- 
druck: der Zweck einer Maschine sei Verrichtung bestimmter 
mechanischer Arbeit, findet auch nicht nur darin noch eine ge- 
wisse Rechtfertigung, dass man im Sprachgebrauche die Maschinen 
nach den bestimmten mechanischen Arbeiten, denen sie dienen 
sollen, zu benennen pflegt, sondern, dass auch jedem Constructeur 
bestimmte durch die Maschine zu verrichtende Arbeiten gegeben 
sein müssen, wofür er die Maschine construiren soll und dass 
äusserst selten eine Maschine verschiedenen Zwecken gleich gut 
dienen kann, wenn nicht wenigstens gewisse Details, sei es nun 
Werkzeug, Receptor oder Steuerung, vorher geändert oder aus- 
gewechselt werden. Solche Aenderungen einzelner Details mögen 
dem Theoretiker unwesentlich erscheinen; dem Praktiker aber, 
dem die tadellose Verrichtung der bezweckten Arbeit die Haupt- 
sache sein muss, müssen dieselben ebenso wichtig erscheinen, als 
die allgemeine Anordnung, oder der kinematische Zusammenhang 
einer Maschine. Wohl ist es von grossem Nutzen, die bei Lösung 
verschiedener Aufgaben sich ergebenden Analogien aufzusuchen, 
aber man darf desshalb doch auch die Verschiedenheiten nicht 
übersehen, welche die Natur einer jeden Aufgabe mit sich bringt. 

Wenn man, anstatt zu sagen, dass die Maschine zur Verrich- 
tung mechanischer Arbeit „dient**, sagen wollte, dass sie dazu 
,. befähigt sei^S so wäre dagegen einzuwenden, dass eine Maschine 
an und für sich nicht fähig ist, mechanische Arbeit zu ver- 
richten, sondern dass diese durch die motorische Kraft verrichtet 
wird, während die Maschine nur dazu dient, d. h. das Mittel ist, 
die Bewegung, unter der die motorische Kraft wirkt, resp. die 
mechanische Arbeit zu einer bestimmten zu machen. 

Wird dem Worte „wirken" in der Beule au x 'sehen Defini- 
tion die Bedeutung: verrichten mechanischer Arbeit beigelegt, so 
können Waagen, Uhren, Theodolithe und Teleskope nicht mehr 
als dieser Definition entsprechend betrachtet werden, denn man 
kann nicht sagen, dass diese Vorrichtungen als Ganzes betrachtet 
den Zweck hätten, mechanische Arbeiten zu verrichten, d. h. 
Lasten zu heben oder andere Widerstände zu überwinden. 

Die Ansicht, dass Waagen, Uhren und Theodolithe keine Ma- 
schinen seien, ist auch durchaus keine exceptionelle. Beispiels- 
weise findet man in Redtenbacher's „Maschinenbau** Waagen 
und Uhren in einem besonderen Kapitel den Bewegungsmechanismen 
unmittelbar angereiht, welches die Ueberschrift : „Messinstrumente** 
führt. Der Anfang dieses Kapitels lautet: „Die Messinstrumente 
können eingetheilt werden in geometrische und mechanistische. 
Zu den ersteren gehören die Winkel-, Flächen- und Körpermess- 
instrumente. Ihre Theorie gehört in das Gebiet der praktischen 
Geometrie. Zu den letzteren gehören die Instrumente zur Bestimmung 

a) der Gewichte der Körper, Waagen; b) der Kräfte, Dyna- 
mometer, Manometer; c) der Zeit, Uhren. 

Die Theorie dieser mechanistischen Instrumente gehört in das 
Gebiet der Mechanik, daher wir uns mit einigen derselben be- 
fassen wollen.** 

Ueberall ist hier die Bezeichnung „Maschine** sorgfältig ver- 
mieden, ja Redtenbacher scheint gerade die weitläufige Be- 



zeichnung „mechanistische Instrumente" gewählt zu haben, nm das 
Wort „Maschinen** zu vermeiden. Theodolithe und alle Instru- 
mente, welche zum Messen geometrischer Grössen dienen, werden 
in das Gebiet der praktischen Geometrie verwiesen, obgleich es 
dem Verfasser nicht unbekannt sein konnte, dass mancherlei 
Mechanismen an denselben vorkommen; bezüglich der Waagen, 
Uhren und Dynamometer aber, welche zum Messen von Kraft und 
Zeit dienen, wird nicht gesagt, dass sie in das Gebiet des Ma- 
schinenbaues gehörten und dass man sie desshalb in dem vor- 
liegenden Werke über Maschinenbau abhandeln müsse, sondern 
nur, dass man sich mit einigen derselben beschäftigen wolle, 
weil ihre Theorie in das Gebiet der Mechanik gehöre. 

Weisbach handelt in seiner „Ingenieur- und Maschinen- 
mechanik**, Seite 234^284, Waagen und Dynamometer ebenfalls 
in einem besonderen Kapitel ab, welches die Ueberschrift fiihrt: 
„Von dem Messen der bewegenden Kräfte und ihrer Wirkungen** 
und welches dem ganzen Abschnitt, in welchem die verschiedenen 
motorischen Kräfte und die Maschinen zu deren Aufnahme be- 
sprochen werden, nur zur Einleitung dient. Nirgends werden in 
diesem Kapitel die erwähnten Messinstrumte Maschinen genannt 
und erst das folgende, zweite Kapitel handelt „Von den Menschen- 
und Thierkräften, sowie von den Maschinen zur Aufnahme der- 
selben.** Die Uhren aber werden in Weisbach*s Ingenieur- und 
Maschinenmechanik gar nicht behandelt. 

Wenn man nach Reuleaux*s Definition emen Theodolitfaen 
eine Maschine nennt, so möchte schwer anzugeben sein, warum 
ein Zirkel nicht auch diesen Namen verdienen sollte. Beim Zurkel 
ist durch ein Umschlusspaar der eine Fuss zu einer bestimmten 
Relativbewegung gegen den anderen Fuss gezwungen und wenn 
eine Kraft die e Bewegung erzeugt, so hat sie dabei einen Rei- 
bungswiderstat i zu überwinden; beim Theodolithen ist durch 
dasselbe Umschlusspaar der eine Theil, das Femrohr, zu der- 
selben Relatl bewegung gegen den anderen Theil, den Lager- 
träger, gezwunf^en, und wenn eine Kraft diese Bewegung bewirkt, 
so hat sie gleichfalls Reibungswiderstand zu überwinden. 
Warum sollte ai» ein Theodeiith der Renleanx^schen Definition 
der Maschine l .sser entsprechen als ein Zirkel? Der Umstand, 
dass bei jenem dieselbe Paarung, welche zwischen Femrohr 
und Lagerträger besteht, sich zwischen Lagerträger und Hori- 
zontalkreis wiederholt, kann einen solchen Unterschied nicht 
begründen. El ^ wenig kennen es die Nonien und Lupen, 
welche an den jodolithen angebracht sind, oder der Umstand, 
dass das eine i/^^trument zum Winkelmessen, das andere zum 
Linienmessen diei . — Nun ist aber doch Thatsache, dass man 
eher geneigt ist, « en Theodolithen eine Maschine zu nennen, als 
einen Zirkel mit .iesem Namen zu beehren. Zur Erklärung dieser 
Thatsache gieb' die Reuleaux*sche Definition keinerlei Anf- 
schluss, denn o ^elbe gehört zu demjenigen Fällen, von welchen 
ich im fünften Hefte dieser Zeitschrift gesagt habe, dass man oft 
genöthigt wäre, zu der alten, ganz allgemeinen Bedeatung : , Jdog 
ersonnenes, kimstreich angefertigtes Hülfsmittel ** zurückmigehen, 
um die Benennung „Maschine** rechtfertigen zu können. Nur 
aus diesem Gesichtspunkte verdient der Theodolith in weit höherem 
Maasse als der Zirkel den Namen Maschine. Auch hieraus er- 
sieht man, dass die künstliche HersteUung thatsächlich als 
wesentlich zu dem Begriff ..Maschine** gehörig betrachtet wird 
ja dass sie im alltäglichen Sprachgebrauch oft das Entscheidende 
zu dieser Benennung ist. 



Druck von A. Th. Engelh&rdt in Leipzig. 



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