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DER
CIVILINGENIEUR
-«- -«■
UNTER MITWIRKUNG DER PROFESSOREN AM K. S. POLYTECHNIKUM
Dr W. FfiÄNKEL,
PROF. FÜR BRÜCKEN-, STRASSEN-
UND EISENBAHNBAV,
A. NAGEL,
PROF. FÜR GEODÄSIE,
L. LEWICKI,
PROF. FÜR MASCHINENBAU,
T. RITTEßSHAUS,
PROF. FÜR THEORETISCHE UND ANGEWANDTE
KINEMATIK,
Dr. G. ZEUNER,
PROF. FÜR MECHANIK UND THEORETISCHE MASCHINENLEHRE
0. C. MOHR,
PROF. FÜR EISENBAHNBAU,
J, B. SCHNEIDER,
PROF. FÜR MASCHINENLEHRE
HERAUSGEGEBEN VON
Dr. E. HARTIG,
PROF. FÜR MECHANISCHE TECHNOLOGIE.
JAHRGANG 1877.
(DER NEUEN FOLGE BAND XXIII.)
• «
MIT VIELEN IN DEN TEXT EINGEDRUCKTEN HOLZSCHNITTEN UND XXVIII TAFELN ABBILDUNGEN.
LEIPZIG.
VERLAG VON ARTHUR FELIX.
1877.
I THE HEW YORK
PUBLIC LIBRARY
95880 \
x.rrOB. LENOX AND
I ;:^:^£NPOÜNDATlOWSl
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y
V
Inhaltsverzeiclmiss des Jalirganges 1877.
I. Sachregister.
[Die Zahlen zeigen die Seitenzahlen an; — (m. A.) bedeutet mit Abbildungen auf den Steindrucktafeln;
— (m. H.) mit eingedruckten Holzschnitten.]
843
289
21
AusfluBS, über den — der permanenten Gase mit Beziehung
auf die Hypothese von de Saint-Venant und Wan-
tzel, Ton J. Illeck (m. H)
Bassinw&nde, Untersuchung über die Stabflität und Festig-
keit von cylindrischen — , von Undeutsch (m. A.)
Bewegung f neuere Literatur über die — des Wassers in
Flüssen und Can&len, von K. R. Bornemann (m. A.)
Bewegungen, die Messung von — an Bauwerken mittels der
Libelle, von Kopeke (m. A.) 379
Chamierbogenbrücken, die durch den Winddruck erzeugten
Spannungen in — , von R. Kohfahl (m. A.) • • . . 577
Cupolöfen, über — , von A. Ledebur (m. H.) 633
Dampfmaschine, einige Bemerkungen über den Einfluss der
Cylinderwandungen auf das Verhalten des Dampfes in
der — , von W. Rhien 76
, über die reale Expansionslinie im Cylinder der — und
deren Beeinflussung durch den Dampfinantel, von J. Il-
leck (m. A.) 81
Eisenbahnen, secundäre — und Bergbahnen, von C. Rother 551
Expansion, variable — für Fördermaschinen, von H. Krause
(m. A.) 687
Expansionssteuerung, Constructionsregeln über die £y th'sche
Expansionssteuerung von J. Schmidt (m. A.) . . . 391
Fördergestelle, über eine Verbesserung an — (Metallbremse),
von Menzel (m. A.) 803
Führer, technische — , von 0. Grüner 166
Gase, nochmals über den Ausfluss der permanten — , von
J. Illeck 643
Geodäsie, über die geschichtliche Entwickelung der — und
ihre Beziehungen zur neueren Literatur, von A. Fuhr-
mann 69
Geodäsie, zur Literatur der — , von A. Nagel 185, 257, 611, 629
Geometrie, die praktische — seit hundert Jahren, von A K a g e 1 186
Geradführung, über die — durch das Kurbelgetriebe von
L. Burmester (m. A.) 227, 819
Heliotrop, Ursprung des Repsold-Bertram*schen — , von
A. Nagel 629
Kaomigamfabrikation, Versuche über Leistung und Arbeits-
verbrauch der in der — angewendeten Maschinen, von
K Hartig (m. A.) 1, 133
Luft, Versuche über das Ausströmen der atmosphärischen
Luft durch gut abgerundete Mündungen, von A. Flieg-
ner (m. A.) 443
Luft, Bemerkungen zu Herrn J. 111 eck 's Theorie des Aus-
flusses der — durch ein cylindrisches Rohr, von E.
Herrmann 571
Maschine, über den Begriff — , Bemerkungen zu F. Reu-
leaux*s Kinematik von Th. Beck 411
, über die Definition der — , von F. Reuleaux . . 563
, noch ein Wort über den Begriff — , von Th. Beck . 663
Nietlöcher, Notiz, die Herstellung der — betreffend, von £.
Hartig 171
Pappentrockenmaschine, Beobachtungen an einer — , von £.
Hartig (m. A.) 543
Portland- Cement, Normen für die einheitliche Lieferung und
Prüfung von — , nach den Beschlüssen mehrerer Vereine 647
Propellerschraube, zur Theorie der — , von C. Szily (m. H.) 177
Regulatoren, über directwirkende — , von J. Wischne-
gradski (m. H.) 95
Schraubenpumpe, Versuche über die Leistung einer — , von
G. Chizzolini 173
Soda, Beschreibung eines neuen Eindampf- und Calcinir-
Ofens zur Wiedergewinnung der — aus der Lauge der
Holz- und Stroh-Cellulose-Fabrikation, von R. Schnei-
der (m. A.) 529
Spanbildung, über die — beim Hobdn der Metalle, von G.
H. Judenfeind-Hülsse (m. H) 616
Stellschiene, verbesserte — mit Winkelmesser und Neigungs-
scala, von E. Hotop (m. H.) 79
Stickmaschine, die — , von H Fischer (m. A.) . . . . 417
Tachymetrie von A« Nagel 511
University College, der Lehrplan des Department of Civil
and Mechanical Engineering am — in London . . .
Ventilation, über — und über die Methodik der Prüfung
diesbezüglicher Apparate und Anlagen, besonders in
Rücksicht auf Eisenbahn-Lazareth wagen, von Th. Weiss
H.
249
(m. H.)
855
Weberei, Schlichten und Leimen der Ketten in der mecha-
nischen — , von £. Lembcke (m. A.) ....:. 206
Webstuhl, die Mechanismen zur Eriialtung der Spannung
und zur Längsbewegung der Kette am mechanischen — ,
von A. Lüdicke (^m. A.) 145
WoUw&scherei, die Reinigung des zur — in der Vöslauer
Karamgamfabrik verwendeten Wassers, von J. Stingl 261
„Zwei Mal Waare'S die Herstellung von — im mechanischen
Webstuhl von E. Lembeke (m. A.) 507
#
IL Namenregister.
/
/ Beck, über den Begriff „Maschine". Bemerkungen zu F.
Reuleaux^s Kinematik 411
, noch ein Wort über den Begriff „Maschine" ... 668
Bornemann, neuere Literatur über die Bewegung des
Wassers in Flüssen und Canälen (m. A.) 21
/Burmester, über die GeradfUhrung durch das Kurbelge-
triebe (m. A.) 227, 819
Chiz zolin!, Versuche über die Leistung einer Schrauben-
pumpe 178
Fischer, die Stickmaschine (m. A.) 417
Fliegner, Versuche über das Ausströmen der atmosphäri-
schen Luft durch gut abgerundete Mündungen (m. A.) 443
Fuhrmann, über die geschichtliche Entwickelung der Geo-
däsie und ihre Beziehungen zur neueren Literatur . . 59
Grüner, technische Führer 166
Hart ig , Versuche über Leistung und Arbeitsverbrauch der in
der Kammgamfabrikation angewendeten Maschinen (m. A.) 1, 183
, Notiz, die Herstellung der Nietlöcher betreffend . . 171
, Beobachtungen an einer Pappentrockenmaschine (m. A.) 643
Herr mann, Bemerkungen zu Herrn Illeck's Theorie des
Ausflusses der Luft durch ein cylindrisches Rohr . .571
Hotop, verstellbare Stellschiene mit Winkelmesser und
Neigungsscala (m. H.) 79
Illeck, über die reale fixpansionslinie im Cylinder der
Dampfmaschine und deren Beeinflussung durch den
Dampfmantel (m. A.) 81
, aber den Ausfluss der permanenten Gase mit Beziehung
auf die Hypothese von de Saint- Venant und Wan-
tzel (m. H.) 848
, nochmals über den Ausfluss der permanenten Gase . 648
Jadenfeind-Hülsse, über die Spanbüdung beim Hobeki
der Metalle (m. H.) 615
Kopeke, die Messung von Bewegungen an Bauwerken mit-
tels der Libelle (m. A.) 379
Kohfahl, die durch den Winddruck erzeugten Spannungen
in Ghamierbogenbrücken (m. A.) 677
Krause, variable Ehcpansion für Fördermaschinen (m. A.) 537
Ledebur, über Cupolöfen (m. H.) 633
Lembcke, Schlichten und Leimen der Ketten in der me-
chanischen Weberei (m. A.) . . , 205
, die Herstellung von „Zwei Mal Waare" im mechani-
schen Webstuhle (m. A.) 507
Lud icke, die Mechanismen zur Erhaltung der Spannung
und zur Längsbewegung der Kette am mechanischen
Webstuhl (m. A.) 145
Menzel, über eine Verbesserung an Fördergestellen (Me-
tallbremse) (m. A.) 608
Nagel, zur Literatur der Geodäsie . . . 185, 257, 511, 629
Reuleaux, über die Definition der Maschine 563
Rhien, einige Bemerkungen über den Einfluss der Cylinder-
wandungen auf das Verhalten des Dampfes in der
Dampfmaschine 75
Roth'er, secundäre Eisenbahnen und Bergbahnen . . . 551
Schmidt, Constructionsregeln für die Eyth*sche Expan-
sionssteuerung (m. A.) 391
Schneider, Beschreibung eines neuen Eindampf- und Cal-
cinirofens zur Wiedergewinnung^ der Soda aus der Lauge
der Holz- und Stroh-Cellulose-Fabrikation 529
Stingl, die Reinigung des zur Wollwäscherei in der Vös-
lauer Kammgamfabrik verwendeten Wassers .... 251
Szily, zur Theorie der Propellerschraube (m. H.) . . . . 177
Undeutsch, Untersuchung über die Stabilität und Festig-
keit von cylindrischen Bassinwänden (m. A.) . . . . 289
Weiss, über Ventilation und über die Methodik der Prü-
fung diesbezüglicher Apparate und Anlagen, besonders
in Rücksicht auf Eisenbahn-Läzarethwagen 355
Wischnegradski, über directwirkende Ragulatoren (m. H.) 95
IIL Verzeichni88 der Abbildungen.
Tafel I, II, lU. H artig, Maschinen der Kammgamfabrikation.
IV. Illeck, über die reale Expansionslinie.
V. Hart ig, Maschinen der Kammgamfabrikation.
VL Lü dicke, Spannung und Bewegung der Kette.
VII. VUI, IX. Lembcke, Schlichten und Leimen der
Ketten.
X, XI. Burmester, über Geradführung.
XII, XUL Undeutsch, cylindrische Bassinwände.
XIV, XV, XVL Burmester, über Geradführung.
XVIL Kopeke, Bewegungen an Bauwerken.
XVni. Schmidt, die Eyth*sche Expansionssteuerung.
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Tafel
5?
XXIX, XX, XXI. Fischer, Stickmaschinen.
XXII. Fliegner, Ausfluss-Versuche.
XXIII. Schneider, Eindampf- und Calcinirofen für Cel-
lulosefabrikcn.
XXIV. Krause, variable Expansion für Fördermaschinen.
XXV. Hartig, Beobachtungen an einer Pappentrocken-
maschine.
XXVI. Kohfahl, Spannungen in Charnierbogeubriicken.
XXVn. Lembcke, Herstellung von falschen Leisten,
XXVin. Menzel, Metallbremse für Fördergestelle.
Versuche über Leistung und Arbeitsverbrauch der in der Kammgamfabrikation
angewendeten Maschinen.
Von
Dr. Hartig in Dresden.
(Hierzu Tafel I—IH.)
Nachdruck verboten.
Die Versuche, deren Ergebnisse im Folgenden mit-
getheilt werden, bilden eine Ergänzung und Fortsetzung
der von mir früher ausgeführten ähnlichen Versuche
über die Maschinen der Streichgamspinnerei und Tuch-
fabrikation, der Flachs- und Wergspinnerei*); es lag
schon damals die Absicht vor, nach und nach sämmt-
liche Zweige der Textil- Industrie mit einer eingehen-
den experimentellen Untersuchung zu bedenken. Die
Ausführung dieser Absicht war jedoch durch die Ar-
beiten des Verfassers über Werkzeugmaschinen**),
welche auf Wunsch der Direction des Dresdener Poly-
technikums zur Durchfuhrung gelangten, unterbrochen
worden; auch musste eine passende Gelegenheit abge-
wartet werden. Eine solche fand sich, indem die Di-
rection der Vöslauer Kammgarnfabrik bei Wien den
Verfasser zur Vornahme dynamometrischer Messungen
aufforderte. Diese Fabrik steht hinsichtlich ihrer Ein-
richtung auf der Höhe der Zeit, und ihre hochintelli-
genten Leiter, die Herren Falk und Wolf, huldigen
der Ansicht, dass die wahre Entwicklung eines Eta-
blissements nicht durch Geheimhaltung der Fabrikations-
mittel, vielmehr nur durch consequente Befolgung der
als richtig erkannten Grundsätze der Fabrikation zu
sichern ist; sie förderten daher nicht allein die Ar-
beiten des Verfassers in der zuvorkommendsten Weise,
sondern lüumten ihm auch mit grosser Liberalität das
'*) Mittheilungen der E. S polytechnischen Schule zu Dresden.
Heft I und II. Leipzig (B. G. Teubner) 1864 und 1869.
•*) MittheUungen u. s w., Heft UI. 1873.
Clvllingenienr XXIIT.
Recht ein, die gewonnenen Resultate zu veröffentlichen.
Die Kosten der Untersuchung gewährte, wie früher,
das K. S. Ministerium des Linem, in die Arbeit theilte
sich der Verfasser mit den Herren Zschörner aus
Meissen, Haas und Lau bock aus Nürnberg, bisher
Studirende des Dresdener Polytechnikums, von denen
der Letztere die zu vorliegender Mittheilung gehörigen
Zeichnungen anfertigte. Mehrfache willkommene För-
derung der Arbeit durch persönliche Mitwirkung und
Darleihung von Instrumenten gewährten mit dankens-
werthester Bereitwilligkeit die Herren Regierungsrath
Exner und Prof. Radinger in Wien.
Es wurden im Ganzen (in der Zeit vom 16. August
bis 14. December 1876) 56 Aufstellungen des dynamo-
metrischen Apparates bewirkt; die Messung der für die
Transmissionswellen erforderlichen Arbeit erfolgte mit-
tels einiger Indicator- Versuche.
üeber das bei den Messungen eingeschlagene Ver-
fahren wolle der Leser die früheren Berichte (Streich-
gamspinnerei und Tuchfabrikation, Seite 3 und 4,
Flachs- und Wergspinnerei, S. 1 — 9) nachsehen. Die
zu dem Dynamometer gehörigen 4 Paar Blattfedern (j4,
jB, C, B) wurden im Laufe der Expedition (am 27.
August) einer erneuten Prüfung unterworfen und zwar
unter Benutzung eines eigens hierzu angefertigten
Bremszaums, von welchem die nachfolgenden Holzschnitte
Fig. 1 — 4 eine nähere Darstellung geben; a und h die
beiden Wellen des Dynamometers; c die Festscheibe
der Welle a, auf welche ein Treibriemen Drehung im
Sinne des eingezeichneten Pfeiles überträgt, ä Fest-
scheibe auf Welle 6, zur Aufnahme des Bremazaums
bestimmt; Bremshebel e und federnder Bügel f bilden
Bartig, Versuche über Leistong und Arbeitsverbraach
eiD einziges Schmiedestück; Bügel f trägt im Innern
drei bronzene Backen Sig^gs, welche genau auf die
Festscheibe passen; die Anpressung dieser Backen er-
folgte mittels Schraubenspindel h, Mutter i und an
letzterer sitzenden Handrades k: ein untergelegter
Gummiring l erleichterte wesentlich die Handliabung,
indem er ein sanftes Anziehen ermöglichte; die Aus-
bfllanoimng der Wagschale m und des Bremshebels
erfolgte mittels eines Stellgewichtes n an der rückwär-
tigen Verlängerung e* des Bremshebels; letztere ver-
hinderte (durch Auftreffen auf die Losscheihe neben c)
das Ueberschlagen des Bremszaums, so dass ein beson-
derer Scilutzbau entbehrlich wurde ; es genügte ein hei
untergesetzter Bock. Gewicht des Bremses, einschliess-
/
/
\
\
/A'
^— —
\
\
lieh Wagschale 60,92^«; Länge des Bremshebels 0,8".
Nach Einsetzung der zu prüfenden Feder in das Dyna-
mometer wurde die Wagschale m so stark belastet, dass
bei horizontal schwebendem Bremshehel eine mÖgÜchst
grosse Federspannung sich ergab, worauf man den
Schreibapparat in Gang setzte. Die Erhaltung des
Gleichgewichtszustandes gelang besser, als im Voraus
erwartet wurde, was Verfasser dem federnden Anzog
bei l und der Verwendung von Bronze als Material
der Bremsbacken, sowie der genauen Ausführung des
ganzen Apparates (durch G. G. Thomass in Dresden)
zuschreibt Vor und nach jedem Versuche liess man
die Linie für die unbelastete Feder aufzeichnen. Bei
der Berechnung der so gesammelten Daten wurde die
aus dem Bremsgewicht sich ergehende Zunahme der
Zapfenreihung (unter Anwendung des Werthes/i=0,ofi4
für den Beibangscoefficienten) entsprechend berücksich-
tigt. Man erhielt fiir den Cocfficionteo /, mit welchem
die aus der (früher erfolgten) dii-ecten Belastung der
Federn hergeleiteten Werthe der Federspannung, also
auch die bei Ausmessung der Diagramme zunächst ab-
gelesenen Zahlen S zu multipliciren sind, um den wahren
(der übertragenen Kraft wirklich entsprechenden) Werth
dieser Fcderspannung zu ergeben, die folgenden Zahlen :
Bexeichnnng der Feder. Belaatang an der Welle.
a h
A 0,937 0,873
B 0,91S 0,909
C 0,953 0,909
D 0,966 0,868.
Um die Berechnung der Resultate jederzeit con-
troliren zu können, ist in diejenige Golumne der mit-
der in der Kammgamfabrikation angewendeteD Maschinen.
zutheilcnden Tabelle, welche die (unmittelbar abgelesene)
„mittlere Federspannung'* enthält, eine Angabe darüber
au^enommen worden, welches der 4 Fedempaare A — D
benutzt wurde und welche der beiden Dynamometer-
wellen a und b die Federspannung beeinfiusste; die
Bezeichnung (C, b) in der ersten weiter unten mitge-
theilten Tabelle ist z. B. so zu verstehen, dass bei der
betreffenden Versuchsreihe das Fodernpaar C eingelegt
war und dass die Welle b des Dynamometers direct
mit der Antriebscheibe der Arbeitsmaschine durch einen
Treibriemen in Verbindung stand.
Die Berechnung der übertragenen Betriebsarbeit
aus Federspannung S und minutlicher Tourenzahl u
der Apparatwellen erfolgte in der früher angegebenen
Art (s. Bericht über Werkzeugmaschinen, S. 3); man
ermittelte zunächst aus den Werthen S, y und D (Durch-
messer der vom Dynamometer zunächst angetriebenen
Scheibe) den auf den Halbmesser 1™ der Antriebwelle
reducirten Widerstand O nach der Formel
= y.-j^ Kilogr.
(I)
und berechnete hieraus den Arbeitsverbrauch der unter-
suchten Maschine für die normale minutliche Touren-
zahl ti| der Antriebwelle nach den Formeln
nUt
und
A = 0, -— f Secunden-Meter-Kilograrara . . (II)
30
N= — Pferdestärken (m)
75 ^ ^
Die specielle Form, welche die Gleichungen (I)
und (II) für jede Versuchsreihe annahmen, ist in den
Kopf der betreffenden Columnen eingetragen worden.
Die Mittheilung der gewonnenen Resultate wird in
8 getrennten Abschnitten nach folgender Disposition
erfolgen :
I. Maschinen zur Auflockerung imd Reinigung der
Wolle (Wölfe und Waschmaschinen).
n. Krempeln.
ni. Kämmmaschinen nebst den vorarbeitenden
Hülfsmaschinen, Plättmaschinen.
IV. Frotteurstrecken und Vorspinnmaschinen.
V. Feinspinnmaschinen (Selfactors und Water-
maschinen).
VI. Zwimmaschinen.
Vn. Garntrockenmaschinen.
VIII. Transmission.
Die Einrichtung der untersuchten Maschinen ist
in allen Fällen, wo ein Hinweis auf die vorhandenen
literarischen Publicationen nicht genügend erschien,
durch beigegebene Skizzen möglichst verdeutlicht
worden.
I. Maschinen zur Auf lookerung und Beinigung der
Wolle.
1) Schlagwolf von R. Herrmann in Brunn,
(Vergl. Fig. 1, Tafel I.) Derselbe dient zur Auf-
lockerung und mechanischen Reinigung grober walla-
chischer Wollen (C C secunda) vor der Wäsche. Speise-
tuch a von 892 °™ Breite liefert die ausgebreitete Wolle
(0,76 ^K pro IQ") ^^ die Riffelwalzen b (Durchmesser
öl™*", minutliche Tourenzahl 7,83, Umfangsweg pro
Secunde 21"°»; Belastung 156 ^^ pro 1^'° Arlj^itsbrcite
1,75^^); Tambour c bewirkt die Auflockerung der Wolle;
Durchmesser desselben 953°™, Länge 1", normale
Tourenzahl 270 pro Min., Umfangsweg pro Secunde
13,47'"; Länge der (kegelförmigen) Stahlzähne 45"™,
Dicke an der Basis 8 "" ; Zahl der Querreihen auf dem
Trommelumfang = 100, Zähnezahl in jeder Reihe 21 ;
Theilung in der Richtung des Umfangs 30"™, in der
Richtung der Achse 47,6"". Die Trommel c ist nach
unten von einem Sieb d umgeben, in einem Abstand
von 30""; Maschenweite 12"". Die Wolle wird bei
e in einen hölzernen Sammelkasten abgeworfen; Länge
desselben 2,7ö", Höhe 1,25™ Breite 1,85". Durchmesser
der Antriebscheihe 2) = 235"", Breite derselben 6 =
90™", Höhe über dem Fussboden A = 750™". Stünd-
liche Leistung L = 95^. Coefficient für normalen
Arbeitsgang '^) /*== 0,883. Raumbedarf (ohne den Sam-
melkasten) 2. 1,45== 2,90 □".
Von den zur Ausführung gebrachten 11 Versuchen
bezogen sich Nr. 1 — 3 und 7 auf den Leergang, die
übrigen auf den Arbeitsgang der Maschine. (Siehe
umstehende Tabelle 1.)
Hiemach ist für diesen Reisswolf die Botriebs-
arbeit anzusetzen
im Leergange N^^=lyl%hPSy
„ Arbeitsgange ^ = 1,310 „
woraus sich ein Wirkungsgrad
^ =
ergiebt.
1,310 — 1,185
1^31
= 0,095
*) Quotient aus der durchschnittlichen Betriebszeit der Ma-
schine und der totalen Arbeitszeit für eine Woche oder einen
längeren Zeitraum; vergl. Streichgamspiunerei S. 6, Flachsspin-
nerei S. 9.
1»
Hartig, Versuche Über Leistung und Arbeitsverbranch
1. Schlagwolf von B. Herrmann in Brunn.
HiuuÜiche Tourenzahl
dea
am
der
der
MitUere
. Wideratand
am Halbm.
1 ^ der An-
K =270 pro Min.)
VersuchB.
Antriebwelle,
berechnet
M. = l,70.u.
Trommel,
in KUogr.
S
triebweUe
* = 0,01335.fi.
Sec-MeL-Kil.
^ = 28,27.*,
Pferdeatirken
1
160
272
• ?
(C, h) 231,s
3,091
87,88
2
161
274
273
237,5
3,171
89,64
3
160,5
273
269
224
2,990
84,58
4
159
270
269
262
3,498
98,89
5
159
270
269
295
3,938
ili,as
6
160
272
269
233
3,111
87,96
7
160
272
269
250
3,338
94,37
8
160
272
268
253,5
3,384
95,67
9
158,5
269
264
293,6
3,918
110,78
10
159
270
267
238
3,177
89,81
11
160
272
269
226,5
3,0!4
85,49
1,14
2. Schlagtoolf von Pierrar d- Parp aite tt ftl» t» RMm*.
Dient zur Auflockerung und Reinigung feinerer
Wollen vor der Fabrikwiische ; die Kinrichtung*) ergiebt
sich aus Fig. 2 uud 3, Taf. I; a Speisetuch (Breite
600"", Auflage pro 1Q'" = 0,51*«) mit Riffelwalze b
(Durchmesser 65 ""f minutliche Tourenzahl 23,i, Um-
faugsweg pro Secunde l^""); c Trommel von 527""°
innerem, 982°"° äusserem Durchmesser, 2,0!5'° Länge,
mit 6 Reihen kegelförmiger Schlagarme; Länge der-
selben 230""", Querschnitt elliptisch, Dimensionen an
der Basis 33 (in der Richtung der Achse) und 23 ;
Anzahl in jeder Reihe 17—18; diese Schlaganne sind
unter einem Winkel von 80''40' gegen die Achse ge-
neigt, so dass sie die Wolle bei jedem Abwerfen in der
Richtung vom Speiseapparat ab nach der Austrag-
öffnung d befördern ; minutliche Tourenzahl der Trom-
mel c = 200, Umfängsweg pro Secunde an den Enden
der Schlagarme gemessen = 10,!6 ". Der Raum, in wel-
chem die Trommel rotirt, ist nach oben durch einen
hölzernen Mantel abgeschlossen (in der Zeichnung ab-
genommen gedacht); bei e (Fig. 2) wird die Wolle
durch eine Reihe feststehende Stäbe zurückgehalten,
zwiechen denen die Trommelstäbe durchschlagen; die
Abscheidung von Sand und erdigen Theilen erfolgt durch
die Oeffnungen des Rostes f; derselbe besteht aus
Dr^tstäben von 6""" Dicke, in Abständen von 10""
gehalten, so dass sich eine lichte Maschinenweite von
4""° ergiebt; Abstand des Rostes von den Enden der
*} Armengaud, Pubi. iud., 18. V., p. 14&.
Schtagarmo 50°"". Die Austrittsöffnung d, in das Ge-
häuse eiugescbuitten , hat eine Höhe von 4^"", eine
Breite von 400"", welche mittels eines Schiebers auf
800°" vergrössert werden kann. Durchmesser der An-
triebscheibe D = 417°"", Breite ft = 100"", Höhe über
dem Fussboden A = 910"'°. Stündliche Leistung
L = 300 "f. Coefßcient für den normalen Arbeitsgang
f = 0,8S3. Raumbedarf 2,64 . 1,9 = 5,0! □ ".
Von den zur Ausfuhrung gelangten Versuchen be-
zogen sich Nr. 1, 2 und 6 auf den Leei^ang, Nr. 3
und 4 auf den Arbeitsgang; die Ergebnisse zeigt nach-
stehende Tabelle 2.
Hiernach ergiebt sich der Arbeitaverbrauch dieses
Schlagwolfes
im Leergange zu N^ = 0,i3s PS,
im Arbeitsgange xn N = 2,660 „
der Wirkungsgrad fi =0,79s.
Die während der Versuche bearbeitete Wolle war
ungarische Rückenwäsche A.
3) Rnttwolf {teuder hook WUlow) von Taylor Wordt-
toorth if Co. M ZmA.
Diese Maschine hat in der Anordnung ihrer wirk-
samen Theile einige Aehuhchkeit mit einer Walzen-
krempol, vergl. Fig. 4, Taf. I. Die aufzulockernde
Wolle wird auf dem Lattentuche a ausgebreitet (0,35 'k
pro IQ"), durch zwei Paar Stachelwalzen b, c dem
Tambour d zugeführt, der mit nach vorwärts gekrümmten
Stahlzähnen besetzt ist (Länge der Zähne 22"", Quer-
schnittsdimensionen an der Basis 8 und 3"™, Theilung
in der Richtung des Umianges 25"", nach der Breite
der in der Kammgamfiabrikation angewendeten Maschinen.
10
2. Schlagwolf von Pierrard-Parpaite et fils in Reims.
Nummer
des
Minutliche Tourenzahl
am ^®'' der
. Mittlere
Federspannung
Widerstand
am Halbm.
1™ der An-
Arbeitsverbrauch für die normale
Tourenzahl der Antriebwelle
(tt, — 200 pro Min.)
Versuchs.
Dynamometer
u.
Antnebwelle,
berechnet
Wi = 0,969. w.
Trommel,
beobachtet.
in Eologr.
S.
triebwelle
— 0,0248.5.
See -Met-Kü.
/f =20,94.*.
Pferdestärken
^ Ib'
1
205
197
195
{C, a) 75
1,860
38,95
0,519
2
207
199
199
71
1,761
36,88
0,492
3
202,5
194
194
302
7,490
156,8
2,09
4
201
193
192
466
11,56
242,0
3,23
5
205
197
198(?)
86
2,133
44,67
0,596
68 "", daher Zahl der Zähne pro in™ Trommelfläche
588); drei Arbeiter 61626^ und drei Wender fif^fs be-
wirken in der bekannten Weise die Auflösung der
Haarbüschel und die gleichförmige Vertheilung der
Wollhaare auf dem Trommelumfang; eine sehr schnell
umlaufende Schlagtrommel g bewirkt die Ablösung des
Fasermaterials, theils durch die 2 . 6 = 12 Reihen kegel-
förmige Zähne a (Liänge 48 ™°, Basisdurchmesser 12 °™,
Theilung SO"""), theils durch den mit 6 Lederstreifen
ß erregten Luftstrom. Das aufgelockerte Material sam-
melt sich in einem Kasten h. Arbeitsbreite 800™".
Trommellänge DöO"™. Durchmesser der Antriebscheibe
(auf der Achse der Trommel d) D = 616™"', Breite
6 = 150™™, Höhe über dem Fussboden A = 910™™.
Die übrigen Dimensionen und die Geschwindigkeiten
der wirksamen Theile sind aus folgender Tabelle zu
ersehen :
Bezeichnung
Speisewalzeu b, c
Tambour d
Ai'beiter 616263
1. Wender /*i
2. Wender f^
3. Wender f]
Schlagtrommel g
Durchmesser Minutliche Umfangsweg
in Mm.
130
1100
160
130
130
130
690
Tourenzahl, pro See. in Mm.
9,09
106
5,06
379,5
381,6
384,8
421,9
62
1943
42
2581
2593
2617
15245
Während der Versuche wurden gefärbte Abfälle
aufgelockert und gemischt; die stündliche Leistung
wurde zu L = 62,7 ^^ beobachtet.
Von den zur Ausführung gebrachten Versuchen
bezogen sich Nr. 1—6 auf den Leergang, Nr. 7 — 12
auf den Arbeitsgang; die Diagramme der Versuche 6,
7 und 8 sind in Fig. 5, Taf. I, verkleinert wieder-
gegeben; die beträchtliche Steigerung des Widerstandes
3. Tender hook Willow-Wordsworth.
Nummer
des
Mi]
am
autliche Tourenza
der
der
Mittlere
Federspannung
Widerstand
am Halbm.
1™ der An-
Arbeitsverbrauch für die normale
Tourenzahl der Antriebwello
(Uj -= 106 pro Min.)
1
Versuchs.
Dynamometer
u.
Antriebwelle,
berechnet
Ui^0,649.u.
AntriebwcUe,
beobachtet.
in Kilogr.
S
triebwelle
<^ = 0,0367. iS^.
Sec-Met-Kil.
^=11,1.*.
Pferdestärken
75
1
163,5
106,1
106
(C, a) 220
8,074
89,62
1,19
2
164
106,4
107
191
7,010
77,81
1,04
3
163,5
106,1
107
189
6,936
76,99
1,03
4
164
106,4
107
206
7,560
83,92
1,12
5
163
105,8
107
185
6,790
75,37
1,00
6
164
106,4
107
182
6,679
74,14
0,989
7
160,5
104,2
106
292
10,72
119,0
1,59
8
162
105,1
105
413
15,16
168,3
2,24
9
163
105,8
107
235
8,625
95,74
1,28
10
162,5
105,5
106
234
8,588
95,33
1,27
11
162,5
105,5
106
258
9,469
105,1
1,40
12
162,5
105,5
107
310
11,38
126,3
1,68
11
Uartig) Versuche über Leistung uud Arbeitsverbrauch
12
während Versuch Nr. 8 (Strecke ßy^ Fig. 5), sowie
nach Beendigung desselben (Strecke y <J, abwechselndes
Gleiten und Fassen des Treibriemens!) war durch den
Umstand hervorgeioifen worden, dass der Sammelkasten
Ä sich bis zur Höhe der Schlagtrommel g mit Wolle
erfüllt hatte; hier stieg die Betriebsarbeit bis auf SPS.
Die vorstehende Tabelle 3 enthält die beobachteten
und berechneten Einzelwerthe.
Hieraus ergiebt sich (unter Weglassung des Ver-
suchs Nr. 8) der Arbeitsverbrauch
im Leergange zu 1^^ = 1,062 PS,
im Arbeitsgange zu ^ = l,44i „
der Wirkungsgrad /n =0,265.
4. Waeehnuuchdne von AndrS Köchlin Sf Co.
(Elsässische Maschiuenbau-Gesellschaft) in Mühlhausen.
Diese Maschine besteht aus drei Passagen von der
durch Fig. 1, Tafel II, dargestellten Einrichtung und
einer Mehl'schen Trockentrommel mit Einölapparat,
vergl. Taf. III. Die gesammte Disposition ist aus der
Grundrissskizze Fig. 2, Taf. II, zu ersehen. Das Ein-
weichen der Wolle (in Seifen wasser von 50^ C.) erfolgt
in einem der Bottiche aQÜia^a^; die Ueberführung
nach der ersten Transportkette b^ geschieht mit Hülfe
einer von Hand geführten eisernen Gabel; c^ ist
die erste Walzenpresse; ein Lattentuch 6^ befordert
das Material nach dem Bottich a^^ , in welchem (bei {»2)
mittels eines Schöpfapparates die Zuführung des Seifen-
wassers erfolgt; hier wird die Wolle durch einen Plon-
geur (thumbler) d (s. Fig. 1, Taf. II) schnell unter-
getaucht, durch schwingende Rechen Cj e^ langsam vor-
wärts bewegt, endlich durch einen selbstthätigen Aus-
heber f auf die Transportkette 63 befordert; diese bringt
die Wolle in die zweite Walzenpresse c^ ; es folgen der
wie a4 ausgestattete Spülbottich «5, Transportkette 65,
Walzenpresse c^ und Transportkette ftg, welche die
feuchte Wolle in die von warmer Luft durchströmte
Trockentrommel g befördert (vergl. Fig. 1 u. 2, Taf. III) ;
hier gelangt sie unter wiederholtenl Aufsteigen und
Herabfallen nach dem tieferen Ende hin, fällt endlich
auf die Transportkette 67, gelangt durch diese in den
Einölapparat h und endlich in den Transportkasten i
(Fig. 1, Taf. HI); mit k ist in der Grundrissskizze
Fig. 2, Taf. II, ein Schrauben Ventilator bezeichnet,
welcher die einem Dampfofen erwärmte atmosphärische
Luft ansaugt und durch einen Kanal l unter die
Trockentrommel g befördert; dieser Canal setzt sich
über die beschriebene Maschine weiter fort, weil der-
selbe Ventilator noch zwei andere Waschmaschinen mit
erwärmter Luft zu versorgen hat; durch Drehklappen
m (Fig. 1, Taf. III) kann das Canalstück n unter der
Trockentrommel abgeschlossen oder mit dem Luftcanal
l in Verbindung gesetzt werden.
Die Bottiche a stehen annähernd auf gleicher Höhe,
weil die Ueberführung der Waschflüssigkeiten von a^
nach a^, von a^ nach a^ und a^ u. s. w. mit Hülfe
Körting 'scher Strahlpumpen erfolgt, von denen eine
(in Y(\ ^^^ wirklichen Grösse) in Fig. 3, Tafel II, im
Langschnitt dargestellt ist; bei a tritt der Dampf ein
(Mündungsweite 16"™)» bei ß die Waschflüssigkeit, bei
y erfolgt der Austritt nach dem Leitungsrohr.
Grösse der Bottiche.
Länge. Breite. Höhe. Fassungsraum.
Einweichbottiche a^ag 5" 1°^ 0,7" 3,294^^™,
Waschbottiche a^^ar, 4,5" 0,97" 0,675" 2,i76°^".
Geschwindigkeit der Transportketten 6 =
66"" pro See; Breite derselben 500"".
Der Eintaucher (d in Fig. 1, Taf. II) ist eine
kupferne Hohlwalze von 612"" Durchmesser, mit -vier
querlaufenden Wülsten versehen, welche die einfallende
Wolle fassen und untertauchen; Umdrehungszahl pro
Min. im Bottich a^==60.-^pj-.-rp^.-:r^==9,b, imBoi^^
\ich. a« = 60.-
227 34 22
= 7,8.
354 •45' 100
Die Transportrechen (e in Fig. 1, Taf. II)
haben eine Breite von 840"'", enthalten 12 kegelför-
mige Zinken von 18 "" Basisdurchmesser, 430"" Länge,
Theilung 70""; die Zahl der Spiele pro Min. beträgt
^^•"^^'Z^'«^^^ -^^'^ ^^^ ^®^ Rechen des Bottichs 04,
60.-öv-^-.TE»?7^= 10,4 bei denen des Bottichs a.; zur
354 45 85 ^
Bewegung dient die aus der Zeichnung ersichtliche
Modification des Schubkurbelgetriebes.
Der Ausheber f (Taf. II) enthält drei pendel-
artig aufgehängte Rechen (Länge der Zinken 430"'",
Dicke an der Basis 19"", Anzahl 6, Theilung 45""),
welche freihängend in die Waschflüssigkeit eintauchen,
jedoch durch die glattrandige Scheibe d, welche auf
einer am Gestell (verstellbar) angeschraubten Achse
drehbar aufgeschoben ist, und an welcher die auf den
Rechenachsen sitzenden Führungsdaumen € unter Mit-
wirkung der Gewichte cp während der aufsteigenden
Bewegung der Rechen anliegen, eine solche Ablenkung
von ihrer Bahn erfahren, dass die Spitzen der Rechen-
stäbe in Linien 12 3 über die Transportkette 63 auf-
steigen, alsdann (wenn die Daumen e die Scheibe d
verlassen) auf diese Kette niederfallen (Weg 3—4), auf
derselben zuiückgleiten und hierauf wieder freihängend
13
der in der Eammgamfabrikation angewendeten Maschinen.
14
1. und 2. Walzenpresse
3. Walzenpresse
Unterwalze
Oberwalze
Unterwalze
Oberwalze
Die normale Geschwindigkeit der Unterwalzen beträgt
60 Umdrehungen pro Min., was einen Umfangsweg von
1,524" pro Secunde ergiebt.
Die Trockentrommel g (s. Taf. III) hat eine
Länge von 3,54™, einen Durchmesser von 1,63'"; die
Achsenlinie ist unter einem Winkel von 5^10' {sina =
0,0S9) nach vom geneigt; indem die eingeführte Wolle
in Ebenen, welche normal zur Achsenlinie liegen, auf-
steigt und alsdann in verticalen Geraden herabfallen,
erfolgt nach und nach die Beförderung nach dem un-
teren Ende ; die äussere Wandung der Trommel besteht
aus Drahtgewebe von 8 "" Maschenweite ; innerlich sind
32 Holzschienen befestigt (s. Fig. 2, Taf. III), welche
in Abständen von 150"" hölzerne (am tieferen Ende
bronzene) Stifte von 95"" Länge und 18"" Dicke an
der Basis tragen; dieselben sind um 21^ nach vorwärts
geneigt und heben die einfallende Wolle bis zum Trom-
melscheitel; minutliche Tourenzahl 3,23 pro Minute,
daher Umfangsweg pro Secunde 276""; die Zeit, wäh-
rend welcher die Wolle in der Trommel verweilt, be-
trägt 2 Minuten 32 Secunden.**)
*) Ohne Rücksicht auf das Eigengewicht der Hebel.
**) Bezeichnet
L die Länge der Trommel in Metern, soweit sie für die Be-
wegung der Wolle in Betracht kommt,
2> den (innem) Trommeldurchmesser in Metern,
a den Neigungswinkel der Trommelachse,
u die minutliche Tourenzahl der Trommel (deren Werth jeden-
üalls unter der Grenze
SO r\g
n f D
bleiben muss),
g die Beschleunigung der Schwere,
t die Zeit, w&hrend welcher die Wolle in der Trommel ver-
weilt, so folgt
die Zeit für jedes Aufsteigen der Wolle
die Zeit für jedes Herabfallen
in die kreisförmige Bahn zurücktreten; beim Zurück-
gleiten auf 63, von 4 nach 5, erfolgt die Uebertragung
der aufgenommenen Wolle an die Stäbe der Transport-
kette in einer sehr befriedigenden Art; der Apparat ]
vermeidet alle unnöthigen Bew^ungen der Wollhaare
gegeneinander.
Die minutliche Tourenzahl des Apparates beträgt
338 20
beim Bottich a, 60. ^y^^ • ^n^ == '»ic» beim Bottich a«
* 354 160 **
277 20
60. ö^. . -zrp^Tr- = 5,87, so dass auf bm 21, auf br 18 Auf-
354 160 9 y o
legungen pro Minute erfolgen.
Die Walzenpressen haben eine Arbeitsbreite von
550 mm. jjje übrigen Daten zeigt folgende Tabelle.
Durchm. Zapfendicke. Walzengewicht. Belastung.*)
485 mm 95 mm 510 k? i 7.0 kg
560"" 100"" 568^ 4^40 ,
• 485
560
mm
110
mm
607 ^K
mm
115"" 660^8^
9625*^8.
Das Gewicht der Trommel beträgt 250^«; sie wird
durch Laufrollen 00 gestützt (Durchmesser 255"",
Zapfendicke 45""), welche von einer besonderen An-
triebwelle aus Drehung empfangen und mittels Reibung
an die Trommel übertragen, die an den betreffenden
Stellen Ringe von T-Eisen trägt (Durchmesser 1,645")
Die in der Zeichnung bei p ersichtlichen Bürsten haben
den Zweck, die etwa auf den Kanten der Bretor q ver-
bleibende Wolle abzustreifen.
Der Oelapparat h (Taf. III) besteht aus einem
Vorrathsbehältor r, aus welchem ein System in gerader
Reihe stehende Schöpflöffel s (Länge der Tragarme
150"", minutliche Tourenzahl 3,5) das Oel aufschöpfen,
um es an der Kante des nach abwärts gekrümmten
Bleches t abzustreifen ; hier fliesst es nach dem Walzen-
paar u (Länge 675"", Durchmesser 273, minutliche
Tourenzahl 25,3, Umfangsweg pro See. 362 ""), welches
die Wolle von der Transportkette b-j in Empfang nimmt;
die Bürste v soll das Oel gleichförmig vertheilen, die
Riffel walzen w (Durchmesser 138"", Tourenzahl pro
Min. 56,3, Umfangsweg pro See. 407"") streifen die
anklebende Wolle von der Walzenumfläche ab.
Der (für 3 Waschmaschinen bestimmte) Venti-
lator k ist ein Sflügliger Schraubenventilator aus der
Sachs. Maschinenfabrik in Chemnitz; Durchmesser der
(kreisförmigen) Lufteintrittsöffnung 610"", Querschnitt
derselben 0,292 □", Durchmesser des Flügelrades 640"",
minutliche Tourenzahl desselben 979, Neigungswinkel
der Schaufeln gegen die Umdrehungsebene 65 ^, grösste
die Zahl der Auf- und Abbewegungen
n = rr-i f somit
IJ . tan a
die Zeit des VerweUens
* =B n (*, + L) = ^c ^ ( hl/ — ) Secuuden.
Im vorliegenden Falle ist L =-- 2,22™ anzunehmeD, D = 1,48™,
tana = 0,0973, u == 3,23, woraus sich * == 162 Secunden berechnet.
15
Hart ig, Versuche über Leistung und Arbeitsverbrauch
16
Länge der Schaufeln 430"", grösste Breite derselben
200"", Querschnitt der (ringförmigen) Ausströmungs-
öflfnung 0,269 □ ". Zu diesem Ventilator (dessen Durch-
schnitt auf der später mitzutheilenden Zeichnung einer
Gamtrockenmaschine enthalten ist) gehört eine Vor-
gelegswelle von 60"" Dicke mit einer Antriebscheibe
von 265"" Durchmesser und einer treibenden Scheibe
von 470""; normale Tourenzahl 380 per Min.
Die stündliche Leistung dieser Maschine betrug
nach einer auf ein Quantum von 52645 Wiener Pfund
= 29481^« bezüglichen Aufzeichnung der Direction an
roher Wolle (ungarische Rückenwäsche JBI) 142,4 ^s,
an gewaschener Wolle (Verlust 42,3 Proc.) 82,2^«.
Für dieselbe Wollsorte wurde während der Ver-
suche beobachtet die auf die Stunde wirklichen Arbeits-
ganges bezogene Leistung
an roher Wolle . . . 296,5»^,
an gewaschener Wolle 171,o^«,
woraus sich der Coef&cient für normalen Arbeitsgang zu
/"=0,48 berechnet (d. h. Zeitverlust durch normale
Stillstände = 100 — 48 = 52 Procent). Die Wäscherei
ist zur Zeit noch nicht vollständig ausgenützt, da sie
mit Rücksicht auf eine künftige Vergrösserung der
Kämmerei angelegt wurde.
Zur Ermittelung des Arbeitsverbrauchs waren für
diese Maschine 5 Aufstellungen erforderlich, deren Ort
in Fig. 2 auf Tafel II durch die Ziffern I— V be-
zeichnet ist.
Erste Aufstellung. Erste Walzenpresse nebst
zwei Transportketten.
Von den zur Ausführung gelangten 9 Versuchen,
deren Resultate folgende Tabelle aufweist, beziehen sich
Nr. 1 — 4 und Nr. 9 auf den Leergang, Nr. 5 — 8 auf
den Arbeitsgang. Die Diagramme der Versuche Nr. 4
und 5 sind in Fig. 4 und 5 der Tafel II in 7, der
wirklichen Grösse wiedergegeben.
Nummer
des
Mi
am
nutliche Tourenzj
der
der
MitÜere
Federspannung
Widerstand
am Halbm.
1" der An-
Arbeitsverbrauch für die normale
Tourenzahl der Unterwalze
(u, — 60 pro Min.)
Versuchs.
Dynamometer
u.
Antriebwelle,
berechnet
Uj — 0,496. t*.
Antriebwelle,
beobachtet.
in Kilogr.
S.
triebwelle
0— 0,0481. S.
Sec-Met-Kil.
i4=6,28.*.
Pferdestärken
^75*
1
125,5
62,2
64
(C, a) 243
11,69
73,41
0,98
2
126
62,5
63,5
254
12,22
76,74
1,02
3
126,5
62,7
64
214
10,29
64,62
0,86
4
119
59,0
60
213
10,25
64,37
0,86
5
120
59,5
60
289
13,90
87,29
1,16
6
120
59,5
60
299
14,38
90,31
1,20
7
120,5
59,8
60
296
14,24
89,43
1,19
8
121
60,0
61
279
13,42
84,28
1,12
9
124
61,5
63
220
10,58
66,44
0,89
Hiernach erfordert diese erste Walzenpresse mit
zugehörigen Transportketten ein Arbeitsquantum von
Nq = 0,92 PS im Leergange,
^ =1,17 „ im Arbeitsgange.
Zweite Aufstellung. Zweite Walzenpresse nebst
zwei Transportketten, ein Plongeur, zwei Rechen, ein
Auflegapparat, ein Schöpfapparat für Seifenwasser
(Construction von Ernst Mehl, ähnlich dem Schöpf-
Nummer
des
Minutliche Tourenzi
««, der
am 1
ähl
der
Mittlere
Federspannung
Widerstand
am Halbm.
1"* der An-
Arbeitsverbrauch für die normale
Tourenzahl der An trieb welle
(m, « 60 pro Minute)
1
Versuchs.
Dynamometer
u.
Aiitneb welle,
berechnet
Uji - 0,496. w.
Antriebwelle,
beobachtet
in Kilogr.
S.
triebwelle
= 0,0481 . S.
Sec-Met-Kil.
A — 6,28 . 0.
Pferdestärken
^- 75-
1
127
63,0
63
(C, a) 239
11,50
72,22
0,963
2
128,5
63,7
65
270
12,99
81,58
1,09
3
126
62,5
64
1
280
13,47
84,59
1,13
4
125,5
62,2
63,5
305
14,C7
92,13
1,23
5
125,5
62,2
; 63,5
243
11,69
73,41
0,979
17
der in der Kammgamfabrikation aügöwendeten Maschined.
Id
apparat für Oel). Es wurden 5 Versuche angestellt,
von denen Nr. 1 und 5 den Leergang, Nr. 2 — 4 den
Arbeitsgang bei normaler Beschickung betrafen.
Resultate vorstehend.
Hiemach Betriebsarbeit '
im Leergange ^o==0,97PiS,
im Arbeitsgange JV = l,i5 „
Dritte Aufstellung. Dritte Walzenpresse mit
zwei Transportketten, ein Plongeur, zwei Rechen, ein
Auflegapparat.
Von den zur Ausfuhrung gelangten 9 Versuchen
bezogen sich Nr. 1 — 4 und Nr. 9 auf den Leergang,
Nr. 5 — 8 auf den Arbeitsgang.
Folgende Tabelle zeigt die Ergebnisse:
Minutliche Tourenzahl
Widerstand
Arbeitsverbrauch für die normale
T^fnmmpr
Mittlere
am Halbm.
Tourenzahl der Antriebwelle
des
Versuchs.
ftm
der
dPT
Federspannung
1" der An-
(tt, = 60 pro Min.)
Dynamometer
Antriebwelle,
berechnet
Antriebwelle,
in Kilogr.
8.
triebwelle
ro,o«n
* \0,0487/ '^-
Sec-Met-Kü.
Pferdestärken
A
U.
u,=s 0,496. u.
beobachtet.
^ = 6,28. (P.
^ 75"
1
123,5
61,3
62,5
(C, fl) 465
22,37
140,5
1,87
2
124
61,5
62,5
460
22,13
139,0
1,85
3
125,6
62,2
63
(2), a) 430
20,94
131,5
1,75
4
123
61,0
62
455
22,16
139,2
1,85
5
123,5
61,3
62
510
24,84
156,0
2,08
6
123
61,0
61,5
530
25,81
162,1
2,16
7
122,5
60,8
61,5
530
25,81
162,1
2,16
8
121,5
60,3
61,0
530
25,81
162,1
2,16
9
125,5
62,2
62,5
460
24,40
153,2
2,04
Hieraus berechnet sich für die dritte Walzenpresse
mit Zubehör die Betriebsarbeit
im lieergange JS/o = l>87P5,
im Arbeitsgange ^ =2,i4 „
Hier macht sich der Einfluss der viel stärkeren
Belastung der Walzen (175^« pro l*^'" Walzenlänge
statt 86,2^8) bemerklich.
Vierte Aufstellung. Trockentrommel nebst
einer Transportkette und Oelapparat, eine Antriebwelle.
Von den zur Ausföhrung gelangten 11 Versuchen
bezogen sich Nr. 1 — 3 auf die Antriebwelle allein,
Nr. 4 und 5 auf den Oelapparat nebst Transportkette,
Nr. 6 auf Trommel und Oelapparat im Leergange,
Nr. 7 — 11 auf den Arbeitsgang von Trommel und
Oelapparat.
Die Ergebnisse wurden in folgender Tabelle zu-
sammengestellt.
Minutliche Tourenzahl
Widerstand
Arbeitsverbrauch für die normale
Nummer
Mittlere
am Halbm.
Tourenzahl der Antriebwelle
dAfi
fl.Tn
der
(\0r
Federspannung
1" der An-
(Ui — 88 pro Min.)
UvB
Versuchs.
Dynamometer
Antriebwelle,
berechnet
Antriebwelle,
in Kilogr.
S.
triebwelle
r0,0243\ ^
^ \0,0233/^-
. Sec.-Met.-Kü.
Pferdestärken
A
,
t«.
ttj— 0,937. u.
beobachtet
Ä = 9,21 . *.
N —
^ 75*
1
94,5
88,5
85
(C, b) 63
1,581
14,10
0,188
2
94
88,1
88
{A, h) 61,5
1,433
13,20
0,176
3
95
89,0
85
60,5
1,410
12,99
0,173
4
94
88,1
80,5
23
0,536
49,37
0,658
5
95
89,0
86,5
21
0,489
45,04
0,601
6
94
88,1
87
50,5
11,77
108,4
1,45
7
94
88,1
87
86
20,04
184,6
2,46
8
93,5
87,6
87
90
20,97
193,1
2,57
9
94
88,1
83,5
97
22,60
208,1
2,78
10
94
88,1
87
91,5
21,32
196,4
2,62
11
94
88,1
86,5
79,5
18,5?
170,6
2,27
CiTllliiffenietir XXIU.
19
Hartig, Versuche ttber Leistung und Arbeitsverbranch der Maschinen in der Eammgam&brikation.
20
»
9f
99
Hiernach erfordert an Betriebsarbeit
die Antriebwelle allein 0,i8P/S,
Oelapparat mit Transportkette . . . 0,63
Trommel nebst Oelapparat und Trans-
portkette, leer .... jyo = l,45
Dieselben Organe im Arbeitsgange N =2,54
Betrachtet man diese Waschmaschine bis hierher
(also unter Ausschluss des Ventilators) als ein Ganzes,
so berechnet sich die totale Betriebsarbeit wie folgt .
für den Leergang Arbeitsgang
1. Walzenpresse 0,92 PiS 1,17 PS
2. „ nebst Zubehör 0,97 „ 1,16
3. „ „ „ 1,87 „ J,14
Trockentrommel und Oelapparat 1,45 „ 2,54 „
Summa 5,2iP/S~~77öoPS.
»
»
Als Wirkungsgrad dieser ganzen Maschine würde
sich sonach der Werth
7,00 — 5,21
t^ = — rj =0,256
ergeben.
Fünfte Aufstellung. Schrauben Ventilator nebst
Vorgelegswelle.
Sechs Versuche, von denen Nr. 1 — 3 sich auf die
Vorgelegswelle allein beziehen, Treibriemen des Ven-
tilators auf der Losscheibe liegend; bei Versuch Nr.
4 — 6 war der Ventilator in normalem Gange. Eine
Messung der beförderten Luftmenge wurde nicht aus-
geführt.
Folgende Tabelle enthalt die Beobachtungsdaten.
Nummer
des
Mii
am
[ludiche Tourenzs
der
khl
des
Mittlere
Federspannung
Widerstand
am Halbm.
1™ der An-
ArbeitSYerbrauch für die normale
Tourenzahl der Antriebwelle
(u, = 380 pro Min.)
Versuchs.
Dynamometer
Antriebwelle,
berechnet
tt, °=l,51.u.
Ventilators
Ma — 2,84 u.
in Kilogr.
triebwelle
^=- 0,0267. Ä
Sec-Met.-Kil.
i4 = 89,79.*.
Pferdestärken
^ 76*
1
254,6
384
723
(C, h) 92,5
2,470
98,28
1,31
2
254,5
384
723
87
2,323
92,43
1,83
3
256
387
727
92
2,456
97,72
1,30
4
245
370
696
392
10,47
416,6
5,55
5
249,5
377
709
380
10,15
403,9
5,39
6
249
376
707
380
10,79
429,3
5,75
Es beträgt daher die mittlere Betriebsarbeit
der Antriebwelle bei Mi = 380 Umdrehungen pro Minute 1,28 PS,
des Ventilators bei tij = 979
Vertheilt man den Arbeitsverbrauch dieses Ven-
tilators auf die drei Wäscherei-Systeme, die er bedient,
zu gleichen Theilcn, so folgt als totale Betriebsarbeit
eines solchen Systems der Werth
5 23
iV= 7,00 -f. -~ = 7,00 + 1,74 = 8,74 PS.
»
J>
„ iV = Ö,23 „
Das Quantum der mittels dieser Maschine gewa-
schenen Wolle (lufttrocken) ergiebt sich pro Stunde und
Pferdestärke zu
171
8,74
= 19,5^
(Fortsetzung folgt)
Neuere Literatur über die Bewegung des Wassers iu Flllissen und Canälen.
Von
K. B. Bornemann,
Kttnstmeister in Freiberg in Sachsen.
1. H. Grebenau, Die internationale Rheinstrom-Messang bei Basel, vorgenommen am 6. — 12. November 1867. München 1873.
Lindenauer'sche Bachhandlung.
2. A. R Harlacher, Beiträge zur Hydrographie des Königreichs Böhmen. Erste Lieferung 1872, zweite Lieferung 1873, dritte
Lieferung 1874. Separatabdruck aus den „Technischen Blättern''. Prag, Ottomar Beyer.
3. Robert Gordon, fragment containing a discussiou of a new Formula for the Flow of Water in open Channels. Milano,
1873, tipografia e litografia degli Ingegneri.
4. Robert Gordon, on the Theory of the Flow of Water in open Channels. Rangoon 1875.
Nach dem Erscheinen der hervorragenden Werke
der Amerikaner Humphreys und Abbot und der
Franzosen Darcy und Bazin^ wovon das erstere die
Darlegung grossartiger hydrometrischer Arbeiten im
Mississippi 9 einem Riesenstrome mit äusserst geringem
Gefalle, enthält , das zweite aber sehr sorgsam durch-
geführte Versuche in kleineren Experimentircanälen mit
starkem Gefälle behandelt, hat sich die einschlagende
Literatur grösstentheils darauf beschränkt, die von den
vorgenannten Experimentatoren aufgefundenen Gesetze
an anderweiten Versuchen zu prüfen und auf Grund
jener grossartigen Versuchsreihen empirische Formeln
über die Bewegung des Wassers in Flüssen und Ca-
nälen aufzustellen. Namentlich hat die Darcy-Bazin'-
sche Theorie, welche die Bauhheit des Flussbettes als
einen sehr wichtigen Factor einfährt, vielen Beifall ge-
funden, und ist von den Schweizern Ganguillet und
Kutter mit grosser Eleganz weiter ausgebildet worden ;
trotzdem wird Niemand leugnen wollen, dass die auf-
gestellten Formeln auf äusserst schwachen theoretischen
Grundlagen beruhen und kaum einen höheren Werth als
den Yon Interpolationsformeln beanspruchen können. Da
aber, bezüglich der Theorie der Bewegung des Wassers
in Flüssen und Canälen, selbst unsere grössten Hy-
drauliker noch nicht ganz im Klaren sind, so sieht
sich der Praktiker lediglich auf die Hoffnung ver-
wiesen, dass durch Vermehrung der Versuche dieser
Unsicherheit und Unklarheit mehr und mehr abgeholfen
werden dürfte, und es wird dcmgemäss gerechtfertigt
erscheinen, wenn im Nachfolgenden ein Ueberblick über
die neuesten Erscheinungen auf diesem Gebiete der
Hydraulik zu geben versucht wird.
Die älteste hier zu besprechende Veröffentlichung
behandelt
•
die iniematümale Bhemstrommessung hei Basels
welche aus den Vorberathungen einer am 1. No-
vember 1867 zu Basel zusammengetretenen Conferenz
von Technikern der Schweiz, Badens, Frankreichs
und Bayerns hervorgegangen ist. Die damals be-
schlossenen internationalen Versuche bezweckten nicht
blos eine genaue Bestimmung der Wasserführung des
Rheines bei Basel, sondern es sollten zugleich ver-
schiedene Methoden und Instrumente zum Wassermessen
unter möglichst gleichen Verhältnissen unter sich ver-
glichen werden, auch sollten die Versuche bei Hoch-,
Mittel- und Niedrigwasser durchgeführt und hieran
dann regelmässige Pegelbeobachtungen an verschiedenen
Stationen bis Mannheim hinab, sowie gleichzeitige Auf-
zeichnungen der Niederschlagsmengen und Tempera-
turen angeschlossen und gegenseitig ausgetauscht werden.
Leider ist dieses Programm nur in sehr beschränkter
Weise durchgeführt worden, so dass die erzielten Re-
sultate kaum mehr als ein bescheidenes Plätzchen neben
den grossartigen Arbeiten der Amerikaner beanspruchen
können, doch ist das Studium des Grebenau 'sehen
Werkes deshalb nicht minder lehrreich, da dasselbe
eine sehr ausfuhrliche und übersichtliche Darstellung
der abgeführten Versuche giebt und mancherlei wich-
tige Fingerzeige für derartige Arbeiten enthält.
23
Bornemann, Neuere Literatur über die Bewegung des Wassers in Fltlssen und Canälen.
24
Bei Basel, wo der Rhein sich in einer starken Krüm-
mung von Osten nach Norden wendet und ein z. Th.
felsiges Bette zeigt, war es nicht leicht, eine geeignete
Stelle für die beabsichtigten Versuche zu finden; man
entschied sich jedoch für eine ca. 120™ oberhalb der
obem Drahtseilfähre gelegene, nur schwach gekrümmte,
am Grunde mit grossen, etwa 5 bis 16 Pfund schweren
Geschieben bedeckte Flussstrecke, in welcher der Strom-
strich nahe mit der Mitte des Flusses zusammenfiel.
Ausser dem für die eigentliche Messung bestimmten
Profile wurden noch zwei Profile rechtwinkelig zum
Stromstriche aufgenommen, wovon das eine oberhalb,
das andere unterhalb der eigentlichen Messungsstelle
gelegen war, und es maassen bei 5 Fuss Baseler Pegel
diese Profile (in der Reihenfolge von oben stromabwärts
nach unten gezählt) 438,oii, 426,152 und 420,796 Qua-
dratmeter, während ihre Entfernungen vom Mittelprofil
am linken Ufer 90, am rechten aber nur 70,65 Meter
betrugen. Die Profilmessung geschah mit Hilfe einer
über den Fluss gespannten und von drei Nachen ge-
tragenen Leine, an welcher die Längen von einem
vierten Schiffe aus mittelst Messlatten gemessen wurden.
Die Tiefenmessungen wurden in Abständen von 3 und
6 "' mittelst Sondirstange vorgenommen, auch die Ufer-
profile genau aufgenonmien. Um das Schwanken der
Wasserstände jederzeit verfolgen zu können, war an
der Mcssungsstelle ein Hilfspegel angebracht. Trotz
der sehr vorgerückten Jahreszeit (5. bis 14. November
1867) war die Witterung günstig, auch wurden die
Arbeiten durch niedrigen und wenig schwankenden
Wasserstand begünstigt.
Die hauptsächlichsten Geschwindigkeitsmessungen
wurden mittelst eines von Ertel und Sohn in München
bezogenen Weltmann 'sehen Flügels vorgenommen,
dessen Flügelrad 0,i9" Durchmesser und nur zwei
unter 45® gegen die Axe geneigte am Umfange 7,5*^"
breite und 4,5 ^'^ lange Flügel besass. Derselbe war
am untern Ende einer eisernen Stange in der Art be-
festigt, dass seine Axe durch eine damit verbundene
kreuzförmige Fahne von selbst in die Richtung des
Stromes eingestellt wurde. Der Beobachter befand sich
auf einem über zwei Kähne weggelegten Podium und
konnte den Flügel an der stromaufwärts gerichteten
Seite dieses Podiums in beliebige Tiefen versenken , das
Doppelschiff selbst aber konnte mit Hilfe von 2 Ankern
sicher an die verschiedenen Stellen des Querprofiles
gebracht werden, in welchen beobachtet werden sollte,
und die genaue Entfernung der eisernen Stange des
Flügels von dem Festpunkte am Ufer wurde mittelst
des Reichenbach 'sehen Distanzmessers gefunden.
Ueber die nähere Einrichtung dieser Apparate, so-
wie über das Verfahren bei Anstellung der Beobach-
tungen ertheilt unsere Quelle ausfuhrliche Auskunft,
wogegen nähere Angaben über die Justirung des Wolt-
mann 'sehen Flügels, d. h. über die Versuche zur Be-
stimmung seiner Constanten zu wünschen gewesen wären.
Bei dieser Arbeit scheint der Herr Verfasser zunächst
von der Ansicht ausgegangen zu sein, dass das Ver-
hältniss zwischen der Umdrehungszahl des Flügelrades
und der Wassergeschwindigkeit ein constantes sei, hat
aber bei den im Germersheimer Pontonhafen angestellten
Versuchen zur Bestimmung dieses Quotienten gefunden,
dass obiges Verhältniss bei Zunahme der Geschwindig-
keit von 0,4 auf 2 '" pro Secunde von 0,6i48 auf 0,5263
abnimmt, und glaubt, dass der Coefficient bei mehr als
2™ Geschwindigkeit constant bleibe. Da der Flügel
bei 2'" Geschwindigkeit 190 Umdrehungen in 50 Secunden
machte, bei den Messungen im Rheine aber bis zu 250
Umdrehungen in dieser Zeit beobachtet worden sind,
so wäre eine weitere Ausdehnung der Versuche zur
Justirung des Flügels jedenfalls nicht unnöthig gewesen.
Uebrigens erscheint die aufgestellte Formel etwas com-
plicirt und hätte die Berechnung der Coefficienten nicht
bis auf 4 DecimalsteUen getrieben zu werden gebraucht,
da die Geschwindigkeitsmessungen sicher nicht bis auf
Zehntel-Millimeter genau bewirkt werden können. Jede
Flügelbeobachtung wurde auf 2 Minuten Zeit ausgedehnt
und drei- bis viermal wiederholt.
Zur Ermittelung der Oberflächengeschwindigkeiten
hat der Herr Verfasser auch Schwimmerteobachtungen
angestellt. Hierbei wurden theils cubische Holzklötze
von 0,3™ Seitenlange, welche ganz eintauchten, theils
kurze Stäbe von 0,6 bis 0,9™ Eintauchung angewendet,
welche man gruppenweise zu 10 bis 20 von einem ober-
halb der für die Schwimmerbeobachtungen abgesteckten
90™ langen Stromstrecke stationirten Schiffe aus abliess
und deren Bahn durch Messtischaufnahme bestimmt
wurde. Zu diesem Behufe waren parallel zu dem Quer-
schnitt, in welchem die Flügelbeobachtungen angestellt
wurden, in 45™ Entfernung davon, sowohl stromauf-
als stromabwärts ein Paar Querprofile abgesteckt, und
es vnirden durch zwei in der Richtung dieser Profile
am Ufer postirte Beobachter der Ein- und der Austritt
jedes Schwimmers signalisirt, während ein dritter In-
genieur an der Secundenuhr diese Momente notirte und
ein vierter Beobachter auf dem Messtisch die Punkte
auftrug, wo jeder Schwimmer diese Profile passirte.
Aus den beobachteten Schwimmzeiten wurde das Mittel
genommen und damit in den Abstand der beiden Pro-
file dividirt, um die mittlere Geschwindigkeit der
Schwimmergruppo zu erhalten; als Ort, für welchen
diese Geschwindigkeit gelte, wurde aber ein Punkt
25
Bornemann, Neuere Literatur über die Bewegung des Wassers in Fltlssen und Canälen.
26
angesehen, dessen Abstand vom Ufer dem Mittel aus
den Abständen derjenigen Punkte gleich war, in wel-
chem die einzelnen Schwimmerwege das Mittelprofil
schnitten.
Gegen dieses Verfahren dürfte einzuwenden sein,
dass eigentlich für jeden Schwimmer aus der Länge
seines Weges und der dazu verbrauchten Zeit die Ge-
schwindigkeit zu bestimmen und dann aus diesen Ge-
schwindigkeiten das Mittel zu nehmen gewesen wäre;
da aber die Länge der Schwimmerwege selbst dann nur
annähernd erhalten wird, wenn man auch im Mittel-
profil noch den Durchgang der Schwimmer aufnimmt,
so wird das einfachere Verfahren des Herrn Verfassers
nahezu ebenso genaue Resultate geben. Indessen dürfte
es dann auch schon genügen, wenn nur die Durch-
gangspunkte der Schwimmer durch das Mittelprofil auf-
genommen werden, wie man dies gewöhnlich thut, da
die Art, wie der Herr Verfasser die Schwimmerwege
constniirt, nur sehr ausnahmsweise richtige Resultate
geben kann.
Mit dem Weltmann 'sehen Flügel wurde die Ober-
flächengeschwindigkeit an 5 Punkten des Mittelprofiles
für 5,625 Baseler Pegel, ferner an 4 Punkten für 5, 175
Fuss Pegelstand und aus den Schwimmerbeobachtungen
tui 9 Punkten für 4,85 Fuss Pegelstand bestimmt und
es konnten somit drei Wasserspiegelgescliwiudigkeits-
curven graphisch verzeichnet werden. Aus diesen
Curveu hat sodann der Herr Verfasser mittelst gra-
phischer Interpolation die Wasserspiegelgeschwindig-
keitscurve für 5,o Baseler Pegel constniirt. Die fünf
Punkte der ersten Beobachtungsreihe sind so vertheilt,
dass sie eine ziemlich sichere Construction der Curve
gestatten, doch wäre noch ein Punkt in grösserer Nähe
des rechten Ufers zu w^üuschen gewesen, die zweite
Beobachtuugsreihe enthält nur vier Punkte in der Mitte
des Profiles und auch bei der dritten Beobachtungs-
reihe fehlen Beobachtungen in grösserer Nähe des Ufers,
namentlich auf der rechten Seite. Die Form dieser
Curveu ist demgemäss nicht ganz mit der wünschens-
wertheil Sicherheit zu verzeichnen möglich, namentlich
erscheint es zweifelhaft, ob die Geschwindigkeit am Ufer
gleich Null angenommen werden durfte, wie hier ge-
schehen ist.
Auch dürfte wohl in Frage zu ziehen sein, ob die
Ergebnisse der Schwimmerbeobachtungen unmittelbar
mit denen der Flügelbeobachtungen verglichen werden
dürfen, da letztere die Geschwindigkeit im Mittelprofil,
erstere aber die mittlere Geschwindigkeit auf einer
längeren Flussstrecke ergeben, und da die Flügelbeob-
achtungen die Geschwindigkeit bei 0,25™ unter dem
Wasserspiegel, die Schwimmversuche aber die Geschwin-
digkeit in 0,15" unter dem Wasserspiegel anzeigen.
Femer wurden an sechs Punkten des Querprofiles
mit dem Weltmännischen Flügel die Geschwindig-
keiten in verschiedenen Tiefen gemessen, was aber nicht
an einem Tage geschehen konnte, sondern an verschie-
denen Tagen und bei verschiedenen Wassei-ständen ge-
schehen ist. Diese Geschwindigkeiten wurden für jede
Verticale graphisch verzeichnet und ihre Endpunkte
durch eine vom Boden zur Oberfläche reichende Curve
verbunden, die sogenannte Verticalgeschwindigkeits-
parabel. Durch Ausmittelung des Flächeninhaltes dieser
Curven und Division desselben mit der ganzen Tiefe
wurde dann die mittlere Geschwindigkeit in der Ver-
ticalen erhalten, über deren Ort und Verhältniss zur
Wasserspiegelgeschwindigkeit weitere Erörterungen an-
gestellt wurden.
In der ersten Verticalen in 7,3 Meter Abstand vom
linken Ufer wurden bei 5,7 Pegelstand und 1,93 •" Was-
sertiefe die Geschwindigkeiten in 0,25, 0,6, l,i2 und
1,67™ Tiefe gemessen, in der zweiten Verticalen bei
54,275"' Abstand vom linken Ufer wurden bei 5,i2 Pe-
gelstand und 2,85™ Wassertiefe Messungen in 0,25, 1,65
und 2,65'" Tiefe angestellt, in einer dritten Verticalen
bei 79,98™ Abstand vom linken Ufer und 4,7 Pegelstaud
(2,65™ Wassertiefe) ist in 0,25, 0,76, 1,64, 2,o und 2,45™
Tiefe beobachtet worden, in der vierten bei 4,55 Pegel-
stand 82,9™ vom linken Ufer entfernten und 2,6™ tiefen
Verticalen wurde bei 0,25, 0,6, 1,5 und 2,3™ Tiefe ge-
messen, in der fünften bei 4,42 Pegelstand 145,25 ™ vom
linken Ufer entfernten und 1,9" tiefen Verticalen fanden
die Geschwindigkeitsmessungen in 0,25, l,i, 1,4 und 1,7™
Tiefe statt und in der sechsten bei 4,67 Pegelstand um
173,975™ vom linken Ufer entfernten und 1,35™ tiefen
Verticalen wurde in 0,25, 0,8 und l,i5™ Tiefe beobachtet.
Die Bodengeschwindigkeiteu ergaben sich aus der gra-
phischen Auftragung der beobachteten Geschwindigkeiten
und die Oberflächengeschwindigkeit wurde derjenigen
gleich gesetzt, welche bei 0,25™ unter der Obei-fläche
beobachtet worden war. Da die Wasserspiegelbreite
bei 4,55 Pegelstand 200, 1™ betrug, so lag die letzte
Verticale noch ca. 26™ vom rechten Ufer entfernt.
Da bei den Messungen von Humphreys-Abbot,
Darcy-Bazin und Dupuit die mittlere Geschwindig-
keit einer Verticalen in einer Tiefe = 0,577 der Wasser-
tiefe unter der Oberfläche gefunden worden ist, so hat
der Herr Verfasser bei den Baseler Messungen auch
jederzeit eine Geschwindigkeitsmessung in dieser Tiefe
vorgenommen und die dort beobachtete Geschwindigkeit
mit der aus den Parabeln abgeleiteten mittleren Ge-
schwindigkeit verglichen, wobei sich in der That eine
27
BornemanD, Neuere Literatur über die Bewegung des Wassers in Flüssen and Ganäien.
28
recht gute üeboreinstiinmung ergiebt, denn die Ge-
schwindigkeit in 0,58 der Wassertiefe betrug in den
6 Verticalen
99,50 99,85 103,88 104,45 103,04 106,07 Procent
von der berechneten wahren mittleren Geschwindigkeit.
Das Verhältniss zwischen dieser mittleren und der
Wasserspiegelgeschwindigkeit schwankt zwischen 0,7727
und 0,8525 und beträgt im Mittel 0,8226.
Endlich ist auch noch untersucht worden, wie sich
die von Humphreys-Abbot aufgestellte Formel zur
Berechnung der mittleren Geschwindigkeit aus der
grössten und kleinsten Geschwindigkeit in einer Ver-
ticalen bewähre, worüber indessen hier nicht weiter
berichtet werden soll, da diese Bestimmung für die
Praxis ziemlich werthlos ist, insofern die Bodengeschwin-
digkeit und die grösste Geschwindigkeit, sowie die Tiefe,
in welcher diese vorkommt, nur aus der Construction
der Verticalparabel ermittelt werden kann.
Um nun aus den bei verschiedenen Pegelständen
in 6 Verticalen gefundenen mittleren Geschwindigkeiten
die Durchflussmenge des Rheines in dem vermessenen
Profile für den Pegelstand von 5 Fuss zu ermitteln,
schlägt der Herr Verfasser den Weg ein, dass er die
Curve der mittleren Geschwindigkeiten für 5 Fuss Pegel-
stand construirt, das Querprofil in 39 Abtheilungen
theilt, die Flächeninhalte jeder Abtheilung berechnet,
die der Mitte jeder Abtheilung entsprechende Ordinate
der Curve der mittleren Geschwindigkeiten absticht
und die Produkte aus dieser Ordinate in den Flächen-
inhalt addirt, woraus sich sodann die Durchflussmenge
von 828,836^^™ pro Secunde ergiebt.
Bei der Construction der CuiTen der mittlei*en
Geschwindigkeiten wird die Zahl der Ordinaten dadurch
von 6 auf 10 erhöht, dass zwischen die erste und zweite,
zwischen die zweite und dritte Verticale u. s. w. noch
mittlere Ordinaten eingeschaltet werden, für die Be-
rechnung dieser Ordinaten legt aber der Herr Verfasser
die Curve der Wasserspiegelgeschwindigkeiten für fünf
Fuss Pegelstand und die Coefficienten zu Grunde, welche
aus den Geschwindigkeitsmessungen in den 6 Verticalen
für das Verhältniss zwischen der Wasserspiegelgeschwin-
digkeit und der mittleren Geschwindigkeit abgeleitet
worden sind. Da nun diese Coefficienten von 0,77 bis
0,85 schwanken, wie bereits erwähnt wurde, so wird
für die eingeschalteten Ordinaten der Mittelwerth aus
den den beiden Nachbarverticalen zukommenden Coef-
ficienten angewendet.
Es ist oben bereits dargethan worden, dass die
Curve der Wajsserspiegelgeschwindigkeiten nicht ganz
so sicher bestimmt worden ist, als wohl zu wünschen
gewesen wäre, und diese Unsicherheit überträgt sich
allerdings nun auch auf die Ermittelung der Durch-
flussmenge, doch liefert das angewendete Verfahren für
praktische Zwecke jedenfiEdls vollkommen genügend ge-
naue Resultate. Und wenn auch der hier zur Bestim-
mung der mittleren Geschwindigkeit eingeschlagene
Weg etwas umständlich und künstlich erscheinen mag,
so dürfte es doch kaum möglich sein, aus Beobach-
tungen, die an verschiedenen Tagen und bei verschie-
denen Pegelständen gemacht worden sind, auf kürzerem
Wege ein gleich genaues Resultat zu erzielen.
Die durch Division der Durchflussmenge und des
Querprofiles gefundene mittlere Flussgeschwindigkeit
wird nun noch mit der grössten Thalweggeschwindig-
keit verglichen, wobei sich das Verhältniss 0,7305 er-
giebt, und ebenso wird das Verhältniss des Mittel-
werthes der mittleren Geschwindigkeiten der Verticalen
zu der mittleren Flussgeschwindigkeit aufgesucht, wo-
für in Uebereinstinmiung mit Humphreys-Abbot
0,928 erhalten wird.
Neben den Geschwindigkeitsmessungen wurde auch
der Wasserspiegel des Flusses von verschiedenen In-
genieuren an vier verschiedenen Tagen an beiden Ufern
und einmal im Stromstrich selbst nivellirt, wobei sich
ziemlich starke Differenzen herausstellten. Man erhielt
nämlich bei der ersten Messung (5,58 Pegelstand und
in 24 Stuuden 0,i35™ Fallen) bei verpflocktem Wasser-
spiegel auf 1000 Längeneinheiten am linken Ufer 0,9444,
am rechten l,ii76 Gefälle, bei der zweiten Messung
(5,0 Pegelstand und 0,045" Fällen pro Tag) links 1,0228,
rechts l,i594, bei der dritten Messung (4,9 Pegelstand
und 0,0325° Fallen in 4 Stunden) links 1,3739, rechts
1,2826, bei der vierten Messung (4,85 Pegelstand, Was-
serstand beharrend) links l,i82i, rechts 2,2527 und end-
lich im Stromstrich 1,2180 Gefälle auf 1000. Der Herr
Verfasser nimmt hieraus das arithmetische Mittel und
setzt nach den drei ersten Nivellements das Gefälle bei
fallendem Strome =0,ooiiöoi, nach dem 4. und 5. Ni-
vellement aber dasjenige bei beharrendem Wasser =
0,0012177, und hält es hiernach für wahrscheinlich, dass
bei steigendem Wasser das Gefälle 0,ooi2853 betragen
werde.
Ob diese Art der Gefällsbestimmung als ganz sach-
gemäss anzusehen sei, dürfte wohl in Zweifel gezogen
werden. Die angegebenen Ziffern sind nämlich erhalten
worden aus der Niveaudifferenz der beiden Endpunkte,
dividirt durch deren Abstand, welcher bei den Mes-
sungen am Ufer 300 bis 400, bei derjenigen im Strom-
strich aber 260" betrug. Werden aber die verschie-
denen einnivellirten End- und Zwischenpunkte des
Wasserspiegels aufgezeichnet, so ergiebt sich, dass der
Wasserspiegel nicht in einer die beiden Endpunkte ver-
29
BorAemann, Neuere Literatur über die Bewegung des Wassers in Flüssen und CanUlen.
30
bindenden geraden Linie liegt, sondern eine gebrochene
Linie resp. eine Curve bildet. Wäre nun anzunehmen,
dass die gebrochene Linie durch unrichtige Bestimmung
der einzelnen Punkte des Wasserspiegels entstanden
sei, so würde man dafür diejenige gerade Linie einzu-
fahren haben, deren Abstände von der gebrochenen
Linie nach beiden Seiten hin sich ausgleichen; sieht
man aber den Wasserspiegel als eine Curve an, so wird
die Tangente an diese Curve in dem Punkte, wo die
Curve das Querprofil schneidet, als die Gefalllinie zu
betrachten sein.
Es kann aber weiter auch noch die Frage aufgeworfen
werden, ob für Untersuchungen über die Bewegung des
Wassers in Flüssen das Gefalle oberhalb des Messungs-
profiles oder dasjenige unmittelbar im Profil als mass-
gebend anzusehen sei, femer, wie lang zweckmässiger-
weise die Stromstrecke anzunehmen sei, deren Gefälle
man bestimmt, und es sind demgemäss ziemlich ver-
schiedene Auslassungen der vorliegenden Frage mög-
lich, auf welche nochmals näher einzugehen sein wird.
Aus den Nivellements ergab sich übrigens, dass
der Wasserspiegel am linken Ufer um 0,0367 bis 0,i680™
höher lag, als am rechten Ufer, und dass wiederum der
Wasserspiegel im Stromstrich um 0,o230 höher lag, als
derjenige am linken Ufer., Aehnliches hat auch Herr
Geometer Siedler bei einem Nivellement an der obern
und untern Drahtseilfähre bei Basel und Herr Gre-
benau bei Maximiliansau atn Rhein gefunden. Es
dürfte hieraus leider zu folgern sein, dass es sehr
schwer ist, in Strömen, wie der Rhein, geeignete Stellen
zur Vornahme von Versuchen über die regelmässige
Bewegung des Wassers in Flussbetten aufsufinden.
Herr Grebenau vergleicht endlich die gefundenen
Messungsresultate jsdt denjenigen, welche sich nach den
Formeln von Chezy-Eytelwein, Humphreys-Ab-
bot, Darcy-Bazin, Gauckler und Ganguillet-
Kutter ergeben. Es betrug nämlich
die Wasserspiegelbreite . . . TT = 201,27",
die grösste Tiefe D= 2,786»,
der benetzte Umfang .... p = 202,9i "*,
die Flädie des Querprofiles . . a = 426,122^°,
der mittlere Radius . . JB = — = 2,ioo,
P
das Gefalle im Stromstrich . . J= 0,0012177,
die Durchflussmenge .... (2 = 828,8868«^",
die grösste Geschwindigkeit im
Wasserspiegel . . . C= 2,63o",
die mittlere Flussgeschwindigkeit v = 1,945 ^.
Die Chezy-Eytelwein 'sehe Formel t?=50,98/jB€7'
liefert, wenn fiir B und J obige Werthe eingesetzt wer-
den, t; = 2,6T6" oder 32 Procent zu viel,
die Humphreys-Abbot'sche Formel
1; = 0,944. 8,28972 1/ — r~n^/^
w p + fr
giebt V = 1,601 " oder 23 Procent zu wenig,
die Darcy-Bazin'sche Formel
RJ
,00028 -f-
0,00035
R~
ergiebt v = 2,393«', also 23 Procent zu viel,
die Gauckler 'sehe Formel t; = 5,35 yiJ /J für
Gefälle von mehr als 0,ooo7 führt auf v = 1,638", was
16 Procent zu wenig ist,
endlich die Ganguillet-Kutter'sche Formel
V = /JR
23 + — +
0,00165
n
+(
23 +
0,00155
liefert, wenn man n = 0,03o setzt, t; = 1,9387, was mit
der beobachteten mittleren Flussgeschwindigkeit sehr
nahe stimmt.
Sonach stimmt für die Beobachtung bei Basel die
letzte Formel am besten und die Chezy-Eytelwein'-
sche Formel am schlechtesten, wobei freilich etwas mit
darauf ankommt, dass man für den Coefficienten n,
welcher von 0,022 bis 0,035 schwankt, gerade den rich-
tigen Werth trifft.
Neben dem Hauptversuche, über welchen im Obigen
eingehend referirt worden ist, wurden auch noch ver-
gleichende Versuche mit verschiedenen Hy-
drometern angestellt, um die Genauigkeit der ver-
schiedenen Messinstrumente kennen zu lernen.
Aus der Vergleichung der mittelst Schwimmern
in der oben bereits näher beschriebenen Weise ermit-
telten und der mittelst des Weltmännischen Flügels
beobachteten Wasserspiegelgeschwindigkeiten ergab sich,
dass letztere eine nur wenig geringere Geschwindigkeit
anzeigten als jene, was vielleicht darin zu suchen ist,
dass die um 0,3" eintauchenden Schwimmer die mitt-
lere Geschwindigkeit der 0,3" starken Schicht unter
der Oberfläche, also die der Tiefe von 0,i5" entspre-
chenden Geschwindigkeit anzeigten, der Weltmänni-
sche Flügel aber die in der Tiefe von 0,25" unter dem
Wasserspiegel herrschende Geschwindigkeit angab. Klotz-
schwimmer von 0,3" Seitenlänge gaben dieselbe Ge-
schwindigkeit an, als ebenso tief eintauchende cylin-
drische Schwimmer von 0,i" Durchmesser, wogegen
geneigt schwimmende, 1,2" lange, 3*^" breite und 7,r>""
starke Gypslattenschwimmer mit 0,6 bis 0,9" Eintauchung
33
ßornemann, Neuere Literatur über die Bewegung des Wassers in Flüssen und Canälen.
34
Dagegen ist es in der That auffallend, dass sich bei
der Legi er 'sehen Messung eine um 30 Procent grössere
Durchflussmenge ergab, als bei der Grebenau'schen
Messung und dieser Umstand .zeigt sehr deutlich , wie
vorsichtig bei derartigen Versuchen vorgegangen werden
muss. Vor allen Dingen muss für die Schwimmer eine
grössere Weglänge abgesteckt werden, als hier geschehen
ist, dann aber muss auch sorgfältig darauf gesehen
werden, dass dieselben eine möglichst verticale Lage
einnehmen und bis nahe zum Boden hinabreichon; wenn
aber auch die genannten Fehlerquellen vermieden wer-
den, so wird es noch immer zweifelhaft bleiben, ob
mittelst Stabschwimmem wirklich die mittlere Geschwin-
digkeit in den Verticalen gefunden werden kann, und
es ist daher lebhaft zu wünschen, dass diese Frage bald
einmal von geschickten Experimentatoren zur Entschei-
dung gebracht werden möchte.
Das vorstehende ausführliche Referat wird zur Ge-
nüge darthun, wieviel interessante Fragen das be9pro-
chene Werk behandelt, und wenn dieselben auch nicht
alle gelöst erscheinen, so müssen wir dem Herrn Ver-
^Etsser doch dafür sehr dankbar sein, dieselben angeregt
und der Entscheidung näher gebracht zu haben, und
müssen jedem Ingenieur das eingehende Studium dieses
Werkes empfehlen.
In dem zweiten der oben genannten Werke mit
dem Titel
Beiträge zur Hydrographie des Königreichs Böhmen
bespricht Herr Professor A. R. Harlacher vom k. k.
deutschen Landespolytechnikum in Prag zunächst in
einer kurzen Einleitung das Wesen und die Wichtig-
keit der Hydrographie, giebt dann Notizen über die
Flussverhältnisse Böhmens und handelt hierauf ausführ-
lich von der Bestimmung der an der böhmisch -säch-
sischen Grenze in der Elbe abfliessenden Wassermenge.
Der Herr Verfasser hat zur Vornahme dieser Mes-
sungen eine Stelle 650™ unterhalb der Einmündung
des bei dem Dorfe Hermskrotschen in die Elbe fliessen-
den, seinem Flussgebiete nach gänzlich zu Böhmen ge-
hörenden Kamnitzbaches gewählt, da die Elbe da-
selbst an beiden Seiten durch Steindämme eingefasst
ist und nur eine schwache Krümmung zeigt. Die Breite
dos Flusses beträgt daselbst bei Normalwasserstand 118 "
und die grösste Tiefe 3".
Zu seinen Messungen bediente sich Herr Har-
lacher eines von Amsler-Laffon in SchaiFhausen
gefertigten Woltmann 'sehen Flügels, dessen Einrich-
tung in unserer Quelle mit Hilfe einer schönen litho-
graphischen Tafel genau beschrieben ist und nament-
Civllingeolenr XXIII.
lieh bezüglich der Ein- und Ausrückvorrichtung wesent-
liche Verbesserungen zeigt. Das Flügelrad hat 65"™
Durchmesser und besteht aus zwei an kurzen Armen
sitzenden, nach Schraubenflächen gebogenen, in radialer
Richtung 44""* langen und an der äussern Peripherie
90 min breiten trapezoidalen Flügeln. Die Ausrückung
ist so eingerichtet, dass durch einen Zug an der dazu
bestimmten Schnur das Zählwerk aus- oder eingerückt
wird, wenn es vorher ein- oder ausgerückt war, dann
aber in seinem Zustande verharrt, bis von neuem an
der Schnur gezogen wird. Bei dieser Einrichtung wer-
den manche mit der älteren Einrichtung der Welt-
mann 'sehen Flügel verbundene Unzuträglichkeiten be-
seitigt, namentlich, dass der Beobachter die Schnur
gespannt halten muss, so lange das Zählwerk eingerückt
bleiben soll, sodann die Lrungen, welche dadurch ent^
stehen, dass das strömende Wasser die Schnur selbst
anspannt u. s. w. Im Uebrigen wurde dieser Flügel
an einer mit einer Theilung versehenen Gasröhre be-
festigt, in deren Innerem sich der Drath der Ausrücke-
vorrichtung befand ; auch wurde ausser dem gewöhnlich
an den Weltmann 'sehen Flügeln angebrachten Steuer-
ruder an der Stange noch eine Scheibe normal zur Axe
des Instrumentes befestigt und in das Querprofil ein-
visirt, um sicher zu sein, dass die Flügelaxe in der
Richtung des Stromes stehe.
Zur Justirung dieses Instrumentes wurden im Hafen
zu Podol in stillstehendem Wasser Versuche angestellt.
Die Strecke, auf welche der Flügel von einem mit ver-
schiedener Geschwindigkeit fortbewegten Schiffe aus
gegen den Strom geführt wurde, betrug 105,26"', die
Dauer der Beobachtungszeit 41 bis 162 Secunden, so
dass Geschwindigkeiten von 0,65 bis 2,56™ beobachtet
wurden, wobei der Flügel 2,42 bis 9,60 Umdrehungen pro
Secunde machte. Die Ergebnisse dieser Versuche wurden
graphisch verzeichnet, indem auf der Abscissenaxe die
in 30 Secunden gemachten Umdrehungen (im Maass-
stabe von 15 Umdrehungen =10™™), in deren End-
punkten aber die entsprechenden Geschwindigkeiten
pro Secunde (im Maassstabe von 1 : 150) als Ordinaten
aufgetragen und deren Endpunkte sodann durch eine
Curve verbunden wurden, welche sehr nahe mit einer
durch den Anfangspunkt der Coordinaten gehenden
Geraden zusammenfiel. Aus dieser Figur konnten nun
leicht die den Umdrehungszahlen für je 30 Secunden
entsprechenden Geschwindigkeiten abgelesen, aber auch
zugleich als Linien zu weiteren graphischen Operationen
abgegriffen werden.
Bei der am 12. April 1871 vorgenommenen ersten
Wassermessung wurde zunächst am rechten Ufer ein
Hilfspegel angebracht, dann aber die Profil- und die
3
35
Bornemann, Neuere Literatur über die Bewegung des Wassers in Flüssen und Canälen.
36
Geschwindigkeitsmessung gleichzeitig ausgeführt. Da
der Schiflffahrt halber kein Seil über den Fluss gespannt
werden konnte, so musste eine Visirlinie abgesteckt
und das Schiff durch Rückwärtsvisiren eingestellt, seine
Stellung aber mit dem Messtisch aufgenommen werden.
Es wurden an 9 Stellen im Querprofil und zwar in
jeder Verticalen in mehreren Tiefen Beobachtungen
angestellt Die erste Verticale bei 1,4"* Abstand vom
linken Ufer scheint nur zu einer Geschwindigkeitsmes-
sung bei 0,35™ Tiefe unter dem Wasserspiegel benutzt
worden zu sein, die zweite bei 13,8™ Abstand vom linken
Ufer zu drei Messungen in 0,i, 0,8 und 1,5™ Tiefe, die
dritte bei 27,76™ Abstand vom linken Ufer zu drei
Messungen in 0,i, 0,8 und 1,65™ Tiefe, über die vierte
43,12™ vom Ufer entfernte und 3,oo™ tiefe Verticale
sind Angaben bezüglich der Geschwindigkeitsmessungen
zu vermissen, in der fünften 56,37™ vom Ufer entfernten
und 3,05™ tiefen Verticalen wurde bei 0,i, 0,8, 2,o und
2,8™ Tiefe beobachtet, iji der sechsten Verticalen (Ab-
stand vom linken Ufer =69,37, Tiefe =2,6) in den
Tiefen 0,i, 0,8, 1,5 und 2,3™ und so fort bis zur 9.
Verticale, welche in 5,84™ Abstand vom rechten, also
in 114,57™ Entfernung vom linken Ufer angenommen
wurde.
Ob jede Geschwindigkeitsmessung mehrmals wieder-
holt wurde, ist nicht angegeben, bei der Raschheit,
mit welcher die ganze Messung durchgeführt worden ist,
auch kaum zu erwarten, obgleich dies bei der angenom-
menen kurzen Beobachtungszeit keineswegs überflüssig
gewesen wäre.
Was nun die Verarbeitung dieser Beobachtungs-
data betrifft, so ist auf das dabei angewendete gra-
phische Verfahren besonders aufmerksam zu machen.
Denkt man sich in einem Stromquerschnitt an jedem
Punkte desselben und rechtwinklig zur Ebene des
Querschnittes eine die Geschwindigkeit des betreffenden
Wasserfadens repräsentirende Linie aufgetragen, so erhält
man einen Körper, dessen Volumen die Durchflussmenge
darstellt. Durch die an verschiedenen Punkten des Quer-
schnittes vorgenommenen Geschwindigkeitsmessungen
ist man in Stand gesetzt, diesen Körper zu construiren,
indem man an denjenigen Punkten des Querschnittes,
in welchen man beobachtet hat, Normalen errichtet,
deren Länge der daselbst beobachteten Geschwindigkeit
entspricht, und durch die Endpunkte dieser Normalen
eine sie umhüllende Fläche legt. Den Cubikinhalt eines
derartigen Körpers ermittelt man dann in der Weise,
dass man zu der die Grundfläche bildenden Fläche des
Querproflles in gleichen Abständen Parallelebenen legt,
welche in dem Körper ebensoviel Querschnitte (Niveau-
curven) bilden, dann die Flächeninhalte dieser Quer-
schnitte ermittelt, den zwischen zwei benachbarten Quer-
schnitten eingeschlossenen Körperabschnitt als Prisma
berechnet und diese Inhalte addirt.
Der Herr Verfasser wendet daher folgende Con-
structionen zur Ermittelung der Durchflussmenge an.
Auf Gi*und der in jeder Verticalen angestellten Ge-
schwindigkeitsmessungen werden die zugehörigen Ge-
schwindigkeitsparabeln construirt. Zieht man nun im
Abstände von 0,25, 0,50, 0,75, l,o™ u. s. f. Parallelen
zu der die Wassertiefe repräsentirenden Verticalen, so
schneiden dieselben die Geschwindigkeitsparabeln an den-
jenigen Stellen, wo die Geschwindigkeit 0,25, 0,50, 0,75,
1,0™ u. s. f. beträgt. Verbindet man dann die Orte
aller der Punkte, in welchen dieselbe Geschwindigkeit
stattfindet, so bekommt man Curven, welche sich mit
den bei der Cubicirung von Bergen und dergl. dieselbe
Rolle spielenden Niveaucurven vergleichen lassen, und
welche, nachdem deren Flächeninhalte durch Polarpla-
nimeter oder sonst ermittelt worden sind, in bekannter
Weise zur Berechnung des Gubikinhaltes benutzt werden.
Sollen diese Constructionen leicht und sicher vor-
genommen werden können, so muss man in möglichst
vielen Verticalen und in jeder Verticalen wieder in zahl-
reichen Punkten beobachtet haben, erhält aber dann
auch eine wesentlich genauere Bestimmung der Durch-
flussmenge, als wenn man aus der Verticalgeschwindig-
keitsparabel blos die mittlere Geschwindigkeit einer
Verticalen ableitet und hiermit die Abtheilung des
Flussquerschnittes multiplicirt, in deren Mitte die be-
treffende Verticale sich befindet.
Der Herr Verfasser hat als das Ergebniss seiner
Messungen erhalten:
die Wassermenge ^ = 281*^^™,
die Fläche des Profils .... F= 252,4«™,
die mittlere Geschwindigkeit . . v= l,ii
die mittlere Oberflächengeschwin-
digkeit = 1,35
das Verhältniss der mittleren zur
grössten Geschwindigkeit = 0,73 :i,
dasjenige der mittleren Oberflächen-
geschwindigkeit zur mitt-
leren Geschwindigkeit des
ganzen Profils . . . . = 1,27: i.
Es ist interessant zu notiren, dass Hen* Har-
1 acher zwischen der mittleren Flussgeschwindigkeit
und der grössten Oberflächengeschwindigkeit dasselbe
Verhältniss gefunden hat, wie Herr Grebenau.
Ausser diesen Messungen wurde auch das Grefälle
der Elbe an der Messungsstelle aufgesucht. Man er-
hielt durch Einnivelliren des Wasserspiegels am linken
m
m
37
Bornemann, Neuere Literatur über die Bewegung des Wassers in Flüssen und Canälen.
38
Ufer an einem Punkte, der 114™ oberhalb des Pro-
files lag, bis zum Wasserspiegel im Profil das relative
Gefälle 0,ooo39ö und von da bis zu einem 95° weiter
abwärts gelegenen Punkte das Gefälle 0,ooo2io, wogegen
am rechten (concaven) Ufer zwei Punkte in 76 und
152" Entfernung vom Profil die Gefalle 0,ooo263 und
0,000395, ein unterhalb des Profiles in 76™ Abstand
angenommener Punkt aber das Gefälle 0,ooosi2 ergab.
Nach Aufzeichnung der einnivellirten Punkte wurden
Curven durch dieselben gelegt und in den Profilpunkten
Tangeuten daran gezogen, wobei sich ergab, dass diese
Tangenten unter sich parallel waren, dass aber diejenige
am rechten Ufer um 30™™ höher lag, als die am linken
Ufer. Das hierdurch erlangte Gefälle betrug 0,ooo3ir),
während das durchschnittliche Gefälle der Strecke
Tetschen-Niedergrund 0,ooo399 und dasjenige der Strecke
Niedergrund-Schandau 0,ooo333 beträgt.
Herr Har lach er vergleicht nun ebenfalls die Er-
gebnisse seines Versuches mit denjenigen, welche sich
nach einer grösseren Zahl von Formeln ergeben, wenn
man die bei seinen Messungen gewonnenen numerischen
Werthe für Gefälle, Querschnittsfläche, benetzten Um-
fang u. s. w. in diese Formeln einsetzt. Die Vergleichung
zeigt, dass die Eytel wein 'sehe Formel 17 Proc. zu
viel, die Humphreys-Abbot'sche 7 Proc. zu wenig,
die Darcy-Bazin'sche 9 Proc. zu viel, die Gauck-
1 er 'sehe 52 Proc. zu viel, die Hagen 'sehe 18 Proc.
zu wenig, die Bornemann 'sehe 3 Proc. zu wenig und
die Ganguillet-Kutter'sche Formel 8 Proc. zu viel
giebt.
Jedenfalls reicht ein Einzelversuch, wie der beschrie-
bene nicht hin, um über die allgemeine Brauchbarkeit
einer Formel zu entscheiden, weshalb auf diese Ergeb-
nisse nicht viel Werth zu legen sein dürfte.
Sehr beachtenswerth sind noch die Bemerkungen
des Herrn Verfassers über derartige Versuche und die
mannichfachen Fehlerquellen, welche dabei störend ein-
wirken können. Als solche Fehlerquellen werden her-
vorgehoben : Ungenauigkeit bei der Tiefenmessung, welche
namentlich in tiefen Flüssen mit steinigem Boden und
Geschieben vorkommt, Fehler in der Breitenmessung,
Fehler in der Bestimmung der Constanten des Welt-
mann 'sehen Flügels, Fehler in der Stellung der Flügel-
axe, Fehler in dem Ablesen der Zeit und im Ein- und
Ausrücken des Flügels, Ungenauigkeit im Ablesen der
Umdrehungszahl und endlich Störungen des Flügels
durch Unreinigkeiten im Wasser. Ueberdies ist aber
noch von grossem Einflüsse die genaue Bestimmung
des Gefälles, wobei theils in Folge der Unruhe des
Wasserspiegels, theils in Folge der dem Nivelliren selbst
eigenthümlichen Fehlerquellen sehr leicht Fehler bis zu
20 Procent des wahren Werthes begangen werden kön-
nen. Vergegenwärtigt man sich die Menge und den
grossen Einfluss dieser Fehlerquellen, so kann es kaum
überraschen, dass bis jetzt noch keine Formel gefunden
worden ist, welche mit allgemeiner Zuverlässigkeit an-
gewandt werden könnte.
Der im ersten Hefte der „Beiträge" beschriebene
Versuch, über welchen wir jetzt referirt haben, ist
übrigens gewissermassen nur als eine Vorübung zu den-
jenigen Versuchen anzusehen, welche Herr Prof. Har-
lacher im zweiten Beitrage (Prag 1873) mittheilt,
und bei denen nicht nur in demselben Querprofile
gearbeitet, sondern auch im Allgemeinen ganz dasselbe
Verfahren verfolgt, aber doch manche Verbesserung
angebracht wurde, die zur Erzielung genauerer Resul-
tate beitragen konnte. Derartige Verbesserungen sind,
dass zu den Messungen ein Doppelschiff mit darüber
gelegtem Podium verwendet wurde, dass auf diesem
Schifl'e ausser dem den Wolt mann 'sehen Flügel hand-
habenden Herrn Verfasser auch noch ein Gehilfe postirt
war, welcher die einzelnen Beobachtungsdata zu notiren
und die Zeit an einer Secundenuhr mit springender
Secunde zu beobachten hatte, dass zur Aufnahme der
verschiedenen Messungspunkte ein Theodolit statt dos
Messtisches verwendet wurde, dass die Dauer jeder
Geschwindigkeitsmessung auf 60 anstatt 30 Secunden
normirt wurde, dass das Querprofil durch vier Mes-
sungen mit 37 Peilungen bestimmt und endlich dass
der Weltmann 'sehe Flügel neu justirt wurde.
Auch auf die Gefällmessung wurde die grösste
Sorgfalt verwandt; die abgesteckte Strecke maass 150"
auf- und 150™ abwärts vom Querprofil und der Wasser-
spiegel wurde alle 30™ einvisirt, dann wurde das Ni-
vellement in 1000 fach verzerrtem Maassstabe, nämlich
die Längen in -jkfjk ^^^ natürlichen Grösse, die Höhen
aber in natürlicher Grösse, aufgetragen, durch die
Wasserspiegelpunkte eine Curve hindurchgezogen und
an diese in dem Punkte, welcher dem Querprofil ent-
sprach, eine Tangente gelegt, deren Neigung als das
Gefälle angesehen wurde. Merkwürdiger Weise ergab
sich bei Hoch-, Normal- und Niedrig wasser dasselbe
Gefälle 0,ooo3i5, welches schon bei der Messung vom
Jahre 1871 gefunden worden war.
Bei der ersten Messung lag der Wasserspiegel bei
2,06™ unter dem Fixpunkt auf der Krone des recht-
seitigen Dammes und nur um weniges tiefer, als bei
der im ersten Beitrage beschriebenen Messung, es er-
gab sich auch eine nahezu gleiche Durchflussmenge,
nämlich 270, statt 281 Cubikmeter; bei der zweiten
i
39
Boruemann, Neuere Literatur Über die Bewegung des Wassers iu Flttssen und Canälen.
40
v-J
Messung lag aber der Wasserspiegel 2,49 und bei der
dritten 3,06™ unter dem Fixpunkt.
Die an verschiedenen Stellen der Verticalen beob-
achteten Geschwindigkeiten wurden zunächst zur Con-
struction der sogenannten Verticalgeschwindigkeits-
parabeln benutzt, deren die erste Messung 9, die zweite
10 und die dritte wiederum 9 ergab. Bei der Betrach-
tung dieser Curven ersieht man , dass die grösste Ge-
schwindigkeit einer Verticalen theils im, theils in ver-
schiedener Tiefe unter dem Wasserspiegel liegt und mit
der Höhe des Wasserstandes tiefer zu rücken scheint;
femer, dass die mittlere Geschwindigkeit der einzelnen
Verticalen, welche durch Division der Fläche der Ge-
schwindigkeitsparabeln mit der Tiefe erhalten wird, bei
hohem Mittelwasser in 0,58 bis 0,67, bei Mittelwasser
in 0,50 bis 0,67 und bei Niederwasser in 0,54 bis 0,62
der Tiefe unter dem Wasserspiegel zu finden ist, end-
lich, dass die Sohlengeschwindigkeit 19 bis 60 Procent
von der Oberflächengeschwindigkeit oder 22 bis 76 Pro-
cent von der mittleren Geschwindigkeit beträgt.
Diese Verhältnisse lassen sich besonders bequem
überblicken in einer graphischen Darstellung, welche
die drei Profile in verzerrtem Maassstabe (lOfacher
Maassstab für die Tiefen und Geschwindigkeiten) mit
eingezeichneten Geschwindigkeitscurven vorführt. Es
ist nämlich die Curve der mittleren Geschwindigkeiten
in den einzelnen Verticalen, diejenige der Maximalge-
schwindigkeit in denselben und die Curve der mittleren
Geschwindigkeit im ganzen Profil in die Querprofile
eingezeichnet, auch sind zwei Figuren beigefügt, wovon
die eine die Curven der Oberflächengeschwindigkeiten
und die zweite die Curven der Bodengeschwindigkeiten
für die drei Wasserstände vorführte. Ausserdem sind
aber zur Orientirung auch noch drei numerische Ta-
bellen mitgetheilt, in welchen über viele Grössen
und Verhältnisse die einer jeden Verticalen entspre-
chenden Ziff^em zusammengestellt sind, nämlich über
die mittlere Geschwindigkeit, die Tiefe, in welcher die-
selbe stattfindet und das Verhältniss dieser Tiefe zur
ganzen Tiefe der Verticalen, dann über Obei'flächen-,
Sohlen- und Maximal -Geschwindigkeit, die Tiefe, in
welcher letztere stattfindet und das Verhältniss dieser
zur ganzen Tiefe, ferner über das Verhältniss der mitt-
leren Geschwindigkeit, der mittleren Oberflächen-,
Sohlen- und Maximal-Geschwindigkeit zur Tiefe, dann
über das Verhältniss der mittleren Geschwindigkeit zur
Maximal-, Oberflächen- und Sohlen -Geschwindigkeit,
endlich über das Verhältniss der Sohlen- zur Ober-
flächen- und der Oberflächen- zur Maximal-Geschwin-
digkeit.
Es sei uns gestattet, hier einige dieser Zahlen ab-
zuschreiben.
Hoch- Mittel- Niedrig-
wasser.
Querschnittsfläche in Qu.-Met. 245,4 192,o 119,3
mittlere Geschwindigkeit im
ganzen Profil .... l,i 0,95 0,76
Durchflussmenge in Cub.-Met.
pro Secunde .... 270,o 182,3 90,8
grösste Geschwindigkeit im
ganzen Profil .... * 1,48 1,30 l,i2
mittlere Wasserspiegelgeschwin-
digkeit 1,27 1,10 0,85
grösste Wasserspiegelgeschwin-
digkeit 1,42 1,27 1,11
mittlere Bodengeschwindigkeit 0,67 0,44 0,38
mittlere Gesch. zur Maximal-
Geschwindigkeit . . . 0,74 0,73 0,68
mittlere Geschw. z. mittleren
Wasserspiegelgeschw. . 0,87 0,86 0,90
mittlere Geschw. z. mittleren
Bodengeschw 1,93 2,i6 2,oo
mittlere Geschw. z. grössten
Wasserspiegelgeschw. . 0,77 0,75 0,69
mittlere Geschw. z. mittleren
Tiefe 0,55 0,59 0,67
Diese Uebersicht ist sehr lehrreich, indem sie zeigt,
dass die verschiedenen Geschwindigkeiten nicht in con-
stanten Verhältnissen zu einander stehen, auch für die
Tiefen, in welchen sie auftreten, keine allgemein gül-
tigen Regeln aufgestellt werden können.
Soll nun mit Hilfe der angestellten Messungen bei
drei verschiedenen Wasserständen auch für andere
Wasserstände die Durchflussmenge bestimmt werden, so
kann das innerhalb gewisser Grenzen sehr leicht mit-
telst graphischer Interpolation geschehen, da jedoch die
Querschnitte des Profiles für jeden Wasserstand sehr
genau angegeben werden können, und die Durchfluss-
mengen das Product aus den Profilquerschnitten und
mittleren Geschwindigkeiten sind, so erscheint es rich-
tiger, eine Interpolationsformel für die mittlere Ge-
schwindigkeit des Flusses zu ermitteln, und hierzu schlägt
der HeiT Verfasser, da er keine der bisher aufgestellten
Formeln über die Bewegung des Wassers als genügend
zutrefl'end erachten kann, den Weg ein, dass er die
mittlere Geschwindigkeit als Function gewisser unbe-
kannter Potenzen des Profilradius und des Getälles an-
sieht und aus seinen Versuchen diese Potenzen zu be-
stimmen sucht, was insofern weniger Schwierigkeiten
macht, als das Gefälle bei allen drei Wasserständen
gleich gefunden worden war.
41
Bornemann, Neuere Literatur über die Bewegung des Wassers in Flüssen und Canälen.
42
Es ist also in der Gleichung v = ^r'' nur der Coef-
ficient £ und die Potenz x zu bestimmen, und da
bei Niedrigwasser i; = 0,76 r=l,i3
„ Mittelwasser v = 0,95 r = 1,60
„ Hochwasser t? = l,io r = 2,oi
gefunden worden war, so berechnen sich für x die
Werthe
0,642 0,642 0,643
und dann, bei Annahme des Werthes 0,642, für t die
Werthe
0,7026 0,7026 0,7026,
so dass die Formel lautet:
t; = 0,7026. r®»^*.
Eine Vergleichung der nach dieser Formel sich
berechnenden Geschwindigkeiten mit den nach ver-
schiedenen neueren Formeln berechneten Geschwindig-
keiten zeigt, dass bei den niedrigeren Wasserständen
mehrere Formeln ziemlich gleiche Resultate geben, dass
aber die Abweichungen bei den höheren Wasserständen
sehr fühlbar werden. Die der neuen Formel entspre-
chende Curve liegt zwischen den Curven, die nach den
Formeln von Darcy-Bazin und Ganguillet-Kutter
einerseits, sowie nach denjenigen von Humphreys-
Abbot und Grebenau andrerseits construirt worden
sind, fast genau in der Mitte. Trotzdem dürfte diese
Formel nur mit Vorsicht zu acceptiren sein, da die
Voraussetzung, dass das Gefälle der Ströme, wie dies
in der Elbe an der Maassstelle zu Hermskretschen bei
drei Wasserständen beobachtet worden ist, für alle
Wasserstände gleich bleibe, doch noch weiterer Bestä-
tigungen bedürfen möchte. Möglicherweise hätte sich
auch an dieser Stelle bei bedeutendem Hochwasser oder
bei sehr kleinem Wasser ein anderes Gefälle heraus-
gestellt, als 0,000315.
Wie bereits bemerkt, stellt der HeiT Verfasser
diese Formel nur zu dem Zwecke auf, um die verschie-
denen Wasserständen in dem Profile bei Hermskretschen
entsprechenden Durchflussmengen zu berechnen. Zu
Lösung dieser Aufgabe wären nun aber auch fortlau-
fende Pegelbeobachtungen, oder noch besser die Auf-
zeichnungen eines selbstregistrirenden Pegels erforderlich
gewesen, da diese jedoch fehlten, so wurden die Pegel-
beobachtungen in Tetschen und Schandau benutzt, um
mittelst Interpolation danach die Wasserstände aufzu-
finden, welche gleichzeitig au der zwischen den ge-
nannten beiden Orten befindlichen Stelle bei Herms-
kretschen stattgefunden haben dürften. Hierzu ist
natürlich eine Reihe correspondirender Pegelstände im
Profil, sowie in Tetschen und Schandau erforderlich,
da die Wasserstände an diesen drei Orten nicht ganz
in gleichem Maasse steigen und fallen. Hierauf trägt
der Herr Verfasser die Wasserstände im Profil als Or-
dinaten, diejenigen des Schandauer (resp. Tetschener)
Pegels als Abscissen auf, legt durch die den gleich-
zeitigen Wasserständen entsprechenden Punkte eine
Curve und interpolirt mit Hilfe dieser Curve für jeden
beliebigen Pegelstand in Schandau, resp. in Tetschen,
den entsprechenden Wasserstand im Profil, so daas er
im Stande ist, auf die zweite Hälfte des Jahres 1871
eine Wasserstandscurve für das Profil zu construiren.
Dieselbe zeigt einen mittleren Wasserstand von 2,84"
unter dem Fixpunkte, wahrend am Tetschener Pegel 0,33,
am Schandauer 1,22" unter Null stattfand. Der höchste
Wasserstand in diesem Halbjahre (8. Juli) fiel 1,47"
höher, der niedrigste (7. December) 0,68" tiefer als der
mittlere Wasserstand aus.
Für jeden Wasserstand lässt sich nun mit Hilfe
der Formel t;=0,7026.r®»^* die mittlere Geschwindig-
keit berechnen, da das zugehörige Querprofil leicht
construirt und somit der entsprechende Werth des
F
mittleren Radius r== — angegeben werden kann; und
dann giebt die Multiplication der Querschnittsfläche
mit der mittleren Geschwindigkeit die pro Secunde
durch das Profil fliessende Wassermenge. Drückt man
die Wassermenge durch eine gerade Linie aus und trägt
man die entsprechenden Längen als Ordinaten, die
Zeiten aber als Abscissen an, so erhält man die Curve
der abfliessenden Wassermengen, denn eine derartige
Curve kann als aus sehr vielen schmalen Streifen von
1 Secunde Breite bestehend betrachtet werden, so dass
ihre Fläche die in der auf der Abscissenaxe aufgetra-
genen Zeit abgeflx)ssene Wasseimenge darstellt.
Unsere Quelle giebt solch eine Darstellung der im
zweiten Semester 1871 abgeflossenen Wassermenge, bei
welcher die Zeit eines Tages mit 2"" Länge auf der
Abscissenaxe und eine Wassermenge von 2*=^" mit 1""
Länge auf der Ordinatenaxe angetragen ist. 1000 Q""
entsprechen demnach einer Wassermenge von 86400000*^^",
und es lassen sich daher aus den mit dem Polarplani-
meter gemessenen Flächeninhalten der einzelnen Mo-
nate leicht die in diesen Monaten in der Elbe abge-
flossenen Wassermengen berechnen. Dieselben betrugen
im Juli 639317000, im August 359917000, im September
196727000, im October 305230000, im November
221391000 und im December 334459000, zusammen
2057041000^^", durchschnittlich pro Tag 11 Millionen
und pro Secunde 130 ''^". Die kleinste tägliche Wasser-
menge fiel mit 3689000^^" auf den 7. December, die
grösste mit 36858000«^" auf den 8. Juli.
Zieht man die Mittelwerthe aus den monatlichen
43
Bornemann, Neuere Literatur über die Bewegung des Wassers in Flüssen und Canälen.
44
Durchflussmengen und sucht man dann die diesen
Wassermengen entsprechenden Wasserstände, so erhält
man nahezu dieselben Wasserstände, als wenn man aus
mittlere Wassermenge pro Secunde
entsprechender Wasserstand
sogenannter mittlerer Wasserstand
Das den Wasserständen vorgesetzte — Zeichen be-
deutet, dass der Wasserspiegel unter dem Fixpunkte lag.
Für das ganze Halbjalir ergiebt sich aus den Pegel-
ständen der mittlere Wasserstand — 2,84, aus der mitt-
leren Durchflussmenge (129,4 <'*»") berechnet sich aber
der um 4^" höhere Wasserstand — 2,80", es ist daher
nicht ganz richtig, wenn man die Wassermenge beim
mittleren Wasserstande als die mittlere Durchflussmenge
ansieht.
Hiermit schliesst die zweite Lieferung der Beiträge
zur Hydrographie Böhmens, die sich namentlich durch
die vielfache Anwendung eleganter graphischer Con-
structionen auszeichnet und als ein Muster für die
Bearbeitung und Ausnutzung hydrometrischer Versuche
hingestellt werden kann. Die Durchführung derartiger
Arbeiten für alle bedeutenderen Flüsse Deutschlands
würde gewiss in allen technischen Kreisen ein gleich
hohes Interesse erregen, als die mitteleuropäische Grad-
messung, und da auf Letztere seit so vielen Jahren
ansehnliche Summen aus Staatsmitteln verwendet wor-
den sind, ^so wäre wohl auch die Bewilligung der er-
forderlichen Geldmittel zu umfassenden hydrographischen
Arbeiten zu hoff'en, wenn die deutschen Ligenieurver-
eine dahin zielende Anträge stellten.
den einzelnen Wasserständen das arithmetische Mittel
nimmt, wie nachstehende Zusammenstellung zeigt:
Juli.
August
Septbr.
October.
Novemb.
Decbr.
238,7
134,4
75,9
114,0
85,4
124,9,
2,20
— 2,77
3,18
— 2,90
3,11
— 2,83,
— 2,22
— 2,77
3,18
2,91
3,11
— 2,87,
mittlere Wassermenge pro Secunde
entsprechender Wasserstand
sogenannter mittlerer Pegelstand
Januar.
190
— 2,45
— 2,46
Man erkennt hieraus wieder, dass das arithmetische
Mittel aus den Pegelständen nicht völlig mit demjenigen
Pegelstande zusammenfällt, bei welchem die mittlere
Durchflussmenge stattfindet. Letztere beträgt für das
ganze Halbjahr 262^^", also ziemlich das Doppelte von
der mittleren Durchflussmenge des vorigen Semesters.
Noch bedeutender sind die Unterschiede bezüglich der
kleinsten (43 und 113) und grössten (429 und 2485 <'^")
Durchflussmenge dieser beiden Halbjahre.
Yertheilt man diese Durchflussmengen auf das ge-
sammte, bis zum Herrnskretschenei: Profil 50600 Qu.-
Kilometer betragende Niederschlagsgebiet der Elbe, so
ergiebt sich, dass in der zweiten Hälfte 1871 40600, im
ersten Halbjahr 1872 81500, und im ganzen Jahre
In dem dritten Beitrage behandelt der Herr Ver-
fasser die Wasserverhältnisse und Abflussmenge der
Elbe im ersten Halbjahr 1872 in derselben Weise, wie
er im vorigen Beitrage diejenigen des 2. Semesters 1871
behandelt hat. Er hält es nämlich für angezeigt, bei
hydrographischen Arbeiten das Jahr mit dem 1. Juli
zu beginnen und mit Schluss des Monats Juni des fol-
genden Jahres zu schliessen, weil die im Winter ge-
fallenen Niederschläge grösstentheils erst später zum
Abfluss gelangen.
Da in diesem Halbjahre keine neuen Wasseimes-
sungen angestellt worden sind, so musste die Wasser-
mengencurve unter der Voraussetzung construirt wer-
den, dass das Gefälle der Elbe auch bei höheren
Wasserständen unverändert 0,ooo3iö betrage und die
mittlere Geschwindigkeit nach der Formel >; =
/ p 0,641
0,7026 f — 1 berechnet werden könne, was allerdings
die jerzielten Resultate etwas fraglich macht.
Wir wollen von den dieses Halbjahr betreffenden
Ergebnissen der Vergleichung wegen Nachstehendes
mittheilen :
Februar.
166
— 2,58
— 2,62
März.
343
— 1,70
— 1,77
April.
299
— 1,90
— 1,93
Mai.
348
— 1,68
— 1,91
Juni.
221,
— 2,29,
-— 2,35,
1871/72 122000*^*»"^ Wasser pro Quadrat-Kilometer ab-
geflossen sind, was nur etwa 25 Procent der Nieder-
schlagsmenge betragen dürfte.
Besonders interessant ist in dieser dritten Lieferung
die Verfolgung des in Folge bedeutender im Fluss-
gebiete der Beraun niedergegangener Wolkenbrüche
entstandenen Hochwassers zu Ende Mai 1872 , wozu die
Pegelstandsbeobachtungen an 38 Stationen der 836 Ki-
lometer langen Flussstrecke benutzt werden konnten.
Es ist jedenfalls sehr richtig, dass bei diesen Unter-
suchungen nicht die wirklichen Pegelstände, sondern
die Veränderungen des Pegelstandes gegen den unmit-
telbar vor Eintritt des Hochwassers vorhanden gewe-
senen Pegelstand zum Vergleich benutzt worden sind.
45
Bornemann, Neuere Literatur über die Bewegung des Wassers in Flüssen und Canälen.
46
Die Curven, welche diese Veränderungen an 24 zwischen
Prag und Hamburg gelegenen Stationen, auf die Zeit
vom 25. Mai bis 8. Juni 1872, repräsentiren, geben ein
vortreflFliches Bild des Verlaufes eines derartigen durch
locale Einflüsse am Anfang der Stromstrecke entstan-
deneu Hochwassers. Sie nehmen stromabwärts an Höhe
stetig ab, an Breite des Wellenberges stetig zu, zeigen
im obern Theile des Stromlaufes ein sehr steiles Steigen
und sehr kurzes Verharren im Maximalstande, weiter
abwärts aber ein immer langsameres Anschwellen und
eine immer längere Dauer des Hochwassers, entsprechen
also ganz dem Typus einer grossen Welle. Selbst in
Hamburg, wo dieses Hochwasser nicht aufgefallen war,
lässt es sich noch erkennen, wenn man die Pegelstände
bei der Ebbe vergleicht. Von Prag bis Dresden legte
das Hochwasser 215 Kilometer Weg in 34 Stunden,
von Prag bis Wittenberg 378 Kilom. in 88 Stunden
und von Prag bis Hamburg 794 Kilom. in 240 Stunden
zurück, so dass das Vorrücken im unteren Theile des
Stromlaufes ein bedeutend langsameres ist, als im
oberen.
Wesentlich anders verlaufen die in Folge Thau-
wetters im Frühjahr eintretenden Hochwässer, bei denen
von allen Seiten vermehrte Zuflüsse stattfinden. Hier
würde man erwarten, dass die Hochwasserwelle immer
mehr anwachsen müsste, je weiter sie stromabwärts
vorrückt; wie Herr Harlacher zeigt, ist dies aber
nicht ganz so, sondern es macht sich daneben auch die
Configuration des Strombettes geltend, indem die Früh-
jahrshochwässer der Elbe blos bis Tetschen ein stetiges
Anwachsen zeigen, dann aber abnehmen.
Auch die Sommerhochwasser scheinen wieder einen
besonderen Verlauf zu nehmen, nämlich eine weniger
rasche Zunahme bis in die Gegend von Aussig und
eine viel beträchtlichere Abnahme von da bis Magdeburg,
doch ist von derartigen Hochwässern nur ein einziges
in Vergleich gezogen worden.
Während die beiden*) im Obigen besprochenen
Werke eine vorzugsweise praktische Richtung verfolgen
und neben der ausführlichen Darstellung der von den
Herren Verfassern durchgeführten Wassermessungen im
Rhein und der Elbe nur mehr nebenbei die theoretische
*) Beim Stodlum dieses dritten Beitrages ist es namentlich
die £leganz der Behandlang, welche den Leser fortwährend fes-
selt und anregt, was dagegen die numerischen Resultate anlangt.
so würden dieselben ein weit höheres Vertrauen einflössen, wenn
auch im ersten Halbjahre 1872 einige Wassermessungen und Ni-
vellements und zwar besonders bei solchen Wasserständen vor-
genommen worden wären, welche gegen diejenigen der ersten
Messung erheblich differirten.
Seite des vorliegenden Gegenstandes behandeln, be-
schäftigt sich der Herr Verfasser der beiden im Nach-
stehenden zu besprechenden Schriften vorwiegend mit
der Theorie der Bewegung des Wassers in Flüssen,
während er seine sehr grossartigen hydrometrischen
Arbeiten fast nur flüchtig berührt und darlegt. Uebri-
gens bezeichnet Herr Gordon die erstere nur als
Fragment containing a dtscus^on of a new Fonnula far the
flow of weder in open Channels^
tritt also keineswegs mit der Prätension auf, selbst
theoretisch Neues und Besseres bieten zu können.
Dieses mit berechtigten Klagen über die vielen, in
der Zahl der Constanten, sowie in den Potenzen der
einzelnen Grössen so stark unter einander differirendeu
und zu so verschiedenen Resultaten führenden Formeln
über die Bewegung des Wassers in Flüssen, welche
alle nur empirischer Natur seien und daher durch jede
neue Versuchsreihe Abänderungen erlitten, beginnende
Werk, welches nicht im Buchhandel erschienen, sondern
nur in wenigen Exemplaren gedruckt und vom Herrn
Verfasser nur an einzelne Gelehrte und Redactionen
versandt worden ist, sucht den Grund für das Miss-
lingen der zeitherigen Bemühungen, eine allgemein
gültige Formel aufzustellen, nicht sowohl, wie dies meist
geschieht, in der theilweisen Mangelhaftigkeit der Ver-
suche, als vielmehr in der Unrichtigkeit der zu Grunde
gelegten theoretischen Anschauungen und unterwirft
daher diese letzteren einer eingehenderen Prüfung, an
welche sich sodann der Vorschlag einer neuen Formel
anschliesst.
Sämmtliche Theorien, welche bis jetzt über den
besprochenen Gegenstand aufgestellt worden sind,
scheinen dem Herrn Verfasser auf die drei Anschau-
ungen vonCastelli, Torricelli und Dubuat basirt
zu sein. Castelli hat zu Anfang des 17. Jahrhunderts
den Satz ausgesprochen, dass sich die Geschwindigkeit
des in einem Flusse oder Canale ablaufenden Wassers
verdoppele, wenn in Folge vermehrter Zuflüsse die
Wassertiefe aufs Doppelte steige. Die Geschwindigkeit
der Wasserfäden wachse proportional zu dem darauf
lastenden Drucke, so dass die sogenannte Geschwindig-
keitsscala ein Dreieck bilden müsse, dessen Spitze in
dem Wasserspiegel und dessen Basis am Boden liege.
Letztere Folgerung modificirte indessen bereits einer
seiner Schüler, Buonaventura Cavaliere, indem er
bemerkte, dass die oberen Schichten des Wassers von
den unteren mit fortgerissen würden , so dass die Ge-
schwindigkeitsscala ein Dreieck in umgekehrter Lage
bilden müsse.
47
fiomemann, Neuere Literatur über die ßewegüng des Wassers in Flüssen und Canälen.
48
Torricelli widerlegte die Castelli'sche Ansicht,
dass die Geschwindigkeit der Druckhöhe proportional
wachse, durch sorgfältig angestellte Versuche und zeigte,
dass hier dasselbe Gesetz, wie beim freien Fall der
Körper herrsche. Auf Grund dieser richtigeren An-
schauung hat dann Guglielmini die erste wirkliche
Theorie der Bewegung des Wassers in Flüssen aufge-
stellt. Er sagt, dass bei dieser Bewegung dieselben Ge-
setze auftreten, wie beim Fall fester Körper von einer
geneigten Ebene. Wegen der Verschieblichkeit der
einzelnen Theilchen verändert ein Strom bei zu- oder
abnehmender Geschwindigkeit seinen Querschnitt. Die
Beschleunigung oder Verzögerung der einzelnen Theil-
chen pflanzt sich auch auf die benachbarten Theilchen
fort, jedoch in abnehmendem Maasse mit der Entfer-
nung. Die Widerstände des Bodens vernichten daher
die Beschleunigung, welche bei der Bewegung in Fluss-
betten mit der geneigten Sohle entstehen müsste. Ist
eine permanente Bewegung eingetreten, so behält der
Strom die vorher erlangte Geschwindigkeit bei, welche
um so grösser ist, je grösser das Gefälle war. Wegen
der Verschiedenartigkeit der Widerstände tritt aber
in Strömen selten eine permanente Bewegung ein,
Flüsse mit Geschieben befinden sich vielmehr in einem
stets wechselnden Zustande der Beschleunigung und
Verzögerung. Da die oberen Schichten in einem
Querschnitte auf die unteren drücken, so hängt die
Bewegung des Stromes nicht blos von dem Oberflächen-
gefalle, sondern auch von diesem Drucke ab; im oberen
Theile der Flussläufe, wo das Gefälle meist stark ist,
entspricht die Geschwindigkeit des Flusses hauptsäch-
lich diesem Gefälle, je mehr das letztere aber abnimmt,
um so mehr tritt die Druckhöhe als bewegende Ur-
sache hervor, und in jedem Flussquerschnitte wird die
Geschwindigkeit der unteren Schichten mehr durch die
Druckhöhe, diejenige der oberen Schichten mehr durch
das Gefälle bestimmt.
In Folge des Einflusses des Druckes würden die
in einer Verticalen übereinander auftretenden Geschwin-
digkeiten eine parabolische Geschwindigkeitsscala bilden,
was jedoch nur äusserst selten eintreten wird, da die
Widerstände am Boden bedeutend grösser sind, als im
Wasserspiegel.
Diese Ansichten haben bis auf Dubuat Geltung
gehabt, obwohl namentlich Couplet 's Versuche an der
Wasserleitung zu Versailles nachwiesen, dass die Ge-
schwindigkeiten unmöglich wie die Quadratwurzeln aus
den Druckhöhen wachsen könnten. Dubuat aber
sprach dann das noch bis heute geltende Grundgesetz
aus, wonach das Oberflächengefälle als die einzige
Ursache der Bewegung des Wassers in Flüssen anzu-
sehen ist.
Dasselbe führt darauf, dass, wenn nicht der Ein-
fluss der Widerstände vorhanden wäre, in einem Quer-
schnitte alle Theilchen eine gleich grosse Geschwindig-
keit haben müssten, da die Bewegung jedes einzelnen
Theilchens nur von der Differenz der Drucke abhängt,
welche das hinten nachfolgende und das vorn voraus-
Versucbdl
-1
Englische Maasse.
Datnm
Tägliches
Wasser-
Mittlere
Benetzter
Breite«
1872.
Pegel-
8taod.
Steigen (+)
oder
lOOOOfaches
Gefälle.
Qaerprofil
A.
menge
Geschwindig-
Umfang
der GM
FaUen (-).
Q-
keit V.
P.
fl&che I
August 30.
36,00
0,947
223516
1442007
6,451
5220
5020
„ 23.
33,75
-
- 0,25
0,933
212403
1212190
5,706
5215
6008
Oetober 18.
32,26
-
h 1,09
0,925
204988
1148790
5,604
5212
5002
September 9.
31,83
— 0,50
0,925
202921
1098288
5,365
5208
5000
„ 29.
29,75
+ 1,00
0,918
193083
985959
5,106
5205
4992
„ 21.
26,58
-
-0,92
0,911
177123
871823
4,922
5196
4990
November 4.
24,08
-
- 1,00
0,905
164633
757132
4,599
5191
4975
Oetober 30.
23,91
— 1,25
0,905
163313
712125
4,360
5190
4974
November 2.
22,08
— 0,25
0,898
154750
667268
4,228
5185
4968
8.
22,08
— 1,08
0,898
154750
627925
4,057
5185
4968
12.
17,75
- 1,17
0,884
133363
483477
3,626
5160
4942
14.
15,75
— 1,00
0,887
123483
416139
3,370
5150
4928
16.
14,33
— 0,75
0,871
116649
370072
3,258
6140
4915
21.
12,08
—
-0,42
0,864
105353
307256
2,767
5020
4770
49
Bornemann, Neuere Literatur über die Bewegung des Wassers in Flüssen und Canälen.
50
gehende Wassertheilchen auf dasselbe ausüben, und da
diese Differenz der Drücke für alle Punkte desselben
Querschnittes gleich ist.
Dem Herrn Verfasser des Fragmentes scheint in-
dessen die Guglielmini'sche Anschauungsweise den
Vorzug vor der Dubuat 'sehen zu verdienen, und er
bemüht sich, das in dem vorliegenden Werkchen zu
beweisen und auf Grund jener Anschauungen eine neue
Formel für die Bewegung des Wassei'S in Flüssen auf-
zustellen, nachdem er vorher noch einen kritischen
Ueberblick über die verschiedenen älteren und neueren
Formeln gegeben hat, von dessen Wiedergabe hier ab-
zusehen sein dürfte, da die meisten dieser Formeln
kaum einen höheren Werth als empirische Formeln
beanspruchen können.
Wir glauben auch von der näheren Darlegung des
ziemlich weitläufigen und nicht hinreichend klar zu
verfolgenden Weges absehen zu sollen, auf welchem der
Herr Verfasser seine neue Formel abgeleitet hat, da er
am Ende seiner Untersuchungen zugestehen muss, dass
die gefundene Formel den Versuchsresultaten nicht
entspricht, sondern in dem einen Gliede mit der % Po-
tenz des Gefälles dividirt werden muss, um die Ver-
suche gut wiederzugeben. Wir begnügen uns vielmehr
damit, diese Formel anzuführen und anzugeben, auf
Grund welcher Versuche der Herr Verfasser dieselbe
empfiehlt. Diese Formel lautet:
PWD
=(•
+
wenn die Buchstaben Folgendes bedeuten:
P ist die Tiefe, in welcher der Mittelpunkt des
Druckes für den Querschnitt liegt,
W „ die Flussbreite,
D „ das Gefälle,
H „ der mittlere Radius,
X „ der benetzte Umfang,
V „die mittlere Geschwindigkeit,
Q „ der Coefficient der Rauhigkeit,
a und ß sind zwei zu bestimmende Coefficienten.
Auf einer dem Werke beigegebenen Tafel sind
dann 5 Reihen der Baz in 'sehen Versuche, nämlich
diejenigen über Canäle mit glattem Cementputz, mit
Brettwänden, mit Ziegelmauerung, mit Bedeckung aus
kleinen und mit solcher aus groben Kieseln, sowohl
nach den entsprechenden fünf Formeln von Bazin,
als auch nach der neuen Formel graphisch verzeichnet,
wobei für letztere den Coefficienten a und ß durchaus
die gleichen Werthe a = 0,oooii2 und /? = 0,ooooooo7,
dem Coeffioienten q aber für die verschiedenen Grade
der Rauhigkeit die Werthe l,oo, 1,36, 1,47, 2,46, 3,3o
beigelegt worden sind. Bei den von Bazin ausge-
suchten Vei-suchsreihen war durchgängig das gleiche
Gefälle 0,ü049 vorhanden, der Herr Verfasser hat aber
für die 7. Versuchsreihe mit Brett wänden zwei Ver-
suchsreihen aufgetragen, bei denen die Gefälle 0,oos24
und 0,00208 betrugen, und auch diese werden nach der
neuen Formel sehr befriedigend wiedergegeben.
Ferner vergleicht der Herr Verfasser die Ergebnisse
.waddi.
Metrische Maasse.
1
Berechneter
W.
E,
P.
V.
PWD
W
Werth von
%'
E'Y^
PWD
zv^
1591
1530
13,047
11,098
1,965
0,000262
923
0,000288
1589
1526
12,410
10,428
1,739
0,000309
1026
0,000303
1588
1524
11,984
10,197
1,708
0,000309
1103
0,000313
1588
1523
11,872
10,117
1,635
0,000334
1124
0,000316
1585
1521
11,303
9,872
1,556
0,000354
1242
0,000331
1583
1520
10,386
9,217
1,500
0,000346
1476
0,000363
1582
1516
9,663
8,821
1,401
0,000378
1707
0,000393
1581
1516
9,588
8,792
1,329
0,000413
1733
0,000397
1580
1514
9,094
8,532
1,288
0,000426
1932
0,000423
1580
1514
9,094
7,861
1,236
0,000438
1932
0,000423
1572
1506
7,875
7,589
1,105
0,000509
2582
0,000510
1569
1502
7,034
7,589
1,027
0,000560
3012
0,000567
1566
1498
6,915
7,359
0,998
0,000567
3356
0,000623
1530
1460
6,393
7,039
0,843
0,000731
3995
0,000698
OWlIingenleur XXIII.
51
Bornemann, Neuere Literatur über die Bewegung des Wassers in Flüssen und Canälen.
52
seiner eigenen Versuche in Irrawaddi, über welche noch
zu berichten sein wird, mit seiner neuen Formel und
weist ebenfalls eine befriedigende üebereinstimmung
nach , wenn der ßauhigkeitscoefficient q = 2,23 gesetzt
wird.
Vorstehende Tabelle enthält die hauptsächlichsten
Data über diese Versuche, die letzte Columne ist aber
PWD
vom Referenten beigefügt und zeigt, dass v^ durch
die Formel la -f-/? --^ 1^ recht wohl wiedergegeben
wird, wenn man den Coefficienten die Werthe a =
0,0000744, /? = 0,00000012, ^ = 2,23 beilegt. Es sind so-
mit allerdings andere Werthe für diese Coefficienten
nöthig, als Bazin für seine kleinen Canäle erhalten
hat, doch ist nicht zu leugnen, dass die aufgestellte
Formel sich den Versuchen sehr gut anpasst.
üeber diese Versuche selbst und die Veranlassung
zu denselben theilt der Herr Verfasser noch Folgendes
mit. Der Zweck dieser grossartigen Wassermessungen
im Irrawaddi war die Ermittelung etwaiger Wasser-
verluste durch Undichtheit der Uferdämme, welche auf
grössere Länge im Flussdelta am rechten Ufer des
von Westen her einmündenden Basseinflusses ausgeführt
worden waren. Es wurden deshalb am Kopfe des Deltas
bei Saiktha und ungefär 110 Miles weiter abwärts bei
Zaloon in derselben Weise Messungen angestellt, wie
von Humphreys und Abbot im Mississippi. Es
wurden nämlich täglich ca. 60 Wasserspiegelgeschwin-
digkeiten mittelst Doppelschwimmern beobachtet, deren
unterer Körper 1™ unter dem Wasserspiegel sich be-
wegte. Ferner wurden auch täglich 10 Reihen von
Beobachtungen über die Geschwindigkeit in grösseren
Tiefen angestellt, wobei die Tiefe, in welcher sich der
untere Schwimmer bewegte, jedesmal um 1™ grösser
genommen wurde, bis der Boden erreicht war. Aus
letzteren Beobachtungen nahm man das arithmetische
Mittel der Geschwindigkeiten und suchte dann das Ver-
hältniss zwischen dieser mittleren Geschwindigkeit und
der in derselben Verticalen beobachteten Wasserspiegel-
geschwindigkeit, und mit Hilfe dieses Reductionscoef-
ficienten berechnete man dann für jede beobachtete
Wasserspiegelgeschwindigkeit die mittlere Geschwindig-
keit der entsprechenden Verticalen. Der Irrawaddi,
welcher bei Saiktha über 1500" breit und bei Hochwasser
über 23" tief ist, war der Breite nach in 10 Abthei-
lungen getheilt und die Durchflussmenge jeder Abthei-
lung ergab sich durch Multiplication des Flächeninhaltes
der Abtheilung mit dem Mittel aus den mittleren Ge-
schwindigkeiten der in diese Abtheilung fallenden Ver-
ticalen.
Besonders schwierig war die Bestimmung des Ge-
fälles. Aus dem auf ca. 18 Miriameter ausgedehnten
Nivellement des Flusses ergab sich bei Hochwasser ein
Gefälle von ungefähr 6 Zoll pro Mile (0,oooo95). Bei
Myanoung (22,5 Kilometer von Saiktha und 320 Kilo-
meter von der See entfernt) liegt der Hochwasserstand
23,16"* über dem mittleren Seespiegel und der Wasser-
stand schwankt um 12,19'°. Bei Saiktha findet zwischen
Hoch- und Niedrigwasser 12,8™, bei Henzahda (120
Kilom. südlich von Myanoung) 11" und bei Zaloon
10,5™ Niveaudifferenz statt. Die verschiedenen Wasser-
stände verändern also das oben angegebene Gefälle
schon ziemlich bedeutend, die Schwierigkeit wächst aber
noch dadurch, dass sich am Boden des Flusses Sand-
bänke bilden, welche bei niedrigem Wasser den Fluss
bedeutend anstauen und mitunter sogar Ursache zum
Stranden der Dampfschiffe (mit 1,2" Tiefgang) werden.
Bei Hochwasser nimmt der Strom überdies einen kür-
zeren Weg als bei Niedrigwasser, so dass bei kleinem
Wasser das Gefälle bis auf 4 und 2 Zoll pro Mile re-
ducirt wird.
Unter diesen Umständen war es kaum möglich, für
jede Beobachtung das zugehörige Gefälle zu ermitteln,
und nur für die bei 14 bis 36 Fuss Pegelstand ge-
machten Beobachtungen glaubt der HeiT Verfasser das
Gefälle auf 16 Kilom.-Länge mit hinreichender Sicher-
heit angeben zu können.
Bei der Berechnung der Tiefe P, in welcher der
Mittelpunkt des Druckes sich befindet, bediente man
sich der Formel
\x^ydx
I xydx
worin X die Tiefe, y die Breite in dieser Tiefe bedeutet
und für drr ein Zuwachs um 2 Fuss eingeführt wurde.
Auf Grund dieser Versuche, über welche übrigens
weitere Angaben in dieser Schrift fehlen , ist es dem
Herrn Verfasser nur noch möglich, zu erläutern, wie
es zugehen möge, dass die auf die Dubuat'sche Theorie
basirten Formeln doch vielfach ganz befriedigende Re-
sultate ergaben. Seiner Ansicht nach liegt dies darin,
dass die Werthe von P und R in vielen Fällen fast
gleich gross ausfallen, imd er führt als Beleg dafür
nachstehende Data vom Irrawaddi an:
Pegelstand 36,oo 29,75 24,o8 17,75 12,08 6,oo 1,95,
R 43,6 38,00 32,3 26,4 21,3 20,2 19,3,
P • 35,675 32,40 28,95 25,8 23,1 20,i5 18,2.
Da die numerischen Werthe von P und R sich so
nahe stehen, so fallen denn auch die numerischen
53
Bornemann, Neuere Literatur über die Bewegung des Wassers in Flüssen und Canälen.
54
Werthe der Grössen — =r— und -^v^ i^ahe zusammen,
welche die charakteristischen Unterschiede der neuen
Formel gegen die alten bilden.
Auf die im Ohigen besprochene vorläufige Mitthei-
lung hat nun Herr Gordon das unter 4 genannte
Werk folgen lassen, welches ausführlichere Auskunft
über die grossartigen Wassermessungen ertheilt, deren
Ergebnisse den Herrn Verfasser angeregt hatten, eine
neue Formel für die Bewegung des Wassers in Flüssen
aufzustellen.
Die Versuche wurden, wie bereits erwähnt, nach
dem Muster der von Humphreys und Abbot im Mis-
sissippi abgeführten Versuche angestellt, während aber
die Zahl der im Mississippi angestellten Beobachtungen
nur 254 betrug, sind im Irrawaddi vom 1. Aug. 1872
unausgesetzt Beobachtungen angestellt worden bis zum
1. September 1873 (täglich mit Ausnahme der Sonn-
tage), so dass die Geschwindigkeitscurven für 7000 Ver-
ticalen erhalten wurden.
Zu den Geschwindigkeitsmessungen bediente man
sich sogenannter Doppelschwimmer, bestehend aus einer
im Wasserspiegel schwimmenden 25™'° starken Scheibe
von leichtem Holz mit 152™" Durchmesser und einem
mittelst einer feinen Schnur in vci-schiedenen Tiefen
darunter befestigten, 305™™ langen und 152™™ starken,
am unteren Ende derartig belasteten Holzcylinder, dass
die Scheibe nur noch 6™™ über den Wasserspiegel her-
vorragte. Die Verbindungsschnur war 1,6™™ stark und
gefimisst, und ihre Länge wurde so bemessen, dass der
untere Schwimmer in verschiedenen, stets um 1 ™ wach-
senden Abständen unter dem Wasserspiegel schwamm,
bis er so tief hing, dass er den Boden berührte, was
sich durch zeitweiliges Untertauchen und unregelmässige
Bewegung der oben schwimmenden Signalscheibe zu
erkennen gab, merkwürdigerweise aber oft eine grössere
Geschwindigkeit anzeigte, als bei den anderen Schwim-
mern in geringerer Tiefe. Diese Doppelschwimmer
waren numerirt und wurden auf Commando in be-
stimmter Ordnung von einem weit oberhalb des Anfangs-
punktes der Beobachtungsstrecke vor Anker liegenden
Schiffe aus eingesetzt und ihr Durchgang durch die
am Anfang und Ende des 60,95™ langen Schwimmer-
weges abgesteckten Visirlinien durch zwei in diesen
Visirlinien aufgestellte und mit Theodoliten ifflÖ" Chro-
nometern mit springender Secunde versehene Beobachter
notirt. Täglich wurden die Geschwindigkeitscurven für
10 Verticalen ermittelt, ausserdem aber noch mittelst
30 bis 60 gleichförmig über die Breite vertheilten
Schwimmern die Oberflächengeschwindigkeiten in 1™
Tiefe beobachtet, so dass auch eine Curve der Ober-
flächengeschwindigkeiten construirt werden konnte. Bei
dem verwendeten Personal wurde jeder Wechsel mög-
lichst vermieden und auf genaueste Beobachtung der
Instructionen gesehen, auch war dasselbe gänzlich un-
bekannt mit dem theoretischen Zwecke der Unter-
suchungen. Es fielen zwei Hoch- und ein Niedrig-
wasserstand in die Beobachtungsperiode. Das Haupt-
profil war bei Saiktha am Kopfe des Delta des Irra-
waddi abgesteckt, und da die Masse der Beobachtungen
kaum eine Bearbeitung sämmtlicher Beobachtungen ge-
stattete, so beschränkte man sich zunächst auf die Be-
rechnung von 3000 zu Saiktha angestellter Versuche.
Aus den in den verschiedenen Verticalen in ver-
schiedenen um je 1™ wachsenden Tiefen angestellten
Geschwindigkeitsmessungen ergaben sich die Vertical-
geschwindigkeitscurven und die Vergleichung der bei
den verschiedensten Wasserständen erhaltenen Curven
gewährt einen tiefen Einblick in die Verändeiningen,
welche durch die Wechsel im Wasserstande herbeige-
führt werden. Vorkonmiende Unregelmässigkeiten im
Verlaufe dieser Curven verschwinden, wenn man meh-
rere unter nahezu gleichen Verhältnissen bezüglich des
Pegelstandes, der Wassertiefe und des Abstandes vom
Ufer combinirt. Der Herr Verfasser wählte daher zu-
nächst eine beschränkte Zahl solcher Curven für jede
Abtheilung des Querprofiles aus und combinirte daraus
eine mittlere Curve. Dasselbe geschah für die ver-
schiedenen Pegelstände, und es wurden so ca. 2000
Curven erhalten, welche Ende Februar 1874 Herrn
Baziii mitgetheilt wurden. Dieser hat sie dann weiter
bearbeitet, indem er sämmtliche bei Niedrigwasser er-
haltene Curven combinirte und ebenso mit den bei
Hochwasserstand beobachteten Curven verfuhr. Auf
diese Weise ergaben sich 500 reducirte Curven, welche
eine in der That bewundernswürdigen Fleiss reprä-
sentiren.
Im Irrawaddi beträgt der Pegelstand bei dem
grössten bekannten Hochwasser 40 Fuss, erreichte aber
in den Jahren 1872 und 1873 nur 36 Fuss. Das kleinste
bekannte Niedrigwasser betrug 2 Fuss unter Null, im
Jahre 1873 sank dasselbe aber nicht ganz so tief.
Herr Bazin nahm daher zwei Niedrigwasserstände an
von Null bis 3 Fuss und von 3 Fuss bis 5 Fuss, ebenso
zwei Hochwasserstände von 22 bis 30 und von 30 bis
36 Fuss Pegelstand. Er theilte das Profil für Niedrig-
wasser in 4 und für Hochwasser in 6 Abtheilungen
und gruppirte alle Beobachtungen der Verticalen von
gleicher Wassertiefe in einer solchen Abtheilung zu-
sammen, und zwar von 17 Fuss Tiefe bis zu 70 Fuss.
Da aber die absoluten Längen keine richtige Verglei-
chung gestatten, so wurde die sich für jede Gruppe
3*
55
Bornemann, Neuere Literatur über die Bewegung des Wassers in Fltlssen und Canftlen.
56
ergebende mittlere Tiefe iu 10 gleiche Theile getheilt
und die entsprechende Geschwindigkeit berechnet, aus
diesen Werthen aber die Verticalgeschwindigkeitscurve
jeder Gruppe construirt. Aus diesen Curven wurden
dann weiter mittlere Verticalgeschwindigkeitscurven für
jeden der beiden Niedrig- und Hoch Wasserstände ge-
bildet, 80 dass schliesslich blos 4 derartige Curven
übrig blieben, in denen freilich die Eigenthümlichkeiten
der ursprünglichen Curven sehr verwischt sein müssen.
Dem vorliegenden Werke ist daher das vollständige
Zifferwerk beigegeben, um die Originalcurven construiren
zu können, schade nur, dass dieselben nicht in der von
Herrn Prof. Harlacher angewandten Weise bearbeitet
sind.
Bei der Vergleichung dieser enormen Menge von
Verticalgeschwindigkeitscurven hat nun der Herr Ver-
fasser gefunden (und es lässt sich dies auch schon aus
der Durchsicht des dem besprochenen Werke beige-
gebenen Zifferwerkes deutlich erkennen), dass bei einem
und demselben Pegelstande das Verhältniss zwischen
den Geschwindigkeiten in grösseren Tiefen und der
Oberflächengeschwindigkeit mit der zunehmenden Tiefe
der Verticalen wächst, und dass für einen und denselben
Punkt des Querschnittes dieses Verhältniss bei Hoch-
wasserstand ein bedeutend grösseres ist, als bei Nie-
drigwasser. Während bei Niedrigwasser die Oberflächen-
geschwindigkeit stets erheblich grösser ist, als die Ge-
schwindigkeiten in der Tiefe, was aber in den tieferen
Theilen des Profiles schon weniger hervortritt, so ver-
mindert sich die Differenz der Geschwindigkeiten in
verschiedenen Tiefen einer und derselben Verticalen
inuner mehr, je mehr der Wasserstand steigt, bis in
den grössten Tiefen von 60 bis 80 Fuss (18 bis 24")
die grössten Geschwindigkeiten in der Nähe des Bodens
auftreten. Diese auffallende Erscheinung wurde nicht
nur in dem Profil bei Saiktha, sondern auch in dem
140 Kilometer weiter abwärts gelegenen Profile con-
statirt.
Es fragt sich nun, ob die hier zu Tage getretene
Erscheinung als ein allgemein gültiges Gesetz anzusehen
sei, wie der Herr Verfasser annimmt, oder ob dieselbe
nur dadurch entstanden sei, dass durch irgend welche
locale Einflüsse das durch die Verticalgeschwindigkeits-
parabel ausgesprochene - Gesetz modificirt worden ist.
Als solche locale Einflüsse könnte man recht wohl die
Bänke ansehen, welche nach Angabe des Verfassers sich
im Irrawaddi mehrfach zeigen und sich auf dem Fluss-
bette 80 hoch erheben, dass sie sogar der Schifffahrt
Schwierigkeit bereiten, wenn auch die grosse Entfer-
nung der nächsten unterhalb des Profiles bei Saiktha
gelegenen Bank (16 Miles = ca. 29 Kilometer) eine
derartige Annahme fast verwerfen lässt. Freilich ist
das Gefälle des fraglichen Stromes ein höchst geringes
(0,000095), so dass eine Bank von bedeutender Höhe,
welche für Schiffe von 1,2™ Tiefgang gefährlich werden
kann, das Niveau des Flussbettes bei Saiktha schon
erheblich überragen würde. Leider lässt sich über diese
Frage eine überzeugende Anschauung nicht gewinnen,
so lange nicht ausführliche Nivellements des Wasser-
spiegels und des Flussbettes vorliegen, und es dürfen
daher die Resultate der so grossartigen Versuche Gor-
don's nur mit grosser Vorsicht aufgenommen werden.
Wenn irgend wo, so wären hier recht specielle
Nivellements nöthig gewesen, um die mit so grosser
Energie durchgeführten Versuche nutzbringend zu
machen. Auch bezüglich der Geschwiudigkeitsmessungen
wäre zu wünschen gewesen , dass eine längere Strecke
als Weg der Schwimmer abgesteckt worden wäre, und
dass die Zahl der zur Ermittelung der Oberflächen-
geschwindigkeit abgelassenen Schwimmer (30 bis 60 auf
1000 bis 2130" Flussbreite), sowie die Zahl der Ver-
ticalen, in welchen die Geschwindigkeiten nach der
Tiefe hin beobachtet wurden (10), namentlich bei den
grösseren Breiten, eine ansehnlich grössere gewesen
wäre. Die Gordon 'sehen Versuche flössen indessen
ein weit grösseres Vertrauen ein, als diejenigen von
Humphreys und Abbot, bei denen Hagen es äusserst
wahrscheinlich gemacht hat, dass die Resultate zum
Theil der aufgestellten Theorie zu Liebe gefälscht wor-
den sind. Es ist auch bei den neuen Versuchen ein
Uebelstand vermieden worden, der die Geschwindig-
keitsmessungen der Amerikaner verdächtig macht, in-
dem hier die unteren Schwimmer nur durch eine ganz
dünne Schnur an den Sigualscheiben befestigt waren,
während bei den Messungen im Mississippi bei 100 Fuss
Tiefe die von dem Verbindungsseile dargebotene Fläche
IV2 Mal so gross war, als die Fläche des Schwimmers
selbst. Gegen die Brauchbarkeit derartiger Schwimmer
kann überhaupt kaum noch etwas eingewendet werden,
seitdem die oben besprochenen vergleichenden Versuche
bei Basel für dieselben sehr günstig ausgefallen sind.
Auch ist schon von andern Beobachtern die Erscheinung
wahrgenommen worden, dass die Geschwindigkeiten in
grösserer Tiefe diejenige an der Oberfläche übertroffen
hat, ohne dass dafür eine auffällige Ursache nachzu-
weisen gewesen wäre. Wenn also die neuere Theorie
auch wohl noch weiterer Prüfung bedarf, so erscheint
dieser Versuch doch immerhin sehr beachtenswerth und
ist das vorliegende Werk unbedingt mit zu den inter-
essantesten Erscheinungen der Neuzeit auf diesem Ge-
biete der Literatur zu rechnen.
Am Schlüsse unseres Berichtes angelangt, erlauben
57
Bornemauu, Neuere Literatur über die Bewegung des Wassers iu Flüssen und Canälen.
58
wir uns noch einen Rückblick auf diejenigen Punkte
zu werfen, welche bei später vorzunehmenden hydro-
metrischen Versuchen besonders zu beachten sein
dürften. So lange dies tliunlich ist, sollten Geschwin-
digkeitsmessungen nur mit einem sorgfältig justirten
Woltmann'schen Flügel von passender Grösse vor-
genommen und jede einzelne Beobachtung mindestens
einmal wiederholt, auch in der Kegel auf mindestens
1 Minute Zeit ausgedehnt werden. Für grosse und
tiefe Ströme wird aber von diesem Hydrometer nicht
mehr Gebrauch gemacht werden können und dann wird
sich die Anwendung sogenannter Düppelschwimmer
empfehlen. Diesen ist ein der Grösse des Flusses ent-
sprechendes Volumen und womöglich Kugelform zu
geben, auch sind sie so zu belasten, dass die sie mit der
Signalscheibe verbindende Schnur nicht zu schlaff wird,
leider ist aber bis jetzt die Zuverlässigkeit dieses Hy-
drometers noch nicht genügend nachgewiesen. Beson-
ders wichtig ist es, einen genügend langen Schwimm-
weg abzustecken, zu dessen Zurückleguiig bei der gröss-
ten Geschwindigkeit ungefähr 1 Minute Zeit erforder-
lich ist. Ferner ist wohl zu beachten, welchen Weg
die Schwimmer einschlagen, und dürften solche Ver-
suche auszuscheiden sein, bei denen die Schwimmer
von der geraden und zum Stromstriche parallelen Linie
auffallend abweichen. Endlich ist es räthlich an jeder
Stelle mehrere Schwimmer in kurzen Pausen hinter
einander einzusetzen, um eine mittlere Schwimmzeit für
den betreffenden Ort zu erhalten.
Selbstverständlich wird jede Wassermessung um so
genauer ausMlen, je mehr Geschwindigkeitsmessungen
an verschiedenen Punkten des Profiles zu gleicher Zeit
vorgenommen werden konnten.
Bei der Bearbeitung der Vorsuche liefert jeden-
falls der von Herrn Prof. Harlacher eingeschlagene
Weg die übersichtlichsten und genauesten Resultate;
wenn aber die Versuche zu verschiedenen Zeiten an-
gestellt werden mussten, so ist das Gr eben au 'sehe
Interpolationsverfahren zu empfehlen. Graphische Auf-
zeichnungen sichern vor groben Fehlern und lassen
alle Verhältnisse deutlicher hervortreten, als numerische
Uebersichten.
Sollen nun derartige Versuche benutzt werden, um
die Gesetze der Bewegung des Wassers in Flüssen zu
erforschen, so muss bei der Auswahl der Strecke, in
welcher die Versuche angestellt werden, mit grosser
Vorsicht vorgegangen, auch auf die Ermittelung des
Gefälles und des Querprofiles ebenso viel Fleiss, als auf
die Durchführung der Geschwindigkeitsmessungen ver-
wendet werden. Leider herrscht noch ziemliche Un-
klarheit über die Frage, was man als Gefälle anzusehen
habe, und es wird sich daher empfehlen, eine Fluss-
strecke von einer Länge gleich der fünffachen Breite
des Stromes an beiden Ufern und möglichst auch im
Stromstrich genau einzunivelliren und in einen Nivel-
lementsplan einzutragen, woraus sich dann sowohl das
totale, als das locale Gefälle im Profil leicht abnehmen
lässt.
Wenn man aber bedenkt, dass im Allgemeinen,
namenUich in grösseren Flüssen, eine permanente Be-
wegung des Wassers kaum zu erwarten ist, so scheint
es richtiger, bei derartigen Versuchen in folgender
schon von Weisbach angedeuteter Weise vorzugehen.
Man steckt zwei Profile in genügendem Abstände
(l) von einander ab, ermittelt für jedes Profil die er-
forderlichen Grössen (Querschnitt F^^ und F^, benetzten
Umfang p^^ und py , mittlere Geschwindigkeit v^ und Vj),
sowie auch das Totalgelälle h zwischen den Wasser-
spiegeln in beiden Profilen und setzt dann
h =
V
2
2
'0
2^
■^^- 2 \2gFo "^ 2ffFj'
woraus sich der Widerstandscoefficient C ergiebt. Die
mehrere Mühe und Arbeit, die bei diesem Verfehren
aufeuwenden ist, dürfte durch die grössere Brauchbar-
keit der erzielten Resultate aufgewogen werden, und
die beiden Wassermessungen, welche bei permanenter
Bewegung in beiden Profilen gleiche Durchflussmengen
geben müssen, liefern zugleich den Beweis dafür, ob
die . abgesteckte Flussstrecke zu derartigen Versuchen
geeignet ist, endlich verschwindet auch bei diesem Ver-
fahren die Unsicherheit bezüglich des als maassgebend
anzusehenden Gefälles.
Ueber die gescMclitliclie Entwickelung der Geodäsie und ihre Beziehungen zur
neueren Geometrie.
(Aus einer Festrede, gehalten in der Aula des Polytechnikums zu Dresden am 23. April 1875.)*)
Von
Prof. Dr. Arwed Fuhrmann.
I. China und Aegypten, die vielgenannten Sitze
uralter Cultur, sind es, in denen wir die älteste
Geodäsie antreffen. Im ersten dieser beiden Länder
muss CS schon in den frühesten Zeiten ein gewisses
Feldmessen gegeben haben. Man erkennt dies aus dem
Umstände, dass das ganze Reich in quadratische Flächen
zerlegt war; man erkennt es ferner aus dem Vorhan-
densein eines Denkmales, welches mindestens einige
Jahrhunderte vor Christi Geburt entstanden sein muss,
der Schrift Tschlu-pi, in welcher auf geheimnissvoll-
klingende Weise gelehrt wird, dass durch drei Seiten
von den Längen 3, 4 und 5 ein rechtwinkliges Dreieck
gebildet wird, dass hierbei 3^ -{-4^ = 6'^ ist, und dass
man mit einem rechtwinkligen Lineale Entfernungen,
Höhen und Tiefen messen könne.
Aegypten war, in Folge seiner eigenthümlichen
klimatischen und Culturverhältnisse, am geeignetsten,
die Geodäsie, und mit ihr die Geometrie überhaupt,
nicht nur entstehen, sondern auch aufblühen zu lassen.
Der Nil zwang zur Erfindung einer gewissen Feldmess-
kunst, indem er alljährlich die Grenzen theils veränderte.
*) Der Inhalt des nachfolgenden Aufsatzes war ursprünglich
nicht für den Druck bestinunt. Wenn ich mich doch noch ent-
Bchliesse, ihn zu veröffentlichen, so geschieht es zufolge einer
Aufforderung des Redacteurs dieser Zeitschrift und in der Hoff-
nung, dass die Abhandlung Manchen willkommen sein werde.
Das Wenige, was es über Geschichte der Geodäsie gab, habe ich
selbstverständlich, so weit es mir zugänglich war, benutzt, beson-
ders HankeTs Werk „zur Geschichte der Mathematik in Alter-
thum und Mittelalter** (Leipzig, Teubner, 1874), J. T. Mayer' s
„Unterricht zur praktischen Geometrie*' (Göttingen, 1777 — 83)
und R. Wolfs „Handbuch der Mathematik** (Zürich, 1870 und
1872). Cantor's Schrift „die römischen Agrimensoren** (Leipzig,
1875) war, als ich nachstehende Rede (bei der Feier des Geburts-
tages S. M. des Königs von Sachsen) hielt, noch nicht erschienen,
ist also unbenutzt geblieben. Der Verf.
theils durch das Absetzen einer Schlammdecke unkennt-
lich machte. Aus diesem Keime entwickelte sich nach
der einen Seite hin die theoretische Geometrie in
jener wunderbaren Vollkommenheit, die nur der grie-
chische Geist zu schaffen vermochte, nach der anderen
Seite aber jene praktische Geometrie der ägyptischen
Priester, die, wie zuverlässige Forschungen gelehrt
haben, schon zur Zeit Joseph's (also um 1800) zu
einer vollständigen Landesvermessung führte, unter
Sesostris (um 1400) aber zu einer Art Separation
im jetzigen Sinne. Es entwickelte sich ein ziemlich
vollkommenes Vermessungs- und Steuerwesen unter Zu-
grundelegung von Flurbüchern, welche, von sogenannten
Ortsschreibern geführt, genaue Auskunft über jedes
Grundstück gaben. Auch kann es an einer gewissen
Kenntniss des Nivellirens nicht gefehlt haben, denn die
angelegten Canäle und Schleussen sind zwar nur stumme,
aber doch mächtige Zeugen dafür.
Die Regeln der ägyptischen Feldmesskunst waren
freilich vielfach unrichtig; die Fläche des Viereckes
z. B. wurde durch Multiplication der arithmetischen
Mittel der Gegenseiten erhalten. Heron von Alexan-
drien setzte (um das Jahr 100 vor Chr.) richtige und
vollkommenere Methoden an die Stelle der altä.gyp-
tischen, seine geodätischen Schriften fanden aber nur
brockenweise bei den Feldmessern Eingang.
Das hierdurch entstandene sonderbare Gemisch
von ägyptischen Regeln und griechischer Geometer-
weisheit wurde nach Rom verpflanzt, als Cäsar und
Augustus das grosso Reich vermessen liessen und
dazu Feldmesser aus Alexandria beriefen, weil die hei-
mische Geodäsie nicht viel weiter reichte als bis zur
Aussteckung von rechtwinklig abgetheilten Städten und
Lagern.
Man weiss, wie wenig Sinn die Römer für die
61
Fuhrmann, Ueber die geschichtliche Entwickelung der Geodäsie und ihre Beziehungen u. s. w.
62
theoi-etische Mathematik hatten, wie ihr Augenmerk
immer nur auf das Praktische, auf das unmittelbar
Nützliche gerichtet war; man wird es also begreiflich
finden, dass die Geodäsie in ihren Händen nicht mehr
sein konnte als ein Handwerk, und dass es — ohne
alles Nachdenken betrieben — falsche Regeln Jahrhun-
derte lang fortschleppte. Die römischen Feldmesser
— hochgeschätzt vom Staate, mit Ehrennamen und
flhrenämtem überhäuft — sind eine ziemlich klägliche
Erscheinung, besonders dann, wenn man beachtet, dass
schon Jahrhunderte vorher in Griechenland das herr-
liche Dreigestim Thaies, Pythagoras, Piaton im
Gebiete der reinen Geometrie glänzte und das unsterb-
liche Werk Euklid 's entstand. —
Das wichtigste Instrument der römischen Feld-
messer war, ausser der Messkette, die groma (oder
Stella), welche ihnen den Namen gromatici gab. Dieses
Messgeräth vermittelte das Abstecken von rechten Win-
keln, wie auch dasjenige von congruenten Dreiecken,
und bestand aus zwei ein rechtwinkliges Kreuz bilden-
den metallenen Armen, an deren Enden durch Gewichte
gespannte Fäden herabhingen, die wie Diopter be-
nutzt wurden. Ein Gestell gestattete, dieses Kreuz
nach dem Augenmaasse horizontal zu stellen und bot |
durch ein Loth die Möglichkeit, den Kreuzmittelpunkt i
über den Scheitel des abzusteckenden rechten Winkels |
zu bringen. Das Werkzeug war hiemach der jetzigen i
„Kreuzscheibe" oder dem „Winkelkreuze" ähnlich; wie !
mangelhaft es aber selbst bei ruhiger Luft sein musste |
und wie unbrauchbar bei bewegter, das liegt auf der |
Hand.
Instrumente, welche Winkel von allen Grössen
in Gradnuiass angaben — während die groma nur für
einen brauchbar war — , besass das Alterthum zwar
auch schon, doch befanden sie sich hauptsächlich in
den Händen der Astronomen, nicht in denen der Feld-
messer.
Es gehört hierher das Astrolabium, für den
heutigen Geodäten deshalb von besonderem Interesse,
weil es der Keim ist, aus welchem sich nach und nach
der Theodolit entwickelte, welcher bekanntlich jetzt
unter den geodätischen Instrumenten eine der wich-
tigsten Rollen spielt.
Die Erfindung des Astrolabiums wird dem Hip-
parch zugeschrieben. Es bestand im Wesentlichen
aus einer kreisrunden, am Rande getheilten Scheibe,
um deren Mittelpunkt sich ein Zeiger drehte, den man
auf die Schenkel der zu messenden Winkel einstellen
musste. Höhenwinkel sowohl, als horizontal liegende
wurden mit ihm gemessen.
Es gehören hierbei; ferner diejenigen Instrumente,
welche als Hauptbestandtheil einen senkrecht stehenden
Zeiger hatten, der seinen durch die Sonne erzeugten
Schatten auf eine Ebene oder Kugelfläche warf, so dass
man (nach dem Satze von der Gleichheit der Scheitel-
winkel) aus der Länge dieses Schattens den Höhen-
winkel der Sonne erkannte.
Sehr beachtenswerth sind die Nivellirinstru-
mente der Alten. Sieberuhen auf Grundsätzen, deren
Anwendung noch vor wenigen Jahrzehnten theilweise
gebräuchlich war und erst seitdem durch die Röhren-
libelle vollständig verdrängt worden ist. Die eine Art,
kurz gesagt: Pendelinstrumente, gründete sich auf den
Satz, dass eine Gerade, die mit einer zweiten unter
einem rechten Winkel fest verbunden ist, dann hori-
zontal sein muss, wenn man die zweite senkrecht ge-
stellt hat (unter Benutzung eines Lothes oder Pendels).
Die andere Art brachte das Princip der communiciren-
den Röhren zur Anwendung, um eine wagerechte Ab-
sehlinie herzustellen, oder sie verschafi'te letztere durch
Verwendung eines einzigen Wasserspiegels, den eine
lange, in eine Latte eingeschnittene Rinne darbot. —
Was das Alterthum im Gebiete der praktischen
Geometrie leistete, war — wie das Angedeutete erkennen
lässt — wenig.
Eine einzige Leistung steht wahrhaft gross da,
und diese einzige gehört zum .grösseren Theile in das
Gebiet der Astronomie. Ich meine die bekannte Grad-
messung des Eratosthenes, der um das Jahr 230 vor
Chr. den Gedanken durchführte, den Umfang der als
Kugel aufgefasstcn Erde zu berechnen aus der Länge
irgend eines Meridiantheilos und aus der Grösse des
zugehörigen Centriwinkels. Da über die Geschichte
der Gradmessungen schon seit langer Zeit viel ge-
schrieben worden ist (hingegen sehr wenig über die
der Geodäsie im Allgemeinen), so gehe ich weder auf
die letztgenannte Erdmessung, noch auf die späteren
näher ein. —
Dem Alterthum folgte, wie bekannt, ein langer
Zeitraum der Finsterniss. Dass diese Zeit der Geistes-
nacht auch für die Geschichte der Geodäsie ein fast
ganz leeres Blatt liefert, versteht sich von selbst.
Nennenswerth ist nur die im Jahre 827 auf Befehl des
Kalifen AI Mamum (Almanon) am arabischen Meer-
busen ausgeführte Gradmessung, die sich in mancher
I^eziehung voi-theilhaft von den im Alterthume vorge-
nommenen untei*scheidet. Die „schwarze Elle", welche
bei dieser Messung als Längeneinheit diente, ist uns
leider nur als ein Vielfaches (nämlich als das 144 fache)
der Gerstenkorndicke überliefert. Nimmt man für
letztere (nach Snellius) im Mittel V89 iheinliindische
Fuss, so ergiebt sich, dass diese Messung einen Fehler
63
Fuhrmann, üeber die geschichtliche Entwickelang der
64
von etwa 3-/3 Proc. hat, während derselbe bei der des
Eratosthenes vier- bis fünfmal so gross war.
Das Bekanntwerden der Augengläser (Brillen)
übte anfänglich gar keinen Einfluss auf die Ver-
messungsinstnimente aus; eben so wenig das der
Boussole.
Man hatte im fünfzehnten Jahrhundert noch Ge-
legenheit, Aufsehen zu erregen, wenn man eine Ab-
änderung des Astrolabiums erfand; so Georg von
Peuerbach durch sein „Quadratum geometricum",
welches an die Stelle des getheilten Viertelkreises ein
Quadrat setzt, um dessen eine Ecke sich das Visir-
lineal dreht.
U. Auch noch in das sechzehnte Jahrhundert
ragt der Urzustand der Winkelmessinstrumente, zu-
nächst nur dadurch etwas verbessert, dass man durch
riesenhafte Grösse derselben die Genauigkeit zu er-
höhen suchte.
Aber eine erfreuliche Entwicklung der Geodäsie
begann zu tagen!
Das von den Alten ererbte Astrolabium wurde mit
einem Stative versehen, dem ein Kugelgelenk die nö-
thige Beweglichkeit verlieh. Tycho Brahe brachte
diesen Keim des Theodoliten dadurch vorwärts, dass
er zur Horizontalstellung des Kreises Fussschrauben
verwendete und mit dem wagrechten Kreise einen senk-
rechten, drehbaren, mit Dioptern versehenen Quadranten
verband, um schiefliegende Winkel in horizontale und
verticale zerlegen zu können.
Auch ersetzte der geniale Mann die bis zu seiner
Zeit direct ausgeführte Kreistheilung durch eine
indirecte, welche ziemlich hundert Jahre lang benutzt
wurde. Der Leipziger Professor Hommel hatte ihn mit
der Einrichtung der geradlinigen Transversalmaassstäbe
bekannt gemacht. Alsbald übertrug er den zu Grunde
liegenden — heutzutage allgemein bekannten — Ge-
danken von der geraden Linie auf den Kreis, in einer
theoretisch zwar unrichtigen, für die damalige Praxis
aber grosse Vortheile gewährenden Weise. —
Der Portugise Petro Nunez, oder Nonius, Pro-
fessor der Mathematik zu Coimbra, hatte kurz vorher,
nämlich 1542, ein anderes Verfahren für die mittelbare
Theilung der Kreise vorgeschlagen. Es beruhte auf
dem fruchtbaren Gedanken, an die Stelle der weiter-
gehenden Theilung eines Bogens verschiedene Theilung
desselben zu setzen. Er schlug vor, den Quadranten
mit 44 concentrischen Hilfsquadranten zu versehen,
den äussersten dieser Viertelkreiso in 90 gleiche Theile
zu theilen, den nächsten in 89, den folgenden in 88
u. s. f. Die um den Mittelpunkt drehbare Visirvor-
richtung — meinte er — müsse dann jedenfalls auf
einen dieser vielen Theilstriche nahe genug einstehen,
der Werth desselben aber sei leicht zu berechnen. —
Der Vorschlag war vom Standpunkte der Theorie aus
vollkommen richtig, in der Praxis aber ganz undurch-
führbar, schon deshalb, weil er fünfundvierzig verschie-
dene Theilungen verlangte ; darunter solche nach Prim-
zahlen. —
Auch im Gebiete der Messungen, nicht nur in
demjenigen der Instrumente, zeigt das sechzehnte Jahr-
hundert das Dämmern einer besseren Zeit. Ich meine
nicht die ziemlich bekannte Gradmessung Fernel's
zwischen Paris und Amiens — denn diese zeichnet sich
im Wesentlichen nur dadurch aus, dass sie bezüglich
der Ermittelung der Entfernungen weit schlechter war,
als die 700 Jahre früher unter AI Mamum ausge-
führte — , ich meine vielmehr die ersten Spuren der
sogenannten Triangulation.
Die heutige Geodäsie versteht unter dem Triangu-
liren bekanntlich das trigonometrische Ermitteln grosser
Entfernungen durch Benutzung eines zwischen den
Endpunkten eingeschalteten Systems von Dreiecken, in
denen zwar alle Winkel zu beobachten sind, jedoch
nur eine einzige säramtlicher Seiten gemessen zu wer-
den braucht.
Merkwürdigerweise ist es ein Professor der Theologie
und der hebräischen Sprache, doch zugleich auch der
Mathematik — Sebastian Münster zu Basel — ,
der wohl zuerst auf Aehnliches kam.
Die Winkel der Dreiecke erhielt er, wie seine be-
rühmte, 1544 erschienene „ Cosmographia " oder „Be-
schreibung aller Lender" lehrt, durch einen getheilten
Kreis, den er an jedem Eckpunkte mittelst eines Com-
passes orientirte (und der nicht einmal Diopter hatte,
sondern nur ein drehbares Lineal). Die Länge der
einen Seite gewann er durch Abschreiten, oder Ab-
reiten; das Dreiecksnetz durch Constmction. Er spricht
allerdings in seinem eben genannten Werke (das sehr
viele Auflagen erlebte) nur von einem Dreiecke, nicht
von einem ganzen Netze, da er aber die Sache auf die
Vermessung von Ländern bezieht, so ist anzunehmen,
dass er sich au das erste Dreieck andere geschlossen
dachte. —
III. Derartig vorbereitet war der Boden für die
Ernte, welche der Geodäsie im siebzehnten Jahr-
hundert reifen sollte I
An den Anfang desselben gehört — wie allgemein
bekannt — die Erfindung des Mikroskopes und des
Fernrohres.
Ein Vierteljahrhundert verstrich, ehe man begann,
letzteres für Winkelinstrumente zu benutzen. Weit
sehen konnte man nun mit den Winkelmessern, aber
65
Geodäsie nnd ihre Beziehungen ztir neneren Geometrie.
66
man vennochte nicht, eine mit dem Rohre genommene
Richtung genau zu fixiren. Dieses Problem löste im
Jahre 1640 der junge, talentvolle Engländer William
Gascoigne, den die Wissenschaft leider sehr früh
verlor. Er brachte in der Bildebene des Objectives
feine Faden an, die, durch ein Schraube verstellbar
gemacht, auch zum Messen dienen konnten.
Um den Ruhm, Fadenkreuz und Mikrometer
hierdurch erfanden zu haben, ringen mit ihm aller-
dings noch Einige (Henrion, Morin, Gencrini,
Auzout, Picard) und es wird schwer sein, die An-
sprüche derselben- genau abzuwägen.
Ausser dem Femrohr mit Fadenkreuz brachte das
siebzehnte Jahrhundert noch zwei höchst wichtige Be-
standtheile der geodätischen Instrumente: den Nonius
und die Röhrenlibelle.
Der Grundgedanke, den Pedro Nunez 1542 be-
züglich der indirecten Kreistheilung ausgesprochen hatte
— freilich in unbrauchbarer Form — wurde durch
Pierre Vernier 1631 in so vollkommener Weise ver-
werthet, dass wir noch heute die durch ihn erfundene
Vorrichtung unter den Namen Vernier oder Nonius
benutzen.
Auch auf den trefflichen Einfall, eine auf einer
WeingeistfuUung in einer schwach gebogenen Glasröhre
schwinmiende Luftblase zur Herstellung horizontaler
Absehlinien zu benutzen, kamen die Franzosen und
wurden dadurch zu Erfindern der Röhrenlibelle, welche
seitdem einer der wichtigsten Gehilfen des Geodäten
ist, jedoch — ebenso wie der Nonius — nur langsam
zu allgemeiner Anwendung kam.
Doch nicht allein Holland, England und Frank-
reich forderten zu jener Zeit mächtig die Geodäsie,
auch die Schweiz und Deutschland griffen rüstig ein:
Der Jesuit Christoph Scheiner erfand um das Jahr
1603 den Pantographen. Unter dem gcmüthlichen
Namen „Storchschnabel" hat Letzterer nicht nur dem
Geodäten seitdem gedient, sondern auch — wie bis vor
etwa 20 Jahren die Wände eines jeden Studenten-
zimmers nachwiesen — unermüdlich Schattenrisse ge-
schaffen und deshalb als hochgeschätzter Portraitmaler
dagestanden.
Die bekannte Kreuzscheibe, im Wesentlichen
eine Verbesserung der römischen groma, findet sich im
Jahre 1627 in der Geometrie des Züricher Ingenieurs
Ardüser, wie es scheint, zuerst beschrieben, doch
halte ich für wahrscheinlich, dass sie schon früher be-
nutzt wurde, denn die durch dieselbe gebotene Ver-
vollkommnung des Lieblingsmesswcrkzeuges der alten
römischen Feldmesser ist eine gar zu nahe liegende.
Weit wichtiger aber als die Erfindung des Pauto-
ClTlliDfenieor XXIII.
graphen und der Kreuzscheibe ist die des Messtisches.
Man schrieb sie bisher kurzweg dem Altdorfer Professor
Praetorius zu und nannte das Jahr 1611. Doch das
ist nur mit Einschränkung richtig!
Leonhard Zubler nämlich beschreibt in einer
schon 1607, also 4 Jahre vorher, erschienenen Schrift
einen Apparat, dessen Grundgedanke von dem Züricher
Eberhard ihm angegeben worden war, und der im
Wesentlichen nichts anderes ist, als ein Messtisch, aber
ein Messtisch — ohne Beine! Auch lehrt er, wie mit
diesem Geräthe das Aufnehmen aneinanderstossender
Dreiecke, also ein gewisses Trianguliren auszufuhren sei.
Die Nivellirinstrumente kamen im siebzehnten
Jahrhundert zwar auch zur Weiterentwickelung, doch
gelang es denen mit Röhrenlibelle — offenbar schon
damals berufen, sich die Alleinherrschaft zu erringen —
durchaus nicht, die andern zu verdrängen. Im Gegen-
theile, es hielten sich selbst Männer ersten Ranges,
wie Picard und Huyghens, noch an die schon im
Alterthume angewendeten Pendelinstrumente, indem sie
die Achse eines I'ernrohres dadurch horizontal stellten,
dass sie dieselbe mit einem Lothe unter rechtem Winkel
verbanden. Die Huyghens 'sehe Wasser wage bot den
Vortheil, die Horizontalstellung selbstthätig auszufuhren,
und zwar durch ein unter dem Schwerpunkte des frei-
hängenden Fernrohres angebrachtes Gewicht. Interes-
santer als diese beiden ist das Nivellirinstrument, wel-
ches De la Hire vorschlug. Es beruht auf dem Ge-
danken, ein schwimmendes Fernrohr zur Erlangung
wagrechter Absehlinien zu verwenden. Er benutzte
jedoch nicht ein mit Wasser gefülltes Gefäss, sondern
zwei durch eine Röhre verbundene ; auf dem nach vom
gelegenen Hess er das Objectivglas schwimmen, auf dem
andern das im Brennpunkte des Objectives befindliche
Fadenkreuz ; hinter diesem befand sich in einer kurzen
Röhre das Ocular.
Den Nivellirinstrumenten schliesst sich eng das
Barometer an, welches zuerst der vielseitige Pascal,
und zwar schon 1648, mithin wenige Jahre nach To-
ri colli 's berühmter Entdeckung, zum Höhenmessen
benutzte, indem er durch seinen Schwager Perrier
Versuche auf dem Puy-de-D6me anstellen liess. —
Obenan unter den Fortschritten, die das siebzehnte
Jahrhundert bezüglich der geodätischen Messungen
brachte, steht der Umstand, dass der Niederländer
Willebrord Snellius die Triangulation erfand,
oder doch wenigstens alles hierher gehörige Frühere
wesentlich verbesserte und in grossartigen Verhältnissen
benutzte.' Das Wesen der Triangulation wurde schon
genannt, als ein in das sechzehnte Jahrhundert gehö-
render schwacher Vorläufer Erwähnung fand. Das
6
67
Fuhrmann, Ueber die geschichtUche Entwickelnng der
68
Jahr 1615, in welchem Snellius die Methode hei
seiner Gradmessung in Holland zur Anwendung hrachte,
ist ein ausserordentlich wichtiges für die Geschichte
der Geodäsie. Es beginnt mit ihm ein neuer Haupt-
abschnitt derselben; es beginnt die Zeit, von welcher
an die praktische Geometrie berechtigt ist, sich Wis-
senschaft zu nennen, während sie vorher kaum mehr
als ein Handwerk war; es beginnt femer eine intens-
sive Wechselwirkung zwischen Geodäsie, Mathematik,
Physik und Technik der Instrumente, die seitdem nie
aufgehört hat, fordernd, anregend und befruchtend nach
allen Seiten hin zu wirken.
Die nächste Frucht war das Entstehen von Grad-
messungen, deren Durchführung die der vorausgegan-
genen in grossartiger Weise übertraf: Zuerst die Pi-
card's zwischen Paris und Amiens im Jahre 1669;
dann, 14 Jahre später, die Fortsetzung derselben nach
Norden bis Dünkirchen durch Lahire und nach Süden
bis CoUioure durch Dominique Cassini, beide Mes-
sungen in naher Beziehung zu der im Jahre 1672 auf-
getauchten Frage, ob die Erde ein abgeplattetes Rota-
tionsellipsoid seL —
Fasst man zusammen, was das siebzehnte Jahr-
hundert der Geodäsie brachte, so erkennt man, dass es
eine Fülle wichtigster Fortschritte war; man erkennt,
dass dieser Zeitabschnitt in der Geschichte der Geodäsie
eine beinahe ebenso wichtige Rolle spielt, wie in der-
jenigen der reinen Mathematik.
IV. An der Schwelle des achtzehnten Jahrhun-
derts steht eine Erfindung, durch welche der grosse
Newton seinen Namen auch im Gebiete der praktischen
Geometrie unsterblich machte. Das herrliche Vorrecht
des Genies, funkelndes Gold da zu erblicken, wo An-
dere nur das taube Gestein sehen, liess ihn erkennen,
dass zwei unter veränderlicher Neigung verbundene
Planspiegel ein treffliches Messinstrument abzugeben
vermögen, weil der Winkel, unter welchem der einfal-
lende Lichtstrahl «vom zweimal reflectirten geschnitten
wird, in bestimmter einfacher Beziehung steht zum
Spiegelwinkel.
Die im Jahre 1700 verfasste Beschreibung des In-
strumentes hatte ein eigenthümliches Schicksal: Sie
verschwand in dem Schriften -Chaos eines Gelehrten-
zimmers I Erst nach 42 Jahren erblickte sie wieder
die Sonne!
Unterdessen hatte John Hadley ganz Dasselbe
im Jahre 1731 beschrieben, ohne Newton zu nennen,
obgleich er höchst wahrscheinlich dessen Manuscript
kannte. Das Instrument erhielt den Namen „ Hadley '-
scher Spiegelsextant" und ist da, wo es nöthig
wirdy Winkel zu messen, während der Boden unter dem
Beobachter schwankt — also vorzüglich auf Schiffen — ,
unentbehrlich gewesen, bis im Jahre 1770 Tobias
Mayer und 1787 Borda den etwas besseren Spiegel-
vollkreis vorschlugen, der auf ganz demselben Grund-
gedanken beruht, sich jedoch so langsam Geltung ver-
schaffte, dass bis heute der Sextant nicht ganz ver-
drängt wurde.
Dem Techniker und Feldmesser am geläufigsten ist
ein ganz specieller Fall der Anwendung des Newton'-
schen Gedankens, nämlich das kleine, den Namen
Winkelspiegel führende Mess Werkzeug, welches zum
bequemen Abstecken von Senkrechten dient und 1791
zuerst von dem englischen Optiker George Adams
dem Jüngeren als eine Erfindung seines Vaters be-
schrieben wurde.
So ist denn das achtzehnte Jahrhundert das Seculum
für die Entstehung der Spiegelinstrumente. Doch
nicht für diese allein! Auch der Theodolit — dieses
jetzt am meisten hervorragende Winkelmessinstrument
— entwickelte sich in der zweiten Hälfte des genannten
Jahrhunderts in erfreulicher Weise aus den früher an-
gedeuteten Keimen.
Die praktischen Engländer waren es, die ihn aus-
bildeten, indem sie die von Tycho Brahe bereits
verwendete Combination eines horizontalen und eines
verticalen Kreises nicht allein mit Fernrohren, sondern
auch mit Mikroskop -Mikrometern versahen, also mit
derjenigen Einrichtung, zu welcher man in der aller-
neuesten Zeit wieder gegriffen hat, um die genauesten
Instrumente herzustellen.
Hand in Hand mit der Ausbildung der Winkel-
instrumente ging die der Längen m essungen. Bis
gegen das Ende der dreissiger Jahre hatte man selbst
bei den sorgfältigsten Basismessungen hölzerne Stäbe
benutzt und diese unmittelbar an einander gelegt
Gassini verwendete 1739 zuerst Metallstäbe, erreichte
aber keinen wesentlichen Vortheil, weil er die Ausdeh-
nung nur durch Quecksilberthermometer ermittelte.
Der englische General Roy maass im Jahre 1784 eine
Basis mit Glasröhren. Erst Borda 's Scharfeinn traf
das Rechte durch Aufstellung und Benutzung von zwei
durchaus neuen Grundgedanken: Er liess die Maass-
stäbe nicht mehr direct an einander legen, maass viel-
mehr Zwischenräume durch mit Nonien versehene
Schieber; er setzte femer die Messstangen aus zwei
verschiedenen Metallen — Platin und Kupfer —
zusammen und erkannte durch den Ausdehnungsunter-
schied beider die l'emperatur bis auf etwa Vso eines
Reaumur 'sehen Grades.
Sein trefflicher Basismessapparat kam 1792 bei
der zweiten französischen Gradmessung zuerst zur An-
69
Geodäsie nnd ihre Beziehungen zur neueren Geometrie.
70
Wendung und ist — soweit es die beiden Grundgedanken
botnfiFt — bis heute mustergiltig geblieben.
Auch diejenigen Instrumente, welche von einem
einzigen Standpunkte aus Entfernungen zu ermitteln
gestatten, die sogenannten Distanzmesser — iu der
Geschichte der Geodäsie mehr berüchtigt als berühmt
— fingen im achtzehnten Jahrhundert an, sich geltend
zu machen, nachdem sie bereits im Anfiänge des sieb-
zehnten aufgetaucht waren, als „geometrisches Quadrat''
sogar schon früher existirt hatten.
Die besseren Nivellirinstrumenteendlich waren
im Wesentlichen in den achtziger Jahren schon mit
allen den Einrichtungen yersehen, die wir jetzt — wenn
auch in Yollkommenerer Weise — diesen Apparaten
geben, gestatteten sogar zum Theil schon jenes Vor-
und Rückwärtsvisiren, welches auf der Wiener Industrie-
ausstellung (1873) in neuer Auflage vertreten war.
Mit derartig vollkonunenen Instrumenten ausge-
rüstet, erreichten die im achtzehnten Jahrhundert zur
Durchführung gelangenden geodätischen Arbeiten, ins-
besondere die Gradmessungen, eine bereits ziemlich
hohe Genauigkeit. Es sind diese Messungen wegen der
mit ihnen in Verbindung stehenden Frage nach der
Abplattung der Erde und wegen der Entstehung des
Metermaasses so bekannt, dass ich nicht näher auf die-
selben einzugehen brauche.
Hingegen darf ich nicht versäumen, auf den
weniger bekannten Umstand hinzuweisen, dass bereits
im Jahre 1737 durch den französischen Geographen
Buache diejenige Art der Darstellung geodätischer
Höhenaufhahmen erfunden wurde, welche in neuester
Zeit anfängt, sich die Alleinherrschaft zu erringen: Die
Darstellung durch Schichtlinien (Horizontalen, Ni-
veaucurven).
Ich darf femer nicht unterlassen, aui das Ver-
dienst hinzuweisen, welches sich Tobias Mayer im
Jahre 1752 durch die Erfindung des Principes der
Winkelrepetition erwarb.
Ich muss endlich — das achtzehnte Jahrhundert
in würdiger Weise abschliessend — des jungen Stu-
denten der Mathematik gedenken, der im Jahre 1795
zu Göttingen die Methode der kleinsten Quadrate
schuf — jene Ausgleichungsrechnung, welcher die
Greodäsie ausserordentlich viel verdankt — und der
dann im neunzehnten Seculum so Grossartiges leistete,
dass der Name Gauss für alle Zeiten einer der voll-
tönendsten sein wird!
V. Erleuchtet von diesem strahlenden Sterne begann
die Geodäsie im neunzehnten Jahrhundert ihre Ge-
schichte. Wie Gauss Mathematik, Physik, Astronomie
und Geodäsie in sich derartig voreinigte, dass sie in
lebhafter Wechselwirkung sich gegenseitig anregten und
förderten, so ist die neueste Geschichte und die Gegen-
wart der Geodäsie ein Ineinandergreifen und ein Zu-
sanunenwirken dieser Wissenschaften« welches bereits
treffliche Fortschritte erzeugt hat.
Es ist unmöglich, in kurzer Zeit zu schildern, in
welcher Weise alle Faktoren wirkten und welche Re-
sultate sie erreichten.
Möge es mir daher gestattet sein, nur einen der-
selben zu besprechen und zwar den, der bisher das
Aschenbrödel war, der bisher am wenigsten beachtet
wurde und wohl gerade deshalb einige Aufmerksamkeit
verdient.
Ich meine den Einfluss, welchen die neuere
Geometrie auf die Geodäsie ausgeübt hat und viel-
leicht künftig ausüben wird.
Die erste hierher gehörige Arbeit ist der 1861
von Rankine in der Zeitschrift „the artizan'^ veröffent-
lichte kurze Aufsatz „on the application of transversals
to engineering field-work.**
Ihm folgte, 5 Jahre später, im „Archiv der Ma-
thematik und Physik", eine von Franz Müller her-
rührende Abhandlung „über die Anwendung der har-
monischen und anharmonischen Verhältnisse zur Auf-
lösung einiger Aufgaben der Geodäsie."
Ferner gab Reye in demselben Jahre hierher Ge-
höriges, doch von geringem Umfange, in seiner treff-
lichen „Geometrie der Lage".
Was nachher Spangenberg im Jahrgange 1869
der „deutschen Bauzeitung" aussprach, imd Franke
1870 in der „Zeitschrift des hannoverischen Ingenieur-
und Architekten -Vereins", enthielt wenig Neues.
Die jüngsten Aufsätze rühren her von Schlesinger
und von Baur. Der Erstgenannte gab im Jahrgange
1872 des „Archiv der Mathematik und Physik" einen
Beweis der Lehmann'schen, die Pothenot'sche Auf-
gabe betreffenden Sätze, welcher wenigstens seine Ent-
stehung der neueren Geometrie verdankt.
C. W. Baur löste im dritten Bande (1874) der
„Zeitschrift für Vermessungswesen" eine Grenzaus-
gleichungsaufgabe unter Benutzung des Centralpunktes
und eines Doppelpunktes der Involution.
Das ist die gesammte hierher gehörige Literaturl
Es liegt also dieses Feld noch sehr unbearbeitet da.
Der oft gelobten Gründlichkeit deutscher Wissen-
schaft wird es entsprechen, den Boden künftiig näher
zu untersuchen, um schliesslich die jetzt noch offene
Frage, ob die neuere Geometrie hinreichend brauchbare
Anwendungen innerhalb der Geodäsie gestatte, womög-
lich entweder mit einem entschiedenen Ja beantworten
zu können, oder mit einem ebenso entschiedenen Nein.
71
Fährmann, Ueber iUe geschichtliche Entwickeloug der
12
Sehen wir uns au, was die bisherigen Bebauer dieses
noch wenig bestellten Feldes erzogen, und was, als
naheliegend, sich auschliessen lässt!
Wenn wir die — bereits speciell genannten —
Arbeiten Baur's und Schlesinger's ausnehmen, so
bleibt Folgendes:
Es tritt zuerst die geodätische Aufgabe hervor,
Punkte ausfindig zu machen, welche einer
durch Signale bezeichneten Strecke, oder deren
Verlängerung angehören und, gewisser Hinder-
nisse wegen, nicht unmittelbar erhalten werden
können.
Wenn jedes Messen ausgeschlossen ist, so löst die
neuere Geometrie diese Aufgabe durch blosses Aus-
stecken von Signalstangen, indem sie entweder harmo-
nische Gebilde oder perspectivisch liegende Dreiecke
benutzt. Auf die Verwendung des harmonischen Strah-
lenbüschels zu diesem Zwecke hat zuerst Reye hin-
gewiesen; Spangenberg benutzte die perspectivisch
verwandten Dreiecke in einer etwas schwerfälligen
Weise, die sich durch ein geschickteres und zugleich
allgemeineres Verfahren ersetzen lässt.
Ist hingegen das Messen geeignet gelegener Strecken
zulässig, so fuhrt der Satz zum Ziele, welchen Gar not
an die Spitze seiner Theorie der Transversalen stellte.
Doch gelangt man oft noch bequemer zur Lösung, wenn
man die Doppelverhältnisse perspectivisch liegender
Punktreihen oder Strahlenbüschel verwendet.
Harmonische Gebilde, perspectivisch liegende Reihen,
Büschel oder Dreiecke sind es auch, die dazu führen,
mit Leichtigkeit eine Richtung nach dem unzu-
gänglichen und nicht sichtbaren Schnitt-
punkte anderer abzustecken, oder den Durch-
schnittspunkt von Geraden über allerlei Boden-
hindernisse weg zu ermittehi. —
Eine zweite Gruppe geodätischer Anwendungen
der neueren Geometrie betrifft das indirecte Aus-
messen von Entfernungen, welche entweder an
dem einen, oder an beiden Enden unzugänglich sind.
Hier erweist sich zunächst der Grundgedanke
brauchbar, an die Stelle des unzugänglichen Punktes
einen harmonisch conjugirten treten zu lassen, letzteren
durch blosses Ausstecken von Signalstangen zu ermit-
teln und aus seiner Lage die des ersteren herzuleiten.
Verbieten die Verhältnisse die Anwendung dieses
Verfahrens', so greift man mit Vortheil zur Benutzung
pei*spectivischer Reihen. Dieselben dienen auch zur
Ermittelung direct nicht messbarer Winkel.
Da nun, wie allgemein bekannt, das Aufmessen
von Flächen zurückkommt auf dasjenige von Strecken
und Winkeln, so erhellt, dass drittens auch für diesen
Theil der Geodäsie die neuere Geometrie nicht gemz
ohne Nutzen sein kann.
Es leuchtet viertens ein, dass das Meesen von
Entfernungen (unter Benutzung der genannten Sätze)
auch auf das Arbeiten mit dem Messtische über-
tragbar sein muss.
Es leuchtet ein, dass es sich hier reducirt auf das
Ziehen einiger Visirlinien und auf das Abmessen einer,
einzigen auf dem Papiere der Tischplatte sich ergeben-
den Strecke.
Wenn der reine Theoretiker an diese Stelle seines
Folgerns gelangt, so ist er vielleicht — freilich nur
einen Augenblick lang — verlockt, den Jubelruf aus-
zustossen, mit welchem Archimedes einst dem Bade
entsprang, als er das berühmte Gesetz der Hydrostatik
entdeckt hatte.
Ich meine, der Greometer geräth vielleicht momentan
in die Gefahr zu glauben, dass es ihm gelungen sei,
eine für die Geodäsie höchst wichtige Erfindung zu
machen, nämlich den Messtisch ohne alle Hilfsapparate
in einen trefflichen Distanzmesser umzuwandeln.
Der schöne Wahn reisst entzwei, sobald der neue
Distanzmesser näher betrachtet wird. Er zeigt dann
die seiner grossen Familie, wie es scheint , erblich zu-
gehörende Eigenschaft der Ungenauigkeit und in w^t
höherem Grade, als die jetzt beliebtesten seiner Ver-
wandten. —
In enger Beziehung zu dem an vierter Stelle
Erwähnten steht fünftens der Umstand, dass es mög-
lich ist, mittelst des Messtisches noch in anderer Weise
von einem einzigen Standpunkte aus jede übersehbare
Figur au&unehmen, ohne dass man nöthig hat, dift
umfangreichen Längenmessungen auszuführen» weloha
bei Verwendung der älteren Geometrie in diesem Falle
unvermeidlich sind. Es kommt das Aufndunen mit
dem Messtische, wenn es von einem Stande aus er^
folgen soll, hinaus auf das Ziehen von Parallelen 911
ausgesteckten Geraden. Was die neuere Geometrie
hierzu fordert, ist — mindestens vom theoretischen
Standpunkte aus — ziemlich wenig. Sie löst das Pro-
blem unter Verwendung perspectivischer Reihen, indem
sie den unendlich fernen Punkt zu Hilfe nimmt» und
gelangt am einfachsten dann zum Ziele, wenn die Um-
stände es gestatten, diesen unendlich fernen Punkt als
harmonisch zugeordnet einem visirbaren zu benutseo.
Durch dieselben Mittel erlangt man — wie aich
nebenbei ergiebt — ein Verfahren, den Messtisch nach
einer gegebenen durch drei Signale bezeichneten G^
raden in einem Punkte zu orientiren, der ausserhalb
der letzteren liegt. —
Vieles von Dem, was ich hiermit von geodätischea
73
Geodäsie und ihre Beziehungen zor neueren Geometrie.
74
Anwendungen der neueren Geometrie genannt oder an-
gedeutet habe, genügt den Anforderungen der Praxis
noch nicht. Vielleicht aber wird es möglich sein, das
Mangelhafte derartig zu verbessern, dass die Praktiker
genöthigt werden, es anzuei'kennen.
Jedenfalls ist es für diejenigen Mathematiker, welche
zugleich Geodäten sind — insbesondere für die heran-
wachsende Generation — der Mühe werth, diese Ver-
vollkommnung wenigstens zu versuchen. Jedenfalls
ist es ferner der Mühe werth, zu erforschen, in welchem
Umfange die bisher noch nicht benutzten Gebiete der
neueren Geometrie innerhalb der Geodäsie sich brauch-
bar erweisen.
Bereits haben Baur und Schlesinger mit ihren
obengenannten Aufsätzen in diesem Sinne gewirkt. Möge
es mir gestattet sein, ausser den im Vorhergehenden
schon gegebenen Andeutungen noch folgende beizu-
fügen:
Die harmonischen Reihen und Büschel haben sich
mannichfach verwendbar gezeigt. Es ist daher Aehn-
liches von einer Verallgemeinerung derselben, von den
involutorischen Gebilden zu erwarten. —
Die schönen Sätze, welche die neuere Geometrie
in Bezug auf die Eigenschaften der Gurven zweiter
Ordnung kennt, werden vielleicht brauchbar sein, schon
deshalb, weil diese Gurven als Verallgemeinerungen des
vielbenutzten Kreises dastehen. Es wird vielleicht mög-
lich sein, die eleganten Gonstructionen, durch welche
man mittelst projectivischer Strahlenbüschel oder pro-
jectivisch verwandter Punktreihen die Gurven zweiter
Ordnung erzeugt, ganz oder theilweise da zu verwenden,
wo es sich um das Abstecken von krummen Strassen-
oder Eisenbahnachsen handelt, die durch vorgeschrie-
bene Punkte laufen und sich bestimmten geradlinigen
Achsen tangential ansdüiessen sollen. Da jene Con-
stractionen nur das Ziehen gerader Linien verlangen,
so würde sich für den Geodäten dann ein Gurvenab-
stecken ergeben, bei welchem er nur Signalstangen
einzuwinken brauchte, das Messen von Winkeln oder
Strecken aber vollständig entbehren könnte.
Selbstverständlich müsste man bei solchen Anwen-
dungen der neueren Geometrie, wie immer, den An-
forderungen der Praxis Rechnung tragen und nicht
sogleich alles für verwerthbar halten, was dem reinen
Theoretiker anwendungsfähig erscheint. Gewiss aber
verdient andererseits der Umstand volle Beachtung,
dass die Geometrie der Griechen, auf welche sich die
heutige Geodäsie vielfach stützt, zu sehr amSpeciellen
hängt, zu sehr der allgemeinen Methoden entbehrt.
Diese Schattenseite der herrlichen Schöpfung des grie-
chischen Geistes aufzuhellen durch Strahlenbüschel und
Strahlenbündel, die mächtigen Werkzeuge neuerer For-
schung, wird vielleicht bald auch innerhalb der prak-
tischen Geometrie sich geltend machen 1
Es wird von Nutzen sein, auch hier zu beachten,
dass die Geometrie der Lage gar viele Probleme durch
blosses Ziehen gerader Linien löst, während man früher
sie nur auf dem Wege des Rechnens zu bewältigen
vermochte. £^ wird nützlich sein, zu bedenken, dass
die Centralprojection im Stande ist, Verallgemeinerungen
zu liefern, an die man bisher in der Geodäsie nicht
dachte; dass das Princip der Dualität zu jedem pro-
jectivischen Satze, der in der Theorie der Instrumente
oder des Vermessens auftritt, sogleich einen reciproken
giebt; dass die vielbenutzte Aehnlichkeit nur ein ganz
specieller Fall der geometrischen Verwandtschaften
isti —
Doch die reinen Praktiker werden sagen: „Ja bei
solchem Verallgemeinem wird das Einfache durch Gom-
plicirtes verdeckt oder gar verdrängt!"
Das braucht man aber nicht zu fürchten^ denn die
wahre Einfachheit der Geometrie und ihrer Anwen-
dungen liegt zuletzt doch in der Allgemeinheit der
Methoden und — wie der grosse Steiner meisterhaft
gesagt hat — „in der Aufdeckung desjenigen Organis-
mus, durch welchen die verschiedenartigsten Erschei-
nungen der Raumwelt mit einander verknüpft sind."
Man lasse sich also nicht abschrecken I Und wenn,
innerhalb der Geodäsie angewendet, die neugeschaffenen
Werkzeuge nicht sogleich mit hinreichender Vollkommen-
heit wirken, so beachte man eine Lehre, welche die
Geschichte der Wissenschaft vielfach gegeben, die Lehre,
dass EinÜEiches oft nur auf Umwegen erlangt werden
kann, oft erst dann erreicht wird, wenn Gomplicirtes
vorausgegangen ist.
Man hüte sich aber auch, Kraft und Zeit an Dinge
zu verschwenden, die beides nicht werth sind!
Bei Einhaltung des rechten Maasses wird eine
lebendige Wechselwirkung zwischen der reinen Geometrie
und ihren geodätischen Anwendungen entstehen; Wech-
selwirkung zwischen Theorie und Praxis ist aber, wie
die Geschichte der Wissenschaft lehrt, allezeit ein Segen.
77
Biehn, Einige Bemerkungen über den Einflnss der Cylinderwandungen u. s. w.
78
direnden Versuche am 13. April und 29. August ver-
glichen werden. Dass z. B. andere Ursachen als Un-
dichtheiten die aus der Tabelle hervorgehenden Verluste
bewirkt haben sollten, kann auch ich mir nicht denken.
Feuchterer Kesseldampf oder dergl. ist nach den gege-
benen Daten nicht anzunehmen, sondern eher das Ge-
gentheil.
Im ersteren Falle beträgt nun der totale Speisewasser-
verbrauch 471,24^8 stündlich; 22,9 Proc. oder 107,8f>^8 sind
davon als condensirt aufgefangen, es bleiben also 363,38 ^^8,
welche als Dampf in den Cylinder gekommen sind.
Angenommen, dieser Dampf hielte noch 10 Proc. Wasser
(einige Procente mehr oder weniger, sind beiläufig gesagt,
für vorliegenden Vergleich irrelevant), dann wäre das
reine gesättigte Dampfgewicht 327,05^«. Das Verhält-
niss des reinen Admissionsdampfes zum Speisewasser
igt =0,473. Das Gewicht des gesättigten Admissions-
dampfes beträgt sonach 222,89^«, und es sind 104,16^«
stündlich oder 0,0289*« pro Secunde im Cylinder ver-
loren gegangen.
Bei dem Versuche am 29. August dagegen beträgt
das stündliche Speisewassergewicht 584,86'^«. Davon
sind condensirt aufgefangen 16,8 Proc. oder 98,11*«^,
und es bleiben 486,75^, welche als Dampf in den Cy-
linder gekommen sind. Der Feuchtigkeitsgehalt sei
wieder gleich 10 Proc., dann bleiben als reines Dampf-
gewicht 438,08*« übrig. Das Verhältniss des Admis-
sionsdampfgewichtes zum Speisewasser beträgt 0,433, so
dass ersteres sich ergiebt zu 253,24*«. Verloren sind
sonach stündlich 184,84*«, oder pro Secunde 0,05i3*«.
Unter verhältnissmässig ungünstigeren Verhältnissen
waren aber nur verloren 0,0289*«, sonach dürften durch
Undichtheiten entwichen sein pro Secunde 0,0224*«.
Dazu gehört nach der von Herrn Escher angewen-
deten Formel, welche ich bei diesem Vergleiche ohne
Discussion ihrer Zulässigkeit anwende, ein Querschnitt
von 20,40 □"" in den Steuerungsorganen, oder rund
100 n™" im Kolben.
Nun ist aber weiter Folgendes zu bemerken:
Die 76 Q"" Undichtheiten für die Steuerungsorgane
der von Völkers untersuchten Maschine (Nr. 7) waren
für das ganze verlorene Dampfquantum berechnet.
Es würde aber falsch sein, den Einfluss der Cylinder-
wandungen abzuleugnen; ein Theil des Dampfes con-
densirt sich, und es entstehen infolge dessen die Er-
scheinungen, welche Herr Es eher sehr gut darstellt.
Ein Theil aber entweicht, wenigstens nach meiner An-
sicht. Wären dies z. B. % des Quantums, so wären
bei der Maschine nur 51 Q™" Undichtheiten in den
Steuerungsorganen überhaupt erforderlich.
Bei der Maschine Nr. 5 dagegen bedeuten die
20 Q™™ nur die Zunahme an Undichtheit, nicht
diese selbst. Bedenkt man nun, dass die Maschine
Nr. 7 etwa anderthalb Mal so viel Kolbenhub und
beinahe den 272fe'Chen Kolbenquerschnitt hat, wie Nr. 5,
also viel grösser ist, als diese letztere, so wird man
wohl annehmen können, dass an Kanten und Flächen,
welche zu Undichtheiten Gelegenheit geben können,
bqi einer Maschine von der Grösse wie Nr. 7 wohl
mindestens doppelt so viel vorhanden ist, als bei der
Maschine Nr. 5. Hieraus wäre der Schluss nicht un-
gerechtfertigt, dass bei einer Maschine voü der Grösse
wie Nr. 7, welche unter denselben resp. verhältniss-
mässigen Umständen gearbeitet hätte, wie Nr. 5, die
Undichtheiten das Doppelte hätten betragen können von
dem, was irgend welche Vorgänge in der kleineren
Maschine bewirkt haben. Damach hätte man schon
4Q[--]nim Zunahme an Undichtheit, und es wäre mög-
licherweise der vorausgesetzte Zustand der Corliss-
maschine Nr. 7 schon überholt.
Lässt man übrigens diese Folgerungen ganz bei-
seite und bleibt nur bei der Zunahme von 20 Q™"
Undichtheiten stehen, so lässt sich annehmen, dass
durch diese nahezu schon die Hälfte des ganzen ver-
lorenen Dampfquantums entwichen sein würde. Abso-
lute Dichtheit der Steuerungsorgane und des Kolbens
darf besonders nach diesen Resultaten auch anfangs
nicht vorausgesetzt werden, und es bleibt dann schliess-
lich nicht viel Dampf mehr übrig, der durch Conden-
sation verloren gegangen sein kann.
Wie mir also scheinen will, weist dies Beispiel
auch wieder darauf hin, dass man in normalen Fällen
stets Undichtheiten annehmen muss, die nicht zu
vernachlässigen sind. Dadurch wird dann freilich
der Nutzen der Dampfmäntel in ein weniger günstiges
Licht gesetzt, mehr aber noch die Indicatorversuche,
welche diesen nachweisen sollen, da die Indicatorcurven
jedenfalls durch die Undichtheiten stark beeinflusst
werden.
Meiner Ansicht und meinen Erfahrungen wider-
streitet es, dass z. B. bei Dampfmaschinen mit unge-
heizten Deckeln und natürlich ungeheizten Kolben, wo
ausserdem ein grosser Theil des von frischem Dampf
umspülten Cylinderumfanges noch durch Auslassschieber
resp. Ventilkasten weggenommen wird, und die wirk-
lich geheizte Fläche sehr klein ist gegen die ganze,
welche bei der Admission während nur wenigen Cen-
timetem Kolbenlaufes in Betracht kommt, eine Erspar-
niss von 25 bis 30 Proc. an Dampf, also auch an Kohlen,
durch den Dampfoiantel sollte hervorgerufen werden.
lieber die reale Expansionslinie im Cylinder der Dampfmaschine mid deren
Beeinflussung dnrch den Dampfmantel.
Von
J. Illeck in Wien.
(Hierzu Tafel IV.)
Dem aufmerksamen Leser meiner „Hypothese über
die Condensation und Wiederverdampfung im Cylinder
der Dampfmaschine" (Civilingenieur, Bd. XXII, S. 371)
konnte es nicht entgangen sein, dass diese Hypothese,
so sehr deren Grundzüge im Allgemeinen für sich ein-*
nehmen mögen, trotzdem noch mancherlei und nicht
unerhebliche Widersprüche zu Tage fordert. Da aber
der primitive analytische Apparat, dessen ich mich zur
Entwickelung meiner Anschauungen bediente, die wirk-
lichen Vorgänge blos principiell andeuten konnte, so
liess sich erwarten, dass eine eingehende Analyse mit
Rücksicht auf die gesammten Nebeneinflüsse die er-
-^ähnten Widersprüche lösen und damit volle Klarheit
über den Gesammtverlauf des Processes vei*breiteu würde.
In Wirklichkeit findet sich nun diese Erwartung keines-
wegs bestätigt; man mag die Analyse streng oder we-
niger streng nehmen, stets finden sich trotz aller Gom-
binationen Differenzen, für welche auf Grundlage der
bisherigen Forschungen eine ungezwungene Erklärung
nicht zu geben ist.
Auf die erste Differenz trifft man schon bei der
Bestimmung des Wasserbeschlages der Wandungen, zu
dessen Berechnung sowohl die Admissions- als auch
die Expansionsperiode Anhaltspunkte liefert.
Mit Benutzung der später im Zusammenhange an-
geführten Bezeichnungen gelten für beide Perioden be-
ziehungsweise die Gleichungen:
(1)
(2)
Aus beiden Relationen sollte sich nun fiir @ der-
selbe Werth ergeben; setzen wir aber, mit Hallauer's
Analysen (Civilingenieur, Band XX, S. 255) in runden
Zahlen übereinstimmend, für eine Maschine ohne Dampf-
mantel :
CiTiliBfeniear XXIII.
P2 = ö Atm.
p = 0,5 (Endspannung) o!*
so berechnet sich aus Gleichung (1):
und a?2=0,95,
= 0,40,
= 0,60,
s
= 2,9474,
hingegen aus Gleichung (2):
©
.s^
= 1,4960.
Bei der Maschine ohne Dampfmantel findet sich
also der Wasserbeschlag aus der Admissionsperiode
erheblich grösser als aus der Expansionsperiode. Das
Nächstliegende, um diese Differenz zu begründen, wäre
allerdings die Yermuthung, dass der Wassergehalt des
Kesseldampfes unrichtig angenommen oder gemessen
wurde; betrachten wir also die Gleichungen 1 und 2
beide als richtig, so findet sich aus ihnen:
rr^=r 0,6792 statt 0:2= 0,95 (nach Hirn 's
Messungsraethode) .
Dieses Resultat wäre an und für sich ganz plau-
sibel, allein es steht im Widerspruche mit den Erschei-
nungen, welche dieselbe Maschine mit Anwendung des
Dampf mantels zeigt; setzen wir für diese:
p^ = b und 0:2=0,95,
p =0,7 a;' = 0,65,
jt>j=0,2 X =0,85.
Damit bestimmt sich aus Gleichung (1):
©
^- = 2,1435
und aus Gleichung (2):
©
"==2,9100.
Bei der Maschine mit Dampfmantel findet also
gerade das Umgekehrte statt; lassen wir auch hier die
83
II leck, lieber die reale ExpausionsHuie im Cyliuder der
84
Gleichungen. 1 und 2 zusammen bestehen, so berech-
net sich:
a?^, = 1,0930,
d. h. der Kesseldampf müsste unter dieser Voraus-
setzung überhitzt gewesen sein.
Ich komme daher auf meine ursprüngliche Annahme
wieder zurück, dass der Wasserbeschlag, welcher der
Admissionsperiode entspricht, der richtige sei, wonach
die Ursachen der obigen Abweichungen in der Expan-
sionsperiode gesucht werden müssen.
Dipse Basis wollen wir in der Folge festhalten.
Bezeichnet nun in Fig. 1 auf Tafel IV
MN die adiabatische Expansionslinie,
MP die dem Wasserbeschlag © entsprechende Ex-
pansionslinie,
so haben wir in erster Reihe zu erklären, wainim bei
der Maschine ohne Dampfmantel die wirkliche Expan-
sionscurve MR zwischen den Curven MP und MN
gelegen ist; ich habe diese Erscheinung in meiner
ersten diesbezüglichen Arbeit dadurch zu erklären ver-
sucht, dass der Wasserbeschlag © einerseits während
der Admission nicht bis auf die Temperatur des Dam-
pfes vorgewärmt werde und anderei'seits während der
Expansion in der Temperaturabnahme nicht gleichen
Schritt mit jener des expandirenden Dampfes halten könne.
Gegen diese Annahme lassen sich aber sehr triftige
Einwendungen erheben und kann ich sie nun um so
eher aufgeben, als sie sich leicht durch eine weit na-
türlichere ersetzen lässt.
Für das Abfallen der Expansionscurve bei der
Maschine ohne Dampfmantel scheint mir nämlich eine
ganz besondere Ursache vorhanden zu sein und diese
finde ich abermals in dem Wasserbeschlage der Wan-
dungen und zwar diesmal speciell in jenem des Cylin-
dermantels allein. Es wäre nämlich eine sehr extreme
Ansicht, wenn man behaupten wollte, dass der Dampf-
kolben während seiner Bewegung den Wasserbeschlag
des Cylindermantels vollständig vor sich herschieben
könne; ungleich wahrscheinlicher und natürlicher ist
die Annahme, dass dies nur theilweise geschieht und
demnach ein feiner Thaubeschlag zurückbleibt, über
welchen die Kolbenringe hinweggleiten. Dieser zweite
Wasserbeschlag besitzt zu Beginn der Admission gleich-
falls die Temperatur des Condensators ; tritt nun die
Expansion ein, so wird derselbe successive von dem
Kolben aufgedeckt und dabei immer auf die Temperatur
des expandirenden Dampfes gebracht. Sobald dies ge-
schehen ist, bildet er einen Bestandtheil des expandi-
renden Gemisches, giebt also die aufgenommene Wärme
während der Expansion theilweise wieder ab; dass durch
diesen Vorgang die berechnete Expansionscurve (die
©-Curve) zum Abfall gebracht wird, ist hiernach leicht
begreiflich.
Nennen wir diesen fixen Wasserbeschlag iJ, so ist
jene Wärmemenge, die am Schlüsse des Kolbenschubes
in dem Gesammtwasserbeschlag zurückbleibt und nach
Hallauer ehrend des Kolbenrücklaufes in den Con-
densator abzieht.
Die Abweichungen der wirklichen Expansionsliuie
von der adiabatischen stellen sich somit als das Re-
sultat der zwei sich entgegenwirkenden Wasserbeschläge
© und R dar, die beide ihre besondern Efifectverluste
im Gefolge haben. Das Ideal der Dampfmaschine dart
daher nicht ohne weiteres in der Uebereinstimmung
der beiden obgenannten Linien gesucht werden ; es wird
sich später zeigen, dass bei der Maschine ohne Dampf-
mantel der Effect um so ungünstiger wird, je mehr
sich diese Curven einander nähern; während anderer-
seits die Maschine mit Dampfmantel einen Ausnahme-
fall bildet, insofern durch die Einwirkung des letztem
der Wasserbeschlag II verschwindet und dann allerdings
das Zusammenfallen derselben Curven als günstig fS
den Effect zu betrachten ist.
Es unterliegt keiner Schwierigkeit, das Gesetz der
Zustandsänderungen des expandirenden Dampfes unter
Einflussnahme der Wasserbeschläge © und jB principiell
zu verfolgen. Zu diesem Ende sei Bjc der von dem
Kolben aufgedeckte Theil des Wasserbeschlages R bei
einem beliebigen Punkte der Expansionsperiode und
d R.r dessen Zuwachs während der Zeit d &. Innerhalb
dieses Zeittheilchens giebt der Wasserbeschlag (©4-B,)
die Wärmemenge:
~(©+Ä.)rf^
ab, hingegen nimmt der Wasserbeschlag dR,r die Wärme
(q- q^)dRr
auf; der expandirenden Dampfmenge S wird also die
Wärmemenge :
zugeführt.
Nun ist der Wasserbeschlag Rx offenbar projior-
tional dem zurückgelegten Kolbenwege ; diese Bemerkung
I führt uns auf die Beziehungen:
V
R, _ V—V_SQ~'
R "~ 8J_ 7^ ~ 1 — f
und
dRr_ dV
R "~(1— 5)S'
85
DampftnaHChine and deren Beeinflussung durch den Dainpfmantel.
86
und
Ferner ist:
F'+r„=(«'«'+(j)(.s+(5.,).
Hieraus folgt:
V e + k
= . . XU — k
83
ic*u'
und
'*(^)=^"^«'*''^***^-
Diese Werthe in die letzte Gleichung eingesetzt,
geben:
(Ä+ © - * + * R)dq+Td ( *!" ) S =
£+^ S^i'^C*^) — d{qxu)
1 — f ar «'
(3)
Dies wäre die Diö'erentialgleicliung der wirklichen
Expansionscurve, deren Integration mir aber, ohne den
Weg der Annäheining zu betreten, kaum möglich er-
scheint. *)
Dieser fatale Umstand bildet indessen kein Hinder-
niss, die Bestimmung des Wasserbeschlages li aus der
Indicator- Expansionslinie vorzunehmen. Zu diesem
Behufe sei in Fig. 2 auf Tafel IV MR die wirkliche
Expansionslinie und JV ein beliebiger Punkt derselben,
für welchen der zugehörige Wasserbeschlag Rr bestimmt
werden soll; wir legen nun zunächst durch die Punkte
M und N die ©-Curve MR^^ mit dem Wasserbeschlag
@x; ferner bezeichne:
Q die der Dampfmenge 8 auf dem Wege MQN
zugeführte Wärme;
Qi^ dieselbe auf dem Wege MQqN;
U die innere Wärme von 8 pro 1^^ im Punkte N;
2^= Fläche MQ^,Nnm;
f = Fläche M Q Nn m ;
<p = F- f.
Damit erhalten wir für die zugeluhrten Wärme^
mengen Q und Q„ folgende Ausdrücke:
Q ={U— ^^).s+/=@(?, — ?) — Äx (?—?,);
«^„ ={U— V) «+/-• = ©, (j, — }).
Aus diesen findet sich aber:
und
/C = *-'-*(©-©.;+-'^— ... (4)
*) Dividirt man z. B. Gl. (3) durch T und betrachtet rechter
Hand im Nenner r>==Con8t., so lässt sich die Integration leicht
bewerkstelligen. Anm. d. Verf.
Für den Schluss des Kolbenschubes giebt Gleicliung
(4) mit Vernachlässigung des letzten Gliedes:
R q^ — q @ — ©I
Setzen wir hierin beispielsweise:
(5)
s
Pi = b Atm., nnd - =3,4,
P =0,5 „
R
f=M,
so bereclinet sich ^ =6,7.**)
Die Zulässigkeit der Relation (5) lässt sich mit
Hilfe des Indicator- Diagrammes leicht erproben; für
gleiche Kolbenwege muss nämlich der Quotient
g2— g
ff— gl
annähernd gleiche DiflFerenzen geben; hierbei darf
aber nicht übersehen wei-den, dass g, gleichfalls mit
dem Hube variabel ist.
Man kann nun auch den Wasserbeschlag A @, der
von dem Kolben hin- und hergeschoben wird, gesondeil
bestimmen. Offenbar wird der Wasserbeschlag (@ — A ©)
des schädlichen Kaumes dieselbe Dicke wie der Wasser-
beschlag R besitzen; bezeichnet also:
tt die Oberfläche des schädlichen Kaumes und
ß die Oberfläche des Cylindermantels,
so ist das Verhältniss
©j— A®_« + f/:J
und hieraus tindet sich für
et
R
= u,2r>, f = 0,05 und =6,7;
A© , , ©-A© ,
= 1,284 und - - — =2,116.
Das erstere Verhältniss bestimmt den Wasserbe-
schlag, der von dem Kolben hin- und hergeschoben
wird; das letztere jenen des schädlichen Raumes selbst.
(jeht man von der Ansicht aus, dass die Maschine
mit Dampfmantel ohne Wasserbeschlag des Cylinder-
mantels arbeitet, so bleibt für diese nur mehr jener
des schädlichen Raumes zu bestimmen übrig und dieser
ist annähernd:
©
it
, =1,742.
JK
,S j^—iß S
*) Aus Gl. (3) ündet sich auf die angedeutete Art direct
o innerhidb der Grenzen 6,Sd und 6,65, (x* =» 0,4 und x = 0,6,
£ = 0,05 und A:»=0,03 gesetzt.) Anm. d. Verf.
87
II leck, üeber die reale Expansionslinie im Cylinder der
88
Für dasselbe Verhältuiäs fanden wir früher den
& I
Werth a =2,143; man könnte hieraus schliessen, dass '
die Differenz
@'
7i
© ~ Ä • © " 1,74 ' "" ^'
Für einen analogen Fall findet Hallauer (Civil-
ingenieur, Bd. XX, S. 264 und 265):
ohne Dampfmantel 2Zc= 19,67,
mit Dampfmantel JB<.= 3,7 1,
also:
19,67 ^
X= — — =0,3.
3,71 '
Nach diesen Betrachtungen von vorwiegend princi-
pieller Natur schreite ich nun zur genauem Verfolgung
der bisher berührten Vorgänge. Die in der Folge ge-
brauchten Bezeichnungen sind nachstehende:
S — Speisewassermenge
oder Gewicht
V^ — Volumen . . .
Pt — Spannung . . .
x^ — spec. Dampfmenge
9K — Gewicht ....
Vq — Volumen . . .
Po — Spannung . . .
Zq — spec. Dampfiinengc
S+a» — Gewicht . .
Vo+V* — Volumen
p* — Spannung . . .
y' — spec. Dampfinenge
des Dampf- und Wasser-
gemisches, welches pro
Kolbenschub vom Kessel
abströmt ;
des Dampf- und Wasser-
gemisches, welches mit
Ende des Kolbenrück-
laufes im schädlichen
Räume eingeschossen ist;
des Dampf- und Wasser-
gemisches, welches am
Ende der Admission im
Cylinder und schädlichen
Räume zusammen abge-
sperrt wird;
iS 4- 3» — Gewicht . .
Fo -f- F — Volumen . .
p — Spannung . . .
y — spec. Dampfmenge
dem Wassergehalte entspricht, den der Dampf beim
Uebertritte in den Cylinder vom Dampfmantel über-
führt; dieser spec. Wassergehalt wäre hiemach:
A.= ®:--®.?^-?« = 0,074;
es würden also im Dampfmantel ca. T'/a Procent des
Kesseldampfes condensirt und gleichzeitig in den Cy-
linder übergeführt.
Schliesslich wollen wir noch das Verhältniss der
Wärmemengen bestimmen, welche bei der Maschine ohne
und mit Dampfmantel am Schlüsse des Kolbcnschubes
in den Condensator abziehen; dieses ist annähernd:
des Dampf- und Wasser-
gemisches, welches wäh-
rend der Expansion bei
einer beliebigen Kolben-
stellung im Cylinder und
schädlichen Räume zu-
sammen abgesperrt wird ;
Pi — Spannung im Condensator;
© — der Wasserbeschlag der Wandungen (excl. R) ;
©0 - Dampfgewicht im schädlichen Räume (nach
der gewöhnlichen Anschauung);
Xq — spec. Dampfmenge von ©(>;
F — das vom Kolben während der Admission be-
schriebene Volumen;
F — das vom Kolben vom todten Punkte an bis zu
einer beliebigen, innerhalb der Expansions-
periode gelegenen Position beschriebene
Volumen ;
SS — das vom Kolben während des ganzen Schubes
beschriebene Volumen;
X* — die spec. Dampfmenge von (S-h©,,) am Ende
der Admission;
X — die spec. Dampfinenge von (S -|- ©y) bei einer
beliebigen Kolbenstellung während der Ex-
pansionsperiode ;
F
€= g, das Expansiousverhältniss ;
Y
k = -^ das Verhältniss des schädlichen Raumes zum
Cyli ndervolumen .
Zunächst ist nun die Beziehung zwischen dem Ad-
missions- und Kesseldampfe, welche der Einwirkung
des schädlichen Raumes und der Drosselung entspricht,
festzustellen; diese Relation hat Dr. Zeuner (siehe
Civilingenieur, Band XXI) abgeleitet und lautet dessen
Gleichung (III) auf Seite 12 mit Rücksicht auf unsere
Bezeichnungen :
[«o'-o + ^o — ^' + ^(p'-l^o)aoWü]2Ä . . (6)
Unsere weitere Aufgabe besteht jetzt darin, das
vom DaiÄpf kolben beschriebene Volumen F als Function
der variablen Dampfspannung p darzustellen.
Für eine beliebige Kolbenstellung während der
Expansion ist:
wobei
Ferner besteht zwischen den spec. Dampfiuengen
y und y die Relation:
»9
Dampfmaschine and deren Beeinflossong dorch den Dampfmantel.
90
Femer ist:
und
y;+r=^^+,.
2R = © + @o
Durch Verbindung dieser Relationen mit Gleichung
(6) und Elimination von y* findet sich das Volumen
Tu
r
[ ^ • ft «oj^o^o • • C')
Gleichung (7) enthält, möchte ich sagen» abgesehen
von dem Wasserbeschlage ü, die ganze Theorie der
Damp£maschine ; in ihr findet sich der Einfiuss des
Drosselns, des schädlichen Raumes, der Compression
und des Wasserbeschlages @ vertreten; auch lassen
sich vermittelst derselben alle Variationen der Expan-
sions- und Compressionscurven sowohl berechnen als
auch verzeichnen; die Vergleichung derselben mit den
wirklichen Curven liefert dann eben die Anhaltspunkte
zur Bestimmung des Wasserbeschlages JB.
Vermittelst der Gleichung (7) lassen sich auch das
Admissionsvolumen V* und das Cylindervolumen SS fest-
stellen; dadurch erhalten wir zwei Gleichungen, welche
uns gestatten, eine Reihe von Gombinationen in Betracht
zu ziehen. Zu diesem Ende setzen wir x^^=\ und
bringen Gleichung (7), Kürze halber, in die Form:
worin die Coefficienten a, ß und y mit der Kolben-
stellung veränderlich sind.
Setzen wir ferner @o = — — ; und dividii'en
Wy + a
wir schliesslich alle Summanden durch das Cylinder-
volumen S3, so findet sich:
aj « 35 -TV Mo 4- ff /
T- «" + UO + S* • ^^>
Wir wollen uns nun zunächst eine Maschine ohne
Dampfmantel denken, die ohne Compression arbeitet,
und das Drosseln des Kesseldampfes ausser Betracht
lassen; setzen wir für dieselbe:
p'z=rp^ = b Atm. und 6 = 0,05,
p =0,5 (Endspannung) ;t = 0,os,
so finden wir für den Schluss der Admissions - und
Expansionsperiode nach Gleichung (8) beziehungsweise:
X^ — 0,1842 =0,3787,
o
©
^i — 0,0297-— =0,6012,
welche Gleichungen wir einer Discussion unterziehen
wollen.
1) Lassen wir beide gleichzeitig bestehen, so folgt
aus ihnen:
«^ = 0,6440
und
©
iS
= 1,4401.
Die hierauf bezügliche Expansionscurve finden wir
auf Tafel IV, Fig. 3, als Nr. 7 verzeichnet; da die zu-
nächstliegende Curve Nr. 10 die wirkliche Expansions-
linie ist, so liesse sich hieraus folgern, dass damit der
Verlauf der realen Expansionslinie hinreichend erklärt
sei; ob diese Ansicht berechtigt ist, wird sich später
zeigen.
2) Denken wir uns den Wasserbeschlag © = 0, so
giebt die Admissionsgleichung :
a;^ = 0,3787;
diesem Falle entspricht die Curve Nr. 3 auf Tafel IV,
sie liegt im Vergleiche zur wirklichen Expansionscurve
Nr. 10 zu tief.
Hingegen findet sich für den Schluss des Kolben-
schubes aus der zweiten Gleichung:
a?g = 0,6012;
diesem Falle entspricht die Curve Nr. 4 in Tabelle I;
sie ist im Vergleiche zu Nr. 10 zu hoch gelegen.
3) Denken wir uns schliesslich den Kesseldampf
trocken , setzen wir also a;_> = 1, so folgt aus der Ad-
missionsgleichung :
©
S
= 3,3730.
P.,=Pi=0,2
S
= 1,818,
Diesen Fall versinnlicht die Curve Nr. 5 in Tafel
IV, Fig. 3; sie liegt im Vergleiche zu Nr. 10 zu hoch.
Aus der zweiten Gleichung ergiebt sich für x^ = l:
©
—-=13,4276.
Diese Curve findet sich in Tabelle I als Nr. 6 an-
geführt und ist selbstverständlich gänzlich unbrauchbar.
Gehen wir nun auf die Maschine mit Dampfmantel
über; für diese setzen wir:
das Expansionsverhaltniss €=:0,08
und die Endspannung p=?0,7 AtoL,
91
111 eck, Ueber die reale ExpaasiODElinie im Cylinder der
während alle übrigen Daten unverändert bleiben sollen.
Damit erhalten wir aus Gleichung (8) auf analoge Weise
die beiden Gleichungen :
@
x^ — 0,i8ti - =0^389 für das Ende der Admission;
«j — 0,0498 =0.8769 „ „ „ „ Expausion.
Lassen wir beide Gleichungen wieder zusammen
bestehen; so folgt aus ihuen:
Diesem Falle entspricht die Curve Nr. 11 in Taf.
IV, Fig. 3; da Nr. 13 die wirkliche Expansionscurve
ist, so finden wir bei der Maacliine mit Dampfmantel
merkwürdigerweise jene Uebereinstimmung, die wir bei
der Maschine ohne Dampfmantel vermisst haben, ohne
ans von der Annahme a:^^0,9s (nach Hirn's Mes-
Bungsmethode) besonders weit zu entfernen. Und hier-
aus muBs schliesslich gefolgert werden, dass die An-
nahmen, nach welchen ich die ExpansionscuiTe Nr. 7
bei der Maschine olitie Dampfmantel berechnete, wenn-
gleich diese von der wirklichen Expansionslinie Nr. 10
nur wenig differirt, doch nicht richtig sind, die ge-
fundene Uebereinstimmung also nur eine erzwungene ist.
Diese Wahrnehmung führte mich eben darauf, die
Gurve Nr. ö als Grundlage zu weiteren Untersuchungen
zu benutzen, da mir diese mit Rücksicht auf die be-
kanuten Daten und Einäüsae relativ die richtigste
schien und zu versuchen, ob fiir deren Abfall keine
besondern Ursachen vorbanden sein könnten, als welche
ich schliesslich den fixen Wasserbeschlag E ausfindig
machte.
Zunächst lasse ich nun die Tabelle I folgen, welche
V
die Verhältuisswerthe -~^ enthält, die fiir den Verlauf
der sämmtlichen bisher besprochenen Expansiouscurven
nach Gleichung (8) berechnet wurden, so dass hiernach
deren graphische Darstellung leicht zu bewerkstelligen ist.
In Tabelle I, sowie auch in Taf. IV, Fig. 3, finden
sich noch mehrere andere Expansionscurven zum Be-
hufe eines vollständigen Vergleiches augeführt und ver-
zeichnet; diese sind:
Nr. 1 ist die rein theoretische Expansionslinie
nach dem adiabatischen Gesetze, welche die Dampfinenge
iS liefert, wenn die gesammten Nebeneinflüsse hinweg-
gedacht werden.
Nr. 2 ist dieselbe Curve mit Rücksicht auf den
Bchädlichen Raum.
93
Dampfmaschine and deren Beeinflussung durch den Dampfmantel.
94
Nr. 8 ist die Expansionscurve nach dem Mariotte'-
schen Gesetze; hiernach ist:
stand, die Tendenz zur Gleichheit ist aber ohne Zweifel
vorhanden.
P(r+r,)=p,(r+r,),
woraus :
Nr. 9 ist die Expansionscurve mit gleicher Dampf-
menge, welche Pambour seiner Theorie zu Grunde
legte; zur Berechnung derselben dient die Relation:
I
woraus
T"^ , ti -I-
Nr. 10 ist die reale Expansionscurve der Maschine
ohne Dampfmantel; zu ihrer Berechnung diente das
Exponentialgesetz :
woraus
worin a = 0,90 gesetzt wurde.
Nr. 12 ist die reale Expansionscurve der Maschine
mit Dampfmantel; sie ist nach dem vorigen Gesetze
mit dem Exponenten « = 0,85 berechnet.
Vermittelst der Curve Nr. 10 sind wir auch in
der Lage, den in der Einleitung erwähnten Quotienten
A - ~" zu bilden ; Tabelle II enthält die Werthe des-
selben von Zehntel zu Zehntel des Kolbenschubes.
Tabelle II.
V
P
9—91
A
92—9
9—9i
0,1
3,2300
0,2099
0,2
1,9328
0,5595
0,3
1,3966
0,8757
0,4
1,1006
1,1838
0,5
0,9118
1,4967
0,6
0,7804
1,8196
0,7
0,6835
2,1596
0,8
0,6089
2,5218
0,9
1 0,5496
2,9120
1,0
! 0,5014
3,3353
0,3496
0,3162
0,3081
0,3129
0,3229
0,3400
0,3622
0,3902
0,4233
Die gefundenen Werthe für A - - sind nun al-
lerdings nicht gleich, was auch gar nicht zu erwarten
Effectverlust durch den Wasserbeschlag iJ.
Der genannte Effectverlust wird durch die Fläche
r/) repräsentirt , welche zwischen den Gurven 5 und 10
gelegen ist. Bei einer Aufzeichnung derselben in der
Grösse von 300™" für die Einheit des Verhältnisses
V
^ und von 40 ™" für die Einheit der Spannung p
(eine Atmosphäre) ergiebt die Simpson 'sehe Formel
die Fläche (p = 3420 , daher ist :
/
^^(-g^) = ^o^
40.300 '
der gesuchte Effectverlust ist also:
^X,= 10334^9JJ iP(/r^) =0,002031 <p ..S=
12,628 Ä;
hingegen ist der disponible Effect für x., = l:
somit procental:
ALu ^
ll = -.- =0,0989.
21 Jj
Der Effectverlust durch den Wasserbeschlag R be-
trägt also hier circa 10 Procent vom disponiblen Effect
des vollkommenen Kreisprocesses.
Effectgewinn durch den Dampfmantel.
Dieser Gewinn besteht in der Erhebung der Curve
12 über die Curve 10; der vorige Effectverlust wird
I also durch den Dampfinantel wieder hereingebracht
j und ausserdem erscheint noch als Gewinn die Fläche
: i^t zwischen den Curv^n 5 und 12 ; diese berechnet sich
auf analoge Weise zu:
i/» = 1911,
daher der bezügliche Effectgewinn:
i,= '-.§1 = 0,0552.
Mithin betiügt der Gesammtgewinn an Effect, der
durch *den Dampfmantel im Maximum zu erzielen ist,
hier:
| = li + §, = 0,l.')41;
also circa 15 '/^ Procent vom disi)oniblen Effect der
Maschine ohne Dampfmantel.
95
Wischnegradski, Ueber directwirkende Regulatoren.
96
Durch den Dampfmantel werden aber auch einige
Eflfectverluste herbeigeführt, von denen besonders zwei
eine Beachtung verdienen: ^
1) Der EflFectverlust, welcher der Condensation des
Kesseldampfes im Dampfmantel entspricht.
2) Der Efifectverlust durch den vermehrten Gegen-
druck hinter dem Kolben, der sich bei Maschinen mit
Dampfmantel unter sonst gleichen Umständen bemerk-
lich macht.
Hierdurch vermindert sich der obige Effectgewinn
meiner Berechnung nach von lö^« Procent auf circa
10 Procent; auf das Detail dieser Rechnung kann ich
hier nicht näher eingehen.
Aus den obigen Darstellungen dürfte zu entnehmen
sein, dass meine Ansicht über die Wirkungsweise des
Dampfmantels ziemlich plausibel erscheint; der Dampf-
mantel bewirkt keineswegs, wie Hirn annimmt, einen
erheblichen Wärmeaustausch; sondern die an und für
sich geringe Wärmetransmittirung, welche derselbe
veranlasst, ist eben gerade hinlänglich, den sich bil-
denden Wasserbeschlag am Cylindermantel im Momente
des Entstehens zu verdampfen oder den eventuell be-
reits vorhandenen Wasserbeöchlag R successive zu dif-
ferentiren und schliesslich zum Verschwinden zu bringen.
Eine weitere, interessante Folgerung wäre noch,
dass die Zustandsänderungen des Dampfes im Cylinder
der Dampfmaschine unabhängig von der Kolbengeschwin-
digkeit erfolgen.
üeber directwirkende Regulatoren.*)
Von
J. Wischnegradski,
Professor am technologischen Institut in St. Petersburg.
§ 1. Den Gegenstand vorliegender Untersuchung
bildet die Ermittelung der Bewegung, welche der Re-
gulator einer Kraftmaschine annimmt, wenn das in ihr
bestehende Gleichgewicht zwischen bewegender Kraft
und Widerstand durch irgend welche Ursache gestört
wird. Der Lösung dieser Frage in ihrer Allgemeinheit
stehen fast unüberwindliche Schwierigkeiten im Wege;
deshalb soll auch vorliegende Untersuchung nur den
allgemeinen Charakter der zu untersuchenden Erschei-
nung feststellen, welcher je nach der speciellen Ein-
richtung der Maschine und ihrer Wirkungsweise, sowie
nach dem Grade, in welchem die gemachten Voraus-
setzungen erfüllt sind, sich mehr oder weniger erhalten
wird. Diese Voraussetzungen bestehen in P'olgendem:
a) Betreffs Einrichtung und Wirkungsweise der
Maschine ist angenommen, daSs sie eine rotirende Be-
*) Die allgemeine Methode und die Hauptresultate vorliegen-
der Untersuchung wurden in Band LXXXUI, Nr. 5 der „Comptes
rendus" der Pariser Akademie in einem kurzen Auszuge veröffent-
licht, welcher vom Akademiker Tresca unter dem Titel: „Wisch-
negradski, Mteoire sur la theorie g^n^rale des r^gulateurs'*
den 31. Juli 1876 eingereicht worden war.
wegung hat, unter Einwirkung der bew^enden Kraft
und des Widerstandes, welche ununterbrochen an einem,
in Bezug auf die Achse der Maschine constantem Hebel-
arme wirken; dabei ist auch vorausgesetzt, dass die
Intensität der bewegenden Kraft sich nur in Folge der
W^irkung des Regulators verändert. Eine solche Vor-
aussetzung ist natürlich nicht vollständig richtig, in-
dem z. B. bei Damp6naschinen die, auf einen constanten
Hebelarm reducirte bewegende Kraft ihre Intensität
während einer Umdrehung vollständig unabhängig von
der Wirkung des Regulators verändert, jedoch ist es
begreiflich, dass bei einem schweren Schwungrade,
welches nur unbedeutende Geschwindigkeitsänderungen
der Maschine gestattet, und bei Wirkung des Regula-
tors nur ausserhalb dieser Geschwindigkeitsänderungen,
der allgemeine Charakter der zu untersuchenden Er-
scheinung für Dampfmaschinen derselbe sein wird, wie
z. B. für Turbinen, für welche die gemachten Voraus-
setzungen für vollständig genau gelten können, und für
Wasserräder, für welche die Hypothesen der Wahrheit
sehr nahe kommen.
b) Betreffs der Einrichtung des Regulators ist an-
genommen, dass er ein directwirkender ist, d. h.
Ü7
Wischnegradski, Ueber directwirkeiide Regulatoren.
98
dass er mit einem Organe versehen ist, welches bei
Geschwindigkeitsänderungen der Maschine vermittelst
eines speciellen, mit ihm verbundenen Apparates die
Intensität des Motors verändert; in Betreff dieses Or-
ganes ist angenommen, dass es sich geradlinig bewegt.
Sowohl die erste als auch die zweite Bedingung ist
bekanntlich bei den meisten wirklich gebräuchlichen
Regulatoren erfüllt*) ; übrigens kann die in vorliegender
Abhandlung befolgte Untersuchungsmethode mit den
nothwendigeu Veränderungen auch für indirectwirkende
Regulatoren angewandt werden, wenn auch die Resul-
tate für dieselben im Allgemeinen etwas complicirter
sind.
c) Endlich ist der grösseren Vollständigkeit und
Allgemeinheit wegen angenommen, dass der Regulator
mit einem Katarakt versehen ist, d, h. mit einem Ap-
parat, der zugleich mit der Hülse des Regulators in
Bewegung geräth und dabei auf letztere einen Druck
ausübt, welcher von ihrer Geschwindigkeit abhängt und
der Bewegungsrichtung entgegengesetzt ist. Bekannt-
lich wird als solcher Katarakt ein Kolben gebraucht,
welcher sich in einem, an beiden Enden geschlossenen,
Cylinder bewegt; dieser ist mit einer Flüssigkeit gefüllt,
welche bei der Bewegung des Kolbens von der einen
Seite desselben auf die andere verdrängt wird, dabei
eine beliebig regulirbare Oeffnung durchdringend, wo-
durch ein gewisser, von der Geschwindigkeit des Kol-
bens abhängiger Druck auf denselben ausgeübt wird.
§ 2. Die Lösung der gestellten Aufgabe, wenn
auch durch die Voraussetzungen des vorigen Paragraphen
ziemlich vereinfacht, bietet jedoch noch bedeutende
Schwierigkeiten, wenn man sie ganz allgemein stellt;
aber in dieser allgemeinen Form ist ihre Lösung für
praktische Anwendungen gar nicht nöthig; wenn man
diese letzteren hauptsächlich berücksichtigt, so kann
man direct sagen, dass der Regulator nur dann gut
wirkt, wenn die Winkelgeschwindigkeit der Maschine
sich wenig ändert, folglich auch die Schwingungen des
Regulators innerhalb enger Grenzen bleiben und voll-
ständig sanft vor sich gehen; deshalb kann man bei
*) So wü-ken die meisten Centrifugalregulatoren, deren Hülse '
ihre geradlinige Bewegung vermittelst einer Transmission bei '
Dampfmaschinen entweder einer Drosselklappe oder einem Appa- j
rate fOr die variable Expansion überträgt. Da diese Hülse eben
das Organ ist, welches die Bewegung des Regulators dem Apparat
überträgt, der die Intensität des Motors verändert, so soll dieses
Organ in Zukunft der Kürze wegen einfach „Hülse" genannt
werden, der Apparat selbst aber, welcher die Intensität der bewe-
genden Kraft regulirt, wird mit dem Namen „rcgulirendes Stell-
zeug*' bezeichnet werden.
OiTUinK«niear XXIII.
Untersuchung der Bewegung gut wirkender Regulatoren
annehmen :
a) dass die Differenz zwischen der thatsächlichen
und normalen Geschwindigkeit der Maschine im Ver-
hältniss zur normalen Geschwindigkeit klein ist;
b) dass die Ausschläge der Hülse aus ihrer nor-
malen Lage klein sind;
c) dass die Geschwindigkeiten der Hülse bei diesen
Ausschlägen beständig klein bleiben.
Nimmt man diese Einschränkungen an, die übrigens
keineswegs die praktischen Resultate beeinträchtigen,
so kann man bei Untersuchung der Wirkung des Re-
gulators die verschiedenen Functionen der obener-
wähnten kleinen Grössen in Reihen entwickeln und
sich mit den Gliedern begnügen, die deu ersten Graden
jener kleinör Grössen proportional sind, die Glieder der
zweiten und höheren Ordnung aber vernachlässigen.
Dieses Verfahren, das die Basis aller Untersuchungen
über kleine Schwingungen bildet, bietet im vorliegenden
Falle eine so bedeutende Vereinfachung der Aufgabe,
dass dieselbe vollständig durch bekannte analytische
Verfahren gelöst wird, und die Resultate der Lösung
direkt auf« die Bedingungen hinweisen, welche erfüllt
werden müssen, damit die obenerwähnten Einschrän-
kungen zu Recht bestehen.
§ 3. Stellen wir uns irgend eine Kraftmaschine
vor, welche den in § 1 erwähnten Bedingungen ent-
spricht, und denken wir uns, 1) dass die Maschine im
gegebenen Augenblicke, in welchem wir ihre Bewegung
zu betrachten beginnen, ihre normale Winkelgeschwin-
digkeit hat^ die wir (o^ nennen wollen; 2) dass die be-
wegende Kraft ihre normale Grösse hat, die wir mit p
bezeichnen; dass diese Kraft auf die Maschinenachse
an einem bestimmten Hebelarm q und dass der von
der Maschine überwundene Widerstand an demselben
Hebelarme q wirkt und dieselbe Grösse p hat. Wenn
diese Bedingungen fortbestehen würden, so würde auch
die Maschine mit ihrer normalen Winkelgeschwindigkeit
weiter arbeiten, wir nehmen aber an, dass im gegebenen
Moment, in welchem wir die Bewegung der Maschine
zu betrachten beginnen, der Widerstand sich ändert,
und zwar aus der früheren Grösse p zur Grösse Q wird
und weiterhin diesen letzteren Werth beibehält. Die
unmittelbare Folge wird die Störung des Gleichgewichtes
sein, welche bis dahin zwischen der bewegenden Kraft
und dem Widerstände bestanden hatte, und ferner eine
Aenderung in der Geschwindigkeit der Maschine, welche
ihrerseits auf den Regulator wirkt und ihn in Bewegung
versetzt; diese Bewegung des Regulators ändert die
Intensität der bewegenden Kraft, und die Maschine er-
hält überhaupt eine Bewegung, welche sich wesentlich
7
91)
Wischnegradski, Ueber directwirkeude Regulatoren.
100
von der fiühereu uiitei*scheidet, und die den Gegen-
stand vorliegender Untersuchung bildet.
§ 4. Nehmen wir an, seit dem Augenblick, in
welchem wir die Bewegung der Maschine zu betrachten
begannen, sei die Zeit t verflossen ; die Winkelgeschwin-
digkeit der Maschine am Ende dieses Zeitraumes sei oj,
ferner u der Abstand der Eegulatorhülse von ihrer
normalen Lage, und diese Grösse u wird gemäss den
in § 2 gemachten Voraussetzungen sehr klein sein und
sei endlich w,, diejenige Winkelgeschwindigkeit, welche
die Maschine haben müsste, damit die auf den Regu-
lator in seiner jetzigen Stellung einwirkenden Kräfte
sich im Gleichgewicht befanden.
In Wirklichkeit findet ein solches Gleichgewicht
nicht statt, da Uß im Allgemeinen nicht gleich Wu ist,
und folglich wird die Regulatorhülse im betrachteten
Moment eine Beschleunigung haben; das Product der-
selben mit der auf die Hülse reducirten Masse aller
Theile des Regulators, welche an der Bewegung der
Hülse theilnehmen, wird der Summe der Projectionen
aller am Regulator angreifenden Kräfte auf die Bewe-
gungsrichtung der Hülse gleich sein.
Da die den Regulator bildenden Massen im Allge-
meinen Bewegungen haben, die von derjenigen der Hülse
verschieden sind und die numerischen Verhältnisse zwi-
schen den von der Hülse und von den übrigen Theilen
des Regulators beschriebenen Wegen für verschiedene
Stellungen der Hülse verschieden sein werden, so wird
die auf die Hülse reducirte Masse der den Regulator
bildenden Theile überhaupt eine veränderliche Grösse
sein, welche von u abhängen wird; da aber u sehr
klein ist, so kann diese Masse auf Grund des § 2 über-
haupt durch
A + Bu
ausgedrückt werden, wo A und B constante Grössen
sind und A ausserdem aus begreiflichen Gründen einen
positiven Werth hat. In Folge dessen erhalten wir als
Product aus der auf die Hülse reducirten Masse aller
Theile des Regulators mit der Beschleunigung der Hülse
Dieses Product ist, wie oben bemerkt, gleich der
Summe der Projectionen aller Kräfte, welche die be-
trachtete Beschleunigung hervorbringen, auf die Be-
wegungsrichtung der Hülse. Diese Kräfte aber können
in zwei Categorien getheilt werden. Zur ersten ge-
hören solche, welche stets und unter allen Umständen
die Bewegung der Hülse verzögern, und zwar sind das :
der Widerstand des Kataraktes und die schädlichen Wi-
derstände, sowohl des Regulators selbst, ¥^e auch des
regulirenden Stellzeuges. Zui- zweiten Categorie ge-
hören Kräfte, die bald eine beschleunigende, bald eine
verzögernde Wirkung ausüben; die definitive Bestim-
mung derselben kann nur dann geschehen, wenn
die Construction des Regulators gegeben ist, im All-
gemeinen aber kann ihre Wirkung folgendermassen
beurtheilt werden. Wir stellen uns die Regulatorhülse
in der Entfernung u von ihrer normalen Lage ruhend
dar; wenn dabei die Geschwindigkeit der Maschine w
gleich ist der Geschwindigkeit o/«, bei welcher die Re-
gulatorhülse in dieser Lage im Gleichgewicht verharrt,
so verbleibt die Hülse im Ruhezustande, und folglich
üben die betrachteten Kräfte auf dieselbe aucli keinerlei
Wirkung aus, und die Summe ihrer Projectionen auf
die Bewegungsrichtuug der Hülse ist gleich Null ; wenn
die Geschwindigkeit der Maschine co grösser ist als w«,
so geräth die Hülse in Bewegung und zwar wird die '
Richtung derselben eine solche sein, dass in Folge der-
selben das mit der Hülse verbundene regulireude Stell-
zoug die Intensität der bewegenden Kraft zu verrin-
gern beginnt; wenn hingegen die Geschwindigkeit der
Maschine co kleiner ist als w,,, so geräth die Hülse
gleichfalls in Bewegung, jedoch in einer solchen Rich-
tung, dass das regulirende Stellzeug die Intensität der
bewegenden Kraft zu vergrössern beginnt. Es wii'd
folglich die durch alle am Regulator wirkenden Kräfte,
mit Ausnahme der Widerstände des Kataraktes, des
Regulators selbst und des regulirenden Stellzeuges,
hervorgebrachte Beschleunigung der Hülse und folglich
auch die Projectionssumme aller dieser Kräfte auf die
Bewegungsrichtung der Hülse gleich Null, wenn die
Differenz w — w„ gleich Null wird, und verändert das
Zeichen zugleich mit dieser.
Berücksichtigt man dieses und bemerkt man, dass
das Verliältniss " behufs guter Wirkung des Re-
iO
gulators eine sehr kleine Grösse sein muss, vernach-
lässigt man ferner alle Potenzen kleiner Grössen, die
höher sind als die erste, so kann man sagen, dass die
von uns betrachtete Projectionssumme allgemein aus-
gedrückt werden kann durch das Produkt mit
10
einem von u unabhängigen Coefticienten, dessen Grösse
in jedem besonderen Fall durch die Construction des
Regulators bestimmt sein wird. Wenn wir dabei die-
jenige Bewegungsrichtung der Hülse als positiv an-
nehmen, bei welcher das regulirende Stellzeug die In-
tensität der bewegenden Kraft verringert, so wird die
Grösse des obenerwähnten Coefficienten gleichfalls po-
sitiv sein, und da auf Grund obiger Erläuterung Ä
eine positive Grösse ist, so wird, wenn wir den in Bede
101
Wischnegradski, üeber directwirkende Rcpjulatoren.
102
stehenden Coefficicnten mit AK g*) bezeichnen, JT po-
sitiv, und die gesuchte Summe der Projoction aller
Kräfte stellt sich dar durch
AKg:"-^'-=AKg
Oi fi)
CO,
Wr
«/
'.-AKg-^
Ol
ö)/
'0 »«0 «"O
und da w,, eine Function von u ist, die für m ^= gleich
ccio ist, so haben wir untor Vernachlässigung aller Po-
tenzen zweiten und höheren Grades von m
j Weise wird die Summe der Prqjectiohen aller auf den
I Regulator wirkenden Kmfte auf die Bewegungsrichtung
I der Hülse sich folgendermassen ausdrücken lassen:
(Ot
dt
jr^-i'-«o_^„
0)
• • (1)
wo N eine Constante ist , die in Folge der als positiv
angenommenen Richtung von u auch positiv ist, und
es bezeichnet also der Ausdruck
worin K und JV positiv, die betrachtete .Summe der
Projectioncu aller auf den Regulator wirkenden Kräfte,
mit Ausnahme der Widerstände des Katamktes, des
Regulators und des regulirenden Stellzeuges.
Was die beiden letzteren betrifft, so wird ihre auf
die Regulatorhülse reducirte Grösse sich natürlich zu-
gleich mit der Stellung der Hülse ändern, da aber
diese Grössen bei jedem guten Regulator klein sind,
und ausserdem die Lage der Hülse sich auch wenig
ändert, so kann man sie als constant betmchten; wir
bezeichnen sie beziehungsweise mit lÄB^ und IAR*\
worin /= + ! und das Vorzeichen immer entgegengesetzt
iL u
istdem Vorzeichen von Y . Es giebt viele Regulatoren,
— ff f
hei welchen diese Grössen so klein sind, dass man sie
vernachlässigen kann, sogar im Verhältniss zu den
Grössen, die wir als Glieder ersten Grades beibehalten.
In der Folge wird diese Annahme auch gemacht wer-
den, vorläufig behalten wir obige Grössen bei, haupt-
sächlich um ihre Bedeutung in der Theorie der Regu-
latoren zu bestimmen.
Der Widerstand des Kataraktes wird von der Ge-
schwindigkeit der Hülse abhängen, und da dieselbe bei
kleinen Ausschlägen der Hülse nicht gross sein kann,
so ist es erlaubt, in diesem Falle den Widerstand der
ersten Potenz der Geschwindigkeit proportional anzu-
nc^hmeu und dann wird der betrachtete Widerstand des
Kataraktes durch
Da alle Glieder dieses Ausdruckes kleine Grössen
der ersten Ordnung sind, so erhält man die zur Be-
stimmung von u dienende Gleichung, wenn man obige
Summe dem Ausdruck [A-^-Bu) , - gleich setzt und
im Ausdruck für -,-^ alle Glieder höherer Ordnungen
vernachlässigt; auf die Weise erhält man:
at' 0),, at
oder
Bei dem Gebrauche dieser Gleichung muss man be-
ständig im Auge behalten, dass schädliche Widerstände
keine Bewegung hervorrufen können, und wenn man
also annimmt, dass m=0 und ^^^ =rO (d. h. wenn man
dt ^
voraussetzt, dass die Regulatorhülse sich in ihrer nor-
malen Lage in Ruhe befindet), so beginnt sie sich zu
bewegen nur wenn die Winkelgeschwindigkeit die
Grenzen verlässt, die durch die Annahme von
CO
Ü
0)'
— AM
du
dt
ausgedrückt, wo M positiv und constant ist. Auf die
*) Worin g die Beschleunigung der Schwere ist.
bedingt sind; bezeichnet man diese Grenzen mit lo* und
(o'\ so erhält man
aus der Grösse dieser Grenzen ist ersichtlich, dass der
Regulator überhaupt um so kleinere relative Abwei-
chungen von der mittleren Geschwindigkeit zulassen
wird, ohne seine Wirkung zu beginnen, je grösser der
Bruch
Kg
~R' + Ä"
sein wird, und deshalb ist es sehr passend, diese Grösse
den „Empfindlichkeitsgrad" des Regulators zu
nennen.
§ 5. Ausser durch Gleichung (2) ist die Bewe-
gung des Regulatoi-s wesentlich durch die Beziehung
bestimmt, welche zwischen der Winkelgeschwindigkeit
der Maschine lo und der Intensität der auf die Maschine
103
Wischnegradski, Ueber directwirkeude Regulatoren.
104
wirkenden Kräfte besteht. Diese Kräfte sind: die durch
den Einfluss des Regulators ihren Werth variirende bewe-
gende Xraft, deren Intensität wir für den betrachteten
Moment mit F bezeichnen wollen, und der Widerstand,
dessen Werth wir Q nennen. Wenn wir ausserdem mit
I das auf die Hauptachse reducirte Trägheitsmoment
der ganzen Maschine, und mit q den gemeinsamen
Hebelarm der Kraft und des Widerstandes bezeichnen,
80 wird die Winkelgeschwindigkeit der Maschine be-
kanntlich ausgedrückt durch
'^=1^
«9,
welches offenbar dargestellt werden kann durch
worin p die normale Intensität der bewegenden Kraft
und des Widerstandes bedeutet.
Das erste Glied der rechten Seite dieser Gleichung
bezeichnet den constanten Unterschied zwischen dem
normalen Widerstandsmoment p,Q und seiner verän-
derten Grösse Q.q^ d. h. bezeichnet die Veränderung,
welche mit dem Widerstandsmoment vor sich gegangen
ist, und welche die veränderliche Bewegung hervor-
gebracht hat, die wir betrachten.
Das zweite Glied der rechten Seite der obenge-
schriebenen Gleichung ist nichts Anderes, als die in
Folge des Ausschlages der Regulatorhülse vorgegangene
Veränderung des Momentes der bewegenden Kraft.
Diese Veränderung ist offenbar gleich Null, wenn t* =
und mit Veränderung des Vorzeichens von u verändert
die Differenz {p — F)q auch ihr Vorzeichen, und zwar
in Folge der Annahme, dass, wenn u positiv ist, die
bewegende Kraft abnimmt, d. h. F<^p^ und wenn u
negativ, die bewegende Kraft zunimmt, d. li. F^p,
Daher und weil u eine kleine Grösse ist, deren
höhere Potenzen vernachlässigt werden, können wir
schreiben :
{p-F)i> = Lu (3)
wo L ein constanter, positiver Coefficient, dessen Grösse
in jedem besonderen Falle von der zwischen der Hülse
und dem regulirenden Stellzeuge bestehenden Trans-
mission abhängen wird, sowie auch von der Wirkungs-
weise des regulirenden Stellzeuges selbst.
Setzen wir den aus (3) folgenden Werth von
(j) — F)q in die obige Gleichung, so erhalten wir:
Differenziren wir sodann Gleichung (2) in Bezug auf U
so giebt sie
^y.du Kq d(o
N ^ = ^ . -
dt (Oq dt
und setzen wir hier für , seine Bedeutung aus (4),
so erhält die eben geschriebene Gleichung folgende
Form :
d^ u , ^^d^ u , ..du , ICgL Kg \ ^J ,,.
die u als Function von t bestimmt, und deren Betrach-
tung uns die allgemeinen Eigenschaften der Regulator-
bewegungen geben wird.*)
§ 6. Um die aus Gleichung (5) folgenden Betrach-
tungen vollständig klar zu machen, muss man sich der
näheren Bedeutung der Grössen erinnern, welche wir
mit Ä", i, Jf, N bezeichnet haben und welche, wie
oben bemerkt, sowohl von der Construction des Regu-
lators und des regulirenden Stellzeuges, als auch von
der zwischen ihnen bestehenden Verbindung abhängen.
a) Die Grösse Kg stellt den Coefficienten dar,
mit welchem das Verhältniss der Differenz zwischen
der thatsächlichen und ' der normalen Geschwindigkeit
der Maschine zur letzteren multipliciit werden muss,
um den Theil der Beschleunigung der Regulatorhülse
zu geben, welcher durch die auf sie wirkenden Kräfte
erzeugt wird, mit Ausnahme jedoch des Kataraktwider-
standes und der schädlichen Widerstände des Regula-
tors und des regulirenden Stellzeuges.
Je grösser daher K ist, desto kleiner ist die rela-
tive Veränderung der Geschwindigkeit, welche nöthig
ist, um der Regulatorhülse eine bestimmte gegebene
Beschleunigung zu ertheilen; daraus erhellt, dass der
Regulator um so beweglicher sein wird, je grösser
K ist, und deshalb ist es sehr natürlich, K den Be-
weglichkeitsgrad des Regulators zu nennen.
^S=^-«!^-^''
(4)
*) Herr Rolland. Mitglied der Pariser Akademie der
Wissenschaften, sagt in einem Aufsatze, welcher anlässlich des
am 31. Juli 1876 erschienenen Auszuges aus vorliegender Unter-
suchung geschrieben und den 14. August 1876 der Akademie vor-
gelegt ward, dass er in noch nicht veröffentlichten Untersuchungen
gleichfalls eine lineare Gleichung dritter Ordnung zur Bestim-
mung der Bewegung des Regulators erhalten habe. Herr Rol-
land sagt in diesem Aufsatze nicht, ob er die Wirkung des Ka-
taraktes berücksichtigt hat, oder nicht; wenn ersteres der Fall
ist, so muss seine Gleichung mit der Gleichung (5) zusammen-
fallen. Uebrigens muss bemerkt werden, dass letztere nur fOr
directwirkeude Regulatoren richtig ist; die Bewegung der indirect-
wirkenden Regulatoren ist durch eine lineare DifTerentialgleichung
vierter Ordnung bestimmt.
105
Wischnegradski, Ueber directwirkende Regulatoren.
106
b) Die Grösse i ist der Coefficient, mit welchem
man den Ausschlag u der Hülse multipliciren muss,
um die durch diesen Ausschlag hervorgebrachte Ver-
änderung des bewegenden Momentes zu erhalten.
Je grösser also L ist, desto kleiner braucht der
Ausschlag der Regulatorhülse zu sein, um eine be-
stimmte Veränderung des bewegenden Momentes zu
bewirken; daraus erhellt, dass je grösser L ist, desto
kräftiger die Wirkung des Regulators sein wird, und
und deshalb kann man diese Grösse das Maass der
Kraft des Regulators nennen.
c) Die Grösse KL zeigt ihre Bedeutung darin,
dass, je beweglicher der Regulator ist (je grösser K)
und je kräftiger seine Wirkung ist (je grösser L), desto
schneller alle vom Regulator abhängenden Veränderungen
des bewegenden Momentes vor sich gehen, und deshalb
kann man das Product KL als Energie der Wir-
kung des Regulators bezeichnen.
d) Die Grösse 3/ ist der Coefficient, mit welchem
die Geschwindigkeit der Hülse multiplicirt werden muss,
um die Verzögerung zu geben, die durch die Wirkung
des Kataraktes hervorgebracht wird ; je grösser also J/,
desto stärker wird der Eintluss des Kataraktes sein,
und deshalb ist es sehr natürlich, diese Grösse die
Kraft des Kataraktes zu nennen.
e) Die Grösse-W stellt den Coefficienten dar, mit
welchem der Ausschlag m multiplicirt werden muss,
um das Verhältniss der Differenz zwischen der diesem
Ausschlag der Hülse entsprechenden Gleichgewichtsge-
schwindigkeit und der Normalgeschwindigkeit zu dieser
letzteren zu liefern.
Je grösser N sein wird, desto mehr wird auch
offenbar die einer gegebenen Stellung der Hülse ent-
sprechende Gleichgewichtsgeschwindigkeit von der Nor-
malgeschwindigkeit abweichen ; wenn N gleich Null ist,
so ist die, einer beliebigen Lage der Hülse entsprechende
Gleichgewichtsgeschwindigkeit derselben gleich der nor-
malen, d. h. der Regulator ist ein astatischer; je
grösser N, desto grösser wird der Unterschied zwischen
dem betrachteten Regulator und dem astatischen sein.
Daher ist es natürlich, N deü Stabilitätsgrad
des Regulators zu nennen.
§ 7. Gleichung (5), welche zur Bestimmung von
u als Function der Zeit dient, ist offenbar eine lineare
Gleichung dritter Ordnung mit constanten Coefficienten
und constantem letzten Gliede; ihr Integral muss drei
willkührliche Constante enthalten, die wir mit C, D, E
bezeichnen wollen, und die aus der Bedingung bestimmt
werden, dass für ^ =
die Form des Integrals wird bekanntlich von den
Wurzeln der Gleichung
7 Wo
abhängen, und zwar folgendermassen : Wenn alle drei
Wurzeln dieser Gleichung reell und von einander ver-
schieden sind, so erhalten wir, wenn wir sie mit ^',
^" und ^'" bezeichnen,
(p — Q)o »'t ^"« -^'"e
Ju
wenn alle drei Wurzeln reell, jedoch zwei derselben,
^" und ^", einander gleich sind, so wird
u = ^-^—=^^ + Ce +(D+Et)e . (7)
sind alle drei Wurzeln reell und alle drei einander
gleich, so ist
u = ^^^.-^^+(C+J)t + Ft')e^*^ . . (8)
endlich, wenn zwei Wurzeln der Gleichung
z. B. ^" und &'** imaginär sind, und folglich die Form
haben
so ist
(p — ö)p . ^'t ati I
n = ^- j^^" + Ce -he ] Dcosßt + Fmißt] . (9)
Wie ersichtlich , enthält der Ausdruck für u, wenn
die Wurzeln der Gleichung reell sind, keine periodischen
Functionen, und folglich wird auch der Regulator keine
Schwingungen haben ; dabei ist leicht zu ersehen, dass,
da alle Coefficienten der Gleichung positiv sind, die
reellen Wurzeln derselben alle negativ sein werden,
und deshalb nähern sich die Exponentialfuuctionen der
Ausdrücke (6), (7j und (ß) mit dem Wachsen der Zeit
unbegrenzt der Null, die Grösse u aber ihrem Grenz-
werthe
L '
bei welchem die bewegende Kraft JP, wie aus (3) er-
sichtlich, gleich dem Widerstände Q wird.
Also, in all' den Fällen, in welchen die
Gleichung
keine imaginären Wurzeln hat, bewegt sich
der Regulator, wenn er in Folge der Aende-
107
Wisch negradski, lieber directwirkende Regulatoren.
108
ruiig des von der Maschine überwundenen Wi-
derstandes aus seiner normalen Lage gebracht
ist, ohne Schwingungen und nähert sich dabei
unbegrenzt der Lage, bei welcher die bewe-
gende Kraft dem veränderten Widerstände das
Gleichgewicht hält.
Wenn jedoch zwei Wui'zeln der Gleichung imaginär
sind, so nimmt u die Form (9) an, welche periodische
Functionen enthält, und folglich wird in diesem Falle
die Regulatorhülse, wenn sie aus ihrer Gleichgewichts-
lage gebracht ist, eine Bewegung erhalten, die zum
Theil aus periodischen Schwingungen besteht.
Da nun ^' eine reelle Wurzel der Gleichung und
folglich negativ ist, so nähert sich das Glied Ce
auf jeden Fall der Null, und folglich nähert sich die
mittlere Stellung der Hülse im Verlauf der Zeit immer
mehr und mehr derjenigen, bei welcher die bewegende
Kraft dem Widerstände das Gleichgewicht hält, die
Schwingungen selbst aber bleiben entweder unverändert,
wenn « = 0, oder wachsen unbegrenzt, wenn a>0,
oder aber nehmen unbegrenzt ab, wenn a<<0; offenbar
kann man nur im letzten Falle vom Regulator eine gute
Wirkung erwarten.
Fassen wir alles oben Gesagte zusammen, so kom-
men wir zu dem Resultate, dass für die gute Wirkung
des Regulators nothwendig ist, dass entweder alle drei
Wurzeln der Gleichung
^ + M{^' + N&-\- ^-^^ =
reell seien, oder dass bei zwei imaginären Wurzeln der,
beiden gemeinsame, reelle Theile negativ sei.
§ 8. Das Vorhergehende zeigt, dass es äusserst
wichtig ist, einfache Anhaltspunkte zu haben, nach
welchen man mit Sicherheit beurtheilen könnte, ob die
Wurzeln der Gleichung
/Wo
alle reell, oder zwei derselben imaginär sind, und im
letzten Falle, ob der, beiden gemeinsame, reelle Theil
positiv oder negativ ist.
Um diese Anhaltspunkte in möglichst einfacher
und übersichtlicher Form zu finden, wollen wir die
betrachtete Gleichung umändern, indem wir setzen
Dann wird die Gleichung, welche ^ bestimmt,
offenbar in folgende Form gebracht:
q>^+x(p^'+yq> + l = .... (10)
Die Betrachtung dieser Gleichung nach bekannten
Regeln führt zum Schluss, dass Gleichung
^^ -{- M 0' + N{> + \^^ =0
drei reelle Wurzeln haben wird; wenn
und dass zwei Wurzeln derselben imaginär werden,
wenn
y-.r- - 4(y^ + .r«) + ISi/x— 27 <0.
Wenn wir x und y als rechtwinkelige Coordinataa
betrachten und den Theil der durch die Gleichung
r'x- — 4(y^4-^'0 + 18ya: — 27 =
dargestellten CuiTe verzeichnen, welcher den positiftift
Werthen von x und i/ entspricht, so theilt diese Corvo
offenbar den ganzen rechten Winkel zwischen den pOr
sitivcn Richtungen der Abscissen- und Ordinateu-Achae
in zwei Theile, und zwar so, dass für x und ^, welche
den auf derselben Seite der Curve, wie die Coordinaten-
achseu, liegenden Punkten entsprechen, zwei Wurzeln
der Gleichung
/Wo
imaginär, für die auf der anderen Seite, wie die Coor-
dinatenachsen liegenden Punkte aber alle drei Wurzeln
der Gleichung reell sein werden; für x und y, welche
den auf der Curve selbst liegenden Punkten entsprechen,
werden die Wurzeln dieser Gleichung reell und dabei
zwei derselben einander gleich sein, für einen solcher
Punkte aber, und zwar für x = 3, y = 3, werden alle
drei Wurzeln der betrachteten Gleichung einander
gleich sein.
Wenn man diese Curve construirt, so überzeugt
man sich leicht, dass sie zwei Zweige hat, welche durch
einen gemeinsamen Punkt (a? = 3 , y = 3) gehen , und
in diesem Punkte eine gemeinsame Tangente haben,
die zu beiden Coordinatenaxen unter einem Winkel
von 45" geneigt ist; dass der eine Zweig mit seiner
Concavität zur X-Axe gerichtet ist, und, sich ins Un-
endliche erstreckend, allmälig seine Neigung zu dieser
Axe vermindert; dass der andere aber mit seiner Con-
cavität zur F-Axe gerichtet ist, und, sich ins Unend-
liche erstreckend, allmälig seine Neigung zu dieser Axe
vermindert. Ein Theil dieser Curve DEF ist in nach-
folgender Figur veranschaulicht.
111
Wischnegradski, üeber directwirkeiide Regulatoreu.
112
Substituireii wir in diese Bedingungen für N und
M ihre durch x und y ausgedrückten Werthe, so sehen
wir, dass der Regulator beständigen und unbegrenzt
zunehmenden Schwingungen ausgesetzt ist, wenn
^y<i;
die Schwingungen allmälig abnehmen werden, wenn
^i/>i;
die Schwingungen endlich von constanter Amplitude
sein werden, wenn
Daraus ist ei-sichtlich, dass, wenn wir eine gleich-
seitige Hyperbel GHK, deren Gleichung
aufzeichnen, diese den Winkel zwischen den positiven
Richtungen der Coordinatenaxen in zwei Theile theilt,
so zwar, dass die in dem einen liegenden Punkte sol-
chen Regulatoren entsprechen, welche, einmal aus ihrer
Gleichgewichtslage gebracht, sich beständig vermittelst
allmälig abnehmender Schwingungen der neuen Gleich-
gewichtslage nähern, die in dem anderen gelegenen
Punkte dagegen solchen Regulatoren, die, einmal aus
ihrer Gleichgewichtslage gebracht, in Schwingungen
gerathen, deren Amplitude im Verlaufe der Zeit be-
ständig wächst.
§ 10. Die auf Grundlage obiger Untersuchungen
verzeichneten zwei Curven DEF und GHK theilen
den Winkel zwischen den positiven Richtungen der
Coordinatenachsen in drei Theile.
Der erste, von den Zweigen DE und EF der
Curve DEF eingeschlossene Theil enthält die Punkte,
welchen solche Regulatoren entsprechen, die, einmal
aus der Gleichgewichtslage gebracht, die Eigenschaft
besitzen, ohne jegliche Schwingungen sich der neuen
Gleichgewichtslage zu nähern.
Der zweite, von der Curve DEF und der Hy-
perbel G HK eingeschlossene Theil enthält die Punkte,
welchen solche Regulatoren entsprechen, die, aus ihrer
Gleichgewichtslage gebracht, in Schwingungen gerathen,
welche, allmälig abnehmend, den Regulator unbegrenzt
der neuen Gleichgewichtslage näher bringen.
Der dritte, von der Hyperbel GHK und den
Coordinatenachsen eingeschlossene Theil enthält die
Punkte, welche solchen Regulatoren entsprechen, die,
aus ihrer Gleichgewichtslage gebracht, in Schwingungen
gerathen, deren Amplitude mit der Zeit beständig
grösser wird, so dass die Maschine eine ganz unregeU
massige Bewegung annimmt.
So giebt die beigefugte Figur ein höchst einfaches
Mittel, die verschiedenen Regulatorarten zu unter-
scheiden.
Aus den obigen Betrachtungen gehen unter An-
derem direct nachstehende Folgerungen hervor:
Die astatischen Regulatoren (für welche
N=0 und folglich auch y=0) sind, mit welchem
Katarakt sie auch versehen sein mögen, zur
Regulirung einer «Maschine nicht brauchbar.
Regulatoren, weche zwar statisch, jedoch
mit einem Katarakt nicht versehen sind, (für
welche M=0 und folglich auch x = 0) sind zur
Regulirung einer Maschine nicht brauchbar.
Für jeden gegebenen statischen Regulator
(für welchen ein von Null verschiedenes N und folglich
auch 2^ gegeben ist) kann man einen solchen Kata-
rakt finden (kann man ehie solche Bedeutung für x
und folglich auch für J/ finden), dass dieser Regu-
lator im Verlaufe der Zeit die Amplitude seiner
Schwingungen nicht vergrössern wird.*)
§ 11. Alle vorhergehenden Folgerungen sind in
der Voraussetzung erhalten, dass die Ausschläge der
Regulatorhülse kleine Grössen sind, und deshalb muss
man bei Anwendung der gefundenen Resultate beständig
diese Bedingung im Auge behalten, sonst können sie
zu völlig falschen Schlüssen fuhren. So muss man die
Folgerung, dass der Regulator, für welchen die Be-
dingung
X1J=1
nicht erfüllt ist, in Schwingungen geräth, deren Am-
plitude im Verlaufe der Zeit unbegrenzt wächst,
nicht buchstäblich nehmen; eigentlich bezeichnet diese
*) Herr Kar gl, Professor in Zürich, der mit den im Civil-
ingenieur 1S71, 1S72 und 1S73 veröffentlichten Arbeiten sehr viel
Licht über die Theorie der Regulatoren verbreitete, hat einen
Satz ausgesprochen, der einen particulären Fall eines der obigen
Resultate bildet. In der Abhandlung, die im Jahre 1873 unter
dem Titel: „Beweis der Unbrauchbarkeit sämmtlicher astatischer
Regulatoren^' erschienen ist, betrachtet Herr Kar gl nur die
nicht mit Katarakt versehenen astatischen Centrifugal-
regulatoren und sucht zu beweisen, dass sie zum Regu-
liren von Maschinen unbrauchbar sind. Wie aus Vorher-
gehendem ersichtlich, ist dieser Satz (der übrigens in erwähnter
Abhandlung kaum mit der gehörigen Strenge bewiesen sein dflrftel
viel allgemeiner. Nicht nur astatische Gentrifugalregulatoren ohne
Katarakt, sondern auch alle statischen Regulatoren, wenn sie
nicht mit einem Katarakt versehen sind, können den Gang von
Maschinen nicht zur Befriedigung regeln. Der Unterschied zwi-
schen statischen und astatischen Regulatoren besteht in dieser
Beziehung nur darin, dass die schädliche Beweglichkeit statischer
Regulatoren vermittelst eines Kataraktes ausgebessert werdea
kann, während die überflüssige Beweglichkeit astatischei* Regu-
latoren durch keinen Katarakt aufgehoben wird.
113
Wiscbnegradski, Deber directwirkende Regnlatoren.
114
Folgerung nur. dass die Schwiiigungeu des Regulators,
für welchen obige Bedingung nicht erfüllt ist, eine
Amplitude haben, deien Werth die Grenze überschreitet,
bei welcher man in der Theorie dieses Begulators die
Glieder zweiter und höherer Ordnung abwerfen kann;
sehr leicht kann es sich ereignen, daas bei einem ge-
gebenen Regulator, für welchen die Bedingung
nicht erfüllt ist, in Wirkhchkeit die Amplitude nur bis
zu einer gewissen Grenze wachsen wird*); da aber diese
Grenze nach Obengesagtem grösser sein wird als die,
bei welcher die zweiten Potenzen der Amplitude im
Verbältnifis zu den ersten Temachlässigt werden können,
80 wird für Maschinen, welche einen sehr gleichförmigen
Gang erfordern, ein solcher B«gulator untauglich sein,
BO dass also die praktischen Folgerungen der Theorie
dieselben bleiben, wie in dem Falle, wenn die, der
auseinandergesetzten Theorie zur Grundlage dienenden
Bedingungen in der That mit voller Genauigkeit er-
füllt sind.
Es mu3S auch bemerkt werden, dass die schädliche
Beweglichkeit der Regulatoren in Wirklichkeit bis zu
einem gewissen Grade durch den Einfluss der schädlichen
Widerstände verringert werden kann, welche durch die
Bewegang des Regulators und des regulireuden Stell-
zeuges hervorgerufen werden, und die wir vernachlässigt
haben, aber bei derartigen Regulatoren ist die Ven-in-
geruog ihrer schädlichen Beweglichkeit mit der Ver-
ringerung ihrer nützlichen Beweglichkeit verbunden,
die man, wie aus § 6 ersichtlich, nicht anders als durch
möglichste Verringerung der schädlichen Widei-stände
erzielen kann.
•) Dieser Umstand ist von Herrn Karg] in seiner, im vurigen
g erwUmten Abhandlung nicht hinlänglich berücksichtigt worden,
and in Folge deaaen kaim sein Beweis der ünbrauchbarkeit aata-
ÜBcher Kegulatoren nicht als vollständig streng ongeseben werden.
Herr Kargt zieht in der erwähnten Abhandlung die Wirknngs-
weise des regulirenden Stellzeuges gar nicht in Betracht und hält
es folglicii für möglich, seine Schi ussfolgerun gen zu ziehen, ganz
abgesehen von der Wirkungs weise dieses Stellzeuges.
Indessen ist dieses offenbar nicht gut möglich, weil man sich
immer ein solches Gesetz der Aenderuog des bewegenden Mo-
mentes durch das regulirende Stellzeng vorstellen kann, dass,
wenn auch der Regulator die anfängliche positive Be-
schlennigungsarbeit mit einer weil grösseren nega-
tiven beantwortet, dieses doch nnr bis 2U einer gewissen
Grenie geht. Im Obigen ist gezeigt, dass der Schlues ganz richtig
ist, wenn die durch das regulirende Stellzeug hervorgebnchte
Terändenmg des bewegenden Momentes proportional ist der ersten
Potenz des Ausschlages der Regulatorhulse, was für jede An-
ordnung des Regolaton nur dann richtig ist, wenn der Ausschlag
als sehr klein angesehen werden kann.
§ 13. Bei Au&tellung der Gleichung (ö), aus der
alle Hauptfolgeningen gezc^n sind, war unter Anderem
vorausgesetzt, dass der Kataraktwiderstand der ersten
Potenz der Hülsengeschwindigkeit proportional ist, und
deshalb könnten vielleicht Zweifel über einige Sätze
vorliegender Theorie in dem Falle auftauchen, wenn
diese Voraussetzung nicht richtig wäre. Welcher Art
diese Zweifel aber auch sein könnten, niemals können
sie den Theil der Folgerungen betreffen, der sich auf
die Regulatoren bezieht, die im Stande sind, gut zu
wirken. In der That, da die Oeffnung, durch welche
die vom Kolben verdrängte Flüssigkeit dringen muss,
nach Belieben vergrössert oder verkleinert werden kann,
80 kann auch die bremsende Wirkung des Kataraktes
auf die Hülse beliebig gross gemacht werden, und folg*
lieh kann man auch die Schwingui^en eines statischen
Regulators vermittelst eines richtig constmirten und
aufgestellten Kataraktes begrenzen. Was aber absolut
aatatische Regulatoren betri£fb, so ist nicht schwer
zu beweisen, dass die auf sie sich beziehende Folgerung
richtig sein wird, selbst in dem Falle, wenn der Kata-
raktwiderstand nicht der ersten, sondern jeder belie-
bigen höherii Potenz der Geschwindigkeit . proportional
ist. In der That, nehmen wir an, daas die Grösse der
Schwingungen eines statischen Regulators vermittelst
eines Kataraktes begrenzt werden kann, dessen Wider-
stand durch
M-
dt'
ausgedrückt wird . worin h >^ ] ; bei Benutzung eines
solchen Kataraktes wird, laut Annahme, ( jr-) nicht
unbegrenzt zunehmen, und erreicht folglich einen ge-
wissen höchsten Grenzwerth, den wir mit V bezeichnen
wollen ; stellen wir uns sodann vor, dass an demselben
Regulator ein anderer Katarakt angebracht sei, dessen
verzögernde Wirkung ausgedrückt werden kann durch
M" V"-
V( '
da diese Grösse numerisch grösser ist als ■*''( j. )• so
wird der neue Katai'akt offenbar eine stärkere brem-
sende Wirkung ausüben, als der ursprüngliche, und
folgUch werden die in Folge seiner Wirkung für jede
bestimmte Zeit berechneten totalen Ausschläge der Regu-
latorhülse kleiner sein, als die entsprechenden Ausschläge
derselben Hülse unter dem Einflüsse des ursprünglichen
Kataraktes ; wenn daher der ursprüngliche Katarakt im
Stande ist, die Schwingungs-Ämplitude der Hülse zu
verringern, so wird diese Wirkung um so mehr duftjh
115
Wischnegradski, Ueber direct wirkende Regulatoren.
116
den neu angebrachten Katarakt hervorgebracht werden;
wenn also der Katarakt, dessen verzögernde Wirkung
auf die Hülse durch die Beschleunigung JtfM^j aus-
gedrückt wird, den astatischen Regulator brauchbar
machen kann, so kann man dasselbe Resultat durch
Anwendung eines Kataraktes erzielen, dessen verzögernde
Wirkung auf die Hülse durch eine Beschleunigung aus-
gedrückt wird, deren Weith gleich Jtf' F""-^ ( ,- 1 ist:
dieses letztere ist aber nach dem Bewiesenen unmög-
lich, da die von einem solchen Katarakt herrührende
Beschleunigung der Hülse der ersten Potenz von (;vt)
proportional ist, folglich ist auch die hier gemachte
Annahme nicht möglich, was zu beweisen war.
§ 13. Die ausgeführte Theorie giebt, ausser den
schon gefundenen Resultaten, die Möglichkeit, den
Grenzwerth der Winkelgeschwindigkeit einer mit gut-
wirkendem Regulator versehenen Maschine zu bestim-
men, wenn in Folge von Störung des Gleichgewichts
zwischen der bew^enden Kraft und dem Widerstände
die Greschwindigkeit derselben sich ändert. Dieser
Grenzwerth wird direct aus Gleichung (1) gefunden,
wenn wir anstatt u den Grenzwerth setzen, welchem
diese Grösse sich allmälig nähert; bezeichnen wir den
gesuchten Grenzwerth der Geschwindigkeit mit limu},
den Grenzwerth von h aber mit limu^ so finden wir: ■
i N i
hm o) = 0),) J 1 + lim u j
und setzen wir statt limu dessen Bedeutung
so erhalten wir
N
iimü} = o},,jl + ^^\^ ip — Q){f[ =
K' Lg
Bemerken wir, dass pQ der normale Werth des be-
wegenden Momentes der Maschine ist, so wii^d, wenn
wir mit PS die normale Arbeit der Maschine in Pferde-
stärken bezeichnen
PQ = 7b
(O
Nennen wir m.PS die Veränderung, die in der
Arbeit der Maschine vorgegangen ist, und die ihrer-
seits die von uns betrachtete Störung des Gleichgevdchtes
im Regulator heiTorgebracht hatte, so ist ofienbar
ip-Q)9 = lb,
m.IS
fa,
und folglich
N i N
/««a> = ci>Q+ ^rp — . 75. w.PÄ=(ö^ { 1 + .
JC JjQ f K
N lb,m,PS
Lg(OQ
Dieser Ausdruck zeigt, dass die vom Regulator gestattete
relative Aenderung der Geschwindigkeit
Km (o — (o
CD
N Ib^m.PS
K'
um so kleiner sein, und folglich der Regulator um so
besser seine Aufgabe erfüllen wird:
1) je kleiner N ist, d. h. je mehr sich der Regu-
lator dem astatischen nähert, mit dem er übrigens dem
Bewiesenen zufolge niemals identisch sein darf;
2) je grösser KL, d. h. je grösser die Energie
des Regulators ist;
3) je kleiner die Aenderungen der Arbeit der Ma-
schine sind, d. h. je kleiner m.PS ist;
4) je grösser die Winkelgeschwindigkeit w., ist.
Alle diese Umstände muss man bei der Construc-
tion eines Regulatoi's im Auge behalten, da von ihm
nicht nui' verlangt wird, dass er bei Störung des Gleich-
gewichts zwischen bewegender Kraft und Widerstand
die Maschine allmälig in die neue Gleichgewichtslage
bringe, die der veränderten Intensität des überwundenen
Widerstandes entspricht, sondern es wird von ihm
gleichfalls verlangt, dass die bei dieser Gleichgewichts-
lage eintretende Geschwindigkeit der Maschine von der
normalen nur um eine kleine, bestimmte Grösse ver-
schieden sei, deren Bedeutung durch den Grad der
Wichtigkeit des gleichförmigen Ganges der Maschine
bedingt wird.
Ferner ist noch zu bemerken, dass die Grösse der
Grenzgeschwindigkeit wie auch der Empfindlichkeits-
grad des Regulators von der Kmft des Kataraktes ganz
unabhängig sind. Es schadet also die Verstärkung des
Kataraktes durchaus nicht der Wirkung des Regulators,
während sie jedoch im höchsten Grade nützlich ist, da
sie die Construction eines guten Regulators mit ge-
ringer Stabilität gestattet, welches zur Folge hat, dass
die Differenz zwischen der Grenzgeschwindigkeit der
Maschine bei veränderter Arbeit und der normalen
Geschwindigkeit bei normaler Arbeit klein ausfällt.
§ 14. Aus den Grundgleichungen dieser Theorie
lässt sich übrigens vollständig das Gesetz bestimmen,
nach welchem die Geschwindigkeit der Maschine nach
erfolgter Störung des Gleichgewichts zwischen Kraft
und Widerstand sich ändert. Dafür wird es genügen,
die Grösse u aus den Gleichungen
117
Wischnegradski, Ueber directwirkende Regulatoren.
118
d'u du m — (a^ .
j,,-^^ .-^^-^^ = ^9 % und
dt dt oi0
ZU eliminireo ; dann gelangt man zu der Gleichung:
ifi— +^ dt- +^~ -rfr +
Die Lösung dieser Gleichung hängt von den Wur-
zeln derselben Gleichung dritten Grades ab, durch
welche der Werth von u bestimmt war, und die will-
kürlichen G(Histanten werden dadurch bestimmt, dass
für t =
(O — w
'~^' dt ~ I ' ~ dt^ ~^'
Aus den allgemeinen Formeln der Integrale der
obigen Gleichung lassen sich ganz dieselben Folgerungen
in Betreff des Werthes von (o — coq ziehen, welche früher
(§§ 9—12) in Beziehung auf u gefanden sind. —
Ohne dieselben hier zu wiederholen, wollen wir
etwas genauer den Fall betrachten, wenn zwei Wurzeln
der Gleichung imaginär sind und dabei der reelle Theil
dieser Wurzeln negativ ist. Dieser Fall entspricht den
Regulatoren, welche am besten für die Regulirung
des Ganges der Maschinen geeignet sind, wie es aus
dem vorhergehenden leicht ersichtlich ist. — Wenn man
alle eingeführten Bezeichnungen beibehält, und die ein-
zige reelle Wurzel der Gleichung des dritten Grades
durch S* bezeichnet, so hat man für oj — w„ den Aus-
druck
K Lg
wo
C=
D =
IS' 'IS' — itf + ß'''
IS* 'a^ + ß' (0' — a)^ + /3^
_{p-zß)Q ^'"^ 1 (|g^ — a*)((y— ft) — 2ftj3^
J?=
IS* '«^-1-/3^' ß
{S' — aY + ß'
Substituirt man diese Grössen von (7, D, E in den
oben geschriebenen Werth von co — co^,, so hat man einen
vollständig bestimmten Ausdruck der Geschwindigkeit
w als Function der Zeit t\ durch Betrachtung dieser
Function findet man nach bekannten Regeln, dass die
Zeitpunkte, für welche die Geschwindigkeit ihre Maximal-
und Miuimalwerthe annimmt, durch Gleichung
= {S' — 2a)co8ßt — ^ "5 -^ß^
bestimmt werden.
Diese Gleichung stellt aber, ßt als Polarwinkel
eines Polarcoordinatensystemes aufgefasst, in ihrer linken
Seite den Radiusvector einer logarithmischen Spirale
dar, in ihrer rechten Seite bekanntlich den Radius-
vector eines durch den Pol gehenden Kreises, dessen
Durchmesser durch
und dessen Mittelpunkt durch den Winkel
— arciang
/3^ +«(e ^— g)
' j3(e' — 2~a)
zwischen der Achse und dem zugehörigen Radiusvector
bestimmt ist. Die Durchschnittspunkte dieses Kreises
und der Spirale werden die Zeitpunkte bestimmen,
die den hervorragenden Werthen der Geschwindigkeit
entsprechen. Es können dabei zwei Fälle vorkommen.
1) f'J' — of<<0; dann nimmt bei dem Wachsen von
t der Radiusvector der Spirale beständig ab, und
sein Grenzwerth ist Null ; der Radiusvector des Kreises
aber ist immer zwischen dem negativ und positiv ge-
nommenen Durchmesser enthalten; es folgt daraus, dass
die beiden Curven sich in unendlich vielen Punkten
schneiden und dabei der Winkelabstand zwischen je
zwei aufeinanderfolgenden Schnittpunkten sich immer
dem Werthe n nähert. In diesem Falle folglich hat
die Geschwindigkeit eine unendliche Anzahl von Maxi-
mal- und Mini mal wertlien , die beständig nach dem
im vorigen Paragraphen gefundenen Grenzwerthe con-
vergiren.
2) 0' — tt^o; dann nimmt bei dem Wachsen von
t der Radiusvector der Spirale beständig zu, und es
folgt daraus, dass die Anzahl der Durchschnitts-
punkte der Spirale und des Kreises nicht eine unend-
liche sein kann; es kann aber auch vorkommen, dass
die Spirale und der Kreis sich gar nicht schneiden;
dann wird der Geschwindigkeitswerth keine Schwin-
gungen haben, sondern, immer in ein und derselben
Richtimg sich ändernd, dem gefundenen Grenzwertli
sich nähern. Wenn aber die Spirale und der Kreis
sich schneiden, so macht die Geschwindigkeit eine
endliche Zahl von Schwingungen und fängt alsdann
an, sich immer in derselben Richtung zu ändern, sich
mehr und mehr dem Grenzwerth nähernd.
8*
119
Wischnegradski, Ueber directwirkende Regulatoren.
120
Es ist leicht zu erkennen, dass die unendliche Anzahl
von Geschwindigkeitsschwingungen vorkommt, wenn die
den Regulator bestimmenden Grössen x und y der Be-
dingung
2a:^ — 9;ry+27<0
genügen, und dass die Geschwindigkeit eine endliche
Anzahl von Schwingungen annimmt, wenn
2arJ~9a?y+27>0
ist. In diesem letzten Falle existiren die Schwingungen
wirklich, wenn
S'
I
ß ß
und die Geschwindigkeit näheit sich ihrem Grenzwerthe
ohne Schwingungen, wenn
ß ß • i s* )
Zeichnet man in unserer Figui* auf Seite 109 die
Curve
2a:3 — 9a:y+27 = 0,
SO geht dieselbe durch den Punkt E{x^=3, y = 3)
und hat die Ordinatenachse zur Asymptote. Der
Theil dieser Curve, welcher links von der Geraden
x = 3 liegt, bildet eine Grenze zwischen den Regu-
latoren, die eine unendliche Anzahl von Geschwin-
digkeitsschwingungen zulassen, und solchen, bei deren
Gebrauch die Zahl dieser Schwingungen eine end-
liche ist, so dass der durch den Zweig DE der 1
Curve DEF und durch den soeben betrachteten
Theil der Curvo 2x^ — 9a;y + 27 = eingeschlossene ;
Raum den Regulatoren entspricht, die zu der letztge- r
nannten Klasse gehören, und der durch denselben Theil
dieser Curve, den Zweig JE JF und die Hyperbel OHK
begrenzte Raum die Punkte enthält, die den Regulatoren
mit unendlicher Zahl von Schwingungen entsprechen. —
Da der Minimalwerth der (Jrdinate der Curve
2^ — 9a;y-|-27=0
die Grösse 2,38 hat, so gehören im Allgemeinen alle .
Regulatoren mit endlicher Zahl der Schwingungen zu
den ziemlich stark statischen, und da solche, nach dem
Vorhergehenden, keinen hohen Gleichförmigkeitsgrad
zulassen, so sind im Allgemeinen, wenn es sich um
eine sehr gleichförmige Bewegung handelt, die Regu-
latoren vorzuziehen, welche nach erfolgter Störung des
Gleichgewichtes eine unendliche Anzahl von Schwin-
gungen machen. — i
% 15. Als Anwendung der dargelegten Theorie
wollen wir den Porter 'sehen Regulator, der wohl als
einer der gebräuchlichsten Regulatoren der letzten Zeit
genannt werden darf, betrach-
ten. Er besteht bekanntlich
aus einer verticalen Achse A JB,
die von der Maschine aus in
rotirende Bewegung gesetzt
wird; im Punkte A derselben
sind vermittelst Chamieren die
Stangen AC und AD ange-
bracht, die an ihren Enden die
Kugeln C und D tragen und
gleichfalls vermittelst Char-
nieren mit den Stangen CE
und D F verbunden sind, wäh-
rend die letzteren auch mit
Charnieren au einer Hülse angebracht sind, die sich
längs der Achse geradlinig bewegen kann; mit der Hülse
ist noch ein besonderes Gegengewicht G verbunden,
welches dieselbe Bewegung wie die Hülse hat. — Der
grösseren Einfachheit wegen nehmen wir an, dass die
Stangen CE und DF mit der Hülse in einem auf der
Achse AB liegenden Punkte verbunden, und dass alle
vier, von der Achse zu den Kugeln gehenden Stangen
von gleicher Länge sind; es sei die ihnen gemeinsame
Länge gleich a, dass Gewicht einer jeden Kugel gleich
P, das die Hülse beschwerende Gewicht gleich G, und
endlich die Masse der Stangen im Verhältniss zu der-
jenigen der Kugeln und des Gegengewichtes G klein
genug, um sie vernachlässigen zu können. Stellen wir
uns nun vor, dass sich die Maschine mit ihrer nor-
malen Geschwindigkeit w^ und die Regulatorachse mit
der Geschwindigkeit qw^ bewegt, und dass dabei die
Hülse sich im Gleichgewicht befindet; nennen wir a^
die Grösse der Winkel, welche dabei alle vier Stangen
mit der Regulatorachse bilden, und h die Entfernung
AB. — Offenbar besteht zwischen ä, a und Oq folgende
geometrische Beziehung :
h = 2a.oo8 aQ.
Da aber bei der Winkelgeschwindigkeit qw^ der
Regulatorachse die Hülse sich im Gleichgewicht befindet
und der Katarakt offenbar ausser Wirkung ist, so muss
die Summe der virtuellen Momente der Centrifiigal-
kraft der Kugeln, ihres Gewichtes und des Grewichtes
G9 in der Voraussetzung bestimmt, dass die Winkel a^
um eine unendlich kleine Grösse zugenommen haben,
gleich Null sein ; aus dieser Gleichung erhalten wir sofort:
q^CDo^
F+0
a cos et
P+G 2^
P • h
(A)
121
Wisch negradski. üeber directwirkende Regulatoren.
122
Stellen wir uns sodann den Regulator in einer
anderen Lage vor, bei welcher sich die Hülse um die
Länge u gehoben hat und bezeichnen wir mit qw^ die-
jenige Winkelgeschwindigkeit der Regulatorachse , bei
welcher die Hülse in dieser neuen Lage im Gleich-
gewicht verharren kann und mit a die Grösse der
Winkel, die in diesem Falle von den Stangen und der
Achse gebildet werden, so erhalten wir wie oben:
h — u-=2acost( und
y^wj _ P+G _1 _^+0 _2_
g P aco8€t P h — u
und daraus
P±G
P
. . (B)
q(0,
=V'VV&
Entwickeln wir diesen Ausdruck nach Potenzen
von M und behalten wir nur die Glieder erster Ord-
nung bei, so finden wir:
KP-^6 I/2V , « \/P+G 1/27
= ^"«(^ + 2-*)'
§ 16. Nehmen wir ferner an, dass der Regulator
bei einer Entfernung u der Hülse von ihrer noimalen
Lage die Geschwindigkeit q w besitzt, so wird in dieser
Lage seine Hülse sich nicht im Gleichgewicht befinden,
und folglich wird die Arbeit aller auf sie wirkenden
Kräfte, berechnet für eine unendlich kleine Vergrösse-
rung von u ,' gleich sein dem dabei erzielten Zuwachse
der lebendigen Kraft der Kugeln und des Gewichtes G;
dieser Zuwachs der lebendigen Kraft ist offenbar:
2g \dt f "^
2g \ dt
n
Dieser Ausdruck kann leicht in eine zur Behand-
lung bequemere Form gebracht werden. Oben wurde
gefunden, dass
h — « = 2 <i . (?o« ft
und folglich
du=^2a.9in€t.dct
und daher
a.da 1 du
dt 2 sin ci dt
du
woraus wir direct schliessen, dass
h — uV ^^
^K-(t-")
w„ — w^^
w,
u
(C)
so dass das Differenzial der lebendigen Kraft der Ku-
geln und des Gewichtes G den Ausdruck annimmt:
1 —
1 ■ _ iduV\ ^
fe")'j
idu d^ u
(di'd¥
G 2P
H
9 9
'A^-c-m']
h —
Die Kräfte, deren unendlich kleine Arbeit diesem
Zuwachs der lebendigen Kraft gleich ist, sind, wenn
wir die schädlichen Widerstände des Regulators und
des regulirenden Stellzeuges nicht berücksichtigen, fol-
gende :
1) Die Centrifugalkraft beider Kugeln, die die
Arbeit liefert:
— q^ur .ann€(.acosad€f=^ - ,0^00^ ,- -•- - . - - .dt.
9 g ^ 2 dt
2) Das Gewicht der Kugeln, welches die Arbeit liefert:
— 2Pastntidu = — Pdu = — P^f .dt
dt
3) Das Grewicht des Gegengewichtes 6r, dessen Ar-
beit ist:
_(duY2P _J
du
-.Gdu = — G ^ .dt
dt
dt
i^}'-
2P
'4^-('i^)T
4) Der Widerstand des Kataraktes, welcher, auf
die Hülse reducirt, überhaupt durch — . ,— ausge-
drückt werden kann, und der die Arbeit liefert:
S du ^ S /duW
g dt g \dt'
Setzt man den gefundenen Zuwachs der lebendigen
Kraft der Summe aller dieser Arbeiten gleich, so sieht
man sofort, dass alle Glieder der zu erhaltenden Glei-
chung den Coefficienten j-r- enthalten werden und die
at
Gleichung die Form annimmt:
h — u P^
(2«?^ g
q^ to^ ,~~ — (P+ G) — ~
du
dt
123
Wisch negradski, Ueber direct wirkende Regulatoren.
124
Aus Gleichung (B) haben wir aber oifenbar:
P y ^ h U
0= .y*w„
9 2
'-' '- --{P+G\
und deslialb lässt sich die vorhergehende Gleichung auf folgende reduciren:
h — u
^ tf ' i\'^~^ ^ au lauy
du\- iP
M-'^-n
1 h — u_d^uVG
h — u^~\^'{2af~ dt
uV G 2P 1
du .
Laut Hypothese ist die Grösse , eine kloine, deren Quadmt wir bei unseren Berechnungen yemachlässigen
können; ausserdem überzeugt man sich leicht, dass
fi>- — CO 0^ = 2 Oh
M G)„
CO
-4-<
(ö CO» 0) CO
„CO üOu 0I„
co.r . —
ot.
w
(I
(ü
'(►
(I
Ol
(»
CO
u
da aber die Ausdrucke ,
nung sind, so kann vorhergehende Gleichung geschrieben werden:
lO^, W„ M^,
und - " kleine Brüche sind, deren Produkte Grössen zweiter Ord-
fO (O
9 f'>o
u
S du_d^u
g dt dt'
G 2P
9
4)1
-(■
9 , i^ /^"^rj
2a ' \
Entwickelt man den erhaltenen Ausdruck nach Potenzen von u in eine Reihe und vernachlässigt in der-
selben die Glieder zweiter und höherer Ordnungen in Bezug auf m, ,-v und -, substituirt man endlich für
at (Oq
w,^ seinen Werth aus Gleichung (C), so ergiebt sich daraus der Werth von -jp folgendermassen :
d^u P ^ .. , w — <*»o ^^' * y ^ du
G +
dt^
Ol
M'-,4)
e + -
= ('-...)
G +
dt
■ . (E)
^('-/^)
d(o
DifFerenzirt man den eben erhaltenen Ausdruck nach der Zeit t und eliminirt man ^, vermittelst der in
dt
§ 4 erhaltenen Gleichung (4), so ist:
de
G +
. q^ 10^^ . h
(.P-Q)9
Ol
^'i^S)
+
q'o\^ du
2 'li
S
•H-u.)
G H
p
d*u
dt'
G +
, M-j^)
Kliniiuirt man daraus q^ia^* vermittelst Gleichung (A) und setzt man
•2(P-hG) „ P-\-G 9 „ 5
=jr;
.... ^ =^-. . . .
^'-4^) -^('-4-..) ^('-ii-)
= M,
80 ündet man die vorhergehende Gleichung in folgender Form:
dt dt- dt Jon,. 101,^
125
Wischnegradski, Ueber directwirkende Regulatoren.
126
d. h. sie nimmt dieselbe Form au, wie die in der all-
gemeinen Theorie überhaupt für alle Regulatoren ge-
fundene, und folglich werden alle dort gezogenen Fol-
gerungen vollständig auf den Porter 'sehen Regulator
anwendbar sein.
Da die in der allgemeinen Theorie gefundene Be-
dingung für die gute Wirkung des Regulators darin
besteht, dass
so sohliessen wir, dass für gute Wirkung des P orter '-
sehen Regulators sein muss:
8 . 2ZA
->
^ +
Zw
oder
\ 4«- '
2 1
«>
-ILh
im
e +
r.1.
^('-.:.>i
§ 17. Wenn die Maschine und der Regulator,
sowie auch der Katarakt und die Transmission vom
Regulator zum regulirenden Stellzeug bekannt sind, so
kann man auf Grundlage des Obigen vollständig die
Wirkung des Regulators bestimmen, und zwar findet
man aus Gleichung (A)
y- 0)0- _ P+ G 2^
g ~ P ' h
die normale Winkelgeschwindigkeit der Maschine w,,;
darauf kann man, da alle in der Bedingung für S vor-
kommenden Grössen bekannt sind, bestimmen, ob der
Katarakt stark genug ist, damit der Regulator gut
wirken kann ; gleichfalls kann man die Grenzgeschwin-
digkeit bestimmen, welcher der Regulator die Maschine
im Fall der Aenderung ihrer Arbeit beständig mehr
und mehr nähert; diese Geschwindigkeit ist mit Bei-
behaltung aller früheren Bezeichnungen
w.
l-h
Ih.m.P S)
woraus eraichtlich ist, dass die Grenze, zu der die Ge-
schwindigkeit einer mit Porter'schem Regulator ver-
sehenen Maschine bei Aenderung ihrer Arbeit strebt,
von der normalen Geschwindigkeit verschieden, und
dass das Verhältniss dieser Differenz zur Normalge-
schwindigkeit desto kleiner ist, je grösser die Kraft
des Regulators, je grösser seine Höhe und je grösser
die Winkelgeschwindigkeit der Maschine ist. Von dem
Gewichte der Kugeln und der Hülse hängt diese Dif-
ferenz gar nicht ab; aber diese Grössen üben einen bedeu-
tenden Eiufluss auf andere Eigenschafben des Regula-
tors aus: auf seine Winkelgeschwindigkeit (qta^^ seinen
Beweglichkeitsgrad (£*), seine Energie {KL)y seinen
Empfindlichkeitsgrad (jjTV^r/)» «eine Stabilität {N)
und die Stärke seines Kataraktes (3/).
§ 18. Im Ausdruck für den Empfindlichkeitsgrad
des Regulators, d. h. in dem Bruche
Bf + R'* '
bezeichnen R und E" gemäss den Bezeichnungen in
§ 6 die Quotienten, die sich durch Division der schäd-
lichen Widerstände des Regulators und des regulirenden
Stellzeuges durch die auf die Hülse reducirte Masse
des Regulators ergeben. Wenn wir daher mit üj und
Bjj die auf die Hülse reducirten Widerstände des Re-.
gulators und des regulirenden Stellzeuges bezeichnen,
so ist
0+-- ^
('-.::)
I Setzt man diese Grösse in den Ausdruck des Em-
I ijfindlichkeitsgrades und ersetzt K durch seinen Werth,
so ergiebt sich, dass der Empfindlichkeitsgrad des
Porter 'sehen Regulators ausgedrückt wird durch:
^{P+G)
P'l ~f~ P:»
Die hier vorkommende Grösse R^ kann nur dann
bestimmt werden, wenn die Construction des reguliren-
den Stellzeuges bekannt ist; was jedoch R^ betrifft, so
kann man es im gegebenen Falle bestimmen; in der
That, die schädlichen Widerstände des Regulators be-
stehen iu der Reibung auf den Achsen der Gharaiere,
die in dem Augenblicke hervorgerufen wird, wo der
Winkel zwischen den Stangen und der Achse des Regu-
lators sich ändert. Bezeichnen wir mit X die Span-
nung einer oberen, mit Y die Spannung einer unteren
Stange des Regulators, mit d die als einander gleich
angenommenen Durchmesser der Charnierachseu, mit /
den Reibungscoefficienten auf diesen Achsen, so wird die
Arbeit der Reibung bei Veränderung des Winkels zwi-
schen den Stangen und der Achse um da offenbar
gleich sein
2f{X+Y)ö,da
und folglich der diesen Widerständen entsprechende
Druck auf die Hülse
du
127
Wischnegradski, lieber directwirkeude Regulatoren.
128
Die Grössen X und Y lassen sich leicht aus der
Bedingung finden, dass sie der Centrifagalkraft der
Kugeln und ihrem Grewicht das Gleichgewicht halten
müssen; daraus ergiebt sich
p
X-|- 1'= — . j'^w- .a,
ff
oder, ersetzt man hier lo durch w,j, von welchem sich !
die Winkelgeschwindigkeit in der That niemals be- i
deutend unterscheidet, eliminirt man sodann q- co^^ ver-
d OL
mittelst Gleichung (A) und ^ vermittelst der Gleichung
h — u^=2a .cosa^
schreibt man ausserdem a„ statt a, und setzt man
« = , so erhält man
Daher ist der Empfindlichkeitsgrad des Port er 'sehen
Regulatoi-s gleich
2 (PH- G) 1
hsmcCf)
2fd
+ .
Awnao 2{P+G)
Nennen wir das Gesammtgewicht des Regulators
(d. h. die Summe der Gewichte der Kugeln und der
Hülse) T, das Verhältniss des Hülsengewichtes zum
Gesammtgewicht z, so erhalten wir folgenden Ausdruck
für den Empfindlichkeitsgi-ad des Porter 'sehen Regu-
lators:
1 _
+
99
woraus ersichtlich, dass der Empfindlichkeitsgrad zu-
nimmt
mit dem Zunehmen des Gesammtgewichtes des Re-
gulators,
des Gewichtes der Hülse auf
Kosten des Gewichtes der Kugeln,
der Höhe des Regulators,
des Winkels zwischen den Stan-
gen und der Achse und
„ Abnehmen des Reibungscoefficienten auf den
Gelenkachsen,
des Durchmessers derselben.
Derselbe Ausdruck zeigt, dass der Empfindlichkeits-
grad des Regulators durch Vergrösserung seines Ge-
wichtes nicht über eine gewisse Grenze vergrössert
werden kann, welche gleich ist
Sei 4 = 500™'", ao = 30^ /=0,05, d=5"'% so
wird der Grenzwerth des Empfindlichkeitsgrades durch
die Zahl 500 ausgedrückt, d. h. die Abweichung von
der Normalgeschwindigkeit, bei welcher der Regulator
zu wii'ken beginnt, wenn sein Gesammtgewicht unend-
lich gross ist, beträgt ^^^ der Normalgeschwindigkeit.
Es versteht sich von selbst, dass ein so hoher Empfind-
lichkeitsgrad niemals erreicht werden kann, und dass
man sich mit einem viel geringeren begnügen muss;
T
setzt man z. B. bei Annahme obiger Daten ^- = 50, so
erhält man den thatsächlicheu Empfindlichkeitsgrad des
Regulators gleich 45,5, bei 5 =
9
und 79,8, .bei z= -,
woraus sich ergiebt, wie bedeutend der Empfindlich-
keitsgrad mit der Vergrösserung des Hülsengewichtes
auf Kosten des Kugelgewichtes zunimmt.
§ 19. Betrachten wir ferner den Ausdiiick für iT,
welcher den Beweglichkeitsgrad des Regulators dai-stellt,
und welchem seine Energie proportional ist. Führen
wir die Bezeichnungen des vorhergehenden § ein und
bezeichnen wir der Kürze wegen den Bruch
1
^(•-4^:.)
» 99
mit ß, so finden wir
Der Diftcrentialquotient dieses Ausdi*uckes in Be-
zug auf g ist
4(^-1)
[^ + (2-/3),?'
woraus wir Folgendes schliessen: wenn /9>1, d. h.
wenn Ä^ > 2 a^ *), so nehmen mit dem Wachsen von e
(d. h. mit der Vergrösserung 'des Hülsengewichtes auf
Kosten des Kugelgewichtes) der Bew^lichkeitsgrad
und die Energie des Regulatoi*s zu; dagegen, wenn
/9<<1, d. h. wenn Ä^<C2a***), so nehmen mit
der Vergrösserung des Hülsengewichtes auf Kosten
des Kugelgewichtes sowohl der Beweglichkeitsgrad
als auch die Energie des Regulators ab; wenn end-
lich /9 = 1 , d. h. wenn der Winkel zwischen den
Pendelarmen gleich einem rechten ist, so hängt
*) Oder, was dasselbe ist, wenn der Winkel zwischen den
Pendelarmen kleiner als ein rechter ist.
**) Oder, was dasselbe ist, wenn der Winkel zwischen den
Pendelarmen grösser als ein rechter ist.
12U
Wischuegradski, Ueber directwirkende Regulatoren.
130
K gar nicht von dem Verhältniss des Kugelgewichtes
zum Hülsengewichte ab, und ist eine constante Grösse
gleich 2. Unabhängig davon erhellt aus dem Ausdruck
für Ky dass mit der Zunahme von ß^ d. h. mit dem
Wachsen von — « , der Beweglichkeitsgrad und die
,2 '
Energie des Begulators zunehmen; dieser Einfluss von
ß ¥nrd aber um so geringer sein, je näher z der Ein-
heit ist, und da behufs Yergrösserung des Empfindlich-
keitsgrades beim Porter 'sehen Regulator die Gix)6se ;er
sehr wenig kleiner als eins ist, so üben kleine Verän-
derungen von ß auf die betrachteten Eigenschaften des
Regulators keinen wesentlichen Einfluss aus.
Was die Grösse N betrifft, welche die Stabilität
des Regulators repräsentirt, so kann der in § 16 für
sie erhaltene Ausdruck vermittelst der Bezeichnungen
des vorigen § folgendermassen gestaltet werden:
N=
1 4-a
ß + {2-ß)z' h
woraus sich ergiebt, dass die Stabilität des Regulators
zugleich mit dem Beweglichkeitsgrad wächst und ausser-
dem von der Höhe des Regulators abhängt, mit
deren Zunahme die Stabilität abnimmt. Es muss be-
merkt werden, dass diese letzte Relation die allerwich-
tigste ist, da zufolge dem in § 13 Bewiesenen die
Differenz zwischen der Grenzgeschwindigkeit, die der
veränderten Arbeit der Maschine entspricht, und der
Normalgeschwindigkeit weder von ß noch von ät, jedoch
wesentlich von der Höhe des Regulators abhängig ist.
Die Grösse Jlf , die wir die Kraft des Kataraktes
nannten, kann auf Grundlage der eingeführten Bezeich-
nungen in folgende Form gebracht werden:
2Ä' 1
T'ß + {2 — ß)%'
woraus hervorgeht, dass die Kraft eines gegebenen
Kataraktes mit dem Zunehmen des Gesanmitgewichtes
des Regulators wie auch mit demjenigen von ß ab-
nimmt, obgleich mit Veränderung dieses letzteren, bei
bedeutendem 0, die Stärke des Kataraktes sich nur
unbedeutend verändert: Diese Kraft des Kataraktes
hängt aber wesentlich von z ab, und zwar, wenn /?<C2,
d. h. wenn -j<C3 (wenn der Ausschlagwinkel zwi-
schen den Stangen grösser als 60^ ist), so nimmt die
Kitift des Kataraktes mit Zunahme von z ab; wenn
dieser Winkel kleiner als 60^ ist, so nimmt umge-
kehrt die Kraft des Kataraktes mit Vergrösserung der
Httlsenbelastung auf Kosten des Kugelgewichtes zu.
Endlich erhalten wir noch für die Normalgeschwin-
Olvllinvenleur XZIII.
digkeit der Regulatorachse in den obigen Bezeichnungen
geschrieben die Gleichung
g 1—8 * h
und aus dieser ersehen wir, dass die Winkelgeschwin-
digkeit mit Wachsen der Höhe des Regulators ab-
nimmt und zugleich mit der Vergrösserung der
Hülsenbelastung auf Kosten des Kugelgewichtes zu-
ninunt. Diese letzte Relation ist bemerkenswerth , da
u)q mit der Vergrösserung von z sehr rapid wächst.
So ist, wenn wir zuerst z = (Watt'scher Regulator)
und dann ;er = 0,9 (gewöhnliches Verhältniss beim Por-
ter 'sehen Regulator) setzen, die Winkelgeschwindigkeit
im zweiten Falle 4,36 Mal so gross als im ersten.
§ 19. Auf Grundlage des oben Ausgeführten ist
es nicht schwierig, die Regeln für die Construction des
Porter 'sehen Regulators zu finden. Dazu muss man
die Bedingungen, unter welchen der Regulator func-
tioniren soll, und die Zwecke, die durch ihn erreicht
werden sollen, kennen, und zwar muss bekannt sein:
a) Die normale Winkelgeschwindigkeit der Maschine
b) Die grösste Kraftveiünderung, welche bei ihrer
Arbeit wahrscheinlich eintreten kann {m.PS),
c) Der vom Regulator verlangte Empfindlichkeitsgrad
- ——V den wir mit k bezeichnen.
d) Der verlangte Gleichformigkeitsgrad L. — ----- )>
d. h. das Verhältniss zwischen der Normalge-
schwindigkeit und der Differenz zwischen ihr
und der Grenzgeschwindigkeit, welcher die
Maschine bei der grössten wahrscheinlichen
Veränderung ihrer Kraft sich nähert; diesen
Gleichförmigkeitsgrad bezeichnen wir mit i.
Im Besitz dieser Daten erhalten wir auf Grundlage
des Obigen folgende Verhältnisse:
(;;.
1 _ 2/d R^
V~Ä«nao ^(1+«)
. (1)
1
ä \—%
2
Ä
(2)
(3)
welchen Genüge geleistet werden muss; unabhängig
davon muss die Bedingung erfüllt werden, dass die
Ausschläge der Regulatorhülse in der That sehr klein
seien. Zu dem Zwecke ist es am bequemsten, den^
jenigen Werth des Ausschlages der Hülse anzugeben.
9
131
Wischnegradski, Uebcr direct wirkende Regulatoren.
132
bei welchem die Arbeit der Maschine gleich Null wird;
nennen wir denselben nA, so erhalten wir offenbar
L.nh =^ . q ,
oder Lnhw^ = lbPS (4)
Endlich muss noch die den Katarakt betreffende
Bedingung erfüllt sein, welche lautet
Lh
;s>-— .r[^+(2-/J)«] .
Zw
(5)
Es sei bemerkt, dass die obigen vier Gleichungen
nicht unabhängig von einander sind, da die Verbin-
dung von (2) und (4) zu einem Verhältniss zwischen
Grössen fuhrt, welche als gegeben vorausgesetzt sind,
und zwai' ergiebt sich die Gleichung
2
mn
v/elche ebeu die Gleichung (4) ersetzt, und aus welcher
man zuvörderst n bestimmen und sich überzeugen muss,
dass es keine zu bedeutende Grösse erreicht. Setzen
wir z. B. m = 0,i> und i = 40, so finden wir daraus
n=:0,i; hieraus geht hervor, dass, wenn von der Ma-
schine ein hoher Gleichformigkeitsgrad auch bei sehr
grossen Veränderungen ihrer Arbeit verlangt wird, die
Schwingungen des Regulators nicht bedeutend sind.
Nachdem wir n auf diese Weise bestimmt haben,
erhalten wir di-ei Gleichungen (1), (2) und (3) und die
Bedingung (5), denen man vermittelst der dann vor-
kommenden Grössen
X, A, 7", s, q^ S
genügen muss.
Da die Bedingung (5) stets durch passende Wahl
von S erfüllt werden kann, so bleibt nur noch übrig,
die Gleichungen (1), (2) und (3) dumh die Werthe der
übrigen fünf Grössen zu erfüllen, von welchen folglich
zwei mit Rücksicht auf die Bequemlichkeit der Con-
struction und Wirkung des Regulators gewählt, die
übrigen sodann aber aus den betrachteten Gleichungen
gefunden werden können. Gewöhnlich wird es am be-
quemsten sein, h und z anzunehmen, d. h. die Höhe
des Regulators und das Verhältniss des Hülsengewichtes
zu seinem Gesammtgewicht, und die Grössen
q, r, Z
aus den Gleichungen (1), (2), (3) zu bestimmen, von
denen die erste die Uebersetzung von der Hauptachse
der Maschine auf die Regulatorachse, die zweite das Ge-
sammtgewicht des Regulators angiebt; die Grösse L
muss bei Construction der Transmission von der Regu-
latorhülse zum regulirenden Stellzeug in Betracht ge-
zogen werden.
Die obigen Gleichungen bestimmen den Winkel
der Beguktorstangen mit der Achse gar nicht, es kann
also die Grösse desselben nach der Bequemlichkeit der
Construction bemessen werden; gewöhnlich beträgt
dieser Winkel 30—40 Grad.
Die dargelegten Untersuchungen fuhren zu einigen
Resultaten, welche eine gewisse Bedeutung sowohl für
die Theorie der Regulatoren als auch für ihre prak-
tische Anwendung haben; die hervorragendsten dieser
Resultate bestehen in Folgendem:
1) Es wächst bei allen Regulatoren mit Verlauf
der Zeit die Amplitude der Schwingungen, in die sie
in Folge der Störung des Gleichgewichtes zwischen der
bewegenden Kraft und dem Widerstände der Maschine
gerathen; die Anwendung eines Kataraktes ist ein sehr
wirksames Mittel zur Beschränkung dieser Schwingungen,
welches dabei weder auf den Empündlichkeitsgrad des
Regulators noch auf den Gleichförmigkeitsgrad der
Maschine schädlich wirkt, so dass der Katarakt einen
integrirenden Bestandtheil eines empfind-
lichen und gut arbeitenden directwirkenden
Regulators bildet.
2) Die Amplitude der Schwingungen der astati-
schen Regulatoren (für welche die nach wachsenden
Potenzen der Entfernung zwischen verschiedenen Lagen
der Regulatorhülse entwickelte Differenz zwischen den
diesen Lagen entsprechenden Gleichgewichtsgeschwin-
digkeiten keine Glieder erster Ordnung enthält) kann
durch keinerlei Katarakt begrenzt werden, so stark
letzterer auch sein mag, und daher können asta-
tische Regulatoren selbst mit einem Katarakt
nicht angewandt werden.
3) Der durch einen Regulator bedingte Gleichfor-
migkeitsgrad hängt wesentlich von den Veränderungen
ab, welche in dem von der Maschine überwundenen
Widerstände stattfinden können ; die ausgeführte Theorie
giebt diese Abhängigkeit an, und diese muss bei der
Construction eines Regulators in Betracht gezogen wer-
den, wenn dieser nicht seinen Zweck vollständig ver-
fehlen soll.
4) Auf die Wirkung des Regulators üben diejenigen
Grössen einen wesentlichen Einfluss aus, welche in der
Theorie Beweglichkeitsgrad, Energie und Sta-
bilität des Regulators genannt wurden; diese Grössen
sind durch die Construction des Regulators, des regu-
lirenden Stellzeuges und der zwischen denselben be-
stehenden Transmission bedingt: mit Hülfe dieser Grössen
kann sowohl die Wirkung eines schon gebauten Regu-
latoi's beurtheilt, als auch die Construction einies Re-
gulators bestimmt werden, der gewissen, im Voraus
gegebenen Bedingungen entsprechen soll.
Versuche über Leistnng und Arbeitsverbrauch der in der Kammgarnfabrikation
angewendeten Maschinen.
Von
Dr. Hartlg in Dresden.
(Hierzu Tafel V.)
(Fortsetzung.)
Nachdrack verboten.
II. Maschinen sur Bandbildung (Krempeln.
5) Krempel vmt Taylor Wordsworth Sc Co. ui Leeds,
Diese Krempel ist zur Bearbeitung grober Wollen
bestimmt (CC, grobe wallachische Wolle). Wie die
Durchschnittsskizze Fig. 1, Tafel V, erkennen lässt,
enthält dieselbe ausser dem Lattentuch a ein Speise-
walzenpaar 6, eine Klettenwalze c mit Messerwalze d^
einen Tambour e mit 4 Arbeitern f und 4 Wendern ey.
einen Volant A, einen Peigneur i mit Hacker Ä, hinter
welchem das abgelöste Vliess mittels Trichter zu einem
Band zusammengefasst wird; durch ein (in der Zeich-
nung nicht dargestelltes) Abzugswalzenpaar wird das-
selbe einem Wickelapparate gewöhnlicher Construction
zugeführt. Arbeitsbreite 1,43", Breite im Beschläge
1,515'". Durchmesser der Antriebscheibe 2):= 660"'",
Breite derselben & = 150"", Höhe über dem Fussboden
A = 960"". Dicke der Tambourzapfen 50"". Länge
der Wickel 500"".
Die Dimensionen und Geschwindigkeiten der wirk-
samen Theile sind aus folgender Tabelle zu ersehen.
Bezeichnung der
wirksamen Theile.
Durchmesser.
Millim.
Minutliche Tourenzahl ' Umfangsweg
allgemein i P'^ ^'
(u - -. m. Tourenzahl des Tambours.) ^^' **« ^ ^^' ^*"*""
Speisewalzen
Klettenwalze
Messerwalze
Tambour
Arbeiter
Wender .
Volant .
Peigneur
Abzugswalzen .
93
303
106
1305
186
137
338
624
88
169 16 16
302 100 104 ^ ' *
169
302 *^' ' ' ' * =0,558. Wj
393
u.
91
148 24 25
450 192 10
852
248
582
146
148
450
148 24
450 27
. . . =4,32.Wi
«1
.Wj =0,108.11,
. M, . =3,442.11,
. tl, . . . . =5,85.«,
. I«i . . . . =0,320.11,
.1«, . . =0,292.1«,
8,58
55,8
432
100
10,3
344
585
32,9
29,2
6,67
885,3
2375
6833
100,3
2468
10353
1075
134,5
135
H artig, Versuche über Leistung und Arbeitsverbrauch
136
Der Verzug zwischen Speisewalzeu und Abzugs-
walzen beträgt hiernach 134,5:6,67 = 20,2. Von dem
fertigen Band wogen 10" 235 «; unter der Voraussetzung,
dass zwischen Abzugswalzen und Wickelwalzen kein
merklicher Verzug stattfindet, berechnet sich hiernach
die stündliche Lieferung dieser Krempel zu
Z = 0,1345 . 60 . 60 . 0,0235 = 11,38 ^^,
Die effeotive Lieferung beträgt im grossen Durch-
schnitt 9,06^« pro Stunde, daher der Coefficieut des
normalen Arbeitsganges
/= 0,796.
Rechnet man den Verlust an kurzen Fasern und
Futter zu 4 Procent, so ergiebt sich das Grewicht des
zugefühi-ten Vliesses
r- 1 m T •• 0,0235 . 20,2 ^ u« j
fiir 1"" Lauge = ^ =0,494^^8 und
U,96
für 1 LJ '" Speisewalzenoberfiäche =
0,494
1,43
= 0,345'^.
Von den an dieser Krempel zur Ausftihrung ge-
brachten 6 Vei-suchen bezogen sich Nr. 1 — 3 auf den
Arbeitsgang, Nr. 4 — 6 auf den Leergang. Die nach-
folgende Tabelle zeigt die Ergebnisse.
Krempel von Taylor Wordsworth & Co.
Nummer
des
Mi
am
nutliche Tourenz.
der
ahl
der
Mittlere
Federspannung
1
Widerstand
am Halbm.
1"' der An-
Arbeitsverbrauch für die normale
Tourenzahl der Antriebwelle
{n^ =100 pro Minute)
Versuchs.
Dynamometer
u.
Antriebwelle,
berechnet
tt, — 0,606 . M.
Antriebwelle,
beobachtet.
in Kllogr.
S.
triebwelle
<P = 0,0375 . S.
Sec.-Met-KU.
Ä =- 10,47 . *.
Pferdestärken
■" 75'
1
167
101,2
101
(C, h) 178
6,C75
69,89
0,032
2
166
100,6
102
182,5 ;
6,844
71,66
0,955
3
166
100,6
101
183
6,863
71,86
0,958
4
160
96,9
101
137,5
5,156
53,98
0,720
5 1
1
166
100,6
102
144
5,400
56,54
0,754
6 i
1
166
100,6
102
137,5
•
5,156
53,98
0,720
Es ergiebt sich sonach der Arbeitsverbrauch dieser
Krempel
im Leergange JVo=0,73i Pferdest.,
im Arbeitsgange N =0,948 „
daher der Wirkungsgrad
fi = 0,229
und die Liefei-ung pro Stunde und Pferdestärke
0,948 ' '
der Raumbedarf dieser Krempel beträgt 2.4 = 8Q]"'.
6) Krefnpel von Andr/ Köchlin Sc Co. in MühlJuimen.
(Elsässische Maschinenbaugesellschaft.)
Die Anordnuug dieser Krempel ist aus Fig. 2,
Tafel V, zu ersehen. Von dem Lattentuch a gelangt
die gewaschene und getrocknete Wolle zwischen die
Speisewalzen 6, deren obere durch eine besondere
Putzwalze stetig gereinigt wird (bei der unteren voll-
zieht sich die Reinigung durch die Klettenwalze und
Wirkung der Schwere); Klettenwalze c bewirkt im
Verein mit der Messerwalze d die Ausscheidung etwa
vorhandener harter Kletten, zu deren Aufnahme eine
Mulde e vorhanden ist; zwei Vorwalzen / und ^, von
denen die langsam laufende g die zwischen e und /
herabfallende Wolle auffängt, übertragen die Wolle
auf den Tambour ä. Zahl der Arbeiter und der
Wender je 6; die übrige Einrichtung wie bei den an-
dern Krempeln auf Taf. V. Arbeitsbreite l,i3". Durch-
messer der Antriebscheibe i) = 596"'", Breite derselben
6 = 130""", Höhe über dem Fussboden A = l,oi"».
Die hauptsächlichsten übrigen Dimensionen und
die Geschwindigkeiten der arbeitenden Theile ergeben
sich aus nachstehender Tabelle.
Hieraus folgt der Verzug zwischen Speisewalzen
und Abzugswalzen .s = 282:4,91 =57,4.
Die Krempel verarbeitete feine AA-WoUe ; von dem
während der Versuche erhaltenen Band wogen 10"
65''; es kann daher die stündliche Lieferung zu
L = 0,282 . 60 . 60 . 0,065 = 6,60 *^ß
angenommen werden. Die effective Lieferung beträgt
nach Angabe des Herrn Director Wolf im Durchschnitt
5,67 ^^, so dass der Coefficient für den normalen Arbeits-
gang zu
/= 0,859
anzusetzen ist.
Unter Annahme eines Krempelabfalls von 4 Pro-
cent berechnet sich das Gewicht des zugefuhrten Vliesses
137
der io der Katiimgamfabrikation angewendeten' Maschinen.
138
Bezeichnung.
Durchmesser.
Millim.
Minutliche Tourenzahl
allgemein.
fftr «j — 104.
ümfangsweg
pro See
Millim.
Speisewalzen . . .
68
144 20 24
378 140 98 ^ ' *
1,38
4,91
Klettenwalze . . .
316
144
378 • «1 • • = ^'381 . «1
39,6
65,1
Messerwalze . . .
92
780 90 ^
200 '80'"^ • • ^^^***^
457
2201
Obere Vorwalze . .
312
780 230
-^A7r-~;:7r^ • "• . — 1,99.«.
300 300 * ' *
207
3382
Untere ^ . .
312
144 25
378-65"^ • • ^''*'"»
15,3
250
Tambour ....
1170
«1
104
6371
Arbeiter ....
200
35 35
140 •45-'*» • • -0,194.«,
20,2
212
Wender
100
780
2^^.«, . . . 3,90.«,
406
2126
Volant
330
780
170 •**!•• =4^59.«j
477
8241
Peigneur ....
620
35 38
110- 160-"' • -^'^^^^-^
7,86
256
Hackerscheibe . . .
780 360
- - -- . ■ ^- . «1 . — 6,24 . «1
300 150 * ' *
649
Abzngswalzen . . .
110
35 38 98
110-36-7b"'- ^'^^'"^
48,9
282
fiir 1™ Länge zu -—^:t^-'= 0,389^«,
0,96
fcr !□" Speisewalzenoberfläche zu
0,389
1,13
= 0,344 K
Von den zur Ausführung gebrachten 7 Versuchen,
deren Resultate in folgender Tabelle enthalten sind,
bezogen sich Nr. 3 — 5 auf den Leergang, die übrigen
auf normalen Arbeitsgang.
Krempel von A. Köchlin & Co., Mühlhausen.
Minutliche Tourenzahl
Kummer
Versuchs.
am
Dynamometer
u.
der
Antriebwelle,
berechnet
u, =«0,671.«.
der
Trommel,
beobachtet.
!
Mittlere
Federspannung
in Kilogr.
S.
Widerstand
am Halbm.
1™ der An-
triebwelle
* = 0,0366. fif.
Arbeitsverbrauch für die normale
Tonrenzahl der Antriebwelle
(«, = 104 pro Min.)
Pferdestarken
A
Sec.-Met-Kü.
^ = 10,9.*.
N>
76
1
2
3
4
5
6
7
153
155,5
153,5
154
153,6
153
152
102,7
104,3
103
103,3
103
102.7
102
103
104,5
103
103,5
103,5
103
103
(a a) 190
181
123,5
130
143,5
185
186
6,745
6,426
4,384
4,615
5,094
6,568
6,603
73,5
70,04
47,79
50,30
55,52
71,59
71,97
0,980
0,934
2,637
0,671
0,740
0,965
0,960
Es stellt sich sonach der Arbeitsverbrauch
im Leergange zu ^q = 0,683 Pferdest.,
im Arbeitsgange zu N =0,957 „
der Wirkungsgrad dieser Krempel folgt hieraus
|K =0,286.
Die Lieferung pro Stunde und Pferdestärke er-
giebt sich zu
6,60 i.
A=-e- =6,90^».
0,957 '
Baumbedarf dieser Krempel = 3,8 . 1,9 = 7,22 □ ".
139
Hart ig, Versuche über Leistung uud Arbeitsverbrauch
140
7. Krempel mit Avant-Train von Nae. Sehlumherger ^ Co,
m OuebwiUer.
Die Anordnung dieser Krempel ist in Fig. 3, Taf. V,
veranschaulicht. Von dem Speisetuche a gelangt die
Wolle durch die Speisewalzen b zunächst an die Kletten-
walze c, von deren Umfang die etwa vorhandenen halten
Kletten durch die Messerwalze d abgeschlagen und
nach der Mulde e befördert werden; die Ueberführung
nach dem kleinen Tambour /' erfolgt durch den ersten
Wender; dieser Tambour mit den darüber befindlichen
3 Arbeitern und 3 Wendern bilden den Avant-Train;
die Uebertragwalze g befördert die Wolle nach dem
grossen Tambour ä, mit welchem 4 Arbeiter und 4
Wender zusammenarbeiten; Volant i schiebt die WoU-
haare an die Spitzen der Beschlagzähne; auf dem Um-
fange des Peigneurs k erfolgt die regelmässige Anstauung
des Materials zu der für ein freitragendes Vliess erfor-
derlichen Dichte, Hacker l löst das Vliess ab, Trichter
m fasst dasselbe zu einem Band zusammen, dessen
Weiterbeförderung durch die Wickelwalzen n nach dem
Wickelapparat o erfolgt.
Die Arbeitsbreite dieser Krempel beträgt 1,106"*;
der Durchmesser der Antriebscheibe 2) = 550"'% Breite
derselben fc=100'""', Höhe über dem Fussboden A =
890™'". Die wirksamen Theile haben die in nachfol-
gender Tabelle zusammengestellten Durchmesser und
Geschwindigkeiten.
Bezeichnung.
Speisewalzeii .
Kletteuwalze .
Messerwalze .
Vortrommel .
Arbeiter .
1. Wender
2. und 3. Wender
Uebertragwalze
Haupttrommel
Arbeiter . .
Wender . .
Volant . . .
Peigneur . .
Abzugswalzen
Der totale Verzug
iDurchmesser.
Millim.
Minutliche Tourenzahl,
allgemein.
für u, -115.
Umfangsweg
pro See.
Millim.
60
310
100
608
189
124
124
450
1220
218
124
358
620
112
400 22 31 18
600 '50 110 ' 120
400 31
600 50 '
400 450 340
600 ' 170 ' 80
400
«, . . .
. Wi
u.
. u.
600
400 31 24
600 • 140 * 24 • '*'
400 450
600 ' 150
400 450
600 230
5^0
320 ''' '
35 22
150 37
805
230 *
805
130 • "^
31 40
w,
. Wi
. Wj =:0,0124.M|
= 0,413.«!
= 7,50 . Ui
= 0,667. «j
= 0,148.1*1
= 2,00. Uj
= 1,:jo . «1
= 1,72. M,
100 ' 178 ^ '
31 40 178 105
lÖO * 178 • 44 • 70
u.
= 0,139.1*4
= 3,50 . Wj
= 6,19. «1
= 0,069 7. M|
. Wj = 0,42H . ttj
1,43
47,5
863
76,7
17,0
230
150
198
115
16,0
403
712
8,02
48,6
4,49
771
4519
2442
189
1493
974
4665
7346
183
2687
13346
260
»
285
zwischen Speisewalzen und Ab- liehe Lieferung bei nicht unterbrochenem Grange
sich zu
X = 0,286 . 60 . 60 . 0,065 = 6,68 ^K
berechnet.
Von dem während der Versuche gelieferten Band Nach einein grösseren Durchschnitt wurde die Lie^
(Wollsorte AA) wogen 10"* 65«, so dass die stund- ! ferung pro Stunde der ganzen Arbeitszeit zu 5,74^
zugswalzen berechnet sich hieraus zu
#=^286:4,49 = 63,5.
141
der in der Kaiuingarufiabrikation angewendeten Maschinen.
142
beobachtet, daher sich der Coefficient des normalen
Arbeitsganges zu
/= 0,859
ergiebt.
Unter Annahme eines Gewichtsverlustes von 4 Pro-
cent ergiebt sich das Gewicht des zugefuhrten WoU-
vliesses
^. ^ , .. 0,0065.63,5 ,, .
für 1'» Lange = * v^ — -- = 0,isoK
^ 0,96
für in™ Lattentuchfläche = ?-^^ =0,380»^^'.
^ 1,106
Von den an dieser Krempel durchgeführten 9 Ver-
suchen bezogen sich Nr. 4 — 6 auf den Leergang, die
übrigen auf den Arbeitsgang; die Ergebnisse sind in
folgender Tabelle enthalten.
12. Krempel von Nas. Schlumberger & Co., Guebwiller.
Nummer
des
Versnchs.
Miniitliche Tourenzahl ,
1
Mittlere
Widerstand
» _. TT »IL
Arbeitsverbrauch für die normale
Tourenzahl der Antriebwelle
Am
der
des grossen
Federspannung
am Halbm.
1"* der An-
(u, — 115 pro Min.)
Dynamometer
tt.
Antriebwelle, '
berechnet
t*,— 0,727. t«. ,
Tambours,
beobachtet.
in Kilogr.
S.
triebwelle
4> = 0,0312.5.
Sec..Met..Kü. , ^«'dest&rken
^«12,0.*. : -^—75--
159
115,6
116
(C, b) 183
5,710
68,50
0,914
158
114,9
114
180
5,616
67,:i9 i 0,899
159,5
115,9
115,5
176
5,491
65,89
0,879
158,5
115,2
116
140
4,368
52,42
0,699
158
114,9
116
136
4,243
50,92
0,679
159
115,6
115,5
144
4,493
53,92
0,719
158,5
115,2
115
167
5,210
62,52
0,834
160
116,8
115
168
5,242
62,90
0,839
159,5
115,9
115,5
176
5,491
65,89
0,879
1
2
3
4
,5
6
7
8
9
Hiernach berechnen sich die folgenden Mittelwerthe :
Arbeitsverbrauch der Schi um berger 'sehen Krempel
für den Leergang -y„ = 0,699 Pferdest.,
„ „ Arbeitsgang N =0,874 „
Wirkungsgrad der Ki*empel fi = 0,200.
Lieferung pro Stunde und Pferdestärke
6,68
0,874
Raumbedarf = 1,6 . 5 = 8 □
= 7,46^»?.
ro
8) Krefnpel mit Avant- Train von R. Hart mann in Chemnitz
(Sächsische Maschinenfabrik).
Diese Krempel hat, wie Fig. 4, Tafel V, erkennen
lässt, grosse Aehnlichkeit mit der Schlumberger'-
schen Krempel; nur fehlt an der oberen Speisewalze 6
die Putzwalze und ist die Messerwalze zur Abstreifung
der Kletten durch ein feststehendes Messer d ersetzt;
auch sind die 7 Systeme der Arbeits- und Wendewalzen
andei*s vertheilt: 2 finden sich an der Vortrommel e,
5 an der Haupttrommel f.
Die Arbeitsbreite ist 1,02*", die Breite im Beschläge
1,09'°. Durchmesser der Antriebscheibe Z) = 468""",
Breite dei*selben fe = 70'"'", Höhe über dem Fussboden
Ä = 850'""'.
Die Krempel dient zur Bearbeitung von B- Wolle;
von dem während der Versuche erzeugten Band wogen
10'" 90 k.
Die Durchmesser und Geschwindigkeiten der wirk-
samen Theile sind in der nachfolgenden Tabelle ent-
halten :
Bezeichnung.
Durchmesser. ;
MiUim.
Minutliche Umdrehungszahl
allgemein.
für M, = 100.
Umfangsweg
pro See.
Mülim.
Speisewalzen .
Klettenwalze
Vortronunel
88
202
525
904
711
36
102
30 15
•35 68*
16
144
.il^ = 0,0094 ;i . Ui
0,943
4
904
711 •
36
102
30
•35"»
• •
— 0,384(5 . Uy
38,5
407
904
711 •
36
102"
. ti]
• •
. = 0,4487 . Mj
•
44,9
1234
143
Hart ig, Versuche ttber Leistung und Arbeitsverbrauch der Maschinen in der Kammgarnfabrikation.
144
Bezeichnung.
Durchmesser.
Millim.
Bfinutliche Umdrehungszahl
allgemein.
für u, = 100.
Umfangsweg
pro See
Millim.
Arbeiter ders.
Wender ders.
Uebertragwalze
Tambour
Arbeiter
Wender . .
Volant . .
Peigneur
AbzugRwalzen
182
95
203
1040
182
95
319
510
93,7
• •
= 0,0859 . Mj
28 21 31
104 102 ^O*"* *
1918
■SÖÖT**^ =3,80.«,
904 36 1280
.Wi
711 102 '284 ^
28 21 31
u,
= 2,023 . «4
. . . Wi
= 0,0859 . «1
104 * 102 • 20 ■ ''^
1918
^5-"^ =^'''"^
1918
346-"» • •
28 22
102 * 102 • **'
28 22 102
• •
102 ' 102 ' 17
. w,
= 5,54 . W,
= 0,0592 . «1
= 0,355 . W,
8,59
380
202
100
8,59
380
554
6,58
35,5
82,0
1890
2147
5445
82,0
1890
9253
213,6
174
Der totale Verzug zwischen Speisewalzen und Ab-
zugswalzeii ergiebt sich daher für diese Ki*empel zu
s = 174 : 4,35 = 40,0.
Die berechnete stündliche Lieferung beträgt
Z = 0,1 74 . 60 . 60 . 0,009 = 5,65 k«.
Beobachtet wurde als effective stündliche Leistung
4,65 ^K, daher der Coefficient des normalen Arbeitsganges
/=;= 0,823.
Das Gewicht des zugefuhrten Vliesses — unter
Voraussetzung von 4 Procent Abfall — berechnet sich
0,009 . 40,0
für 1"' Länge =
für 1
0,96
Speisewalzenoberfläche =
= 0,375 ^^
0,375
1,02
= 0,868^.
Von den zur Ausführung gebrachten 6 Versuchen
bezogen sich Nr. 1 — 3 auf den Arbeitsgang, Nr. 4 — 6
auf den Leergang der Maschine. Die Resultate sind
in nachfolgender Tabelle zusammengestellt.
Krempel von
Rieh. Hartmann.
•
Minutliche Tourenzahl
Mittlere
Widerstand
Arbeitsverbrauch für die normale
Tourenzahl der Antriebwelle
Nummer
des
am
der Haupttrommel
Federspannung
am Halbm.
1™ der An-
(Uj =» 100 pro Min.)
1
Versuchs.
Dynamometer
in Kilogr.
triebwelle
Sec..Met..Kil. ^^^^^^
u.
w, a=: 0,855. u.
beobachtet.
S.
* — 0,0279. iS.
^-10,47.*. N-^ f-,
76
1
118
100,9
101
(C, a) 211
5,887
61,64 1 0,882
2
117,5
100,5
100
214
5,971
62,62
0,834
3
118
100,9
101
208
5,803
60,76
0,810
4
118,5
101,3
102
188
5,245
54,92 I 0,782
5
119
101,7
102
193,5
i 5,399
56,53 0,764
6
119,5
102,2
103
185,5
5,175
54,18
1
0,722
Es erfordert hiernach die Hartmann'sche Krempel
eine Betriebsarbeit von
Nq = 0,786 PS im Leergange,
N =0,822 „ „ Arbeitsgange,
woraus sich der Wirkungsgrad zu
ft = 0,104
berechnet und die Lieferung pro Stunde und Pferdestärke zu
5,65
0,822
= 6,87*8.
Der Raumbedarf dieser Krempel beträgt 4,28 . 1,60 =
6,77 □".
Zur Vermittlung einer bequemeren Uebersicht und
zur Vergleichung der gewoAnenen Resultate wird die
nachfolgende Zusammenstellung mit Vortheil zu be-
nutzen sein:
145
Lud icke, Die Mechanismeu zur Erhaltung der Spannung am mechanischen Webstuhl.
146
T. Words-
worth.
A. Köchlin.
N. Schlum-
berger.
R. Hart-
mann.
Arbeitsbreite, Meter
Umfan^weg des Tambours, Meter pro Secunde
Anzahl der Arbeiter und der Wender . . .
Verzug zwischen Speisewalze und Abzugswalze
Auflage pro iQ™ Speisewalzenoberfläche, Kg
Lieferung pro Stunde, Kg
Effective stündliche Lieferung, Kg. . .
Coef^cient des normalen Arbeitsganges .
Arbeitsverbrauch im Leergange, Pferdest.
do. im Arbeitsgange, Pferdest
Wirkungsgrad
Lieferung pro Pferdestärke und Stunde, Kg
1,43
6,83
4
20,2
0,345
11,38
9,06
0,796
0,731
0,948
0,229
12,0
(Fortsetzung fols^t.)
1,13
6,37
6
57,4
0,344
6,60
5,67
0,855
0,683
0,957
0,286
6,90
1,105
7,35
7
63,5
0,380
6,68
5,74
0,859
0,699
0,874
0,200
7,64
1,02
5,45
7
40,0
0,342
5,65
4,65
0,823
0,736
0,822
0,104
6,87
Die Mechanismen zur Erhaltung der Spannung und zur Längsbewegung der
Kette am mechanischen Webstuhl.
Von
Privatdocent A. LficUcke in München.
(Aus des Verfassers Habilitationsschrift.)
(Hierzu Tafel VI.)
Die gleichmässige Beschaffenheit der geradladigen
Gewebe nach Ansehen und Griff wird bedingt 1) durch
die Gleichförmigkeit des zu Kette und Schuss gewählten
Materials; 2) durch die gleichmässige Vertheilung des-
selben; 3) durch die Formänderung, welche die Schuss-
und Kettenfäden in Folge ihrer gegenseitigen Ver-
schränkung erfahren.
Durch nachfolgende Betrachtung, für welche gleich-
förmige Beschaffenheit des Materials vorausgesetzt wird,
sollen die Mittel untersucht werden, durch welche die
Erfüllung der zweiten Bedingung gelingt.
Die gleichmässige Anordnung der Kettenfäden über
die ganze Gewebebreite wird durch die regelmässige
Vertheilung derselben im Blatt und durch den gleich-
massigen Stand der Rietzähne in Verbindung mit gleich-
massiger Anspannung aller Kettenfäden erreicht.
Die für das Gewebe nöthige Kettenspannung ist
ferner für den ganzen Verlauf des Webens zu erhalten,
wenn nicht in der fertigen Waare Ungleichförmigkeiten,
dichtere und dünnere Stellen oder Verdichtung, bezie-
Civilfoffeniear XXIII.
hentlich Verdünnung des Gewebes gegen das Ende hin
eintreten soll.
Die Erhaltung der gleichmässigen Spannung ist
durch die zur Aufnahme der Kette und des fertigen
Gewebes dienenden Organe, Ketten- oder Garnbaum
und Zeug- oder Waarenbaum, herbeizuführen.
Figur 27 auf Tafel VI soll dazu dienen, die Be-
dingungen, welche die Mechanismen beider Organe zu
erfüllen haben, näher zu erläutern und daraus die Me-
chanismen selbst abzuleiten. Die Spannung werde der
Kette ertheilt durch Rückwärtsdrehung des Ketten-
baumes K um einen Winkel a, während der Zeugbaum
unverrückbar festgehalten wird. Mit der Ausdehnung
der Fäden von der Länge l um r,a entsteht aber eine
Spannung
F.r,a
T=
E
fl)
Hierin ist F = Summe aller Fadenquerschnitte
und E der Elasticitätsmodul des Kettenmateriales.
Die Spannung T ruft ein Drehmoment T.r hervor,
10
147
Lüdicke, Die Mechanismen zur ü^haltnug der Spannung
148
welches, soll nach der Drehung des Kettenbaumes um
den Winkel « Gleichgewicht eintreten, nur duixjh ein
zweites T^ )\ von gleicher Grösse und entgegengesetzter
Drehrichtung aufgehoben werden kann.
Tr=2\,r, (2)
Die Kraft T sucht aber auch den Zeugbaum rück-
wärts zu drehen und ist hier eine Kraft T^ am Hebels-
arme ^2 anzubringen, um dies zu verhindern, so dass
Tr,= T,r, (3)
und somit
r r
(4)
T soll nun der Bedingung nach immer constant
gehalten werden; r und r^ sind der Construction nach
meist variabel; demnach müssen entweder T^ und T.^
oder r^ und r^,, oder alle vier Grössen variabel sein,
wenn Gleichung (4) bestehen soll.
Durch die Bildung der Drehmomente entstehen
noch Einzelkräfte; dieselben sind jedoch, da sie von
den Zapfen an Z und K und dem Gestell aufgenommen
werden, ohne Einiluss auf die Bewegungsverhältnisse,
wenn von der durch sie entstehenden Zapfenreibung
abgesehen wird. Die ganze Anordnung von Ketten-
und Zeugbaum, die zwischen beiden die Verbindung
herstellenden Gestelltheile und die Kette, bilden , wie
aus Obigem ersichtlich, eine kraftschlüssige kinematische
Kette.
Hat man aber dies ei*st erkannt, so lässt sich eine
getrennte Behandlung der Mechanismen am Gani- und
Zeugbaum ziu* Erhaltung der Spannung, wie das bisher
üblich, nicht mehr rechtfertigen ; beide sind untrennbar
von einander; die Construction des Einen bedingt die
des Anderen. Es soll nun in der Folge der Versuch
gemacht werden, durch Variirung der Werthe Tj, rj,
Tjj und r^ die am häufigsten Verwendung findenden
Mechanismen entstehen zu lassen; der Grad der Ge-
nauigkeit, mit welchem die in den Gleichungen ausge-
sprochenen Bedingungen damit eifüUt werden, dient
dann zu ihrer Beurtheilung.
Einige Bemerkungen sind aber noch voraus zu
schicken. Die Kette erfährt, analog der Eintragung
des Schusses, eine periodische Vorwärtsbewegung; die-
selbe kann der Natur der Fäden gemäss nur durch Zug,
also nur vom vorderen Theile des Stuhles aus erfolgen.
Die Kraft, -welche zur Ausführung dieser Schaltbewe-
gung nöthig ist, wird immer, direct oder indirect, von
der Betriebskraft des Stuhles entnommen.
Vergrössern wir T^, z. B. um T^', lassen aber
alles andere unverändert, so wird das Gleichgewicht
gestört, denn es ist
I
und es tritt Drehung von Z und Vorwärtsziehen der
Kette ein. Dies giebt den Weg an, auf welchem die
Schaltung herbeizuführen ist. Die Grösse derselben ist
abhängig von dem Wege, auf welchem T^ wirkt.
Der Zeugbaum erfährt also zur Ausfuhrung der
Schaltbewegung eine periodische Vorwärtsdrehung, er
ist aber an Rückdrehung während des Arbeitsganges
absolut zu verhindern. Es müssen Mechanismen vor-
handen sein, welche das Drehmoment T.r^ sowohl wäh-
rend der Schaltung, als während der darauf folgenden
Ruhepause aufnehmen und ferner solche, die die Schal-
tung ausführen. Dazu eignen sich am besten Sperrrad
und Sperrkegel oder selbstsperrendes Schneckenrad-
getriebe.
Für die Auswahl der Mechanismen zur Aufnahme
des Drehmomentes Tr am Kettenbaume sind aber zwei
Fälle zu unterscheiden.
1) Es folgt der Garnbaum jeder vom vorderen
Webstuhltheile aus eingeleiteten Schaltbewegung: Dann
müssen die Mechanismen so angeordnet sein, dass sie
bei Erfüllung der Gleichung (2) Bewegung von K zu-
lassen.
2) Die Grösse der Schaltbewegung wiid vom Gam-
baum aus bestimmt: Die Mechanismen haben dies aus-
zufuhren, gleichzeitig aber auch das Drehmoment Tr
aufzunehmen. Es würden sich dazu die, schon am
Zeugbaume verwendeten, Sperrkegel und Sperrrad und
Schneckenradgetriebe eignen.
Als das einfachste VerfeJiren zur gleichförmigen
Vertheilung des Einschusses erscheint nach diesen vor-
gängigen Betrachtungen: Die Kette für jeden Schuss
um eine bestimmte, gleichbleibende Länge vorzurücken.
Dann bieten sich zur Bestimmung der Grösse der Schal-
tung zwei Wege dar; dieselbe kann geschehen 1) vom
Zeugbaume aus, 2) vom Garnbaume aus.
1) tSchaUhewegung bestimmt vom Zeughaunut aue.
Hier sind wieder zwei Fälle zu unterscheiden:
a) es erfolgt Aufwindung beim Rückgange, oder b)
beim Vorgange der Lade. Das letztere ist dann vor-
zuziehen, wenn ein dichtes Anlegen der Schussfaden an
einander erforderlich, weil dadurch der heftige Laden-
schlag gemildert, Kette und Einschuss geschont wird.
Die für beide Fälle angewendeten Mechanismen, welche
den Namen „positive Aufwinderegulatoren'' führen, sind
in Figur 1 — 4 schematisch dargestellt. In allen Figuren
sind gleiche Functionen verrichtende Theile mit gleichen
Buchstaben bezeichnet; £" bedeutet, wie früher, Ketten-
149
und zur Längsbewegung der Kette am mechanischen Webstuhl.
150
bäum, Z Zeugbaum, 8 einen Sandbaum. Die Bewegung
des Zeugbaumes wird in den Figuren 1 und 2 von der
mit einem Stifte versehenen Ladenschwinge l abgeleitet;
der Stift fuhrt sich in einem Schlitze des ein- oder
zweiarmigen Hebels c und ertheilt diesem somit eine
schwingende Bewegung um einen am Gestell befindlichen
Drehpunkt. An c sitzt ein Sperrhaken oder Sperrkegel
6, welcher an dessen Bewegung Theil nimmt, sie auf
das Sperrrad und, durch Stirnradvorgelege entsprechend
verlangsamt, auf den Zeugbaum überträgt. Der Sperr-
haken a, drehbar um die Achse von c, oder um einen
anderen am Gestell angebrachten Drehbolzen, verhftidert
Rückdrehung des Zeugbaumes, dient also hier zur Auf-
nahme des Drehmomentes Tr^ während der Ruhepause
nadi oder vor der Schaltung.
Nach Figur 1 erfolgt Aufwindung beim Laden-
rückgange, nach Figur 2 beim Ladenvorgange.
In beiden Fällen erfährt das Sperrrad und das
Stimradvorgelege für jeden Schuss eine constante
Winkeldrehung. Wird nun das Gewebe direct auf den
2ieugbaum aufgewickelt, so ist r^ variabel; es nimmt zu
von r^ bis r^'. Ist die constante Winkeldrehung des
Zeugbaumes = (/>, so ändert sich die Grösse der Schal-
tung von T^if bis r^'y). Die Folge davon ist, dass in
dem Maasse, wie r^ wächst, auch der Abstand der
Schussfädeu von einander zunimmt. Dies soll aber
nicht stattfinden und deshalb ist r^ ip constant zu machen.
Die Schaltung nach Figur 2 ist also nicht geeignet,
obige Bedingung streng zu erfüllen. Eine Annäheioing
an ein constantes r^ (p sucht man dadurch zu erreichen,
dass t'o, der Halbmesser des leeren Zeugbaumes, sehr
gross genommen wird, wodurch dann die Diflferenz zwi-
schen dem Halbmesser des vollen und leeren Baumes klein
ausfallt. Man erhält aber ^^ (p constant durch Anwen-
dung eines Sandbaumes S, Figur 1, bei welchem der
Halbmesser immer constant bleibt. Der Zeugbaum legt
sich mit seinem Umfange gegen S und wird durch
Reibung, die oft durch besondere Belastung von Z ver-
grössert wird, mitgenommen; er erfälirt demnach eine
proportional der Vergrösserung des Durchmessers ab-
nehmende Winkeldrehung. Die Zapfen des Zeugbaumes
sind in Schlitzlageni zu führen.
Eine Vereinfachung der in Fig. 1 und 2 darge-
stellten Mechanismen zeigen Fig. 3 (de Bergue) und
Fig. 4 (L. Schönherr). Hier vertritt die Schnecke
a b die Functionen der Sperrklinken a und b. Das mit
derselben im Eingriff stehende Schraubem-ad sitzt auf
der Achse des Sandbaumes und ertheilt demselben für
jeden Ladenschlag eine constante Winkeldrehung. Die
Schnecke ab erhält durch irgend einen schwingenden
Theil des Stuhles absetzende Drehung entweder beim
Ladenrück- oder Vorgange. So einfach die Einrichtung
(Fig. 3) erscheint, so selten wird sie angewendet, da sie
in constructiver Hinsicht einige Schwierigkeiten bietet.
(Starke Abnutzung, Schwierigkeit der Auswechslung«)
In Figur 4 ist der Antriebmechanismus mit ge-
zeichnet. Die Zugstange o erfährt von den zur Laden-
bewegung dienenden sogenannten Ladenwinkeln hin-
und hergehende Bewegung, die durch den Winkelhebel
w auf Zugstange o^ übertragen wird. Diese versetzt
eine auf der Schneckenwelle lose sitzende Scheibe x in
oscillirende Bewegung, an welcher der auf x drohbar
angebrachte Sperrhaken b Theil nimmt. Derselbe greift
in ein mit der Schnecke verbundenes Sperrrad ein und
ertheilt letzterem somit, wenn Oj nach oben geht, Dre-
hung, welche durch das Schneckenradgetriebe auf den
Sandbaum S übertragen wird. Die zweite Sperrklinke,
während des Arbeitsganges ausser Eingriff mit einem
zweiten Spern^ade, dessen Zähne entgegengesetzt denen
des ersten stehen, wird nur bei nöthig werdendem Rück-
wärtsarbeiten zum Eingriff gebracht. Sie besteht mit
der ersten aus einem Stück, so dass, wenn h durch die
in der Figur angedeutete Schnur y ausgelöst wird, die
zweite zum Eingriff kommt.
Die Figuren 1, 3 und 4 haben gezeigt, dass die
Bedingung, für jeden Ladenschlag eine gleich grosse
Schaltbewegung auszuführen, wohl zu erfüllen ist. Ver-
möge der Construction dieser Aufwindevorrichtungen
ist aber die Aufwindung selbst unabhängig von der
Kettenspannung ; Schwankungen derselben können höch-
stens Schwankungen des Betriebskraftverbrauches her-
beifuhren, nicht aber der Grösse der Schaltbewegung.
Die zweite Bedingung, Erhaltung der gleichen Spannung
für den ganzen Verlauf des Webens, ist demnach von
dem zweiten Organe zur Aufnahme der Kette, von dem
Kettenbaume, abhängig zu machen.
Hierbei ist zunächst zu berücksichtigen, dass der
Kettenbaum wegen der Verschräukung von Kette und
Schuss eine um einen kleinen Betrag grössere Länge
hergeben muss, als der Zeugbaum aufwindet. Wird
dies nicht beachtet, ist die abgewickelte Länge gleich
der aufgewickelten, so wird die Spannung vermöge des
Einwebens bei jedem Schuss wachsen und endlich Fa-
denbrüche veranlassen. Die Mechanismen am Gam-
baume müssen also zulassen: Abwickelung der Kette
für jeden Ladenschlag um die Grösse der Schaltbewe-
guug = s, vermehrt um den Betrag des Einwebens = a.
Der Gambaum muss demnach eine gewisse Nach-
giebigkeit besitzen; er muss der Längsbewegung der
Kette in dem erforderlichen Maasse folgen können,
ohne dadurch die in der Kette herrschende Spannung
zu verändern. Die angewendeten Mechanismen dürfen
10*
151
Lü dicke, Die Mechauismen zur Erhaltung der Spannung
152
deshalb die Beweguug zu keiner absolut constanteu
machen. Demnach werden Sperrkegel und Sperrrad
oder Schneckenradgetriebe nicht oder nur in sehr be-
schränktem Maasse anwendbar sein.
Um nun das durch die Kettenspannung T hervor-
gerufene Drehmoment Tr aufzunehmen und dabei doch
die nöthige Nachgiebigkeit zu erlangen , wendet man
Gewicht oder Reibung an, welche ein Moment = — T .r
hervorbringen.
Eine Anordnung erster Art zeigt Fig. 11. An
einem über das Ende des Garnbaumes geschlungenen
Seile hängt ein Gewicht g^ welches durch die Drehung
des Gambaumes gehoben wird. In den Fig. 12 — 15
wird durch directe oder indirecte Gewichtsbelastung
der um den Kettenbaum oder um besonders auf dem-
selben angebrachte sogenannte Bremsscheiben gelegten
Seile, Ketten oder Bremsbänder am Umfange Reibung
erzeugt, deren Moment = — Tr.
Das zu hebende Gewicht oder die Reibung bilden
den einen Factor des früher mit T^r^ bezeichneten
Momentes. Da
sein muss, worin der Bedingung nach T, der Construc-
tion nach r, constaut ist, so leuchtet sofort ein, dass,
da r immer kleiner wird, T^ im selben Verhältnisse
abnehmen muss.
In Fig. 11 wird T^ durch das Gewicht^ gebildet,
welches also continuirlich verringert werden müsste,
proportional der Abnahme der Garnbaumfüllung. In
der Praxis begnügt man sich aber, die Verringerung
des Gewichtes nur nach gewissen Zeiträumen vorzu-
nehmen, was, da diese Vorrichtung nur für leichte
Waare anwendbar, auch zulässig ist.
Wird Tj durch Reibung gebildet, so wird diese
erzeugt zwischen Seil und Garn bäum, oder Kette und
gusseiserner Bremsscheibe oder Stahlband und hölzerner
oder gusseiserner Bremsscheibe. Das eine Ende des
Seiles, der Kette oder des Bremsbandes ist am Gestell
befestigt, während das andere Ende durch Gewichte
oder Federn belastet wird.
Die Belastung geschieht entweder direct (Fig. 12
und 13), oder durch einen einarmigen Hebel (Fig. 14).
Das Moment der Reibung sei 3Ä = T, r, , und da
in diesem Falle r, der Halbmesser des leeren Garn-
baumes oder der Bremsscheibe, so ist
Vü?=7>,=^.r,(/"— l)=r.r . . (5)
worin g die Gewichtsbelastung des freien Endes, f der
Reibungscoefßcient und a der vom Seil umschlungene
Bogen für den Halbmesser 1 ist. Die Grössen f und
}\ sind constant, u kann als constaut angesehen wer-
den; dann muss, damit wieder die Gleichung
/«
(6)
rr=y.n(.'*-l)
besteht, g proportional r abnehmen.
Bei den in Fig. 12 und 13 skizzirten Anordnungen
wird dies näherungsweise durch Verminderung des Ge-
wichtes nach gewissen, nicht zu grossen Zeiträumen be-
wirkt.
Wollte man aber bei sehr dichten Stoffen das Ge-
wicht g direct an das freie Ende des Bremsbandes an-
hängen, so würde es sehr gi*oss sein müssen, was für
die Handhabung unbequem wäre. Man schaltet deshalb
einen einarmigen Hebel, sogenannten Bremshebel, ein,
befestigt in der Nähe des Drehpunktes das Seil und
hängt in grösserer Entfernung ein entsprechend klei-
neres Gewicht an , s. Fig. 28 , Taf. VI.
Sind die Hebelsarme L und ?, so muss folgende
Gleichung bestehen:
7'r = r,^. -J" (/«-!).
Hierin ist wiederum nur r und L variabel. E«
muss also L proportional mit r abnehmen. Auch dies
wird in der Praxis meist nur annäherungsweise erfüllt
durch zeitweiliges Hereinhängen des Gewichtes g am
Bremshebel, oder bei der in Fig. 15 gezeichneten An-
ordnung von Todd, bei welcher das Bremsband an
eine Feder des Winkelhebels tv angehangen ist, duixih
Drehung der Schraube.
Wir haben gesehen, dass für ein constantes T das
Moment der Reibung variabel sein muss. Dennoch,
verwendet man häufig bei sehr dichter Waare Vorrich-
tungen, welche ein constantes Reibungsmoment geben^
aber immer in Verbindung mit einer zweiten Vorrich-
tung, welche dann zur Regulirung dienen muss.
Figur 16 zeigt die Anordnung von de Bergue.
Auf einer Seite des Gambaumes sitzt eine Bremsschreibe,
deren Band durch Schrauben die erforderliche, immer
gleichbleibende Anpressung erfährt. Eine Nase des
Bandes stützt sich gegen einen Voi*sprung des Stuhl-
gestelles, verhindert Drehung und bewirkt Gleitung des
Bandes auf der Scheibe. Auf der anderen Seite des
Garnbaumes befindet sich eine zweite Bremsscheibe mit
übergelegtem Bremsbande, Anordnung nach Fig. 14.
In diesem Falle ist nun
rr = T,.r, + T,,r, (8)
wenn T^.r^ das constante Reibungsmoment bedeutet
In Gleichung (8) ist nur r und T^ variabel, demmach
T. = T— —
T r
(9)
153
und zur Löiigsbewegung der Kette am mechanische» Webstuhl.
154
Gleichung (9) zeigt einmal, dass T^ viel schneller ab-
nehmen mnss als früher, wo das constante Reibungs-
moment nicht Torhanden war, femer aber, wie weit
man mit Te-r^ gehen dai*f, damit bis zur völligen Ab-
wickelung der Kette Regelung der Spannung möglich
ist. Die äusserste Grenze für leeren Kettenbaum ist
offenbar Tj-r, ^=0, d. h.
da r, nicht werden kann. Dann ist
wenn ri der Halbmesser des leeren Kettenbaumes. In
der Praxis ist also immer
zu nehmen.
Gehen wir jetzt zurück auf die Gleichung (6),
welche aussagt, dass die Regulirung der Bremshebel-
belastung von dem Garnbaumhalbmesser abhängig zu
machen ist. Regulirungsvorrichtungen dieser Art zeigen
die Fig. 18 (Richter), 19 (Davies & Yates) und
20 (Schönherr).
Fig. 18. Die Garnbaumoberfläche ist selbst als
Bremsscheibenfläche benutzt. Auf der Garnbaumfullung
liegt ein Latteutuch, welches an einer Seite befestigt,
an der anderen belastet ist. In der Gleichung
T.r^T^.r^ ist also r^r^-,
daher aus
r.r = y.r,(/''-l),
r=^(/"-i)
sich ergiebt.
Hier sind alle Grössen constant, auch a, wenn
dasselbe für den vollen Baum zu u angenommen wird,
so dass diese Anordnung die Bedingung T=Const.
mit hinreichender Genauigkeit und auf sehr einfache
Weise selbstthätig ei-fullt. Doch ist sie nur für glatte
und sehr fest gebäuratc Kette verwendbar.
Fig. 19. An Stelle der Gewichtswirkung ist hier
die einer Feder r getreten. Die Ausdehnung derselben
ist anfanglich am grössten, wird aber wahrend des
Webens stetig vermindert und damit zugleich das Mo-
ment der Reibung. Dies geschieht auf folgende Weise:
Au die Feder angehängt sind zwei Bremsseile, welche
sich um die Gambaumenden schlingen und oben an
kurzen aber gleichlangen Armen y der Welle x be-
festigt sind. Die Welle x trägt einen Fühlhebel /', der
sich mit einer Rolle beständig auf die Garnbaumful-
lung auflegt, was durch die Feder r mit bewirkt wird.
Nimmt die GambaiunfüUung ab, so drehen sich f und
y nach abwärts, dadurch werden die Bremsseile nach-
gelassen und die Feder r kann sich zusammenziehen.
Durch geschickte Anordnung, so dass die Ausdehnung
der Feder nur zwischen engen Grenzen schwankt, lässt
sich mit diesen Mechanismen die Kettenspannung fast
constant erhalten.
Fig. 20.*) Auf dem langen Arme eines Winkel-
hebels w sitzt das Gewicht g, welches das Anziehen
des Bremsbandes bewirkt. Letzteres ist aber nicht
direct an den kurzen Arm des Winkelhebels w an-
gehangen, sondern an das untere Ende des zweiarmigen
Hebels p^ dessen oberer Arm die Wirkung von g durch
die an dem kurzen Arme von w angehangene Zugstange
und eine auf derselben sitzende Rolle empfängt.
Würde die Gleitrolle immer an der gleichen Stelle von
p stehen, so wäre die durch Gewicht g hervorgerufene
Reibung und deren Moment constant, also die rechte
Seite der Gleichung
Tr=T,r,
constant, was nicht sein darf, da r variabel. Es muss
also der Angriffspunkt der Rolle am oberen Arme von
p verlegt werden und diese Verlegung ist, wie Glei-
chung (6) aussagte, von der Garnbaumfullung abhängig
zu machen. Dies wird in diesem Falle erreicht durch
den Fühlhebel ff\. Der Arm fi ist durch Zugstange
öj mit verbunden; dadurch wird sich bei Verkleine-
rung des Garnbaumdurchmessers die Rolle an o senken,
und der Angriffspunkt des von g ausgeübten Zuges
näher an den Drehpunkt von p fallen als vorher, womit
sich auch die Anspannung des Bremsbandes und die
Reibung vermindert. Durch verschiedene Einstellung
des Gewichtes g auf w kann die Grösse der Spannung
bestimmt werden; dieselbe bleibt dann, sind die ein-
zelnen Dimensionen richtig gewählt, constant.
Es giebt nun noch eine Anzahl Mechanismen,
welche zur Regulirung der Ketteuspannung vom Garn-
baume aus dienen sollen, deren Wirksamkeit aber von
der Umdrehungszahl desselben abhängig gemacht wird.
Dass der hier eingeschlagene Weg nicht der allgemein
richtige ist, geht schon aus Gleichung (6) hervor,
welche ja aussagte : Die Regulirung ist vom Garnbaum-
halbmesser abhängig zu machen. Wohl aber lässt sich
für einen ganz bestimmten Fall ein gutes Resultat er-
zielen.
Die hierhergehörenden Mechanismen stimmen alle
darin überein, dass die Drehung des Garnbaumes durch
irgend welche Zwischenglieder zur Verschiebung des
Gewichtes am Bremshebel benutzt wird.
♦) Vergl. Lembcke, Herstellung der Kettenspannuog am
mecha&ischen Webstuhle. Givilingenieur 1875, S. 615.
155
Lud icke, Die Mechanismen zur Erhaltung der Spannung
156
Fig. 17 zeigt die einfachste Anordnung (Parker).
Der Bremshebel trägt eine Schraube, an welche das
Gewicht g angehangen ist und deren Drehung Ver-
schiebung von g bewirkt. Die Schraube wird durch
Kette ohne Ende und Kettenräder Yom Garnbaume aus
gedreht. Für eine bestimmte Garnnummer und be-
stimmten Stand der Kette kann durch passend gewählte
Kettenräder und Schraube, der Yom Gewicht g aus-
geübte Zug 80 regulirt werden, dass derselbe, wie er-
forderlich, proportional zum Grambaumhalbmesser ab-
nimmt. Soll jetzt auf demselben Stuhle eine weniger
dicht stehende oder höhere Feinheitsnummer besitzende
Kette Yerarbeitet werden, so liegen bei gleicher radialer
Ausdehnung der Gai'nbaumfüllung mehr Windungen
über einander als früher, es wird demnach der Garn-
baum mehr Umdrehungen machen. Das Gewicht g wird
zu nahe an den Drehpunkt des Bremshebels gebracht,
die Spannung vermindert. Diesem üebelstande kann
nur durch Auswechselung der Schraube oder der Ketten-
räder vorgebeugt werden ; dies ist aber zeitraubend und |
kostspielig. '
Wir werden jetzt, nachdem wir eine Auswahl von
Mechanismen, welche die Regulirung der Spannung in
grösserer oder geringerer Vollkommenheit bewirken, j
kennen gelernt haben, im Stande sein, durch Combi-
nation dieser mit den zuvor beschriebenen Aufwinde- j
Vorrichtungen den durch die erwünschte Gleichmässig-
keit des Gewebes gestellten Bedingungen zu genügen.
Für leichtere Gewebe aus elastischem Ketten-
materiale empfiehlt sich die Combination von 1 und
2, Tafel VI, mit 11 bis 13, wobei noch zu bemerken,
dass zum Bremsen des Kettenbaumes nur Seile ver-
wendet werden. Liegen die Schussfäden nicht dicht
an einander, so kann Aufwindung beim Ladenrückgange
angewendet werden; im anderen Falle ist Aufwindung
beim Ladenvorgange vorzuziehen.
Für dichtere Gewebe: Combination von 1 bis 4
mit 13-15 und 17—20. (Seil, Kette und Bremsband.)
Für sehr dichte Gewebe: 2 (mit Sandbaum)
und 4 mit 16 und 20. (Bremsbänder, oft noch mit Tuch
belegt.)
Alle diese Combinationen sind mehr oder weniger
geeignet, Regulirung der Spannung für den ganzen Verlauf
des Webens, also innerhalb eines grösseren Zeitraumes
zuzulassen, nur wenige aber regeln die Spannung auch
während jedes in die Zeit des Arbeitens fallenden Zeit-
raumes. Bei den Combinationen mit 11 und 12 findet
das letztere statt; hier ist eine durch irgend welche
Umstände veranlasste Spannungsänderung nicht denk-
bar; selbst bei sehr kleinem Zeitintervalle. Figur 11
erklärt dies von selbst; bei Fig. 12 wird das grössere
Gewicht g^ durch das kleinere p^, welches für gewöhn-
lich auf dem Fussboden steht und durch die Reibung
in der Schwebe gehalten. Spannungsverminderung be-
wirkt Senkung von g^^ wodurch sofort die frühere
Spannung wenigstens nahezu wieder hergestellt wird,
weil durch Aufheben von g^ nur ein Gewicht jf^ — gf
zur Geltung konmit. Vermehining der Spannung be-
wirkt Abwickelung von Kette so lange, bis die normale
Spannung wieder erreicht ist.
Die Combinationen mit 13 bis 20 lassen eine Ver-
gi*össerung der Kettenspannung über die normale selbst
innerhalb einer kleinen Zeit nicht zu, wohl aber eine
Vermindeining der Spannung. Hieraus ist ersichtlich,
dass für dichtere und sehr dichte StofiFe durch jene
Mechanismen noch nicht der Grad der Vollkommenheit,
nämlich Regulirung der Spannung während der ganzen
Zeit des Webens und während jedes einzelnen Zeit-
intervalles erreicht ist, den die Combinationen mit
Fig. 11 und 12 für leichte Steife en*eichen lassen.
Es wird sich nun darimi handeln, zu untersuchen,
auf welchem Wege sich auch für dichtere Gewebe Re-
gulirung der Spannung innerhalb jedes Zeitintervalles
hervorbringen lässt. Dabei müssen wir von den Ur-
sachen ausgehen, welche Schwankungen der Spannung,
z. B. während zweier Ladenschläge, bei positivem Auf-
winderegidator veranlassen können.
Ist die Grösse der Schaltbewegung =.s, so muss
die vom Gambaume abgewickelte Länge, wie schon
früher bemerkt, um den Betrag des Einwebens a grösser
sein. Ist dies nicht der Fall, treten Schwankungen
des Werthes s-\- a auf, so wird auch die Spannung T
Schwankungen unterworfen sein. Um diesen vorzu-
beugen, kann man die Schwankungen von T zur Re-
gulirung von s -)- fj und umgekehrt die Schwankungen
von 8 + rr zur Regulirung von T anwenden , so dass
zwischen T und s-^-a eine beständige Wechselwirkung
stattfindet. Dies führt auf die vorzüglichsten Reguli-
rungsvorrichtungen der Spannung bei Schaltung durch
positiven Aufwinderegulator.
Die dazu verwendeten Mechanismen müssen die
Fähigkeit besitzen, für jeden Schuss Schwankungen der
Spannung von der normalen nach oben und unten zu-
zulassen, aber sofort auszugleichen und eine solche
Wirkung äussern, dass die für die Erhaltung der nor-
malen Spannung nöthige Kettenlänge geliefert wird.
In diesem Falle empfängt der Gambaum Drehung
durch die Betriebskraft; die Grösse der Drehung wirf
durch die vorhergehende bestimmt. Schwankungen der
Spannung nach oben oder unten können deshalb in keinem
Falle direct auf Drehung des Gambaumes vor- oder
rückwärts wirken. Die Spannung gebenden und regu-
157
und zur Läugsbewegung der Kette am mechanischen Webstuhl.
158
lirenden Mechanismen lassen sich deshalb hier ebenso
wenig wie bei positivem Regulator am Zeugbaume
direct am Gambaume anbringen. Diejenigen Mecha-
nismen, welche die Spannung ertheilen und die Schwan-
kungen in der Abwickelungsgrösse sichtbar und wirk-
sam machen, werden demnach hier innerhalb des frei-
liegenden Kettenstückes anzubringen sein. Dazu eignet
sich am besten der hintere Streich- oder Walkbaum;
durch dessen Stellung wird die Spannung und die
Grösse der Abwickelung der Kette regulirt.
Der Walkbaum ist drehbar angeordnet um eine
horizontale Achse und erhält durch Gewichts- oder
Federwirkung das Bestreben, inmier nach aussen zu
schwingen. (Fig 21* und 22.) Durch diese Einrich-
tung lässt sich, da Garn- und Zeugbaum an Drehung
durch die Spannung verhindert sind, diese sehr genau
regeln. Liefert der Garnbaum nicht genug Kette, so
schwingt der Walkbaum hinein, im umgekehrten Falle
hinaus. Beide Bewegungen werden zur Mehr- oder
Miuderabwickelung augewendet; dies erreicht man da-
durch, dass der Hub einer Sperrkliuke, welche, durch
die Betriebskraft bewegt, mittelst Sperrrad, Schnecke
und Schneckenrad den Garnbaum drehte vom Walk-
baume aus veränderlich gemacht wird.
Anordnungen dieser Art zeigen die Figuren 21*~®
und 22.
Bei ei*sterer (Atherton Brothers) wird die Kette
gespannt durch die an einem Arm des schwingenden
Walkbaumes y^ angehangene Feder r und durch das
auf einen Arm des darunter liegenden ebenfalls schwin-
gend angeordneten Streichbaumes yjj wirkende Gewicht
g. Durch Anspannung der Feder r und Verschiebung
des Gewichtes g auf dem Hebel lässt sich die nöthige
Spannung genau einstellen. Der Kettenbaum K wird
durch Schnecke ah und Schneckenrad gedreht. Die
Schnockenwelle x empfängt absetzende Drehung von der
Ladenschwinge { aus (Fig. 2P). Die Zugstange ^,
welche vermittelst des an l angeschraubten Armes 1
constante, auf- und niedergehende Bewegung erhält,
trägt am oberen Ende einen Schlitz; in diesem führt
sich ein Zapfen i (Fig. 2P) des Armes ä^, welcher
Arm an einem über die Schnecken welle x geschobenen
Rohre y sitzt, welches unabhängig von der Drehung
von X ist. Arm h^ trägt die um einen Bolzen drehbare
Sperrklinke b , welche , wird h^ durch Niedergang von
t gedreht, das auf der Schneckenwelle befestigte Sperr-
rad 2 und somit Schnecke ah und den Garnbaum dreht.
Das Gewicht g^ bewirkt stetes Einlegen von h in die
Zähne des Rades 2.
Die Regulirung der Drehung von 2 wird auf fol-
gende Weise erreicht Es sitzt an der Zugstange o
I
(Fig. 21»), welche die Stellung von y^ unter Wirkung
von g und r bestinmit, eine Nase z\ diese stösst gegen
einen Arm Aj, welcher durch das schon erwähnte Rohr
y mit h^ (Fig. 21^) fest verbunden ist. Das beständige
Anlegen von ä, an ;e? wird bewirkt durch das Gewicht
^P Dies veranlasst nun die Stellung des Sperrhakens
6 und des Zapfens i an Äj im Schlitze von t. Wird
zu wenig Kette geliefert, so schwingt y^ nach aussen;
und damit Nase z wird gehoben ; h^ folgt unter Wir-
kung von g^\ Sperrklinke 6 greift am Rade 2 weiter
rückwärts und Zapfen i stellt sich in der Schleife t
höher. Demzufolge wird i einen grösseren Weg zurück-
legen und eine grössere Winkeldrehung der Schnecken-
welle und des Garnbaumes veranlassen. Wird zuviel
Kette geliefert, so schwingt ^2 »ach innen, z senkt sich,
Aj wird nach unten gedreht, ebenso ä^, i wird demnach
im Schlitz von t gesenkt, t wird also jetzt einen grös-
seren Weg nach unten zurücklegen müssen, ehe der
Zapfen i gefasst wird; der Weg von i nimmt ab und
damit die Lieferung an Kette.
Einrichtungen dieser Art eignen sich für dichte
und weniger dichte Gewebe gleich gut, reguliren die
Spannung für die ganze Dauer des Webens unabhängig
vom Gambaumdurchmesser und für jeden einzelnen
Ladenschlag, und bewirken die Abwickelung der Kette
ganz selbstthätig.
Durch Verschiebung des unteren Kopfes von t
in dem Schlitze des Armes 1 und durch Auswechselung
des Sperrrades lässt sich auch die für jedes Gewebe
grösste überhaupt mögliche Winkeldrehung des Gani-
baumes variiren.
Die Anordnung, Fig. 22, Taf VI, welche denselben
Zweck nur durch andere Hülfsmittel (Antrieb der
Schnecke durch ein auf die Webstuhlhauptwelle auf-
gestecktes Excenter) erreicht, erklärt sich hiernach von
selbst. Beide Anordnungen schliessen aber gleichzeitig
noch einen weiteren Vortheil ein. Die zweite Ursache,
welche Schwankungen in der Spannung während zweier
Ladenschläge veranlasst, ist in der Fachbildung zu
suchen. Durcli diese wird die Spannung immer etwas
vergrössert und ist das besonders bei unelastischem
Kettenmateriale von Nachtheil. Man hat deshalb dem
Garn- oder dem Walkbaum eine gewisse Nachgiebigkeit
zu ertheilen gesucht. Dieselbe ist schon vorhanden bei
den Anordnungen Fig. 11 und 12, Taf. VI, nur muss
das ganze Gewicht g bezüglich g^ überwunden werden ;
bei Fig. 13 sucht man sich dadurch zu helfen, dass
Seil oder Kette nicht direct an das Gestell befestigt
werden, sondern eine Feder eingeschaltet wird. Das
ist aber nicht gut möglich bei den Anordnungen 14 — 20,
Taf. VI, deshalb ertheilt man dem Walkbaume eine
159
Lud icke, Die MechanismeD zur £rhaltung der Spannung
160
gewisse Bewegung, so dass beim Fachöffnen die Kette
etwas nachgelassen, beim Schliessen dagegen wieder
angespannt wird. Dies geschieht nun bei Fig. 21* und
22 gleichzeitig mit Verrichtung der anderen Functionen.
2) Sehatthewegung bestimmt vom Gambaume aus.
In diesem Falle vertauschen die Mechanismen am
Garn- und Zeugbaume, angewendet im ersten Falle, nur
die Functionen. Der Kettenbaum muss, so lange die Kette
nicht in der Längenrichtung bewegt wird, festgehalten
werden, dann aber die Grösse der Schaltung bestimmen;
die Regulirung der Spannung hat demnach vom Zeug-
baume aus zu erfolgen. Jetzt ist die pro Schuss aufzuwin-
dende Zeuglänge kleiner als die abgewickelte Kettenlänge.
Die Bewegung des Garnbaumes lässt sich durch
die gleichen Mechanismen, welche im ersten Falle zur
Bewegung des Zeugbaumes dienten, bewirken. Hierbei
ist zu berücksichtigen, dass, wird die Kette direct vom
Garnbaume entnommen , dieser bei gleichbleibender
Schaltgrösse s keine constante Winkeldrehung erfahren
darf. Es muss, soll die Gleichung
8
r.a
bestehen, Drehwinkel a umgekehrt proportional dem
Gambaumhalbmesser r sein. Eine anzubringende Re-
gulirungsvorrichtung wird, wie die Gleichung angiebt,
vom Gambaumhalbmesser abhängig zu machen sein.
Dem setzen sich aber constructive Schwierigkeiten ent-
gegen und hat man deshalb die in Fig. 9 skizzirte
Anordnung getroffen, die Abwickelung der Kette durch
zwei gegen einander gepresste Sandbäume S zu be-
wirken, von denen der untere durch Schnecke ab und
Schneckenrad eine absetzende Drehung um constante
Winkel erfährt. Ebenso liessen sich zur Drehung von
S Sperrklinken und Sperrrad verwenden nach Fig. 1,
nur wird man den Antrieb zweckmässiger von einer
anderen Stelle aus ableiten.
Eine Anordnung der Art, dass der Garnbaum mit
abnehmendem Durchmesser um einen entsprechend
grösseren Winkel gedreht wird, zeigen die Figuren 10*
und 10** (Laurent).
Die Drehung der Schnecke wird hergeleitet von
(dner auf die Webstuhlhauptwelle aufgesteckten Kurbel,
welche der Zugstange 1 constante, hin- und hergehende
Bewegung ertheilt. Stange 1 erfesst den Arm 2, wel-
cher die beiden Frictionsklauen 3, 3 trägt, die den Rand
der an der Schneckenwelle festsitzenden Scheibe 5 zwi-
schen sich nehmen. (Wir haben also hier ein Sperrrad
mit unendlich kleiner Theilung; 3, 3 vertreten die Sperr-
klinke b.) Arm 2, und mit ihm die Klauen 3, ist dreh-
bar um einen verticalen, im vorderen Theile des Armes
4 angebrachten Bolzen. Die Arme 4 und 4* bestehen
aus einem Stück, drehbar um die Schneckenwelle. Bei
Bewegung der Zugstange 1 nach rechts erfolgt zunächst
so lange Drehung von 2 und 3, 3 um den Bolzen von
4, bis die Klauen 3, 3 den Rand der Scheibe 5 er-
fasst haben; hierauf beginnt Drehung der Scheibe 5,
somit auch Drehung der Schnecke und des Garnbaumes.
Die Grösse der Drehung wird geregelt durch die im
Arme 4' befindliche Schraube 6, welche sich an den
Sector X anlehnt unter Wirkung der Feder r am Arme 4.
Sector X erhält durch den auf der Garnbaumfullung
aufliegenden Fühlhebel f^ den damit verbundenen Arm
f* und die kurze Zugstange 7 die geeignete Stellung.
Bei der grössten Garnbaumfällung ist die Schraube 6
durch den Sector x am meisten zurückgedrängt, so dass
die Drehung der Scheibe 5 durch die Klauen 3, 3 am
kleinsten wird ; je mehr der Gambaumdurchmesser ab-
nimmt, um so weiter kann durch geeignete Profilirung
von X der Winkelhebel 4, 4' nach links schwingen;
dadurch wird der Angriffspunkt der Klauen ebenfBills
nach links verlegt, die Drehung der Scheibe 5 und der
Schnecke ab grösser. Mit dieser allerdings sehr com-
plicirten Anordnung lässt sich bei geeigneter Profili-
rung des Sectors x jede nur gewünschte Genauigkeit
erreichen.
Es tritt nun die Frage heran, wie müssen die Auf-
windevorrichtungen beschaffen sein, wenn die Grösse
der Schaltbewegung vom Garnbaume aus bestimmt wird.
Die früher behandelten activen Aufwinderegulatoren
liessen sich zwar auch hier anwenden, sie würden aber
eine sehr genaue Einstellung verlangen, da für jeden
Schuss eine Zeuglänge aufgewickelt werden muss gleidi
der vom Gambaume abgewickelten, vermindert um den
Betrag des Einwebens. Die Combinationen nach dieser
Richtung haben meist die Bedingung der Erhaltung
einer gleichen Spannung nicht erfüllt. Eine Combi-
nation von Fig. 3 mit Fig. 9, bei welcher die beiden
Schnecken ab von einer gemeinsamen Welle Drehung
erhalten, ist von de Bergue angewendet worden.
Haben die Schnecken ab gleiche Steigung, die
Schneckenräder gleiche Durchmesser, dagegen der Sand-
baum /S, Fig. 3, einen grösseren Durchmesser als der
untere in Fig. 9, so ist, da beide gleiche Winkeldrehung
erfEihren, das Bestreben vorhanden, mehr Zeug aufzu-
winden als Kette abgewickelt wird, wodurch Spannung
der Kette erfolgt. Damit aber die Spannung nicht be-
ständig zunehme, muss S, Fig. 3, an der Oberfläche von
Z gleiten; ein Umstand, der nicht zu Gunsten dieser
Anordnung spricht.
Die activen Aufwindevorrichtungen sind also in
161
und zur Bewcguug der Kette am mechanischen Webstuhl.
162
diesem Falle nur in sehr beschränkter Weise zu ge-
brauchen, was schon daraus hervorgeht, dass die hier
anzuwendenden gleichzeitig mit die Spannung reguliren
müssen, wozu dieselben aber nicht geeignet sind. Für
das Letztere wird in allen Fällen die Wirkung eines
Gewichtes zu Hilfe genommen, welches den Zeugbaum
vorwärts zu drehen sucht und zu dieser Function durch
die Betriebskraft des Stuhles immer von neuem die
geeignete Lage erhält. Diese Vorrichtungen werden
mit dem — nicht sehr glücklich gewählten — Namen
„negative Aufwinderegulatoren^' belegt.
Die Anordnung ist durch Fig. 5 illustrirt.
Durch einen an der Ladenstelze angebrachten Stift
erhalt beim Rückgange derselben der dreiarmige Hebel
CiC^e^ eine schwingende Bewegung; das Gewicht g
wird gehoben; die um den kurzen Arm c^ drehbare
Sperrklinke b greift auf den Zähnen des Sperrrades
über, während der Sperrhaken a Rückdrehung desselben
verhindert. Verlässt nun der Stift der Ladenstclze beim
Vorgange der Lade den Arm Cj, so wird das Gewicht
g durch die Hebel und Sperrklinkenanordnung den
Zeugbaum vorwärts zu drehen suchen und die Drehung
auch bewirken, sobald vom Garnbaume Kette abgewickelt
wird ; g bestimmt demnach die Spannung, welche durch
Verschiebung von g auf Cj, geregelt werden kann, wäh-
rend der Hub der Sperrklinke b durch die Stellung
des Stiftes auf der Ladenstelze oder durch Variirung
von C3 bestimmt wird.
Die Einrichtung, Fig. 5, hat aber einen Nachtheil.
Wird die Waare direct auf dem Zeugbaume aufge-
wickelt, so vergrössert sich der Durchmesser desselben
und Gleichung (3)
wiixl, da T^ und r^ constant, r^ variabel ist, nur dann
bestehen können, wenn auch T variabel. Dies darf
aber nicht stattfinden, man muss deshalb, da r^ nicht
variabel gemacht werden kann, T^ variiren und zwar
muss Tjj proportional r^ zunehmen. Die Lage des Ge-
wichtes g muss also veränderlich sein. In der Praxis
hilft man sich häufig durch Hinausschieben von g
auf c^f besser jedoch dadurch, dass man r^ con-
stant macht, also einen Sandbaum S mit Presswalze
(Fig. 6) anwendet, oder dadurch, dass man, wie
die Gleichung angiebt, die Lage des Gewichtes g
von der Zeugbaumfüllung abhängig macht Fig. 7
(Crompton). Hier ist ein Winkelhebel f angeordnet,
dessen einer Arm als Fühlhebel, dessen anderer durch
Stange zur Verschiebung des Gewichtes g auf c.j dient.
Sind die Dimensionen dieser Theile für leeren und
vollen Gkimbaum richtig gewählt, so wird die Vorrich-
tung mit völliger Genauigkeit functioniren.
OiTillnffentoor XXIII.
Durch Combinatiou von 5, 6 und 7 mit 9 und 10
lassen sich also wieder die gestellten Bedingungen er-
füllen.
Alle bisher erwähnten Combinationen leiden aber
an einem grossen Uebelstande. Die Schaltbewegung
der Kette findet auch dann noch statt, wenn durch
Reissen eines Schussfadens der Einschuss fehlt, wodurch
im Gewebe eine dünne Stelle entsteht. Um den neuen
Einschuss dicht anzulegen, müssen dann Zeug- und
Kettenbaum rückwärts gedreht werden, wodurch Zeit-
und Arbeitsverlust eintritt.
Es sind Einrichtungen getroffen worden, durch
verbesserte Schusswächter dem Nachtheile möglichst
abzuhelfen; dieselben compliciren aber den Stuhl sehr
und erfordern, wenn sie immer gleich gut wirken sollen,
viel Aufsicht.
Das einfachste Mittel zur Vermeidung der erwähnten
Nachtheile ist jedenfalls: die Aufwindung davon ab-
hängig zu machen, ob ein Schuss eingetragen worden
ist oder nicht. Dann darf die Schaltbewegung weder
vom Zeug- noch vom Garnbaume bestimmt werden;
die Lade übernimmt jetzt diese Function. Durch den
Ladenschlag wird der neue Schussfaden an den Vor-
hergehenden angelegt und die Kette um die von dem
letzten Schussfaden eingenommene Länge vorgezogen.
Die Grööse der Schaltbewegung wird demnach bestimmt
von der Dicke des Fadens und der Dichte, mit welcher
die Schussfäden aneinander angelegt werden sollen;
diese aber regelt die Spannung. Ist die Spannung
gross, so wird der letzte Einschuss dichter an den vor-
herigen angelegt als bei geringerer Spannung. Die
Aufwindung kann selbstverständlich nicht mehi* durch
einen positiven, wohl aber durch einen negativen Auf-
winderegulator bewirkt werden.
Wie wir gesehen haben, lässt sich mit dem nega-
tiven Regulator, Fig. 6, eine gleichmässige Spannung
erzielen. Jetzt aber, wo die Schaltung weder vom
Garnbaume noch vom Zeugbaume abhängig, ist auch
ersterer mit den Vorrichtungen zui* Regulirung der
Spannung zu versehen. Die Regulirung erfolgt
von beiden Organen, wir müssen also combiniren;
Fig. 6 mit Fig. 11 bis 20. Einige dieser Combi-
nationen kommen jedoch aus anderen Gründen, die
erst aus dem Weiteren hervorgehen, gar nicht vor.
Durch den Ladenschlag wird die Kette in der oben
beschriebenen Weise nach vom gezogen und die Span-
nung in der zwischen Riet- und Zeugbaum befindlichen
Ware aufgehoben, wodurch das Gewicht g zur Wir-
kung kommt und die durch den letzten Einschuss fertig
gewordene Zeuglänge aufwindet.
Hier besteht also die Bedingung:
11
163
Ltidicke, Die Mechanismeu zur Erhaltung der Spannung am mechanischen Webstulil.
164
wobei von den Reibungswiderständen, welche die Kette
auf ihrem Wege findet, abgesehen ist. Es darf nie
werden, wie dies bei den positiven Aufwinderegulatoren
periodisch durch die Betiiebskrafb zur Schaltung statt-
findet, sonst würde in diesem Falle selbständig Auf-
windung "erfolgen. Auch wird T^r^ immer um einen
geringen Betrag kleiner gehalten als Tr^, damit durch
die Erschütterungen, welche der Stuhl erleidet, nicht
selbständig Bewegung eintritt. Die Differenz darf aber
nicht zu gross sein, sonst treten Schwankungen der
Spannung innerhalb der Kette selbst auf.
Wäre z. B. der negative Regulator nur im Stande,
in dem durch das Anschlagen der Lade lose gewor-
denen Zeugstücke eine Spannung T<iT hervorzurufen,
so wird zunächst die Ausdehnung des Stückes bc
(Fig. 29) , welche vorher unter dem Einflüsse von T
entstanden, geringer werden, d. h. es wird eine zu
kleine Zeuglänge aufgewickelt. Yerlässt nun das Riet r,
welches, so lange es den letzten Kettenfaden b berührte,
die ganze oder einen Theil der Spannung aufgenommen,
i, so wird dieser, da er von links durch die grössere Kraft
T, von rechts durch T erfasst wird, eine Bewegung
nach links, also etwa nach b* erhalten, bis in den
beiden Stücken ab und bc die gleiche Spannung T*
herrscht; und es wird sein:
r> r' > r .
Beim Eintragen des nächsten Schusses muss der
in b' liegende letzte Einschuss vom Blatt bis nach b**
geführt werden, wähi*end er unter normalen Verhält-
nissen nur den Weg bb** zurückzulegen hätte. Dabei
erfolgt zunächst so lange Ausdehnung des Stückes ab'^
biö T' = T geworden ist; dann erst beginnt die Ab-
wickelung. Aus diesem geht hervor, dass, wenn T,
also die vom Gewichte g des negativen Aufwinderegu-
lators hervorgerufene Spannung, erheblich von der Span-
nung T abweicht, welche die Kette besitzen soll, eine
ungünstige Beanspruchung der Fäden durch bei jedem
Ladenvor- und Rückgänge stattfindende Ausdehnung
und Zusammenziehung eintritt.
Am besten wirkt auch hier wieder die Anordnung,
bei welcher r^^ constant, also nach Fig. 6 in Verbin-
dung mit Fig. 20. Doch ist diese Combination, wie
überhaupt jede mit negativem Aufwinderegulator und
Regulirung der Schaltung durch Spannung und Ein-
schuss, nur für Stoffe mit dichtem Schussstand ver-
wendbar.
Im Allgemeinen lässt sich noch sagen, dass die
negativen Aufwindevorrichtungen sich nur für Stühle
mit langsamerem Grange eignen, während die positiven
bei Stühlen mit jeder Arbeitsgeschwindigkeit auwend*
bar sind.
Um die Vortheile der positiven und negativen Auf-
winderegulatoren zu vereinigen, hat man beide ccmibi-
nirt und dadurch einen ganz vorzüglich wirkenden
Apparat erhalten.
Der in Fig. 8 (Schönherr) skizzirte Aufwinde-
regulator soll das Gresagte illustriren.
Das Gewebe wird au%ewunden durch die beiden
Sandbäume SS, Der untere erhält Drehung durch das
Sperrrad und die Sperrhaken bb und diese Bewegung
von den kurzen Armen des dreiarmigen Hebels n. Der
längere Arme desselben führt sich mit einer Gleitrolle
in dem Schlitze des zweiarmigen Hebels A, welcher auf-
und niedergehende Bewegung erhält durch Zugstange a,
und zwar bei einem Ladenschlage nach oben, beim
nächsten nach unten u. s. f.
Der dreiarmige Hebel n ist drehbar am oberen
Theile des zweiarmigen Hebels m^m^^ welcher wieder-
um frei drehbar auf der Achse des Sandbaumes sitzt
Durch Gewicht g, Winkelhebel w und Zugstange o, er-
hält ni^m^ immer das Bestreben, Rechtsdrehung aus-
zuführen , dem wirkt die Zeugspannung durch Sperrrad
und Sperrkegel bb entgegen.
Nehmen wir jetzt an, die gezeichnete Stellung sei
die normale und es träte keine Veränderung in der
Spannung und Schaltung ein, so wirkt die ganze An-
ordnung als positiver Aufwinderegulator. Nimmt aber
plötzlich die Spannung dui*ch irgend welchen Umstand
ab^ oder die Schaltung zu, so schwingt m^ nach rechts
unter Wirkung von g, die Rolle von n im Schlitz von
h entfernt sich weiter vom Drehpunkte von h und muss
somit bei der Schwingung desselben einen grosseren
Weg zurücklegen, was sich sofort durch die Sperrhaken
auf das Sperrrad überträgt. Das Umgekehrte findet
statt bei Vergrösserung der Kettenspannung oder Ver-
kleinerung der Schaltung. Der Sperrkegel a ist nur
für sehr schwere Waare erforderlich oder dann, wenn
Zugstange o für jeden Ladenschlag auf- und abgeht;
in diesem Falle fallt einer der Sperrkegel b weg. Ge-
wicht g muss so bemessen sein, wie es früher bei döJ
negativen Aufwindevorrichtungen angegeben.
Zur Regulirung der Spannung am Keitenbaume
dient, wenn Fig. 8 angewendet wird, Fig. 20.
Der Vortheil der Anordnung, Fig. 8, besteht in:
Aufwindung der Waare durch die Betriebskraft bei
vom Zeugbaume ausgeübtem gleichstarken Zuge.
Durch die ganze Entwicklung der MechanismeD
ist hervorgegangen, dass Regulirung der Schaltung
nur möglich ist:
165
Gruiier, Technische Führer.
166
A) vom Zeugbaume oder einem dessen Stelle ver-
tretenden Sandbaume aus,
B) vom Garnbaume oder einem dessen Stelle ver-
tretenden Sandbaume aus,
C) durch Spannung und Einschuss.
Regulirung der Spannung:
D) vom Garnbaume aus,
E) von dem zwischen Garn- und Zeugbaum freilie-
genden Kettenstück aus,
F) vom Zeugbaum aus.
Ein weiterer Fall ist in Hinblick auf die überhaupt
vorhandenen Organe und die Functionen, welche die-
selben zu verrichten haben, nicht denkbar.
Anhangsweise kann hier noch derjenigen Vorrich-
tungen gedacht werden, welche die bei der Fachbildung
stattfindende Vergrösserung der Spannung auszugleichen
haben. Zu dem Seite 158 Gesagten ist aber kaum noch
etwas hinzuzufügen und genügt hier der Hinweis auf
die Figuren 23—26 unserer Tafel, welche einige der
gebräuchlichsten Mechanismen für diesen Zweck dar-
stellen.
Diese Anordnungen machen sich nöthig bei Com-
bination von A mit D, B mit D, C mit F und bei
wenig elastischem Kettenmateriale. Sie tragen dann
wesentlich zur Schonung der Kette und Vermeidung
von Fadenbrüchen bei.
In Fig. 23 erfolgt die Bewegung des Walkbaumes
von der Geschirrwelle aus und da diese im gezeichneten
Falle nur halb so viel Umdrehungen macht als die
Hauptwelle, durch einen zweiflügeligen Daumen; in
Fig. 24 durch ein auf die Hauptwelle aufgestecktes
Excenter, Fig. 26 von der Ladenschwinge aus. Fig. 25»
zeigt die Anordnung von Schönherr im Grundriss,
Fig. 25** den Walkbaum im Aufriss. Auf der Welle x
steckt eine Scheibe mit Erhöhungen, gegen welche sich
eine Gleitrolle anlegt und bei Drehung der Welle die
ihr ertheilte Bewegung durch die Winkelhebel to und
Zugstangen A auf den Walkbaum y^ überträgt.
Technische Führer.
Besprochen von
0. Grüner, Landbau-Inspector in Chemnitz,
1) Karlsnihe im Jahre 1S70. Dargebracht vom badischen Techniker- Verein. Karlsruhe. Verlag der G. Braun*8chen Hofbuch-
handlung.
2) Technischer Führer durch Wien. Herausgegeben vom Prof. Dr. E. Wink 1er. Wien 1873. Lehmann & Wentzel. Mit Er-
gänzungen bis Frül^jahr 1874.
3) Hannover und Umgegend. Dargebracht vom Hannoverischen Bezirks- Verein. Hannover. Th. Schulzens Buchhandlung. 1874.
4) Führer durch Berlin. Berlin. Druck von W. Pormetter.
5) Bautechnischer Führer durch München. Herausgegeben von dem bayerischen Architekten- und Ingenieur -Verein, redigirt von
F. Reber. München. Theodor Ackermann. 1876.
Die grossen Versammlungen technischer Fachge-
nossen, wie sie sich in den letzten Decennien vielfach
wiederholten, haben einen Zweig der Literatur ins
Leben gerufen, der sich in mehr als einem Punkte als
eigenthümlich und bemerkenswerth darstellt und, so
jung er ist, schon recht schöne Blüthen und Früchte
aufzuweisen hat: wir meinen die unter verschiedenerlei
Namen herausgegebenen, am richtigsten aber wohl mit
dem gemeinsamen Namen „Technische Füfirer" zu be-
zeichnenden Festschriften. Eigenthümlich nennen wir
diese literarischen Ei-scheinungen, weil sie ihr Ent-
stehen wahrhaft uneigennützigen Bestrebungen verdanken,
heutigen Tages nicht nur auf dem Gebiete des Buch-
handels ein seltenes Phänomen, bemerkenswerth aber,
weil sie bei aller Uneigennützigkeit fest ohne Aus-
nahme Vortreffliches Feisten und bieten.
Allerdings fehlt es in den gewöhnlichen Reisehand-
büchern meist nicht an Notizen und Hinweisen^ die
sich auf besonders hervorragende Baudenkmäler be-
ziehen; die Besprechung derselben bewegt sich aber
grösstentheils in so allgemeinen Ausdrücken, die An-
gaben der darauf bezüglichen Daten sind oft so unge-
11*
167
Grüner, Techuische Führer.
168
BÜgend oder ungenau und die Kritik, wenn eine solche
geübt wird, ist in der Regel so wenig sachgemäss, dass
der Mann von Fach sich sehr bald daran gewöhnt,
derartige Auslassungen zu überschlagen.
Wir geben allerdings Ausnahmen von der Regel
zu; 80 verdienen z. B. die architektonischen Notizen in
Gsell-Fels' Italien, begleitet von z. Th. recht guten
Illustrationen, Beachtung und Anerkennung; aber ein
Erfassen des technischen Gebiets im weiteren Sinne,
zunächst z. B. der Ingenieur-Bauten, vermissen wir in
sämmtlichen Reisehandbüchern des gewöhnlichen Schlages
und wir dürfen uns eigentlich auch nicht zu sehr dar-
über wundem oder — von dem Gegebenen weiter zu
schliessen — beklagen.
Diese und ähnliche Betrachtungen haben vielleicht
den ersten Anlass zur Entstehung der Festschriften bei
Gelegenheit der grossen Techniker- Versammlungen ge-
geben, wie sie uns augenblicklich als Eiiunerung an die
in Karlsruhe i. J. 1872, in Wien i. J. 1873, in Han-
nover i. J. 1874 und in München i. J. 1876 vorliegen,
vervollständigt durch ein Heftchen : Führer durch Berlin
für die Theilnehmer der Versammlung u. s. w. i. J.
1874. ♦)
Es ist natürlich nicht unsere Absicht, hier eine
eingehende Abwägung des Werthes des einen dieser
Bücher gegenüber dem andern vorzunehmen — sie alle
zeugen so sehr von dem freundlichen Willen, die Fest-
gäste mit der festgebenden Stadt möglichst vertraut
und ihren Besuch zu einem recht lohnenden und ge-
nussreichen zu machen, dass eine derartige Kritik wohl
leicht als eine Unhöflichkeit gedeutet worden könnte.
Vielmehr haben wir uns, mit Rücksicht darauf,
dass eine jede Vermehrung dieser technischen Topo-
graphien, wenn wir sie so nennen dürfen, herzlich will-
kommen zu heissen ist und dass im Laufe der Zeit
noch an manche Stadt unseres deutschen Reichs, wie in
der nächsten Zeit an die Hauptstadt Sachsens, die
Pflicht herantreten wird, die Gäste mit einem solchen
Festgruss zu bewillkommnen, die Aufgabe gestellt: das
Facit aus dem bisher auf diesem Gebiet Geleisteten
zu ziehen, das demselben Charakteristische aufzufinden,
sowie die Vorzüge anzugeben, welche die eine Lösung
oder Behandlung der Arbeit vor der anderen uns zu
haben scheint, endlich das, was etwa dabei noch zu
wünschen übrig bleibt. '
*) Der -von dem Berliner Architekten-Verem aus Anlass der
Hauptversammlung des Verbandes deutscher Ingenieur- und Ar-
chitekten Vereine von 1S74 in Angriff genommene Führer „Berlin
und seine Bauten'* mit 600 Holzschnitten und 10 BeUagen ist erst
in den letzten Wochen vollendet worden.
Die Mehrzahl der vorliegenden Führer beginnt mit
einer mehr oder minder detaillirten Schilderung der
Lage der betrefifenden Stadt, welcher sich geologische
Skizzen anreihen, die namentlich in dem hannoverischen
Fühi*er eine eingehende Behandlung erfahren haben
und hier auch durch eine schöne geognostische Eiarte
vervollständigt werden.
Dann folgt, Vfieu ausgenommen*), bei allen ein
Abriss der Greschichte der Stadt, bei Hannover nach
baugcschichtlicher Entwicklung und allgemein-geschicht-
lichen Nachrichten getrennt, bei Karlsruhe und München
mit vorwiegender Betonung der Baugeschichte. Mit
Interesse verfolgt man in Hannover die anschauliche
Darstellung der Entwicklung der städtischen Verhält-
nisse seit dem frühen Mittelalter, der Technik und ihres
Palladiums : des Polytechnikums ; auch Karlsruhens Ge-
schichte gewährt als die einer vollkommen willkürlichen
Schöpfung, für die sich erst mit der Zeit Zweck und*
Nothwendigkeit herausbilden musste, besonderes In-
teresse; die Baugeschichte Münchens indessen, 87 Seiten
des Buches umfassend, dürfte bei allem localen Werth
und Interesse für den vorliegenden Zweck: den fremden
Fachgenossen rasch und in der Hauptsache zu orien-
tiren, zu weit gehen. Denn man darf nicht übersehen,
dass nach dem bisher üblichen Gebrauch die Festschrift
den Theilnehmern an den Versammlungen erst bei Be-
ginn derselben eingehändigt wird und dass deshalb die
Zeit, welche ihnen zum Studium derselben an Ort und
Stelle und zum Aufsuchen der darin besprochenen
Gegenstände geboten ist, in den meisten Fällen eine
äusserst beschränkte sein muss. Fast möchten wir mit
dem Vorschlage hervortreten, den angemeldeten Theil-
nehmern an einer solchen Versammlung schon kurze
Zeit vorher derartige Führer zuzuschicken, damit sie,
wie gewissenhafte Reisende es mit ihrem Bädeker zu
thun pflegen, diese schon vorher durchsehen und das,
was sie besondei's interessii't, anstreichen können.
Bei Zusammenstellung und Bearbeitung eines sol-
chen Führers scheinen uns zwei verschiedene Stand-
punkte in Betracht zu kommen : der eine behandelt das
Buch lediglich als Festschrift, vorzugsweise tür die Zeit
und den Besuch der Versammlung berechnet; — der
andere mehr als technisches Reisehandbuch, bestimmt,
zu jeder Zeit dem Techniker neben dem allgemeinen
*) Der Win kl er 'sehe Führer für Wien, der zunächst am
Anlass der Ausstellung von 1S73 bearbeitet wurde, konnte den
historischen Abriss entbehren mit Racksicht auf den vom Oestecr.
Ingenieur- und^ Architekten-Verein i. J. 1S64 bei GMegenheit der
14. Versammlnng deutscher Architekten und Ingenieure heniu-
gegebenen trefflichen Führer „Alt- und Neu-Wien In seinen Bas*
werken". D. Red.
169
Grüner, Technische Führer.
170
als specieller Fachfiihrer zu dienen, zur Fortsetzung
und Vervollständigung von vornherein angelegt. —
Dem ersteren Standpunkte entsprechen am meisten die
Führer für Karlsruhe und Hannover; dem letzteren
vorwiegend die für München und Wien, was besonders
bei Wien die nachträglich dazu erschienenen schätz-
baren Ergänzungen bestätigen.
Der angedeuteten Trennung entsprechend würde sich
dann auch die Behandlung des Stoffes unterscheiden.
Mit richtiger Erkenntniss des Bedürfnisses und der
Wünsche der von auswärts kommenden Theilnehmer
giebt der Karlsruher Führer ausser der Beschreibung
der Hauptstadt in übersichtlicher Kürze eine solche
▼on Baden und Heidelberg, sowie von den bedeutend-
sten Eisenbahnbauten im ganzen Lande, bei denen wir,
beiläufig bemerkt, wie dies bei Ingenieurbauten so
häufig der Fall ist, jede Nennung des Urhebers oder
CJonstructeurs vermissen.
Die Nachrichten über industrielle Etablissements
sind besonders in Hannover hübsch und instructiv zu-
sammengestellt ; sie betonen etwaige Eigenthümlichkeiten
im Fabrikations- Verfahren und geben statistische Nach-
richten über Leistungsfähigkeit, Personal, sowie über
Unterstützungskassen und andere Einrichtungen.
Den bei dieser Art von Führern enger gesteckten
Grenzen entsprechend, wurde in Hannover mit Aus-
nahme des Stadtplanes und zweier Karten von Illustra-
tionen gänzlich abgesehen, während das Karlsruher Buch
mit einer grossen Anzahl von Grundrissen, geometrischen
und perspectivischen Ansichten, ja sogar ausser dem Titel-
blatt mit hübschen Anfangs- Vignetten geschmückt ist.
Betrachten wir nun die beiden anderen Führer:
Wien und München, so zeigen schon die Inhaltsver-
zeichnisse, namentlich bei Wien , eine viel detaillirtere
Classificirung als die der vorgenannten Führer und aus
der reichen Fülle aller Arten von Gebäuden sind von
kundigen Augen und Händen je die besten und lehr-
reichsten Beispiele ausgewählt und durch Beschreibung,
Plan, Ansicht und in Wien häufig Constructionsdetails
so erschöpfend vorgeführt, dass man sie (besonders den
Wiener Führer) fast ein bautechnisches Compendium
nennen könnte. Vervollständigt wird der Werth dieser
Schilderungen durch die in beiden Büchern beobachtete
Verweisung auf die einschlägige Literatur, sowie durch
Nennung der betreffenden Hen'en Mitarbeiter, wodurch
specielle Information über einen Gegenstand ermöglicht
und erleichtert wird.
Zu der zweiten, von uns aufgestellten Klasse von
Führern dürfte München nicht nur wegen seiner ein-
gehenden Baugeschichte, sondern auch wegen der Kri-
lisirung der Bauwerke gezählt worden. Es giebt wohl
kaum eine zweite Stadt, in welcher so viel in Archi-
tektur experimentirt worden ist wie hier, und an der
Hand einer sachgemässen Kritik wird ein Besuch der-
selben auch in diesem Sinne lehrreich. Aber so dan-
kenswerth uns eine so unpaiiÄÜsche Beurtheilung der
Bauwerke, wie sie in dem Münchener Führer gegeben
ist, auch erscheint, möchten wir sie von einer eigent-
lichen Festschrift doch ausgeschlossen wissen. Denn
es werden hierdurch zu leicht persönliche Meinungen
empfindlich berührt und die Freude am Fest und an
der gebotenen Festschrift könnte wohl Trübungen er-
fahren.
Dem Wiener Führer eigenthümlich ist eine Be-
sprechung der dortigen Baumaterialien, deren Kenntniss
uns zum besseren Verstehen und Würdigen der Bau-
leistungen einer Stadt fast unbedingt nothwendig und
jedenfalls werthvoller erscheint, als eine Zusammenstel-
lung der Preise von Materialien und Arbeitslöhnen, wie
sie der Münchener Führer giebt. Entbehrlich hingegen
ei*8cheineu uns, auch bei einem breit angelegten Führer,
die Kataloge der Gemälde- und anderer Sammlungen,
wie sie dem Wiener Buche einverleibt sind, denn diese
kann man sich mit Leichtigkeit von anderer Seite ver-
schaffen. Auch die Beifügung eines industriellen Adress-
buches, wie es ebenfalls dem letztgenannten Buche bei-
gebunden ist, scheint uns eine nicht wünschenswerthe
Volumensvermehrung desselben und viel zweckmässiger
ist es jedenfalls, wie es in Hannover geschah, die in-
dustriellen Anzeigen als besonderes Heftchen einzulegen.
Fassen wir das bisher Gesagte zusammen, so kom-
men wii' zu dem Schluss, dass die Stadt, die eine tech-
nische Vei*sammlung durch einen speciellen Führer be-
willkommnen und heimisch macheu will, der Alternative
gegenüber steht, entweder eine Festschrift in kurzer
Fassung und möglichst künstlerischer Form zusammen
zu stellen, wofür wir, was die Kürze betrifft, aber auch
darin als Extrem, den Führer durch Berlin mit 56 Seiten
(ohne die Anzeigen), und was die künstlerische Aus-
stattung betrifft „B^arlsruhe im Jahre 1870" als ent-
sprechende Beispiele anführen möchten; — oder, wenn
Zeit und Mitarbeiter zur Genüge vorhanden sind, dass
sie sich um die technische Literatur verdient macht,
indem sie bei der festlichen Veranlassung ein Hand-
buch zusanunenstellt, welches nach Art und Behand-
lung des Münchener und Wiener Führers, neben der
kritischen Besprechiuig der Bauwerke, über Baugeschichte
der Stadt, über städtische Einrichtungen und indu-
strielles Leben ausführlichen Bericht giebt und zu einer
zeitweisen Fortsetzung und Ergänzung geeignet ange-
legt wird.
Notiz, die Herstellung der Nietlöcher betreffend.
In seinem werthvollen Buche „Etüde sur Temploi
de l'acier daus les construction (Seconde Edition, Paris,
J. Baudry, 1875) hat Ingenieur J. Barba neuerdings
eine eingehende experimentelle Vergleichung der ver-
schiedenen Verfahrungsweisen bei Herstellung der Niet-
löcher in Eisen- und Stahlblech durchgeführt. Zu den
Herstellungsweisen auf der Bohrmaschine allein (1) und
auf dem Durchschnitt allein (2) fügt Barba die von
ihm lebhaft empfohlene dritte Methode der combinirten
Herstellung durch Ausscheeren und Ausbohren zugleich
(3): auf dem Durchschnitt wird ein Loch hergestellt,
dessen Durchmesser um ca. 4™'° kleiner ist, als die
Dicke des Nietbolzens, und auf der Bohrmaschine wird
dasselbe zur vollen Weite vergrössert; da nach Barba 's
Versuchen (p. 35) die beim Ausscheeren eintretende
Schwächung des Materials nur bis zu einer Tiefe von
etwa l""" vorschreitet, so wird durch Methode (3) die
schädliche Wirkung des Durchschnittes wieder völlig
beseitigt und man vereinigt gewissermassen die Vor-
theile der beiden älteren Methoden (1) und (2). Barba
hat sich nun bemüht, die Methoden (1) und (3) auch
hinsichtlich des verhältnissmässigen Arbeitsverbrauchs
zu vergleichen und er theilt auf Seite 48 — 50 seines
Buches die Resultate einer hierzu durchgeführten Beob-
achtungsreihe mit. 'Es wurden in Stahlblech von 8""
Dicke je 915 Löcher von 20"™ (mittlerer) Weite zuerst
nach Methode (1) durch Bohren aus dem Vollen und
sodann nach Methode (3) durch Ausscheeren kleinerer
Löcher von 16'"" Weite und Ausbohren auf 20"" her-
gestellt; diese Arbeit erfordeite
bei Methode (1)
bei Methode (3)
f Betriebszeit der Bohrmaschine 65,3 Stunden,
[ Arbeitsstunden eines Arbeiters 65,3
Betriebszeit des Durchschnittes 8,10
„ der Bohrmaschine 29, 1 5
Zusammen 37,3o
Arbeitsstunden beim Ausscheeren 33,o „ *)
Bohren 29, 1 6
Zusammen 62, 15
»
Barba folgert hieraus, dass Methode (3) an Hand-
arbeit etwa 5 Procent, an Maschinenarbeit 42 Procent
ei-sparen läast; gegen die erste Folgerung ist Nichts
einzuwenden, der zweiten liegt aber augenscheinlich die
summarische Annahme zu Grunde, es sei der Arbeits-
verbrauch der benutzten Bohrmaschine demjenigen des
Durchschnittes gleich zu setzen! Die Frage nach dem
verhältnissmässigen Verbrauch an elementarer Betriebs-
kraft, deren Wichtigkeit wohl ausser Zweifel steht, lässt
nun aber auf Grund der von mir im Jahre 1873 ver-
öffentlichten Versuche über Werkzeugmaschinen (Mit-
theilungen der königl. polytechnischen Schule, Heft III)
eine weit schärfere Beantwortung zu, wie nachstehend
gezeigt werden soll.
Am meisten dürfte eine Vergleichung der zur Her-
stellung gleich grosser Nietlöcher nach den Methoden
(1), (2) und (3) unmittelbar vom Werkzeuge ver-
brauchten Arbeitsgrössen (also ohne Rücksicht auf Leer-
gangsarbeit der angewendeten Maschinen) interessiren;
eine solche Vergleichung ist — zunächst für Bleche
von weichem Schmiedeeisen — leicht auszuführen.
a) Vergleichung der Methoden (1) und (2).
Aus der auf S. 145 meines Berichtes enthaltenen
P'ormel (80) ergiebt sich für Schmiedeisen beim Bohren
aus dem Vollen mittels Spitzbohrer, unter Voraus-
setzung einer Lochweite von.d"", der Arbeits verbrauch
für Icbcro zerspantes Material
«, = 270 + ^^^ Met.-Kü (1)
d
Für dasselbe Material hat nach S. 59 der Arbeits-
verbrauch beim Ausscheeren eines Loches in Blech von
(J'°™ Dicke für IQ^" Schnittfläche den Werth
«^ = 25 + l,4ö.d Met.-Kil (2)
Hiernach ergiebt sich die zur Herstellung eines
kreiscylindrischen Loches von d™™ Weite in Eisenblech
von <f"™ Dicke au&uwendende Arbeit
beim Ausbohren aus dem Vollen
A,=
n ,d^ .6
( 270 + - — ) Met.-Kil.
4000
beim Ausscheeren
A,= ^^^^- (25 -f- 1,46. A) Met.-Kil.,
woraus der Quotient
^1 _
10800 -f 270. rf
1000 + 58.'^
(3)
*) Am Durchschnitt waren zur Verschiebung der Blechtafeln
3 Arbeiter erforderlich, ein vierter zur Ueberwachung der Maftchlne.
173
Chizzolini, Versuche über die Leistung einer Schraabenpumpe.
174
sidi ergiebt; derselbe lässt erkemien, wieviel mal für
bestimmte Werthe von d und rf der Arbeitsverbrauch
beim Ausbohren grösser ist als beim Ausscheeren; das
folgende Täfelchen entliält seine Grösse für 9 aus-
gewählte Fälle:
Blechdicke Durchmesser des Nietloches
in Mm. d===d i d=^2d I d = SS
ö
6
5
10
15
9,42
8,55
7,94
10,5
10,3
10,1
11,5
12,0
12,3
Die Ueberlegenheit des Durchschnittes über die
Bohrmaschine in kraftöconomischer Hinsicht ist daher
sehr beträchtlich; bei Erwägung des Umstandes, dass
der Bohrer das zu entfernende Material, welches der
Lochstempel als ungetheilten VoUcylinder liefert, in
feine Späne verwandelt, ist das nicht anders zu erwarten.
b) Vergleiohung der Methoden (1) und (3).
Voraussetzung: Wandstärke des durch Ausbohren
nach dem Ausscheeren zu entfernenden Ringes 2°*°^.
Arbeit zur Ausscheerung des Loches von (d — 4) """
Weite
4, = (rf-4).^^-^ (25+l,45iJ).
Arbeit zur Erweiterung desselben auf den Durch-
messer d durch Ausbohren*)
^3'=0,54.Ä(<?— 2)nr.
*) Beim Ausbohren eines schon vorgebohrten Loches ist als
Arbeitfiwerth für i^"^«^"^ zerspantes Material derjenige Werth zu
wähloi, welcher sich aus Gl. (1) für d = oo ergiebt, also «, ^^
270 '"^*, denn die Späne haben hier ausreichenden Raum zu ihrer
Ausbreitung.
Hiemach berechnet sich (unter Benutzung der
Formel für Ä^) der zur Vergleichung beider Methoden
dienende (^oefficient
rf (270 rf + 10800)
^1 ^
A. + AJ bSd.d + 3160 d — 23^6 — 832Ö'
(4)
Für die schon früher ausgewählten 9 Specialfälle
ergeben sich nun die folgenden Verhältnisszahlen als
Resultat dieser Formel (4):
Blechdicke
in Mm.
Durchmesser des Nietloches
d — ö d — 2S d-=3d
6= 5
ö — 10
^ = 15
7,82 ♦)
5,04
3,80
1
5,40 5,38
5,05 . 5,62
6,2 1 6,08
Man kann hiernach annehmen, dass der unmittel-
bare Arbeitsverbrauch bei Herstellung der Nietlöcher
auf dem Durchschnitt allein (Methode 2) ca.
10
bei
Herstellung durch Ausscheeren und Nachbohren (Me-
thode 3) ca. -=r- von demjenigen Arbeitsquantum beträgt,
o
welches beim Ausbohren aus dem Vollen (Methode 1)
erforderlich ist.
Die hier ermittelten Verliältnisszahlen werden nun
selbstverständlich weiter modificirt, wenn der totale
Arbeitsverbrauch mit Rücksicht auf Leergangsarbeit der
Maschinen, auf Geschwindigkeit des Arbeitens und auf
Betrag der normalen Stillstände in Betracht gezogen
wird; auch hierzu liefern meine Versuche die erforder-
lichen Unterlagen; jedoch wird die Vergleichung als-
dann wegen der grossen Zahl vorauszusetzender Grössen
vortheilhafter in jedem besonderen Falle getrennt aus-
zuführen sein. Dr. Hartig.
*) Dieser Fall ist aus bekannten Gründen nach Methode (3)
praktisch unausführbar.
Versuche über die Leistung einer Schraubenpumpe
von Ingenieur 6. CMzzolinl in Mailand.
Das 8. Heft, Jahrgang 1876, der italienischen Zeit-
schrift II Politecnico, Giomale dell'Ingegnere Architetto Civüe
ed Indnstriale enthält auf Seite 463—469 die Resultate
einiger Versuche über die Leistung einer von Chizzolini
construirten Schraabenpumpe, welche der Aufmerksamkeit
unsrer Leser empfohlen zu werden verdienen.
Diese Schraabenpumpe (Spira idrofora) besteht aus einer
vierflfigligen auf horizontaler Welle befestigten Schraube,
deren Flügel am äussersten Umfang einen Neigungswinkel
von 45^ mit der Rotationsebene bilden und zusammen l,i
Gang ausmachen. Höhe der Schraube (Länge der Nabe)
40""; Durchmesser der Nabe an der Eintrittsstelle 90™™,
an der Austrittsstelle 70™™; Durchmesser der Schraube an
der Eintrittsstelle 140™™, an der Aastrittstelle 150™™. Der
Radkörper ist (wie ein gewöhnlicher Schraubenventilator)
in einen gut anschliessenden gusseisemen Hohlkegel einge-
setzt, dessen kleinere Endfläche die Säugöffnung bildet, wäh-
rend die grössere durch ein Knierohr mit einem verticalen
Chizzolini, Versuche Aber die Leistui^ eiuer Schraubeopuinpe.
176
Aiuguasrohr von 150°"" Weite id Terbindung steht Die
Drebnug wurde durch eisen Riementrieb abertragen. Bü
den Versacben befitnd aich die Pnitipe vollständig im Unter- \
Wasser. I
Von den mitgetbeilteo drei Versuchsreihen bezog sich
die erste, aaf den Zosanunenbaog zwischen roinutlicher Tou-
renzahl der Schraube und Höhe der im Gleichgewidit er-
haltenea WassersSule (Uefemi^smenge Null), die zweite and
dritte auf denselben Zusammenhang bei einer constanten
Liefening von 10,7, beziehentlich 16,6 Liter pro Secnnde.
Die Resultate sind in folgenden Tabellen enthalten:
I. Gelieferte Wassermeuge = 0.
1.
1^ !
5 £ : Verhältnis» '■
I. Verbtütniss I .£ 'S S a S
* I I ■■« * s -
VerhältnisB
576
648
720
3,393
3,AI9
2,3«
2,9fi
3,46
1,104
l,08fl
1.101
0,90
0,68
0,87
0,86
0,BS
2,903
0,7»
3,806
o,7ie
4,S2!
0,115
4,750
0,710
5,ä78
o,G»e
5.630
0,708
11. tiehobones Wasserquaatum pro
Secuude = 10,
Liter.
ll
1 S
ll
1 s
ilri
J|.l
ru, dl. 1 '"" '" f-
Erh»U™g 1 ""S""« ''" Suom.
de.Gl.idi- , "'T'-. f.
Verhiltniss
V
F,
Verh<nisa
V
F,
0,836
624
i 2,940
3,7S,
2,11,
, 1,...
3,363
0,874
0,896
0,350
720
3,=«
4,335
2,68i:>
l.sifi
3,836
0,B84
0,884
0,465
816
3,841
4,913
3,080
1 U.6
4,838
0,907
0,8ea
0,680
888
4,1»!
5,318
3,373
1 1,S1G
4,589
0,911
0,868
0,695
960
4,S!J
5,780
3,698
1 1,216
4,908
0,9S1
0,84»
0,81
1008
4,74S
6,0«9
3,986
i 1,816
5,ao2
0,913
0,857
0,580
91-2
1032
1128
111. Gehobenes Wasserquantum pro Secunde = 16,6 Liter.
4,297
4,86!
5,319
5.491
6,214
6,792
3,373
l,Bt
4,90
5,253
1,047
1,008
0,81»
0,788
0,778
Eine Messung der aufgewendeten Betriebskraft ist nicht
erfolgt, daher die Versuche über den eigentlichen Wirkungs-
grad keine Auskunft geben; jedoch gewähren dieselben den
Vortheil, fOr eine gegebene FOrderhOhe und ein gefordertes
Wasserqnantum die passende Radgeschwindigkeit leicht be-
rechnen zu lassen: Die Umhngsgeschwindigkeit des Bad-
kflrpers ergiebt sich durch Mnitiplication der Summe F aus
theoretischer der Förderhflhe h entsprechender Geschwindig-
keit t'=y2^A plus Wassergeschwindigkeit im Dnu^rohr
mit einem Coefficienten , der in engen Grenzen (0,77 — 0^
bei 16,6 Liter Fdrdermenge) sich bewegt.
Der Verfasser hUt die AusfUhrnng solcher Pampen fltr
ein stündlich gefördertes Wasserquantum von 36 bis 9000*"
(600 bis 150000 Liter pro Minute) für möglich und — im
Vergleich zu den Centrifngalpumpen — fBr öconomisch vor-
tbeilhaft
Zur Theorie der Propellerschraube.*)
Von
C. SzUy,
Frofessor der aiialytischen Mechanik an der königl. pol3rtechni8chen Schule zu Budapest.
„Die Benennung Schraube wird heut zu Tage
für alle Treibapparate gebraucht, die an den Stern
des Schiffes verlegt und von einer Achse aus bewegt
werden, die mit der Richtung des Kieles parallel ist.
Eine wahre Schraubenform hat jedoch nur diejenige
Anordnung, welche zuerst von Smith bei dem Dampf-
schiffe Archimedes angewendet wurde, alle übrigen so-
genannten Schrauben gleichen mehr entweder einer
JonvaTschen Turbine oder einem Windmühlenrad."
„Ein rationelles Verfahren für die Construction
der Schiffsschrauben ist nicht bekannt. Die beste
Form der Flügelflächen konnte bis jetzt aus
mechanistischen Gesetzen nicht Abgeleitet
werden." , •./...
Die Windmühlenradschraube ist nach Redten-
bacher — von ihm rühren die vorstehenden Zeilen
her**) — der gewöhnlichen Schraube sowohMn theo-
retischer wie in praktischer Hinsicht vorzuziehen. Der
theoretische Vortheil soll darin bestehen, dass man bei
der Schraube des Windmühlenrades das Drehungsgesetz
der Erzeugungslinie ganz nach Belieben annehmen und
dadurch vielleicht so wählen kann, dass eine
vortheilhafte Form erzeugt wird; während bei
der gewöhnlichen Schraube ausser dem Neigungswinkel
des äusseren Schraubenganges Alles unabänderlich be-
stimmt ist.
Rühlmann sagt in seinem neuesten Werke über
den fraglichen Gegenstand Folgendes:***)
*) Aus der in Budapest in ungarischer Sprache erscheinenden
technisch-mathematischen Zeitschrift Müegyetemi Lapok (Annalen
des Polytechnikums) durch den Herrn Verfasser ins Deutsche
übertragen und der Redaction zur Verfügung gestellt.
^^) Der Maschinenbau. Mannheim-Heidelberg 1866. Band 3,
S. 225 und 226.
**^) Allgemeine Maschinenlehre. Braunschweig 1872. Vierten
Bandes erste Abtheilung, S. 159.
CiTllioff6Dleur XXIII.
„Was die gegenwärtige Gestalt der Schiffsschrauben
betrifft, so lässt uns leider zu deren Bestim-
mung die Theorie völlig im Unklaren, wie dies
selbst aus den betreffenden Arbeiten des wackeren
Redtenbacher hervorgeht. Daher kommt es auch,
dass fast jeder Schiffsschraubenconstructeur seine be-
sonderen Formen hat, die auf mehr oder weniger em-
pirischen Regeln beruhen."
Unter diesen Umständen schien es mir gerecht-
fertigt zu sein, auf das Problem der bestwirkenden
Schraube die Variationsrechnung anzuwenden; und weil
die Resultate meiner Rechnungen wenigstens in theore-
tischer Hinsicht nicht ganz uninteressant sein dürften,
glaube ich dieselben hiermit veröffentlichen zu können.
Die Aufgabe, die ich mir stellte, ist die folgende:
Eine fläche, in "Wasser getaucht, rotirt mit con-
stanter Winkelgeschwindigkeit um eine Achse, die sich
in unveränderter Richtung mit constanter Geschwindig-
keit vorwärts bewegt. Das Wasser übt in Folge seines
Widei-standes auf jedes Element der Fläche einen Druck
aus, dessen Richtung in die Normale fällt und dessen
Grösse proportional ist der Fläche und dem Quadrate
der normalen Geschwindigkeit. Zwischen gegebenen
Grenzen wird nun jene Fläche gesucht, bei welcher der
Druck des Wassers in der Richtung des Vorwärts-
schreitens ein Maximum oder Minimum ist. Die Rei-
bung wird nicht berücksichtigt.
Da die gesuchte Fläche um eine unveränderliche
Achse rotirt, ist es am zweckinässigsten , cylindrische
Coordinaten zu wählen und zwar so, dass die Cylinder-
achse OZ mit der Rotationsachse zusammenfalle. Der
Ort des Punktes Ä im Räume ist vollständig bestimmt,
sobald dessen Entfernung s von der Ebene X F, ferner
die Entfernung r von der Achse, und endlich seine am
Cylinder gemessene Entfernung von der Ebene ZX,
d. h. die Länge des Kreisbogens ÄQAi = q gegeben
sind. Sei in Ä ein Element der Fläche: df; die Ge-
12
179
Szily, Zur Theorie der Propellerschraube.
180
schwindigkeit , auf das ruhende Wasser bezogen, sei u
{= Const.) ; die Rotationsgeschwindigkeit c^=ra), wobei
10 (= Const.) die Winkel-
geschwindigkeit bedeutet;
sei femer v jene Compo-
nente der Geschwindig-
keit des Elementes, welche
in die Richtung der Nor-
male fällt. Zur Bezeich-
nung der Winkel mögen
die Endpunkte der Schen-
kel in Klammern gesetzt
werden, dann ist die in die Richtung der Normale fal-
lende Geschwindigkeit des Elementes:
v = u.eo8{NU) + c.cos(NC) .... (1)
demzufolge der Normaldruck auf die Fläche' df
dN=Wdf (2)
Zerlegt man diesen Druck nach den orthogonalen
Richtungen AU, ÄC und AR in die Componenten
dPf dQ und diJ, so ist:
dF _ dQ dM_ _ , ^
cos\N U) ~ eos (NC) ~ cos {NR) ~ ' ^^^
Die Projection des Elementes df auf die Ebene
XY ist:
df.co8(NZ) = dr.dq (4)
da im Punkte A^ das Bogenelement dq mit der Rich-
tung der Tangente A^ C^ zusammenfällt. Endlich sind
die Cosinus der Winkel, welche die Normale der Fläche
mit den Richtungen AU^ AC und AR einschliesst,
nach bekannten Relationen:
eos
(i^io=-(^^)-[(^;)+(^;y+i]-7
eos (NC) = — t^ eos(NZ),
dq
eos{N R) = —^\os{N Z).
dr
Wir erhalten somit für die Druckcomponenten fol-
gende Formeln
dr==ivUrdq
dQ^ — iv^^drdq
dq
dR= — tv^^drdq
dr '
(5)
wobei:
-(— %)W;r+<i:)"^']-'- •
(6)
Führen wir statt des Kreisbogens q den Centri-
winkel (p ein, so ist:
und
demzufolge
q = r.(p
dq:=:r.d(p^
dP^=^iv'rdrd(p
,d%
dQ = — iv^^— drdcp
d(p
d%
dJl = — ft?*, rdrdw
dr
(5*)
wobei:
U 00
dz
dq>
VM^'M^'
(6')
+ 1
Seien nun r^, (p^, 0q und r^, cp^y z^ die gegebenen
Grenzen der Fläche; folglich ist die in die Bewegungs-
richtung fallende Kraftcomponente, wenn das constante
u
Yerhältniss — mit h bezeichnet wird.
iO
^1 qPi / dt
'•)'r
To 9o
^dq>) "*"\ir7
,dr.dq> (7)
4-1
Nun ist das Maximum oder Minimum dieses Dop-
pelintegrales zu suchen.
Aus der Variationsrechnung ist bekannt, dass das
Maximum oder Minimum des Doppelintegrales
^i r,
j I Vdrdff
nur dann stattfinden kann, wenn
dV _
d%
In unserem Falle kommt in
— \=0.
V=
(-^i)'
~?\dqi)'^\dr)
+ 1
z explicit nicht vor, somit bleibt:
d /äV\ d / dV
dr I d% I d<p I d%
dr] \ dff
= 0.
181
Szily, Zur Theorie der Propellerschraobe.
182
dz
Die partiellen Differentiationen nach -^ und
dr
ausgeführt und substituirt, wird
dg
d(p
d
d
dr \ dm'
'li-m^w^'i
4-
dtp
Unsere Aufgabe ist mithin auf die Lösung dieser
complicirten Differentialgleichung zurückgeführt. Die
allgemeine Lösung dürfte nach den bis jetzt bekannten
Methoden mit unüberwindlichen Schwierigkeiten ver-
bunden sein. Der Hoffnung einer allgemeinen Lösung
müssen wir daher einstweilen entsagen.
Es findet sich aber eine höchst einfache specielle
Losung, die für die technische Praxis von besonderer
Wichtigkeit zu sein scheint. Redtenbacher geht
nämlich von der Annahme aus, dass die Propeller-
schraube, mag sie zu der Classe der gewöhnlichen
Schrauben oder zu den Windmühlenradschrauben ge-
hören, stets die Eigenschaft besitze, dass ihre Nor-
male in die durch die Richtung der beiden
Geschwindigkeiten — rotirende und fortschrei-
tende Geschwindigkeit — gelegten Ebene fällt.
Machen wir diese Annahme und sehen zu, zu welchen
Resultaten wir geführt werden.
Diese Annahme bedeutet mit anderen Worten, dass
die radiale Componente des Normaldruckes — die wir
früher mit dR bezeichneten — verschwindet. Sei
demnach :
, dz
dJt = — ^v' -r-rdrd(p = 0.
dr
Dieser Gleichung können wir nur so entsprechen,
dass wir
d%
dr
setzen; somit ist e von r unabhängig und nur eine
Function von q>. Die Annahme Redtenbacher 's ist
demnach identisch mit der, dass die Propeller-
schraube eine Conoidfläche sei. Fassen wir dem-
zufolge unsere Aufgabe in diesem Sinne einfacher und
setzen sie so: „Zwischen gegebenen Grenzen wird jene
Conoidfläche gesucht, bei welcher der Druck des Was-
sers in der Bewegungsrichtung ein Maximum oder Mi-
nimum isf
Unter dieser Voraussetzung ist die Differential-
gleichung leicht zu integriren. Denn in diesem Falle
de
-V- gleich gesetzt, geht die allgemeine Differential-
gleichung in die folgende über:
d. h. der in den grossen Klammern stehende Ausdruck
ist von (p unabhängig und nur eine Function von r.
Setzen wir denselben gleich f{r) und lösen die so ent-
dz d SS
standene Gleichung nach ,— , so ist auch -^ nur eine
Function von r, d. h.
d%
d(p
= F(r).
Differentiirt man diese Gleichung nach r, so ist:
1 (^\ —
dr \dg}/
d {dz\_ dF(r)
dr •
Nun ist aber z von r unabhängig, somit:
d. h.
demnach :
bder:
äFjr)
dr ~"'
F{r)= Conti. ^=:a,
d%
dtp
a.
z^aif-^-h
(8)
Die Gleichung der archimedischen Schraubenfläche.
Unter den Cpnoidflächen besitzt mithin nur
die archimedische Schraubenfiäche die Eigen-
schaft, dass die Kraftcomponente in der Rich-
tung der Bewegung ein Maximum oder Mini-
mum wird.
Sehen wir nun zu, ob ein Maximum überhaupt
möglich sei, und wenn ja, bei welchem Neigungswinkel
der Schraube tritt dies ein?
Der Ausdruck für die in die Bewegungsrichtung
fallende Kraftcomponente ist jetzt
P=fw«
■r'-('-f;)'
drd<p
(9)
darin sind k und -^— unabhängig von r, demnach ist
dq>
die Integration nach r leicht ausführbar.
12»
183
Szily, Zur Theorie der Propellerschraube.
184
f^dr
/;
* + (-,
y.=i--(|-y%-P+G' )"]];■
Setzen wir die untere Grenze Vq annähernd gleich
Null, 80 wird
-'~r/(-^y
9o
-(-rf'^)^^"
r,' +
\d(p)
^dg>)
2
dtp.
Bezeichnen wir der Kürze wegen
1 dz
ri dtp
= fi
und
80 wird:
P=^-'^'h' /(l _,)*(i_,.fo^.i±^),^.
Vo
Aus der Variationsrechnung ist bekannt, dass P
ein MaTfiTTniTTi oder Minimum wird, wenn fiir jeden
Werth von (p zwischen den Grenzen yo und^i
d^r<
dfi^>
0,
wobei in unserem Falle :
V = {X-fiY(l^ri'loffnaL^^'^y
= K
^/-ltii±w±^^±yj^^
Ob die Wirkung bei einer gegebenen Schraube
Maximum wird oder nicht, hängt davon ab, ob der
Werth dieses Ausdruckes negativ ist oder nicht. Die-
selbe Schraube wird für verschiedene Werthe von X
einmal von maximaler, ein andermal von minimaler
Wirkung sein.
Bestimmen wir z. B., wie die Schraube beschaffen
sein muss, damit sie bei Ingangsetzung des Schiffes,
wo w = 0, demnach auch A = ist, von maximaler
Wirkung sei.
Dies tritt ein, wenn:
6i2* + 9tr + l
— 61;^ lognat.
1 + ^^
oder anders geschrieben, wenn:
^{l — rf lognat, ^'^~-\ -
Da aber nach (8)
d%
<o,
(1 + rff
<0
(11)
dtp
die Tangente desjenigen Winkels bedeutet, mit welcher
die Schraube in der Entfernung Eins steigt, so ergiebt
sich bei einem Cylinder vom Radius r, der Neigungs-
winkel a daraus, dass:
und:
somit:
dz
'^'^^ = d^
tga =
1 dz
r^ dtp'^
fj=ziga.
Den zweiten Differentialquotienten dieser Function
entwickelt, ist:
2
^ - . . . . (10)
Der eingeführte Werth rj ist mithin die Tangente
des Neigungswinkels der Schraubenlinie am Um&nge
der Schraubenääche. Mit Berücksichtigung dessen ist
die Ungleichung 11 noch so zu schreiben.
^{l-\-2tg^alogn(U.nna) — t>os"a{3 + 2cos'^a)<iO (12)
Fragen wir nun, bei welchen Werthen von a wird
dieser Ausdruck positiv und für welchen negativ?
Durch Versuche kann man leicht ermitteln, dass
für alle Werthe bis
a< 22«^ 39' 27"
der Ausdruck (12) positiv ist, mithin ist die Archi-
medische Schraube von minimaler Wirkung,
d. h. sie hat unter allen Conoidflächen zwischen den-
selben Grenzen (r^, /"i), (tp^, tp^) und (^sfj,, z^) die kleinste
Wirkung.
Sobald aber
a > 22*^ 39' 27"
ist, wird (12) negativ; von hier an ist die archimedische
Schraubenfläche von maximaler Wirkung, d. h. sie hat
eine bessere Wirkung, als jede andere Conoidfläche
zwischen denselben Grenzen.
" Ausdrücklich mag hierbei bemerkt werden, dass
diese numerische Rechnung nur für den Fall gültig ist,
dass k mithin auch die Geschwindigkeit der fortschrei-
tenden Bewegung gleich Null ist. Wenn der Werth
von l verschieden von Null ist, muss man zum Aus-
druck (8) zurückkehren, hierin den g^ebenen Werth
für X substituiren und nunmehr berechnen, für welche
d^ V
Werthe von ij der Ausdruck -j-y negativ wird.
185
Nagel, Zur Literatur der Geodäsie.
186
Fassen ¥nr die Besultate unserer Untersuchung
zusammen:
1) Die Aufgabe, jene Fläche zu bestimmen,
welche im Wasser rotirend und fortschreitend,
für die Componente des Wasserdruckes in der
Richtung des Fortschreitens ein Maximum
giebt — führt auf eine höchst complicirte Diffe-
rentialgleichung, deren Lösung derzeit auf
unüberwindliche Schwierigkeiten zu stossen
scheint.
2) Unter den Conoidflächen kann nur die
archimedische Schraube bestwirkend sein,
denn sie erfüllt allein die Bedingungen des
Maximums oder Minimums.
3) Der Neigungswinkel der unter den Co-
noidflächen bestwirksamen Schraube hängt
vom Verhältnisse der Bewegungs- und der
Drehungsgeschwindigkeit ab. Andere und
andere Neigungswinkel würden der Schraube
auf dem Meere, im Strome aufwärts und im
Strome abwärts zu geben sein.
4) Bei der Abfahrt des Schiffes im ruhenden
Wasser (wenn u noch Null ist) darf der Neigungs-
winkel der conoidalen Schraube nicht unter
22039'27" sein, denn sonst ist die Wirkung
nicht nur nicht Maximum, sondern Minimum.
Zur Literatur der Geodäsie.
Von
Prof. A. Nagel in Dresden.
I. Die praktische Qeometrie seit hundert Jahren.
Es erfüllt sich gegenwärtig gerade ein Jahrhundert,
dass auf dem Gebiete der praktischen Geometrie ein Werk
erschien, welches berufen sein sollte, für diese Wissen-
schaft eine neue] Aera zu eröffiien. Es veröfiFentlichte
nämlich im Jahre 1777 Johann Tobias Mayer (Sohn)
den ersten Theil seines „gründlichen Unterrichts zur
praktischen Geometrie", dem 1779 der zweite, 1783 der
dritte, 1794 der vierte (Anweisung zur Verzeichnung
der Land-, See- und Himmelskarten) und 1808 der
fiinfte Theil (die praktische Stereometrie enthaltend)
folgte.
Diese treffliche, in ihrer Art classische Arbeit, von
der die ersten drei Bände bis zum Jahre 1818 vier
Auflagen erlebten, kann als die Grundlage der haupt-
sächlichsten späteren literarischen Erscheinungen auf
genanntem Gebiete betrachtet werden.
Die Anforderungen, die man im Allgemeinen an
ein Werk über praktische Geometrie zu stellen hat,
sind zu beurtheilen nach den Anforderungen, denen
ein praktischer Geometer genügen muss. Dieser soll
nicht allein mit der für sein Fach nöthigen Geschick-
lichkeit und manuellen Fertigkeit ausgestattet sein und
die einzelnen Messungsmethoden vollständig beherrschen,
sondern er soll auch eine gründliche Kenntniss der in
Anwendung zu bringenden Instrumente haben. Er soll
daher namentlich auch mit der Leistungsfähigkeit und
mit den Eigenthümlichkeiten seiner Instrumente voll-
ständig vertraut sein, um beurtheilen zu können, ob
sie dem Genauigkeitsgrade auch wirklich entsprechen,
der für einen bestinmiten Zweck von seiner Arbeit ge-
fordert wird. Er muss wissen, welche Vortheile in ge-
wissen Fällen das eine Instrument vor dem andern
gewährt, um eine geschickte Auswahl unter den vor-
handenen Hilfsmitteln treffen zu können. Insbesondere
muss er aber im Stande sein, seine Instrumente selbst-
ständig zu prüfen und zu berichtigen, sowie den Ein-
fluss der etwa in der Berichtigung verbleibenden Un-
sicherheiten auf die Messungsresultate zu beurtheilen.
Diese Grundsätze, welche bei fast allen literari-
schen Erscheinungen der Neuzeit mehr oder weniger
in das Auge gefasst werden, sind bereits für Johann
Tobias Mayer bei AbÜEissung seines erwähnten
Werkes leitend gewesen, weshalb er in seiner VoiTede
sagt:
187
Nagel, Zur Literatur der Geodäsie.
188
„Meines Erachtens ist der kein gründlicher
Feldmesser, der nicht zugleich die Richtigkeit
seiner Messungen zu beurtheilen weiss, der nicht
einen ungefähren Ueberschlag machen kann,
unter welchen Umständen er mehr oder weniger
vorsichtig handeln müsse.''
Als Privatdocent an der Universität Göttingen
(von 1773—1779) mit den Vorlesungen und Uebungen
in der praktischen Geometrie betraut, fand Mayer
unter der bisherigen Literatur kein geeignetes Werk,
das seinen Anforderungen in Theorie und Praxis zu-
gleich entsprochen hätte. Die meisten Werke über
Feldmesskunst behandelten ihm den Gegenstand zu
handwerksmässig. Man fand darin weder eine genaue
Theorie und Beschreibung der Messwerkzeuge, noch
Methoden, sie zu prüfen, sie nach der Beschaffenheit
und Zusammensetzung ihrer einzelnen Theile richtig zu
behandeln, ihre Fehler zu schätzen und die Folgen zu
berechnen. Man suchte vergebens nach Hilfsmitteln,
sich in schwierigen Fällen zu helfen und eine schick-
liche Wahl der äussern Umstände zu treffen, unter
denen sich die geodätischen Arbeiten am leichtesten
und zuverlässigsten bewerkstelligen lassen. Diesem
Mangel suchte Mayer durch das erwähnte Werk ab-
zuhelfen, und es ist ihm sein Vorhaben vollständig ge-
lungen. Man sieht aus seiner Darstellung, wie innig
bei ihm die Praxis mit der Theorie verbunden war,
was gerade auf diesem Felde nothwendig ist, wenn
etwas wahrhaft Gutes zu Tage gefordert werden soU.
Namentlich behandelte er die zu damaliger Zeit üblichen,
allerdings nur in sehr beschränkter Anzahl vorhan-
denen, Instrumente der Feldmesskunst ausführlich und
war der Erste, der die Theorie der Fehler, sowohl der
Messwerkzeuge, als der Messungen und deren Folgen,
in einem Werke über praktische Geometrie speciell be-
handelte, eine Theorie, die sich theilweise den Arbeiten
Lambert 's und Kästner 's anschloss und zumeist
gegenwärtig noch als maassgebend erachtet wird.
Mayer 's reichhaltiges Werk, dem nur das Eine,
nämlich die systematische, leicht zu übersehende An-
ordnung abging, wie wir sie an neueren Werken ge-
wöhnt sind, hat viele Jahre als die einzige lautere
Quelle gegolten, welche die gesammte Vermessungskunde
umfiEisste und aus der sich der praktische Geometer
Baths erholen konnte. Neuere Erfahrungen und Fort-
schritte auf dem Gebiete der Geodäsie und der Instrumen-
tenmechanik, an denen die seit dem zweiten Decennium
dieses Jahrhunderts in Fluss gebrachten sogenannten
Katastervermessungen einen nicht geringen Antheil
haben, erheischten auch neuere Bearbeitungen der Geo-
däsie, unter denen wir insbesondere des im Jahre 1832
in Göttingen erschienenen Lehrbuchs der praktischen
Geometrie von Ullrich zu gedenken haben, das in
systematischer Anordnung des mit der erforderlichen
Kürze und Klarheit behandelten Stoffes den G^ist
May er 's in der folgenden Generation lebendig erhielt
Es ist nicht die Schuld des letztgenannten Buches,
wenn es nicht — wie es allerdings hätte berufen sein
sollen — im Stande gewesen ist, die Empirie im Ver-
messungsfache ganz zu vernichten, da es redlich daza
beizutragen gesucht hat, dem Feldmesser die ihm nö-
thigen Kenntnisse zu vermitteln; der Grund ist viel-
mehr zu suchen in der geringen Vorbildung der aus-
übenden Feldmesser, die für ihren Beruf meist nur
handwerksmässig angelernt wurden und die so die Em-
pirie auf die Nachkommenschaft vererbten. Ausser den
Militärschulen, an denen die Geodäsie speciell mit Rück-
sicht auf militärische Zwecke gelehrt wurde, existirten
besondere Anstalten für eine wissenschaftliche Fach-
ausbildung nicht und die Universität, die neben der
Astronomie auch nur ausnahmsweise (wie in Göttingen)
Vorlesungen auf diesem Gebiete bot, war solchen Leuten
nicht zugänglich.
Erst mit dem Beginne der Eisenbahnbauten am
Ende der dreissiger und zu Anfang der vierziger Jahre
dieses Jahrhunderts wurde in einem Theile des mit
Vermessungen beschäftigten .Personals eine grössere
Wissenschaftlichkeit rege. Die mit dem Eisenbahnbau
betrauten Ingenieure, denen ja ohnedies eine grössere
Intelligenz inne wohnen musste, als den gewöhnlichen
Feldmessern, hatten die Grundlage für ihre Bauten durch
Messungen sich meist selbst zu schaffen. Es war
daher auch nothwendig, den Unterricht in praktischer
Geometrie an diejenigen Stätten zu verpflanzen, an
denen die Ingenieure gebildet wurden, nämlich an die
poljrtechnischen Schulen, die zumeist erst wenige Jahre
vorher gegründet worden waren.
Die älteste dieser Anstalten in Deutschland, das
im Jahre 1815 eröffnete polytechnische Institut zu
Wien, war zugleich die einzige, an welcher viel früher,
nämlich im Jahre 1818, eine Professur für praktische
Geometrie errichtet wurde, um, wie der veröffentlichte
Organisationsplan besagte, „durch selbige den Land-
und Feldmesser, den Ingenieur, Markscheider zu büden
und als Hil&wissenschaft für den Land- und Wasser-
bau, für den Strassenbau, für den Bergbau und für die
Landwirthschaft zu dienen.'* In diesem Institute sind
lange vor dem Eintritt der Eisenbahnbauperiode viele
Geometer, namentlich auch solche, die später an der
österreichischen Landes- (Katastral-) Vermessung mit
thätig waren, zuerst durch den Professor v. Gerstner
189
Nagel, Zur Literatur der Geodäsie.
190
und dann, vom Jahre 1826 an, durch den Professor
S. Stampfer gebildet worden.
Der Beginn, der Eisenbahnbauten in Deutschland
ist daher wiederum als der Beginn einer neuen Epoche
für die praktische Geometrie zu betrachten. Denn ver-
folgt man seit dieser Zeit die Literatur unserer Wissen-
schaft, so wird man die enormen Fortschritte erkennen,
die eines Theils in den letzten 40 Jahren selbst, dann
aber auch dem vor hundert Jahren erschienenen Werke
Johann Tobias Mayer's gegenüber in der praktischen
Geometrie stattgefunden haben.
Wir glauben das hundertjährige Gedächtniss an
das Erscheinen des reformatorischen Werkes Mayer's
am besten zu ehren, wenn wir an der Hand desselben
eine vergleichende Uebersicht bezüglich des Standes
der geodätischen Wissenschaft in den Jahren 1777 und
1877 geben, um dann in einem folgenden Artikel un-
sere literarische Revue mit drei der hervorragendsten
geodätischen Werke der Neuzeit zu beginnen, welche
den erwähnten Fortschritt in den letzten Decennien am
meisten erkennen lassen.
Die vergleichende Uebersicht kann nicht erschö-
pfend sein; wir heben vielmehr nur einige der haupt-
sächlichsten Gegenstände der in B.ede stehenden Wis-
senschaft heraus, da es offenbar zu weit fuhren würde,
in dieser Weise aller Zweige der praktischen Geometrie
gleichmässig zu gedenken. Namentlich werden wir
hierbei die Messinstrumente und einzelne Theile der-
selben berücksichtigen, wozu wir aber ausdrücklich be-
merken, dass wir uns dabei rein an die Mayer 'sehe
Schrift halten, ohne damit ausdrücken zu wollen, dass
man nicht schon damals, insbesondere in der Astro-
nomie, vollkommenere Constructionen gekannt habe.
Die praktische Geometrie hat ja von jeher ihre Mess-
instrumente erst der astronomischen Messkunst entlehnt.
Wenn man sich aber zur Zeit Mayer's in der prak-
tischen Geometrie*) mit möglichst einfachen Werkzeugen
begnügte, so waren hierbei ökonomische Rücksichten,
sowie die Ansicht maassgebend, dass für die gewöhn-
lichen geodätischen Zwecke die einfachen Instrumente
ausreichend seien.
1777.
1877,
Röhrenliheile.
Mayer hält die Glasröhre für „genau cylindrisch*' und
empfiehlt daher, sie mit besonderer Vorsicht auszuschleifen und
zu poliren.**) Der Röhrenrücken wird sonach im Innern fftr ge-
radlinig***) gehalten.
Füllung mit Wasser oder Weingeist; Blase: atmosphärische
Luft.
Empfindlichkeit der Libelle ist nach Mayer mit Beweg-
lichkeit der Luftblase gleichbedeutend.
Die Glasröhre tonnenförmig ausgeschliffen, und zwar
zuerst von Reichenbach und Frauenhofer. Dadurch wird
ein im Innern nach oben gekrümmter Röhrenrücken erzeugt, an
dessen höchstem Punkte die Luftblase zur Ruhe kommt Gerad-
linigkeit des Röhrenrtickens daher unbrauchbar.
Füllung mit Weingeist, dann besteht die Blase ans atmo-
sphärischer Luft. Bessere Libellen aber mit Schwefeläther ge-
füllt, so dass die Blase aus Aetherdampf besteht, um bei erhöhter
Temperatur gefährliche Spannungen im Gefässe zu vermeiden.
Empfindlichkeit proportional dem Halbmesser des kreis-
förmig ausgeschliffenen Röhrenrückens.
Die Beweglichkeit der Blase abhängig unter Anderem von
der Glattheit der inneren Röhrenwand. Sie befördert das schnel-
lere Einspielen.
Graphische WinkelmeBBer.
1) Zollmann' sehe Scheibe, jedoch von Mayer nicht be-
sonders empfohlen.
2) Messtisch, obwohl mit Azimuthaibewegung und Horizon-
talstdlung versehen, noch in sehr unvollkommener Ausführung.
Die Marinoni*sche Planchettenverschiebong, bereits im Jahre
1761 veröffentlicht, hat Mayer' zwar erwähnt, aber nicht be-
schrieben.
*) Nur von dieser, der sogenannten niederen Messkunst, ist
hauptsächlich im Mayer*schen Werke die Rede, die höheren
Messungen zur Bestimmungen der Grösse und Gestalt der Erde'
Bind ausgeschlossen.
**) Bohnenberger verweist in seiner^ Anleitung zur geogra-
pluBchen Ortsbestimmung (1796) bezOfflicl) der Anfertigunff einer
gaten Libelle auf das in Rede stehende M ayer'sche Werk.
1) Zollmann*8che Scheibe ist als vollständig beseitigt zu
betrachten.
2) Messtische mit feiner Azimuthaibewegung, HorizontaLstel-
lung und Planchetten- oder Kopfverschiebung in sehr vollkommner
Ausführung durch Reichenbach, Kraft, Starke, Osterland,
Lingke, Bauernfeind und Andere.
Neues Princip der Horizontalstellung von Jahns ^1864).
Diese Anschauung Mayer's erscheint wunderbar, da die
Libelle zu damaliger Zeit oereits über 100 Jahre bekannt und im
Gebrauche war. Wenn man diese dargelegte Ansicht nur auf
eine unbestimmte oder unklare Ausdrucksweise zurückführen
woUte, so wird dem dadurch widersprochen, dass Mayer an ver-
schiedenen Stellen und unter verschiedenen Umständen wiederholt
betont: die Libelle müsse genau cylindrisch sein.
191
Nagel, Zur Literstar der Geodäsie.
192
1777,
1877.
Da* dazu geharmde VütrUneal.
1) Das Oculardiopter mit Yisirspaite.
Diopterlineal meist mit der Visirebene in der Linealmitte,
weil Mayer den Fehler, der daraus entspringt, für so klein hftlt,
dass er, mit Rücksicht auf andere grössere Fehlerquellen, vernach-
lässigt werden kann.
2) Ein Femrohr statt der Diopter wurde nur selten ange-
bracht und dann war ein solches Instrument ohne jede Einrich-
tung für. die Correction desselben. Mayer schlug vor, das Fem-
rohr zur Verwohlfeilerung desselben aus Holz herzustellen.
1) Oculardiopter mit runden Oeffhungen*
Visirebene stets durch die Linealkante gehend.
Constraction des Werkzeugs mit Rücksicht auf das Minimum
des Visurfehlers.
2) Kippregel zum Durchschlagen des Fernrohrs und den
nöthigen Einrichtungen zum Justiren. Libelle auf der hori-
zontalen Drehungsachse des Femrohrs nach Kraft, Starke,
Bauernfeind und Andern, zur genauen Yerticalstellung der
Visirebene.
Kippregel mit distanzmessendem Fernrohr.
DurchsekmUUeher Vtsur/ehler.
1) Mayer giebt denselben für Diopter zu 2 Minuten an.
2) Der Yisurfehler mit Femrohr hängt nach Tobias Mayer
(Vater) .von der Länge des Femrohrs ab. Er giebt denselben
für ein Vi Fuss langes Rohr zu 15'', fOr ein 1 Fuss langes zu
10" u. s. f., für 30 Fuss Länge zu 1,6" an.
1) Nach Stampf er *8 Versuchen bei zweckmässiger Constrac-
tion des Diopters bezüglich der Weite der Ocularöfihung, der Fa-
denstärke und der Entfernung der Diopter zu 15 Secunden anzu-
nehmen.
Runde Oeffiiungen besser als Spalten.
Zweckmässig ist es, den Raum zwischen beiden Dioptern
durch eine Röhre abzuschliessen.
2) Stampfer findet für gute achromatische Femröhre mit
massiger Vergrösserung den Yisurfehler umgekehrt proportional
15"
der Vergrösserung und setzt ihn nahe =- - , wenn v die Ver-
grösserung des Femrohrs ist.
Für kleine Fernrohre zum Vor- und Rückvisiren mit der
Vergrösserung =1 findet er den durchschnittlichen Yisurfehler
zu 5".
Vergrösserung des Femrohrs für geodätische Zwecke,
Mayer spricht sich darüber nicht aus, nur an einer Stelle
giebt er für ein spedelles Femrohr eine 20 malige Vergrösserung an.
Stampfer empfiehlt für geodätische Femrohre möglichst
grosse Helligkeit und ein grosses Gesichtsfeld und hält di^her die
Yergrösserungszahl für zweckfDässig , wenn sie sich zwischen der
einfachen und doppelten in Zollen ausgedrückten Brennweite be-
findet.
Graphische und mechanische Losung der Pothenot' sehen Aufgabe. RückwärUahschneiden.
1) Die Mayer*sche graphische directe Lösung ist der später
von Bohnenberger gegebenen sehr ähnlich.
2) Indirecte graphische Lösungen giebt Mayer nicht.
3) Als mechaiusche Lösung empfiehlt Mayer das Brand er *-
sehe Verfahren mittelst eines Zirkels mit drei Spitzen, die so
gegeneinander gestellt werden, dass sie ein verjüngtes Bild von
dem in der Natur gegebenen Dreieck darstellen. Die drei Zirkel-
spitzen werden nun auf die drei von einem willkürlich angenom-
menen Punkte gezogenen Visirlinien eingestellt, wodurch die Lage
des 4. (angenommenen) Punktes gegen die drei gegebenen be-
stimmt ist.
1) Unter den vielen directen Lösungen sind die von Bohnen-
berger, Netto und Leonhardi am anwendbarsten.
2) Von den indirecten Lösungen werden die Schickhard*-
sche, die Lehmann'sche und die Bohnenberger'sche am
meisten in Anwendung gebracht.
3) Als eine mechanische Lösung kann das umgekehrte Br an-
der *sche Verfahren angesehen werden, nach welchem die drei
Visirlinien nach den gegebenen Punkten auf Pauspapier gezeichnet
und dann auf dem auf dem Messtische gegebenen Dreiecke so
lange verschoben werden, bis sie durch die drei gegebenen Punkte
gehen. Der gemeinschaftliche Scheitelpunkt der beiden Winkel
auf dem Pauspapier ist dann der gesuchte Punkt und braucht
nur auf das Menselblatt mittelst Durchstechens übergetragen zo
werden.
4) Mit Hilfe des von Bauernfeind erfundenen Einschneide»
zirkeis werden die Schickhar duschen Kreise durch die Ecken
des fehlerzeigenden Dreiecks construirt und der Schnittpunkt der^
selben als der gesuchte Punkt bezeichnet.
193
Nagel, Zur Literatur der Geodäsie.
194
1777.
Abstfckung reehUr Winkel,
1877.
1) Nach dem Aagcnmaasse bei Kettenmessungen.
2) Mit der Kette in der Natur, wie mit dem Zirkel auf dem
Papier. Pythagoräisches Dreieck.
3) Winkelhaken »= Winkelmaass (der Baugewerken) für Ketten-
messungen.
4) Die Kreuzscheibe »i Winkelkreuz war schon vor Mayer
l&ngst bekannt und angewendet*), ist aber in der 1. Auflage nicht
aufgeführt. In der 3. Auflage findet sie sich, aber nur ganz kurz
erwähnt.
1) Desgl., aber mit der Beschränkung auf kurze Ordinaten
und auf die Höhen der Dreiecke bei Flächeninhaltsbestimmungen»
2) Ebenso wie nebenstehend.
3) Nur in sehr beschranktem Maasse bei Grundabsteckungen
für Bauten.
4) Winkelkreuz mit Stiften, das bessere mit Dioptern. Win-
kelscheibe.
5) Adams*scher Winkelspiegel.
6) Das Bauernfeind*8che Prismenkreuz.
7) Das Bauernfeind*sche Spiegelprisma.
8) Das Wol]aston*sche Glasprisma u. dergl.
Absteckung gestreckter und halber rechter Winkel,
Gestreckte Winkel nur mit Stäben. 45® -Winkel gar nicht
(Die römische Groma wurde auch zur Absteckung gestreckter
Winkel benutzt.)
Gestreckte Winkel mit den zuletzt sub 6) und 7), 45®- Winkel
mit den sub 7) und 8) aufgeführten Werkzeugen.
Vollkreis oder Kreisbogen für Wittkelniessinstrumente.
Für Horizontal- und schiefe Winkel: meist Vollkreis, auch
Halbkreis; für Verticalwinkel : Quadrant, auch Vollkreis.
Mayer hält sogar Quadranten für Horizontalwinkel für vor-
theilhaft. weil der Halbmesser grösser genommen werden könne,
ohne dass das Instrument kostspieliger und schwerer werde.
Meist nur Vollkreise.
Nur der Spiegelsextant und einzelne Höhenbogen von gerin-
gerer Bedeutung treten als Theile eines ganzen Kreises auf.
Kreidheüung.
Mayer empfiehlt, dieselbe mit dem Stangenzirkel zu be-
wirken, da er die von den Mechanikern mit der Theilscheibe
ausgeführten Thcilungen mangelhaft befunden habe. Er hat
z. B. an solchen Kreisen Theilungsfehler bis zu 6' entdeckt.**)
May er 's Instrument enthielt nur Gradstriche bei 12 Zoll
Durchmesser des Kreises.
Jeder Kreis war gewöhnlich mit 2 Theilungen versehen; die
eine mit 360° die andere mit 384** für die ganze Peripherie.
Mittelst der zuerst von Ramsden und dann von Beichen-
bach und Andern construirten Kreistheilmaschinen werden gute
Kreistheilungen ausgeführt, an denen die Theilungsfehler selten
2" überschreiten.
An geodätischen Instrumenten geht die directe Theilung je
nach der Grösse der Kreise (5 bis 12 Zoll Durchmesser) bis zu
Vn Ve» j* ^^ den feinsten bis zu Vis Grad.
Jeder Kreis enthält nur eine Theilung: entweder die alte
Theilung der Peripherie in 360®, oder die neue in 400®.
Untertheilung = Subdivisian des Kreises.
1) Transversalentheilung.
2) Nonius -= Vemier.
3) Mikrometerschraube, mit der die Alhidade bewegt und der
Raum zwischen deren Index und dem nächstvorhergehenden Theil-
strich gemessen wird.***)
4) Die beiden bereits erwähnten, auf demselben Kreisrande
angebrachten Theilungen der Peripherie in 360® und 384''. welche
einander zur Controle dienen.
Die Ablesungen nur bis etwa 2 Minuten.
*) Man denke an die römische Groma.
**) Auch Bohnen ber^er beschreibt a. a. 0. die Kreisthei-
lung mit Stangenzirkel. Die bessern Theilungen wurden zuerst
von Ramsden ausgeführt und datiren vom Jahre 1763, in wel-
chem er seine erste Kreistheilmascfaine vollendete, der im Jahre
1778 die zweite vollkommnere folgte. Mayer sagte in der
4ritten Auflage seines Werkes (1802): Es würde ein Kreis von
CiTfUnr«nlear ZXUI.
1) Transversalen-Kreis theilungen existiren nicht mehr.
2) Nonius.
3) Die Mikrometerschraube in nebenstehendem Sinne kommt
nur noch selten vor; dagegen sind an deren Stelle auch für geo-
dätische Instrumente die mikrometrischen Mikroskope (Mikroskop-
Mikrometer oder auch Schraubenmikrometer genannt) getreten.
4) Dieses Hilfsmittel gänzlich verlassen.
Die AblesuÄgen gehen bis zu 1', 30'', 20", 10" und 5" mit
Nonius, ja bis zu Secunden und Bruchtheilen derselben mit
mikrometrischem Mikroskop.
18—20 Zoll Durchmesser und der Fleiss eines Ramsden dazu
gehören, wenn die TheUstriche auf 1 Bfinute sicher sein sollten.
**) Maver sagt: er bediene sich ungern des Nonius, son-
dern ziehe die Mikrometerschraube vor.
13
196
Nagel, Zar Literatur der Geodäsie.
196
1777.
1) Astrolabium mit Dioptern, einem Halb- oder einem Voll-
kreise, und auch im letztem Falle nur mit einem Nonius.
Nussbewegung mit Hülse auf Zapfenstati?«
2) Astrolabium nach May er 's Angabe mit Femrohr bis zu
höchstens 20^ Neigung kippend, mit einer 90^- und einer 96*^-Thei-
lung, Alhidadenregel, einem Nonius und einer Mikrometer-
schraube zur feinern Ablesung der Theilung, ohne wesentliche
Justimngsvorrichtung. Vor Mayer existirten Astrolabien, an
denen das Femrohr parallel mit dem Kreise angebracht war, die
also nur zum Messen schiefer Winkel benutzt werden konnten.
Das Instrument des Vaters von Mayer war ein solches.
3) Repetition der Winkel. Die Einstellung des Fem-
rohrs auf das eine Object erfolgte stets durch Drehen des ganzen
Instnimentes auf dem Stativzapfen, der durch eine angebrachte
feine Bewegung die nöthige Schärfe gegeben werden konnte. Die
Einstellung auf das zweite Object geschah sodann mit der Alhi-
dade, die während der ersten Einstellung mit dem Limbus mit-
telst der an der Peripherie desselben wirkenden Halterplatte fest-
geklemmt war.*)
1877.
WinkelmessiiMtrttment für Hortzontalmnkel.
1) Astrolabien fast vollständig ausser Gebrauch.
2) An die Stelle des Astrolabiums ist der Theodolit mit
langer Alhidadenaxe, Alhidadenkreis und Dreifuss, sowie allen
jenen Vorrichtungen getreten, die eines Theils zur Erleichterung
der Justirung, andem Theils zur Elimination der constanten Fehler
aus der Winkelmessung angebracht sind, wozu namentlich ge-
hören: das durchschlagbare oder umlegbare Femrohr und zwei
diametrale NonieiKoder mikrometrische Mikroskope.
3) Die Repetition der Winkel wurde durch Bor da in ver-
vollkommneter Weise auf den Mayer-Borda*schen Reflezious-
kreis, dann aber mit grossem Vortheil von Reichenbach auf
den Theodolit angewendet. An dem heutigen Repetitionstheodolit
dreht sich der Limbus ebenso um eine besondere Achse, wie die
Alhidade, welche Bewegungen d^rch Klemmvorrichtungen, die
man aber zur grösseren Sicherheit nicht mehr an der Peripherie
' des Kreises anbringt, aufgehoben werden können.
Die Repetition der Winkel wird gegenwärtig mit Vortheil
nur noch mit Instrumenten in Anwendung gebracht, bei denen
die Subdivision mittelst Nonius eijplgt und die Noniusangabe
wesentlich grösser ist als der Visurfehler.
Fehler in der WinkelmenHung wegen der Excentricität der Alhidade und Elmiination desselben.
Mayer entwickelt die Formel für genannten Fehler, giebt
aber nicht die Mittel an, um diese bedeutende Unsicherheit ohne
Rechnung aus der Winkelmessung zu eliminiren. **)
Er empfiehlt daher möglichst genaue Anfertigung des Instm-
mentes und nur andeutimgsweise die Beseitigung eines solchen
Fehlers durch Rechnung, zugleich aber auf die Schwierigkeit der
Bestimmung der hierzu erforderlichen Excentricitätselemente hin-
weisend.
Die Mayer*8che Formel zur Berechnung des fraglichen Feh-
lers besteht noch. Der Fehler wird aber jetzt durch das arith-
metische Mittel diametraler Ablesungen eliminirt, die ent^
weder durch diametrale Indices (Nonien u. s. w.) oder mittelst
Durchschlagens des Femrohrs und Messens des Winkels in beiden
Lagen des Fernrohrs erhalten werden. Nur bei Theilen von
Kreisen, wie beim Spiegelsextant, muss die Elindnation durch
Rechnung erfolgen.
Bestvnwnttng der ExcentricüätsehtnenU»
Mayer lehrt die Untersuchung der centrischen Lage der
Alhidade gegen den Limbus durch die Beobachtung, ob beim
Drehen der Alhidade, nach und nach bis zu 360 ", das Ende der-
selben inmier gleich weit vom eingeth eilten Kreise entfemt bleibe,
empfiehlt, den dabei sich etwa ergebenden grössten und kleinsten
Abstand mit dem Haarzirkel zu messen, deren Differenz als die
Excentricität der Alhidade zu betrachten, für die Richtung der-
selben aber die Ablesung der Stelle am Elreise einzuführen, an
welcher der erwähnte kleinste Abstand gefunden wurde.
Mit Hilfe der diametralen Indices können jetzt die Elxcen-
tricitätselemente durch Ablesungen, die man in zwei um 180® von
einander verschiedenen Stellungen derselben macht, sehr scharf
bestimmt werden. Aber auch bei Instrumenten, die nur mit einem
Index versehen werden können, wie am Spiegelsextant, lassen sich
die Excentricitätselemente auf rationelle Weise durch Messung
zweier oder mehrerer Winkel von verschiedener, aber bekannter
Grösse ermitteln, um damit nöthigenfalls die Correctionen zu be-
rechnen, die an den mit einem solchen Instrument gemessenen
Winkeln anzubringen sind.
Fehler in der HorizarUalwinkel- Messung^ wenn die horizontale Drehungsachse des Fernrohres nicht rechtwinklig zur veriseakn
Umdrehungsachse der Alhidade ist, Elimination desselben.
m
Mayer bezeichnet diesen Fehler als solchen, welcher in der Dieselbe Formel zur Beurtheilung des Fehlers.
Winkelmessung entsteht, wenn die Visirebene des Femrohres Beseitigung desselben mit Compensationstheodoliten durch
nicht rechtwinklig auf dem Werkzeuge steht, also bei horizontaler das arithmetische Mittel zweier Winkelwerthe, welche man durdt
Lage des letztem nicht vertical ist. Er stellt die Formel für den
*) Diese Methode der Winkelmessung wurde von Tobias
Mayer (Vater) erfunden, im Jahre 1752 zuerst bekannt gemacht
und zunächst auf seinen Recipiangel angewendet.
**) Im Maximum kann der Fehler x** ^ 412530'' -— betragen.
Messung in beiden Lagen des Femrohres vor und nach dem
wenn e die Excentricität der Alhidade und r der Halbmener dit
Kreises ist Hätte der Kreis 60 Millimeter Halbmesser, so wtrde
eine so geringe Excentricität von f«=»0,05 IGUimetani eines
Fehler erzeugen, der sich zwischen —844" und -^844'^ bewegt
197
Nagel, Zur Literatur der Geodäsie.
198
1777.
Fehler auf und zeigt, wie derselbe durch Rechnung aus der
Winkelmessung beseitigt werden kann, wenn die Neigung der
horizontalen Drehungsachse gegen den Horizont, sowie die Eleva-
tionswinkel der beiden Yisuren bekannt sind.
Die Neigung der Visirebene und damit die zur Correctur er-
forderliche Neigung der horizontalen Achse bestimmt er mittelbar
durch Visiren nach einem Lothfaden in verschiedenen bekannten
Lagen des Femrohrs. ^
Ein anderes Mittel zur Elimination des Fehlers giebt er nicht,
sondern empfiehlt zur Vermeidung desselben den Kreis mittelst
der Libelle möglichst genau horizontal zu stellen (die Vertical-
Btellung der verticalcn Achse, auf die es besonders ankommt, wird
gar nicht in Frage gezogen) und darauf den nach dem Lothfaden
sich ergebenden Fehler in der verticalen Lage der Visirebene
durch Verstellen des Trägers der horizontalen Achse mittelst der
Stellschrauben am Fusse desselben zu beseitigen.
1877.
Durchschlagen oder Umlegen desselben (nicht Umlegen der Achse)
erhält.
Eine möglichst genaue Bechtwinkligstellung beider Achsen ist
durch die Einrichtung der Verschiebung des einen Lagers |der
horizontalen Achse mittelst Zug- und Druckschraube in verticaler
Richtung ermöglicht. Das Mittel zur Prüfung gewährt die auf
die Achse aufsetzbare Libelle.*
Ist eine solche nicht vorhanden, so kann die rechtwinklige
Lage beider Achsen durch Visiren nach hoch- und tiefgelegenen
Objecten in beiden Lagen des Femrohrs constatirt oder nöthi-
genfalls herbeigeführt werden.
Ist das Instmment zum Compensiren nicht eiugerichtet, so
würde die Prüfung nach einem hochgelegenen Object und nach
dessen Bild in einem Horizontalspiegel zu erfolgen haben.
Fehl^ in der Winkehtienftwig wegen nicht rechtwinkliger Lage der Visir- und der ]iori%ontal^% Drehachse,
Mayer hält diesen Fehler für so unbeträchtlich, dass er es
nicht für nöthig erachtet, denselben mit in Erwägung zu ziehen;
auch giebt er kein Mittel an, die rechtwinklige Lage beider Achsen
zu prüfen und nöthigenfall^zu berichtigen.
Dieser wesentlich geringer als der vorige auftretende Fehler
wird gleichfalls durch das soeben erwähnte Compensationsver-
fahren eliminirt» Uebrigens wird die rechtwinklige Lage beider
Achsen leicht durch Visiren nach einem entfemten, im Horizont
des Instrumentes liegenden Punkte, darauf folgendes Umlegen der
horizontalen Drehachse in den Lagern und nochmaliges Visiren ge-
prüft und durch seitliches Verschieben des Fadenkreuzes herbei-
geführt. Ausser dieser sehr einfachen Methode giebt es noch
mehrere andere Methoden der Prüfung.
Fehler in der Horizontalwinkehnesstmg wegen der nicht genauen Verticalsteüung der verticalen Drehungsachse.
Mayer untersucht diesen Fehler als solchen, der von der
nicht genauen horizontalen Lage der Ebene des Werkzeuges her-
rührt hind giebt Formeln dafür, welche aber noch der Verein-
fachung fähig sind.
Beseitigung dieses Fehlers nur durch genaue Horizontalstel-
lung des Kreises mit einer guten Wasserwaage, so dass die Un-
sicherheit derselben höchstens 10' und daher der daraus entsprin-
gende Fehler höchstens 4' bis 5' betrage.
Abgekürzte Formel für diesen Fehler, der nur von der Nei-
gung der Verticalachse und nicht eigentlich von der geneigten Lage
des Horizontalkreises abhängt (Der Horizontalkreis soll recht-
winklig zur Verticalachse sein; eine kleine Abweichung schadet
aber nichts, wenn nur die Verticalachse wirklich vertical steht)
Die Verticalachse des Theodoliten lässt sich mit grosser Schärfe
durch die auf der Horizontalachse sitzende oder mit deren Trägem
verbundene Libelle, die ja eine grosse Empfindlichkeit (bis zu
2" pro Scalentheilausschlag der Blase) erhalten kann, vertical
stellen.
Mit einer solchen Libelle kann auch die Neigung der Ver-
ticalachse ihrer Lage und Grösse nach bestimmt und damit nöthigen*
falls die an dem gemessenen Winkel anzubringende kleine Cor-
rection berechnet werden.
Eine Elimination dieses Fehlers durch die Art der Winkel-
'■ messung ist nicht möglich.
GrÖsster Fehler in der ffinkelmessung ^ insoweit derselbe von umermeidUehen Beohachtungsfehlem herrührt.
Nach Mayer*s Erfahmng 2 bis 3 Minuten. | Hängt von der Genauigkeit des Instramentes ab. Man kann
ihn bei kleinem Instramenten gleich der Noniusangabe annehmen«
Bei feinem Instrumenten hängt er noch von der Genauigkeit der
Visur und von dem Zustande der Luft ab und kaim bis zu 5 Se-
cunden betragen.
Distanzmesser.
Die Distanzmessung wird von Mayer die „Messung
Ton Entfernungen aus einem einzigen Stande*' genannt.
Er empfiehlt daau das Pacecciani'sche Pantometer, weiches
nach heutigen Begriffen ein Distamsmesser ohne Distanslatte ist
Verschiedene Distanzmesser, die in solche mit Distanzlatte
and in solche ohne Distanzlatte eingetheilt werden.
Darunter sind die gangbarsten mit Distanzlatte:
1) das distanzmessende Femrohr von Reichenbach;
18*
199
Nagel, Zur Literatur der Geodäsie.
200
1777.
Tiud aus zwei auf einer Platte nahezu parallel befestigten 4 bis
5 Fuss von einander entfernten Femröhren besteht, von- denen
das eine sich in der Ebene beider etwas drehen l&sst. Diese
Drehung kann auf einer kurzen Theilung mit Mikrometerschraube
gemessen und somit beim Einstellen beider Femröhre auf einen
entfemten Gegenstand der parallaktische Winkel, unter dem beide
Femröhre Yon diesem Gegenstande aus erscheinen, bestimmt und
daraus, sowie aus der bekannten Entfemung der Femrohre die
Distanz berechnet werden.*)
1877,
2) das distanzmessende Femrohr von Porro;
8) das Stampfer*sche Nivellirinstmment als Distanzmesser;
ohne Distanzlatte:
4) der Martins^sche Distanzmesser, gegründet auf die Theorie
des Spiegelsextanten.
Das Reichenbach^sche und das Porro*sche distanzmes^
sende Femrohr werden zu UniversalniYellirinstramenten verwendet;
welche in neuerer Zeit den nicht ganz passenden Namen Tacby»
meter erhalten haben.
Fläehenbereehmmg der Folygmie^ insbesondere nach Qrundrüsen,
1) Zerlegung des Polygons in Dreiecke und Bestimmung
der einzelnen Dreiecksinhalte aus den drei Seiten**) oder aus der
l&ngsten Gmndlinie und der zugehörenden Höhe.***)
2) Zerlegung der Polygone auf dem Papiere in Trapeze durch
parallele Linien, die durch die einzelnen Eckpunkte führen.
3)* Bestimmung der erforderlichen Dimensionen mit Zirkel
und Maassstab.
Gewöhnliche Berechnung.
4) Schätzquadrate.
5) Verwandeln der Polygone in flächengleiche Dreiecke und
Berechnen der letztem.
6) Ausschneiden der Polygone aus gleichstarkem Papier und
Wägen derselben. (Mayer sagt hierzu: „Eine Regel für Stüm-
per im Feldmessen. Sollte sie wohl Jemand im Emste ange-
wendet haben?*')
1) Zerlegung des Polygons in Vierecke t) und Bestimmung
der Inhalte derselben aus der kürzeren Diagonale und der za-
gehörenden Perpendikelsumme, die letztere als eine Grösse ab-
genommen.
2) Die ZerFegung iu Trapeze ist als unzweckmässig verlassen,
da sie in ökonomischer Hinsicht sowohl, als mit Rücksicht auf
den Genauigkeitsgrad der Methode unter 1) nachsteht.
3) Bestimmung der Dimensionen mit Zirkel und Maassstab
oder genauer mit einem Longimeter.
Ausrechnung unter Beihilfe von Multiplicationstabellen, mit
dem Rechenschieber oder mit der Thomas'schen [Rechen-
maschine.
4) Schätzquadrate.
6) Verwandlung der Polygone in fiächengleiche Drei- oder
Vierecke mit Verwandlungsapparaten und Berechnen dieser ein-
fachen Figuren.
6) Planimeter mit parallelen Fäden.
7) Planimeter, welche auf dem Princip der Verwandlung der
Figuren beruhen.
8) Planimeter, welche den Flächeninhalt einer
ebenen Figur durch blosses Umfahren des Umfangs
geben:
a) Linearplanimeter von Wetli.
b) Polarplanimeter von Miller und das analoge von Am gl er.
Darstellung des Terrains im Grundrisse.
Mayer empfiehlt die Verzeichnung durch Schraffur mit der
Feder nach Maassgabe der verschiedenen Gründe und Wendungen
mit zarten geschlängelten Linien, die nach dem Thale zu immer
mehr verlaufen und schwächer werden; dabei aber die verschie-
denen Kuppen, Felswände und dergleichen ihrer Natur gemäss
auszudrücken, wobei „Alles desto schöner ausfalle, mit je mehr
Auswahl und Kenntniss die Schatten hin und wieder angebracht
würden."
Die Darstellung des Terrains durch äquidistante Niveau-
curven, wozu den ersten Gedanken der Geograph Buache
(1744) gab, welche Methode jedoch erst viel später von dem
Genfer Ducarla und dem Franzosen Dupain-Triel (1782)
wissenschaftlich begründet wurde, erwähnt Mayer selbst iu den
spätem Auflagen nicht.
Die Darstellung des Terrains im Gmndriss erfolgt jetzt nach
zwei Methoden:
1) nach der Lehmann *schen Manier, welche die geneigten.
Flächen durch Bosch ungs- oder Schrafflrstriche darstellt, wobei
die Richtung der Striche die Neigungsrichtung, das Verhältniss
der Strichstärke zur Stärke des anliegenden Zwischenraums den
Neigungswinkel der Fläche angiebt; im Anfange der 90er Jahre
vor. Jahrh. vom sächs. Major Lehmann erfunden und 1799
zuerst bekannt gemacht;
2) durch die äquidistanten Niveaucurven nach Buache, mit
denen man die Schichtenpläne, Niveau- oder hypsometrischen
Karten herstellt. Diese Methode ist in den letzten 40 Jahren
durch das praktische BedüHniss des Technikers bei Projectirang
von Eisenbahn-, Strassen- und Canalanlagen weiter ausgebildet
worden und hat Veranlassung zu der sogenannten Tachymetrie
gegeben.
*) Der Churfürst von der Pfalz Latte seiner Zeit für dieses j ***) Es wird dabei auf die Bequemlichkeit hingewiesen, dne
Instrument 1000 Gulden gezahlt. ; Diagonale zur gemeinschaftlichen (irundlinie zweier Dreiecke zu
**) Die Berechnung des Dreiecks aus den drei Seiten wird j machen,
besonders empfohlen, wenn die Dimensionen in der Natur mit ' t) Wir betrachten hier das Viereck mit demselbeii Rechte
der Kette gemessen werden. i als eine einfache Figur wie das Trapez.
201
Nagel, Zur Literatur der Geodäsie.
202
1777.
Messung der VerticalwinkeL
1877.
1) Mit dem Astrolabiom, dessen Kreis mit Hilfe der Nuss-
bewegung und unter Anwendung eines Lothes in die verticale
Lage gebracht wurde.
a) Das Femrohr wurde mit der damit verbundenen Libelle
horizontal ^und der Kreis dabei so gestellt, dass die Alhidade
Null zeigte. Die Einstellung des Fernrohrs auf das Höhenobject
gab dann ohne Weiteres die Ablesung für den Höhenwinkel.
b) Eine zweite Methode, nur mit YoUkreis ausführbar, misst,
nachdem nach der vorigen Methode der Höhenwinkel gefunden
ist, noch dessen Supplement, wodurch sich noch ein zweiter
Winkelwerth ergiebt. Das Mittel aus beiden Werthen befreit
von dem Fehler wegen der nicht parallelen Lage der Libelle und
des Femrohrs.
2) Mit dem Quadranten, dessen nach dem Theilpunkte 90°
verlaufender Radius mit Hilfe eines Lothes in die verticale Lage
gebracht wird, so dass der Halbmesser nach 0" horizontal ist.
Nach der EinsteUung des Femrohrs auf das Höhenobject gab die
Ablesung den gesuchten Höhenwinkel.
3) Mit dran Spiegelsextant.
Sowohl Astrolabium als Quadrant für die Messung der Ver-
ticalwinkel vollst&ndig beseitigt.
Nur der Theodolit und die Kippregel mit Höhenkreis, sowie
der Spiegelsextant und die Reflexionskreise werden zu Yertical-«
Winkelmessung angewendet.
Der Höhenkreis des Theodoliten und der Kippregel sitzt
rechtwinklig auf der horizontalen Drehachse. Diese wird mit einer
Libelle horizontal und dadurch der Kreis vertical gesteUt
a) Höhen- oder Tiefenwinkelmessung direct unter Berück-
sichtigung des vorher bestimmten Indexfehlers des Höhenkreises;
b) diese Messung bei Vollkreis nach der Methode der dop-
pelten Zenithdistanzen , welche Aehnlichkeit mit der Mayer*-
schen Methode sub b) hat und wodurch namentlich der Fehler
wegen der Excentricitat des Femrohrs, auf welchen von Mayer
nirgends Rücksicht genommen ist, eliminirt wird.
Der Fehler im Höhenwinkel, wegen der nicht verticalen Lage
der verticalen Drehungsachse des Theodoliten kann nur eliminirt
werden, wenn entweder, wie schon Mayer's Instrument zeigt,
eine Libelle parallel mit dem Femrohre verbunden, oder der
Index träger (Alhidade) mit Libelle versehen und nicht fest, son-
dern drehbar um die horizontale Achse eingerichtet ist.
Baroineirischee UÖhenmeesen.
QuecksOberbarometer. Heberbarometer.
May er '8 Foimel für den Höhenunterschied zweier Punkte:
B
Ätois = 10000%. ^ 1
worin B den beobachteten Barometerstand an der untem und 6
den an der obem Station bedeutet; beide Barometerstände auf
einerlei Temperatur reducirt und auch h noch wegen der ver-
schiedenen Lufttemperatur an der obem und untem Station zu
corrigiren. Mayer giebt daher die Regel der Berechnung nach
Deluc*s Formel:
^^ 2 1 4320
log.
Quecksilberbarometer. Heber- und Gefässbarometer in voll-
kommnerer Ausführung.
Laplace^s Formel nach Bauern feind mit den Constanten
neuester Bestimmung:
Ämet ^ 18404,9 . (1 -f 0,00026 CO» 2 9) (l + ^-— )
B^ b
")l
Ät«l» = 10000 \ 1 -
215
6(t--10)
4820
j • (l + 0,003665 -J j
Xjlog. ^ +0,86869 ^ j
und nach Rühlmann:
Ämet = 18400,2 . 1,00157 + 0,00367 ^~- l
worin h, B und b wie oben, T und t die Temperaturen der Luft
und des Quecksilbers an der untem und obem Station nach
Graden Reaumur bedeuten.
I . B^ b \ \ /
X^l+0,378. g- / |l +0,00262 co«29
>< P + 637-8160 !>^^"^y
worin B und b die auf 0*^ reducirteu Barometerstände, T und t
die Lufttemperaturen in Celsiusgraden und c* und c*' die Dunst-
drücke beziehentlich an der obem und untem Station, qp die
geographische Breite und ;; die Seehöhe der untem Station, r
den mittiem Krümmungshalbmesser der Erde bedeuten.
Hypsometrische Tabellen von Oltmann, Gauss,
Bauernfeind, Rühlmann und Andem.
Höhenmessen mit dem Metall- oder Federbarometer
von Naudet oder Goldschmidt.
Nweüirineirtimente.
Mayer führt auf:
1) Nivellirwerkzeuge, bei denen man durch Hufe der freien
Oberfläche einer Flüssigkeit die Lage der scheinbaren Horisontal-
linie angiebt. Dazu gehören die vom Yitruv (Hb. YIU, cap. 6)
I) Derartige Werkzeuge werden in neueren Werken über
Geodäsie gar nicht mehr erwähnt.
203
Nagel, Zar Literatur der Geodäsie.
204
1777.
beschriebene und Ghorabates genannte Wasserwaage und die von
Mario tte Yorgeschlagene.
2) Die auf dem Princip der communidrenden Röhren beru-
henden Instrumente, nämlich die Kanalwaagö oder der Was-
serpasB, De la Hire's Wasserwaage und Keith's Qneck-
silberwaage.
3) Die sogenannten Pendelwaagen, eine Verbindung eines
Yisirmittels mit einem freihängenden Loth oder Pendel, waren
am besten durch die Picard'sche Waage vertreten.
Mayer ist selbst für vorgenannte drei Gattungen von In-
strumenten nicht ^besonders eingenonunen, sondern empfiehlt die
Nivellirinstrumente mit Libelle »» Libellenniveanx.
Von diesen führt er auf:
4) Das Diopterniveau von Weikardt in Leipzig, eine
Verbindung einer Libelle mit einem Diopterlineal.
5) Die Llesganig*sche Wasserwaage, welche in der
Hauptsache in einem 4 bis 5 Fuss langen Bohre bestand, mit dem
eine Libelle verbunden war. Das Femrohr gestattete bei un-
geänderter Lage desselben Vor- und Rückvisuren, indem in der
Nähe {eines jeden Endes desselben eine Objectivlinse und auch
ein Fadenkreuz angebracht, die Ocularröhre aber zum Anstecken
nach und nach an jedes der beiden Enden eingerichtet war.
6) Die in Silberschlag *s Hydrotechnik näher beschriebene
Wasserwaage von Ring. Diese war zum Vor- und Rückvisiren
mit zwei parallelen entgegengesetzt gerichteten Femröhren ver-
sehen, zwischen denen sich die mit ihnen parallele Libelle befand.
7) Die SiB8on*sche Waage repräsentirte ein mit Libelle
verbundenes Femrohr, das in Lagem lag. Diese Lager waren
auf einer Platte befestigt, um eine horizontale, das Femrohr recht-
winklig kreuzende Achse drehbar. Die ünteriage dieser Platte
wurde beim Nivelliren auf einen Messtisch oder sonst auf ein
schickliches Stativ gestellt.
W77.
2) Die Kanal- und die Keith*sche Quecksilberwaage werdea
zwar in den neueren geodätischen Werken noch beschrieben; seit
dem Beginn der Eisenbahnbauten verschwinden sie aber immer
mehr aus der praktischen Verwendung.
3) Die Pendelwaagen, wie sie nebenstehend definirt sind,
gehören fast vollständig der Vergangenheit an.
Zu den Pendelwaagen sind aber noch zu rechnen die aUbe-
kannte Setzwaage, die immer mehr durch das Setzniveau (Seti-
libelle) verdrängt wird, und der in den Händen der Markscheider
sich befindende Gradbogen, wenn auch bei beiden das Yisir-
mittel durch eine Linealkante, beziehentlich durch eine Schnur
vertreten wird.
4) Das Diopterniveau in voUkommnerer Ausführung.
5) Das Liesganig'sche Instrument ist vollständig ausser Ge-
brauch. Dagegen bietet das Stampfer*sche Taschennivellir-
diopter mit einem Femrohr mit der Vergrösserang c= 1 jeden-
falls mit grösserer Sicherheit dieselbe Bequemlichkeit der Vor-
und Rückvisur und namentlich auch der Justirung.
6) Das R Ingusche Instmment ist ebenfalls ausser Gebrauch.
Dasselbe wurde aber noch im Jahre 1835 von Wedecke in
seinem Handbuch e des Chaussäebaues als bestes Nivillirinstroment
empfohlen.*)
7) Die Sisson'sche Waage hat sich am längsten erhalten;
sie wurde mit wenig Abänderungen noch im Jahre 1832 von
Ulrich in seiner praktischen Geometrie beschrieben und ist ab
Grundlage der verschiedenen Constractionen von Nivellirinstra-
menten mit umlegbarem Femrohr zu betrachten, die schon voa
Reichenbach und namentlich auch später in den 30er Jahraii
in vervollkommneter Weise zur Ausführang kamen und neben
denen nun auch Constmctionen nach andern Principien auftaachten.
Bei diesen Instrumenten ist besonders hervorzuheben die Anbrin*
gung einer Verticalachse und einer Elevationsschraube, wodurch
das Nivelliren in verschiedenen Richtungen wesentlich erleichtert
wird. Im Uebrigen lassen sich die verschiedenen ConstruetioneD
classificiren nach Instrumenten 1) mit festverbundenem, 2) mit
umlegbarem und 3) mit kippendem, dabei durchschlagbarem oder
umlegbarem Femrohre, wodurch zugleich die jetzt rationelleren
Prüfungs- und Berichtigungsmethoden prädsirt werden.
Universalnivellirinstrumente von Stampfer; Starke
Ertel, Breithaupt.
Präcisionsnivellirinstrumente mit 25- bis 40mal ver-
grössemdem Femrohre und mit einer Libelle, die bei einem Aus-
schlag der Blase um einen Sealentheil eine Empfindlichkmt von
3 bis 5 Secunden zeigt.
Compensationsnivellirinstrumente von Breithanpt,
Amsler-Laffon, Brito Limpo in Lissabon*^) und Andorn.
*) Das Compensationsinstmment von Brito Limpo ist alt
zwei Femröhren zum Vor- und Rückvisiren versehen and unter-
scheidet sich sehr wesentlich von dem genannten altem Ring '-
sehen Instrument, indem bei demselben beide Femröhre nm
eine gemeinschaftliche, zur Libdle parallele Staidacliae gldeh-
zeitig gedrel^t werden können, wodurch es möglich lat, aa idMr
Latte 4 Ablesungen in verschiedenen Stdlungen der Fenürök«
zu erhalten, deren arithmetisches Bfittel die von tfiMi luiUiUMa fe'
fehlern befreite Zielhöhe giebt.
205
Lembcke, Schlichten und Leimen der Ketten in der mechanischen Weberei.
206
Man wird aus dieser vergleichenden Zusammen-
stellung » welche 9 wie bemerkt, keineswegs erschöpfend
sein soll, leicht ersehen, welche bedeutenden Fortschritte
die praktische Geometrie seit 100 Jahren in einzelnen
Bichtungen gemacht hat, wobei aber nicht unbeachtet
bleiben darf, dass in vielen der May er 'sehen Ausfüh-
rungen die Keime der späteren Vervollkommnungen
enthalten sind.
Welchen Antheil nun aber die letzten Decennien an
diesen Fortschritten haben, soll in dem bald folgenden
IL Artikel an drei der hervorragendsten Erscheinungen
auf dem Gebiete der Geodäsie nachgev^iesen werden.
Schlichten und Leimen der Ketten in der mechanischen Weberei.
Von
Emil Lembcke in Chemnitz.
(SchlusB.)
(Hierzu Tafel YU— IX.)
Veränderungen und Verbesserungen an Sising-
Maschinen.
Man hat sich, und nicht ohne Erfolg, bemüht, die
beschriebenen Cyliuder-Sizing-Maschinen noch zu ver-
bessern. Was die Zufühiiing des Garnes und die Im-
prägnirung desselben mit Schlichte betrifft, so ist nicht
viel Neues hier anzuführen. Anders verhält es sich
aber mit dem Trocknen. Auch sind nicht unwesent-
liche Veränderungen in der Betriebsweise der wichtig-
sten Bestandtheile der Maschine ausgefÜbhrt worden.
Veränderungen am ikhh'ehUrog,
Tafel VII, Figur 1, zeigt die Einrichtung eines
solchen, wie ihn R. Haworth in Manchester zur Aus-
führung gebracht hat. Es hat sich der Genannte hier-
bei möglichst bemüht, eine gleichmässige Gonsistenz
der im Trog befindlichen Schlichtmasse da, wo sie auf
das Garn einwirkt, herbeizufuhren und die Durch-
dringung der Schlichte zu einer recht intensiven zu
noLachen. Der hier ziemlich grosse, bis auf den Boden
der Maschine reichende Schlichtkasten ist durch Scheide-
wände in die Abtheilungen 1, 2, 3, 4 getheilt und zwar
in solcher Weise, dass die in 1 eingegebene Schlichte
über die erste Scheidewand in die Abtheilung 2 ge-
bracht wird, aus dieser unterhalb der zweiten Wand
in die Abttieilung 3 gelangt, und in Abtbeilung 4, so-
weit sie überflüssig ist, aUäuft.
In Abtheilung 1 befindet sich ein Rührapparat.
An einer horizontalen, sich drehenden Welle befestigte
Platten mischen die Schlichte gleichmässig. Darunter
liegen zwei Dampfrohre, welche das Kochen herbei-
fuhren.
In der Abtheilung 2 wird die gut gemischte Schlicht-
flüssigkeit durch ebenfalls eingeführten Dampf im Kochen
erhalten.
Die Abtheilung 3 dient zur Verbindung der Schlichte
mit dem eingeführten Garn. Es ist letzteres über
Walzen laufend horizontal bis zur zweiten Scheidewand
zugeführt, geht alsdann nahezu senkrecht nieder zur
untersten von fünf übereinander liegenden Walzen und
im Zickzack durch diese Eintauchwalzen herauf nach
den Quetschwalzen. Die fünf Walzen sind sämmtlich
in einem Rahmen gelagert, der auf- und abstellbar ist,
so dass hierdurch die Art und Weise des Eintauchens
der Kette bestimmt werden kann. Damit sich am
Boden dieser Abtheilung keine Schlichte festsetzt, ist
eine Streichschiene angebracht, die durch Ketten ohne
Ende und von aussen drehbare Kettenräder sich am
Boden hin- und herbewegen lässt, festgewordene Schlichte
also löst. Der Lauf des Games von den Quetschwalzen
zur grossen Tronmiel r unterscheidet sich von dem frü-
heren nur dadurch, dass bei a ein Stab sich auflegt,
um das Garn hier etwas anzuspannen.
Die Abtheilung 4 dient nur zur Abfuhrung der
überflüssigen Schlichtflüssigkeit. Durch die Oeffnung
b kann sie ablaufen.
207
Lerabcke, Schlichteu und Leimen der Ketten in der mechanischen Weberei.
208
Veränderungen im Betrieb.
Tafel VII, Figur 2, zeigt den Frictionsantrieb,
welchen Haworth ebenfalls zur Anwendung gebracht
hat. Der Betrieb der Maschine erfolgt von der Mitte
aus nach beiden Seiten; also nach der Einführungs-
seite zu den Schlichtwalzen, und nach der Lieferungs-
seite zu dem Grambaum. Es sind somit beide Betriebe
von einander unabhängig uncl kann man, da Frictions-
betrieb benutzt wird, sehr leicht ebensowohl den
Schlichtwalzen als dem Garnbaum die richtige Dreh-
geschwindigkeit geben und die Spannung des Garnes
zwischen beiden reguliren. Dadurch, dass mau die
Handräder a auf ihrer feststehenden Schraubenspindel
hin oder her schraubt, werden die zugehörigen Papier-
oder Lederscheiben h auf ihren Wellen d hin oder her
geschoben, der treibende Durchmesser der gusseisemen
Planscheibe c verändert und infolge dessen auch die
Drehgeschwindigkeiten von h und ihrer Wellen d,
Howard & BuUough in Accrington haben die
Conen beseitigt, welche des stets wachsenden Gam-
umfemges am Schlichtbaum halber sich nöthig machten.
Sie legen den Garnbaum /*, siehe Tafel VII, Figur 4,
auf eine Trommel, welche von dem eigentlichen Garn-
bewegungsapparat e aus ihren Betrieb erhält. Die
Folge davon ist, dass die Umfangsgeschwindigkeit am
Baume, und also auch die Garngeschwindigkeit in der
ganzen Maschine, immer dieselben bleiben. Es würde
nun die Reibung zwischen f und seiner Betriebstrommel
nicht genügend sein, das Garn und die Walzen in der
Maschine sämmtlich zu betreiben. Deshalb ist bei e
noch ein besonderer Zugapparat eingeschaltet, welcher
in einer Unterwalze, einer Druckwalze und einer nach-
folgenden Führungswalze besteht. Letztere hat den
Zweck, den Umfang der Unterwalze zu einem möglichst
grossen Theil zur Einwirkung auf das Garn zu bringen. \
Eine gewöhnliche Räderverbindung zwischen der Unter-
walze und der Baumbetriebstrommel giel)t dem Baume
f stets dieselbe Umfangsgeschwindigkeit, wie die Unter-
walze hat, auch in dem Falle, wenn man letztere und
mit ihr die ganze Kette langsamer laufen lässt.
Die Maschine soll selbst während des Auswechseins
von Schlichtbäumen nie zum Stillstand gebracht werden,
eine Manipulation, welche das lästige Festkleben und
Reissen der Fäden wesentlich herabzieht. Es wird in
solchen Fällen dem Garn dadurch eine ausserordentlich
langsame Bewegung gegeben, dass man die Unterwalze
bei e durch Einrückung eines Extra-Rädervorgeleges be-
treibt.
V0ränder%ingen am IVöckenapparat.
Viel wesentlicher als die angeführten Verbesserungen
sind die, welche sich auf das Trocknen beziehen. Man
hat hier sehr viel versucht und auch wirklich recht
viel Gutes, die Maschine wesentlich Verbesserndes ge-
leistet.
Haworth suchte die Trocknung an seiner Cy-
linder-Sizing-Maschine noch dadurch zu befördern, dass
er unter der Maschine hin einen Kanal anlegte, welcher
an beiden Enden in die freie Luft und unterhalb der
Trockencylinder r und q^ siehe Tafel VII, Fig. 1, aus-
mündete. Die Folge dieser Anlage war alsdann die,
dass fortwährend frische atmosphärische Luft von aussen
unter den Trockenapparat strömte.
Um Dampf zu sparen und besser zu trocknen, ver-
wendeten S. Cook & W. H. Hacking in Burg nur
eine, aber doppelwandige Trommel. Durch den in-
neren cylindrischen Mantel a, siehe Tafel VII, Fig. 3,
ist nur ein 15 bis 20 ^"^ breiter Ring 6, der durch einige
hohle Arme mit der Dampfzufuhrung und Wasserab-
leitung in Verbindung steht, mit Dampf zu füllen. Bei
einigermassen grossem Durchmesser, 2 bis 3™ und
darüber, ist hier auch eine ziemlich schwache Dampf-
spannung ausreichend. Damit möglichst viel Umfang
dieser Trommel zur Ausnutzung gebracht wird, ist eine
Lattentrommel d anstatt des kleinen Trockencylinders
angebracht,|,welche zur Weiterfuhrung des Garnes und
noch zu einem letzten Nachtrocknen dient. Letzterem
ergiebt sich daraus, dass das Garn sich auf Stäbe oder
durch Dampf geheizte Röhren legt, welche an beiden
Enden in Scheiben befestigt sind, die auf der gemein-
schaftlichen Welle lose laufen. Innerhalb dieser Latten-
trommel sitzt fest auf der Welle ein Windflügel 6, der
sich, dem Gainlaufe entgegen, ziemlich schnell dreht
und Luft gegen das Garn treibt.
Die Anwendung von Trockencylindern zum Trock-
nen geschlichteter Ketten weist ziemlich viel Uebel-
stände auf:
die Cylinder zerspringen bei übermässigem Dampf-
druck und Abwesenheit eines Druckreductions-
Ventils sehr leicht;
sie consumiien viel Dampf;
sie trocknen namentlich dann nicht gut, wenn giöe-
sere Mengen Condensationswasser darin sich an-
sammeln ;
letzteres lässt sich aber immer nur langsam darav
entfernen ;
Trommeln verursachen grosse Fadenspannung, dft
sie durch die Reibung des aufliegenden und
209
Lembcke, Schlichteu und Leimen der Ketten in der mechanischen Weberei.
210
gezogenen Garnes in Drehung gebracht werden
müssen;
ergeben also leicht grösseren Fadenbruch;
das Garn wird zu schnell getrocknet, nicht mild,
weich, elastisch;
es backen leicht Fäden zusammen;
sie erhalten leicht einen harten Ueberzug von Schlicht-
kruste, wodurch Litzen und Riete bei dem Ver-
weben stark abgenutzt werden;
andererseits bewirkt das plötzliche Trocknen auch
leicht ein Abspringen der Schlichte, so dass der
Faden seine Rundheit verliert.
Infolge dieser Nachtheile ging man zur Luft-
trocknung über, welche bei der Handzurichtung, bei
der schottischen Schlichtmaschine, bei dem Leimen der
wollenen Ketten schon längst in Anwendung war. Man
fuhrt das Garn längere Zeit durch massig erwärmte
Luft, die sich immer erneuert, immer in schwacher
Bewegung ist, durch das Garn geblasen wird. Directe
Folge dieser- Methode ist, dass die Fäden weich wer-
den, sich von einander besser abtheilen , nicht zusam-
menbacken. Das Endresultat wird hierbei ein um so
besseres sein, je niedriger die Temperatur des Luft-
stromes ist. Namentlich für feinere Garne und für
stark geschlichtete Ketten werden solche Maschinen
sich empfehlen. Nachtheile sind freilich die bedeutend
höheren Anlagekosten und die erschwerte Zugänglichkeit
zum Kettengam.
Tafel VII, Fig. 4, zeigt die von Howard & Bul-
lough in Accrington angewendete Methode. Die
Trockencylinder sind hier, ähnlich wie bei der Zschi 11 er-
sehen Leimmaschine durch ein Röhrensystem ersetzt,
welches durch Dampf geheizt wird, Wärme auf die um-
gebende Luft überträgt und, da durch diese Luftschichten
das Kettengarn sich langsam fortbewegt, letzteres all-
malig trocknet. Bei a liegt der bekannte Schlichttrog,
d sind die Theilschienen , e ist der Zugapparat und f
die Bäumung. Die Heizrohre sind in vier übereinan-
derliegenden Horizontalebeneu zwischen a und d an-
geordnet; der Lauf der Rohre in einer solchen Etage,
und die Bewegung des Heizdampfes darin wird durch
Figur 5 angedeutet. Die erste und zweite, sowie die
dritte und vierte Rohrschicht liegen sehr dicht bei ein-
ander, so dass eben nur das Garn ohne zu streifen
dazwischen durchgeführt werden kann; zwischen der
zweiten und dritten Lage aber ist ein ziemlich hoher
Zwischenraum, und hier sind Windflügel b gelagert,
die infolge ihrer Drehung die Luftschichten bewegen.
Die Führung des Games selbst über die Leitwalzen c
hinweg ergiebt sich direct aus der Figur 4. Die nöthige
Dampfmenge ist hier ziemlich klein; sie wird von den
OlTiUafmiioiir XXIU.
Fabrikanten dieser Maschine bis zu höchstens 7« der
bei Cylinder-Maschinen nöthigen angegeben. Man fuhrt
nur so viel Dampf zu, als nöthig ist, dass sich der
unterste Rohrstrang mit Condensationswasser gefüllt
erhält, und regulirt dies durch einen wenig offenstehen-
den Hahn am untersten Ende der Leitung. Ein Wasser-
topf macht sich hierbei überflüssig, da directe Dampf-
verluste nicht entstehen. Es muss in Folge dessen die
Gesammtrohrlänge sehr bedeutend sein. Bei einer
Maschinenlänge von 7,5", mit Aufsteckrahmen 10,5"*
und einer Breite von 2,6™ wird ca. 50 □." Kettenfläche
von trocknender Luft bestrichen. Nimmt man die
grösste Kettenbreite hierbei zu 1,4™ an, so ist die der
Trocknung ausgesetzte Kettenlänge 35,7™ und die un-
gefähre Länge des Trockenapparates 4 bis 4,5™.
Eine andere Lufttrockenmethode ist die von Ma-
ther & Platt in Manchester. (Vertreter der Firma:
Jacob Becker in Leipzig).*) Dieselbe ist ersichtlich
aus Tafel VH, Figur 6. Die Trockentrommeln sind
hier durch eine geschlossene Trockenkammer d ersetzt,
in welche das Garn von dem Schlichtetroge c aus ein-
tritt, über zwei Haspel e wegläuft und unten am Ende
der Kammer wieder austritt. In diese Kammer wird
warme Luft eingetrieben und durch den Brodemfang g
gleichzeitig' mit den aus c aufsteigenden Dämpfen ab-
geführt. Bei b befindet sich ein Ventilator, welcher
kalte Luft ansaugt und durch einen Böhrenkessel a
treibt. In a erfolgt Heizung der Luft mittels Dampf,
welcher die Luftröhren umgiebt.
Dass hierbei die Luft durch den Trockenraum ge-
presst und in den Arbeitsraum ausgeblasen wird, ist
noch ein ziemlicher Uebelstand; es entsteht im Ma-
schinenlocal eine ziemlich hohe Temperatur; deshalb
lassen Bullough & Whitehead**) den Ventilator die
warme Luft ansaugen. Die Anordnung des Heizappa-
rates a, der durch zwei Scheidewände getheilten Trocken-
kammer d, der Führungswalzen e, und des Ventilators
b zeigt Tafel VII, Fig. 7.
Eine sehr vorzügliche Maschine ist die
Sising-Mascliine von Baerlein ft Comp, in Manchester.
Tafel VIU, Fig. 1, 2 und 3 zeigen die Maschine,
wie sie von Atherton Brothers in Preston (Ver-
treter: Victor Rack & Comp, in Zittau) ausgeführt
wird.
Fig. 4 ist die Ausführung von Dickinson & Sons
in Blackburn.
*) Deutsche Induatriezeitong, Jahrgang 1S72, Seite 262.
**) Polytechnisches Centralblatt, Jahrgang 1876, Seite 1250.
14
211
Lembcke, Schlichten und Leimen der Ketten in der mechanischen Weberei.
212
Der Aufsteckrahmen mit den Scheerbäumen 6, und
der Support (headstock) mit den Conen a* und c\ dem
Expansionskamm c, Schienen ti;, Riegel x^ Garnbaum y,
Windllügel ä*, dem Grabelfortrückzeug n^o^ und den
Ausrückhebebi g^ und J unterscheiden sich nur in ganz
unwesentlichen Punkten von dem bereits Angeführten;
anders verhält es sich mit der Einrichtung des Schlichte-
troges und Trockenapparates.
Schlichtetrog (ßowhox) und zugehörige Maschinentheile.
Wie Figur 4 zeigt, ist bei der Di ckinson 'sehen
Maschine der Schlichtetrog in zwei Kammern getheilt.
Das Garn läuft auch liier, wie bei der früher beschrie-
benen Maschine von Harrisou, über einer Kupferwalze
f zu, nieder in den Trog, um die Eintauchwalze g
herum, aufwärts zu dem ersten Schlichtwalzenpaar a,
und alsdann weiter zu dem zweiten Walzenpaar a^.
Dass die Walzenpaare hier soweit auseinander gelegt
wurden, und der Schlichtekasten deshalb zweitheilig
gemacht worden ist, hat den Zweck, der Schlichte etwas
mehr Zeit zum Eindringen in die Garnfaser zu lassen,
bevor der üeberfluss durch a^ ausgequetscht wird.
Gleichzeitig soll dadurch das lästige Anbacken der
Fäden an diesen Walzen während des Stillstehens der
Kette in Etwas gemindert werden.
Eine ganz vorzügliche, auch für das Leimen von
wollenen Ketten (Kamragarn und Streichgarn) verwend-
bare Einrichtung des Schlichtetroges zeigen die Figuren
l und 3. Die Walzen g und d dienen als Eiutauch-
walzen und als Schlichtwalzen, wälirend y und a^ das
Ueberflüssige ausquetschen. Durch Handrad, Räder-
übersetzung und Zahnstangenbetrieb lassen sich ö und
g hoch oder tief stellen, und dadurch der Grad der
Schlichteeindringung für verschiedene Füllungen des
Kastens bestinameu. In Figur 1 sind die Walzen ganz
gesenkt und ist die Maschine in Arbeit begrififen. In
Figur 3 aber sind g und d als ganz gehoben darge-
stellt. Hierbei ist infolge des Spannstabes p das locker
werdende Stück Kette, was aus dem Troge austrat,
zwischen den Walzen f und e niedergezogen worden,
und haben sich die Walze 6 ganz hoch, und die Walze
g ganz tief, vom Garne ab, gestellt. Durch Handhebel
konnte auch die Druckwalze a^ vom (iarne ab und in
Gestelllager eingelegt werden. Alles dies erfolgte bei
dem Stehenlassen der Kette. Bei k legt sich eine
Schiene oder Bürste auf die Walze y, welche die letz-
tere von Schlichte reinigt und das Anbacken der Fäden
hindert. Die Dampfzuführung erfolgt bei 12; mit 23
ist das Einlassventil (inlet valve) bezeichnet; mit 4 der
Dampfdruckregulator (reducing valve); 6 ist der Druck-
zeiger.
TVockeneinrichtung.
Hierzu dienen drei bis vier Stück ganz gleich ge-
baute Trockenkammern (drying Chambers). Diese keil-
förmigen Kammern sind stehend angeordnet, und läuft
das Garn im Zickzack hindurch. Bei beiden Ausfüh-
rungen, also Figur 1 und 2, sowie Figur 4, sind r Leit-
walzen und q Wiudflügel, welche warme Luft nach oben
durch das Kettengam und zu den oben o£fenen Kam-
mern heraus blasen. Die Kammern sind so construirt,
dass man durch seitlich angebrachte Läden (lids) und
durch abhebbare Deckel i bequem zu dem Garn, den
Führungswalzen und dem Heizapparate gelangen kann.
In Fig. 1 ist bei A die Kammer in der äusseren An-
sicht mit geschlossenen und bei B mit geöffneten Läden
gezeichnet, während C einen Yerticaldurchschnitt dar-
stellt. Figur 2 giebt bei D eine Oberansicht, bei E
einen Horizontalschnitt durch die Mitte des Heizappa-
rates und bei F einen ähnlichen Schnitt mit Oberan-
sicht des Heizapparates. In Figur 4 ist G ein Mittel-
schnitt und H ein Schnitt am vorderen Ende der
Kammer.
Die Heizvorrichtung selbst weicht bei den beiden
Ausführungen wesentlich von einander ab.
Bei Dickinson's Maschine, siehe Figur 4, liegt
in jeder Kammer ein mit Dampf geheizter Cylinder d,
welcher die ihn umgebende Luft erwärmt. Nach Art
der Röhrenkessel gehen Rohre durch den Cylinder,
welche Luft ansaugen und in kleine Kammern an den
Stimenden von d fuhren, die mit den Windfltigeln
communiciren. Es saugen so letztere durch die Bohre
1 Luft aus den Trockenkammern an; tritt diese Luft
erwärmt in die Rohre 2, so wird sie hierin noch heisser
gemacht, durch die Yentilatorsaugkanale hierauf den
Flügeln q zugeführt und von diesen in die Kammern
zurückgetrieben.
Bei Atherton Brother's Ausführung, siehe Fi-
gur 1 und 2, sind die Heizrohre, die Windflügel mantel-
artig umgebend, im unteren Theile der Trockenkam-
mern angeordnet. An beiden Enden sind sie mit Stopf-
büchsen in die Kammern d eingedichtet, welche durch
frischen Dampf geheizt werden. Die DampfzuführuBg
der mit einander conamunicirenden Kammern d erfolgt
bei 5, die Ableitung des Condensationswassers. bei 7.
Ausser dass diese Maschinen geringeren Baum er-
fordern als andere mit Lufbtrocknungsapparaten ver-
sehene, sind sie für die Bedienung auch angendimer
insofern, als die Luftausströmung erst in einer H^e
von circa 2" erfolgt und alsdann auch leicht abge-
leitet werden kann.
213
Lembcke, Schlichten und Leimen der Ketten in der mechanischen Weberei.
214
Die Strang -Sohlioht- Maschine.
Webketten, welche für den Versand bestimmt sind,
werden oft im Strange geschlichtet und als Wickel,
Knäuel (balls) in den Handel gebracht. Das Scheeren
und Schlichten solcher Ketten (ball warping and sizing)
erfolgt auf folgende Weise.
Man scheert nach Art der Handweberei die Kette
in Form eines Strähnes auf einen sich langsam dre-
henden Baum von 12 Yard Umfang. Ist die richtige
Fadenzahl die der Webkette entsprechende, in der er-
forderlichen Webkettenlänge, gewöhnlich 840 Yard =
1 hank, hergestellt, so wickelt man die Kette zurück
und auf sich selbst als sogenannter Wickel (ball) auf.
Diese Wickel werden der Schlichtmaschine vorge-
legt, einer Maschine, welche den Kettenfärbemaschinen
sehr älmlich ist. Pas Princip hierbei ist, das Gurn
wiederholt aus der Schlichtflüssigkeit herauszuführen
und in dieselbe alsdann wieder einzutauchen. Die
Kette läuft zu dem Zwecke, siehe Tafel IX, Figur 1,
unter und über 13 bis 21 Stück Walzen, welche leicht
beweglich in einem 2,75 bis 3,5" langen Kasten liegen
und durch das sich auflegende, am vorderen Ende ge-
zogene Garn sich drehen. Am Ende des Kastens be-
findet sich ein Quetschwalzenpaar (hölzerne, durch Hebel-
druck gegeneinander beliebig stark zu drückende Walzen),
welches die überflüssige Schlichte auspresst, dem Schlicht-
kasten zurückfuhrt und von der Betriebskraft Drehung
erhält.
Die so geschlichtete Kette kann direct von hier
aus dem Trockenapparat zugeführt werden; oder sie
kann in einen Kasten laufen, wobei sie durch einen
hin- und herlaufenden Wagen (Fächer) gleichmässig
gefaltet wird, und alsdann unabhängig vom Schlichten
getrocknet werden ; oder man kann sie auch aufwickeln
und in einer Trockenkammer ausspannen u. dergl. m.
In Tafel IX, Figur 1, ist der zweite Fall angenommen,
ist die geschlichtete Kette der Cylindertrockenmaschine
also extra vorgesetzt. Letztere besteht aus einer grossen
Zahl von mit Dampf geheizten Trockencylindern, welche
zum Theil durch das Garn und zum Theil durch die
Triebkraft, um das Garn nicht zu sehr zu spannen,
Drehung erhalten. Ein Ring a und zwei Stück Rechen
b dienen zur richtigen Einführung und Fortführung
der Kette, welche je nach der Trommelbreite und Ket-
tenstärke 10 bis 20 Mal jede einzelne Trommel passirt.
Gewöhnlich schlichtet man 2 Ketten gleichzeitig neben-
einander, oder, waa besser ist, jede Hälfte der in der
halben Dichte gescheerten Kette nebeneinander. Im
Trockenapparate behandelt man alsdann beide Ketten-
hälften gleichzeitig, indem man sie an den Cylinder-
enden einfuhrt und in der Mitte der Cylinder gleich-
zeitig zuletzt durch einen Ring laufend abfühi't. Der
Schlicht- und Trockenprocess wird hierbei ein intensiverer.
Haupterforderniss ist möglichst oftmaliges Eintauchen
des Games in die Schlichte (bisweilen sind auch noch
einzelne der Oberwalzen zum Durchquetschen mit Druck-
walzen vei-sehen) und die Verwendung einer gleich-
massigen, dünnen, massig kochend erhaltenen Schlichte.
Eine Schlichte hiei'zu wird folgendermassen be-
reitet: Man giebt 70 •'^ feines Waizenmehl in einen
0,5° tiefen und 0,7™ langen und breiten Kasten, füllt
ihn mit Wasser, rührt und lässt die Mischung unge-
fährt drei Tage lang stehen. Hierauf schöpft man die
auf der Obei*fläche sich ansammelnde klebnge Masse
ab und bringt die Mehllösung in ein gusseisernes Ge-
fäss, welches mit Dampfzuleitung und Rührquirl aus-
gestattet ist. Man kocht eine Stunde lang und rührt
gleichzeitig. Alsdann wird die Flüssigkeit wieder in
flache Kästen übergeführt und circa 3 Wochen stehen
gelassen. Vor der Verwendung in der Schlichtmaschine
zerreibt man sie noch zwischen zwei dicht gegenein-
ander liegenden Walzen am Boden eines Mühlrumpfes,
kocht sie massig und verwendet sie warm gehalten in
der Maschine. Die Dampfzuleitung für den Schlichte-
kochapparat, den Schlichtmaschinenkasten und die Cy-
lindertrockenmaschine ergiebt sich aus der strichpunk-
tirten Linie.
Die Leistung solcher Maschinen ist eine sehr grosse.
Trockencylinder von 0,45™ Durchmesser könnten bei
20 Touren pro Minute in 12 Stunden 0,45 . /r . 20 . 60 . 12
= circa 20000™ trocknen.
Die wirkliche Leistung reducirt sich jedoch be-
deutend, beträgt in 12 Stunden ca. 3000". Eine zu
grosse Geschwindigkeit wird leicht Schlichteablösung
ergeben, besser wird es sein, mit geringer Dampfspan-
nung und mit langsamem Gange der Cylinder zu trocknen.
Selbstverständlich ist diese Schlichtmethode von
allen, namentlich im Vergleich zu derjenigen der schot-
tischen Maschine und der Beam-Sizing-Maschine , die
primitivste und schlechteste.
Das liOiinen der Ketten.
Dasselbe erfolgt theils von Hand, theils auf Ma^
schinen.
Leifnen durch RandarheiL
Leimen im Strähn: Hierbei wird das zu Strähnen
gehaspelte Garn mit dünner, nicht zu heisser Leimbrühe
215
Lembcke, Schlichten und Leimen der Ketten in der mechanischen Weberei.
216
getränkt, mit der Haud scharf ausgedrückt (ausgerungen),
aufgeschlagen, aufgehängt (auf Stangen gereiht) und
unter öfterem Umziehen getrocknet. Das Umziehen ist
nöthig, damit sich der Leim nicht nach einer Seite hin
ziehe. Hierauf spult man das Garn, scheert die Kette
in zwei Hälften, legt sie mit dem Bandzeichen im Ar-
beitszimmer an einander, streckt sie und bringt sie
alsdann auf den Webebaum.
Leimen im Fass: Man scheert die Kette im
Ganzen oder auch iu zwei Theilen und leimt sie als-
dann schnell. Die Leimbrühe befindet sich hierbei in
einem Bottich, und wird darin entweder die ganze oder
die halbe Kette gleichmässig durchuässt; alsdann wird
sie scharf ausgedrückt (ausgerungen, getreten), und
zuletzt zum Trocknen lang aufgespannt. Die Gänge
sind hierbei gut aufzutheilen. Namentlich hat man
sich hierbei vor sogenannten Leimstellen zu hüten. Sie
entstehen durch ungleichmässiges Ausdrücken; man
verbesserte das Auswringen noch dadurch, dass man das
Fass mit einem Holzdeckel versah, in welchen ein Ring
von Holz oder Metall eingefügt war. Der Leimer stellt
sich darauf und zieht mit grosser Kraftanstrengung die
Kette durch den Ring.
Die Handleimmaschine: siehe Tafel IX, Figur
2, 3 und 4.
Dieselbe ist ein ziemlich einfacher Apparat, wel-
cher eine leichte Rcgulirung des Ausdrückens zulässt,
wesentliche Ersparniss aa Zeit und Menschenkraft ge-
währt. Die Kette wird im Ganzen oder zur Hälfte
gesclieert; geleimt aber zumeist im Ganzen, so dass
man also auch zwei Scheerwickel dem Apparate vor-
legt, üeber eine 11*^"" starke Holzwalze a und einen
feststehenden Holzriegel wird sie dem Trog, der mit
nicht zu heisser Leimbrühc gefüllt ist, zugeführt, geht
unterhalb zweier Kupferwalzen h von je 25""" Dicke hin-
weg, und aufwärts durch einen Metallring, welcher den
überflüssigen Leim abstreicht. Weiterhin gelaugt das
Garn durch den Walzenapparat c, d, e nach einer 7*^"^
starken Leitwalze f und fällt unterhalb dieser auf einen
Tisch. Die drei 10^™ dicken Walzen c, d und e sind
durch gleich grosse Zahnräder mit einander verbunden,
so dass sie durch einen au Walze c angebrachten Dreh-
ling in geeignete Drehung gebracht werden. Walze f
wird durch Schnurenwürtel von der Walze d aus ge-
trieben. Letztere kann jedoch auch in W^egfall kom-
men, wenn der Arbeiter die Kette zieht.
Wichtig hierbei ist, dass der Ring die richtige
Nununer oder lichte Weite hat. Sie richtet sich nach
der Dichte und Dicke der Kette und nach dem Grade
des Ausquetschens, ob man der Kette mehr oder we-
niger Leim geben will. Man müsste also sehr verschie-
dene Ringe zur Vei'wendung bringen. Uebelstände
solcher Ringe sind aber, dass die Gelese und das Hin-
terende der Kette schwer durchgehen; dass dasselbe
eintritt, wenn die Kette sich sackt; dass man in sol-
chen Fällen den Ring oft theilen muss. Vermieden
wird dies durch Benutzung von drei Stück übereinander
liegenden Ringen, siehe Tafel IX, Figur 3. Der obere
und untere stehen fest, der mittlere lässt sich durch
eine Schraubenspindel mit Handgrifif und feststehender
Mutter nach rechts oder links stellen. Man erzielt
hierdurch leicht jede beliebige Quetschung und kann
sie während des Durchganges der Kette ändern. Das-
selbe erreicht man auch durch Anwendung von zwei
Metallplatten, siehe Tafel IX, Figur 4. Die untere
Platte liegt fest im Ringbret, die obere ist in ihr ver-
stellbar. Beide Platten haben langrunde Oeffnungen,
welche sich verschiedenailig zu einander einstellen
lassen.
Leim: Der Leim ist der gewöhnliche thierische,
der Kölner Tischler -Leim. Er muss gut gelöst sein;
wird zuerst mit dem Wasser gekocht und alsdann lau-
warm im Trog verwendet; darf während des Leimens
nicht kalt werden, aber auch nicht zu heiss nachge-
gossen werden.
Die Menge, welche eine Kette erfordert, richtet
sich nach dem Gewicht der letzteren; auch nach der
Beschaffenheit der Wolle und der Qualität des Leimes.
Bei gewaschenen Wollen genügt zumeist 1*^* Leim auf
30^» Wolle; bei Fettwolle hingegen giebt man auf 6^
Wolle l^^Leim. Kunstwolle verträgt nur wenig Leim.
Eine Kette von 130™ Länge, 3120 Faden Dichte, Garn-
Nummer 40, erforderte 1,25 bis 1,6^« Leim.
Was das Mischungsverliältniss von Leim und Wasser
anbelangt, so ist das Sache der Erfahrung; für mittel-
starke Ketten z. B. auf 1^^ Leim 6 Liter Wasser.
Trocknen: Man fährt die Kette von der Leim-
maschine heraus in das Freie auf die Kettenstrecke.
Dieselbe besteht aus einer Anzahl in den Rasenboden
eingerammter Holzständer, welche Oeffnungen zum Ein-
stecken starker Holzstäbe haben. Der Anfang der
Kette, welcher das Gang-Gelese (ä 50 Faden z. B) hat,
wird auf einen Stab gesteckt, welclien man in Sprossen
von zwei Ständern einlegt, so dass hier die Kette breit
gespannt liegt. Dann führt man sie nach den anderen
einzelnen Ständern hin und steckt in dieselben* Stäbe
so, dass abwechselnd der eine unter und der andere
über der Kette zu liegen kommt. Vom letzten Ständer
aus, um dessen Stab das Garn gelegt wird, spannt man
wieder zurück, und legt die Kette ähnlich wie zuvor
über und unter Stäbe, welche in tiefer liegenden Oeff-
nungen derselben Ständer eingesteckt sind. Das Ende
217
Lembcke, Schlichten und Leimen der Ketten in der mechanischen Weberei.
218
der Kette, das Fadengelese (ä 1 Faden), durchsticht
man ebenfalls mit einem Stabe, und legt diesen, die
Kette möglichst gespannt, vor zwei Stück in den Boden
gerammte Pfahle.
Das Trocknen muss ein allmäliges sein, Sonnen-
hitze und Wind sind nachtheilig, also zu vermeiden;
es soll also womöglich im Schatten erfolgen. Die in
der freien Luft ausgespannte Kette ist natürlich der
Witterung unterworfen, so dass oft der Leim ganz ver-
loren geht; warme feuchte Luft, Gewitterluft, verzehren
ihn bisweilen vollständig. Im Frühjahre, Herbst und
Winter ist dieses Trocknen oft ganz unmöglich. Man
benutzt deshalb zumeist geschützte Räume und spannt
hier die Ketten der ganzen Länge nach aus. Da man
hierbei aber eines sehr grossen Baumes bedarf, hat
man Trockenapparate einzuführen gesucht, Apparate,
wie sie z. B. die sächsische Webstuhlfabrik für ihre
Leimmaschinen anwendet. Man führt die Kette durch
einen Kamm (Oeffner), Faden von Faden getheilt, nach
einem Haspelkreuz und legt in dieses das Garn spiral-
förmig ein.
Alsdann dreht man den Haspel bis die Kette trocken
ist und bäumt sie zuletzt auf den Webebaum zurück.
Die von der sächsischen Webstuhlfabrik getroffene Aus-
führung dieses Trockenapparates soll bei ihrer Leim-
maschine genauere Beschreibung finden.
Leimmaschinen.
In neuerer Zeit bestrebt man sich, auch das Lei-
men, ähnlich dem Schlichten, durch Maschinen be-
sorgen zu lassen.
Die erste Maschine, welche Schönherr im Jahre
1836 patentirt wurde, eine Leim-, Scheer- und Trocken-
Maschine für Kammgarn- und Baumwoliketten , war
leider nicht im Stande, eine gleichmässige Leimung der
Bänder zu erzielen. In den Jahren 1848 bis 1851
führte Ernst Pressprich (Sohn eines Grossenhayner
Tuchfabrikanten) eine Maschine aus Amerika (Massa-
chusets) ein, die ausschliesslich für Tuche bestimmt
war, und wurde seitdem dieses, dem Schönherr 'sehen
übrigens ziemlich ähnliche, System von Anton Zschille
in Grossenhayn ununterbrochen gebaut und vervoll-
kommnet. Es hat sich dieses System, wenn auch lang-
sam, so doch sicher eingeführt, und weil es eine Vor-
bedingung guter mechanischer Weberei ist (die Vor-
bereitung durch diese Maschine machte erst die me-
chanischen Webstühle rentabel, da die Ketten besser
gingen), hat auch Schönherr lange, bis er später
1871 selbst eine Leimmaschine baute, das System in
Ermangelung eines besseren oft empfohlen.
Im Anfang erfolgte die Trocknung durch Ofen-
heizung; später, vne bei den Sizing-Maschinen, durch
mit Dampf geheizte Kupfertrommeln von 0,7 bis 0,9™
Durchmesser. Da solche bisweilen explodirten, con-
struirte hierauf Zschille eine Trockenkammer, in
welcher schmiedeeiserne, 25"" starke, U förmig gebogene
Dampfrohre lagen; er wendete also Luftheizung an.
Er erreichte dadurch mehr Bequemlichkeit für die Be-
dienung, weniger Leimverbrauch, schnelleres Trocknen,
circa */4 mehr Geschwindigkeit, respective Lieferung.
Englische Firmen lieferten ebenfalls Maschinen für
obige Zwecke ; dieselben ähnelten sehr den schottischen
Schlichtmaschinen; nur kam das Bürsten dabei in Weg-
fall. So werden z. B. Kammgarnketten auf Maschinen
von Platt Brothers in Manchester, Atherton Bro-
thers (Baerlein's Patent) in Preston u. a. mit Ge-
latine geleimt. Die Zusammenstellung einer solchen
Leimlösung ist hierbei folgende: 100 Theile Gelatine-
Leim werden in möglichst wenig Wasser gelöst, und
erhalten zugesetzt: 70 Theile Dextrin, 20 Theile Gly-
cerin, 20 Theile Bittersalz und 20 Theile Zinkvitriol.
Getrocknet kommt dieses Gemenge unter dem Namen
Paramentine in den Handel. Solche Maschinen haben
eine Arbeitsgeschwindigkeit von 0,14'" pro Secunde.
Sie bearbeiten die Ketten in der vollen Breite und von
so viel Kötzern ab, als Fäden für die Kette nöthig sind.
In Folge dessen sind sie bei Streichgarn nur für grö-
bere Eintheilungen , bis circa 2800 Faden, gut ver-
wendbar.
Maschinen' Sydem der Grossenhayner Maschinenfabrik^ vormals
Anton Zschille, zum Spulen^ Leimen^ Trocknen^ tkheeren
und Bäumen des Kettengames für Tuche und Buckskins,
Auf der Zschille 'sehen Maschine theilt man die
Kettenfadenzahl in 4 bis 10 Abtheilungen von 500 bis
600 oder von 900 Faden und leimt diese nacheinander.
Hierdurch lassen sich alle beliebigen Dichten und Breiten
ohne Reste herstellen; man kann ebensowohl eine ein-
zige 30" lange Kette, als bis 20 Ketten ä 10 Schmitz
ä 3,4™ auf einmal fertigen. Weil man hierbei sehr
fest bäumt, kann man auch für jeden Stuhl eine ziem-
lich grosse Stückzahl abbäumen. Die Maschine ver-
arbeitet das Kettengam von der Spule (bobine) ebenso-
wohl als vom Kötzer der Feinspindel bis webfertig auf
den Kettenbaum. Die Förderung der Arbeit auf dem
Webstuhl im Gegensatz zur früheren Methode geben
die Erbauer zu 10 bis 15 Proc. an. Sehr vortheilhaft
ist, dass jeder Faden gleich stark, einzeln, klar, nicht
zusammengebacken, und von gleicher Länge, Spannung
und Trockenheit geleimt wird und dadurch das Fach
219
Lembcke, Schlichten nnd Leimen der Ketten in der mechanischen Weberei.
220
im Webstuhl hinter den Schäften ebenso offen ist, wie
vor denselben. Die angebrachten Zähluhren, welche
das Gram während dem Spulen und nach dem Trocknen
auf das Genaueste nachmessen, erleichtem die Berech-
nungsweise wesentlich und ermöglichen die richtige
Anbringung der Gelese (Kreuzschnüre). In Tafel IX,
Figuren 5 bis 18 ist dieses Maschinensystem gezeichnet
und zwar stellen dar:
Figuren 5 bis 8 die Spulmaschine mit Kötzergestell
und Zähluhr;
Figuren 9 bis 14 und 18 die Spulenabtreibegestelle,
den Leimapparat und die Trockenmaschine;
Figuren 9, 15, 16, 17 die Scheermaschine mit Uhr
und die Bäummaschine.
Spulmaschine mit Zähluhr der Fadenlänge
und Kötzergestell: Sie bezweckt 10 bis 60 Garn-
faden von den Kötzern oder Bobinen abzuspulen, auf
eine Spule zu bringen und die gespulte Länge zu
messen.
Auf einem Kötzer- oder bobinen- Gestell a, siehe
Tafel IX, Fig. 5, sind z. B. Kötzer b in zwei Reihen,
in jeder Reihe gewöhnlich 25 Stück, aufgesteckt. Unter
jedem Kötzer b steckt ein Reservekötzer c. Vom Spinner
muss das untere Gamende eines jeden Kötzers so her-
vorhängend geliefert werden, dass man es, bevor ein
Kötzer ganz abläuft, an das obere Ende des Reserve-
kötzers anknüpfen kann. Man vermeidet hierdurch
viel Zeitverlust. Die liegenden Spindeln d dienen für
Rester, welche nicht gut ablaufen wollen. Die Faden-
führeraugen sind an Holzwellen e befestigt, welche
drehbar in um g beweglichen Balanciers f liegen.
Man bewirkt hierdurch gleiche Fadenspannung. Die
Spulmaschine ist nach Art der Schönherr 'sehen Treib-
maschine construirt, spult mit gleichbleibender Faden-
geschwindigkeit, h ist ein runder Draht zur Trennung
der Fäden der beiden Kötzerreihen von einander; i ist
ein eiserner festgestellter Fadenleiter, siehe Figur 6;
k sind die hölzernen Streckwalzen, um welche das Garn
S förmig läuft und sie durch Reibung dreht. Die obere
Walze drückt die untere; die untere ist durch eine
Feder / gebremst. An neueren Maschinen ist zwischen
i und k ein Spannapparat eingeschaltet. Derselbe be-
steht aus zwei runden Eisenstäben, die mit ihren Enden
in eisernen Scheiben befestigt sind, deren Drehachse in
der Mitte zwischen den Stäben liegt, und welche durch
eine Sperrklinke und Sperrzähne am Umfang der einen
Scheibe verschiedenartig eingestellt werden können, so
dass die S förmig über die Stäbe weglaufenden Fäden
schärfere oder flachere Biegung daselbst machen, und
so fiir starke Garne mehr und für schwache weniger
Fadenspannung entsteht; m ist ein hin und her sich
bewegender Fadenfuhrer, welcher die Fäden gleich-
massig auf Spule n vertheilt. Um jede Dichte her-
stellen zu können, hat man eine Auswahl von Faden-
führern i und m, mit 42, 46, 48, 49, 50 u. s. w. Ein-
schnitten; n stellt eine 7^^ starke und 92^ lange
Holzwalze (Spule) dar, welche, wie die Webkettenbäume,
an beiden Enden gusseiserne Scheiben von 23®" Durch-
messer trägt und auf der Holztrommel o aufliegt, die
zumeist 1™ Umfang hat und pro Minute 60 Touren
macht. — Wenn keine Unterbrechungsverluste ent-
stehen, kann somit eine solche Maschine pro Minute
60.1=60° Grarnlänge von jedem Kötzer abspulen.
Die Bewegung der Trommel o erfolgt mittelst einer lose
auf der Welle p sitzenden Riemenscheibe von 435"*"
Durchmesser, siehe Figur 6. Dieselbe treibt im einge-
rückten Zustande durch eine Klauenmuö'e die Welle p
und dadurch die Maschine. Durch Stange p^ und
Hebel p^ lässt sich sofort Stillstand oder Betrieb her-
beiführen. .
Die Bewegung von m geschieht auf folgende Weise:
Die Schnecke r an der Welle p dreht das Schrauben-
rad s mit dem Herz ^, welches letztere durch die Rol-
lenstange u den Hebel q hin und her und dadurch
m her und hin bewegt.
Um eine festgesetzte Garnläuge genau au&polen
zu können, ist eine Zähluhr mit Zifferblatt und Klingel-
apparat bei r^ angebracht, siehe Figur 5. Bei einer
Tour der Trommel o, also der Welle p, zählt die Uhr
einen Umfang von o, also hier 1™, rückwärts. Der
Umfang der Trommel o richtet sich nach der Schmitz-
lange, in welche er aufgehen muss. Die Uhr gestattet
bis 9999 Trommeltouren, also 9999"^ Länge, zu messen.
Die Einrichtung ist folgende:
Die W^le p, siehe Figuren 6 und 8, trägt die
Kurbel t;, welche durch die Zugstange to und den
Winkelhebel x bei einer Umdrehung von p die Stoes-
stange y einmal hin- und herbewegt. Die Einrichtung
der Uhr zeigt Figur 7, y stösst bei einer Tour von p
das Sperrrad 1 um einen Zahn fort, so dass dieses bei
10 Touren von p eine Umdrehung macht Zu Ende
dieser wirkt der an 1 befestigte Zahn 5 auf die Zähne
von Sperrrad 2 ein und dreht dieses um einen Zahn.
Nach den zweiten 10 Touren von p dreht 5 Rad 2 um
den zweiten Zahn u. s. f., so dass bei 100 Touren von
p sich das Sperrrad 2 einmal herumgedreht hat. Zu
Ende dieser Umdrehung wirkt dessen Zahn 6 auf ein^
Zahn von Rad 3 ein und dreht dieses um Vio- ^^
einem Umgange von 3 endlich bewegt dieses durch
seinen Zahn 7 das Rad 4 um einen Zahn, so dass
somit
221
Lembcke, Schlichten uud Leimen der Ketten in der mechanischen Weberei.
222
Rad 4 sich bei
10.
10.
10
>>
3
»
»
10.
10
99
2
>5
»
10
99
1
»
»
1000 Touren von Rad 1 einmal herumdrehen wird,
100 „ „ „ 1
10 1
10 „ „ WeUej)
99
»
»
»
»
»
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Man verfährt nun wie folgt:
Durch einen Schlüssel stellt man sich jedes Rad
I, 2, 3 und 4 auf die Ziffer ein, welche der zu mes-
senden Länge entspricht.
Z. B. 7396";
stellt man Rad 1 auf 6,
>>
2
>»
9,
99
3
>>
3,
»
4
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Wenn jedes Sperrrad 1, 2, 3 und 4 auf steht, ist
sein mit ihm verbundener Stift a oben und hat er seine
Klinke b links gehoben und rechts gesenkt, so dass die
dagegen federnde Nase c nicht mehr von dem entsprechen-
den b zurückgehalten wird, und, wenn sämmtliche b ge-
senkt sind, der Schlägel d gegen die Glocke schlägt. In
unserem Beispiel wird somit nach dem Abspulen von
7000"* der Stift a des Rades 4 sich oben befinden und
seine Klinke b rechts senken; nach Abspulen von wei-
teren 300" thut dasselbe das Rad 3; nach Abspulen
von abermals 90" erfolgt es auch bei 2; und nach
Abspulen der letzten 6" auch bei Sperrrad 1. Es sind
alsdann alle Klinken b recht« gesenkt und erfolgt der
Glockenschlag. Man hält die Maschine durch Aus-
rücker p^ au und schneidet das Garn ab.
Zur Bedienung genügt ein Mädchen, welches zeit-
weise dem Arbeiter an der Leimmaschine behülf lieh ist.
Spulen- oder Walzenabtreibegestell, Leim-
apparat und Trockenmaschine: Für i^te und
feste Ketten verwendet man hölzerne stehende, in der
Mitte durch Charniere verbundene RahmelH in welche
man die Spulen b einlegt, siehe Figur 10. Zur Her-
beiführung von Fadenspannung, das Ueberlaufeu der
Spulen b zu verhindern, sind oben auf das Garn von
b Bremshölzer aufgelegt, welche an einarmigen Hebeln
befestigt sind, die am Spulengestelle ihren Drehpunkt
haben und durch ein Stück Eisen extra belastet sind.
Bei feineren, losen Garnen würde durch die grosse
Fadenspannung, die zum Drehen der Spulen b nöthig
ist, zu viel Fadenbruch entstehen und bedient man sich
alsdann lieber der Gestelle mit Abtreibetrommeln a,
siehe Figur 9. Jede Spule b wird hier mit immer
gleicher Fadenabwickelgeschwindigkeit vom Umfang
aus betrieben. Bei kleineren Maschinen liegen 6 Spulen
übereiniMider und je zwei nebeneinander, sind also 12
Spulen ä 50 Faden für 600 Faden vorgelegt. Bei
gröwcrcn Maschinen ordnet man 9 Spulen über und je
zwei nebeneinander an, leimt also von 18 Spulen je
50 Faden, in Summa 900 Faden. Die Spulen b liegen
auf a, siehe Figur 11, frei h\d. Die Arme c halten sie
hierbei zurück und sie sind bei d ausgekerbt, um eine
Spule hier hineinlegen und so ausser Betrieb setzen zu
können.
Der Leimapparat hat folgende Einrichtung: siehe
Fig. 9. e ist das Geleseblatt; es war hier 1350™"* breit
und hatte 900 Rohre, war also für 900 Fäden einge-
richtet. Sämmtliche Fäden in eine Ebene zu bringen,
dient die hölzerne Vorwalze f. Die hohle Kupferwalze
g (60"™ Dtr.) taucht das Garn in die Leimbrühe ein
und führt es nach der Leimwalze i mit der Druckwalze
h, h und i sind beide aus Gusseisen, und sind beide
oder auch nur die eine mit gewebtem Filz oder mit
Wollgarnschnur überzogen. Um bei Stillständen das
Kettengarn aus dem Leim ausheben zu können, ist die
Walze g, siehe Figur 12, in Hebeln g^ gelagert, welche
drehbar an den Gestellen der Walzen h und i befestigt
sind. Damit g eine immer au g^ dichtanliegende Lage
einnehme, sind oft die Hebel g^ über den Drehpunkt
nach oben hinaus verlängert uud hier durch Federn
gezogen. Das Garn tüchtig auszuquetschen, von über-
flüssigem Leime zu befreien, ist h durch Hebelbelastungen
an beiden Zapfenenden stark gegen i gedrückt.
Das Anwärmen des Leimes im Leimtrog geschieht
durch das im Wassertopf ?, siehe Figur 9, sich ansam-
melnde Condensationswasser , welches vom Heizapparat
zuläuft. Es steigt in das Rohr ä, welches U formig
den Leimtrog durchläuft und am Ende einen Hahn
trägt, siehe Figur 13. Den Leim kann man mehr oder
weniger heiss machen dadurch, dass man den Hahn n
mehr oder weniger öffnet, so dass also mehr oder we-
niger frisches heisses Wasser aus l durch k läuft. Der
Hahn m ist der Entleerungshahn des Leimtroges.
Weiterhin gelangt die Kette in die Trockenkammer,
in welcher sie mittels Drahtstabwalzen o und Walzen
p zwischen vier Heizrohrlagen q hin- und hergeführt
wird. Die Walzen o sind zusammengestellt aus zwei
Stück Gussscheiben, in welche Drahtstäbe eingesetzt
sind. Das Garn dreht o durch Reibung und kann von
allen Seiten warme Luft zutreten. Figur 14 zeigt die
Verbindung der sechs Stück U formigen, im Lichten
25™™ weiten Heizrohre jeder Etage. Frischer Kessel-
dampf von 4 bis 6 Atmosphären Spannung wird durch
sie hindurch gdieitet; r ist das Dampfzuleitungsrohr
223
Lembcke, Schlichten und Leimen der Ketten in der mechanischen Weberei.
224
und r* das Condensationswasserabfiihrrohr. Zur Regu-
lirung der Temperatur ist r mit einem Einlasshahn
versehen. Da der Hahn n am Leimtrog stets wenig
geöffnet ist, fuhrt er den üeberschuss von in der unter-
sten Etage und in l sich sammebidem Condensations-
wasser in das Freie. Die Trockenkammer hat vorn
und hinten grosse Glasfenster, welche sich seitlich ver-
schieben lassen; an den Langseiten an beiden Enden,
soweit das gusseiserne Gestell reicht, aushebbare Blech-
fuUungen; und dazwischen grosse hängende hölzerne
Klappthüren, so dass zufolgedem die Kammer, nament-
lich bei dem Einlegen der Fäden, höchst zugänglich
ist. Die Anwendung eines Exhaustors würde die Trock-
nung wesentlich beschleunigen, macht aber die Maschine
um die Hälfte theurer.
Von der letzten Drahtstabwalze o^ aus läuft jeder
Kettehfadeu durch ein Rohr eines zweiten Gelese-
blattes a, dessen Riete abwechselnd bis zur halben
Höhe zusammengelöthet sind, siehe Figur 18. Es ist
wie e 1350™™ breit und hat 900 Rohre. Vor dem-
selben liegt eine kleine Holzwalze s, welche ellipti-
schen Querschnitt hat, mit Leder umwickelt ist und,
da das darüber wegstreichende Garn diese Walze dreht,
bewirkt, dass bei einer Tour von ,s jeder Faden im
Blatt zweimal gehoben und gesenkt wird. Hierdurch
wird a von vorliegendem Leim und Haaren geputzt.
Von a aus läuft die Kette durch das schrägstehende
Blatt ß und von da auf die Scheerkrone y.
Betrieb und Geschwindigkeiten: Bei t ist
die Vorgelegswelle angedeutet, die durch eine grosse
Riemenscheibe betrieben wird, welche lose auf t läuft
und mittels Klauenmuffe und dicht über dem Leimtrog
an der Saaldecke angebrachter Gabel schnell ein- oder
ausgerückt werden kann, so dass hierdurch die ganze
Maschine in Gang oder in Stillstand kommt. Die Leim-
walze i wird durch Stufenscheiben von 200, 210 und
220"" Durchmesser betrieben. Diese Stufenscheiben
sind nöthig, weil der Umfang der sich bäumenden Gam-
ringe immer grösser wird, so dass auch die Garnge-
schwindigkeit an der Zuführung entsprechend gesteigert
werden muss, damit die Spannung des Garnes immer
nahezu gleich bleibe.
Touren von t pro Minute = 12.
220
Touren der Leimwalze pro Minute : 12 . -^^ = 12.
Umfang derselben: 500"".
Theoretische Lieferung pro Minute: 500. 12 = 6000"".
Von t aus wird durch das Vorgelege u die unterste
Walze a betrieben, und durch Transporteure und gleich
grosse Räder von dieser alle anderen Walzen.
220
Touren von u pro Minute : 12 . ^p=^ := 15,6.
170
Touren von a pro Minute: 15,5 . ^ =8.
Umfang von a ca. 750"".
Die Spulen b fuhren also pro Minute zu: 750.8 =
6000"".
Eine zweite Riemenscheibe der Welle t treibt die
Holztronunel v mit constanter Tourenzahl.
Umdrehungen von v pro Minute:
180
250
. 12 = 8,64.
V treibt durch gekreuzte Schnuren die Scheerkrone
y mit
250
8,04. i97iÄ=lj8 Touren pro Minute.
Da die Leimwalzen pro Minute 6000"" zufuhren
und die Scheerkrone y diese Länge in derselben Zeit
aufwickeln muss, muss der Umfang von y
6000
1,8
= 3333"" sein.
In Wirklichkeit hat sie 3398 "" (6 Leipziger Ellen)
Umfang.
Die wirkliche Lieferung bei 20er Kettengam be-
trägt pro Tag ä 12 Stunden
3000" Scheerband ä 600 Faden,
also pro Minute
3 000
12.60
= 4,166".
Mithin ergiebt sich ein Verlust von ca. 30 Procent.
Ein Schönherr-Stuhl liefert z. B. pro Tag ä 12
Stunden 7,4i4" Tuch (3200 Kettenfäden; 20er; 2,2i"
Breite im Blatt; 18er Schuss; pro 1*^" 27,54 Schuss).
Rechne]^ wir rund die für diesen Stuhl nöthige
Kettenlänge^u 8" pro Tag, so sind dies
8.4^ =42,66" Scheerband ä 600 Faden.
DUO
Da die Maschine 3000" liefert, befriedigt sie den
Bedarf von circa 70 Webstühlen.
Zschille giebt an, dass eine kleinere Maschine
für 50 bis 80 und eine grössere für 60 bis 100 Stühle,
je nachdem sie für Maschinen- oder Handstühle, für
schmale oder breite Waare, für dichte oder flüchtig
stehende Ketten dient, ausreicht. Selbst kleine Fabri-
kanten sollen sich bei 10 Webstühlen noch mit VortheQ
dieser Maschine bedienen, auch wenn sie dieselbe die
halbe Zeit unbeschäftigt stehen lassen.
In neuerer Zeit hat Zschille die Stufenscheiben
an der Leimwalze, die sich nöthig macht^i, um ihr
je nach der Füllung der Scheerkrone versdiiedene
225
Lembcke, Schlichten und Leimen der Ketten in der mechanischen Weberei.
226
UmÜEingsgeseh windigkeit zu geben, durch Riemenkegel
ersetzt, welche von der Leimwalze aus die Drehgeschwin-
digkeit der Scheerkroue selbstthätig reguliren.
Der Betrieb der Leimwalze ist constant. Die
Scheertrommel läuft um so langsamer, je mehr sie sich
füllt. Die Einrichtung ist sehr ähnlich der bei den
Sizing-Maschinen angewendeten Betriebsweise des Ket-
tenbaumes. Durch einen Riemen treibt ein Holzconus
einen zweiten, und durch Wirkung einer Schiebklinke,
eines Schaltrades und einer Schraubenspindel, auf wel-
cher die Mutter der Riemengabel steckt, wird der Conus-
riemen in demselben Maasse verschoben wie die Scheer-
kroue sich füllt. Der Betrieb der Conen und der Klinke
erfolgt von der unteren Leimwalze aus. Die getriebene
Conuswelle, die also nach und nach sich langsamer
dreht, wirkt durch conische Räder und unter der
Trockenkammer liegende Welle auf ein unter der
Scheertrommel liegendes conisches Rad ein, welches
durch eine Feder in der Nuthe einer unterhalb y pa-
lallel zur Trommelachse liegenden Welle letztere dreht
und durch Stirnräder auf die Trommelachse wirkt. Bei
der Vei-schiebung von y auf Wy siehe Figur 9, schiebt
sich die Welle in dem conischen Rade, bleibt somit
der Betrieb der Tronmiel intakt. Die umständliche
Betriebstrommel v, der mangelhafte Riemenbetrieb, die
absetzende Geschwindigkeitsänderung der Stufenscheiben
fuhren leicht zu Differenzen in der Garneinführung
und Gamabführung und sind hierdurch beseitigt.
Scheerküpe und Bäumstelle: Auf den Scheer-
lahmen y werden die Fäden in solchen Breitenringen
aufgewunden, wie sie aus dem Blatt ß heraustreten.
Letzteres giebt ihnen durch seine verstellbare schräge
Stellung die Breite, welche 600 oder 900 Faden bei
dem Weben einnehmen sollen. An jeder Seite treiben
gekreuzte Sclinüre x von den Enden der ^JiTalze v nach
den Spuren der grossen Seitenscheiben der Krone, auf
welche 20 Latten mit je 3 Reihen Löchern, siehe Fig.
15, geschraubt sind. In letztere steckt man schief ge-
l)Ogene Drähte als Begrenzung für den nächsten zu
bäumenden Garnring. Die Walze v muss hier über die
ganze Breite von y reichen, damit ihr Antriebriemen
bei der Verschiebung von y immer richtige Auflage
behält.
Das Aufbäumgestell zeigt ^, siehe Fig. 9. Es ist,
wie gewöhnlich, für alle Baumlängen verwendbar, mit
verstellbarem Lagerbock y versehen. Bei Platzmangel
setzt man es (jedoch nur ungern) zwischen die Trocken-
kammer und die Scheerkrone. Um straff bäumen zu
können, wird die Scheerki'one gebremst, z ist die An-
triebwelle» die von einem Decken Vorgelege betrieben
wird. Durch ein 14er wird ein 84er Rad getrieben,
OlTillng«nfear XXIII.
welches einen Schlitz mit verstellbarem Mitnehmerbolzen
hat und hierdurch den Baum dreht.
Durchmesser der Antriebscheibe =360"".
Touren von Welle z pro Minute =44.
14
Touren des Webebaumes: 44.^=7Vi pro Minute.
Ist der Umfang des letzteren 81*^", so könnte man
pro Stunde
81 . 7 Vs . 60 = 35640«" bäumen.
Es kann also die pro Tag von der Leimmaschine
gelieferte Scheerbandlänge von 3000" ä 600 Faden,
welche einer Webkettenlänge von
3000.600
3200
= 560" ä 3200 Faden
entspricht, aufgebäumt werden in
560
35674
= circa 1,6 Stunden.
Die Uhr der Scheerkrone zahlt die aufgewundenen
Garnumfänge (Touren) der Art, dass bei jedem Umgange
von y die Uhr um eine Ziffer weiter gestossen wird —
sie sich aber bei vorkommendem Rückwärtsdrehen der
Trommel um ebenso viel wieder zurückstellt, siehe
Fig. 16 und 17.
Da der Umfang der Krone 3,4" ist, und dies meist
mit der Schmitzlänge übereinstimmt, hat man bei 20
Stück Waare ä 10 Schmitz : 200 zu zählen. Am kleinen
Rade sind die Einer, am grossen die 20 Ziffern für die
Zehner angebracht. Diese Uhr giebt Sicherheit, dass
an den benachbarten Ringen bei dem Aufbäumen alle
Stücke das Gebinde nebeneinander haben, und dass
ein Versehen im Nachzählen der Schmitzglocke tS siehe
Figur 9, sich gleich anfänglich zeigt.
Bedienung: Zur Bedienung der Leim-, Trocken-,
Scheer- und Bäummaschine ist ein acurat arbeitender
Mann nöthig, der fähig ist, die Berechnung zu machen ;
für jede Spulmaschine ist ein Mädchen erforderlich.
Der Einzug in das Leseblatt e ist von rechts und
und links aus gerade durch pro Rohr 1 Faden, und
sind die Fäden der Spulen von unten aus nach oben
der Reihe nach genommen, wie bei der englischen
Scheermaschine. Bei gutem Garn und ordinärer Waare
zieht man oft auch spulenweise ein. In* das Blatt a
konmit in jedes Rohr 1 Faden, wie sie nebeneinander
liegen. Li das Blatt ß kommen ins Rohr, je nach
der Dichte, 2 bis 5 Fäden.
Das Einziehen der sämmtlichen Fäden in die Ma-
schine geschieht mit Hilfe eines langen Strickes und
einem daran gebundenen Holzstab (wie bei der Sizing-
Maschine u. s. w.), oder statt des letzteren mittelst
16
227
ßurmcster, lieber die Geradftthruiig durch das Kurbelgetriebe.
228
des Geleseblattes a, in welches mau die Fäden zuvor
eingelesen hat.
Der Schlag der Klingel i^ am Leimapparat erfolgt
durch ein erhöhtes Kettenglied einer Y au can so naschen
Drahtgliederkette, welche durch ein Kettenrad an Wal-
zenwelle i in Bewegung gesetzt wird, über Kettenrollen
i^ geführt ist und bei einem Umgange schlägt. Es ent-
spricht dieser Weg einem Durchgange von 1 Schmitz
Kettenlänge.
Kommt das Stückzeichen zwischen a und ß, so
wird mittelst eines aufgedrückten und durchgesteckten
Stabes, siehe Figur 18, Fach gemacht am Blatte er
und dieses vor der Scheerkrone unterbunden.
Ist die richtige Länge auf y aufgewunden, was die
daran befindliche Uhr anzeigt, so schiebt man / auf
den Schienen w weiter um eine Ringbreite.
Bei dem Abbäumen von y auf d legt man ent-
weder den oberen Treibriemen von v am Vorgelege auf
eine Losscheibe, oder legt die Treibschnüre x aus und
in deren Nuthen die Bremsstricke.
Der Leim ist guter Hornleim; bei Dampftrocknung
auf 4t^^ Garn 1^« Leim, bei Luftttrocknung, langsamer
Trocknung auf 5^ Garn P« Leim. Am brauchbarsten
gilt der durch Auskochen von Handschuhleder herge-
stellte sogenannte Lederleim. Man kocht ihn vor dem
Gebrauch, und bringt ihn alsdann in den Trog, wo-
selbst er immer nur massig warm erhalten wird, was
sich durch den Hahn n leicht regidiren lässt.
Die Umwickelung der Leimwalzen kann man auch
ändern. Will man z. B. die Ränder der Kette mehr
leimen, so lässt man an deren Stelle die Leim walzen
weniger Leim abquetschen.
Die Leistengame werden zumeist auf .einem durch
Holzsattel erhöhten Umfang der Scheerkrone mit auf-
gewunden, und alsdann mit abgebäumt, weil sie sonst
zu viel einwalkten.
Wenn hellfarbene Ketten nach dunkeln folgen, so
muss der meist unreine Leimrest beseitigt werden.
Manche gegen Leimwasser nicht ganz ächte Farben
neben solcher von sehr heller Farbe erhalten sich auf
der Leimmaschine viel leichter rein, ak bei dem Leimen
mit Hand, weil sich die Fäden nicht so berühren.
Ketten, in welchen sehr feine Fäden neben dicken vor-
kommen, sind im Ganzen nicht gut zu leimen. Man
leimt sie von Hand, oder einen Theil davon gar nicht.
Raumbedarf: Im Ganzen sind erforderlich ca.
7,6™ Länge und 7"' Breite, wobei auch die Spülma-
schinen Platz haben.
Arbeitsverbrauch nach Hartig's Versuchen*)
0,071 Pferdestärken.
Zu einer grossen Maschine wird ein Satz von 18
Spulen geliefert, zu einer kleinen ein Satz von 12 Spu-
len — oft gebraucht man aber noch einen Reservesatas.
*) MittheiluDgen der K. S. polytechnischen Schale. Heft 1.
S. 24 und 52.
/:
lieber die Geradführung durch das Kurbelgetriebe.*)
Von
Prof. Dr. L. Burmester in Dresden.
(Hierzu Tafel X und XI.)
II. TheU.
In dieser Abhandlung werden wir mittelst der
Geometrie der Lage die fundamentalen geometrischen
Beziehungen ableiten, welche uns den Weg zur con-
*) Fortsetzung der Abhandlung ,,Ueber GeradfUhrung *^ etc.
im Civilingenieur , XXII. Band, S. 597.
structiven Auffindung der Geradfiihrungen und der
Ereisfuhrungen zeigen, die durch das Kurbelgetridbe
erzeugt werden können. Wir werden durch unsere
Darlegungen eine Constructions- Methode empfieuigent
welche uns über diesen Gegenstand volle Klarheit Ter-
leiht und denselben in geometrischer Hinsicht zum Ab-
schluss führt. Unsere Betrachtungen werden ergeben,
dass die Bestimmung der Geradfuhrungen dn Special-
229
Burmester, Ucber die Geradführung durch das Kurbelgetriebe.
230
fall derjenigen Construction ist, durch welche wir die
Kreisfiihrungen erreichen, daher werden wir, indem wir
vom Allgemeinen zum Besonderen gehen, auch die Kreis-
fiihrungen mit beiücksichtigen , vorzugsweise aber die
Geradfuhrungen ausführlich behandeln. Wenn wir
durch unsere theoretischen Darlegungen zu der Er-
kenntniss gelangen, dass wir mittelst des Kurbelgetriebes
unter den mannigfaltigsten Verhältnissen eine selir ge-
naue Geradfiilirung erhalten können, die im Allgemeinen
fünf und im Einzelnen sechs Punkte mit einer Geraden
gemein hat, so werden dieselben in der Praxis nicht
nur bei der Dampfmaschine, sondern auch in vielen
anderen Fällen nützliche Verwendung finden.
In Figur 1, Tafel X, sind auf den drei Geraden
Gl G.^ G^ , welche drei coiigruenten ebenen Systemen
SiS^S^ angehören, congruente Punktreihen durch die
homologen Strecken -Hi/i, H^I^^ J^sh gegeben. Um
den Ort der Mittelpunkte aller Kreise zu ermitteln,
welche durch je drei homologe Punkte dieser Reihen
gehen, errichten wir in den Mitten ä'-, ä^^; i'*, i^'
der Verbindungsgeraden Hi H^, Äg H^ ; ii I^^ L^ h Senk-
rechte. Diese Senkrechten gehen resp. durch den Pol
P'* und P«»*) der Systeme S^S^ und S^Sg. Der
Schnittpunkt /; von P'-^Ä>S P^aA'" ist der Mittelpunkt
des durch H^ H^ fl, gehenden Kreises , ebenso ist der
Schnittpunkt/ von P*^^•^ P^^/^a ^er Mittelpunkt des
Kreises, welcher durch die Punkte Iil-ils geht. Die
Mitton A'^i** . . . der Verbindungsgeraden homologer
Punkte liegen auf einer Geraden und bilden eine mit
jff, i, . . , H^I^ , . oder H^I^ . . projectivische Punkt-
reihe; dasselbe gilt von den Mitten h^^i^^ . . .; dem-
nach sind die Strahlenbüschel P^^Qi^'^V'^ . . .) und
p«3(/i23^-23 ^ projectivisch und erzeugen einen Kegel-
schnitt r*^*, der die Mittelpunkte der Kreise trägt,
welche durch je drei homologe Punkte der Reihen
Gl G2 ©8 gehen. Je nachdem dieser Kegelschnitt eine
Ellipse, eine Parabel oder eine Hyperbel ist, giebt es
keine, eine Gerade oder zwei Geraden, welche drei ho-
mologe Punkte dieser Reihen tragen. Construiren wir
noch control weise in den Mitten A'', t^* . . . auf den
Verbindungsgeraden JÖ3Ä,, l^li . , , Senkrechte, so
gehen diese resp. durch die Punkte r], i und schneiden
sich in dem Pol P*'' der Systeme S^Si. Das hierdurch
entstehende Strahlenbüschel P''(A^'t^^ . . .) ist aus
den oben angeführten Gründen auch mit den Büscheln
pi2(Äi2ii2 . .) und p-2» (AM ^28 . . .) projcctlvisch ; folg-
•) Wir werden den Pol zweier Systeme Sm, S» stets mit
P"w oder P"»» bezeichnen, wenn also auch die Folge der beiden
Ziffern m, n geändert wird, so gilt jene Bezeichnung stets für
den Pol der Systeme Smy Sn-
lieh geht der Kegelschnitt r^*' durch die drei Pole
pi2p2sp3i Hieraus folgt der Satz:
Die Mittelpunkte derjenigen Kreise,
welche je drei homologe Punkte von
drei congruenten Punktreihen verbin-
den, liegen auf einem Kegelschnitt, der
durch die drei Pole geht.
Denken wir uns in den drei congruenten ebenen
Systemen S, S^S^ noch drei homologe Gerade Li L^L^
als Träger homologer Punktreihen angenommen, so er-
halten wir einen neuen durch die Pole pi2p23psi
gehenden Kegelschnitt ./'^^. Bezeichnen wir das System
der Kreismittelpunkte r;, 1 . . mit Z'*' und betrachten
wir eines jener drei congruenten Systeme, etwa Si, in
Beziehung zu 2^*', so stehen Si und -i'^' in Verwandt-
schaft zweiten Grades. Jedem Punkt {Hi, J,, . . .) in
Si entspricht ein Punkt (jy, £, . .) in £*'^^ und jeder
Geraden (Gj, Li, . .) in Si entspricht ein durch die
Pole P^'^P^^P^i gehender Kegelschnitt {n^\ ^'", ..)
in 2"»*^
Ehe wir auf diese für unsere Darlegungen sehr
wichtige Verwandtschaft näher eingehen, wollen wir
noch ein viertes congruentes ebenes System S^ an-
nehmen, in dem die Gerade G^ den Geraden Gi G^ G^
entspricht,, und auf der die Punkte jS^Zi den Punkten
-Hi J,, H^Izf H^h entsprechen. Betrachten wir nun
die congruenten Punktreihen G2 G^ G4 , so erhalten
wir in gleicher Weise, wie oben gezeigt wurde, für
den Ort der Mittelpunkte der Kreise, die durch je
drei homologe Punkte der Reihen G2 G^G^ gehen, einen
Kegelschnitt r*^*, der durch die Pole P«'P^P« geht.
Die beiden Kegelschnitte r^'^ar*'* schneiden sich ausser
in dem Punkte P^^ entweder noch in einem reellen Punkte
oder in drei reellen Punkten. Diese Schnittpunkte,
von denen in unserer Figur 1 die drei a, ß^ y auftreten,
sind Mittelpunkte solcher Kreise, welche durch vier
homologe Punkte der congruenten Punktreihen ö, G^ G^ G^
gehen. Der vierte Punkt P^", in dem sich die Kegel-
schnitte r**', r*^* treffen, ist von dem System S4 oder
der Geraden G^ unabhängig und kann daher nicht
Mittelpunkt eines Kreises sein, der durch vier homologe
Punkte der Geraden Gx G^ G^ G^ geht. Wir erhalten
hiernach den Satz:
Es giebt entweder einen oder drei
Kreise, welche durch vier homologe
Punkte von vier in einer Ebene liegen-
den congruenten Punktreihen gehen.
Um die Kreise Ka, Kß, Ky, deren Mittelpunkte resp.
a, ßf y sind, zu bestimmen, durchschreiten wir den
angegebenen Gonstructionsweg rückwärts. Wir ziehen
z. B., um Kß zu erhalten, die Gerade P^^ß bis zu ihrem
16»
231
Burmester, lieber die Geradführuug durch das Kui-belge triebe.
232
Durchschnitt b^^ mit der Geraden Ji^^i'^^ und ziehen
in 6^3 auf P^^ ß die Senkrechte, welche G.^, G^ in jB«,
JB3 trifft; dann geht der Kreis Ä/j, dessen Mittelpunkt
ß ist, durch B^, JS3 und schneidet die beiden anderen
Geraden öi, G^ in den homologen Punkten ^i, B^,
Da vier Elemente vier Combinationen zur dritten
Classe liefern, so giebt es vier Kegelschnitte T'**, jT***,
^•134^ r*"-*, welche durch die drei Kreismittelpunkte
a, ß^ y gehen. Wir können demnach, da diese vier
Kegelschnitte zu zweien genommen sechs Combinationen
geben, jene Kreismittelpunkte auf sechs vei'schiedene
Weise bestimmen.
Wenn wir vier homologen Strecken Dj A^^ B^A^^
DsJ.3, 2)4-^4, welche vier congruente Punktreihen be-
stimmen , so angenommen haben , dass die vier Punkte
Dl D.2 Ds -D4 auf einer Geraden Kb und die vier Punkte
A^ A^ A^ A^ auf einem Kreise Ka liegen , dann folgt
aus unserem Satz, dass es ausser dem Ki*oise Ka und
der Geraden Kö^ welche als ein Kreis mit unendlich
grossem Radius und unendlich fernem Mittelpunkte 6'^
angesehen werden kann, stets noch einen Kreis Ä"/^
giebt, der durch vier homologe Punkte BiB^B^B^
der Systemgeraden geht. Wenn wir also zwei Kegel-
schnitte etwa i'**^, r^^* in der angegebenen Weise
construiren, so müssen diese sich in dem Pol P**, im
Mittelpunkt a des Kreises Ka und in dem unendlich
fernen Punkte d* schneiden ; der vierte Schnittpunkt ß
ist dann der Mittelpunkt des dritten Kreises Kß, der
durch vier homologe Punkte jener vier Punktreihen
geht. Der Kegelschnitt r'*^ ist durch die fünf Punkte
P»2P"P8'a(J*, der Kegelschnitt T*^* durch die fiinf
Punkte P*^3p34p42ßjQo bestimmt und dann kann man
den vierten Schnittpunkt ß der Kegelschnitte nach den
Lehi^en der Geometrie der Lage mittelst Lineal con-
struiren.
Sehr einfach gestaltet sich die Bestimmung des
Punktes ß in dem besonderen, aber oft vorkommenden
Fall Figur 2, in der zwei Lagen w4i2),, A^B^ so ge-
wählt sind, dass Ai, A^ auf dem Kreise Ka im Pol P**
zusammenfallen, dann zerfällt der Kegelschnitt F**^ in
die Gerade P^'^d*, welche auf J^d senkrecht steht, und
die Gerade aP^^^ die den Winkel P^^aA^ halbirt.
Diese letzte Gerade trägt die Mittelpunkte aller durch
P^^A^ oder AiA^A^ gehenden Kreise. Der Kegel-
schnitt r"34 geht durch die Punkte P>8pi4p84 ^^ und
d^ und schneidet die auf Kö senkrechte Gerade P*^ d*
in einem Punkte ß, den man mittelst des Pascal'schen
Satzes leicht bestimmen kann. Der Schnittpunkt s von
PMpi4 mit (l«P»« und der Schnittpunkt t von d^'P»»
mit P^*a geben verbunden die Pascarsche Gerade
sty welche P^^P^^ in u trifft, dann schneidet ua die
Gerade d^ P'^ in dem Mittelpunkte ß des Kreises Kß;
und um diesen Kreis Kfi, der durch die vier homologen
Punkte jB| B^ B^ B^ gebt, selbst zu erhalten, ziehen wir
eine Gerade durch die Mitten der Verbindungsgeraden
zweier Paare homologer Punkte, z. B. die Gerade a'*d**,
welche durch die Mitten von A^A^ und B^B^ geht
Diese Gerade schneidet P^*ß im Punkte b^; durch
diesen ziehen wir B^B^ senkrecht auf ßb^* und be-
schreiben um ß den durch B^B^ gehenden Kreis Kß^
der die beiden anderen Geraden in den homologen
Punkten Pi B.^ schneidet.
Eine andere Bestimmung des Punktes ß ergiebt
sich, wenn wir die Kegelschnitte P**' und P'** be-
nutzen, der erste besteht, wie oben angegeben, aus den
Geraden P»«d* und aP^'-^ und der zweite aus den
Geraden P^^d"^ und aP*"^; demnach Irilden die Mittel-
punkte der Kreise, welche durch die homologen Punkte
der Geraden Ai Dj, ^D«, A^B^ gehen und die Mittel-
punkte der Kreise, welche die homologen Punkte der
Geraden -4iD,, -42-^2» -^4-^4 verbinden, zwei auf
P'*d* liegende projectivische Punktreihen, für welche
der zu bestimmende Punkt ß und der unendlich £Bme
Punkt d^ selbstentsprechende Punkte sind; demnach
sind diese Punktreihen ähnlich und wir brauchen nur
zwei Paar entsprechende Punkte derselben zu ermitteln.
Die Geraden aP^^, aP^* bestimmen auf P'^d"^ ein
Paar entsprechende Punkte a', a" und wenn wir nodi
auf P'2(j» die Mittelpunkte /, y" zweier duixih beliebig
angenommene homologe Punkte Ci C^ C^ und Ci C% C^
gehenden Kreise ermitteln*), so sind die projecti vischen
Punktreihen «' y* X^ . . und a" y" A* durch die drei Paar
entsprechender Punkte bestimmt und man kann dann
den zweiten selbstentsprechenden Punkt ß dieser Reihen
leicht construiren. In Fig. 2 ist die Gurve gezeiohnei,
welche der Punkt B durchläuft, wenn die Punkte A
und B sich resp. auf den Kreisen Kay Kß bewegen.
Diese Curve hat mit der Geraden Kd die vier Punkte
Bi B2 Da 2)4 gemein und schliesst sich innerhalb dieser
Strecke der Geraden sehr nahe an. -
In Figur 3 haben wir die Bestimmung des Kreis-
mittelpunktes ß auf den Conchoiden- Lenker angewendet
und es zeigt sich, dass wir in diesem Falle sechs Bjmr
metrisch liegende Geraden beliebig annehmen können.
Wir haben die sechs Lagen Bi A, B^A, D» A, D4A»
Dft A9 Dq A der durch einen festen Punkt A gehenden
Geradeaso genommen, dass die FunikteBiB^D^D^D^D^
auf einer Geraden Kö sich in gleichen Abständen von
einander befinden und zu der von A auf Kd gezogen
*) In unserer Figur haben wir diese Gonstmction nicht aiu-
geführt.
233
Burmester, Ueber die Geradftthrung durch das Kurbelgetriebe.
234
senkrechten Geraden m A symmetrisch liegen. Die Pole
pi«pi4p24^ die wir für unsere Bestimmung gebrauchen,
ergeben sich am genauesten, wenn wir auf den Halbi-
ningsgeraden der Winkel Dj A D«, Di A D4, D^ A D4
in A Senkrechte errichten, oder, was dasselbe ist, die
Nebenwinkel halbiren, diese Senkrechten treffen die in
den Mitten der Strecken A-D«> -D, 2)4, D^D^ auf K9
senkrechten Geraden in den genannten Polen. Be-
trachten wir nun zunächst die vier Lagen oder homo-
logen Strecken D, Ci, D^G^y Da C3, D4C4, so liegt der
Pol P»* in A, und der Kegelschnitt r"* zerfallt in
zwei Gerade Aw und P^^P^^^ von denen wir nur die
Gerade Am benutzen. Um nun den Kreis Kß zu bestim-
men, der durch vier homologe Punkte D, JB^ B^ D4 geht,
suchen wir den im Endlichen liegenden Schnittpunkt ^,
welchen die Gerade Aw mit den Kegelschnitt r***
bildet, der durch die drei Punkte pi«pi*p24 und den
unendlich fernen Punkt d^ der Geraden Aw geht,
weil wir d* als den Mittelpunkt der als Kreis ange-
sehenen Geraden Ks betrachten. Ziehen wir von P**
nach der Mitte c** auf Ci C» und von P** nach der
Mitte c** auf C2C4 Gerade, so ist der Schnittpunkt/
dieser Geraden ein fünfter Punkt des Kegelschnittes
r***. Hiernach bestimmen wir mittelst des Pascal'-
schen Sechseckes den Schnittpunkt /?, welchen d^ A mit
r'*"* bildet, indem wir durch den Schnittpunkt s von
Ä* A mit yP^ und den Schnittpunkt t von d*P»* mit
yP** die Pascarsche Gerade ziehen, welche P^^P^
in u trifft, dann schneidet wP** die Gerade d'^A in
dem gesuchten Rreismittelpunkt ß. Die Gerade P^'^ß
schneidet die Gerade d'^c'^ welche durch die Mitten
von DiD^, C1C2 geht, in dem Punkte f*^. Durch
diesen ziehen wir P, B^ senkrecht auf P^^ß; dann geht
der Kreis Kß, dessen Mittelpunkt ß ist, durch die ho-
mologen Punkte Bi B^B^B^ und wegen der symme-
trischen Lagen auch noch durch die homologen Punkte
B^B^. Der Punkt D beschreibt hiernach, wenn der
Punkt B sich auf dem Kreise Kß bewegt, eine Curve,
welche sechs Punkte mit der Geraden JEV gemein hat.
Der Gonchoiden-Lenker in der Gestalt, welche unsere
Construction geliefert hat, ist unter dem Namen Rei-
ch enbach 'scher Lenker bekannt und man hat bis jetzt
denselben nur so zu construiren vermocht, dass drei
oder höchstens vier Punkte der Curve, welche der gerad-
fuhrende Punkt beschreibt, auf der Geraden Kö liegen.
Wie zur Geradflihrung kann der Reichenbach '-
sehe Lenker auch zur Kreisfiihrung benutzt werden,
d. h. ein Punkt D soll eine Curve beschreiben, welche
innerhalb zweckmässig gegebener Grenzen, sich mög-
lichst nahe an einen Kreis mit grossem Radius an-
scblieest. In Figur 4 ist statt der Geraden ein Kreis-
stück Kdi dessen Mittelpunkt d auf der Geraden mA
verhältnissmässig weit von m entfernt ist. Wir können
dann den Kreis Kß ebenso wie in Figur 3 bestimmen
und die Construction unterscheidet sich nur dadurch,
dass wir statt in Figur 3 nach dem unendlich fernen
Punkte d^j also parallel zu Am, hier in Fig. 4 nach
dem im Endlichen liegenden Mittelpunkte d des Kreis-
stückes Kd Geraden ziehen. Dieses Kreisstück hat dann
sechs Punkte mit der von dem Punkte D beschriebenen
Curve gemein.
In Figur 5 haben wir die fünf homologen Strecken
DiAi, D2Ä29 D^A^y B^A^y DöJ-ft so angenommen,
dass die homologen Punkte Di D2 D3 D4 D^ in gleichen
Abständen auf dem Kreise Kby dessen Mittelpunkt d ist,
liegen und dass Ax ^5, Ai A^ in den Schnittpunkten
zusammenfallen, welche die Gerade dD^ mit dem Kreise
Kcc bildet, der die homologen Punkte AiA^A^A^A^
trägt und dessen Mittelpunkt a ist. Wir können hier
den Mittelpunkt ß des Kreises Kß in gleicher Weise
wie in Figur 3 und 4 erhalten; wir wollen hier aber
beispielsweise die andere Bestimmung anwenden, welche
wir schon oben erwähnten.
Die Mittelpunkte aller Kreise, welche durch homo-
loge Punkte der Geraden Di A^ , B^A^, D^ A^ gehen,
und die Mittelpunkte aller Kreise, welche die homologen
Punkte der Geraden D^^a» D, ^3, D4-44 tragen, bilden
auf der Geraden (JD3 zwei projectivische Punktreihen,
deren beide selbstentsprechenden Punkte d und ß sind.
Die Geraden aP^^y aP^^ schneiden die Gerade dDa
in den zwei entsprechenden Kreismittelpunkten a', a".
Ferner nehmen wir noch die homologen Punkte Ci C^ C3
an, verbinden die Mitte c'^ von Ci Ca mit P''^ die
Mitte c^^ von C^Cs mit P^*, so liefern diese Verbin-
dungsgeraden auf d D3 die entsprechenden Kreismittel-
punkte /, y". Da nun der eine selbstentsprechende
Punkt d als Kreismittelpunkt von Kö gegeben ist, so
erhalten wir den •zweiten ß in folgender Weise: Wir
ziehen durch d eine beliebige Gerade, etwa dP**^ nehmen
einen beliebigen Punkt, der Einfachheit halber etwa a an,
und projiciren von diesem a" nach «q", y*' nach y^" auf
dP^^y ziehen die Geraden a^,''«', /«*'/> welche sich in
einem Punkte n schneiden; dann triflFt an die Gerade
dDs in dem gesuchten Mittelpunkte ß des Kreises Kßy
der die fünf homologen Punkte B^ B^ D3 D4 B^ trägt
und ebenso wie in Figur 3 und 4 bestimmt wird. Be-
wegen sich die Punkte Ay B resp. auf den Kreisen
Kay Kßy 80 beschreibt der Punkt D eine Curve, welche
die fünf Punkte BiD^D^D^D^ mit dem Kreisstück
Kb gemein hat und sich demselben sehr nahe anschliesst ;
dieses Anschliessen wird selbstverständlich um so ge-
nauer, je kürzer das Kreisstück Dj D5 ist. Nehmen wir
235
Burmester, Ueber die Geradftlhnmg durch das Kurbelgetriebe.
236
glatt des Kreises Kö eine Gerade, so fällt in diesem
besonderen Falle der Punkt ß mit dem Punkte Ds zu-
sammen und wir erhalten eine Geradfuhrung , welche
mit der Geraden fünf Punkte gemein hat.
Um die Geradfiihrung ausführlicher zu behandeln,
müssen wir die obenerwähnte Verwandtschaft zweiten
Grades*), welche zwischen dem System Sx und dem
Systeme -1**^ der Kreismittelpunkte besteht, noch ein-
gehender untersuchen; denn sie wird das Fundament
für unsere weiteren Betrachtungen bilden und neben
ihrer Anwendung auf die Geradführung noch manche
interessante geometrische Beziehungen bieten.
In Figur 6 sind drei congruente ebene Systeme
S, &2 ^3 durch die drei homologen Strecken Ai Bi ,
A.1B2, Ä^B^ gegeben. Durch je drei homologe Punkte
dieser drei Systeme können wir einen Kreis legen und
demnach entspricht je drei homologen Punkten ein
Kreismittelpunkt. Wir betrachten jedoch, wie schon
oben erwähnt, nur ein System, z. B. /S|, in Beziehung
zu dem Mittelpunktsystem, welches wir mit 2^**' be-
zeichnet haben ; dann entspricht jedem Punkt in Si ein
Kreismittelpunkt in -1^^', mit Ausnahme dreier Punkte,
die wir noch besonders betrachten werden; jeder Ge-
raden in Si entspricht ein Kegelschnitt in -1'**^, der
durch die Pole pi^P^^P^^ geht. Ist in S, ein PuAt
Dl gegeben, so erhalten wir den entsprechenden Kreis-
niittelpunkt rf, indem wir zu Dj die homologen Punkte !
-D.2, Dg bestimmen und den Mittelpunkt d des durch
Dl Da D3 gehenden Kreises construiren. Einer Geraden
in Si, welche durch den Pol P'^ geht, entspricht in
-1^*^^ ein aus zwei Geraden bestehender Kegelschnitt,
von denen die eine stets durch den Pol P'^ geht. So
entspricht z. B. der Geraden P^^Ai die Halbirungs-
gerade P^^a des Winkels -4, P'* J^ und die Gerade
paspai Hierbei ist zu bemerken, dass jedem Punkte
der Geraden P^^Ai ein Punkt der Geraden P^^a ent-
spricht, ausgenommen den Punkt P*^, diesem entsprechen
alle Punkte der zweiten Geraden P^^P^^; denn der
Punkt P**^ ist der selbstentsprechende Punkt in den
Systemen S,, S.^ und bestimmen wir den entsprechenden
Punkt Pa^:^ in S^. so steht die Gei^e P^apsi in der
Mitte auf P'^-^Pg'* senkrecht. Ein Punkt im System
Si, dem sämmtliche Punkte einer Geraden entsprechen,
heisst ein Hauptpunkt des Systems Si und die ent-
sprechende Gerade eine Hauptgerade des Systems 2'*«.
*) Die Verwandtschaft zweiten Grades wurde behandelt von
Steiner, Systematische Entwickelungen der Abhängigkeit geo-
metrischer Gestalten. S. 251.
Seydewitz, Grunert's Archiv. Bd. 7, S. 118.
Reye, Schlömilch's Zeitschrift. Bd. 11, S. 280.
In gleicher Weise entspricht jeder durch P** gehende
Geraden in Si ein aus zwei Geraden bestehender Kegel*
schnitt, von denen stets die eine durch P^* geht, die
andere aber stets mit P**P^^ zusammenfallt. Z. B. der
Geraden P^* Ai entspricht die Halbirungsgerade F^^a
des Winkels A^P^^A^ und die Gerade P'^P^K Dem
Punkte P*' entsprechen aber alle Punkte der Geraden
pi«p28^ weil diese in der Mitte auf P^^P^^^ senkredit
steht. Bestimmen wir zu dem Pol P*^ der in S«, 8^
sich selbst entspricht, den homologen Punkt Pj*' in Sf,
indem wir P'^^ i senkrecht P^^P^^ ziehen und auf der
Verlängerung Pi*^i = iP*^* machen, so entspricht audi
jeder durch P,*' gehenden Geraden in Si ein aus zwei
Geraden bestehender Kegelschnitt in -1'*', von denen
die eine stets durch P*^ geht und die andere stets mit
der Geraden P^^P^^ zusammenfällt. Betrachten wir
z. B. die Gerade P,*^Mi, so sind P*»^^ und P^A^
homologe Gerade und demnach entspricht der Geraden
Pi^Ai die Halbirungsgerade P^^a des Winkels A^P^^Aj.
Jedem Punkte auf P^^^Ai entspricht ein Punkt auf
P*^of, mit Ausnahme des Punktes P|**, dem alle Punkte
der Geraden P^^P^^ entsprechen.
Wir wollen jetzt umgekehrt aus dem System £^^
in das System S, gehen. Ist z. B. in -i**^ ein Punkt
y gegeben, so können wir zu diesem den entsprechen-
den Punkt C, in S, durch folgende Gonstruction er-
mitteln. Wir verbinden zwei homologe Punkte etwa
JLi, A2 mit P'*, bestimmen die Halbirungsgerade P^^a
des Winkels AiP^^A<i und machen den Winkel tP^^y
= <;-4., P**a, dann muss der Punkt Ci auf der Ge- •
raden P^^t liegen, denn jedem Punkt der Geraden P**y
in Z'*^ entspricht ein Punkt der Geraden P**<. Femer
verbinden wir JL, und A^ mit P^\ bestimmen die Hal-
birungsgerade P®'« des Winkels J., P^' jIj und machen
Winkel sP^^y = <A^P^^a, dann liegt der Punkt Q
auch auf der Geraden P**,9, weil jedem Punkte der Ge-
raden P*'y in X**^ ein Punkt der Geraden P»*« in
iS^i entspricht, und folglich ist der Schnittpunkt C, der
Geraden P'*^^, P^^s der entsprechende Punkt von /.
In analoger Weise erhalten wir umgekehrt auch 2tt
dem Punkte Ci in Sj den entsprechenden Punkt y in
-S**'; die Constructionen sind in beiden Fällen ganz
symmetrisch und daher gelten alle Beziehungen der
beiden Systeme S, und -1 '*^ stets wechselsweise. Wollen
wir zu dem Punkte P** in -1'^*^ nach unserer Angabe
den entsprechenden Punkt bestimmen, so müssen wir
den Winkel VP^^P^' =<:A^P^' a machen, dann geht
P'*^' durch Pi^«, weil der Winkel Pj««P»«PM=r
<C-4, P'^J..2 ist. Ferner müssten wir P*' mit sich
selbst verbinden; da es aber unendlich viele solche
Yerbindungsgeraden giebt, so entsprechen dem Punkte
237
Barmester, lieber die GreradfÜhrang durch das Kurbelgetriebe.
238
P»* in X^*» alle Punkte der Göraden P^^Pi«». Aus
gleichem Grunde entsprechen dem Punkte P'^ alle
Punkte der Geraden P^'Pi^\ Dem Punkte P*» in
-^^*' entsprechen alle Punkte der Geraden P^^P^^;
denn die beiden Geraden, welche durch ihren Schnitt-
punkt nach unserer Construetion den entsprechenden
Punkt bestimmen sollten, fallen mit der Geraden P'^psi
zusammen. Wenn wir die Gerade P^^y ziehen, den
Winkel u^P^^y = <A,,P^^a, der Hälfte des Winkels
A^P^^Ä^ machen und zu der Geraden P^^Wj ^ S^
die entsprechende Gerade Pi'^^t^ in S, bestimmen, so
muss auch diese durch C| gehen, weil jedem Punkte der
Geraden P*»y in 2^«» ein Punkt der Geraden P«^«^
in /St und ein Punkt der Geraden Pj^^w, in Si ent-
spricht Jedem Hauptpunkt in dem einen System ist
ein Hauptpunkt in dem anderen zugeordnet, d. h. den
Strahlen eines Büschels, welche in dem einen System
durch einen Hauptpunkt gehen, entsprechen Strahlen eines
Büschels, welche im anderen System auch durch einen
Hauptpunkt gehen. Aus diesen Darlegungen ergiebt
sich der Satz:
Im System S^ sind P»^ Pj^», P»* Haupt-
punkte und P»'^P,",P,'^»P",p3»pi2 Haupt-
gerade; im System -^»*" sind P»^ P«»,
P^» Hauptpunkte und P^^P^\ paspai^
P'^P'*^ Hauptgerade; den Hauptpunkten
pi2pj23p3i in S, sind resp. die Haupt-
punkte P*^ P", P^» zugeordnet.
Hier fallen zwei Paar zugeordneter Hauptpunkte und
zwei Hauptgerade der Systeme zusammen; die Punkte
P**, P* * sind also gemeinschaftliche Hauptpunkte, und
die Gerade P^^P^^ ist eine gemeinschaftliche Haupt-
gerade in beiden Systemen Si und £^^^, Jedem Strah-
lenbüschel, dessen Mittelpunkt ein Hauptpunkt ist, ent-
spricht im anderen Systeme ein congruentes Strahlen-
büschel, dessen Mittelpunkt der zugeordnete Haupt-
punkt ist.
Beschreiben wir durch zwei Hauptpunkte, etwa
dui'ch P^'^P^^, einen Kreis JE"' in Si, so entspricht
diesem der durch P^^P^^ gehende Kreis x' in 2^**' und
umgekehrt. Trägt K^ die Punkte Äi, Ci, so enthält
x' die entsprechenden Punkte a, y, und diese auf den
Kreisen K' und x' liegenden Punktreihen AiCi . . und
ay . . sind ähnlich, weil die Strahlenbüschel P^'^{Ai Ci . .)
und P**(ay..) congruent sind. Nehmen wir einen
zweiten, etwa durch P**, Pj*^ und -4, gehenden Kreis
jBT" in /S, an, dann entspricht diesem in Z*'^' der durch
P**, P** und a gehende Kreis x" und umgekehrt ent-
spricht dem Kreise x" in 2'**» der Kreis K** in iSj. Die
beiden Systeme Si und 2*^'^^ stehen also in einer spe-
ciellen Verwandtschaft zweiten Grades, bei der jedem
durch zwei Hauptpunkte gehenden Kreise des einen
Systems ein durch die zugeordneten Hauptpunkte gehen-
der Kreis im anderen System entspricht, und ein^
Punktreihe auf dem einen dieser Kreise entspricht einer
ähnlichen Punktreihe auf dem anderen.
Legen wir in 2^^^ durch die Punkte pt^pa^pai
den Kreis w und bestimmen wir zu einem beliebigen
Punkte d dieses Kreises den entsprechenden Z)| in Si,
ebenso wie wir zu y den Punkt C, ermittelt haben, so
ergiebt sich, dass Dj im Unendlichen liegt. Dem Punkte
P*' in 2^** entsprechen alle Punkte der Geraden
P^^P*^, also auch der unendlich ferne Punkt dieser
Geraden. Dem Kreise (o in 2^*' entspricht daher ein
unendlich grosser Kreis Oi in S,. Der Kreis lo ent-
hält demnach die Mittelpunkte der Kreise, welche durch
je drei unendlich ferne homologe Punkte der Systeme
SiS^j^S^ gehen. Legen wir dagegen im Systeme 5,
durch die Punkte P'^P^^spsi ^en Kreis H^ und be-
stimmen zu einem Punkte desselben den entsprechenden
in 2:'**, so ergiebt sich leicht, dass dieser im Unend-
lichen liegt; dem Punkte Pi*' in S, entspricht jeder
Punkt der Geraden P^^P^\ also auch der unendlich
ferne Punkt derselben. Dem Kreise Hi in Si entspricht
demnach in 2^*^* ein unendlich grosser Kreis und Jiier-r
aus folgt: die Mittelpunkte der Kreise, welche durch
drei homologe Punkte der entsprechenden Kreise ^i,
jffg, H^ der Systeme SiS^S^ gehen, liegen auf einem
unendlich grossen Kreise. Liegen die drei Systeme
818.28^ unendlich nahe, dann geht der Kreis Hi in
den Wendekreis über.
Betrachten wir nun vier congruente ebene Systeme
81 82 Ss 5^4 und bezeichnen wir das System der Kreis-
mittelpunkte , welches den Systemen 8^ 8^ 8^ angehört,
wie oben mit 2**^ und das, welches durch 828^8^ be-
stimmt wird, mit 2*'*, so steht jedes der Systeme
81 82 S3 8^ mit 2 >«» und £^^* in Verwandtschaft zweiten
Grades. Einer Geraden AiBi in Si entsprechen in
828^8^ resp. die Geraden A^B^, A^B^, -^4^4 und
in 2;>«3, 2^^ resp. die Kegelschnitte T'«», r^^. Auf
den vier entsprechenden Geraden giebt es nach dem
Satze S. 230 entweder drei oder wenigstens eine Gruppe
von vier homologen Punkten, die auf einem Kreise
liegen. Es mögen auf diesen Geraden EyE^E^E^
solche homologe Punkte sein, durch welche ein Kreis
Ki geht, dessen Mittelpunkt e ist. Dann entspricht
diesen homologen Punkten in den beiden Systemen 2 ***,
2^'* ein und derselbe Punkt €. Denken wir ims nun
durch den Punkt JBi in S, Gerade öi^öi^ßi"!. . ge-
legt, so entsprechen diesen in E^^* die Kegelschnitte
A**'. Ai**», All**' . . eines Büschels, welche durch
die vier Grundpunkte P**, P*', P**, e gdien, ujid im
239
Burmester, lieber die GeradfUhrang darcli das Kurbelgetriebe.
240
System -T«»* die Kegekchnitte A«" Ai^»* Aii*'^* . .
eines Büschels, welche durch die vier Grundpunkte
p23^ P'*, P**, e gehen. Die Schnittpunkte von je zwei
entsprechenden Kegelschnitten A"*A*'S Ai**'Pii*'*
sind Mittelpunkte solcher Kreise, die durch vier homo-
loge Punkte der Systeme Sj S^ S^ S^ gehen. Die beiden
projectivischen Kegelschnittbüschel
pl2p23p8lg(J^^I23/'j^l23 2-j^^l23 , .) ^^d
p23 p34 p42 ^ ( jn, 284 ^-^^234 J^jjj234 . )
i
haben die zwei gemeinschaftlichen Grundpunkte P*', e. 1
Der einen durch Ei gehenden Geraden Gi^^, welche ''>
den Punkt P,*' enthält, entspricht in £^^^ ein gerad-
liniger Kegelschnitt, der aus den Geraden P'^^e und
P^^P^^ besteht; die homologe Gerade i^^G«^^ in S^
geht durch Hauptpunkt P*' und demnach entspricht
ihr in 2^^* ein aus den beiden Geraden P^^€ und
p34p42 bestehender Kegelschnitt. Hieraus folgt, dass
in den beiden projectivischen Kegelschnittbüscheln sich
die beiden geradlinigen Kegelschnitte P^^c, P^^P^^
und P*^^€, P^^P^i^^ entsprechen, und dann ist das Er-
zeugniss dieser beiden projectivischen Kegelschnitt-
büschel, der geometrische Ort der Mittelpunkte aller
durch vier homologe Punkte gehenden Kreise, eine Curve
dritter Ordnung, welche durch die sechs Pole P'^P'^P**
P28P24P34 geht. Der Beweis, dass jene Kegelschnitt-
büschel eine Curve dritter Ordnung erzeugen, ergiebt
sich leicht durch folgende analytische Betrachtungen.
Sind
Factor w + nA fürA = auch Null sein und daher
die Form nl haben ; folglich ergiebt sich aus Gleichung (2)
Aus (1) erhalten wir
X^X^
Xi = 0, x.^ = 0, Xs = 0, 3^4 = 0, a;i = 0,
resp. die symbolischen Gleichungen der Geraden
pl2pi'A^ p2lig pl2p23 pl3f^ P34p42^
in Fig. 7, Tafel XI, so sind die Gleichungen der Ge-
raden P^^P*^^ P**£, wenn a und b zwei CJonstante
bedeuten , beziehungsweise
Dann ist die Gleichung des Kegelschnittbüschels,
dessen vier Grundpunkte P*^ P**, P*^, e sind
x^x^-{-Xx^x^ = (1) .
und die Gleichung des durch die Grundpunkte i
p28p34p42^ bestimmten projectivischen Kegelschnitt-
büschels
{l+kk)xiX2-h{m-]rnk){x.^--\-ax^){x2 + bx^) = . (2)
worin hmfiy Constante bezeichnen. Für jeden Werth
von k erhalten wir zwei entsprechende Kegelschnitte
der Büschel. Da der Kegelschnitt a?i a?a = dem Kegel-
schnitt iC2rri = 0, d. h. die Geraden P^^P^^ P««« den
Geraden pwp4«^ P^^e entsprechen soll, so muss der
und diesen Wertli in die letzte Gleichung gesetzt, giebt
die folgende Gleichung dritten Grades
— xix^x^-\~kxix^^X2-\'nXi{x^'{'a x^) {x^ "j- ^ «4) = 0. *)
Die unendlich fernen imaginären Kreispunkie sind
bekanntlich für alle in einer Ebene liegende congruente
Systeme selbstentsprechende Punkte, folglich muas die
Curve durch diese Pimkte gehen. Hieraus folgt der Sats:
Der geometrische Ort der Mittelpunkte
aller Kreise, welche durch vier homo-
loge Punkte von vier in einer Ebene
liegenden congruenten Systemen 81^8^
8^j S4 gehen, ist eine Curve dritter Ord-
nung, die durch die beiden unendlich
fernen imaginären Kreispunkte und
die sechs Pole P»«, P»», P^\ P", P^, P»«
der Systeme geht.
Diese Curve (Z>, welche die Mittelpunkte aller durch
vier homologe Punkte gehende Kreise enthält, wollen
wir die Mittelpunktcurve von vier congruenten
ebenen Systemen nennen. Aus vier Elementen. ergeben
sich vier Combinationen zur dritten Classe und daher
giebt es für S^ S^ S^ 8^ vier Mittelpunkt-Systeme 2^***,
2124^ 2 134, v«3*, in denen die Punkte der Mittelpunkt-
curve (Z> sich selbst entsprechen. Betrachten wir nv
das System 2^^^ in Beziehung zu dem System 3i und
die Curve <P in 2i^' liegend, so würde im AUgemeiiien
eine Curve dritter Ordnung in -S**' eine Curve seöhster
Ordnung in 5| entsprechen ; da aber die Curve ^ durch
die drei Hauptpunkte P^^,P^\ P^i des Systems JJ^'goht,
und jedem dieser Hauptpunkte eine Gerade entspricht,
so entspricht der Curve O in 2'i*3 auch eine Curve Fi
dritter Ordnung in Si , die durch die zugeordneten
Hauptpunkte P^^ Pi^», P»« geht. Betrachten wir JS'"
in Beziehung zu Si und ebenso 2"^^ in Besiehung n
Si , so muss auch die Curve P\ resp. durch die Punkte
pi2p^24p4i^ piap^84p4i gehen. Da femer die un-
endlich fernen imaginären Kreispunkte selbstentqpre-
chende Punkte der Systeme ^i 5.2 S^ 84 sind, so müssoi
*) Einen synthetischen Beweis, dass das Erseagoias jener
beiden projectivischen Kegelschnittbüschel eine Cmre dritter Ord-
nung ist, hat Milinowski gegeben, Schlömilch'a ZeitBckrift,
Bd. 21, S. 427.
241
Burmester, Ueber die GeradfOhrung durch das Kurbelgetriebe.
242
auch diese Punkte auf der Curve J\ liegen und wir
erhalten den Satz:
Der geometrische Ort aller Punkte eines
ebenen Systems S|, welche mit den ho-
mologen Punkten von drei in derselben
Ebene liegenden congruenten ebenen
Systemen S2, Sj, ^4 auf Kreisen liegen,
ist eine Curve dritter Ordnung, die durch
die beiden unendlich fernen imaginären
Kreispunkte und die Punkte pi^piapu
p^23p^24p^34 geht.
Diese Curve jFi dritter Ordnung in S| , der in Sj,
Sz9 S49 resp. die congruenten Curven F^, F^^ F^ ent-
sprechen, wollen wir aus Gründen, die wir später er-
kennen, die Angriffs curve in dem System Sj nennen.
Der unendlich fernen Geraden oder den unendlich
fernen Punkten in den Systemen 2;»*», -T»«*, 2:»»*, 2*»*
entsprechen im Systeme S^ resp. die Kreise
pi2p23p31 pl2p24p41 pl3 p 34 p41 p 23 p 34 p 42^
Diese vier Kreise müssen sich in einem Punkte F,
schneiden ; denn es giebt in den vier Systemen S^ S^ S^ S^
nach dem im ersten Theile dieser Abhandlung gegebenen
Satz (Civilingenieur , B. XXII, S. 602) eine Gruppe
von vier homologen Punkten Fj F^ F3 F4, welche auf
einer Geraden, d. h. auf einem Kreise mit unendlich
fernem Mittelpunkte liegen, und Vi ist demnach ein
Punkt der Angriffscurve jF,.
Diese Beziehung, welche uns bei der Bearbeitung
des ersten Theiles dieser Abhandlung noch unbekannt
war, führt zu einer neuen, sehr einfachen Lösung der
dort gelösten Aufgabe, auf die wir bei dieser Gelegen-
heit noch zurückblicken wollen. In Fig. 2, Taf. XXX
(Civilingenieur Bd. XXII, S. 602), sind durch die Ge-
raden ÄiBif Ä2B2, A^B^, A^B^ vier congruente
ebene Systeme Si S^ S^ S^ gegeben. Wir erhalten dann
in Si den Punkt $1, der mit den drei anderen homo-
logen Punkten Q^, Q3 Q^ auf einer Geraden liegt, indem
wir zwei der oben ei*wähnten vier Kreise, z. B.
pi2p^2sp3iuu^(jpi2p^24p4i beschreiben, welche sich,
ausser im Punkte P'*-^, in dem gesuchten Punkte Qi
schneiden.
In Figur 8, Taf. XI, sind die vier obengenannten
Kreise, welche sich in dem Punkte Vi treffen, con-
struirt. Verwandeln wir diese Figur, indem wir den
Punkt Vi als Transformationscentinim betrachten, in
eine kreisverwandte oder inverse Figur, welche in
Figur 9 schematisch gezeichnet ist, so gehen die Kreise
pi«p23p31 pi2p24p4l pi3p34p4l p 23 p 34 p 42
resp. in die vier Geraden ^»2Sß^235p3i^ S|ji2 9ß^24 9ß4i^
gji8^^349ß4i^ ^^23Sß^34 5ß^42 ü^ej.^ jic ciu voUstäudiges
Civilingeuiottr XXIII.
Vierseit bilden. Das Vierseit hat die bekannte Eigen-
schaft, dass die vier Kreise lp'*?ß»^5ß^\ ^^»^ßi^'^ßi«*,
^3i^^32Vß^34^ Sßu^ß^ 42^^43 gjch in eiucm Punkte 3»
schneiden, und da diesen Kreisen in Figur 8 wieder resp.
die vier Kreise P>2pi3pi4^ /i2. p^23p^24^ P^Pi'^P,«*,
p4ip^42p^43 entsprechen, so treffen auch diese vier
Kreise sich in einem Punkte Jfj.
In Figur 10 mögen pi2p23psip4ip42 fünf Pole
von vier congruenten Systemen S, S^ S^ S^ sein. Wir
erhalten dann zu dem Punkte P*^ in Si den entspre-
chenden Punkt P3** in /S3, wenn wir P^^i senkrecht
p23p3i ziehen und P3'2^_--.pi2^ machen, ebenso den
entsprechenden Punkt P4'* in S4, indem wir P**ä senk-
recht P4> P*'^ ziehen und P^^^h = P»*A nehmen. Hier-
aus folgt, dass der Schnittpunkt /r'* der Geraden
p3ip32^ P4ip42 der Mittelpunkt des durch die vier
homologen Punkte P^\ P^\ Pg»«, P4"« gehenden Kreises
ist und daher auf der Mittelpunktcurve O liegt. Dasselbe
gilt von den Schnittpunkten je zwei anderer Verbin-
dungsgeraden der betreffenden Pole und wir erhalten
den Satz:
Die Mittelpunkt-Curve geht durch die
sechs Schnittpunkte 7r'*7f"»7r'*7r"7r'^*7r3*
der Geradenpaare pi^P^\ P'^P'^*; pi2ps2^
pi4p»4. p\2 p^l pi3p43. p2ip3l p24p34.
p2ip4I^ P2Sp43. p3ip41^ p32 p42^ ^^^
diesen Kreismittelpunkten entsprechen
auf der Angriffscurve resp. die Punkte
pi2 pi3 pi4 p 23 p 24 p 34^
Die vier Kreise /r^^pispu^ ^i2p23p24^ n^^P^^P^^,
^34p4ip42^ welche die vier Dreiecke des vollständigen
Vierseits umschliessen, schneiden sich in einem Punkte
(LI, den man am leichtesten erhält, wenn man die Mit-
telpunkte a, h zweier Kreise, welche z. B. durch die
Punkte 7r»2P»3pi* ^nd ^r'^P^'P^^ gehen, bestimmt,
von P** auf a b eine Senkrechte zieht und dieselbe um
ihre eigene Länge verlängert.
Dem Kreise tt'^P^^P^* im Systeme A^'" (Fig. 10)
entspricht der Kreis pi«pi3pi4 i^ s^, weil n^^ und
P'* entsprechende Punkte sind; dem Kreise 7ri«p23p24
in 2 234 entspricht der Kreis P^ip^^P^* in S», weü
auch hier n^^ und P*^ entsprechende Punkte sind,
und diesem Kreise entspricht in Si der Kreis P^^Pi^^Pi^^.
Weiter entspricht dem Kreise rc^^p^^p^- in -l'i*^ ^j^j.
Kreis P^*P^^P^'^ in S3, diesem der Kreis P^34p3ip^s2
in Si und schliesslich entspricht dem Kreise 7r3*P*jp**
in 2124 der Kreis P^^P^ip*^ in S4 und diesem der
Kreis Pj«p4ip^42 j,^ gi. Diese vier Kreise P^^pi^pi%
p2ip^23p^24^ p9ip^32p^JI4^ P^l P^*^^ I\^^^ Wclchc dcm
Systeme Si angehören, schneiden sich, wir oben be-
wiesen haben, in einem Punkte -Mi; folglich ist der
16
•243
Burmester, Ueber die Geradftilimng durch das Kurbelgetriebe.
244
Punkt /ti der Mittelpunkt des durch die vier homologen
Punkte MiM^M^M:^ gehenden Kreises, demnach liegt
der Punkt 1.1 auf der Mittelpunktscurve (P und der
Punkt Ml auf der Angriflfscurve F^, Diese Resultate
werden uns zu einer sehr einfachen Construction der
Curven O und F^ führen.
In Figur 11 haben wir ein Kreisbüschel kk'k*\
dessen Grundpunkte /, ?/' sind, und ein Strahlenbüschel
mit dem Mittelpunkte /i, welches zu der auf der Ge-
raden ^ liegenden Reihe der Kroismittelpunkte perspec-
tivisch liegt, construirt. Diese beiden so in projectivi-
scher Beziehung stehenden Büschel erzeugen eine spe-
cielle, durch die unendlich fernen imaginären Kreispunkte
gehende Curve dritter Ordnung, bei welcher der reelle
Durchschnitt der beiden imaginären Asymptoten (der das
Centrum der Curve genannt w'ird) der auf der Curvc
liegende Büsphelmittelpunkt /i ist. Der zur Geraden ^
parallele Strahl fur geht nach dem unendlich fernen
reellen Punkte der Curve und schneidet andererseits die
Curve in dem auf der Chordale k liegenden Punkte t;
die reelle Asymptote geht parallel zur Geraden T, welche
die Mittellinie genannt wird, und ist von dieser ebenso
weit entfernt, wie das Centrum ii auf der anderen Seite.
Diese Curve ist der geometrische Ort der Brennpunkte
aller Kegelschnitte, die vier Gerade berühren und wurde
als solche eingehend von Schröter und Durege
untersucht, und vor diesen von Salmon und Eckart
analytisch behandelt. Die Arbeiten*) dieser Autoren
müssen wir hier zum Theil als bekannt voraussetzen;
denn wir werden erkennen , dass die Mittelpunktcurve
und ebenso die AngriffscuiTe mit jener sehr ausführ-
lich untersuchten Brennpunktcurve identisch ist.
In Figur 12 haben wir als Seiten eines vollstän-
digen Vierseits vier beliebige Gerade pa^P**^, P^^ P*\
/>3i/>32^ p^\ p^^^ welche wir als Grundtangenten einer
Kegelschnittschaar betrachten, angenommen. Um die
Brennpunktcurve der Kegelschnittschaar zu construiren,
beschreiben wir um zwei beliebige Dreiecke des Vierseits
Kreise, die sich in einem Punkte /« schneiden, ziehen
durch die drei Mitten der Nebenseiten P^i P*'\ pz2p*i^
n^^ 71^^ die Gerade c, verbinden zwei der sechs Ecken
des vollständigen Vierseits, etwa P^^, /r^, mit // und
beschreiben um die Schnittpunkte, welche diese Geraden
mit ^ bilden resp. die durch P^^, /r^* gehenden Kreise
k\ i", welche sich in x> 4^ treffen; dann erhalten wir
weitere Curvenpunkte, wenn wir durch // eine beliebige
*) S a 1 m n 's Kegelschnitte, deutsch von Fiedler. Eckart,
Zeitschrift für Math. u. Phys., Bd. 10, S. 321. Schröter, Math.
Annalen, Bd. 6, S. 50 und Bd. 6, S. 85. Durege, Math. An-
nalen, Bd. 5, S. 83.
Gerade ziehen und um ihren Schnitt mit t einen durch
X, lU gehenden Kreis beschreiben. Die so erhaltene
Brennpunktcurve geht durch die sieben Punkte /i,
P3ip82p4ip42^i2^34 ^^d jje beidcu imaginären
Kreispunkte, und wie Salmon a. a. 0. gezeigt hat,
durch die Fusspunkte der Höhen des aus den drei
Nebenseiten gebildeten Dreiecks.
Betrachten wir nun die Punkte p3ip3«p4ip«
als vier Pole von vier congruenten ebenen Systemen
5i S-i S3 S4, so geht auch die Mittelpunktcurve O nach
den früheren Darlegungen durch die genannten sieben
Punkte und die beiden imaginären Kreispunkte. Und
da eine Curve dritter Ordnung im Allgemeinen durch
neun Punkte bestimmt ist, so ist unsere Mittelpunkte
curve mit der Brennpunktcurve identisch. Die Mittel-
punktcurve ist hiernach durch die vier Pole P^^P**
p32p4i vollständig bestimmt; da aber eine Gruppe
von vier Polen keinen Vorzug vor einer anderen gleich-
artig gebildeten Gruppe von vier Polen haben kann,
so ist die Mittelpunktcurve auch durch die vier Pole
P3ip42pi2p34 und ebenso durch p3«p4ipi«p»4 \^
stimmt. Bezeichnen wir zwei solche Pole, deren Marken
keine gleiche Ziffer enthalten, als Gegenpole, so giebt
es drei Paar Gegenpole, nämlich P^'^P^\ p«3p4i^
pnp24 Hiernach erhalten wir den Satz:
Die Mittelpunktcure ist identisch mit
der Brennpunktcurve und durch zwei
Paar Gegenpole bestimmt.
Aus den sechs Polen ergeben sich drei Combina-
tionen, welche je zwei Paare von Gegenpolen enthalten;
diese liefern, wenn wir die beiden Yerbindungsgeraden
der Gegenpolpaare ausschliessen , drei Vierseite und
alle um die Dreiecke dieser Vierseite beschriebenen
Kreise schneiden sich dann in einem Punkte, dem
Centrum u der Mittelpunktcurve, und alle Mitten der
Nebenseiten dieser Vierseite liegen auf einer Geraden,
der Mittellinie C dieser Curve.
Wir haben S. 237, Figur 6, gezeigt, dass allai
Punkten der Geraden P^^P^^^ in S, der einzige Punkt
P^' in 2'>*3 entspricht, dann entspricht ebenso allen
Punkten der Geraden P^^P^^^ in Si der einzige Punkt
P^' in 2^^**; folglich entspricht dem Schnittpunkte />i "
dieser beiden Geraden in Si auch der Punkt P*' in
2*123^ weil alle Punkte der Mittelpunktcurve d> selbst-
entsprechende Punkte in den vier Systemen £ sind.
In analoger Weise ergiebt sich dieselbe Beziehung für die
übrigen Schnittpunkte je zweier derartiger Geraden und
hieraus folgt der Satz:
Die Angriffscurve JF\ geht durch die
sechs Schnittpunkte JPi**i>i ''jPi**A*'
Pi"^^ Pi^* der Geradenpaare P^^ Pi^*
245
Burmester, lieber die Geradftthrung durch das Kurbelgetriebe.
246
p\^ P 24. pi^P ?2 P^* P 5** P^^P ** piap 43.
p2ipSl p 24p 34. p 2ip4l p 23 p 43 . pSl p4I
Pj'^P,** und diesen Punkten entspre-
chen auf der Mittelpunktcurve resp.
die Punkte pi2pi3pi4p23p24p34.
Die Angrififscurve JP\ besitzt einen unendlich fernen
reellen Punkt Oj , und da den unendlich fernen Punkten
in iS, resp. die vier Kreise pi-^p^^pai^ pi2p>4p4i^
pisp34p4i^ P23P34P42 Jq jeu vicr Systemcu -S*^«,
2;i24^ 2;*^**, ^234 entsprechen, so müssen diese Kreise
sich in einem auf der Curve <2> liegenden Punkt Sl
treffen, der dem auf Fi liegenden unendlich fernen
Punkte Ol entspricht. Dann folgt in analoger Weise aus
den Seite 242 angeführten Gründen, dass sich auch
die vier Kreise pi^pispu^ p2ip23p24^ p3ip32p34^
P4ip42p43 gjcjj in einem Punkte 1^ schneiden. Ferner
ergiebt durch analoge Betrachtungen wie bei der
Mittelpunktcurve und durch die Symmetrie der Bezie-
hungen, dass dem gemeinsamen Schnittpunkte J^ der
vier Kreise p^^'^P^^F'^ p^^^P^^P^^ p^^^P^'P^^,
p34p4ip42^ welche den vier Dreiecken des betreffen-
den vollständigen Vierseits umschrieben sind, der Punkt
I in den vier Systemen Z zugleich entspricht. Hier-
nach muss der Punkt Ii , auf der Angriffscurve Fi lie-
gend, das Centrum dieser Curve sein, und der ent-
sprechende Punkt I sich auf der Mittelpunktcurve be-
finden. In Figur 13 sind die beiden Curveu O und
Fl mit den Punkten Sl t fi und Vi Ii Mi gezeichnet,
von denen Sl auf O dem unendlich fernen Punkte auf
Fl und F, auf Fi dem unendlich fernen Punkte auf O
entspricht. Bezeichnen wir nun von den sechs Punkten,
pi2pispi4p^23p^.>4p^34 solchc, dcrcu oberen Marken
keine gleiche Ziffer enthalten, als Gegeupunkte im Sy-
stemie Si, so giebt es drei Paar Gegenpunkte, nämlich
prip^zA^ Pi"p4i^ pi3p^24 und wir erhalten den Satz:
Die Angriffscurve ist wie die Mittel-
punktcurve eine durch die beiden ima-
ginären Kreispunkte gehende Curve
dritter Ordnung, deren Centrum auf
ihr selbst liegt und welche durch zwei
Paar Gegenpunkte bestimmt ist.
In Figur 13 sind vier congruente ebene Systeme
Sl StSs Sji durch die homologen Strecken Ai B^ A^JB^y
A^B^, A^B^ gegeben und die sechs Pole pi2p23p3i
pi4p24p34 bestimmt. Wir wollen die Mittelpunktcurve
<P und die Angriffscurve Fi dieser vier Systeme con-
struiren. Den Punkt Pi^^ erhalten wir, indem wir von
P^^ auf P'2p3i eine Senkrechte 7^- »/^ feilen und die-
selbe um ihre eigene Länge verlängern, also 2Y^^h=^
P'^^h machen; in analoger Weise ergeben sich die
Punkte P,*^ Pj'S wenn wir von P*^ P^* resp. Senk-
rechte auf P'2pi4 und P'3P«* ziehen. Um die Mittel-
punktcurve O zu erhalten, benutzen wir nur zwei Paar
Gegenpole, z. B. P^^P^\ p23pi4. ^iese liefern das
gestrichelte Vierseit; die um zwei Dreiecke desselben
beschriebene Kreise geben das Centrum fi der Curve
und die Mittellinie dei'selben geht durch die Mitten
der Verbiudungsgeraden der Gegenpolpaare. Hiernach
ist die Mittelpunktcurve, welche hier aus zwei Theilen
besteht, mittelst des Strahlenbüschels /u und das Kreis-
büschel, dessen Grundpunkte x» V' s^'^^> ^^ ^^^ ^^^ Seite
243, Figur 11 und 12, angegebenen Weise coustruirt.
Als Controle ist zu beachten, dass die Curve auch
durch die Punkte ;r^^ tt^* und die beiden nicht be-
nutzten Gegenpole P^'^P^^ gehen muss. Für die Con-
struction der Angriffscurve benutzen wir die Gegen-
punkte P^'^Pi^\ P^\Pi'^\ diese liefern das punktiite
Vierseit und die um zwei Dreiecke desselben beschrie-
benen Kreise bestimmen das Centrum li der Curve, die
Mittellinie derselben geht durch die Mitten der Ver-
biudungsgeraden der Gegenpunktpaare. Hiernach ist
die Angriffscurve, die auch hier aus zwei Theilen be-
steht, durch das Strahleubüschel ii und das Kreis-
büschel, dessen Grundpuukte s, t sind construirt, und
sie muss auch durch die Punkte pi'^^Px ^*, P^^^P^^ gehen.
Einem Strahlenbüschel in S,, dessen Mittelpunkt
einer der Hauptpunkte P^^P^'Pj^* dieses Systemes ist,
entspricht in 2^*-^ ein congruentes Strahlenbüschel,
dessen Mittelpunkt einer der zugeordneten Hauptpunkte
pi2p3ip23 in ^123 ist und da die Curven P, und O
entsprechende Curven in S, und 2^^^ sind, so folgt,
dass beide Curven von den zugeordneten Hauptpunkten
P/2, pii; Pj3i^ 7^31. p^23^ P23 ^esp. durch congruente
Strahlenbüschel projicirt werden können. Bringen wir das
eine Büschel in Si, indem wir dasselbe nebst der Curve
P, um P*^ drehen, mit dem entsprechenden Büschel
zur Deckung, so werden die entsprechenden Punkte
der Cune O und der gedrehten Curve Fi durch das-
selbe Strahlenbüschel projiciil. Dasselbe gilt, wenn
wir eine analoge Drehung um P^^ ausführen, oder
wenn wir das Büschel P,^^ in Sj nebst der Curve P,
verschieben, so dass es mit dem entsprechenden Büschel
P'^^ in 2''^^ zur Deckung gelangt.
Wir wollen jetzt auf die Construction der durch
die beiden imaginären Kreispunkte und durch ihr
eigenes Centrum gehenden Curve dritter Ordnung, die
für unsere weitere Folgerung von fundamentaler Be-
deutung ist, näher eingehen und vorzugsweise die be-
sonderen Fälle betrachten, welche in der Folge auf-
treten werden.
In Figur 14 ist das ausgezogene vollständige Vier-
seit durch die Punkte P^» p3ip4i p42 gegeben. Um die
16*
247
Burmester, lieber die Geradfllhning durch das Kurbelgetriebe.
248
hierdurch bestimmte Curve zu construiren, bestimmen
wir dsÄ Curvencentrum /i als Schnitt zweier Kreise, die
zwei beliebigen Dreiecke des vollständigen Vierseits
umschrieben sind, ziehen durch die Mitten der Neben-
seiten P^'P*\ P^'^P*\ 7t '^7c^* die Mittellinie t, ver-
binden zwei der sechs Ecken des vollständigen Vierseits
etwa P**, P^^ mit fi und beschreiben um die Schnitt-
punkte, welche diese Geraden mit c bilden, die durch
P**, P'* gehende Kreise äj'ä;". Da diese Kreise in
unserer Figur keine reelle Schnittpunkte besitzen, so
sind die Grundpunkte des Kreisbüschel imaginär, und
wir müssen daher die Chordale k oder ihren Fusspunkt
bestimmen. Zu diesem Zwecke beschreiben wir (wie
in der separaten Fig. 14* ausgeführt ist) einen belie-
bigen k^Jc" schneidenden Kreis und ziehen durch den
Schnitt € der beiden gemeinschaftlichen Secanten auf
^ die Senkrechte k, die Chordale. Von ihrem Fuss-
punkte auf der Geraden c legen wir eine Tangente o t
an einen der Kreise k\ k'* und beschreiben mit dieser als
Radius den Orthogonalkreis x. Um weitere Curvenpunkte
zu erhalten, ziehen wir, Figur 14, durch /ii eine belie-
bige Gerade, legen von ihrem Schnittpunkte mit t an
den Kreis x eine Tangente und beschreiben mit dieser
als Radius einen Kreis, der dann auf der Geraden zwei
Curvenpunkte liefert. Wenn die Grundpunkte des
Kreisbüschels imaginär sind, besteht die Curve aus
einem Zuge, der durch die beiden auf dem Kreise x
und der Geraden C liegenden Grenzpunkte rj S des Kreis-
büschels geht, und die Geraden urj, fi S berühren in
diesen Punkten die Curve, welche den Kreis x ausser-
dem in den Berührungspunkten der von ^i an x gezo-
genen Tangenten schneidet. Berühren sich die beiden
Kreise A'ä" in einem Punkte, dann wird dieser ein
Doppelpunkt der Curve.
In Figur 15 sind zwei Seiten des vollständigen
Vierseits parallel, der Punkt n^* liegt im Unendlichen ;
in diesem Falle fällt das Curvencentrum // mit dem
Punkte 7r'* zusammen; denn beschreiben wir z. B. um
die Dreiecke /r'-^P^'P*», /r^^psap« Kreise, so be-
rühren sich diese in ti^'^. Die Nebenseiten des Vierseits
bilden nach der Angabe auf S. 244 ein Dreieck, dessen
Höhenfusspunkte auf der Curve liegen; da nun die
durch 71^^ gehende Seite dieses Dreiecks parallel zu
^ ist, so triflFl die Gerade k, welche durch den Eck-
punkt X auf diese Seite senkrecht gezogen ist, in den
Curvenpunkt r und ist daher die Chordale des Kreis-
büschels. Beschreiben wir nun noch über P*^P*'^ als
Durchmesser einen Kreis k\ dessen Mittelpunkt auf t liegt,
und ziehen wir von o an k' eine Tangente o^, so er-
halten wir den Orthogonalkreis x. Im Uebrigen ist
die Construction wie in der vorhergehenden Fig. 14.
In Figur 16 sind zwei Paar Seiten des Vierseits
parallel, die beiden Punkte n^\ n^^ und das Centrum
f.1 liegen im Unendlichen; das Strahlenbüschel i-i geht
in ein Parallelstrahlenbüschel über, und die Curve zer-
fällt in die unendlich ferne Gerade und eine gleich-
seitige Hyperbel. Beschreiben wir über den beiden
grössten Parallelogrammseiten als Durchmesser die Kreise
k^k'*y so schneiden sich diese in den reellen Grundpunkten
X, xp des Kreisbüschels. Der kleinste Kreis kf" dieses
Büschels, dessen Mittelpunkt o ist, trifft die Hyperbel
in vier zu den Achsen symmetrisch liegenden Punkten,
welche demnach die Achsenrichtungen leicht bestimmen.
In Figur 17 liegen die Punkte P^* und P** in
gleichem Abstände von der Geraden P32p4i. dann fällt
die Mittellinie t mit dieser Geraden zusammen und
p32p4i giud die Grenzpunlcte des Kreisbüschels. In
diesem später sehr häufig vorkommenden Falle können
wir das Centrum /i in anderer Weise als bisher be-
stimmen. Wir errichten in der Mitte auf P**P** eine
Senkrechtem*, welche die Chordale ä in n triff't, und ziehen
auf nP**^ eine Senkrechte; diese muss das Centrum (i
enthalten, denn sie schneidet c in einem Punkte, dessen
Abstand von P** gleich der von ihm an den Ortho-
gonalkreis X gehenden Tangente ist. In gleicher Weise
errichten wir in der Mitte auf P**P** eine Senk-
rechte n'i', die k in n* triff't, ziehen auf n*P*^ eine
Senkrechte und diese geht ebenfalls durch fi. Die
weitere Construction der Curve ist dann wie in Figur 14.
Fallen P®*, P** in o zusammen,^ so hat die Curve in o
ein Doppelpunkt. Liegen die Punkte P^ ', P**, Figur 19,
Tafel XIV, in gleichen Abständen von der Geraden P^'^p^^
und in einer Senkrechten zu derselben, dann liegt das
Centrum f.i auf der mit P^^P^^ zusammenfallenden
Mittellinie t. Die Curve zerfällt dann in die Gerade t
und den durch P^^P^'^jv^'^tv^* gehenden Kreis 6, dessen
Mittelpunkt u ist, und die Punkte P^*, P** liegen
harmonisch zu den Schnittpunkten, welche der Kreis 6
mit der Geraden ^ bildet.
Wenn die Punkte P32p4i ^^d P^^P^^, Fig. 18,
in Parallelen liegen und gleiche Abstände von einer zu
diesen Parallelen senkrechten Greraden besitzen, so ist
diese Gerade die Mittellinie C, auf der die Punkte
/r'* TT^* und das Centrum f.i liegen. Auch in diesem
Falle zerfällt die Curve in die Gerade t und den durch
p3ip4ip32p4-2 gehenden Kreis ö, dessen Mittelpunkt
(.1 ist und dessen beide Schnittpunkte mit t. zu den
Punkten ti:*^, /r^* harmonisch sind.
Liegen die Punkte P3ip42p82p4i^ ^je in Figur 21,
auf derselben Geraden, so ist diese die Mittellinie t
und da diese vier Curvenpunkte enthält, so muss sie
ein Bestandtheil der Curve sein; diese zerfallt dem-
^49 Der Lehrplaa des Department of Civil and Mechanical Engineering am üniversity College in London. 250
nach in die Gerade t und den Kreis 6, der ^ in zwei
Punkten schneidet, die sowohl zu P^^P^^ als zu
p82p4i harmonisch sind und daher leicht bestimmt
werden können. Fallen die Mitten von P^^P^^ und
p3sp4i In einem Punkt v, Fig. 20, zusammen, so ist
dieser und der unendlich ferne Punkt auf ^ harmonisch
mit P*^P*^ und auch mit P^^P^K Der Kreis ©wird
dann unendlich gross und die Curve zerfällt in zwei
rechtwinklige Gerade t, S.
Alle diese besonderen Fälle, die in der Folge auf-
treten, gelten auch für die AngriflFscurve Fi, welche z. B.
durch die vier Punkte p«ip4iPjS«p^42 bestimmt ist.
(Schluss folgt im nächsten Heft.)
Der Lelirplan des Department of Civil and Mechanical Engineering am
üniversity College in London.
Der Prospectus der vorbezeichneten Lehranstalt (fiir
1876 — 77) enthält an seiner Spitze die ausdrückliche
Bemerkung, dass der Besuch derselben keineswegs den
praktischen Lehrgang unter einem Bau- oder Maschinen-
Ingenieur ersetzen soll, durch welchen allein volle
Kenntniss des praktischen Fach-Details zu erlangen sei.
Der Cursus ist dreijährig, und es vertheilen sich die
verschiedenen Disciplinen wie folgt:
1. Studienjahr: Niedere Mathematik (Algebra, Tri-
gonometrie, analytische Geometrie, Stereometrie), neuere
Geometrie und geometrisches Zeichnen, Experimental-
physik, Chemie und Geologie.
2. Studienjahr: Sphärische Trigonometrie, Differen-
tial- und Integralrechnung, Dynamik, Physik, chemi-
sches Praktikum, Maschinentheorie, technisches Zeichnen,
Feldmessen.
3. Studienjahr : Theorie der Functionen, bestimmte
Integrale, Differentialgleichungen; neuere Geometrie
und graphische Statik; mathematische Physik, physi-
kalisches Praktikum, Hochbau- Entwerfen, Fachwissen-
schaften des Ingenieurs und Maschinenbauers, Bau-
und Maschinen -Entwerfen.
Diejenigen Studirenden, welche ein Reifezeugniss
(General Certificate of Engineering) erlangen wollen,
sind an den vorgeschriebenen Studienplan gebunden
und haben jährliche Prüfungen abzulegen.
Der Lehrplan enthält überhaupt folgende Disciplinen :
Mathematik (Prof. Henrici und Clifford).
Algebra, Trigonometrie und analytische Geometrie der
Ebene, 1 Jahr, 4 St. w.; Elementar-Geometrie, 1 Jahr,
4 St. w. ; Elemente der Differential- und Integral-Rech-
nung, analytische Geometrie des Baumes, sphärische
Trigonometrie, 1 Jahr, 5 St. w.; Functionen-Theorie,
bestimmte Integrale, Differentialgleichungen, 1 Jahr,
2 St w.; neuere Geometrie und graphische Statik,
1 Jahr, 3 St. w.
Geometrisches Zeichnen und graphostati-
sche Uebungen unter Leitung der Professoren der
Mathematik und des Bau-Ingenieurwesens. Uebungs-
saal täglich von 10 Uhr an geöffnet.
Angewandte Mathematik und Mechanik
(Prof. Clifford). Dynamik, 1 J., 3 St. w. Vortrag
und 2 St. w. Uebungen. Mathematische Physik, 1 J.,
2 St. w.
Physik (Prof. Fester). Experimentalphysik, 1 J.,
5 St. w. ; mathematische Physik, 1 J., 5 St. w, ; physi-
kalisches Praktikum, 1 Jahr. Der Arbeitsraum ist täg-
lich von 10 bis 5 Uhr geöffnet.
Chemie (Prof. Williamson). Vortrag: 1 Jahr,
5 St. w., mit 4 Uebuugsstunden w.; Praktikum: 1 Jahr,
zu beliebigen Stunden.
Fachwissenschaften des Ingenieurs und
Maschinenbauers (Prof. Kennedy).
I. Maschinentheorie, 1 Jahr, 2 St. w. Zwang-
läufige Bewegung. Pol und Momentanachse. Pol-
curven und Axoide. Kinematische Elemente, Glieder
und Ketten — Umkehrung der Ketten — , Getriebe.
Kinematische Zeichensprache. Analyse der Getriebe
und Maschinen. Gleichgewicht und Bewegung maschi-
neller Verbindungen, mit pr^tischen Anwendungen.
Festigkeit der Materialien. Beanspruchung (stress
and strain). Verhalten der Metalle unter Einwirkung
äusserer Kräfte.
Entwerfen von Maschinen -Elementen.
II. Bau-Ingenieur-Fach. 1 Jahr, 2 St. w.
Abriss der Herstellung von Eisen und Stahl; Methoden
der Formgebung dieser Metalle. Elasticität und Festig-
keit der Materialien. Theorie der Eisen- und Stein-
constructionen. Gründungen, Pfeiler, Dämme. Eisen-
bahnbau, Vorarbeiten, Veranschlagen. Unterbau, Ober-
bau. Signalwesen. Betriebsmittel. Locomotiven. Zug-
widerstand.
251
Stingl, Die Reinigung des zur Wollwäscherei in der Yöslauer Kammgarnfabrik verwendeten Wassers.
252
III. Maschinenbau. 1 Jahr, 3 St. w. Beschrei-
bung der Motoren, Transportmaschinen und Werkzeug-
maschinen. Construction und Bau der Motoren und
Arbeitsmaschinen für flüssige Körper: Pumpen, Tur-
binen u. s. w. Theorie der thermodynamischen Mo-
toren. Wasserdampf, — Beziehungen zwischen Volu-
men, Temperatur und Druck, Expansionsgesetze. Die
Dampfmaschine, Wirkungsgrad, Anordnung und Dimen-
sionen ihrer Theile, Chamkteristik und Vorzüge der
einzelnen Typen ; Methoden der experimentellen Unter-
suchung. Kessel, — Einrichtung und Leistungsfähigkeit.
Feuerungen und Brennmaterialien ; BrennstoflF- Ver-
brauch. SchiflFsnuischinen und Propellerschrauben.
Widerstand und Fortbewegung der Schiffe.
IV. Technisches Zeichnen und Entwerfen.
Drei Jahrescurse, Anleitung 4 St. w.; die Arbeitssäle
sind täglich von 10 — 5 Uhr geöffnet. Die Uebungen
schliessen sich vollständig an die Vorträge über Ma-
schinentheorie und Ingenieurwesen an.
V. Feldmeeson und Nivelliren. Im Sommer,
1 St. w. Vortrag, 5 St. Uebungen im Freien, 2 St.
Situationszeichnen.
Hochbau (Prof. Lewis und Smith). Vortrag
im 3. Studienjahr, 1 St. w. Materialienkunde; Her-
stellung künstlicher Baumaterialien; Mörtel, Cement,
Beton. Gründungsarbeiten. Construction und Ausfuh-
rung des Mauerwerks, der Balkenlagen und Dächer.
Theorie und Herstellung der Gewölbe und Kuppeln.
Das Eisen, seine Erzeugung und seine bauliche Ver^
Wendung ; alles mit wesentlicher Betonung der geschicht-
lichen Entwicklung. Im Sommer Excursionen nach
Londoner Bauwerken (British Museum, Westminster
Abbey u. s. w.).
Geologie (Prof. Morris), 1 Jahr, 2 St. w., mit
Excursionen.
Praktische Arbeiten. Den Studirenden aller
Classen steht eine Werkstätte zur Verfügung, in welcher
sie täglich Modelle und einfachere Apparate, unter An-
leitung der betr. Professoren, eigenhändig herstellen
dürfen.
Die CoUegiengelder erreichen eine nach deutschen
Begriffen ziemlich hohe Summe; sie betragen unter
Voraussetzung des vorgeschriebenen Studienplanes 777,
882 und 672 Mark für das 1., 2. und 3. Jahr, für den
gesammten Cursus also 2331 Mark.
Hartig.
Die Reinigung des zur Wollwäscherei in der Vöslauer Kammgarnfabrik
verwendeten Wassers.
Von
Job. Süngl,
Professor und FachTorstand der ehem. Abtheilung an der höheren k. k. Staatsgewerbeschule in Czemowitz.
Die Beinigung des Wassers der Yöslauer Kammgamfabrik
bot insofern grössere Schwierigkeiten, als dasselbe neben den
kohlensauren und schwefelsauren Ealksalzen auch noch viel
kohlensaure und schwefelsaure Magnesiasalze enthält und
weil das Wasser sowohl zur Kesselspeisung als auch zum
Woll waschen benutzt wird.
Die Reinigung mit Aetzkalk allein flihrte nicht zum Ziele,
da Aetzkalk nach eingehenden Untersuchungen nur den gelösten
kohlensauren Kalk fallt, während die kohlensaure Magnesia erst
dann gefällt wird, wenn ein grosser Ueberschuss von Aetzkalk
verwendet wird. Beim Waschen und Kesselspeisen wirkt aber
dieser Ueberschuss nachtheilig. Aetzkalk fällt also blos den
kohlensauren Kalk und lässt allen Gyps und die Magnesiasalze
in Lösung. — Benutzt man Aetzkalk und Soda zur Reinigung,
so verfährt man gewöhnlich auf folgende Art:
Man giebt zuerst Kalkmilch in der Menge, welche dem ge-
lösten kohlensauren Kalk und der kohlensaueren Magnesia ent-
spricht und hierauf bringt man zu dem Wasser Sodalösung,
um den Gyps zu fällen.
Auch diese Methode giebt ganz unverlässliche Resultate, da
einmal das wirksame Kalkquantum in Form von Kalkmilch
nicht controlirbar ist , indem in der Kalkmilch das Calciumhyder-
oxyd in zweierlei Form enthalten ist: als in Wasser aufgelöst
und zum Theile in Wasser suspendirt und zwar in variablen
Verhältnissen, abhängig von der Wassermenge, die zu ihrer
Bereitung verwendet wird, abhängig von der mechanischen Rikhr-
vorrichtung. Da nun die suspendirten Calciumhyderoxyd-Theilchen
bei ihrer Wirkung auf die Kohlensäure sich an ihrer Oberfläche
mit dem unlöslichen, einfach kohlensauren Kalk überziehen, so
kommt ein Theil des Calciumhyderoxydes nicht zur Wirkung.
253
Stingl, Die Reinigung des znr Wollwäscherei in der Yöslaner Kanungamfabrik verwendeten Wassers. 254
Dieser Theil ist nun variabel mit seiner Menge des Yorhanden-
seins. Da wir femer früher gesehen haben, dass Calciumhyderoxyd
. nur den gelösten kohlensauren Kalk f&llt, so bleiben noch im
Wasser kohlensaure Magnesia, schwefelsaure Magnesia, Chlor-
magnesium und Gyps. Auf diese Salze soll nun die Soda wirken.
Diese aber wirkt auf so verdünnte Lösungen von Magnesiasalzen,
wie sie in den Wässern vorliegen, in kaltem Zustande gar nicht
oder höchstens äusserst unvollkommen. Die Soda fällt zwar den
Gyps, lässt aber die Magnesiasalze in Lösung. Hat man nun die
Sodamenge nach einer Analyse für die schwefelsaure Magnesia,
für das Chlormagnesium und den Gyps berechnet, so wird zwar
der Gyps unter Bildung von unlöslichem, einfach kohlensaurem Kalk
und löslichem schwefelsauren Natron gefällt, dieMagncsiasalze
aber bleiben neben der noch unveränderten Soda im Wasser ge-
löst. Wird dies Wasser dann zur Kesselspeisung verwendet, so
reagirt bei dem Erhitzen die Soda auf die Magnesiasalze unter
Bildung von kohlensaurer Magnesia, welche aber in Folge von
Dissociationsverhältnisscn in Magnesiumhyderoxyd und Kohlensäure
zerfällt. Solche Wässer geben dann die Erscheinung des soge-
nannten .,Spucken8'* (eine Art Siedeverzug). Auch auf die Seifen-
lösung äussern die unge^Qlten Magnesiaverbindungen ihren schäd-
lichen Einfiuss, indem sich zähe leimige Magnesiaseife bildet, die
die Fasern verschmutzt.
Aus diesen Gründen führte die Präparation mit Kalk und Soda
bei dem Vöslauer Wasser zu keinem Ziele.
Um dieses Wasser rationell ganz gleichmässig und conti-
nuirlich zu reinigen' — sowohl für Wäschereizwecke als auch
zum Kesselspeisen — , wurde folgende Methode, gestützt auf ein-
gehende Laboratoriumsversuche, angewendet.
Man bereitet sich eine ziemlich klare Lösung von Aetzkalk
Ca(OH)a und Aetznatron (NaHO). Zu dem Behufe wird eine
klare Kalkwasserlösung in einem Bottich bereitet und in einem
zweiten wird die nöthige Aetznatronlösung aus Soda mit-
telst Aetzkalk erzeugt.
Diese beiden Lösungen werden nun in einem Sammelbottich
nach ganz bestimmtem, der Natur des Wassers entsprechenden
Verhältnisse vereinigt, und aus diesem Sammelreservoir durch
eine Pumpe ip richtiger Menge dem zu präparirenden Wasser
zugespritzt Zu diesem Behufe ist die Pumpe genau stellbar, so
dass nach der Menge des zu präparirenden Wassers auch die
Menge der Lösung von Calciumhyderoxyd und Natriumhyderoxyd
leicht variirt werden kann.
Sollte sich das relative Verhältniss zwischen dem gelösten
kohlensauren und schwefelsauren Kalk und Magnesiasalze ändern,
so ka:hn durch entsprechende Aenderung der Aetznatronmenge in
der erwähnten Keagensflüssigkeit diesem Umstände leicht Rech-
nung getragen werden.
Ob eine solche Aenderung noth wendig ist, zeigt die Härte-
bestimmung mittelst alkoholischer Seifenlösung. Die Härte des
präparirten Wassers soll 2 bis 279 Grad (Fehling) nicht über-
steigen und das Wasser nicht alkalisch reagiren. Seit diese Prä-
paration des Wassers in Vöslau (S Jahre) eingeführt, bot eine
solche Aenderung gar keine Schwierigkeit und der Arbeiter hand-
habt die Methode vorzüglich, da dieselbe im Principe ganz ein-
fach ist.
Da in dem Wasser der Vöslauer Kammgarnfabrik ein geringer
Kalküberschuss für die Wollwäscherei von Nachtheil wäre, so ist
die Vorsicht gebraucht, dass durch eine zweite Pumpe eine ganz
verdünnte Sodalösung in einen zweiten Melangeur eingespritzt wird,
wodurch jeder Kalküberschuss unmöglich gemacht wird. Es wurde
in Vöslau ein zweiter Melangeur angewendet, um dem zu präpa-
rirenden Wasser die Zeit zu gewähren, die nothwendig ist, damit
die chemischen Reactionen die zwischen den Reagentien und den
in dem Wasser gelösten Kalk- und Magnesiasalzen stattfinden,
noch in den Mischgefässen (Melangeurs) verlaufen. Der Raum-
inhalt der Mischgefässe muss nach unserer Methode derart be-
stimmt werden, dass das zu präparirende Wasserquantum in dem
Mischgefässe mindestens 10—12 Minuten verweilt, bis es auf
die Filter gelangt Da das Wasser zum Waschen der WoUe im
erwärmten Zustande zur Verwendung kommt, so wurde in Vöslau
die Einrichtung getroffen, in den Wasserstrom, unmittelbar bevor
derselbe in den zweiten Melangeur eintritt, einen Dampfstrahl zu
leiten, der zum Theile die Temperatur des Wassers erhöht und
andererseits die chemische Reaction wesentlich beschleunigt, so
dass durch diese Einrichtung bedeutend mehr Wasser präpaiirt
werden kann, als der Capacität des Apparates unter normalen
Verhältnissen, d. h. ohne Erwärmung entspricht
In der früher erwähnten Lösung von Calciumhyderoxyd und
Natriumhyderoxyd ist die wirksame Menge des Caldumhyderoxydes
immer genau bestimmbar, da alles Calciumhyderoxyd in gelöster
Form vorhanden ist und vollkommen zur Wirkung kommt.
Die Ursache der sicheren und günstigen Wirkung unserer
ziu: Verwendung kommenden chemischen Reagentien auf alle ge-
lösten Kalk- und Magnesiasalze liegt in der gleichzeitigen
Verwendung von Calciumhyderoxyd und Natriumhyderoxyd, wobei
wieder das Natriumhyderoxyd der wichtigste Bestandtheil ist. Die
Wirkung des Aetznatron in dieser Lösung ist nun folgende:
Dasselbe nimmt Kohlensäure auf und verwandelt sich vor-
übergehend in kohlensaures Natron, während, der hierbei ge-
bunden werdenden Kohlensäure entsprechend, ein Theil der in
Kohlensäure gelösten kohlensauren Erdalkalisalze als unlösliches,
einfach kohlensaures Salz gefällt wird. Das so gebildete kohlen-
saure Natron kann aber neben dem vorhandenen Calciumhyderoxyd
nicht bestehen, sondern setzt sich mit einem Theile desselben in
unlöslichen kohlensauren Kalk und wieder in Natriumhyderoxyd
um, welches letztere abermals Kohlensäure bindet und sich in
kohlensaures Natron verwandelt. Dies von. Neuem gebildete Na-
triumcarbonat wird von Calciumhyderoxyd wieder in Natrium-
hyderoxyd auf die früher beschriebene Art umgewandelt, so dass
diese Wechselzerse.tzungen sich so lange wiederholen, als noch
Kohlensäure in Form von doppeltkohlensauren Erdalkalisalzen vor-
handen ist Erst wenn alle diese Kohlensäure in Form von ein-
fach kohlensaurem Kalk gefällt ist, wobei auch aller zuge-
setzte Aetzkalk (Calciumhyderoxyd) gefällt sein muss, dann
bleibt zuletzt kohlensaures Natron, das nun auf den Gyps
fällend wirkt.
Enthält ein Wasser neben den Carbonaten der Erdalkalisalze
und neben Gyps auch schwefelsaure Magnesia und Chlormagneijia,
so werden die beiden letzten Verbindungen ebenfalls durch Aetz-
natron in Form von Magnesiumhyderoxyd gefällt, während
Sodalösnng in verdtüintem kalten Zustande nicht auf sie reagirt.''
Der Theil des Aetznatron, welcher diese Fällung bewirkt,
wird in schwefelsaures Natron respective Chlomatrium verwandelt
und konunt zu keiner weiteren Wirkung, während jener Theil
des Natriumhyderoxydes, der zuerst auf die Carbonate des Kalkes
und der Magnesia wirkt, wie wir gesehen haben, doppelt wirkt:
einmal den gelösten kohlensauren Kalk und die kohlensaure Mag-
nesia und dann zuletzt den Gyps oder Calciumsulphat fällt
Es kann dieser letztere Vorgang durch folgende einfache
chemische Gleichungen veranschaulicht werden, wobei die Ge-
genwart des Wassers der Einfachheit wegen nicht berück-
sichtigt wird.
^55
Stingl, Die Reinigung des zur Wollwäscherei in der Yöslauer Kammgarnfabrik verw^kdeten Wassers.
25&
I. Phase : CaCO, + CO, + Na^O « CaCO, + Na-CO,.
Doppeltkohlens. Kalk + Natriumoxyd » einfachkohlen-
saurer Kalk, kohlens. Natron.
IL Phase: Na,CO, + CaO = CaCQ, +Na,0.
Nun wiederholt sich dieser Vorgang, so lange noch doppelt-
kohlensaure Salze gelöst sind. Endlich bleibt unzersetztes kohlen-
saures Natron, welches den Gyps fällt:
Na,CO, -f CaSO^ -« CaCÖ, + Na^SO^.
Dass dem so ist, beweisen Versuche und die Thatsachen im
Grossen.
Durch die Anwendung des Aetznatron ist unsere Wasser-
reinigungs-Methode f iir a 1 1 e Wässer allgemein verwendbar, wie
aus Folgendem erhellt:
Wir wollen drei Fälle unterscheiden, die die verschiedene
Natur der in Wasser gelösten schädlichen, Härte bildenden Be-
standtheile umfassen:
1) Ein Wasser, welches sehr viel Carbonate und
ganz geringe Mengen Gyps enthält.
Wir präpariren diese Wässer mit einer Lösung von Calcium-
hyderoxyd und Natriumhyderoxyd, und zwar in dem Verhältnisse,
dass wir dem Gyps entsprechend eine bestimmte Menge
Aetznatron aus der äquivalenten Menge Soda bereiten und um so
viel weniger an Aetzkalk nehmen — als dorn Aetznatron äquiva-
lent ist — um alle freie und halbgebundeno Kohlensäure zu binden.
Das Aetznatron wird auch in dieser geringen Menge, nach dem
früher gegebenen Schema, der Kohlensäure entziehende Bestand-
theil sein und so lange als Aetznatron wirken, als noch über-
schüssige Kohlensäure vorhanden ist. Wenn diese alle an den
Aetzkalk durch das Aetznatron gleichsam übertragen
ist, wodurch auch ersterer gefällt wird, dann haben wir unzer-
setztes kohlensaures Natron, entsprechend der angewendeten Aetz-
natronmenge — also auch entsprechend der vorhandenen Gyps-
meuge — und diese beiden Verbindungen setzen sich gegenseitig
in unlöslichen kohlensauren Kalk und schwefelsaures Natron um.
Wir sehen also, dass in Folge der stärkeren Verwandtschaft
des Aetznatrons zur Kohlensäure zuerst aller kohlensaure Kalk
und kohlensaure Magnesia gefällt wurde, wobei der vorhandene
Aetzkalk immer wieder die Soda in Aetznatron rückverwandelte,
und dass endlich auch der Gyps gefällt wird.
Ein zweiter Fall sei folgender:
Ein Wasser enthielt gerade so viel freie und halb-
gebundene Kohlensäure, als dem Gyps äquivalent
wäre, der im Wasser gelöst ist, also auf 68 Theile
wasserfreien Gyps 22 Theile Kohlensäure-Anhydrid.
Um dies Wasser zu präpariren, benöthigte man nur Aetz-
natron, und zwar so viel, als der Kohlensäure äquivalent wäre,
d. h. auf 22 Theile Kohlensäure 31 Theile Natriumoxyd entspre-
chend 53 Theilen Soda (100 Proc. angenommen).
Das Aetznatron würde in diesem Falle zuerst die freie und
halbgebundeue Kohlensäure aufnehmen, hierdurch die gelösten
Carbonate fällen und sich in kohlensaures Natron verwandeln,
welches dann erst den Gyps auf die bekannte Art fällen würde.
Solche günstige Verhältnisse der gelösten Bestandtheile kommen
wohl nie vor.
Nehmen wir endlich den dritten Fall: Ein Wasser ent-
hielte mehr Gyps als kohlensaure Kalk- und Magne-
siasalze, so präpariren wir ein solches Wasser mit einer
Losung von kohlensaurem Natron und Aetznatron, und
zwar in dem Verhältnisse, dass den Carbonaten entsprechend eine
äquivalente Menge Aetznatron neben kohlensaurem Natron zar
Verwendung kommt. Da dies Aetznatron durch die überschüssig
vorhandene Kohlensäure in kohlensaures Natron verwandelt wird,
so muss um diesen Betrag an kohlensaurem Natron von diesem
Salze weniger genommen werden, als der vorhandenen Gypsmenge
äquivalent ist
Diese drei Fälle genügen, um die allgemeine Verwendbar-
keit dieser Methode darzuthun, und in der That ist dieselbe in
vielen Etablissements für die verschiedenartigsten Wässer in
Verwendung, ohne auch nur einmal den Dienst versagt zu haben.
Diese Methode hat noch folgenden Vortheil: Abgesehen von der
Unschädlichkeit der verwendeten Reagentien Aetzkalk, Aetznatron
und Soda, gelangt durch diese Reinigungsmethode in das Wasser
an Stelle des Gypses das ganz indifferente schwefelsaure Natron,
welches unter allen Salzen den Siedepunkt des Wassers, in wel-
chem es gelöst ist, am wenigsten erhöht, wie die Siedepunkts-
tabellen für Salzlösungen von Farad ay oder Leg ran d zeigen
Eine Lösung von 31,5 Theilen wasserfreiem schwefelsauren Natron
in 100 Theilen Wasser siedet bei 100,6" C, während eine Lösung
von 29,4 Theilen Chlorcalcium in 100 Theilen Wasser erst bei
lOö"* C. und eine Lösung von 31,8 Theilen Kochsalz in 100 Theilen
Wasser bei 106" C. siedet. Dieser Höhe des Siedepunktes ent-
sprechend sinkt die Dampfspannung, wenn mit solchen Chlor-
calcium u. s. w. haltigen Wässern die Kessel gespeist werden,
indem diese Lösungen sich rasch concentriren. Nach den Unter-
suchungen Wüllner*s ist die Verminderung der Dampfspannung
beim Verdampfen von Wasser, welches schwefelsaures Natron
enthält, gegenüber von anderen Salzlösungen am geringsten.
Wüllner fand nämlich, dass die Verminderung (V) der
Dampfspannung bei einer Dampfspannung (T in Millimetern) mit
reinem Wasser für schwefelsaures Natron
F= 0,00236 T
beträgt, wenn 1 Theil schwefelsaures Natron in 100 Theilen
Wasser gelöst ist Für alle anderen Salzlösungen fand er eme
grössere Verminderung der Dampfspannung.
Es ist daher das schwefelsaure Natron vermöge seiner Indif-
ferenz gegen das Kesselblech, sowie aus den eben angegebenen
Gründen das unschädlichste Salz, welches man in das Wasser an
Stelle des Gypses bringen kann. Wird der Gyps durch Chlor-
barium entfernt, so wird derselbe in Chlorcalcium vemfandelt,
und wenn schwefelsaure Magnesia vorhanden war, bildet sich
Chlormagnesia. Beide Salze erhöhen den Siedepunkt bedeutend
und vermindern die Spannkraft der Dämpfe; abgesehen von der
schädlichen Einwirkung auf die Kesselbleche, wenn nicht ein Kalk-
überschuss im Wasser ist.
Dass die Wäschereiwässer nicht mit Chlorbarium präparirt
werden dürfen, ist selbstverständlich; denn das Chlorbarinm fiUlt
zwar die Schwefelsäure des Gypses in Form von schwefelsaurem
Baryt, lässt aber allen Kalk des Gypses in Form des leichtlös-
lichen Chlorcalcium im Wasser, welches Chlorcalcium die Seife
ebenso zerstört, wie der Gyps.
Zur Literatur der Geodäsie.
Von
Prof. A. Nagel in Dresden.
IL Drei classische Werke der letzten Jahrzehnte.
1) S. Stampfer, Theoretische und praktische Anleitung zum Kivelliren. Mit einem Anhange über das Ausstecken der Kreisbögen.
8. Termehrte Auflage. Bearbeitet von Dr. Jos. Ph. Herr, k. k. Hofrath, o. ö. Professor der höheren Geod&sie und Astro-
nomie an der k. k. technischen Hochschule zu Wien. Mit vielen Holzschnitten und 283 Seiten Text. Wien (Gerold*s
Sohn) 1877.
2) Friedrich Hartner, Handbuch der niederen Geodäsie. 6. vermehrte Auflage. Bearbeitet von Joseph Wastler, o. ö. Pro-
fessor der Geodäsie an der k. k. technischen Hochschule zu Graz. Mit 897 Holzschnitten, 2 Tafeln und 710 Seiten Text.
Wien (Seidel & Sohn) 1876.
3) Dr. C. M. V. Bauernfeindy Elemente der Vermessungskunde. Ein Lehrbuch der technischen Geometrie. 5. vermehrte Auf-
lage. 2 Bände mit 641 Holzschnitten und 1018 Seiten Text. Stuttgart (Cotta) 1876.
In dem I. Artikel ist bereits aiigedeutot worden,
dass die Fortschritte auf dem Gebiete der Geodäsie in
den letzten Decennien an drei der hervorragendsten
Werken der Neuzeit nachgewiesen werden sollten. Dieser
Nachweis kann wohl am besten geliefert werden durch
Betrachtung dessen, was seit der ersten Auflage eines
Werkes in den darauf folgenden Auflagen nach und
nach Aufnahme gefunden hat. Hierzu dürften sich
aber die oben auuoncirten Schriften vorzugsweise und
insbesondere auch deshalb eignen, weil dieselben erst
seit Kurzem in neuer Auflage erschienen sind.
Obwohl diese Werke einer besonderen Ankündigung
und Empfeldung nicht mehr bedürfen, da dieselben
sich als vorzügliche Erscheinungen und durch die An-
zahl ihrer Auflagen, die sie in verhältnissmässig kurzer
Zeit erfahren haben, selbst empfehlen, so halten wir
doch eine Besprechung derselben in dem oben ange-
deuteten Sinne nicht für unzweckmässig und gestatten
uns, dabei die Reihenfolge inne zu halten, in welcher
ihre ersten Auflagen der Zeitfolge nach erschienen sind.
Stampf er\ Anleitung zum NiveUiren.
Durch die Eisenbahnbauten erhielt insbesondere
die einfachste Messungsart der praktischen Geometrie,
das NiveUiren, eine vorzügliche Wichtigkeit und die
dabei sich geltend machenden neuen oder erhöhten
CiTlliogttniear XXIII.
praktischen Bedürfnisse riefen Verbesserungen und Er-
weiterungen in den Methoden sowohl als in den
dazu nöthigen Instioimenten hervor, so dass es wohl
kaum ein geodätisches Instrument geben dürfte, welches
unter so verschiedenen, oft auch nur von individuellen
Anschauungen der mechanischen Künstler abhängigen
Formen erscheint, als das Nivellirinstrument.
Professor Stampfer war der erste, der im Jahre
1839 in dem 20. Bande der Jahrbücher des k. k. po-
lytechnischen Instituts zu Wien in einem besonderen
Aufsatze und dann in seiner im Jahre 1845 in erster
Auflage erschienenen „theoretischen und prak-
tiscfien Anleitung zum NiveUiren u. s. w." die
verschiedenen Nivellirinstrumente nach ihrer Construc-
tion classificiile, die wesentlichen theoretischen und
praktischen Eigenschaften der einzelnen Klassen in der
ihm eignen Art und Weise untersuchte, ihre Berich-
tigung und ihren richtigen Gebrauch zeigte.
Er theilte die Libellenniveaux mit Femrohr in
solche mit festverbundenem und in solche mit umleg-
barem Fernrohre ein.*) Die Klasse mit umlegbarem
Fernrohre wurde wieder nach drei Kategorien unter-
schieden, je nachdem die Libelle verbunden mit den
*) Gegenwärtig fügen wir diesen beiden Hauptklassen noch
eine dritte bei, nämlich: die der Instrumente mit kippendem
Fernrohre.
17
259
Nagel, Zur Literatur der Geodäsie.
260
Trägern, oder verbunden mit dem Fernrohre, oder als
Setzlibelle auf dem Femrohr auftrat. Jede dieser ver-
schiedenen Constructionen hat ihr besonderes Verfahren
der Rectification , namentlich der Parallelstellung der
Visirachse mit der Libelle; jedes wurde von Stampfer
eingehend behandelt. Um den Geometer mit den Eigen-
schaften seines Instruments bekannt zu machen, zeigte
er, wie man die Genauigkeit der Visur, die Empfind-
lichkeit der Libelle und die Uebereinstimmung beider
zu untersuchen habe, um Selbstvertrauen zu den Ar-
beiten zu ge¥dnnen und um leicht beurtheilen zu können,
was in jedem besonderen Falle zur Erreichung einer
bestimmten Genauigkeit zu berücksichtigen sei, oder
vernachlässigt werden könne.
Bereits im Jahre 1834 hatte Stampfer die im
L Artikel erwähnten Versuche über die Genauigkeit
des Visirens mit Dioptern und Femröhren angestellt
und die Resultate im 18. Bande der Jahrbücher des
Wiener polytechnischen Instituts veröffentlicht.
Die hauptsächlichsten Resultate dieser Versuche
finden wir in seiner „Anleitung zum Nivelliren etc."
wieder. Insbesondere enthält dieselbe aber die Be-
schreibung, Theorie und den mannigfachen Gebrauch
seines bereits in den genannten Jahrbüchern vom Jahre
1839 und dann mit genauer Zeichnung in natürlicher
Grösse im 5. Jahrgange (1840) von Förster 's Bau-
zeitung bekannt gemachten verbesserten Nivellirinstru-
ments, bei welchem die Elevationsschraube als Mikro-
meterschraube bearbeitet und zum Messen der Neigung
der Fernrohrachse eingerichtet ist.
Mit diesem Instrument kann ebensowohl nach der
gewöhnlichen als nach Stampfer 's neuer Methode mit
geneigten Visirlinien nivellirt werden; ingleichen dient
es zur Distanzmessung. Zur Erleichterung der Berech-
nung der letzteren Messungen sind Tabellen dem Werke
beigegeben. ^ ^.
Da das Werk insbesondere fiir .Eisenbalui^ft^uid
Strassenbau- Ingenieure berechnet war, so enthielt es
noch in einem 7. und 8. Abschnitte das Höhenmessen
mit Hilfe des Quecksilberbarometers, das Ausstecken
der Kreisbögen für Eisenbahnen und die Berechnung
des Kubikinhalts der Erdbewegungen bei Eisenbahn-
und Strassenbauten.
Die vorzügliche Arbeit gab so viel Neues und für
den Praktiker Brauchbares, dass es wohl nicht leicht
einen wissenschaftlichen Ingenieur gegeben haben mag,
der sich nicht in den Besitz dieser Anleitung gesetzt
hätte. Den Beweis für den kolossalen Absatz liefert
der Umstand, dass sich schon nach zwei Jahren die
zweite Auflage, welche ohne bedeutende Veränderungen
erschien, und im Jahre 1852 die dritte Auflage nöthig
machte. Die letztere erhielt vom Verfasser mehrere
Zusätze. Namentlich war dem vom Femrohre handeln-
den Abschnitt die V alz 'sehe Methode der Bestimmung
der Vergrösserung eines Femrohres und das Verfahren
beigefügt, zu prüfen, ob sich die Ocularröhre parallel
mit der Visirachse bewege. In einem besonderen Nach-
trage war die Einrichtung eines Nivellirinstruments auf-
geführt » um mit demselben eine Verticalebene in Ge-
birgsgegenden auszustecken, die Richtung eines Tunnels
anzugeben. Diese Einrichtung bestand in einem An-
sätze mit Reflexionsprisma vor dem Objectiv, der so
angebracht ist, dass der darauf einfallende und von
demselben in der Richtung der Visirachse reflectirte
Strahl mit letzterer einen rechten Winkel bildet, also
eine Ebene beschreibt, wenn das Femrohr um seine
mechanische Achse gedreht wird. Durch dieeip Ein-
richtung wird es auch möglich, genaue Schachtlothungen
durch Visiren zu bewirken, die in Ausfuhrung gebracht
werden, um bei markscheiderischen Arbeiten die Mes-
sungen in der Grube an die über Tage anzuschliessen,
ohne dabei sich der Magnetnadel zu bedienen.
Der Begründer der neuen Markscheidekunst, der
verstorbene Oberbergrath Prof. Weisbach in Freiberg,
hat in den 40er Jaliren Schachtlothungen direct mit
dem Lothe ausgeführt und in seinem allerdings erst
später erschienenen Werke: „Die neue Markscheide-
kunst '' veröffentlicht. Es war also gerade eine ganz
geeignete Zeit, als Stampfer auf obengenannten pris-
matischen Ansatz aufmerksam machte, um denselben
für Schachtlothungen als Ersatz des schwankenden
Lothes in Anwendung zu bringen.
Der dritten Auflage folgten in verhältnissmässig
kurzen Fristen anderweite zwei Auflagen in unver-
änderter Form, bis im Jahre 1869, nach dem Tode des
. Verfassers, dessen Schwiegersohn Dr. Herr, Prof. an
I der k. k. technischen Hochschule zu Wien, die sechste
f^rmehrte Auflage herausgab.
Schon bei der fünften Auflage hatte der Verfasser
die Absicht gehabt, eine Revision des Buches vorzu-
nehmen, war aber durch körperliches Leiden daran
behindert worden. Um so mehr fühlte sich der Her-
ausgeber der sechsten Auflage verpflichtet, den mehr-
fach stattgefundenen Verbesserungen der bisher be-
handelten Instrumente in constructiver Beziehung Rech-
nung zu tragen.
Eine Erweiterung erhielt das Buch zunächst im
§ 13 durch specielle Besprechung des Huyghens 'sehen,
des Rams den 'sehen und des terrestrischen Oculars
an geodätischen Fernröhren ; im § 33 durch die Unter-
suchung der Ringdurchmesser bei Instrumenten mit
Setzlibelle ; im § 34 durch Besprechung der Elimination
261
Nagel, Zur Literatur der Geodäsie.
262
des Fehlers im Parallelismus der Visirachse (CoUima-
tionslinie) und der Ringachse (mechanische Achse), so-
wie durch die Betrachtung des Einflusses eines Fehlers
in der Centrirung des Objectiys.
Die wesentlichste Vermehrung dieser Auflage be-
steht aber in der Darstellung von drei Universal-Nivellir-
instrumenten. *) Im § 40 ist das bereits vor 20 Jahren
von C. Starke angefertigte Üniversal-Nivellirinstrument
in Theodolitenform mit umlegbarem Femrohre und
Stampfer 'scher Schraube, im § 41 das Üniversal-
Nivellirinstrument von Ertel mit distanzmessendem
Femrohre und im § 42 das Üniversal-Nivellirinstrument
mit Fernrohr zum Durchschlagen von G. Starke ent-
halten.
Ueberdies ist in dem das Stampfer 'sehe verbes-
serte Nivellirinstrument (mit Mikrometerschraube) be-
handelnden Abschnitte darauf Rücksicht genommen,
dass in der Starke 'sehen Werkstätte diese Instrumente
nicht mehr, wie früher, nur in einer, sondern in drei
Grössen angefertigt werden, wodurch sich die betref-
fenden für die Berechnung nöthigen Constanten der-
selben geändert haben, weshalb auch die entsprechen-
den Hilfstafeln abgeändert, beziehentlich um zwei neue
Distanztafeln vermehrt worden sind.
Dagegen war der Paragraph über die Cubatur der
Dänune und Einschnitte bei Erdbauten der Raum-
eraparniss halber weggelassen, in der Ausstattung aber
insofern eine Aenderung vorgenommen worden, als die
Figuren nicht mehr in drei beigegebenen Tafeln, son-
dern als Holzschnitte in dem Texte selbst aufgeführt
waren.
Die vorliegende achte ebenfalls von dem Professor
Dr. Herr herausgegebene Auflage hat eine wesentliche
Aenderung gegenüber der sechsten Auflage nicht er-
fahren ; es ist dieselbe einer sorgfältigen Revision unter-
worfen und dabei die Anwendung des metrischen Maass-
systems, das nunmehr auch in Oesterreich- Ungarn
gesetzlich eingeführt ist, entsprechend berücksichtigt
worden.
Die Ausstattung auch bezüglich der in den Text
gedruckten Figuren ist, wie bisher, auch in der gegen-
wärtigen Auflage eine elegante.
Die Stampf er 'sehe Darstellungsweise war eine
so vorzügliche, dass es von seinen Schülern stets be-
dauert worden ist, dass er die übrigen Partien seiner
*) Üniversal-Nivellirinstrument ist eine von Stam-
pfer und Starke früher schon eingeführte Benennung für solche
Instrumente, die sowohl zum NlveUiren als zur Horizontal- und
Yertical Winkelmessung, sowie zum Distanzmessen eingerichtet
waren.
gediegenen Vorträge über praktische Geometrie nicht
in gleicher Weise veröffentlicht hat. Um so freudiger
wurde im Jahre 1851 ein Werk begrüsst, welches im
Geiste Stampf er's von einem seiner früheren Schüler
bearbeitet worden war, nämlidi:
Bat Handbuch der niederen Oeodäsü von Friedrieh
^ Hartner,
Seit dieser Zeit ist ein Vierteljahrhundert verflossen
und das erwähnte Werk erscheint gegenwärtig in der
fünften vermehrten Auflage; ein Beweis, welche gün-
stige Aufnahme dasselbe bei dem geodätischen Publikum
gefunden hat.
Zur vorläufigen Charakteristik des Werkes sei er-
wähnt, dass es vom Anfang an bestimmt war, zu Vor-
lesungen an technischen Lehranstalten benutzt zu wer-
den und dass daher der Verfasser sich bemühte, den
Lehrgang unter Anwendung der höheren Mathematik so
wissenschaftlich als möglich zu halten, indem er ge-
wöhnlich der speciellen Ausführung eine allgemeine
Begründung vorangehen liess, um sowohl die Begriffe
im Allgemeinen festzustellen, als auch das Studium zu
erleichtern und Wiederholungen zu vermeiden.
Ehe er daher zu der Darstellung der einzelnen
Messwerkzeuge und der Untersuchung derselben über-
geht, betrachtet er ihre einzelnen Theile nach den Be-
dingungen, die sie zu erfüllen haben, ihren Gonstruc-.
tionen, Wirkungsweisen und ihrem Grebrauch, beziehent-
lich mit ihren Fehlern und den Mitteln, diese zu
beseitigen.
Um nicht die sämmtlichen Instrumente in ihren
verschiedenen Constructionen aufzuzählen, was ja ohne-
dies der grossen Mannigfaltigkeit halber gar nicht
möglich sein würde, betrachtet er jede besondere Klasse
von Instrumenten nach ihrem Grundprincipe, dabei auf
die^auptbestandtheile hinweisend, sowie auf die all-
gemeinen Anforderungen, welchen sie entsprechen müssen.
Es enthält daher auch das Werk keineswegs eine Muster-
karte von Instrumenten verschiedener Werkstätten, son-
dern es sind meist nur solche Instrumente bildlich
dargestellt, wie sie aus der berühmten mechanischen
Werkstätte des Wiener polytechnischen Instituts, die
später von Starke & Kammerer für eigene Rech-
nung übernommen wurde, hervorgegangen sind. Nur
die neueste Auflage macht hiervon in geringem Maasse
eine Ausnahme.
Unserer Aufgabe gemäss werden wir von dem
reichhaltigen Inhalte des Hartner 'sehen Buches nur
diejenigen Abschnitte hervorheben, die in den späteren
Auflagen Veränderungen erlitten haben.
17*
263
NagcK Zur Literatui- der Geodäsie.
264
Das ganze Werk zerfällt iu zwei Abtheilungen,
von denen die erste die Feldmesskunst, die zweite die
Höhenmesskunst behandelt.
Der erste Abschnitt der ersten Abtheilung beginnt
mit der Besprechung der Maasse, welcher in der
fünften Auflage die nothwendigen Zusätze wegen der
Einführung des metrischen Maasssystems in Oesteri'eich-
Ungarn erfahren hat. In dem darauf folgenden Ab-
schnitte, welcher von den Geräthen und Instru-
menten handelt, erhielt zunächst durch die dritte
Auflage die bis dahin etwas zu knapp gehaltene
Theorie der biconvexen Linse und des Fern-
rohres die nöthige Erweiterung; neben der älteren
Klemmvorrichtung mittelst der Halterplatte, welche an
dem Umfange des eingetheilten Kreises zur Arretirung
der Alhidadenbewegung angebracht wird und die sehr
leicht Unsicherheiten in den Winkelmessungen hervor-
ruft, ist in der vierten Auflage der zweckmässigere
Bremsring, welcher in der Regel auf die Achsenfüh-
rung wirkt, erwähnt. In der fünften Auflage ist als-
dann neu hinzugekommen Steinheil's Heliotrop,
während in den früheren Auflagen nur der von Gauss
beschrieben wurde. Es ist Pflicht der Pietät gegen
Gauss und seine so überaus werth volle Erfindung vom
Jahre 1821, dass sie in den Lehrbüchern der Geodäsie
nicht unei'wähnt bleibt, wenn sie auch in neuerer Zeit
in der praktischen Anwendung einfacheren Einrichtungen
hat weichen müssen. Dahin gehört der von Baeyer
in seiner Küstenvermessung zuerst beschriebene Apparat,
der ebenso gut wie der Gauss 'sehe auf die grössten
Entfernungen mit Leichtigkeit angewendet werden kann.
Es würde daher nicht unzweckmässig erschienen sein,
wenn der Verfasser gerade diesen Heliotrop mit be-
schrieben hätte, anstatt ihn nur kurz zu erwähnen.
So viel uns bekannt, sind in Oesterreich die ersten
Kippregeln mit Libelle in Anwendung gekommen
und jedenfalls dadurch hervorgerufen worden, dass die
zum Zweck der Katastralvermessung zur Ausführung
gekommene graphische Triangulirung eine grössere Ge-
nauigkeit erforderte.*) Die älteste Construction der-
artiger Kippregeln i-ühit vom Wiener Mechaniker
Sadtler her und ist beschrieben in „Wink 1er 's
praktischer Anleitung zum graphischen Trianguliren.
Wien 1825.*' Später sind wesentliche Verbesserungen
derselben erfolgt durch die Wiener Mechaniker Kraft
und Seh ab las 8. Die früheren Auflagen des Hart-
*) Die österreichische graphische Triangulirung hat auch
mehrfache Verbesserungen des Messtisches, das stabilere Stativ,
<)ie Belegung der Planchetten mit mattgeschlifTenen Glasplatten etc.
hervorgerufen.
n er 'sehen Werkes enthielten ausser einer Kippi'egel
ohne Libelle die Kraft 'sehe Construction; die vierte
Auflage ist aber noch durch eine neue Construction
von G. Starke mit einer festen und einer Setzlibelle
vermehrt, welche bereits im Jahre 1868 vom Professor
T int er in der Zeitschrift des österreichischen Ingenieur-
und Architekten-Vereins beschrieben worden ist.
Die Mittel zum Messen gerader Linien sind
in der fünften Auflage um das Stahlmessband, das
SteinheiTsche und das Wittmann'sche Messrad»
um die Distanzlatten zum Selbstablesen (Scalenlatten)
und um den anallatischen Distanzmesser von
Porro vermehrt. Auch hat hierin W astler seine
Erfahrungen über den Genauigkeitsgrad der Längen-
messungen mit Kette und Messstäben mitgetheilt.
Bezüglich des Porro 'sehen distanzmessenden Fern-
rohres war bereits in der vierten Auflage anhangsweise
eine ansprechende einfache Theorie des zusammenge-
setzten Objectivs gegeben.
Die Mittel zum Abstecken von Winkeln er-
hielten in der dritten Auflage eine Vermehrung durch
das im Jahre 1851 von Bauer nf ei nd erfundene
Prismenkreuz und in der vierten Auflage durch das
Spiegelkreuz und durch die Vereinigung des letzteren
mit dem Ad am 'scheu Winkelspiegel.
Die Mittel zum Messen der Winkel sind in
der fünften Auflage um die Betrachtung des Fehlers
erweitert, welcher in der Verticalwinkelmessung entsteht»
wenn die horizontale Drehungsachse nicht durch den
Mittelpunkt des Höhenkreises geht. In der dritten
Auflage trat hier zum ersten Male das Schrauben-
mikroskop (mikrpmetrisches Mikroskop) auf und in
der fünften Auflage die Abbildung und Beschreibung
eines Breithaupt 'scheu Theodoliten.
Den katoptrischen Winkelmessinstrumen-
ten wurde in der zweiten Auflage der Reflexionskreis
von Pistor & Martins beigesellt und die allgemeine
Theorie der ersteren nach Wa stier gegeben, wobei sich
herausstellt, dass die Excentricität des beweglichen
Spiegels ohne Einfluss auf die Winkelmessung bleibt.
Dagegen ist das Kathetometer von Pezelt, das wohl
nie eine bedeutende Rolle in der praktischen Geometrie
gespielt hat, von der vierten Auflage an weggelassen»
Von den graphischen Winkelmessern ist in
der neuen Auflage die veraltete Zollmann 'sehe
Scheibe mit Recht beseitigt, dagegen ist unter den
Messtischen, von denen ursprünglich der Mari-
nen i 'sehe und der Kraft 'sehe Aufnahme gefunden,
der bereits in der Zeitschrift des österreichischen In-
genieur-Vereins 1860 veröffentlichte von G. Starke
1>(»
Nagel, Zur Literatur der Geodäsie.
266
von der dritten Auflage an aufgenommen. Wir haben
bezüglich dieses letzteren zu bemerken, dass uns das
bereits auch bei anderen Instrumenten in Anwendung
gebrachte elegante Stativ (mit Krückfüssen) nicht zu-
sagt, weil es wogen der eigenthümlichen Verbindung
der Füsse mit dem Stativkopf einer der wesentlichsten
Bedingungen eines Messtisches, nämlich fiir längere
Zeit einen festen unveränderlichen Stand zu gewähren,
nicht entspricht, die Füsse auch nicht mit den so un-
entbehrlichen Fusstritten (Nasen) versehen sind, um
dieselben mit Leichtigkeit in den Boden fest eintreten
zu können, wodurch doch eigentlich erst der erforder-
liche feste Stand eines Messinstruments zu erzielen ist.
In dem von den 6 rund Operationen der Feld-
messkunst handelnden dritten Abschnitte ist in der
fünften Auflage die Höhenwinkelmessung um die Be-
trachtung über den Fehler vermehrt, der entsteht, wenn
die verticale Drehungsachse des Instrumentes nicht
genau vertical steht; femer um das Ausstecken langer
gerader Linien und um das Ausstecken der Kreisbögen,
ein Kapitel, welches in den früheren Auflagen ungern
vennisst wurde und uns auch jetzt noch etwas zu kurz
gehalten erscheint.
Die Arbeiten mit dem Messtische, die ana-
lytisch-trigonometrischen Arbeiten, die Auf-
nahme sowohl einzelner Parzellen als eines kleinen
Verbandes von Grundstücken haben soit der
ei*sten Auflage wesentliche Aendorungen nicht erfahren ;
dagegen ist in dem fünften Abschnitte der fünften Auf-
lage, das Aufnehmen eines grösseren Verbandes
von Grundstücken behandelnd, die Triangulirung
des Netzes II. Ordnung neu aufgenommen, wie sie der
neuen Instruction des österreichischen Katasters ent-
spricht. Ferner ist darin die graphische Triangulirung
mit verschiedenen Zusätzen vorsehen und (endlich die
Aufnahme und das Auftragen von Städten hinzuge-
kommen, für welche der Herausgeber Wastler durch
seine Aufnahme der Stadt Graz, deren Resultate auf
der Wiener Ausstellung zu ersehen waren , reiche Er-
fahrungen gesammelt hat.
Der sechste Abschnitt behandelt, meist nach G er-
lin g 's Vorgang, das Nothwendigste der Methode der
kleinsten Quadrate, welche bereits in der zweiten
und vierten Auflage einige Erweitei-uiigen durch neue
Beispiele und durch die Anwendungen der Correlaten
bei der Ausgleichung bedingter Beobachtungen, in der
ftinfbeu Auflage duixh die Betrachtung ül)er die Ge-
nauigkeit der lüngenmessung, bereichert mit den Er-
fahrungen des Herausgebers, sowie durch die Bestim-
mung des mittleren Fehlers eines repetirten Winkels
erhielt.
In der Nr. 336, Genauigkeit der Längenmes-
sung, ist dem Herausgeber der fünften Auflage ein
kleiner, wenn auch folgenloser Irrthum untergelaufen.
Er setzt nämlich den mittleren Fehler m in der gemes-
senen Länge 2, wenn /n den mittleren Fehler der Län-
geneinheit bedeutet,
m = fi yl.
Dies ist nur richtig, wenn die Längeneinheit selbst
l Mal in die Linie eingelegt wurde. Wenn dagegen
die zur Ermittelung der Länge / angewandte Kette,
wie dies bei den zu Grunde gelegten Messungen ¥drk-
lich der Fall gewesen ist, X Längeneinheiten enthielt,
so ist unter Beibehaltung der obigen Bezeichnungen
Die Werthe, die der Herausgeber ftir ^i gefunden
hat, sind daher keineswegs die mittleren Fehler der
Längeneinheit, sondern von der Länge X abhängige
Constanten (/u . /A) , die man mit ]A2 zu multipliciren
hat, um den mittleren Fehler von { zu finden.
In dem nun folgenden Abschnitte über die Be-
rechnung der Flächeninhalte der Grund-
stücke u. s. w. vermissen wir die Simpson 'sehe
Regel. Obwohl dieselbe vom praktischen Geometer
selten angewendet, sondern bei demselben immer durch
die sogenannte Aequidistanten-Formel vertreten wird, so
glauben wir doch, dass auch der ersteren ein Platz neben
der letzteren in einem Werke über niedere Geodäsie
eingeräumt werden sollte.
Von den mechanischen Hilfsmitteln zur
Flächenberechnung nach gegebenen Grundrissen
(Planimeter) waren in der ersten Auflage nur das
Planimeter von Posener, die Planimeter mit pa-
rallelen Fäden von Oldendorp, von Alder und die
Glasplanimeter aufgeführt, in der zweiten Auflage fand
alsdann das von Wetli erfundene, von Stampfer in
den Sitzungsberichten der k. k. österreichischen Academie
der Wissenschaften vom Jahre 1850 beschriebene und
analysiii« Planimeter, wie es von C. Starke in Wien
ausgeführt worden ist, eine eingehende Behandlung.
In derselben Auflage wurde zugleich eine Theorie des
*) Ist m^ der mittlere Fehler, mit dem eine einzige Einlage
von X, in die zu messende Linie erfolgt und werden n solcher
Einlagen gemacht , so ist m=^m^. y^n. Nun ist aber n s=r ,
daher m=M, i/ *- « *^» . V^jl.^ Hierin ist nach Formel 218
— * der mittlere Fehler der Längeneinheit, also ==/u, daher
267
Nagel, Zar Literatur der Geodäsie.
268
auf Po larco ordinalen gegründeten Planimeters
gegeben, welches nach den Angaben des Prof. Miller
in Leoben in der Herstellung begriffen war und worauf
sich derselbe in Gemeinschaft mit 6. Starke ein Pri-
vilegium gesichert hatte. In der dritten Auflage wurde
alsdann das Instrumentchen durch Zeichnung und Be-
schreibung eingehender dargestellt. Da Prof. Amsler
in Schaff hausen ein dem Miller 'sehen in der Haupt-
sache gleiches Instrument construirt und in einer be-
sonderen Broschüre: „Ueber die mechanische Bestim-
mung des Flächeninhalts. Schaffhausen 1856^^ feist zu
gleicher Zeit bekannt gemacht hat, so haben wir hier
wieder den Fall, dass zwei Personen dieselbe Erfindung
unabhängig von einander gleichzeitig gemacht haben.
In der fünften Auflage ist das Planimeter von Posen er
weggelassen; es muss daher vermuthet werden, dass
dasselbe bei den österreichischen Katastralmessungen
ausser Gebrauch gekommen ist.
Diese Auflage giebt uns für die Berechnung
ganzer Aufnahmen Formeln für die zulässige Dif-
ferenz zwischen zwei Berechnungsresultaten einer und
derselben Fläche, wie sie in der neuen Katastral -In-
struction für Oesterreich vorgeschrieben sind.
Bereits in der vierten Auflage hat der Verfasser
dem zur Mode gewordenen Höhenmessen mit Metall-
barometern (wir nennen sie lieber mit Jordan:
Federbarometer) Rechnung tragen müssen. Er ist
daher ausführlich auf das Metallbarometer von Naudet
und auf das von J. Goldschmidt eingegangen und
der Herausgeber der fünften Auflage hat dankenswerthe
Vergleichungen des Goldschmidt 'sehen Aneroids mit
dem Quecksilberbarometer angestellt, deren Resultate
er mittheilt, so dass diese Höhenmessung nun über-
haupt 18 Seiten einnimmt.
In dem Abschnitte über das Nivelliren ist man
dem Gange Stampfer 's gefolgt. Neu hinzugekommen
sind hier: die Untersuchung der Parallelführung der
Ocularröhren, die Universal-Nivellirinstrumente von G.
Starke und Ertel, einige Zusätze bezüglich der Aus-
führung der Nivellements und das Präcisionsnivellement
nach bayrischem Muster.
In der dritten Auflage ist bereits der Amsler-
Laffon'schen Reversionslibelle gedacht, auf
welche wir später noch einmal zurückkommen werden.
Den Anhang der fünften Auflage dieses trefflichen
Werkes bildet die in der neueren Zeit unvermeidlich
gewordene Tachymetrie, über welche in einem III.
Artikel besonders berichtet werden soll.
Aus der vorstehenden Aufzählung der Gegenstände,
welche seit seinem ersten Erscheinen in das Hartner'-
sche Buch aufgenommen worden sind, wird man er-
kennen, welche ausserordentliche Bereicherung dasselbe
seit nunmehr 25 Jahren erfahren hat.
Dasselbe ist in höchst erfreulichem Maasse mit
dem dritten uns zur Besprechung vorliegenden Werke
der Fall.
C. M, V. Bauernfeind^s Vermessungskunde.
Der durch seine schriftstellerische Thätigkeit und .
durch sein bei Gründung des neuen Polytechnikums zu
München bewiesenes organisatorisches Talent rühmUch
bekannte Prof. Dr. v. Bauern feind veröffentlichte im
Jahre 1856 den ersten Band seiner Vermessungskunde,
dem im Jahre 1858 der zweite Band folgte. Bereits
im Jahre 1846 war dieses Werk im Leipziger Oster-
katalog angekündigt worden; es konnte aber damals
nicht erscheinen, weil dem Verfasser bald nach jener
Ankündigung neben seinem Lehrberufe noch ein prak*
tischer Wirkungskreis als Ingenieur angewiesen wurde,
der ihn fünf Jahre lang abgehalten hat, etwas drucken
zu lassen.
Dieses Werk machte sofort nach seinem Erscheinen
grosses Aufsehen wegen seiner zweckmässigen Anord-
nung des Stoffes, seiner ausserordentlichen Klarheit
und Wissenschaftlichkeit, seiner Originalität und der
vorzüglichen Ausstattung durch 550 der besten Holz-
schnitte.
Bereits im Jahre 1862 erschien die zweite Auflage.
Dieser folgte im Jahre 1869 die dritte, 1873 die vierte
und im Jahre 1876 die fünfte Auflage.
Die Worte, mit welchen der Verfasser die Vorrede
zur fünften Auflage einleitet:
„Rasch aufeinanderfolgende neue Auflagen eines
Werkes kommen nicht blos dem Verfasser und
Verleger, sondern auch der Wissenschaft und
dem Publikum zu statten, insofern es hierdurch
möglich wird, alle brauchbaren neuen For-
schungen und Erfindungen aus versteckten und
oft schwer zugänglichen Stellen in Zeitschrüken
rechtzeitig auf den freien und regelmässig zu-
bereiteten Boden der Lehrbücher zu versetzen.*'
bewahrheiten sich an diesem vortrefflichen Werke voll-
ständig, wie ohne Weiteres aus den bedeutenden Er-
weiterungen erhellt, die die einzelnen Abschnitte nach
und nach in den neuen Auflagen erfsüiren haben.
Das Werk zerfällt in drei Abtheilungen, von denen
die erste die Lehre von den Messinstrumenten, die
zweite die Lehre von den Messungen und die dritte die
Lehre vom Plan- und Kartenzeichnen enthalt.
In der ersten Abtheilung handelt der erste
2(39
Nagel, Zur Literatur der Geod^ie.
270
Abschnitt von den Mitteln zur Herstellung von Ab-
sehlinien und es ist darin das Kapitel von den Glas-
prismen und ihrer Verwendung zur Construction yon
rechten und anderen constanten Winkeln von Haus aus
neu vom Verfasser in die praktische Geometrie eingeführt
worden, nachdem er bereits im Jahre 1851 das Prismen-
ki*euz erfunden und die Theorie und den Gebrauch des-
selben yeröffentlicht hatte. Es ist daher leicht erklärlich,
wenn der Verfasser diesen Gegenstand mit ganz beson-
derer Vorliebe verfolgt, und dabei immer zu neuen
Entdeckungen gelangt. Unter den mannig&chen Er-
weiterungen, die dieser Abschnitt in den verschiedenen
Auflagen erfahren hat, ist besonders hervorzuheben
das im Jahre 1868 vom Verfasser erftindene fUnfiseitige
Glasprisma (Spiegelprisma), welches ausser der Ab-
steckung von rechten und 45 ^-Winkeln gestattet, im
Allignement zweier Punkte einen Zwischenpunkt zu
finden und gleichzeitig in diesem Punkte auf die Ge-
rade eine Senkrechte zu errichten. Die Auflösung dieser
Aufgabe, der gleichzeitigen Absteckung eines ge-
streckten und eines rechten Winkels, hat aber der Ver-
fasser auch durch sein Prismenkreuz ermöglicht, indem
er demselben in neuerer Zeit eine etwas andere Zu-
sammensetzung gegeben.
Etwas unbequem für den Leser erscheint die Be-
handlung der Glasprismen an zwei Stellen des Buches,
nämlich in dem genannten Abschnitte und dann 130
Seiten weiter hinten unter den Hilfsmitteln zum Ab-
stecken von 45*^-, 90'^- und 180«- Winkeln. Wir halten
dafür, dass, ohne die beliebte systematische und logische
Anordnung zu schädigen, recht wohl dieser gesammte
Stoff von der ersten nach der zweiten Stelle verwiesen
werden könnte.
Der darauf folgende Abschnitt von den Mitteln
zur Herstellung loth- und senkrechter Rich-
tungen enthält in der dritten und vierten Auflage
bezüglich der Libellen einige Erweiterungen, und die
Lehre von dem geodätischen Fernrohre wurde
in der dritten Auflage durch specielle Beschreibung
des Huyghens 'sehen, Barns den 'sehen, oilhoskopi-
schen und prismatischen Oculars vermehrt.
In dem Abschnitte von den Mitteln zur Mes-
sung sehr kleiner Linien und Winkel ist in
der dritten Auflage neu hinzugekommen: das durch
die neueren Gradmessungen erst in die praktische Geo-
metrie übergeführte Schraubenmikroskop (mikrometri-
sche Mikroskop), welches in der vierten Auflage noch
einige zweckmässige Zusätze bezüglich der Ablesung
mit demselben und bezüglich der Prüfung und Berich-
tigung erfahren hat.
Den Mitteln zur Bezeichnung der Operations-
punkte wurden in der zweiten Auflage die beim Mark-
scheiden zu verwendenden Nägel, Schrauben und Licht-
signale, in der vierten Auflage die Bessel'sche Signal-
tafel, die Bocksignale, in der dritten der Heliotrop von
Baeyer und in der fünften der Heliotrop von Reitz
beigefügt, während in letzter Beziehung in der ersten
Auflage bereits die Heliotropen von Gauss, Stier-
lein und Stein heil Aufnahme gefunden hatten.
Der Heliotrop von Baeyer, welcher in der dritten
und vierten Auflage unter diesem Namen aufgeführt
ist, wird in der fünften Auflage als Heliotrop von
Bertram bezeichnet. Referent« kennt die Quelle nicht,
aus der der Verfstsser bezüglich dieses Namens geschöpft;
hat. So viel ist ihm aber noch erinnerlich, dass nach
einer mündlichen Mittheilung des Generallieutnants Dr.
Baeyer nicht Bertram, sondern Repsold in Ham-
burg die ursprüngliche Idee zu diesem so ein&chen
Heliotrop während eines Gresprächs beider Herren über
die Umständlichkeit der Justirung und Handhabung
des Gau SS 'sehen Heliotropen gegeben und dass Baeyer
alsdann seinem Gehilfen bei der Küstenvermessung,
dem Lieutnant und Ingenieur -Geographen Bertram,
den Auft;rag gegeben hat, Heliotropen nach dieser Idee
anfertigen zu lassen.
Eine wesentliche Vermehrung hat der von dem
Messtisch handelnde Abschnitt erfahren. In der
ersten Auflage war nur der Reichenb ach 'sehe Mess-
tisch (mit einseitiger Planchettenverschiebung) vertreten.
Bereits in der zweiten Auflage erwähnt der Verfasser
unter der Rubrik: neuere Messtische die von Oster-
land, Breithaupt, Starke und Kraft construirten,
auf die betreffenden Publicationen verweisend, und be-
schreibt dann näher den nach seinen Angaben von
Ertel & Sohn für die k. Ingenieurschule zu Müncheft
gefertigten. Die dritte Auflage hat alsdann den Mess-
tisch vom Ingenieur Jahns mit neuer eigenthümlicher
Horizontalstellung und Planchettenverschiebung (be-
schrieben in Carl 's Repertorium für physikalische
Technik u. s. w., Band 2, 1867) aufgenommen und die
ftinfbe Auflage ist um den Messtisch von Geyer n||t
der Franke 'sehen Planchettenverschiebung und um
den Bauernfeind 'sehen neueren Messtisch, angefertigt
von Ott & Coradi in Kempten, vennehrt. Man
sieht aus dieser Vermehrung, dass man immer noch
an Verbesserungen an diesem nun beinahe dreihundert
Jahre bestehenden Messwerkzeuge denkt, trotzdem dieses
Instrument von vielen Seiten, als einer unwissenschaft-
lichen Vergangenheit angehörend, ganz beseitigt werden
möchte. Wir sind der Meinung, dass es vielmehr seine
volle Berechtigung hat, wenn man es für Zwecke ver-
wendet, für welche es ausreichende Genauigkeit gewährt
271
Nagel, Zur Literatur der Geodäsie.
272
und dabei rascher zum Ziele fuhrt als jedes andere.
Nur scheint man mit der Vervollkommnung manchmal
etwas zu weit zu gehen, indem sie nicht gleichmässigen
Schritt mit der dadurch entstehenden Kostenyermeh-
rung hält.
Von der bereits in der vierten Auflage aufgenom-
menen, von Grunert (Grunert's Archiv LIV, S. 81)
herrührenden Methode „der systematischeü Lösung der
Aufgabe des Aufstellens des Messtisches ^^ wird wohl
kaum ein routinirter Messtischaufnehmer Gebrauch
machen.
Von der zum Messtischapparat gehörenden Kipp-
regel war in der ersten Auflage nur die ältere ver-
tt^ten, wie sie aus der mechanischen Werkstätte von
Ertel zugleich als Reichenbach 'scher Distanzmesser
hervorging. Diese Construction hat das Unbequeme,
dass das Fernrohr sich nicht durchschlagen lässt und
daher auch eine einfache und rationelle Prüfung und
Berichtigung bezüglich der Anforderung, dass die Visir-
linie sich in einer Ebene bewege, die auf der Lineal-
ebene senkrecht steht, nicht ermöglicht.
Mit Vergnügen haben wir daher in der zweiten
Auflage die Aufnahme einer neuen, nach den Angaben
desr Verfassers construirten Kippregel begrüsst, die die
an der älteren vcrmisste Eigenschaft besitzt, überdies
mit der Setzlibelle auf der horizontalen Drehachse, mit
vollem Verticalkreise und distanzmessendem Femrohre
versehen ist. Diese Kippregel leistet jeder Anforderung
Genüge; dennoch würden wir nicht ungern gesehen
haben, wenn der Verfasser, wie beim Messtisch, auch
noch andere, namentlich einfachere Constructionen, wie
die von Kraft und Starke in Wien, erwähnt hätte,
da es doch für einzelne Zwecke nicht immer als noth-
wendig erscheint, ein so complicirtes und dabei kost-
spieliges Instrument zu benutzen.
Die angegebene Einstellung der verticalen Visir-
ebene nach einem Lotlifaden oder gar nach einer ver-
ticalen Mauerkante ist dem Referenten selbst für Kipp-
regeln ein zu rohes Piüfungsniittel. Für Kippregeln
zmn Durchschlagen mit oder ohne feste Libelle hat
er immer die Untei^suchung der verticalen Lage der
Visirebene (parallele Lage der Drehachse zur Unter-
lagsebene des Lineals) mit bestem Erfolg durch Visiren
nach einem hochgelegnen Object in analoger Weise ge-
führt, wie die Untersuchung der rechtwinkligen Lage
der Visirachse gegen die horizontale Drehachse durch
Visiren uach einem im Horizont des Messtisches liegen-
den Object.
Ungeachtet dessen, dass der Verfasser überzeugend
nachweist, dass die Magnetnadel zu genauen Messungen
niemals gebraucht werden kann, und die Genauigkeit
der Einstellung oder Ablesung derselben etwa auf 15
Minuten schätzt, hat er doch einen verhältnissmässig
grossen Raum den nun folgenden Bussoleninstru-
menten gewidmet, was sich wohl hauptsächlich durch
den* Umstand rechtfertigen lässt, dass das Werk zugleich
mit für Markscheider geschrieben ist. Von dec vierten
Auflage an ist dieser Abschnitt hauptsächlich um die
Untersuchung über den Einfluss der Excentricität des
Zapfens (Entfernung der Achse des Centralzapfens der
Gehäuseplatte von dem Nadelstift) und um die grössere
Ausführlichkeit vermehrt, mit welcher die Excentricitäts-
untersuchung der Magnetnadel geführt worden ist.
Der Abschnitt über die Theodoliten ist sehr
reichlich mit Zeichnungen von Exemplaren aus ver-
schiedenen Werkstätten, namentlich aus der von Ertel
in München und Breithaupt in Cassel ausgestattet
Den in der ersten Auflage aufgeführten einfachen und
Repetitionstheodoliten aus genannten Etablisse-
ments ist in der zweiten Auflage beigefugt der Repe-
titionstheodolit von Ertel mit excentrischem Femrohr,
der Grubentheodolit (Markscheidergoniometer) von Prof.
Junge und in der fünften Auflage ein kleiner Theo-
dolit mit drehbarem, aber nicht zum Repetiren der
Winkel eingerichteten Limbus. Die hauptsächlich die
Fehler dieser Instrumente behandelnde Theorie hat in
der vierten und fünften Auflage eine Bereicherung
durch drei Methoden der Prüfung der gegenseitigen
Stellung der Visirachse und der Drehachse des Fem-
rohres erfahren.
Ferner ist die Untersuchung der rechtwinkligen
Lage der horizontalen und verticalen Drehachse bei
Theodoliten, die eine Setzlibelle auf der horizontalen
Achse nicht haben, um eine Methode vermehrt worden,
nach welcher die veiiicale Lage der Visirebene mit
einer Verticalebene verglichen wird, die durch ein hoch-
gelegenes Object und sein Bild in einem Horizontal-
spiegel bestimmt ist. Auch hier hätten wir das Bei-
fügen der bereits bei der Kippregel als fehlend bezeich-
neten Methode gewünscht. Ebenso vermissen wir die,
sowohl für die Kippregel, als für den Theodolit ohne
Setzlibelle anwendbare sehr scharfe Methode, bei wel-
cher man das Fernrohr auf einen hochgelegenen Punkt
einstellt, denselben durch Kippen des Fernrolires auf
den Boden projicirt und daselbst den erhaltenen Punkt
markirt. Wiederholt man diese Manipulation mit durch-
geschlagenem Femrohre, so müssen beide auf dem Boden
erhaltenen Punkte zusammenfallen, wenn die Visirebene
durch die Verticalachse geht, oder, was dasselbe ist, wenn
die letztere rechtwinklig zur horizontalen Achse steht.
Fallen beide Punkte nicht zusammen, so ist durch den
Halbirungspunkt der Entfernung beider, durch den
273
Nagel, Zur Literahur der Geodäsie.
274
hochgel^enen Punkt und durch den Durchschnittspunkt
der verticalen und der horizontalen Drehachse diejenige
Ebene bestimmt, mit der die Yisirebene zusammenfallen
mu88.
Der nun folgende Abschnitt über die Spiegel-
instrumente enthält die Theorie, Construction, Prü-
fung und Berichtigung des Spiegelsextanten und die
Erwähnung der damit verwandten Spiegelkreise von
Tobias Mayer (Vater), Borda, Steinheil und
Pistor & Martins. Insbesondere der von letzteren
Gonstruirte Prismenkreis wird einer sehr speciellen Be-
sprechung unterworfen.
In der weiteren Betrachtung der Hilfsmittel zum
Längenmessen folgen die Urmaasse, Basismessappa-
rate, Messlatten, Messstäbe, Messketten, Messbäiider und
endlich seit der vierten Auflage auch die Messräder
von Steinheil und Wittmann.
Von den Distanzmessern ist zunächst derRei-
chenbach'sche älterer Construction mit zwei Faden-
kreuzen, von denen jedes durch eine besondere Ocular-
linse betrachtet wird, der Reichenbach-Ertel'sche,
welcher an dem grossen ErteTschen Nivellirinstrumente
angebracht ist, und das Stampfer'sche Nivellirinstru-
ment eingehend behandelt. Die Distanzlatte für den
Reichenbach 'sehen Distanzmesser ist mit besonderem
Nullpunkte construirt, damit man die abgelesene Di-
stanz nicht vom vorderen Brennpunkte der Objectiv-
linse, sondern von der horizontalen Drehungsachse des
Fernrohres aus erhält, eine Einrichtung, für die wir
uns nicht zu erwärmen vermögen, weil es uns umständ-
lich erschienen ist, immer den einen Faden genau auf
den Nullpunkt einzustellen, und weil es keine Mühe
und keinen Zeitverlust verursacht, wenn man eine kleine
Constante noch zu der abgelesenen Distanz hinzufügt.
Seit der vierten Auflage ist neu hinzugekommen eine
Distanzlatte för Metermaass und das in Jordan 's Ta-
schenbuch der praktischen Geometrie empfohlene Dia-
gramm zur Reduction der nach verticalstehenden Latten
schiefgemessenen Distanzen auf den Horizont, ganz
analog dem Diagramm für die zur Visur rechtwinklig
stehende Latte, wie solches von Steinheil vor mehr
als 20 Jahren in Dingler's Journal aufgeführt worden
ist. üeberdies ist dieser Abschnitt noch vermehrt um
die Gonstantenbestimmung am Reichenbach 'sehen
Distanzmesser und die Genauigkeit der Distanzmessung.
Die verkehrt geschriebenen Ziffern an den
Distanz- und Nivellirlatten halten wir nicht für zweck-
mässig. Nach unserer Erfahrung kann dabei eher ein
Ablesungsfehler erfolgen, weil man durch das astrono-
mische Femrohr die Latte verkehrt sieht und durch
die aufrecht erscheinenden Ziffern leicht zu der gegen-
ClvUingenieur XXIII.
theiligen Ansicht und zu der Ablesung in umgekehrter
Richtung verleitet werden kann. Jeder Ingenieur, der
nur einen Tag mit einem astronomischen Femrohre
gearbeitet hat, wird sich an die verkehrte Stellung der
Bilder so gewöhnt haben, dass er die verkehrt erschei-
nenden Ziffern ebenso schnell und sicher abliest wie
die aufrechtstehenden.
Einige Zusätze und Aenderungen haben auch die
Nivellirinstrumente erfahren. Neu hinzugekommen
ist insbesondere in der fünften Auflage das Nivellir-
instrument von Amsler mit Reversionslibelle und das
Tachymeter von Mo i not mit dem distanzmessenden,
dem sogenannten anallatischen Femrohre von Porro.
In der zweiten Auflage hat das barometrische
Höhenmessen eine vollständige Umarbeitung erfahren,
veranlasst durch die Erfahrungen, die der Verfasser
durch seine im Jahre 1857 am grossen Miesing an-
gestellten Untersuchungen über die Grenauigkeit des
barometrischen Höhenmessens gewonnen und in einem
besonderen Werke*) niedergelegt hat.
Der von den Messinstrumenten handelnden ersten
Abtheilung ist daher von der zweiten Auflage an neu bei-
gegeben das Rat h 'sehe Reisebarometer, sowie die Prü-
fung und der Gebrauch des Quecksilberbarometers und
die an demselben anzubringenden Gorrectionen. Endlich
haben die Federbarometer, mit denen sich der
Verfasser bezüglich Erlangung der erforderlichen Ein-
sicht über den mit denselben zu erzielenden Genauig-
keitsgrad ebenfalls speciell beschäftigt hat, von der
vierten Auflage an eine eingehende Erörterung gefunden,
wobei insbesondere das Naudet'sche und Gold-
schmidt'sche beschrieben, ihr Gebrauch nebst Gorrec-
tionen, sowie die Gonstantenbestimmung gezeigt und
der Genauigkeitsgrad nach seinen im Jahre 1872 und
1873 angestellten Versuchen geschätzt worden ist.
Den Schluss der ersten Abtheilung bilden die In-
strumente zum Messen der Geschwindigkeit fliessender
Wässer, welche in der vierten Auflage eine Vermehrung
durch Darcy's Verbesserung der Pi tot 'sehen Röhre
und eine neue Verbesserung des Weltmann 'sehen
Flügels und in der fünften Auflage durch den hydrau-
lischen Flügel von Amsler-Laffon erfahren haben.
Die zweite Abtheilung, die Lehre von den Mes-
sungen, beginnt in der vierten und fünften Auflage
mit den Grundzügen der Methode der kleinsten
Quadrate in ihrer Anwendung auf gute geodätische
*) Dr. C. M. Bauernfeind, Beobachtungen und Unter-
suchungen über die Genauigkeit barometrischer Uöhenmessungen
und die Veränderung der Temperatur und Feuchtigkeit der At-
mosphäre. München 1S62.
IS
275
Nagel, Zur Literatur der Geodäsie.
276
und hydrometrische Arbeiten nach dem Werke „die
Ausgleichungsrechnungen der praktischen Geometrie
von Gerling.**
Der Verfasset^, der in den vorhergehenden Auflagen
von der Beifügung eines diese Methode l^ehandelnden
Abschnitts abgesehen hatte > weil er der Ansicht war,
dass die Fehler der Messungsresultate der sogenannten
niederen Geodäsie ohne diese Methode ausgeglichen
werden können und sollen und daher dieselbe nur bei
den feinsten Messungen in Anwendung zu kommen habe,
hat sich der Vorrede gemäss nur mit einigem Wider-
streben zur Aufnahme dieses Abschnittes entschliessen
können. Er hat ja von Haus aus sein Werk nur der
Anleitung zur sicheren Ausführung aller Vermessungen
für technische und staatswirthschafUiche Zwecke ge-
widmet und die Lehre von den Grad- und grösseren
Landesvermessungen besonderen Werken überlassen.
Wenn hiemach auch der ursprünglichen Ansicht
des Verfassers bezüglich der Methode der kleinsten
Quadrate nicht gerade entgegen zu treten ist, im Ge-
gentheil das fast zur Mode gewordene Zuweitgehen in
der Anwendung dieser Methode leicht bei manchem
Geometer die Meinung hervorrufen könnte, dass schlechte
Messungen durch diese umständliche Ausgleichungs-
methode gut zu machen seien, so sind wir doch längst
der Ansicht, dass ein Werk* von derartigem wissen-
schaftlichen Werthc, wie das vorliegende, wenigstens
die Elemente dieser Methode mit Andeutungen über
praktische Verwerthung dereelben nicht entbehren darf,
weil sonst mehrere Partien darin, wie z. B. die Fehler-
untersuchungen der Instrumente, die Beurtheilung des
Genauigkeitsgrades der Messungen mit vei*schiedenen
Instrumenten u. s. w. gar nicht behandelt, oder, wenn
dies geschehen, gar nicht verstanden werden können.
Ueberdies giebt es in der praktischen Geometrie Fälle,
wo selbst die strenge Ausgleichung nicht allemal viel
umständlichere Rechnungen verursacht, als ein Ver-
fahren, das nur auf Probiren beruht.
Nivellements können häufig ohne grossen Zeitauf-
wand scharf ausgeglichen werden. Auch kann ein
Werk über technische Geometrie ohne Bemerkungen
über die Ausgleichung eines trigonometrischen Netzes
nicht mehr bestehen. Es müssen in einem solchen
Andeutungen über die Genauigkeit der Längenmessungen,
der Winkelmessungen, des Nivellirens u. s. w. gemacht
werden. Dabei: können wir die Aufnahme dieses Ab-
schnittes in dem vorliegenden Umfange, in gleicher
Weise, wie in dem besprochenen H artner 'sehen Werke,
nur billigen.
Durch diese Aufnahme ist es möglich geworden,
einige in den früheren Auflagen aufgenommene Ausglei-
f
chungsbeispiele abzukürzen und dafür einzelne Para-
graphen ausführlicher zu behandeln.
Der Abschnitt über die Ausmessung gerader
und krummer Linien hat in der zweiten und fünften
Auflage einige Zusätze erhalten.
Der darauffolgende Abschnitt von den Winkel-
messungeu betrachtet zunächst die verschiedenen
Reductionen und den Einfluss der regelmässigen Beob-
achtungsfehler auf die Winkelmessungen.
Wenn § 50 bei dem Fehler, welcher durch die
schiefe Lage der Limbusebene, die doch wohl recht-
winklig zur verticalen Achse gedacht wird, entsteht,
bemerkt wäre, dass er eigentlich von der geneigten
Lage der verticalen Drehachse herrührt, sowie, dass
der Fehler, wegen der schiefen Lage der Visirebene
(§ 51), von der geneigten Lage der horizontalen Dreh-
achse abhängig ist , so hätte . mit . wenig Worten mit
angeführt werden können, dass sich der letztere Fehler
mittelst des an anderen Stellen des Werkes angegebenen
Durchschlagens des Fernrohres und des Messens des
Winkels in beiden Lagen des Fernrohres immer aus
der Winkelmessung eliminiren lässt, während dies mit
dem ersten nicht der Fall ist, so dass auf die genaue
Verticalstellung der verticalen Drehachse mittelst der
Libelle bei Winkelmessungen ganz vorzüglich Rücksicht
genommen werden muss.
Die nun folgende Aufnahme der Dreiecke mit
Messtisch und Theodolit, die Betrachtung über den
P^intluss der unveimeidlicheu Beobachtungsfehler, die
Aufnahme der Vielecke und Flurbezirke hat so gut
wie keine Abänderung erfahren. Bezüglich der Be-
nennungen „Kückwärtsabschneiden*' für die Auf-
nahme eines Dreieckes aus einer Seite, einem anliegen-
den Winkel und einem gegenüberliegenden Winkel und
„Seitwärtsabschneiden** für die Aufnahme eines
Dreieckes aus zwei Seiten und dem von ihnen einge-
schlossenen Winkel können wir uns dem Verfasser nicht
anschliessen, behalten vielmehr die früheren Bezeichnungen
bei, nach welchen die erste Aufgabe Seitwärts ab-
schneiden, die zweite Vorwärtsvisiren und Messen
genannt und unter Rückwärtsabschneiden die Lö-
sung der Pothcnot 'sehen Aufgabe verstanden wird.
In der vierten und fünften Auflage ist dieCoor-
dinatenberec hnung für ein mit Theodolit und Mess-
latte gemessenes Polygon, ma^ dasselbe als ein ge-
schlossenes oder offenes auftreten, ausführlicher
behandelt und an einem Beispiele diese Berechnung
und die Beseitigung des sogenannten Schlussfehlers ge-
zeigt. Diese Beseitigung ist durch Vertheilung des
Ueberschusses der Summe der Abscissenabsdmitte pro-
portional auf diese Abschnitte und durch Vertheilung
277
Nagel, Zur Literatur der Geodäsie.
278
des Ueberschusses der Summe der Oixlinatenabschnitte
proportional auf diese letzteren erfolgt, ein empirisches
Verfahren, welches in vielen Fällen als ausreichend
erachtet werden kann.
Der Verfasser erörtert hierbei die Frage wegen der
Anwendung der Ausgleichung nach der Methode der
kleinsten Quadrate auf diese Aufgabe und kommt dabei zu
der Antwort, dass es zwar nicht schwierig wäre, dieses
strengere Ausgleichungsver&hren hier zur Geltung zu'
bringen dass man aber auf dessen Anwendung wegen
der grossen Mühe, die es verursacht, verzichte und
lieber die Längen- und Winkelmessung genauer aus-
führe.
Obwohl wir, besonders in letzter Beziehung, dem
Verfasser beipflichten können, so hätten wir doch ge-
wünscht, dass obigem Ausgleichungsvcrfahren auch noch
ein strengeres zur Seite gestellt werde, da doch Fälle
eintreten können, wo eine schärfere Ausgleichung ge-
rade bei dieser Messungsmethode erwünscht ist. Der
Steuerrath Vorländer hat im Jahre 1858 in seiner
Schrift: „Ausgleichung der Fehler polygonometrischer
Messungen'* drei Methoden der Ausgleichung gegeben,
von denen die erste die grösste, die zweite eine gerin-
gere, die dritte zwar die geringste Strenge bewahrt,
dabei aber auch die geringste Arbeit verursacht. Er
hat die Ausgleichung eines 13 -Eckes nach allen drei
Methoden als Beispiel beigegeben und gezeigt, dass die
Summe der Quadrate der übrigbleibenden Fehler nach
der dritten Methode nur um den sechsten Theil die
der strengen Methode übersteigt, während die Ausglei-
clumg nach der vom Verfasser des vorliegenden Werkes
vorgeschlagenen Methode eine Summe der Fehlerqua-
drate hinterliess, welche die der dritten Methode um
das Doppelte überstieg.
Zur mechanischen Lösung der Pothenot'-
schen Aufgabe hat der Verfasser im Jahre 1871 den
Einschneidezirkel erfunden und in den Denk-
schriften der k. bayerischen Akademie der Wissen-
schaften, sowie in Grunert's Archiv für Mathematik
und Physik bekannt gemacht. Dieser Zirkel beruht
auf dem Satze, dass in einem Kreise alle auf dem
nämlichen Bogen stehenden Peripheriewinkel gleicli sind,
und dass man daher einen Kreisbogen beschreiben kann,
wenn man an den Endpunkten einer gegebenen Sehne
2wei durch Schienen repräsentirte Winkelschenkel fort-
bewegt, die den gegebenen Peripheriewinkel einschliessen
und im Scheitel einen Stift enthalten, der den gesuchten
Kreisbogen beschreibt. Da bei der Po thenot 'sehen
Aufgabe der gesuchte Punkt als der Schnittpunkt zweier
derartig beschriebener geometrischer Orte auftritt, so
ist derselbe sehr leicht mit genanntem Instrumente zu
bestimmen. Nicht unbemerkt mag bleiben, dass der
Professor Dr. Frank el am Dresdener Polytechnikum
vor ungefähr 11 Jahren ein auf denselben Principien
beruhendes Werkzeug, Arcograph genannt, construirt
hat, mit dem er in Grundrissen Eisenbahn-Kreisbögen
mit grossem Krümmungshalbmesser construirte und so
dasselbe an die Stelle des Stangenzirkels1{setzte. Der
auf der Londoner Ausstellung wissenschaftlicher Appa-
rate im Sommer 1876 ausgestellt gewesene Centro-
graph des Mechanikers Stanley ist nichts Anderes
als der Fränkel'sche Arcograph.
Der Bauernfeind 'sehe Einschneidezirkel ist in
der vierten Auflage neu hinzugekommen, auch ist ge-
zeigt, wie man denselben ausser zur Lösung der Po-
thenot 'sehen Aufgabe noch benutzen kann, um mit
Hilfe des Messtisches aus der bekannten Lage zweier
unzugänglicher Punkte die Lage zweier Punkte durch
blosse Winkelmessung auf den letzteren zu bestimmen.
Der Verfasser hatte in den ersten drei Auflagen
zu unserer Verwunderung diese Aufgabe „die Han-
sen 'sehe** genannt; er führt aber in den folgenden
Auflagen an, dass sie diesen Namen führe, weil sie
der Geheimrath Hansen in Gotha in Nr. 419 der
asti^onomischen Nachrichten trigonometrisch gelöst und
als neu bezeichnet habe. Diese Angabe beruhe aber
auf einem Irrthum, da eine trigonometrische jLösung
dieser Aufigabe bereits von van Swinden in seinen
Elementen der Geometrie und dann von Gerling in
Nr. 62 der astronomischen Nachrichten, sowie eine
graphische Lösung in dem von Pross im Jahre 1838
verfassten Lehrbuche gegeben worden sei. Die graphi-
sche Lösung dieser Aufgabe findet sich aber schon in
viel älteren Werken, namentlich auch in Georg Wink-
ler 's praktischer Anleitung zum graphischen Triangu-
lireu u, s. w. Wien 1825. S. t)4.
Referent ist daher mit dem Ver&sser nicht ein-
verstanden, für diese Aufgabe, trotzdem die Erfindung
derselben viel älter ist, die obige Benennung bestehen
zu lassen, auf die die Bescheidenheit d^ Herrn Ge-
heimrath Hansen gewiss keinen Anspruch gemacht
hat. Diese Benennung ist keineswegs so allgemein
verbreitet, als dass sie nicht noch geändert werden
könnte. Sie hat den Verfasser selbst in die unange-
nehme Lage gebracht, in der fünften Auflage dreimal
und zwar Seite 119, 174 und 2öO erklären zu müssen,
dass die Aufgabe doch eigentlich nicht von Hansen sei.
Es folgen nun ohne Erweiterungen der neuen Auf-
lagen nach einander die Flächenbestinmiung der Grund-
stücke aus Dimensionen mit dem Wetli-Hansen'-
schen Linearplanimeter und mit dem Am s 1er 'sehen
IS*
279
Nagel, Zur Literatur der Geodäsie.
280
Polarplanimeter, sowie die etwas kui*z gehaltene geome-
trische Vertheilung der Giiindstücke.
Die Messung eines ganzen Landes hat meh-
rere Zusätze in der vierten und fünften Auflage er-
halten. Darunter sind hervorzuheben : Die Genauigkeit
der Winkelmessung, die Dreiecksberechnung mit Sold-
ner's Additamententafel (welche als Tafel XXI dem
Werke beigegeben ist), die Genauigkeit der Basis und
Netzanschlüsse und vier Paragraphen über die Aus-
gleichung des Dreiecksuetzes. Die Coordinatenberech-
nung der Netzpunkte und die Berechnung der geogra-
phischen Lage derselben u. s. w. hat eine vollständige
Umarbeitung erfahren, und es ist dabei das Soldner '-
sehe System, wie es der bayerischen Landesvermessung
zu Grunde gelegt und in dem Werke „die bayeiische
Landesvermessung in ihrer wissenschaftlichen Grund-
lage^* beschrieben ist, innegehalten worden.
Der Abschnitt über Verticalmessungen erhielt
bereits in der vierten Auflage eine neue Aufstellung
der Theorie der tenestrischen Strahlenbrechung unter
Anwendung derselben auf die trigonometrische Höhen-
bestimmung; wie solche der Verfasser im Jahi*e 1866
in seiner Abhandlung über die terrestrische Strahlen-
brechung (Astronomische Nachrichten, Nr. 1589) be-
gründet hat. Es ist durch selbige möglich, die Strahlen-
brechung bei jeder trigonometrischen Höhenmessung
dem Zustande der Luft entsprechender zu berücksich-
tigen, als dies bisher durch die Annahme einer mitt-
leren Refraction geschehen konnte.
Das Nivelliren ist um eine zweite, auch hier
und da in Sachsen übliche, Nivellementstabelle ver-
mehrt, mit der wir uns deshalb nicht befreunden können,
weil sich in derselben die Berechnung nicht durch sich
selbst controlirt, was wir als ein wesentliches Erforder-
niss einer schematisch angelegten Berechnung für prak-
tische Zwecke erachten. Beim ersten Schema fehlt
zwar diese Conti-olrechnung* auch, sie kann aber sehr
leicht durch Summirungen zugefügt werden.
Von der vierten Auflage an tritt in diesem Ab-
schnitte das Präcisionsnivellement auf, wie ein
solches seit dem Jahre 1864 in Verbindung mit der
Eui-opäischen Gradmessung ausgeführt wird. Da sich
dabei die Ausführung der Methode des Nivellirens aus
der Mitte in verschiedenen Ländern vei*schiedenartig
gestaltet hat, so ist hier der Verfasser dem Verfahren
gefolgt, welches er in vorzüglicher Weise in Bayern in
Ausführung bringen liess und welches für derartige
Nivellements am meisten zu empfehlen ist. Ohne auf
die Specialitäten , welche, ausser in dem vorliegenden
Werke, ausführlich in der Publicatiou : „Das bayerische
Präcisions- Nivellement von C. M. v. Bauernfeind,
München, 1870 — 76, 4 Hefte ^* zu ersehen sind, näher
einzugehen, sei hier nebenbei nur erwähnt, dass der
Verfasser doppelte Anbindepunkte zwischen zwei auf-
einander folgenden Instrumentständen in Anwendung
bringen liess, ein Verfahren, das sich nach unserer
eigenen Ed-fE^irung auch für technische Nivellements
sehr empfiehlt, da wir es seit 27 Jahren bei den
Uebungsnivellements am K. sächs. Polytechnikum, bei
welchen wir auch zum Theil den zweiten Anbindepunkt
durch Umstürzen der Latte in den oberen Lattenend-
punkt verlegten, mit grossem Vortheil eingeführt haben.
Die Aufnahme der Horizontalcurven ist um
das Verfahren mit Hilfe des Tachymeters in der fünften
Auflage vermehrt.
Wie schon erwähnt, ist von der zweiten Auflage
an das barometrische Höhenmessen vollständig
umgearbeitet und dadurch insbesondere die zweite Ab-
theilung auch um die hypsometrischen Tabellen ver-
mehrt worden, die auf die vom Verfasser den neueren
Erfahrungen gemäss aufgestellte Barometerformel ge-
gründet und denjenigen geodätischen Tabellen beigefügt '
worden sind, die im Anhange der ersten Auflage be-
reits enthalten waren. In der vierten Auflage hat als-
dann das barometrische Höhenmessen eine Erweiterung
durch den Näherungsausdruck für den Feuchtigkeits-
factor der Barometerfoimcl erhalten, mit einer hypso-
metrischen Ersatztafel, welche einen Mittelwerth ffir
den Logarithmus dieses Factors liefert. Endlich ist
hier noch ein Paragraph angefügt, welcher die ge-
bräuchlichsten Methoden der Höhenmessung mit den
Federbarometern darstellt. Bei der Bestimmung des
Genauigkeitsgrades hierbei dürfte wohl für den mitt-
leren Fehler die Formel
m
= l/'^''*'3
ZU
statt der aufgeführten m = 1/ - -^ in Anwendung
bringen sein, da die Höhenunterschiede des Präcisions-
nivellements gegenüber den barometrisch gemessenen
als absolut richtig angenommen worden sind, also die
Abweichungen beider, nämlich die t?, hier ab wahre
Beobachtungsfehler betrachtet werden müssen.
Die Gruben- und die Geschwindigkeitsmes-
sungen bilden den Schluss der zweiten Abtheilung,
worin der letzte § der neuen Auflage noch Zahlenbei-
spiele über Bestimmung der Wassermenge eines Mühl-
bachs und der mechanischen Arbeit eines solchen enthält
Die dritte und letzte Abtheilung, welche die Lehre
vom Karten- und Planzeichnen enthält, , hat
wesentliche Aenderungen nicht er£Ekhren.
281
Nagel, Zur Literatur der Geodäsie.
282
Ausser den bereits erwähnten hypsometrischen
Tafeln für das barometrische Höhenmessen sind im
Anhange der fünften Auflage noch eine neue Tafel zur
Reduction der Reichenbach 'sehen Distanzmessung
mit lothrechten Latten, zwei Tafeln, welche die Beduc-
tion der Barometerstände wegen der Temperatur der
Messingscala enthalten und endlich die bereits erwähnte
Soldner 'sehe Additamententafel beigegeben.
Seit der zweiten Auflage ist dieses classische und
äusserst reichhaltige Buch auch mit einem alphabe-
tischen Sachregister versehen worden, was wesentlich zur
leichteren Handhabung desselben beiträgt.
Bezüglich der sonst so ausserordentlich guten Aus-
stattung des Werkes hätten wir nur den Wunsch aus-
zusprechen, dass bei neuen Auflagen die §§ den Ueber-
schrifben auf den Seiten rechts beigedruckt werden
möchten, weil es sonst aufhältlich und unbequem ist,
die Citate besonders bei mehrere Seiten langen §§
aufzusuchen.
Diesen Wunsch möchten wir auch bezüglich des
Hartn er 'sehen Werkes aussprechen.
Die O au 8 8* sehen Hüfsfemrohre oder CoUifnatoren,
In den drei besprochenen Werken haben wir un-
gern das schöne Verfahren von Gauss verraisst, das
in der praktischen Astronomie gebräuchlich ist und
allgemein augewendet werden kann, um mit 1 oder 2
Hilfsfernrohren (CoUimatorerij die rechtwinklige Stel-
lung einer Femrohrvisirachse (CoUimationslinie) gegen
ilire Drehachse zu untersuchen, mag letztere eine hori-
zontale, eine veiücale oder eine schiefe Lage haben.
Sollten denn alle drei Autoren der Meinung ge-
wesen sein, dass das Verfahren selbst für den prak-
tischen Geometer deshalb zu umständlich erscheine,
weil es mindestens ein besonderes Fernrohr erfordert? —
Wenn man aber einmal in der praktischen Geometrie
dahin gelangt ist, Theodoliten mit mikrometrischen.
Ablesungen, besondere Präcisionsnivellirinstrumente etc.
in Anwendung zu bringen, dann sollte man sich auch
nicht abhalten lassen zu fordern, dass nöthigenfalls
einem Listrumente von solcher Feinheit auch ein Hilfs-
fernrohr beigegeben werde. Uebrigens kann ja dazu
jedes beliebige mit Fadenkreuz versehene Fernrohr be-
nutzt werden.
Da diese Methode in den meisten Lehrbüchern der
praktischen Geometrie*) fehlt, für den Ingenieur aber
*) Dasselbe findet sich zuerst in „Ulrich*s prakt. Geometrie,
GMtingen 1S32'' und dann in „Hunnftus's geometrische Instm-
mente u. s. w., Hannover 1S64/^
in so manchen Fällen von Wichtigkeit sein kann, so
gestatten wir uns, hier auf dieselbe näher eimnigehen.
Das Yerfiahren gründet sich auf die Erscheinung,
dass man das Fadenkreuz eines Femrohres durch ein
zweites diesem gegenüber gestelltes Fernrohr deutlich
sehen kann, wenn jedes Fadenkreuz in den Brennpunkt
der Objectivlinse gestellt ist und wenn beide Fernrohr-
achsen nahezu in gerader Linie liegen. Von dieser
Erscheinung spricht bereits Lambert in einem Briefe*)
an den l^chaniker Brand er von 17. Decbr. 1769, in
welchem er zeigt, wie man dadurch, dass man die beiden
Fadenkreuze zum Decken bringt, zwei Fernrohre parallel
stellen könne. Gauss gebührt das Verdienst, diese
Erfahrung zuerst für die praktische Astronomie ver-
werthet zu haben.
Um nun diese Erscheinung für die oben erwähnte
Berichtigung der CoUimationslinie zu benützen, bringt
man in dem zu prüfenden Fernrohr, sowie in den zwei
Hilfsfemrohren das Fadenkreuz dadurch in den Brenn-
punkt der zugehörenden Objectivlinse, dass man das
betreffende Femrohr auf einen sehr entfernten Gegen-
stand richtet, die Ocularröhre und in derselben das
Fadenkreuz so stellt, dass man sowohl das Bild des
Gegenstandes, als das Fadenkreuz, ohne dass letzteres
schwankt, scharf sieht. Werden nun die beiden Hil&-
femrohre in einer angemesseneu Entfernung so gegen
einander gekehrt, dass man das Fadenkreuz des einen
Fernrohres durch das Fadenkreuz des anderen gedeckt
findet und bringt man das zu prüfende Instrument zwi-
schen beide Hilfsfemrohre und richtet dessen Femrohr
auf das eine Hilfsfemrohr, dass wiederum beide Faden-
kreuze sich decken: so sind alsdann die Collimations-
linien der drei Fernrohre unter sich parallel. Dreht
man hierauf das zu prüfende Fernrohr um seine un-
geänderte Drehachse, so muss das Fadenkreuz desselben
sich ebenfalls mit dem Fadenkreuze des zweiten Hilfe-
femrohres zur Deckung bringen lassen, wenn die ge-
wünschte rechtwinklige Lage zwischen CoUimationslinie
und Drehachse vorhanden ist.
Es leuchtet ein, dass das eine Hilfsfernrohr auch
vertreten werden kann durch ein sehr entferntes Object.
Diese Methode kann mit grossem Vortheil ange-
wendet werden, um von einem Standpunkte aus die
Visirachse eines Nivellirinstruments mit fest
verbundenem Fernrohre mit seiner Libelle paraUel
zu steUen. Man braucht ntir nach derselben erst das
Fernrohr und dann auf bekannte Weise auch die Li-
belle in die erforderliche rechtwinkUge Lage zur ver-
*) Lambert 's deutscher gelehrter Briefwechsel, III. BdL,
S. 199 u. f.
283
Nagel, Zar Literatur der Geodäsie.
284
ticaleu Umdrehuiigsachse zu briugen. In allen drei
hier besprochenen und auch in anderen Werken ist für
die Herstellung des erwähnten Parallelismus nur die
umständliche und dabei weniger scharfe Methode yon
zwei Standpunkten aus gelehrt. (Siehe Stampfer,
S. 45. Hartner, S. 601 und S. 606. Bauernfeind,
I. Bd., S. 242, 386 und 387.)
Das erwähnte Verfediren mit den Gauss 'sehen
Gollimatoren kann ferner benutzt werden zur Recht-
winkligstellung der Collima4aonslinie eines ^eodoliten
oder einer Eippregel zu ihrer horizontalen Drehachse
(anstatt Hartner, S. 106, 107, 165 und 166; Bau-
ernfeind, I. Bd., S. 244), ebenso zur Ermittelung
des Indexfehlers eines Höhenkreises (anstatt Bauer n -
feind, I. Bd., S. 197), zur Bestimmung des Einflusses
der Biegung des Femrohres, zur Ermittelung der Un-
gleichheit der Ringdurchmesser an Ni?ellirinstrumeuton
mit umlegbarem oder durchschlagbarem Femrohre (an-
statt Stampfer, S. 60; Hartner, S. 613, 615 und
619), zur Untersuchung eines Stampfer 'sehen Nivel-
lirdiopters, ob bei demselben die Vor- und Rück-
yisur in dieselbe Gerade fallen (anstatt Stampfer,
S. 112; Hartner, S. 608; Bauernfeind, I. Bd.,
S. 387) u. 8. w.
Bei Anwendung dieser Methode ist aber ganz be-
sonders darauf aufmerksam zu machen, dass die Paral-
lelstellung zweier Femrohre nur dann gelingt, wenn
die Kreuzfäden möglichst genau im Brennpunkte ihrer
Objectivlinsen stehen und dass, wenn alsdann die beiden
Fadenkreuze sich decken, die Collimationslinien zwar
parallel sind, aber im Allgemeinen nicht in dieselbe
Gerade fallen. Man kann sich hiervon theoretisch leicht
durch Verfolgung des Strahlenganges in beiden Fern-
rohren überzeugen. Durch Experiment gewinnt man
aber leicht die nöthige Einsicht davon auf folgende
Weise.
Mau stellt ein Nivellirinstrument mit sehr emplind-
licher Libelle horizontal auf und richtet darauf ein
zweites Fernrohr so, das beide Kreuzfädeu sich decken.
Erhöht man hierauf das Nivellirfernrohr durch An-
wendung der Horizontalstellschrauben desselben um
mehrere Millimeter*) und bringt die Libelle wieder
zum Einspielen, so werden beide Fadenkreuze sich
immer noch decken, wenn vorher die Kreuzfäden beider
Fernrohre in die Brennpunkte ihrer Objectivlinsen ge-
stellt waren. War dies jedoch nicht der Fall, so wird
auch das Decken der Kreuzfäden nicht mehr statt-
finden.
Um bei diesen Untersuchungen immer das Faden*
kreuz des visirten Fernrohres entsprechend zu be-
leuohten, bringt man hinter das Ocular desselben ein
weisses Papier ungefähr unter dem Winkel von 45^
gegen die Achse geneigt so an, dass das von dem
Papier zerstreute Licht das Fadenkreuz gehörig erhellt
Compematdons - NfvsiifrimtrumetUe,
Unter Gompensations-Nivellirinstromenten verstdit
mau solche, mit denen man, ohne dass der Parallelis-
mus zwischen Libelle und Fernrohr scharf hergestellt
zu sein braucht, zwei oder vier Visuren in verschie-
denen Lagen des Fernrohres und der Libelle beim Ein-
spielen der letzteren macht und durch das arithmetisdie
Mittel der Ablesungen an der Latte die verlangte Ziel-
höhe befreit von allen Instrumentfehlern erhält.
Das im ersten Artikel (Civilingenieur 1877, 3. Heft,
S. 204. Anmerk.) erwähnte Nivellirinstrument mit
zwei Fernrohren von Brito Limpo, welches im
Jahre 1867 auf der Pariser und dann 1873 auf der
Wiener Weltausstellung*) sich befand, gehört zu diesen
und es ist jedenfalls das in dieser Beziehung vollkom-
menste, das in der angedeuteten Weise durch vier
Visuren alle Instmmentfehler eliminirt
In dem Hartner'schen, sowie in dem Bauern-
feind'schen Werke ist der Amsler- Laffon 'sehen
Reversiouslibelle gedacht, welche 1S59 im 153.
Bande des Dingler 'sehen polytechnischen Journals,
S. 401 u. f., in Verbindung mit einem Nivellirinstru-
mente beschrieben ist.
Diese Libelle soll eigentlich so ausgeschliffen sein,
dass die Blase immer in der Mitte der Röhre einspielt,
wenn die Libelle um ihre geometrische Achse bei ho-
rizontaler Lage der letzteren gedreht wird.
Wenn man daher der Libelle zwei symmetrische
Theiluugen, die eine auf dem oberen, die andere auf
dem unteren Röhrenrückeu giebt, die Libelle mit einem
um seine Achse drehbaren Fernrohre dergestalt ver-
bindet, dass beide Achsen in einer Ebene liegen, so
wird beim Nivelliren die etwaige nicht parallele Lage
der Collimationslinie zur Libelle ohne Einfluas auf die
Bestimmung einer Zielhöhe bleiben, wenn man mit dem
Femrohre zwei Visuren und die zugehörenden Ab-
*) Diese Erhöhung kann sehr bedeutend sein, wenn nur einige *) Officieller Ausstellungsbericht, herausgegeben durch die
Strahlen , die ^ parallel zur Hauptachse aus der Objectivlinse des Generaldirection der Weltausstellung 1S78 unter Redactkn foo
einen Femrohres kommen, die Objectivlinse des anderen Fem- Dr. Richter. Mathematische und physüaüiicbe Initnimate
rohres noch treffen. (Gmppe XIV) Bericht von Dr. W. Tinter. Wien 1874. 8. 70.
2S5
Nagel, Zur Literatur der (^leodäsio.
286
lesungeu an der Latte macht, einmal, wenn die ein-
spielende Libelle oberhalb des Femrohrefi sieh be*
findet und dann, wenn das Fernrohr um seine Achse
gedreht and die nun unterhalb desselben befindliche
Libelle zum Einspielen gebracht worden ist. Das arith-
metische Mittel aus beiden Lattenablesungen giebt die
gesuchte Zielhöhe. Man wird also mit einem derartigen
Instrument in gedachter Weise immer richtig nivelliren
können, dasselbe mag berichtigt sein oder nicht, wenn
nur die Libelle in der Zeit, in welcher beide Visuren
gemacht werden, ihre Lage gegen das Femrohr bei-
behält. Ja es braucht dabei nicht einmal die Collima-
tionslinie centrirt zu sein, d. h. es brauchen der optische
Mittelpunkt der ObjectivUnse und der Fadenkreuzpunkt
nicht in die mechanische Achse des Rohres zu üedlen.
Dieselben Dienste leistet ein Nivellirinstrument mit
kippendem und durchschlagbarem Femrohre, das in
gleicher Weise mit einer Reversionslibelle versehen ist.
Diese Instrumente bieten noch den wesentlichen
Yortheil, dass, wenn ein für allemal die Uebereinstim-
mung der beiden Libellenscalen (der Parallelismus der
beiden Libellentangenten) untersucht und als vollständig
vorhanden befunden worden ist, sie sich mit derselben
Leichtigkeit, wie die Nivellirinstrumente mit umleg-
barem oder solche mit durchschlagbarem Fernrohre und
Setzlibelle justiren lassen, ohne dass, wie bei diesen,
die Ungleichheit der Ringdurchmesser auf die parallele
Lage der Libelle und des Fernrohres einen nachtheiligen
Einfluss ausüben kann.
Die Idee dieser Libelle in Verbindung mit einem
um seine Achse drehbaren Fernrohre ist nicht neu, sie
war vielmehr schon in dem im ersten Artikel erwähnten
Werke von Johann Tobias Mayer, Bd. II, S. 94
u. f., sehr ausführlich auseinandergesetzt und diente
zu der in gegenwärtiger Zeitschrift 1877, S. 201, unter
1** erwähnten Methode der Messung der Verticalwinkel.
Fi-eilich wurde dabei, wie daselbst immer, die genaue
cylindrische Form von der Libelle gefordert.
Wie schon Amsler-Laffon a. a. 0. bemerkt hat,
ist eine derartige Reversionslibelle schwer herzustellen,
weshalb die sonst so zweckmässige Construction noch
wenig Eingang in die Praxis gefunden hat. In neuerer
Zeit scheinen sich mehrere mechanische Werkstätten,
darunter auch die von A. Lingke & Co. in Freiberg,
mit der Anfertigung derartiger Instmmente zu befassen,
weshalb wir os für zweckmässig hielten, hier speciell
auf diese Construction zurückzukonunen.
üebrigens verliert sich die Schwierigkeit der Her-
stellung einigermassen , wenn man bedenkt, dass die
genaue symmetrische Lage der oberen und unteren Thei-
lung gar nicht nothwendig ist, wenn nur beide Röhren-
rttcken nahezu nach demselben Krümmungshalbmesser
geschliffen (also beide nahezu dieselbe Empfindlichkeit
gewähren) und die Tangenten an diese Krüm-
mungen durch die beiden Spielpunkte einander
parallel sind. Bringt man daher auf beiden Seiten
der Libelle die Theilungen so an, dass die geometrische
Achse der Libelle, ohne nothwendig horizontal zu sein,
immer dieselbe Neigung beibehält, wenn die Libellenblase
an der einen oder anderen Scala einspielt, so wird die
Libelle die erforderlichen Dienste leisten. Die beiden
Spielpunkte liegen dann im Allgemeinen nicht in dem-
selben Querschnitt der Libelle, was aber auch nicht
erforderlich ist.
Die von Amsler-Laffon angegebene Prüfung
einer solchen mit einem Fernrohre verbundenen Libelle
auf den Parallelismus der beiden Libellentangenten ist
zu umständlich. Ein viel einfacheres Hilfsmittel bieten
die oben besprochenen Gauss 'sehen CoUimatoren.
Nachdem die Collimationslinie des Fernrohres in der
bekannten Weise gehörig centrirt worden ist, stellt man
dieselbe mit Hilfe der Collimatoren genau rechtwinklig
zur verticalen Umdrehachse, worauf man der einen
Libellentangente gleichfalls die rechtwinklige Lage zu
derselben verticalen Achse ertheilt, wodurch diese Tai^
gente parallel zur Visirachse des Femrohres wird.
Letztere ist also bei einspielender Libelle horizontal.
Dreht man nun das Femrohr um seine Achse um 180",
80 muss die auf die entgegengesetzte Seite des Fem-
rohres gekommene Libelle an der zweiten Scala wieder
einspielen, oder es muss bei etwas geneigter Fernrohr-
achse die Blase an beiden Scalen genau denselben Aus-
schlag zeigen, wenn die Libelle den oben erwähnten
Anforderungen an ihre Theilungen entspricht.
In älinlicher Weise könnte man bei Aufbringung
der Theilungen der Libelle vorgehen. Wenn sich dem
Verfahren keine technischen Schwierigkeiten entgegen-
stellten, würde man bei horizontaler Fernrohraclise die
beiden Spielpunkte der Libelle markiren und dann von
diesen aus die Theilung bewirken.
Nach der angegebenen Methode hat Referent ein
von Lingke & Co. in Freiberg angefertigtes Nivellir-
instmment mit Reversionslibelle, welche 9" bei einem
Ausschlage der Blase von 1 Sealentheil anzeigt; unter-
sucht und l>eide Scalen vollständig mit einander in
Uebereinstimmung gefunden.
Ist die Libelle auf dem Fernrohre dergestalt be-
festigt, dass sie auf demselben leicht umgesetzt und
sicher meder befestigt werden kann, so ist die Prüfung
des Parallelismus ihrer Tangenten noch einfacher. Man
braucht dann nur bei derselben Stellung der Fernrohr-
achse erst den Ausschlag der Libelle an der einen Scala
287
Nagel, Zur Literatur der Geodäsie.
288
und dann nach dem Drehen des Femrohres denselben
an der anderen Scala zu ermitteln, und ebenso zu ver-
fahren, nachdem die Libetle auf dem Femrohre in die
entgegengesetzte Stellung gebracht worden ist. Sind
die beiden Libellentangenten einander parallel, so muss
die Summe der beiden Ausschläge in der ersten Stel-
lung gleich der Summe der Ausschläge in der zweiten
Stellung der Libelle sein, vorausgesetzt, dass beide
Scalen dieselbe Theilung haben und gleiche Empfind-
lichkeit der Libelle repräsentiren. Wäre dies letztere
nicht der Fall, so müssten vor der Yergleichung die
Blasenausschläge mit den mitsprechenden Neigungs-
werthen für einen Sealentheil multiplicirt werden.
Wenn die beiden Libellentangenten nicht parallel
sind, sondern in der Richtung nach dem Objectiv des
Fernrohres convergiren, so hat man aus zwei Zielhöhen
h^ und ^2» welche man bei einspielender Libelle vor
und nach dem Umdrehen des Femrohres um seine
mechanische Achse erhält, die gesuchte Zielhöhe h nach
der Formel
worin D die Entfernung der Latte vom Instrument
und d den Winkel, den beide Libellentangenten ein-
schliessen, bedeuten.
Man sieht daraus, dass in diesem Falle durch zwei
Visuren der Fehler d des Instrumentes nicht compen-
siii; wird.
Verfährt man aber in gleicher Weise, nachdem man
die Libelle auf dem Fernrohre in die entgegengesetzte
Lage gebracht hat und liest dabei die Zielhöhe ^3 und
/^4 nach derselben Latte ab, so erhält man
so dass man nun
Ä =
Ä, + A, + Ä3 + Ä,
also das arithmetische Mittel aus vier Zielhöhen, be-
stimmt, das von sämmtlichen Instrumentfehlern be-
freit ist.
Nur in dieser Weise würde man das Instrument
als ein Compensationsinstrument betrachten können.
Es erscheint aber sehr umständlich und aufhältlich
beim Nivelliren, nach jedem Punkte vier Einstellungen
und Ablesungen machen und dabei auch die Libelle
umsetzen und wieder befestigen zu müssen. Daher ist
das Instrument am zweckmässigsten zu verwenden, wenn
beide Libellentangenten parallel sind, wo dann, wie
obige Formeln zeigen, zwei Visuren nach jedem Punkte
zur Compensation ausreichen.
Immerhin ist es aber bedenklich, bei feinen Ni-
vellementsarbeiten die Libellenblase an zwei verschie-
denen Scalen einspielen zu lassen. Wenn auch Tiel-
leicht von Haus aus die Libellentheilungen überein-
stimmen, so ändern doch die beiden Röhrenrücken b^
veränderter Temperatur ihre Form und das Ueberein-
stimmen beider Scalen wird nicht mehr genau statt-
finden.
Diese Ueberlegung war Veranlassung, dass Referent
vor einigen Jahren durch A. Lingke & Co. ein In-
strument mit durchschlagbarem Femrohr anfertigen
liess, an welchem nach dem Durchschlagen des Fern-
rohres die mit demselben verbundene Libelle sich um
ihre Achse und zwar um 180^ drehen liess, so dass
alsdann die Blase an derselben Scala zum Einspielen
gebracht werden konnte. Dieses Instrument sollte den
oben erwähnten Vortheil der Reversionslibelle bieten,
nämlich die gesuchte Zielhöhe durch das arithmetische
Mittel der in beiden Lagen des Femrohres bei einspie-
lender Libelle abgelesenen Zielhöhen zu erhalten, ohne
nöthig zu haben, vorher die Libelle genau parallel mit
der GoUimationslinie des Femrohres zu stellen.
Diese Construction gewährte aber den gewünschten
Vortheil nicht, denn eine specielle Untersuchung zeigte,
dass dieses arithmetische Mittel noch mit dem Fehler
behaftet bleibt, welcher auftritt, wenn die Tangente an
den Spielpunkt der Libelle nicht parallel ist mit der
Drehungsachse der letzteren.
Derselbe Fehler ist auch vorhanden, wenn das
Fernrohr zum Drehen in den Lagern anstatt zum
Durchschlagen eingerichtet ist, weshalb das in dieser
Weise construirte, zuerst in Dingler's polytechnischem
Journal, Bd. 154, S. 401, beschriebene Compensations-
Nivellirinstrument von F. W. Breithaupt bei Anwen-
dung derselben Libellenscala die oben erwähnte Bedin-
gung auch nicht erfüllt.
Dieselbe Foimel , die wir zur Bestimmung der
wahren Zielhöhe mit einem mit Reversionslibelle ver-
sehenen Nivellirinstrument aus zwei vor und nach dem
Drehen (oder Durchschlagen) des Fernrohres gemessenen
Zielhöhen aufstellten, nämlich
Ä =
Ä,+A.
2).d"«nl",
können wir auch auf das in Rede stehende Instrument
ohne Weiteres anwenden, wenn wir unter i den Winkel
verstehen, den die Libellentangente mit der Drehungs-
achse der Libelle bildet, und wenn das Instrument so
vollkommen constmirt ist, dass durch das' Drehen der
Libelle um 180'^ wodurch allerdings andere Lagerpunkte
der Zapfen (oder Spitzen) derselben entstehen» der
289
Undeutsch, Untersuch uug über die Stabilität und Festigkeit von cyliudrischeu Bassinwändeu.
290
Winkel, den die Drehungsachse der Libelle mit der
mechanischen Achse des Femrohres bildet, sich nicht
ändert.
Wenn nun auch hier, wie Breithaupt gethan,
das Instrument dergestalt eingerichtet wird, dass sich
die Libelle auf dem Fernrohre in die entgegengesetzte
Lage bringen lässt, dann giebt ebenfalls das arithme-
tische Mittel aus den vier in verschiedenen Stellungen
der Libelle und des Fernrohres gemessenen Zielhöhen
die gesuchte Zielhöhe.
C. V. Bauernfeiud ei-wähnt *im ersten Theile
seiner Vermessungskunde, S. 392, dass Ott & Coradi
in Kempten ein Nivellirinstrument nach dem angeführten
Princip mit drehbarem Fernrohr und drehbarer Libelle
angefertigt haben. Wie wir .aus einem Aufsatze des
Ingenieurs Dr. Vogler in der Zeitschrift für Vermes-
sungswesen 1877, S. 10, ersehen, ist an diesem Instru-
ment die Drehachse der Libelle durch Zapfen anstatt
durch Breithaupt'sche Spitzen hergestellt und nicht
zum Umlegen bestimmt. Durch letzteren Umstand
ist dieses Instrument ebensowenig als ein Compensations-
niveau zu betrachten, wie dasjenige mit Reversions-
libelle , bei welchem letztere nicht zum Umlegen ein-
gerichtet ist.
Es erhellt aus diesen Anführungen, dass die Gom-
pensation der Fehler der genannten Nivellirinstrumente
vollständig nur durch vier Visuren zu erreichen, durch
zwei Visuren aber nur unter gewissen Bedingungen,
die das Instrument zu erfüllen hat, zu ermöglichen ist.
In letzter Beziehung wird für technische Zwecke
das Nivellirinstrument mit Reversionslibelle, wenn ein-
mal der Parallelismus ihrer Tangenten constatirt ist,
seiner grossen Bequemlichkeit halber zu empfehlen sein:
Für Präcisionsarbeiten bleibt aber immer als
sicherste Compensation das Nivelliren aus der Mitte.*)
♦) Während der Correctur des vorstehenden Artikels kam
dem Referenten die erste Lieferung von „Dr. W. Jordan *s
Handbuch der Vermessungskunde. Stuttgart (Metzler) 1877" zu
Gesicht, welches «Is zweite umgearbeitete und vermehrte Auflage
seines Taschenbuchs der praktischen Geometrie erscheint Auf
dieses die ganze Geodäsie umfassende ausgezeichnete Werk,
welches wir bei zeitigerem Erscheinen gern mit in den Kreis
unserer obigen Besprechung gezogen haben w(\rden, mag hier-
durch vorläufig aufmerksam gemacht werden.
Untersuchung über die Stabilität und Festigkeit von cylindrischen Bassinwänden,
Von
Prof. Undeutsch in Freiberg.
(ffierzu Tafel XII und XIII.)
Es ist eine vielfach vertretene Ansicht, dass an
einem cylindrischen Bassin die Hauptbeanspruchung
durch den Flüssigkeitsdruck je zwei diametral gegen-
überliegende Verticalschnitte erfahren, so dass die ab-
solute Festigkeit des Bindemittels resp. des Bausteines
in jenen Verticalschnitten dem Flüssigkeitsdrucke vor-
herrschend Widerstand zu leisten habe.
Bedeutet nach Fig. 1, Tafel XII:
H=liöhe des Bassins in Met.,
d = 2 r = Durchmesser desselben in Met.,
, ^ i Breite der Bassinwand in Met.,
= untere P
k = Festigkeitscoefßcient des Bindemittels für Zug,
y = 1000 Klgr. pro 1 Cub.-Met. Wasser (resp. Gewicht
von 1 Cub.-Met. Flüssigkeit),
dann müsste gelten:
OlTlllnc«niettr XXIII.
2 2
b =
Wäre beispielsweise
— ^1^
a.
r =6,5™,
a = 1,25™,
k = 100000^» pro 1 □"» für Cement und Zug,
dann ist bei lOfacher Sicherheit
m
^ = 2,65
Eine Beanspruchung der Bassinwand in angeführter
Weise kann aber selbstredend erst eintreten, wenn die
Hälfte der ganzen Bassinwand ungenügend mit der
Bassinsohle verbunden und durch den Wasserdruck ver-
schiebbar wird.
19
291
Un deutsch, Untei-suchuiig über tue Stabilität und Festigkeit von cylindrischen Hassiuwäuden.
292
Nun gilt für das Gleichgewicht zwischen dem
Wasserdi'ucke auf die halbe Bassinwand und der Scheer-
festigkeit des Bindemittels an der Sohle des Bassins
" 2- '^'~ 2 '
sofern bedeutet
iI = grÖ8ster Halbmesser der Wand an der Sohle,
i, = Coefficient der Scheerfestigkeit des Bindemittels,
und es folgt:
-|/'i"S^+'l
und * h = {R — r)
Werden nun obige Werthe und
fc« = 50000*^
lur Cement und Gleichgewicht eingesetzt, so folgt
J = 0,22'M
Führt man statt der Scheerfestigkeit des Binde-
mittels die Reibung an der Sohle der halben Bassin-
wand ein, so gilt nach Fig. 1:
Volumen der ganzen Wand
n.If
h =
n
x.--r + «+ ^^ ,
y
^ = Gewicht der halben Bassinwand = -^ . yi
folglich die Reibung an der Sohle
Nun soll sein:
JI^ .y.d .
also :
. |/(3r+a)-^ 6.r y ,. , ^
(3r + a)
Die oben angenommenen Grössen, femer
yj = 2000*«f pro Cub.-Met. Bassinwand und
f für Stein auf Stein =0,65 eingesetzt, folgt
* = 1,42":
Denkt man sich nun diese unterste Breite dem
Baue zu Grunde gelegt und Cementbindung gewählt^
so würde hierdurch eine grosse Sicherheit gegen das
Verschieben der Bassinwand geboten, so dass eine
Beanspruchung der absoluten Festigkeit des Bindemit-
tels resp. der BiAisteine in den diametral gegenüber
gelegenen verticalen Wandquerschnitten in der oben
angeführten Weise nicht entstehen kann. - ''.
Aber angenommen, die Bindung an der Sohle sei
sehr schwach, auch eine Verschiebung der Wand und
damit eine pro Flächeneinheit gleichmässige Beanspru-
chung der absoluten Festigkeit in jenen verticalen
Querschnitten möglich, so würden — falls die Dimen-
sionen der letzteren und mit ihnen die Widerstands-
kräfte verglichen mit dem Wasserdrucke zu klein wären
— im Bassin Verticalrisse entstehen, welche von der
Sohle bis zum Rande des Bassins gleich weit
klaffen müssten.
In Wirklichkeit beobachtet man nun allerdings
Verticalrisse, aber nur solche, welche am Bassin-
rande am weitesten klaffen und nach der Tiefe
hin verschwinden; folglich ist die eingangs ange*
führte Ansicht sehr wahrscheinlich unrichtig und die
Ursache zur Entstehung der Risse in einer anderen Art
der Bewegung des Bassins zu suchen.
Füllt man ein vertical stehendes, am unteren Ende
geschlossenes Gummirohr mit Quecksilber, so erleidet
der untere Theil der Rohrwand durch den Quecksilber-
druck eine in Figur 2 angedeutete Formveränderung,
und es darf angenommen werden, dass, sofern das
untere Rohrende offen und der Druck im Rohre ge-
halten werden köimte, eine durch die punktirten Linien
a b angegebene, also sich stetig nach unten erweiternde
Form entstehen würde; das unten geschlossene Bohr
zeigt hingegen das Bestreben, eine sich nach oben er-
weiternde, durch die Linien cd angegebene Form an-
zunehmen.
Ein weiter niedriger Gummicylinder, an seinem
untei-sten Theile dicht an einen kreisrunden Boden vom
Durchmesser des Cylinders befestigt, mit Quecksilber
gefüllt, zeigt ebenfalls eine Form Veränderung, welche
sowohl die theilweise von oben nach unten, als auch
die theilweise von unten nach oben stattfindende Er-
weiterung erkennen lässt.
Eine runde gemauerte Bassinwand wird nun durch
den Flüssigkeitsdruck in gleicher Weise beanspracht
293
Undeutsch, Uutersuchung über die Stabilität und Festigkeit von cylindi-ischeu Bassinwänden.
294
werden; da aber die gemauerte Wand als ein starrer
Körper zu betrachten ist, so wird sich das nach unten
stattfindende Erweiterungsbestreben über die ganze Tiefe
fortsetzen und die Wand soll von der Bassinsohle los-
gelöst werden; während bei widerstandleistender
Verbindung der Wand mit der Sohle sich das
Erweiterungsbestreben von unten nach oben
Ton der Sohle bis zum Kopf des Bassins fort-
pflanzen wird.
Diese Behauptung kann experimentell bestätigt
werden, indem man die auf ein Gummibassin wirkenden
Quecksilberdrücke auf am Boden des Bassins charnier-
artig eingefugte, ursprünglich vertical stehende Drähte
überträgt, die nach der Wirkung der Drücke — wie
in Figur 3 — auf die Oberfläche eines sich nach oben
erweiternden abgestutzten Kegels zu liegen kommen.
Denkt man sich nun aus einer gemauerten Bassin-
wand durch zwei in der Entfernung 1 über die ganze
Höhe des Bassins gelegte verticale Radialschnitte ein
Element herausgeschnitten, so lässt sich nunmehr dessen
Beanspruchung durch den Flüssigkcitsdruck angeben.
Ist das Element mit der Sohle des Bassins nicht starr
oder, verglichen mit den wirkenden äusseren Kräften,
zu schwach verbunden, so wird entweder eine Ver-
drehung um den Bassinrand oder eine radiale Aus-
wärtsverschiebung des Elementes entstehen ; ist aber die
Verbindung der Elemente mit der Sohle eine sichere,
so wird nur noch ein Kippen der Wand nach aussen
um einen Punkt in der Sohle eintreten.
Dieser Drehpunkt ist folgendermassen zu bestimmen :
Soll ein Kippen der Wand nach aussen unterbleiben,
soll also ein Oeffnen der horizontalen Mauerfugen an
der Innenseite der Wand nicht eintreten, so dürfen auf
dieser Seite weder das Bindemittel, noch der Baustein
verticale Zugkräfte erleiden.
Es bedeutet in Figur 4:
Rq ^^ Resultirende aus sämmtlichen auf das Stabstück
CDEF wirkenden äusseren Kräften,
-4 J? = neutrale Achse des Stabes,
a = Neigungswinkel der Resultirenden JB^, zur neu-
tralen Achse,
«1 resp. a^ = Entfernung des Durchschnittspunktes
der Resultirenden JJ« und der zur neutralen
Achse senkrechten Ebene CD von der neutralen
Achse,
e^ und e^ = Entfernung der am stärksten gezogenen
resp. gedrückten Fasern von der neutralen
Achse,
r = Hebelarm der Resultirenden R^^ bezogen auf den
Durchschnittspunkt der neutralen Achse mit
der Ebene CD,
T = Trägheitsmoment der Quei*schnittsfläche F des
Stabes,
Si = Spannung pro Flächen-
einheit in der Entfer-
nung ßp
8^ = Spannung pro Flächen-
einheit in der Entfer-
herrührend von der
Abbiegung des Stabes
durch das Moment
nung 6i,
P ^- Componente von Rq in der Richtung der neu-
tralen Achse,
dann erleidet die Flächeneinheit im Querschnitte F
eine Druckspannung, herrührend von P:
Rq . eos a
ferner gilt
P
F
i:{F.l) = R^,.r = 8i.
S,=
{Ro-r).ei
und
folglich ist die totale Spannung in C
und in D
y'=.~ —Ä
= P _(Ro-r).e,
F f '
Je nachdem S' und S*^ positiv oder negativ aus-
fallen, erhält man Druck oder Zugspannungen. Damit
nie Zug stattfindet, muss mindestens sein
Ä" = 0,
also
P {Rq . r) . «2 -^ü • ^^* " RQ.ai.cosa.e^
^ f — y^ 7 — ^'
T T
«2 = >- - resp. »,=--.
Hieraus geht hervor, dass die Resultirende R^ sich
mit der Ebene CD innerhalb der Strecken a^ und a,,
höchstens aber in den Entfernungen a^ oder a^ von der
neutralen Achse schneiden darf.
Der Horizontalschnitt des Bassinwandelementes ist
ein Rechteck; dann gilt für jeden beliebigen Schnitt in
der Tiefe x unter dem Bassinrande (Fig. 6):
P=y.l,
T=
12'
19'
296
Un deutsch, Untersachung ttbor die Stabilität and Festigkeit von cylindrischen Bassiuwänden.
296
e,=zf^ =
a.
y_
2 '
T
6
Es liegen also die möglichen Durchschnitte der Re-
sultirenden Rq mit y innerhalb des mittleren Drittels
von y. Je nach dem zu gebenden Sicherheitsgrade
wählt man auf dieser Strecke einen Punkt als Dreh- !
punkt für das Element. '
Werden nun entweder sämmtliche Elemente um \
die auf solche Weise bestimmten Drehpunkte — also '
die ganze Bassinwand — nach aussen gekippt, oder
wird das ganze Bassin durch den Wasserdruck nach
unten erweitert, d. h. werden die einzelnen Elemente
um den Bassinrand auswärts gedreht, so sind mit der .
Vergrösserung der Durchmesser nothwendigerweise Aus-
dehnungen der Bassinwand in tangentialer Richtung ver- >
bunden, welche in der Wand tangentiale Zug-
spannungen (Fig. 5) hervorrufen, die um so
grösser werden, je weiter die gespannten
Wandtheile vom Drehorte entfernt liegen. Ist
jedes Wandelement für sich allein stabil, kann also
ein Kippen nicht eintreten, so werden die Tangential-
kräfte gleich Null; ist aber das Element für sich
allein nicht stabil, so muss den entstehenden tangen-
tialen Zugspannungen durch die Reibung in den hori-
zontalen Steinfugen resp. durch die Festigkeit des
Bindemittels Widerstand geleistet werden.
Für die folgenden Betrachtungen sollen nun mit
Rücksicht auf die zur Anwendung gelangenden Bau-
steine und Bindemittel drei Fälle unterschieden werden :
A.
Es sollen kurze Bruchsteine mit Kalkmörtelbindung
angewendet und wegen der sehr kleinen absoluten
Festigkeit des Kalkmörtels und der bei sehr kleiner Länge
der Steine zu geringen Reibung die tangentialen Zug-
kräfte nicht in Rechnung gebracht werden; demnach
ist die Bassinwand so stabil zu construiren, dass ohne
Rücksicht auf Tangentialwiderstandskräfte ein Kippen
derselben unmöglich wird, also Tangentialzugkräfte gar
nicht hervorgerufen werden.
B.
Es soll die Bassinwand aus ausgesuchten Bruch-
steinen von möglichst grosser Länge mit Kalkmörtel-
bindung ausgeführt und den tangentialen Zugkräften
durch die in diesem Falle grossen tangentialen Rei-
bungskräfte Widerstand geboten werden.
C.
Die Bassinwand werde aus Ziegel- oder bearbei- ^
teten Sandsteinen und Portlandcement hergestellt und^
es soll wegen der grossen Festigkeit des Cementes durdrr:^
diese den Zugkräften unter grosser Sicherheit Wider^
stand geleistet werden.
A.
Bedeutet
H = Höhe des Bassins in Met.,
y = Gewicht eines Cub.-Met. Flüssigkeit (für Wasser
= 1000»^«?),
so ist der resultirende Wasserdruck auf das Bassinwand-
element von der Breite 1
2
und der Angriffspunkt dieser Kraft liegt bekanntlich um
H
3
von der Bassinsohle aufwärts.
Wegen der sehr kurzen Steine sind die Bassin-
wandelemente als von einander getrennt anzusehen und
es würde sich dann die Wandstärke des Bassins in der
Tiefe x unter dem Bassinrande mit Rücksicht auf ein
radiales Auswärtsschieben nach der Grösse der wider-
stehenden Reibung in der in der Tiefe x liegenden Ho-
rizontalfuge berechnen.
Bedeutet in Figur ü:
Gx = Gewicht des über der Tiefe x liegenden Mauer-
theils des Elementes,
f = Reibungscoefficient,
F^ = Reibung in der in der Tiefe x liegenden Hori-
zontalfuge,
Pjr = Wasser- resp. Flüssigkeitsdruck auf den Theil
des Elementes von der Tiefe x^
so gilt hier
F — P
Gr.f
X' .y
nun ist für
also auch Oj. und damit die Wanddicke an dieser
Stelle = 0. Mit zunehmendem x wächst aber stetig P^,
folglich muss hiermit stetig Fx also Ox wachsen, wes-
halb der Wand zunächst ein rechtwinkliges Dreieck als
Querschnittsform zu geben ist. Mit Rücksicht hierauf
folgt:
297
Undeutsch, Uutersachung über liie Stabilität und Festigkeit von cylindiischen Bassiuwändeu.
298
sofern bedeutet
y = Wandstärke in der Tiefe Xy
y , = Gewicht der Cubikeinheit Mauerwerk ,
und es gilt:
f-yi
•(I)
Wäre es statthaft, die Festigkeit des Mörtels in
Rechnung zu bringen, so würde gelten, wenn
kn = Festigkeitscoefficient des Mörtels für Abscheeren
bedeutet,
y.l .ki,=
x^ .y
2 '
x^,y
(11)
dann ist noch ein Umkippen des oberen Bassintheiles
um die Sohle nach aussen möglich.
Es werde in Figur 9 der äusserste Punkt 0^ des
mittleren Drittels der Dicke y als Drehpunkt gewählt,
dann gilt:
Gr .
X.
Pr. 3 =0,
x^,y
6 '
Yi =
und für x = H:
'-Vf.
(y)
(V)
Mit Rücksicht auf praktische Ausführbarkeit muss
__..., , T , . 1 , x^ I ^^^ der Bassin wand eine obere Breite a, dem Vertical-
Wahrend diese Gleichung als äussere Begrenzungs- ^^^^^^ ^^^ ^^^^ ^1^^ ^^^ Trapezform gegeben wer-
bnie der Mauer eine Parabel liefert, giebt die Glei- | ^^^ pj 10^ ^^^^ j^^
chung (I) eine Gerade.
Wäre eine Erweiterung des Bassins, wie in Fig. 7,
nach unten möglich, so würde gelten
1) mit Berücksichtigung der Reibung in der Hori-
zontalfuge (Fig. 8):
— O,.^ —F,.x + '^ = 0,
x.y
y
2 ^'-S
3
2 -/-yi-^+g^^o,
es folgt:
= ;.||/9.^
+ 8.
7i
3/j
(UI)
y = «-)-«,,
n.x
y=« +
n,x
für x = Hl
i = a + «
(VI)
Ferner gilt
und für x^^Hi
= f. })/,...+ «.^
v.x
3/
• •
(III*)
2) mit Berücksichtigung der Scheerkraft K^ des
Bindemittels (Fig. 8):
y
ni
x" .y
-c,.^-ir,.x+ -^'=0,
es folgt:
6 ■'^'
x^ .y
y,k^.x+ ^ =0,
'=MK'+' IP-'
« •
(IV)
Nach Einsetzung der Werthe folgt:
1 H
n-^^
2 d;
für x = H:
W'"
''+A.x'-.^ 3a
/i
(VU)
(vn«)
und für x = H:
<\v
(IV»)
Ist nun b so gross, dass weder eine Auswärtsver-
schiebung, noch eine Verdrehung um stattfinden kann,
(VIP)
n= ^ \l/ba^+Aff^, ^ —3«]
für a = o:
n=ir.l/
für n =: folgt aus VII*:
a^^H^y- (VU')
Jedem anderen a entspricht bei dei-selben Wider-
7
Yi
299
Un deutsch, Untersuchung über die Stabilität und Festigkeit von cylindrischen Bassinwänden.
300
standsfiLhigkeit der Wand ein anderes n; man erhält
daher mit Rücksicht auf die Baukosten das vortheil*
hafteste a, wenn die verticale Querschnittsfläche F^ der
Wand, also auch die Baukosten ein Minimum werden;
demnach gilt
da
a+h
da
= 1 + --
ha
V
V
Yx
Y _
5««+ 4./r^ ^ = — 5«,
Yi
Der Gleichung l/5<i^+ 4.^-. ^ == — ba wird
nur genügt durch
a = — //.l// .... (Vlll)
Nun kann man schreiben:
-ilK-
3« =
1
2
ba — 3«! = — 4ä =
f ö-ri
n=4.-ff.l/--^ (VIII«)
Ferner ist /', = (<»+ „)•■&> also
/',»», = («-^).fi- = -^.<' = ^)/5^^ • (IX)
Nach der Figur 11 ist
Dieses Resultat liefert unausführbare Werthe, daher
liefert
a =
mit Rücksicht auf die Möglichkeit praktischer Ausführ-
barkeit den Minimalwerth für F^,
Da nun a == o den wirkhchen Verhältnissen eben-
falls nicht genügt, so ist a nach Bedarf zu wählen
n= 2 ([/5a«+4.//^ ^ — 3«) . (yVL^^
und
h = a + n (VI
zu berechnen.
Dieser Werth für h muss hierauf yerglichen wer^
den mit demjenigen, welcher erforderlich ist, damit e^^^
radiales Auswärtsschieben eines Elementes nicht st^^
findet:
Es gilt
/ Y\
a
(X)
Damit ferner eine nach unten hin zunehmende
Erweiterung des Bassins, also eine Verdrehung der
Elemente um den Bassinrand nicht stattfindet, muss
gelten (Fig. 12):
3
3
- G(a + ~)-G,,^-FH,H=0,
y II. n / . « \ H,a^
-JT^y,./(a-f^) = 0,
n''tn.n{a + Hf)= ]2IP . ^ — a{QHf+3a^
n = j/j ^ {a + R/) |V j2//^^-3a(2i5r/4-«)j-
i _|^(«+7//-)j . . (XI)
und hiernach
b = a-{-fi
(XI-)
Beiläufig in (XI) a = gesetzt, folgt der in (III')
für b erhaltene Werth:
Soll nun femer eine Verschiebung der halben
Bassinwand, und somit eine Trennung derselben in zwei
diametral gegenüberliegenden Verticalschnitten unter-
bleiben, so muss die Reibung an der Sohle der halben
Bassinwand mindestens gleich dem auf die letztere
treffenden Wasserdrucke sein; hiemach gilt die ein-
gangs angeführte Gleichung
=K
(3r + «)* , 6.r „ y
+ -■ ff.' -a{Zr-^-n)-^^'p^
n.f y, 2
(XU)
301
Undeatsch, Utitersachung über die Stabilität und Festigkeit von cylindrischen Bassinwänden.
302
B.
nun ist
Mit Rücksicht auf die bei langen Bruchsteinen
UTid Kalkmörtelbindung in Rechnung zu bringende Rei-
V>iing, welche den tangentialen Zugkräften entgegen-
SLrheitet, gestalten sich die Gleichungen folgendermassen : ' folglich ist
Es bedeute (Fi^ur 13):
h = durchschnittliche Steinhöhe,
Z = „ Steinlänge,
m= Anzahl der Horizontalfugen pro Bassinhöhe H^
sodann berechnet sich die Reibung F für eine Fuge
in der Tiefe x:
2 * 2
_l m{m + l) i (h-a) (2/^+1)
h m
F* = -- 1- — . a? . . y, .f.
F = Ly^J.H.
(*»+l) i
24 m
|6am + w(2m+l)|.
Bedeutet nun (Figur 5):
i^r = Resultirende in der Richtung des Radius aus
den Reibungen F in zwei benachbarten Ver-
ticalschnitten,
so gilt:
Nun ist für den trapezförmigen Verticalschnitt des
Bassins :
{y — a)'.x = {l — a):H,
F^ = 2.F.8m
ti
2 '
y = (b — ay. ^ +a.
also:
F*=\ax-\-{h~-a),^\. ^^,y,,f
oder
/ / x^
J''* = a. 2 .yi./.^ + (* — fl). 2 ./i./.g -^,
F* = A,x + B.x\
und fiii- die totale Reibung F in allen Horizontalfugen
im ganzen Verticalschnitte gilt:
F=:L{r)=
und ist a sehr klein, so ist
Fr = F.u,
1
a
/'r =
r
F
uLso:
m(m-hl) , ^ ,. m(m-f- l)(2m+l )
2 6
/
ist a=180^ SO ist
/V=2/:
Ferner bedeute
Ur = Hebelarm der Reibung in einer Horizontalfuge
in der Tiefe x unter dem Bassinrande bezogen
auf die Bassinsohle, dann gilt:
F'.u^=a,—.y^,f.x.Uj,+(b - «) ^ y^f'^jf'^^^
nun ist
folglich
w^=J5r— a;,
/
/
F\u^ = a.-^.yy.f{U—x).x^{h — a), ^ Yi- ^^i^—^)-^
= Ä{H- x).x + B{R—x).x'
und das resultirende Moment
oder
F.u = l{F*,u^) = £^AH.X'\'{BJI--Ä).x' — Bx^\^;
NiCch Einsetzung der Werthe folgt:
F.u = l.y, .f. - -
H^ {m +• 1)
h+(>-)C'",-)
n (m -|- 1)
].
[.=<4?!=
H.
!-+(T-)(^-)-T'-=t--^l
( «m-j-
3^ '2
y 3
')
\ 2 /6«
(4a + n)
i» + n(2m + l)
]
303
Undeatsch, Untersuchung über die Stabilität und Festigkeit von cylindrischen Bassinwändeo.
304
F (F u)
Nun ist Fr = — und u=-^ \ folglich das re-
sultirende Moment in der Richtung des Radius:
r r 4c5 . m
Nunmehr gilt, sofern 0| in der Basis des Elementes
als Drehpunkt angesehen wird (Figur 14, Tafel XUI):
nun ist
oder
H.a.y^ . I
4.« + »
)+5-.».y,(^'^)+/.r../. ^
folglich
H* (»»' — 1)
6 / ■ "V 6
Es werde der Abkürzung wegen geschrieben:
[m ),
48. m
ff (m' — i)
.(4a + n)
_ffKy
6
m
ff-
y
Kl J
/
2 -^ r
dann folgt nach weiterer Vereinfachung:
.•,= fj)/^.(..-io+(f )■+«+",-
8
da
_ _ _4- .. . . .^_-^^- + Y = ,
[/|.«(2«-jtf)+(fy+^
5
8
iA.a-M) = -y-^.a':ia-M)->r('^)*+E
.=|/|..,..-,o+(f-)-+.-|(s.+f) ^
(Xlli) und nach erforderlicher Umwandlung
a = liefert
-=nfr+— f-
(Xlll»)
w = liefeil
( 2 ) +^--
2
ö- — ^ Ä M
a= - M —
4
320
K
5
1
80
Jlf^
rxv)
(xnit>)
Nun liess sich schreiben:
Beiläufig in Gleichung (XIII) /, also Jf =0 gesetzt,
folgt die Gleichung VII*:
—l V^'
Vi ^
folglich gilt nach Gleichung (XIII):
^)l
Nach gewähltem a und Einsetzung des Werthes
n aus Gleichung (XIII) erhält man:
b={a + n) (XIV)
Bemerkungen über die Wahl von a:
Soll a mit Rücksicht auf die geringsten Kosten
des Bassinbaues bestimmt werden, so muss die Fläche
des Verticalschnittes ein Minimum werden und es würde
gelten:
5
3
M
n= — ^ a -\- ^ M — ^ a — .
2 8 2 8
.=j/
ff^.
5 7, 80
M-
M
2
9 •
(XVI)
Ferner ist
folglich
n \
2
folgt
Hier ist n aus Gleichung (XIII) einzusetzen; es
Diese Resultate haben keinen praktischen Werth,
sie zeigen nur, dass mit Rücksicht auf die Möglichkeit
praktischer Ausführbarkeit a = derjenige Werth ist,
305
Undeatscb, Untenuchang über die Stabilität and Festigkeit von cylindriscben Bassinw&nden.
306
welcher die geringsten Baukosten liefert.
Es soll nunmehr a mit Rücksicht auf die Reibung
allein beurtheilt werden:
Ist y = a^ constanty d. h.
«=0,
80 folgt eine rechteckige Querschnittsform für die Bassin-
wand (Figur 15).
Nun ist in diesem Falle das Reibungsmoment F Ux
abhängig von
und von
Ux = {H'— x),
also von x, und es ist das grösste Moment zu finden
nach
dx dx '
folglich ist auch
SayJ=2ayJ.x,
H
X
Ux =
2 '
demnach liegt das Maximalreibungsmoment in der Mitte
der Höhe.
Schlägt man nun hier mit der halben Höhe einen
Halbkreis und errichtet man in den horizontalen Stein-
fugen die Linien L, so gilt
a? . Uj; = X* ;
denmach stellt das Quadrat des der betrefifenden
Fr.X = Fr\K-u) = ^{M-u) = ^
Steinfiige entsprechenden L mulüplicirt mit der Con-
stanten {a.y^.f) das dort herrschende Reibungsmo-
ment vor.
Hiernach nehmen die Momente von der Mitte aus
nach oben und unten in gleicher Weise bis zu ab
und das resultirende Moment F.u fallt in die Mitte
der Höhe.
Denkt man sich nun die rechteckige verticale Schnitt-
fläche in verticale Elemente von unendlich kleiner Breite
zerlegt, so liegt ebenfalls das Maximalreibungsmoment
jedes einzelnen Elementes in der Mitte der Höhe. Das-
selbe gilt aber auch für die Elemente anderer Flächen:
siehe Fig. 16 und Fig. 17; und e^ ist aus den Figuren
ersichtlich, dass das totale Reibungsmoment um so
grösser wird, je mehr sich die obere Breite a der un-
teren Breite h der Grösse nach nähert.
Es ist nun allgemein günstig, JP^.t« gross zu
machen, d.h. die obersten Mauertheile schwer,
also a nicht =0, sondern grösser zu wählen.
(Aehnliches gilt unter C mit Rücksicht auf
die Festigkeit des Bindemittels.)
Zur Untersuchung, ob die Bassinwandelemente eine
Verdrehung um den Bassinrand nach aussen erleiden
werden, dient (Figur 18):
?^-G[a + ^)-G,.^~^Fr,x-FH:H=0,
x={H—u\
H—R,
(m-1)
{4ta + n)
Fr,x = Ly,.f.—S^-^. \^am + n{2fn + l){ . jl-
' r 24t.m i » «
Nach erforderlicher Vereinfachung folgt:
2 '6am + »(2m + l)r
(w — 1) (4a + »)
2 (6flw + n(2M-j-l))r
femer ist:
, ^ JT« (w + 1) i . , ,. , ^ . (w + 1);
^VJT=J2^.(^).n.l./=^.y,./.(^ + y),
o{-+i)=^A'+i)'
und
folglich:
und nach genügender Umwandlung:
48
).J4« + (4« + 3«^(-^^{-fl-*.y./(«+Y) = 0,
»»+«J3r« + fl/(
1+
/ («+1)1X1, , j^v__
8.r
m
)]l=-
Yi
a\ da
+ M^r
l (»i + l)(2m+l)
m
+«)(,
ClTlUngenlonr XXin.
20
307
Undentsch, Untersachimg über die Stabilität und Festigkeit von cylindrischen Bassinwftnden.
•=-||-+M>+s^r^^)l±
± K[l I •+ M'+i^,-^±^)l]'+ b-i-^' k/(^+eV-=±^"^)H-l]-
Es werde geschrieben:
\ 8.r m /
7i
l (m + l)(2jn+iy
dann ist
p=^,(,+^^i=±i2E=±i)),
= J/|Y(« + i?)(V2i?^3a(a+2>) — yCa + i?) (XVm)
Hierin beiläufig 2=sO gesetzt, folgt die Gleichung (XI):
'•=K[ii''+^^ir+['^n-'''i''+Hi-[ii''+^-^!]-
Die untere Breite würde sidi unter Einsetzung
des Werthes n aus Gleichung (XYIU) ergeben:
lz=za+n (XIX)
Noch ist der aus Gleichung (XIV) resultirende
Werth
5=a-f-n
zu vergleichen mit demjenigen, welcher erforderlich ist,
damit ein gleichzeitiges radiales Auswärtsschieben sämmt-
licher Elemente unterbleibt.
Es gilt:
oder
^(^*)./.y.+/.n./.f^'-\'6««-h»(2».+ i)[ =
FH'\'Fr'
~ 2 '
F
Fh+ —
r
2
w .-^'•
7
(XX)
woraus sich nach gehöriger Reduction ergiebt:
/ yi ^ r Vl2.m/ ^ ^_^_ (^
'+4 (^)<^"+« ~
Beiläufig in (XX) 1 = gesetzt, folgt Gl. (X):
J ' Yi '
Soll femer eine Verschiebung der halben Bassin-^
wand und somit ein gleichzeitiges Oeffnen der Fugen
n . H,f. y,
in zwei diametral gegenüberliegenden Verticalschnitten
unterbleiben, so muss mindestens die Summe der Rei-
bung an der halben Bassinsohle und der Reibung in
den Horizontalfugen der erwähnten Verticalschnitte
gleich dem auf die halbe Wand treffenden Wasserdrucke
sein.
Es gilt:
Fh + ^F=
_ H^.y.d
= J3^.
oder
yr
'=KTH+Ä(=^)(-+"r+«fiT-"!-+'+v(^K— T)!-
. (XXI)
ao9
Undeatsch, Untdrsachang über die Stalyilität und Festigkmt von cylindMsehen Bassittw&ndeiL
310
C.
Statt der Reibung werde hier bei der Anwendung
Ton Ziegelsteinen und Cement die Festigkeit des letz-
teren berücksichtigt. Wählt man für die Mauerung
Ereuzverband (Fig. 19), so setzt sich die Widerstands-
kraft, welche sich beim Zerreissen der ganzen Mauer
pro Stein entgegenstellt, zusammen aus der absoluten
Festigkeit a^ des Bindemittels in der verticalen Fläche
des Steines, aus der Scheerfestigkeit des Bindemittels 8i
in der horizontalen Fuge, oder, sofern die Summe dieser
Festigkeiten grösser ist als die absolute Festigkeit im
Steinquerschnitt in der Richtung des Zuges, nur aus
der letzteren.
Es soll bedeuten (Figur 20):
k = Festigkeitscoefficient des Cementes resp. des Bau-
materiales für Zug*),
f =y.dXy
8 = Spannung pro Flächeneinheit in /,
5= totale Spannung in /*,
Für den trapezförmigen Verticalschnitt war
folglich
9:x = k:Hj
k.x
Ä=--- \jS^,a.x.dx'\-nx'^.dxl.
Nun ist die Resultirende R in Figur 5
sofern statt a gesetzt wird da,
1
d{i=^
R =
r
8
also
ferner
y = a +
n.x
und für die Verdrehung des Bassinwandelementes um
den Bassinrand gilt (Figur 21):
R = ^Tg — Ißax + n . jp* I .dx
und das Moment bezogen auf (Figur 22):
Ä.« = ^|-^ ^Sax^ + nar^l.dx,
Bedeutet nun
i« =? CoefGcient des Cementes für Scheerfestigkeit,
dann gilt:
oder
?lll^o(a-\-^)^G,^-Z{R,x)-h,h.,H=0
"•-»(-+ie7^)+(^-))-(^)-'--c-i^)-(^)-.
n = j/^(a+~^ + 2/)V2-ff-3a(a+yiV^+2J0-|-(«+^+ (XXII)
*) Soll die idwolute Fesägkeit a^ und die Scheeifestigkeit Bx
(Fig. 19) in Betracht kommen, so iat zu seilen:
sofern bedeutet:
/*! -B Querschnitt eines Steines normal zur Richtung des Zages.
dann ist die an der Basis erforderlidie Breite
ft = <i-fn (xxn»)
Damit eine Verdrehung der Wand um die Basis
des Bassins nicht stattfindet, muss gelten (Fig. 23, 24
und 25):
20»
311
TJndeatsch, Untersnchang Aber die Stabilität und Festigkeit von cylindrischen Bassinwftnden.
312
folglich
und
, n.x
y = a + n —
nu
R = - = -~^[audu + nu,du ^^j
und das Moment:
H
TL , r J
oder
^«-r*» ff)' E'^' ^ Nun muss sein:
«(i-i)+<'.("+f-i)+^(*")-T^=<^
k.ff^
= -TZ — (4a + n\
12. r ^ ^ ^
H.ff
woraus sich ergiebt:
f 4^4 Vr.yi/ ^16 \r.y|/ ^ yj Vr.yi/ 2 V ^ 2 \r.yj'
=Y j|/5a»-iV^(5a-^) + 4^-(3a + ^)j .• • • • (^XIII)
und hiemach folgt die erforderliche Breite b an der
Basis des Bassins
i = a + » (XXIV)
In (XXIII) beiläufig k^ also ^=0 gesetzt, folgt
die frühere Gleichung (VII»)
•=i ii/"
+ 4.JJ^-^^ 3a
yi
Beiläufig in (XXIII) n = gesetzt, folgt:
• •
(xxm»)
Damit ein gleichzeitiges radiales Auswärtsschieben
der sämmtlichen Elemente der Bassinwand unmöglich
wird, muss gelten (Fig. 22), sofern Ä die ganze abso-
lute Festigkeit in einem Verticalschnitte und Kg die
Scheerkraft des Bindemittels an der Sohle eines Bassin-
wandelementes bedeutet:
-=('4->-'.
E=^A,da^ da =
R =
und
h—
(¥) ""
ü
+ 2*.
(XXV)
Soll eine Verschiebung der Bassinwand und damit
ein gleichzeitiges Oeffnen der Fugen in zwei diametral
gegenüberliegenden Verticalschnitten unterbleiben, so
muss mindestens die Summe der absoluten Festigkeit
in jenen Verticalschnitten und der Scheerfestigkeit des
Bindemittels resp. der Reibung an der Sohle der halben
Bassinwand gleich sein dem auf die halbe Bassinwand
treffenden Wasserdrucke.
Es gilt
313
Undentsch, üntersacbong Ober die Stabilität and Festigkeit von cylindrischen Basdnw&aden.
314
Nun ist
{B* — r*) = iB — r){Ji + r) = h.{b + 2rl
folglich ergiebt sich:
(XXVI)
Anhang«
D.
Das Bassin soll aus Schmiedeeisenplatten herge-
stellt , ein durch zwei Yerticalschnitte entstehendes
Wandelement als starrer Körper angesehen und bei
der Aufstellung der Gleichungen ausschliesslich die
Festigkeit des Materials in Frage gebracht werden.
Es bedeute
y= Wandstärke in der Tiefe x unter dem Bassin-
rand;
im Uebrigen gelten die früheren Bezeichnungen.
*:*'• Zunächst werde der Bassinrand (Fig. 26) als
Drehpunkt des Elementes angesehen, dann ist das re-
sultirende Moment aus den Resultirenden R der Tan-
gen tialspannungen über die Höhe x:
und für 's Gleichgewicht gilt:
sofern y,hg,x das Moment der Scheerfestigkeit in der
Tiefe x des Elementes bedeutet.
Es folgt:
Je
«* . rfa? . y = — — ,y.x^ ,dx-\-'y,k,,dx'\-x.kg,dyy
oder, sofern
a
dx
^ — j und /3 = ^,
ff.r.ks kf
+ l [-««). y — ß.x = 0.
Z{R,x) = -J~Jy.x'.dx,
Aus dieser Gleichung findet man auf bekannte
Weise, indem man y als Product zweier Functionen
von X betrachtet,
. ccX
2
^ X
1^/
.axr
.x>.dx + C[,
-i.««
y=--.*
worin C die Integrationsconstante bedeutet.
Durch Entwicklung des Integrales in eine Potenz-
reihe ergiebt sich:
(±.) (jlv (iLV (^y
•r+PL3 "*■ 1 • 5 "*" 1.2 • 7 ■*"r.2.3- 9 "•" i:2.3.4- 11 "^•••Ji-
Diese Gleichung auf C reducirt und für x = o auch y = o gesetzt, ergiebt sich Cs=0; also
-ytt.a;
X
rLs'^ 1 • 5 ■*■ 1-2 • 7 "^1.2.3- 9 '*"l.2.3.4- ll"^"Ji •
(XXVU)
Die Wandstärken werden somit von einer Curve be-
grenzt, welche am Bassinrand die Ordinate y = o und am
Fusspunkte des Bassins die grösste Ordinate y = h hat.
Mit Rücksicht auf die praktische Ausfuhrung darf
nun der Verticalschnitt der Wand als ein Dreieck oder
ein Trapez angesehen werden und es ist hierauf zu
untersuchen, ob die nach obiger Gleichung ausgerech-
neten Wandstärken auch dann noch genügen, wenn der
Drehpunkt des Wandelementes in dem Fusspunkte 0^
des letzteren angenommen wird.
Nach Früherem galt bezogen auf 0^:
worin a die Wandstärke für x = o bedeutet.
Somit gilt för's Gleichgeivicht:
E^ V k.H^
.6 12.r^ ^^'
und es folgt:
«==.1 (2i^_j^ . . (xxvni)-
In diese Gleichung ist für 6 der Werth aus Glei-
chung (XXVII) für a; = JI einzusetzen, wobei sich
ergeben kann.
Tritt dies ein, so wählt man die Blechstärken von
unten nach oben zunehmend (Fig. 26), oder man wählt
die Wandstärke durchaus gleich b und liefert durch
ein am Bassinrand anzusetzendes Winkeleisen (Fig. 27)
weiteren Ersatz.
Im letzten Falle gilt:
und
S y,du,s
r r
y.u*,du,k
3fl5
Undentsdh, Untersachimg Ober die Stabilität und Festigkeit von cjlindrischen Bassinwftiideii.
316
folglich mit Rücksicht auf Fig. 27
E^(k-{-hi)
(S-h)
^>">=,-?/"*-''"+ri/-'""+,-iJ"'-'"=
S-Ch + hJ
H-h
Es muss nun sein:
=3t:^-|^*~'*^^-'^^~(*+^^^^'+(^^~^)-(^~*)*+^^(-
ff^.y _ k
6 =3rrT]7-K*-*^^-I^^-(* + *»^^+(*^-^)(^-*^'+''^|'
*und es ist j^ = j-t-Ä, «=i-|-A + Ä^,
folglich ergiebt sich nach Einsetzung der Werthe und nach erforderlicher Reduction:
Hierin ist h und h^ so zu wählen, dass b der Gleichung (XXVII) genügt.
Zusammenstellimg der wichtigsten Oleiohungen.
A.
(XXIX)
1)
n
=il|/-
^ + 4Jy^
h^a-^n
(vn»)
(VI)
2)
3) ft
j/J|(a + J^/)}V2^.^-3a(ii + 2^/)-(|-(a + ^/^^ (XI)
= a + n .... 1 (XI»)
H y
=—.- a ^
/ yi
4) b
-V
(3r + «)* , 6.r y ,r<*r4-«^
(3r + «)
(X)
(XII)
B.
1)
^|„(.._^^(|:)V^_|(3«+-)
(xm)
Hierin ist
M=—-,f. — (m ),
m
h '
yi
3) h =
D=HfU +
_ / yi f r \ 12w/ ^ ' ' »
2)
^^1
Hierin ist
(•+Ä)
(iviio
==J2-./.(
1 +
l (m + 1)»
8.r
m
>
(XIV)
/ /m+1
71
l (m+l)(2m4-l)
6r
m
)■
+t(^)''"+«
<XIX)
(XX)
317
TJndeatsch, Untersnchong über die Stabilität und Festigkeit von cylindrischen Bassinwänden.
318
C.
1)
n=-i- jl/öo*— iv(5a — ^) + 4^— (3« + ^)}
(xxm)
Hierin ist
N=
l.H
E=H^,
ryi Yi
h = a + n (XXIV)
2)
n=y^{a+^ + 2J)' + 2i:-3a{a+^N+2J)-~{a+^+2J)
(xxn)
Hierin bedeutet:
N=
k.H
7i
J=
ks
b = a + n (XXH*)
3) h =
(XXV)
4)
-K(^+'M4.<"--»"-("i+') <^-'«
D.
2
y=
e
■Hi
+
(2) ^ , (2)
•5- +
(fJ
1.2
' 7 "^1.2.3* 9
(-V
^- 1:2X4-1-1 +-J} • (^^^
_ 1 (2.ir,r.y
und
=4(
^)
=irrrv «""v »=»'»"=-°"-
» : (XXTIH)
'-^'t+'{
ff
^f+h^[i-±)'^(h+h,) (XXIX)
Vergleicht man fUr gegebene Fälle die Resultate
aus A, B und C, so ergeben sich dieselben nach C am
kleinsten, woraus sich folgern lässt, dass Ziegel- oder
Sandsteine mit Gementbindung das richtigste
Baumaterial für gemauerte Bassinwände sind; dasselbe
liefert nächst erforderlicher Stabilität der Wand auch das
höchst erreichbare Maass von Wasserdichte, während
nach A oder B ausgeführten Wänden noch durch in
Cement und Ziegelstein auszuführende Futter Wasser-
dichte verliehen werden muss.
Vergleicht man femer in jedem der 3 Fälle A, B
und C bei gegebenen Daten die Resultate der 4 Glei-
chungen für die untere Wandstärke b, so wird in jedem
Falle die zugehörige Gleichung 1) für denselben Werth
von a den grössten Werth für b liefern, woraus [sich
ergiebt, dass die vom Verfasser der Aufstellung dieser
Gleichungen 1) zu Grunde gelegten Voraussetzungen
für die Art der Massenvertheilung in der Wand vor-
herrschend massgebend sind.
Ein nach der aufgestellten Gleichung 1) gebautes
Bassin wird auch über Tage genügenden Widerstand
bieten und zwar so, dass auch Risse, welche, am Bassin-
rande beginnend, nach der Tiefe hin verlaufen, nicht
entstehen können!
Liegt die Möglichkeit vor, dass an einem in das
Erdreich eingebauten und im Betriebe befindlichen Bassin
Ausschachtungen stattfinden — es ist dies in der Praxis
bereits geschehen — , so muss nach den gegebenen Re-
geln construirt werden ; wird dieser Fall ausgeschlossen,
so kann die Wandstärke nach der Tiefe hin weniger
stark zunehmen, und wird — wie es in England mehr-
fach geschieht — das Bassin in einem hoch widerstands-
fähigen Boden oder in einem Felsen ausgeführt, so ist
denselben nur ein wasserdichtes Futter zu verleihen.
Gasometerbassin wände, welche behufs der Einfüh-
rung der Rohrleitungen über einen Theil des Umfanges
vom Erddrucke befreit sind, also gefährliche Quer-
schnitte haben, werden am besten nach Gleichung 1) C
berechnet. Der sich aus dieser Gleichung ergebende
Werth für b bei gewähltem a muss jedoch hierauf noch
durch die Ausrechnung der Gleichungen 2), 3) und 4)
unter C als grösster Werth bestätigt werden.
lieber die Geradfülyning durch das Kurbelgetriebe.')
Prof. Dt. L. Burmester in Dresden.
(Hierra Tafel XIV, XV ddcI XVI.)
nx. TheU.
Nachdem wir die Conatruction der Mittelpunktcurve
und dor Angriffacurve für vier in einer Ebene liegende
congruente Systeme abgeleitet und in den verschiedenen
Fallen, die auftreten können, ausgeführt haben, nehmen
wir fiiuf beliebige, in einer Ebene liegende congruente
Systeme S, S, Sj S^ S» an ; dann gehört zu den vier
Systemen iSf, S^S, S, eine Mittelpunktcurve (i)'*", welche
durch die sechs Polo P'2P"Pi*P"P'^-'P" geht, und
zu den vier Systemen S, Sj S3 Sj eine Mittelpunktcurve
<P'"", welche durch die folgenden sechs Pole P^^P"
pispijpiftps» geht. Diese beiden Curven, die sich
in den Polen pi«pi»p«s und den beiden unendlich
fernen imaginären Kreispunkten schneiden, treffen sich
noch in vier anderen Punkten aftyd, welche Mittel-
punkte solcher Kreise sind, auf denen fünf homologe
Punkte der fünf Systeme 5, 5,5, S^S» liegen. Diese •
viel' Schnittpunkte können in Hinsicht auf diese Curven
entweder alte reell, alle imaginär, oder zwei reell und
zwei imaginär sein ; es bleibt aber noch unentschieden,
ob die beiden letzten Fälle überhaupt eintreten, und
bei allen unseren weiteren Betrachtungen zeigt sich,
das8 diese vier Punkte reell sind. Wir erhalten hier-
nach in allgemeiner Form ausgedrückt den für die
folgenden Anwendungen sehr wichtigen fundamentalen
Satz:
In fünf beliebig in einer Ebene Hegen-
den congruenten Systemen giebt es vier
Gruppen von fünf homologen Punkten,
die je auf einem Kreise liegen.
Da wir aus fünf Elementen fünf Corobinationen
zur vierten Classe bilden können, so giebt es fünf ver-
*) Fortsetzung der Abhandlung S. 281 dieses Bandes.
schiodeue Mittelpunktcurven O, die sich in den Punkten
aß yd schneiden.
Im Systeme 5| entspricht den Systemen SiS^S^S^
eine Angriffscurve Fi'"*, welche in S, die System-
punkte tiHigt, die mit den homologen Punkten von
SuSjSt auf Kreisen liegen, und durch die Punkte
pnp.spi4P|UspjM/.^s4 geht. Ebenso entspricht den
Systemen Sj S^ Si S» eine Angriffscurve F^ '"* in Si,
die durch die Punkte P'*P"P"'P,"P,"P,» gdit
Beide Curven haben die Punkte P'^P>*P,*». sowie
die beiden imaginären Kreispunkte gemeinsam und
schneiden sich daher noch in vier Punkten Ag Bi C| A
des Systems Si, von denen jeder mit seinen homolt^m
Punkten in St S3 S^ S^ iiuf einem Kreise liegt.
Wenn wir also zwei Angriffscurven conatruiren, so
erhalten wir die vier Schnittpunkte .^1 Bi C^ D„ weldie
den vier Schnittpunkten dßyd von zwei Mittelpunkt-
curven entsprechen. Sind die Punkte aß yd mittebt
zweier Mittelpunktcurven gefunden, so betrachtoL wir
diese Punkte in £"' liegend und bestimmen zu diesen
in der auf Seite 236 angegebenen einfachen Weise die
entsprechenden Punkte A, B, d Di in S| ; sind dagegoi
umgekehrt die Punkte Ai B, Oi Di in 5, mittelst jener
Angriffscurven zuerst gefunden, so bestimmen wir m
diesen in analoger Weise die entsprechenden Punkte
aß-/d in 2'"". Wir werden zur Bestimmnog der ho-
mologe Punkte tragenden Kreise entweder zwei Mittel-
punktcurven oder zwei Angriffscurven benatzen, je
nachdem die einen oder die anderen leichter m con-
struiren sind.
Diese bis hier abgeleiteten geometrischen Resultate,
welche neben ihrer praktischen Nützlichkeit aaoh vor-
zugsweise theoretisches Interesse besitzen, sollen am
jetzt zur Au&uchung genauer GeradfShroi^en und
Kreisführungen dienen.
In Figur 22, Tafel XIV, haben wir fBnf honwloge
321
Burmester, Uebcr die Geradfühnmg durch das Kurbelgetriebe.
322
Strecken Ai Di, A^D^, A^D^^^ A^D^^ A^Df^, welche
die Systeme Si S^ S3 S^ S^ bestimmen, so angenommen,
dass die Punkte D in gleichen Abständen auf einer
Geraden Kö, d. h. auf einem Kreise mit unendlich fernem
Mittelpunkte d sich befinden, und die Punkte A auf
einem Kreise Ka liegen, dessen Mittelpunkt a ist.
Es sollen nun die Kreise Kßy Ky bestimmt werden,
welche resp. die fünf homologen Punkte Bi B^ B^ B^ B^
und Ci Ci C3 C4 Cft tragen. Wir betrachten zuerst die
vier Systeme S^ 8^ S^ S^ und bestimmen die sechs Pole |
derselben; von diesen liegen die beiden Gegenpole
p-23pi4 j^uf jej. ii^ ^QY Mitte auf D^D^ senkrechten
Geraden, welche nach dem unendlich fernen Punkte d
geht. Ferner liegen die Gegenpole P*^ P'* und P'^,
P*^* resp. in gleichen Abständen von der Geraden
pi4p23. folglich ist diese Gerade die Mittellinie ^i
der Mittelpuuktcurve 0^^^*^ welche den genannten
vier Systemen angehört. Hierauf beschreiben wir den
Orthogonalkreis xi. bestimmen das Curvencentrum //i und
construiren die Mittelpuuktcurve <P'^.^*, wie in Fig. 17
angegeben wurde. Wir gebrauchen hierzu ausser P^'^ P'*
nur noch das eine Paar der Gegenpole, und das Hin-
durchgehen der Curve durch das andere Paar und den
Mittelpunkt a kann als Controle für die gezeichnete 1
Curve dienen : denn auch u muss auf der Curve liegen, !
weil der Kreis Ka vier homologe Punkte der genannten
Systeme trägt.
Betrachten wir jetzt die vier Systeme Sj S2 S^ S5,
so liegen die Gegenpolo P^^P^* auf der in 2)3 auf der
Geraden Kd emchteten Senkrechten und die beiden an-
deren Gegenpole P^^P^'^, pi^pib befinden sich resp.
in gleichen Abständen von der Geraden P»öp24^ welche
dann die Mittellinie tu der Mittelpunktcurve (P'^-»* ist.
Demnach können wir mittelst des Centrums uw und
des Orthogonalkreises xn diese Curve, welche durch die
sechs Pole und den Mittelpunkt a geht, ebenso wie die
Curve 0**'* construiren. Die beiden Curven (2>»*34
und (I>**** schneiden sich in den neuen Punkten ß, y
und dies sind die Mittelpunkte der Kreise Kß^ Ky,
welche fünf homologe Punkte tragen. Um in dem Sy-
stem S, den Punkt (7, zu ermitteln, der auf dem Kreise
Ky liegt, dessen Mittelpunkt y ist, betrachten wir y in
2l^'^^ liegend, dann entspricht dem Punkte y der Punkt
Ci , und wir erhalten denselben, indem wir den Winkel
W^= ^D.^P^'^Di nach ^^yP^'^C^ und den Winkel
TT, = 72 2)3 P*3 2)^ nach -^ y P>» C^ legen , dann be-
stimmen die beiden Schenkel, welche nicht durch y
gehen, den Punkt Ci, durch den Kreis Ky geht, der
die fünf homologen Punkte C^ C2 C^ C4 C^ trägt. In
gleicher Weise können wir den Punkt Bi und durch
diesen den Kreis Kß bestimmen. Im Falle die Pole
CiTilinf«nienr XXIII.
jpiipis sej^j. nahe liegen und der Schnittpunkt Cj nicht
scharf bestimmt wird, kann man auch die Pole P^-^P*'
benutzen und statt Ci den Punkt C^ ermitteln, oder
man kann y auch in einem anderen der Systeme £
liegend annehmen, von denen es zehn giebt, weil fünf
Elemente zehn Combinationen zur dritten Klasse liefern.
Da acht Punkte der Mittelpunktcurven, die sechs Pole
und die Mittelpunkte a, (J, von denen der letztere im
Unendlichen liegt, bekannt sind, so kann man hieraus
schon ungefähr die Gestalt der Curven erkennen und
daraus angenähert auf die Lage der Schnittpunkte ß,
y schliessen; deshalb braucht man nicht, wie in unserer
Figur 22 der Ausführlichkeit wegen geschehen ist, so
grosse Theile der Mittelpunktcurven zu construiren.
Wenn wir die Systempunkte A^ B resp. auf den
Kreisen Ka, Kß bewegen, so beschreibt der System-
punkt 3 die in unserer Figur 22 gezeichnete Curve,
welche durch die fünf, auf der Geraden Ks liegenden
homologen Punkte Di D^ D^ D^ D^ geht. Bewegen sich
die Systempunkte A, C resp. auf den Kreisen Ka, Ky^
Figur 23, so beschreibt der Punkt D die gezeichnete
Curve, welche ebenfalls die genannten fünf Punkte mit
der Geraden Kb gemein hat. Dasselbe gilt, wenn die
Systempunkte jB, C sich resp. auf den Kreisen Kß, Ky,
Figur 24, bewegen ; dann durchläuft D die gezeichnete
Curve, welche auch durch jene fünf homologen Punkte
der Geraden K6 geht. Wir erhalten also durch eine Con-
struction drei verschiedene Geradführungen; von diesen
ist jedoch die erste, wie man bald durch die einfache
Bestimmung der Normalen in den Curvenpunkten D^
D.iD^D^D^ erkennt, die beste; denn die Abweichung
dieser Normalen von den Senkrechten der Geraden Kö
ist in diesem Falle am kleinsten. Die beiden letzten
Geradführungen haben dagegen den in der Praxis oft
gewünschten Vortheil, dass der Kreis Ky verhältniss-
mässig klein ist und dass daher der Gegenlenker yC
nur einen kleinen Bewegungsraum beansprucht.
Hätten wir statt der Geraden K^ in diesem Bei-
spiel einen Kreis Ks genommen, so liegt der Mittel-
punkt d desselben im Endlichen, und in diesem all-
gemeinen Falle müssen die beiden durch je zwei Paar
Gegenpole bestimmten Mittelpunktcurven nach der An-
gabe Seite 246, Figur 14, construirt worden; dann er-
halten wir drei verschiedene Kreisführungen, bei wel-
chen die von dem Punkte D beschriebene Curve die
fünf homologen Punkte Di D^ D, D4 D5 mit dem Kreise
Kö gemein hat.
Wir haben in Figur 25 noch ein zweites Beispiel
constructiv ausgeführt Die fünf homologen Strecken
J-i-D,, A-iD^i A^D^, -44D4, ^ö-Da sind so angenom-
men, dass die Punkte D in gleichen Abständen auf der
21
323
Burmester, Ueber die Geradführuug durch das Kurbelgetriebe.
Geraden K^^ und die Punkte A auf einem Kreise Ka
liegen, dessen Mittelpunkt a sich in der auf Kd in Dg
errichteten Senkrechten befindet und dass die Punkte
Ai A2 auf dem Kreise Ka zusammen fallen. Die beiden
Mittelpunktcurven O^^^^ und (P^^^^, von denen die letzte
in « einen Doppelpunkt hat, weil die Pole P^*, P'* in
dem Kreismittelpunkte a liegen, schneiden sich in dem
Kreismittelpünkte ß und in einem zweiten y, der aber
nicht mehr innerhalb der Zeichnungsgrenze liegt und
so weit entfernt ist, dass er nicht pmktisch verwendet
werden kann. Der Kreis Kß^ der die fünf homologen
Punkte B^B^iB^B^Bf, trägt, ist, wie in der vorher-
gehenden Figur angegeben wurde, bestimmt.
Da die Mittelpunktcurve (P'*-^** in a einen Doppel-
punkt hat, so wird die Construction dei'selben verein-
facht. Verbindet man einen Curvenpunkt, z. B. P**
mit dem Doppelpunkt a, errichtet in der MiCte i auf
aP^'^ die Senkrechte ih, welche die Mittellinie ^n in
h trifft, dann liegt das Curvencentrum iin auf der Ge-
raden ÄP**; ebenso erhalten wir eine zweite Gerade,
auf der ^«n liegt, wenn wir einen zweiten Curvenpunkt
mit a verbinden. Ist /«n auf diese Weise bestimmt, so
ziehen wir durch //n eine beliebige Gerade, welche l^u
schneidet, und beschreiben um diesen Sqhnittpunkt einen
durch a gehenden Kreis, dieser trifft die durch //u ge-
zogene Gerade in zwei Punkten der Curve (p'^**.
In Figur 33, Tafel XV, haben wir fünf homologe
Strecken A^D^^ A^D^, A^D^, A^D^, A^D^ so an-
genommen, dass die Punkte D, 2)2^3^4^, iu gleichen
Abständen auf der Geraden Kö und die Punkte A^ A^
A^ A^ An, auf dem Viertelkreise Ka liegen , dessen ver-
ticaler Radius aA^, in D3 auf der Geraden Kb senk-
recht steht und von dieser halbirt wird. Die Mittel-
punktcurve <J>*2**, von der wir nur ein kleines Stück
mittelst des Curvencentrums .«i und der Mittellinie li
construirt haben, besitzt einen Doppelpunkt or, weil in
diesem Punkte die beiden Pole P^^P^^ zusammenfallen.
Von der zweiten Mittelpunktcurve (2>*^3-*^ ist ebenfalls
nur ein kleines Stück mittelst des Curvencentrums «u
des ürthogonalkreises Xn und der Mittellinie ^n con-
struirt. Diese Curvenstücke schneiden sich in dem
Mittelpunkte ß des zweiten Führungskreises Kß, der in
bekannter Weise bestimmt worden ist. Der zweite
noch auftretende neue Schnittpunkt der Cui-ven liegt
ausserhalb der Grenzen der Zeichnung. Bewegen sich
nun die beiden Systempunkte A, B resp. auf den Kreisen
jBTa, Kßy so beschreibt der Systempunkt J) eine Curve,
welche mit der Geraden Kö die fünf homologen Punkte
/>, D.2 D3 D4 Dfl gemein hat. Betrachten wir das er-
haltene Kurbelgetriebe in Figur 33 als das Schema
einer Zugbrücke, bei der die Brückenbahn a-4i um
einen rechten Winkel Ai a A^ gedreht werden soll und
nehmen wir an, die Massen seien so geordnet, dass -in
dem durch AB bestimmten Systeme D der gemein-
schaftliche Schwerpunkt der beweglichen Theile sei, so^
wird sich der Schwerpunkt D beim Aufziehen det^*-
Brücke sehr nahe auf der horizontalen Geraden K^
bewegen und das Aufziehen kann dann beinahe durchs
die Kraft bewirkt werden, welche zur Ueberwindungr
der Reibung erforderlich ist. Bei dem Beispiele in
Figur 33 tritt aber besondei*s der üebelstand auf, dass
der Mittelpunkt ß sich an einer sehr ungünstigen Stelle
befindet, und wenn die Zugbrücke für eine Festung und
zum Schliessen eines Thores bestimmt ist, nach aussen
liegt. Es bleibt aber, wenn wir uns mit einer vier-
punktigen Geradführung begnügen, für die Lage des
Mittelpunktes ß noch freie Wahl auf einer Mittelpunkt-
curve, und diesen Fall wollen wir noch näher be-
trachten.
In Figur 34 sind auf der Geraden Kd, die in der
Mitte auf dem verticalen Radius aA^ senkrecht steht,
die vier homologen Punkte D, D2 -D3 D4 in gleichen
Abständen angenommen und die vier homologen Strecken
AiDi, A2D29 A^D^n A^D^ bestimmt. Die Mittel-
punktcurve O ist in bekannter Weise mittelst des Cur-
vencentrums /«, des Orthogonalkreises x und der Mittel-
linie ^ construirt. Auf dieser Curve <P haben wir den
Mittelpunkt ß beliebig angenommen und den entspre-
chenden Angriffspunkt B^ in der oben ausgeführten Weise
bestimmt. Sind die Massen so geordnet, dass der Punkt
D der gemeinschaftliche Schwerpunkt der beweglichen
Theile ist, so beschreibt dieser, wenn die Brücke auf-
gezogen wird, und der Punkt B sich auf dem Kreise
Kß bewegt, eine Curve, welche die vier homologen
Punkte Dl 2).2 D^ D^ mit der Geraden Ks gemein hat,
und die sich auch,, wie die einfache Bestimmung der
Curventangenten bestätigt, sehr nahe derselben an-
schliesst.
Nehmen wir, wie in dem Beispiel P'igur 36, auf
der Geraden Kb , welche in der Mitte auf dem verti-
calen Radius aA^ senkrecht steht, die vier homologen
Punkte DiD^D^Dj^ in gleichen Abständen, so dass
sie zu aA^ symmetrisch liegen; dann hat die Mittel-
punktcurve <2> in a einen Doppelpunkt, weil in diesem
die beiden Pole pi*p-^3 zusammenfallen, und diesem
Doppelpunkte auf O im Systeme 2'**^ entsprechen auf
der Angriffscurve F^ in Si alle Punkte der Geraden
pi2pi3^ demnach besteht diese Angriffscurve aus der
Geraden P^'^B^^^ die wir mit z^ bezeichnet haben, und
aus einem Kreise Tt, dessen Mittelpunkt m| auf 5|
liegt. Die Punkte A^ Di gehören zu der Angriffs-
curve Fl, demnach muss die Gerade ^er, durch -4|, der
^2b
liurmester, lieber die Geradfahruug durch das Kurbelgetriebe.
326
Xma T| durch D, gehen, und dieser Ki^eis ist somit
-^hne weitere Pole durch die Punkte Di, a bestimmt.
Jedem Punkte der Mittelpunktcurve <P entspricht ein
Jngriflfspunkt auf dem Kreise T,, dem unendlich fernen
Punkt auf <P entspricht der Punkt D, auf Ti; dem
Doppelpunkt a entsprechen aber alle Punkte der Ge-
laden gl. Zu einem beliebigen Mittelpunkte ß auf <I>
irird der entsprechende Angriffspunkt Bi in bekannter
'Weise constiuiil, indem wir die Hälfte des Winkels
J)iP^^D^ nach B^P^^ß drehen. Beim Aufziehen der
Mcke bewegen sich die Systempunkte Ä, B resp. auf
Jen Kreisen Ka, Kß und der Schwerpunkt D beschreibt
€iue Curve, welche die vier homologen Punkte D1D2
J)j2)4 mit der Geraden Kö gemein hat, die aber, wie
die Tangenten - Bestimmung und die Ausführung der
Construction der Gurre zeigt, sich nicht sehr nahe an
die Gerade Kö auschliesst und daher den praktischen
Anforderungen wahrscheinlich nicht genügt. Da aber
dem Punkte a alle Punkte der Geraden Zi entsprechen,
so können wir anstatt des Punktes Ai auf der Geraden
Si als Angriffspunkt einen anderen Punkt Ai' wählen.
In Figur 35 ist dieselbe Zeichnung wie in Figur 36,
[ aber mit Benutzung dos neuen Angriffspunktes Ai^ aus-
geführt und es zeigt sich^ dass bei dieser Anordnung,
wenn der Systempunkt A' den Viertelkreis Ka und
der Systempunkt B den Kreisbogen Kß durchläuft, der
Schwerpunkt D eine Curve beschreibt, welche sich der
üeraden Ks sehr nahe und viel näher anscliliesst, als
es in Figur 36 der Fall ist; daher kann die schema-
tische Anordnung (in Figur 35) wenn keine Schwierig-
keiten bei der praktischen Ausführung entstehen, für
die Herstellung einer Zugbrücke verwendet werden und
diese würde vor der De lile 'sehen Zugbrücke*) beson-
ders den grossen Vortheil haben, dass die Gleichgewichts-
curve durch einen Kreis, d. h. durch eine sich um eine
feste Achse drehende Stange ersetzt wird, an der zu-
gleich ein Theil des Gegengewichtes angebracht werden
hm.
Wir haben in den ausgeführten Zeichnungen die
liorizontale Gerade Kö beispielsweise in der halben
Höhe der aufgezogenen Brücke angenommen. Diese
Höhe können wir aber, wenn es für die Anordnung
^ortheilhafter sein sollte, demgemäss ändern und ferner
tennen wir auch noch den Abstand des gemeinschaft-
lichen Schwerpunktes D von dem Angriffspunkte A
Zweckmässig wählen.
In dem Figur 26, Tafel XIV, ausgeführten Bei-
^iele haben wir die Gerade Kö parallel zu der Ver-
*) Poncelet, Cours de m^canique appliquee aux machines, '
«76. T. II, p. 368.
bindungsgeraden der Punkte Ai A^ genommen, die auf
dem Kreise Ka die Grenzen des Ausschlages bilden,
und die Länge A^Di so eingerichtet, dass, wenn die
Punkte D auf Kö in gleichen Abständen sich befinden,
auch die Verbindungsgerade -4^-43 zu Kö parallel ist.
Betrachten wir zunächst die vier Systeme Si S^ S3 ^5,
welche durch die homologen Strecken J., D,, A^D^,
A^D^i Af^Di^ bestimmt sind, so zeigt sich, dass die
Pole P^^, P** auf Senkrechten zur Geraden Kö im
Unendlichen liegen, weil A^D-^ II ^3-^3 ^^^ ^i ^\ II -^ö-^ä
ist, und die vier Pole pi^pispaöpss bilden, wie man
leicht erkennt, ein Parallelogramm, dessen Mittelpunkt
V auf der Geraden Km liegt, welche in der Mitte
zwischen Ai A^ und ^2 ^3 zu diesen parallel ist und
dessen Seiten durch die Punkte D| D.^ D^ D5 gehen.
Demnach ist die Mittelpunktcurve (P^^^ö^ yf[Q ^jj. a^g
den fiüheren Darlegungen S. 248, Figur 16, wissen,
eine gleichseitige Hyperbel, deren Mittelpunkt v ist,
und deren eine Asymptote mit der Geraden Kod, welche
wir die Mittelparallele nennen wollen, zusammenfällt.
Um die entsprechende AngriflFscurve Fi^^^^ zu er-
halten, bestimmen wir die Punkte Pi**, Pi^'\ indem
wir von P'^*, P^* resp. auf die Geraden P^^P^p**,
P^^P^^^ Senkrechte fällen und diese um ihre eigene
Länge verlängern. Da nun die Punkte P'^^P^'* mit
P'2pi3 ein Parallelogramm bilden, so müssen die Punkte
p^26p^35 g^uf ^QY Geraden P'^pis liegen und die bei-
den Mitten von P^sp^ 26 ^nd P'^p^ 35 j^ einem Punkt
0| auf dieser Geraden zusammenfallen, der auch auf
der Mittelparallelen Km liegt. Hiernach besteht die
Angriffscurve -Fi *^^* nach Seite 249, Figur 20, aus der
Geraden P«3Pj2ö ^^^ ^gr auf ihr in 0^ Senkrechten,
welche durch den Punkt J| gehen muss, weil Ai ein
Systempunkt in Si ist, der mit seinen homologen
Punkten der anderen Systeme S^S^S^ auf dem Kreise
Ka liegt. Wir erhalten hiernach die aus zwei zu ein-
ander rechtwinkeligen Geraden bestehende Angriffs-
curve 2<\ *236 geiir einfach:
Wir beschreiben über -4i 2), als Durch-
messser einen Halbkreis, der die Mit-
telparallele Kca einerseits in 0, trifft;
dann sind OiAi und Oi Di die beiden
rechtwinkeligen Geraden, welche im
System iS, den geometrischen Ort der
Punkte bilden, die mit ihren homolo-
gen Punkten der Systeme S.^S^S^ auf
Kreisen liegen.
Die Kreismittelpunkte, welche den Punkten der
Geraden Ai 0, entsprechen , liegen auf der Hyperbel
(p>235 Dq^ ^jie Mittelpunktcurve dritter Ordnung (P**'*
in diese Hyperbel und die unendlich ferne Gerade zer-
21»
327
Burmester, Ueber die Geradführung durch das Kurbelgetriebe.
328
fällt, so entsprechen allen Punkten der Geraden 0,Di
die unendlich fernen Punkte; demnach liegen alle
Punkte der Geraden 0, Di in S, mit den homologen
Punkten in 5^ S^ S^ auf Kreisen mit unendlichen grossen
Radien, d. h. auf Geraden, und diese Geraden sind
parallel zu Kö» Wollten wir uns damit begnügen, dass
die von D beschriebene Curve nur vier Punkte mit
der Geraden Kd gemein hätte, so konnten wir jeden
beliebigen Punkt auf der Geraden Oi Ai als Angriffs-
punkt eines Gegenlenkers wählen und den zugehörigen
auf der Hyperbel O^-^^ liegenden Mittelpunkt, d. h.
den Drehpunkt des Gegenlenkers bestimmen. Demnach
giebt es unendlich viele Gegenlenker, welche den Punkt
D viermal durch die Gerade Kö führen. Hierin liegt
der Grund, weshalb wir die Curve Fi schon fiiiher die
Angriffscurve genanat haben. Diese Gegenlenker sind
aber keineswegs alle gleich günstig für die Geradfüh-
rung; wir erhalten vielmehr den vortheilhaftesten Gegen-
lenker durch Benutzung des Systems S4, welches durch
die Strecke A^J)^ bestimmt ist. Wir wollen deshalb
noch die Angriffscurve -Fl''** bestimmen, welche durch
die acht Punkte P'^ P'* P^ »* P| ^* Pj 3* Pi*^ Ai D, geht.
Für die Construction dieser Curve, von der wir nur
ein kleines Stück zu zeichnen brauchen, reichen je-
doch schon die drei Punkte P,'*Pi** Di- aus. Da der
Pol Poo'* im Unendlichen liegt, so ist Pi^* das
Centrum fii der Curve und die in der Mitte d^* auf
A ^4 gezogene Senkrechte, welche durch P^^P^^^
geht, bestimmt auf P, '*Pj^* den Curvenpunkt ^;**.
Durch die Mitte von p^^ P, ^•'^ ziehen wir die Mittellinie
LI parallel Pi^^P^^** und beschreiben über p^^Pi^^
als Durchmesser den Kreis k'. Ferner ziehen wir die
Gerade P, ^*7),, beschreiben um ihren Schnittpunkt
mit ^i den durch Dj gehenden Kreis k" und bestimmen
den ürthogonalkreis xi, der die Kreise kf, k" recht-
winkelig schneidet. Dann ist in der bekannten Weise
mittelst ^/i, Lr und xi ein Stück der Curve Fi^^*^ con-
struiit, welche durch Ai gehen muss und die Gerade
Ai Ol noch in den beiden Punkten Bi Cy des Systems
Si trifft, die mit ihren homologen Punkten in S^S^S^S^
auf den Kreisen K^ und Ky liegen, deren Mittelpunkte
ßy y wir leicht, wie früher angegeben wurde, bestimmen
können. Bewegen sich die Systempunkte A^ B resp.
auf den Kreisen JSTa, K^, so beschreibt der Punkt D
die in Figur 26 gezeichnete Curve. Bewegen sich die
Punkte J5, C resp. auf den Kreisen KßKy, so durch-
läuft der Punkt D die in Figur 28, Tafel XV, con-
struirte Curve. Beide CuiTen weichen auf der Strecke
von Dl nach D^ merklich von der Geraden ab; diese
Abweichung verringert sich aber sehr, wenn wir die
Grenzpunkte Ai, A^ des Ausschlages, der in unseren
Figuren verhältnissmässig gross genommen wurde, näher
zusammen legen. Die ungünstigsten Verhältnisse treten
ein, wenn wir bei dem genommenen grossen Ausschlage
die Kreise Ka, Ky, Figur 27, benutzen. Wenn wir die
Punkte D| D^ -D, D^ D^ nicht in gleichen Abständen
auf der Geraden Kö annehmen und Di D^ näher an-
einander legen, so können wir die Abweichung zwischen
diesen Punkten verringern. Und alle Beziehungen bleiben
bestehen, wenn wir die Lagen AiDi^A^D^y A,^D^\\A^Dg
beibehalten. Da der Radius ßBi grösser ist, als der
Radius uAi, so können wir auch in Figur 26 den
letzten als Gegenlenker betrachten.
In Figur 29 haben wir die Construction für einen
besonderen Fall des eben beliandelten Beispieles aus-
geführt. Wir haben die Gerade Ai A^ in vier gleiche
Tlieile getheilt, in den Theilpunkten 2 und 4 Senk-
rechte auf Ai Af^ errichtet , welche den angenommenen
Kreis Ka in A^, A^ treffen. Wir haben ferner die
Gerade Ks in gleichen Abständen von den Parallelen
Ai J.5, A2 A^ gezogen, auf der Geraden Kd den Punkt
Dl beliebig angenommen und die Strecke DiD^^^AiA^
in vier gleiche Theile getheilt. Dann sind die vier
Systeme Si S^ S^ Sa durch die homologen Strecken
AiDi, A2 D.i , -^4 2)4 , J.5 ^5 bestimmt , von denen
Ai Dl II Af,D^ und A^D^ \\ A^D^ ist. In diesem
speciellen Falle liegt die Gerade Kö in der Mittelparal-
lelen ÄTo), und wenn wir über -4,2), als Durchmesser
einen Kreis beschrieben denken, so trifft dieser die
Gerade Kö einerseits in dem Punkte D, ; folglich be-
steht die Angriffscurve Fi **** aus der Geraden Ai Di
und der darauf senkrechten Geraden 2), Zi , welche die
Pole P'« P'* trägt. Die Gerade Ai Di enthält in S,
alle Punkte, welche init ihren homologen Punkten in
S^S^S^ auf Kreisen liegen, deren Mittelpunkte die
durch die Pole p^^p^^p^f^p^fi gehende gleichseitige
Hyperbel <2>***^ erfüllen, deren Mittelpunkt D^ und
deren eine Asymptote die Gerade Kö ist. Die Gerade
Dl 01 trägt alle zu S, gehörenden Punkte, die mit ihren
homologen Punkten in S^S^S^ auf Kreisen, deren
Mittelpunkte sich auf der unendlich fernen Geraden
befinden, d. h. auf Geraden liegen, die zu Kö parallel
gehen und die von den vier Seiten des Parallelogramms
pi2pi3 p26p36 i^ JQ Yjgj. homologcu Punkten geschnitten
werden.*; Jedem Angriffspunkt auf der Geraden Ai Di
*) Francis Place macht im Jahrgange 1867, S. 222, der
„Deutschen Industrie -Zeitung^' zuerst, aber ohne BegrOndung,
darauf aufmerksam, dass bei der Watt*schen GeradfOhmng sich
auch diejenigen Punkte angenähert geradlinig bewegen, welche
auf einer in der Mitte auf der Koppel der beiden Lenker senk-
recht stehenden Geraden liegen.
329
Burmester, Ueber die Geradführung durch das Kurbolgeti'iebe.
330
entspricht ein Kreismittelpunkt auf der Hyperbel (D'***.
Es giebt daher, wenn wir den Kreis Ku als gegeben
betrachten, zu diesem unendlich viele Gegenlenker, welche
den Punkt D viermal in den Punkten Di D^ D4 D5 durch
die Gerade Kö und alle Punkte der Geraden D, Zi vier-
mal durch Gerade fuhren, die zu Kö parallel sind;
oder allgemeiner je zwei Kreise, deren Mittelpunkte
auf der Hyperbel <I>'^** liegen, können, wenn wir die
entspi^echenden Angriflfspunkte auf D^Ai bestimmen,
als Führungskreise dienen, welche den Punkt D durch
jene vier Punkte der Geraden Kd und alle Punkte der
Geraden D, Zi viermal durch die obengenannten paral-
lelen Geraden fuhren. Nehmen wir z. B. auf der Ge-
raden Ai Dl einen beliebigen Punkt L, etwa in der Mitte
von Ai Dl an, und bestimmen zu diesem den entsprechen-
den Kreismittelpunkt k auf der Hyperbel 0^^^^, so be-
schreibt der Punkt D, wenn die Gerade AL sich um
X dreht, und der Systempunkt A sich auf dem Kreise
Ka bewegt, eine Curve, welche mit der Geraden Kö
die vier homologen Punkte Di D^ D^ D5 gemein hat.
Ziehen wir durch D^ den Hyperbeldurchmesser aß
und nehmen wir ß als Mittelpunkt eines Gegenlenker-
kreises Kß, so folgt aus der Symmetrie unserer Figur,
dass der entsprechende auf A^ Di liegende Angrift'spunkt
Bi von D, denselben Abstand besitzt, wie A^ von D,,
dass BiDi = AiDi und der Radius ßBi=aAi ist.
Machen wir ferner D^ A^ z=D^B^^= Di -4i, so müssen
die drei Punkte A^D^B^ auf einer Geraden liegen;
demnach wird der Punkt D auch durch den fünften
Punkt D3 der Geraden Kö geführt, wenn die Punkte
-4, B sich resp. auf den Kreisen Kay Kß bewegen.
Von allen Kreisen, deren Mittelpunkte Endpunkte eines
Hyperbeldurchmessers sind, wird hiernach der Punkt
D fünfmal in den Punkten DiD^^D^D^Df^ durch die
Gerade Kö geführt. In Figur 29 ist die Curve, welche
der Punkt D beschreibt, wenn die Punkte A^ B sich
resp. auf den Kreisen Ka, Kß bewegen, gezeichnet;
ferner haben wir beispielsweise für diese Bewegung
noch die Curve construirt, die der Punkt E der Ge-
raden D0 durchläuft. Diese Curve trifft die durch Ei
zu Kö parallel gezogenen Geradon Kb in den Schnitt-
punkten, welche die Seiten des Parallelogramms P**
pi4p*5p2ö mit dieser Parallelen Kb bilden. Da in
unserer Figur Kt durch den Pol P** geht, so fallen
in diesem zwei homologe Punkte £4 E^ zusammen luid
alle Punkte, die auf DiZi näher an Z), liegen als Ei,
liefern Curven, welche sich an die betreffende Parallele
näher anschliessen.
Wegen der Symmetrie der Lagenverhältnisse brauch-
ten wir eine zweite Angriffscurve wie in Figur 26 nicht
zu construiren. Hätten wir aber in analoger Weise,
wie in Figur 26, eine zweite Angriffscurve gezeichnet,
so müsste diese durch die Punkte Ai, Di gehen und
da sie von dritter Ordnung ist, die Gerade A^ Dj
nur noch in einem Punkte Bi schneiden, den wir nach
den obigen Darlegungen direct ohne diese Curve er-
halten haben; der zweite Angriffspunkt (7|, den wir in
dem allgemeineren Falle der Figur 26 fanden, fällt hier
in unserem besonderen Falle mit dem Punkte Dj zu-
sammen, dem ein unendlich grosser Gegenlenker ent-
sprechen würde.
Theilen wir A^ A^ nicht in vier gleiche Theile ;
nehmen wir aber die Punkte 2, 4 in gleichen Abständen
von dem Punkte 3, so bleiben alle genannten Be-
ziehungen bestehen. Lassen wir 2 mit Ai und 4
mit .^5 zusammenfallen, wie in Figur 30, wo a Ai und
Ai Dl, sowie der Aufschlag von derselben Grösse ge-
nommen sind, wie in Figur 29, so rücken Ai, A2 und
ebenso A^, Af^ in einander und die Mittelparallele Kö
fällt mit Ai A^ zusammen. Li diesem Grenzfalle be-
rührt die von D beschriebene Curve die Gerade Kö
in den Punkten Di und D^,
Lassen wir dagegen für dieselben Längenverhält-
nisse in Figur 31 die Punkte 2, 4 mit dem Punkte 3 auf
Ai J.5 zusammenfallen, so erhalten wir die gewöhnliche
Watt 'sehe Geradführung. Die Gerade Kö liegt in der
Mitte zwischen der Geraden Ai A^ und der zu dieser
parallelen Kreistangente des Punktes A^, in dem auch
die Punkte A^A^ liegen. In diesem Falle ist die Ge-
rade Kö die Tangente des Wendepunktes D3 der von
D beschriebenen Curve und diese Curve hat demnach
mit der Geraden Kö ausser Di , D^ die drei unendlich
nahen Punkte D^D^D^ gemein. Diese specielle Be-
ziehung, welche sich aus unseren allgemeinen geome-
trischen Beziehungen ergiebt, hat Hertzer*) auf ana-
lytischem Wege abgeleitet. Wir ersehen hieraus, dass
in der Figur 30 und 31 die Abweichung der Curve
von der Geraden Kö grösser ist als in Figur 29, wo
die Punkte D.^, D^ beiderseits von D^ um ^4 der Hub-
höhe entfernt angenommen wurden. Diese besondere
funfpunktige Geradführung, welche man auch, wie
Rittershaus gezeigt hat**), aus dem Ellipsenlenker
leicht ableiten kann, ist hiernach entschieden genauer,
als die Watt 'sehe Geradführung in der gebräuchlichen
Anordnung.'
In Figur 32 sind vier congruente ebene Systeme
durch die homologen Strecken AiDi, A^D.^, A^D^,
*) Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure, Bd. IV,
S. 142. 1S60.
*♦) Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure, Bd. XXI,
S. 217. 1877.
331
Burin ester, lieber die Geradführung durch das Kurbelgetriebe.
332
A^D^ gegeben, welche so liegen, dass ÄiDi H^D^,
A^D^W^^I^A ist und die homologen Punkte D^D^
7)3 2)4 sich auf einer Geraden Ks befinden. Dann
liegen die Pole P'*-*, P^* im Unendlichen und die Pole
pi8pi4p23p24 bilden, wie man leicht erkennt, die
Ecken eines Parallelogrammes, dessen vier Seiten durch
die vier homologen Punkte Di D« D3 D^ gehen. In
diesem Falle besteht die Mittelpunktcurve aus der un-
endlich fernen Geraden und aus einer gleichseitigen
Hyperbel <P, die durch diese vier Pole geht und leicht
zu construiren ist; denn ihr Mittelpunkt v fällt mit
dem des Parallelogrammes zusammen und von ihren
•
Asymptoten ist die eine senkrecht, die andere parallel
zu der Geraden Ks- Bestimmen wir zu P*^ den ent-
sprechenden Punkt Pi*^, indem wir die Gei*ade P**«,
welche nach dem unendlich fernen Pol P**^ geht, senk-
recht Kd ziehen, auf diese von P*^ die Senkrechte
P*^i fällen und um ihre eigene Länge bis Pi*^^ ver-
längern. In analoger Weise bestimmen wir zu P**
den entsprechenden Punkt Pj^*. Da nur jene Pole
die Ecken eines Parallelogrammes sind, so müssen die
Punkte Pi^^P,** auf der Geraden P'^pia üegen und
der Schnittpunkt 0,, welchen die zu Kö parallele
Asymptote mit dieser Geraden bildet, muss die gemein-
same Mitte von P"p^24^ P'^^P^^^ sein. Hiernach be-
steht die AngriiFscurve jF, aus der Geraden P^^P^^,
die wir mit ^, bezeichnen, und aus der auf dieser in
0, senkrechten Geraden f , . Jedem Punkte der Hyperbel
<f> entspricht ein Angriffspunkt auf ^, und jedem Punkte
der unendlich fernen Geraden entspricht ein Punkt auf
Zi . Fallen die beiden homologen Punkte Di D3 in der
Mitte von Dj D4 auf der Geraden Ks zusammen, dann
geht das Parallelogramm in einen Rhombus und die
Hyperbel in zwei rechtwinkelige Gerade über.
Um auch die Verwendung unserer theoretischen
Ergebnisse bei anderen Mechanismen als bei dem Kur-
belgetriebe zu zeigen, wollen wir beispielsweise die
Coulissensteuerung von Stephenson betrachten und
für eine bestimmte Lage die beste Aufhängung der
Coulisse ermitteln. In Figur 37, Tafel XVI, haben
wir die Excentricität der beiden Excenter gleich 0,06 °,
die Länge der Excenterstangen ?=1,40™, die Länge
der Coulissensehne -4D==3,oo" und den Voreilungs-
winkel gleich 30^ genommen*) und in % natürlicher
Grösse die Curven gezeichnet, welche die Coulissen-
punkte A, B beschreiben, in denen die Excenterstangen
angreifen, wenn der Coulissenpunkt D sich auf einer
Geraden K6 bewegt. Während dieser Bewegung nimmt
^
die Coulisse zwei Lagen ^|D|, A^D^ au, bei denen
die Punkte Di, D, in der Mitte P** des Weges liegen,
den D auf Kb {hin- und herschwingend durchläuft;
ferner giebt es eine Lage A^, D.i \\ Ai Di und eine zweite
Lage A^D^WA^D^, Hiernach gelten dieselben Be-
ziehungen, welche wir Figur 32 erkannt haben; aber
es zeigt sich, dass in unserer Figur 37 der Punkt P'*,
welcher die Mitte des Weges ist, auch zufällig für die
angenommene Gerade Kb in der Mitte von D« D4 liegt
In diesem besonderen Falle geht jene gleichseitige Hy-
perbel in zwei rechtwinkelige Gerade über. Demnach
besteht die Mittelpunktcurve aus der Geraden P''t,
welche auf Kb senkrocht steht und aus der Geraden
pi4p23^ die zu Kb parallel ist. Ferner besteht die
Angritfscurve im Systeme Sx aus der Geraden P^^P^^
und aus der in P'* auf dieser senkrechten Greraden,
weil P'* mit Pi*^ zusammenfällt. Jedem Angriffspunkte
der Geraden P^^P^^ entspricht ein unendlich femer
Punkt und jedem Angriffspunkte auf dieser senkrechten
Geraden entspricht ein Punkt der Geraden P^^P^\
aber dem Angriffspunkte P** in S^ entsprechen alle
Punkte der Geraden c. In diesem Angriffspunkte fallen
in unserer Figur die homologen Punkte Ci, C4 zu-
sammen und ebenso in P'^^ die beiden homologen
Punkte C2C3. Nehmen wir nun noch eine fünfte Lage
A^ D5 der Coulisse an und legen durch den homologen
Punkt Cft und den Punkt P'*^^ einen Kreis Ky^ dessen
Mittelpunkt y auf der Geraden t liegt, so trägt dieser
Ki*eis die fünf homoiogen Punkte Cy C« G^ C^ C^. Wird
nun die Coulisse in dem Punkte y aufgehängt und
durch die Excenter Ijl'm Bewegung gesetzt, so be-
schreibt der Coulissenpunkt D eine Cuitc, welche die
fünf homologen Punkte DiD^D^D^D^ mit der Gre-
raden Kb gemein hat und sich sehr nahe an die-
selbe anschliesst. Bestimmen wir z. B. an dem
Curvenpunkte D^ nach der von Ritters haus*) ange-
jgebenen eleganten Construction die Normale der Curve,
indem wir durch den Schnittpunkt der beiden Excenter-
stangen lAj^j IBf, und den Wellenmittelpunkt eine
Gerade g ziehen, so trifft diese den Radius yC^ in dem
Punkte n der Normalen nDf^y welche sehr nahe mit der
Senkrechten auf der Geraden Kb zusammenfällt; und
dasselbe zeigt sich, wenn wir die beiden Normalen für
den Doppelpunkt D, D4 der Cui-ve construiren. Im
Allgemeinen fällt die Wegmitte P*' nicht mit der Mitte
von D2D4 zusammen, aber sie liegen stets sehr nahe,
') Zeuner, Sclüebersteuerungen. 4. Aufl. S. 83.
•) „Zur Theorie der Quintenz- Waage" im Bd. XXI, S. 4S,
des ,,Glyilingenieurs''. Der Mechanismus der Conifasenstenemng
ist identisch mit dem der Quintenz-Waage, wenn dieBrücke der-
selben festgehalten wird.
333
Burmester, lieber die Geradffthrung durch das Kurbelgetriebe.
334
und demnach ist die Mittelpunktcurve eine Hyperbel,
die von ihren rechtwinkeligen Asymptoten sehr wenig
abweicht. Es ist daher zweckmässig, wenn der Auf-
hängepunkt y beim Heben und Senken der Coulisse
möglichst nahe längs der Asymptote C gefuhrt wird.
Da für die angenommene Stellung der Coulisse diese
durch den Kreis Ky so günstig geführt wird, dass der
(ileitbackeu gegen die Coulisse fast in Ruhe ist, so ist,
wie die constructive Prüfung zeigt, die Bewegung des
Gleitbackens in der Coulisse auch sehr gering für alle
Stellungen in der Nähe der erstangenommenen und
selbst noch günstig für die Benutzung des oberen Endes
und der Mitte der Coulisse. Wenn nun diese Hälfte
der Coulisse am meisten benutzt wird, so kann man,
damit der Punkt y nach oben liegt, liie Coulisse um-
kehren und dann würde beim Vorwärtsgehen der Ma-
schine die untere Coulissenhälfte thätig sein.
In dem Folgenden wollen wir noch einige. Gerad-
führungen behandeln, bei denen die Systeme S,, S^
resp. mit ^5, S^ zu S3 symmetrisch liegen. Auf der
Geraden K^ haben wir, Figur 40, Tafel XVI, in
gleichen Abständen fünf homologe Punkte />, D^ D^
Z>4 Z>5 angenommen und in D^ auf iTd die Senkrechte
D^Cx errichtet. . Die fünf Geraden />,P•^ /^P*^*,
-^3 f I» ^^4^^^ ^ftP'*^ betrachten wir als homologe Ge-
rade , welche resp. die fünf Systeme /S^ S^ Ss /S4 S^ be-
stimmen, von denen Äj, Sj und S^» ^\ zu A3 symme-
trisch liegen. Es ist nicht nöthig, dass wir auf diesen
Geraden noch andere homologe Punkte, beliufe der
Bestimmung der Pole annehmen; denn wir erhalten
z. B. den Pol P"*-', indem wir die Halbirungsgerade
des Winkels D^ D^ P'^* ziehen , den die beiden ersten
homologen Geraden bilden und auf Z>, D^ in der Mitte
eine Senkrechte emchten; diese schneidet die Hai-
birungsgeraden in dem Pole P^*^. In analoger Weise
bestimmen wir noch den Pol P**. Da nun die Pole
P'-, P** und F^^V^^ bezüglich der Geraden Ci sym-
metrisch und P'-i-ipiÄ auf dieser Geraden liegen, so
besteht die MittelpunktcuiTC 0**^** aus der Geraden Ci
und dem durch die Pole pi2pi4p25p45 gehenden Kreise
6, dessen Mittelpunkt ^/i auf dieser Geraden Ci liegt.
Jedem Kreismittelpunkte auf Ci entspricht im Sy-
steme Sy ein AngriflFspunkt auf der Geraden i>, P**,
welche wir mit z^ bezeichnen wollen. Hiernach besteht
auch die Angritfscurve P, *^"** aus der Geraden jer, und
dem durch Y^'^'P^^ gehenden Kreise 2\, dessen Mittel-
punkt m^ auf 2*1 liegt; und jedem Kreismittelpunkte
auf dem Kreise ^ entspricht ein Angriffspunkt auf dem
ELreise Ti. Drehen wir den Kreis T^ mit der Geraden
jer, um P'^ so dass diese Gerade mit ti zusammenfällt,
dann liegen nach Seite 246 die entsprechenden Punkte
von S und Tj auf Strahlen eines Büschels, dessen
Mittelpunkt P** ist. Hieraus folgt: einer Reihe von
Mittelpunkten auf 6 entspricht eine ähnliche Reihe
von Angriffspunkten auf T, . Wenn wir auf <p^*** und
Fx ^*^* die entsprechenden Punkte bestimmen, so erhalten
wir solche Kreispaare, durch welche der Punkt D
in den vier Punkten D^ D^ D^ ü^ durch die Gerade
Kö geführt wird. Um nun von diesen unendlich
vielen Kreispaaren dasjenige .zu erhalten, welches den
Punkt D auch durch D^ führt, so müssen wir noch
die Mittelpunktcurve <1>*234 bestimmen, welche durch
die Pole pi2pi3pi4p23p24p34 geht. Die Gegenpole
pi2p34^ sowie die Gegenpde P^^F'^, liegen in gleichen
Abständen von der auf D^D^ in .der Mitte errichteten
Senkrechten tu, welche die Pole F^*P^^ trägt. Hier-
nach ist der über P^^F^^ als Durchmesser beschrie-
bene Kreis xu der Orthogonalkreis und die Gerade ^u
die Mittellinie der Curve 0*2'*. Das Centrum jnu
dieser Curve ist in der bekannten Weise wie in Figur 17
bestimmt, indem wir den Schnittpunkt, welchen die in
der Mitte auf pi2pi4 errichtete Senkrechte //im,, die
Chordale k trifft, mit P'* verbinden und auf dieser
Verbindungsgeraden die Senkrechte F^'^uu ziehen; als
Besonderheit ist noch zu beachten, dass ^lu auch in
der auf F^^F^^ in P^* errichteten Senkrechten liegt,
weil die Gerade P^^F^^ auf tu senkrecht ist. Die so
construirte Mittelpunktscurve (p^^^* schneidet den Kreis
in den neuen Punkten a, ß und die Gerade i^i in
einem Punkte y, der über die Grenzen der Zeichnung
hinaus fällt und den wir überhaupt nicht weiter in
Betracht ziehen. Da die Punkte a, ß wegen der Sym-
metrie der Systemlagen auch bezüglich der Geraden Ci
symmetrisch liegen, so brauchen wir von der Curve
^1234 jj^j. gjjj kleines Stück in der Nähe von a zu
construiren und wir erhalten ß, indem wir aß senk-
recht auf Cii ziehen. Zu den Kreismittelpunkten «, ß
auf (I>**34 construiren wir die entsprechenden, ähnlich
liegenden Angriffspunkte A^ jB, auf P", '*" und diese
bestimmen die beiden gleichen Führungskreise Kce, K^^
deren Mittelpunkte a, ß sind. Bewegen sich also die
Punkte A, B resp. auf den Kreisen Äa, K^^ so be-
schreibt der Punkt D eine Curve, welche die fünf
Punkte Z>i D^ D^ I)^ D^ mit der Geraden Kd gemein
hat und deren Tangente in Z), mit dieser Geraden zu-
sammenfällt.
Winn die von D beschriebene Curve nur durcli
die vier Punkte Z>i D^ D^ Z>5 gehen soll , so können
wir die beiden auf 6 zu ti symmetrisch liegenden Mittel-
punkte so bestimmen, dass entweder in Z>i, D^ oder
in i>2» D^ die Curventangenten mit der Geraden Kd
zusammenfallen. Bestimmen wir zu je zwei auf dem
335
Burraester, lieber die Geradführung durch das Kurbelgetriebe.
336
Kreise ß in einer Senkrechten zu ^i liegenden Mittel-
))unkten die entsprechenden Angriffspunkte auf dem
Kreise T,, so liegen auch diese in Senkrechten zu ei
und da die so erhaltenen Punktreihen auf S und T,
ähnlich sind, so schneiden sich je zwei Verbindungs-
geraden solcher entsprechender Punkte, wie z. B. a-4,,
ßBij in Punkten, die auf der von P^* auf w, i<i gezo-
genen Senkrechten P^^V liegen und alle diese Verbiu-
dungsgeraden umhüllen einen Kegelschnitt, dessen
Mittelpunkt der Fusspunkt V dieser Senkrechten ist
und dessen einer Brennpunkt in P** liegt; und die
imrallelen Verhindungsgeraden der entsprechenden Punkte
/, i,, A, Li schneiden die Gerade P^^V in den End-
punkten der Hauptachse des Kegelschnittes.*) Wollen
wir nun auf S die beiden Mittelpunkte solcher Kreise
bestimmen, welche den Punkt D so führen, dass die
von ihm beschriebene Curve in den Punkten />|, D^
von der Geraden Kd berührt wird, so müssen wir von
dem Schnittpunkte, welchen die in Z>, auf Kö errichtete
Senkrechte mit der Geraden P»* F bildet, Tangenten
an den genannten Kegelschnitt ziehen, was leicht mit
Hülfe des Brennpunktes P^*, ohne den Kegelschnitt zu
construiren, geschehen kann; diese Tangenten bestimmen
auf dem Kreise S die Mittelpunkte der gesuchten
Kreise und auf dem Kreise T, die entsprechenden An-
griffspunkte. Sollen dagegen in den Punkten D^D^
die Curventangenten mit Kb zusammenfallen, so müssen
wir den zu T^ homologen Kreis T^ construiren, diesen
in Beziehung zu dem Kreise ö betrachten und analog
wie oben angegeben verfahren.
In Figur 39 haben wir die Verhältnisse genommen,
welche Tschebischeff**) durch analytische Ableitung
angegeben hat, und die fünf Systeme SiS^S^S^St^
durch die fünf homologen Geraden D^ P'*, D^P'^^, D^ ^i,
D^P^^, D^P^^ fest gelegt. Prüfen wir diese Verhält-
nisse durch unsere eben in Figur 40 ausgeführte Con-
struction, so zeigt sich, dass in diesem Falle der gerad-
führende Punkt Dl auf der Geraden -4, Bi liegt, und
demnach liegen bei der Geradführung von Tschebi-
scheff fünf Punkte DiD^D^D^D^ der von 1) be-
schriebenen Curve auf der Geraden Kh und die Curven-
tangente in D^ fällt mit dieser Geraden zusammen.
Es ist leicht, die fünf homologen Punkte D^ P**,
D^P'^^, DjCi, Z>4P«*, Z^sP**, wie in Figur 41, so zu
logen, dass die Pole P^'^P'^^ auf einer zu K^ parallelen
*) Burmester, Kinematisch-geometrische Untersuchungen etc.
Schlö milch, Zeitschrift für Mathematik und Physik, Bd. 19,
S. 166.
•*) Verhandlungen des Vereins zur Beförderung des Gewerb-
fleisses in Preussen, 1870. Jahrg. 49. S. 168.
Geraden liegen. Wir nehmen D^P^^ beliebig an, be-
stimmen den Pol P*', ziehen durch diesen zu Kö eine
Parallele, welche die in der Mitte auf D, D^ errichtete
Senkrechte in P** trifft, beschreiben um P'* einen
die Gerade D^j, P*** berührenden Kreis und legen an diesen
Kreis dio Tangente /;, P»*. Die Pole P»*P3* liegen
in gleichen Abständen von der Geraden pi^p^s m^j
in der auf dieser in P*^ senkrecht stehenden Geraden.
In diesem Falle besteht auch dio zweite Mittelpunkt-
curvo <J>^^^^ aus der Geraden lh und dem durch P**
p24p34 gehenden Kreise Ön, dessen Mittelpunkt ^in auf
Cii liegt. Die aus SuLu bestehende Mittelpunktcurve
(P**^^ schneidet den Kreis 6i in den Kreismittelpunkteii
er, ß, denen auf dem Kreise T^ resp. die Angriffspunkte
Ai Bi entsprechen.
In Figur 44 sind zwei beliebige congruente Punkt-
reiheu durch die homologen Strecken AiB^ A^B^
gegeben; es sollen die beiden homologen Punkte i9|,
D.2^ bestimmt werden, welche auf einer Geraden liegen,
die auf der gegebenen Geraden t senkrecht steht. Wir
ziehen zu 'C eine beliebige Parallele ly, projiciren Ax,
Bi senkrecht auf r^ nach A^Bi^ ebenso A^^ B.^ senk-
recht auf t nach A,i\ B^ und ziehen durch den Schnitt-
punkt B, der Geraden -4,' A/, By'B^ auf t eine Senk-
rechte. Diese trifft die Punktreihon in den homologen
Punkten i),, D.^\ denn die durch Projection auf c und
r^ erhaltenen Punktreihen liegen perspectivisch zu dem
Strahlenbüschel, dessen Mittelpunkt B ist.
In Figur 45 ist noch eine andere Construction
der homologen Punkte />,, D^ ausgeführt. Man be-
stimmt den Pol P*'- der durch die homologen Strecken
AiBi^ A^B,^ gegebenen Systeme, indem man in der
bekannton Weise in den Mitten a^^ft** der Verbin-
dungsgeraden Ax -^2, Bi B.2, Senkrechte errichtet, zieht
pi^rfi'^ parallel zu der gegebenen Geraden t und durch
den Schnitt d** mit der Geraden a**6** eine Senk-
rechte auf L. Diese trifft die Punktreihen in den ho-
mologen Punkten i>i, Z).^; denn die Mitten aller Ver-
bindungsgeraden der homologen Punkte der Punktreihen
liegen auf der Geraden a'*^6'*. Statt der Senkrechten
a^^P^"^^ welche den Pol P**^ mitbestimmt, kann man
auch die Halbirungsgerade ?P*^ des Winkels, welchen
die Geraden A^Bi, A.j,B.2. bilden, construiren und auf
diese durch 6'* die Senkrechte 6^*e'* ziehen, welche
alle Mitten der Verhindungsgeraden der homologen
Punkte der Punktreihen enthält.
Um von dieser einfachen Bestimmung der homologen
Punkte />,, Z>i eine Anwendung zu machen, betrachten
wir den Roberts 'sehen Lenker, bei dem die Basisecken
AB eines gleichschenkeligen Dreiecks, Figur 42, sich
auf zwei gleichen Kreisen Ka, Kß bewegen, die
ÄJ7
Dur niest er, Ueber die Geradfttlirung durch das Kurbelgetriebe.
338
Spitze D desselben der geradfuhreiide Punkt ist, und
bei dem die folgenden Längen- Verhältnisse als zweck-
mässig empfohlen werden. *) Die gleichen Ra4ien der
Kreise Kaj Kß haben die. Länge 0,584. Die Basis
Ai Bi =0,593, die Dreieckshöho Ei Di = l,ii2, wenn
der Abstand der Kreismittelpimkte a^ ß als Einheit
genommen wird. Als Grenze des Ausschlages nehmen
wir auf der einen Seite die Lage, bei der das Dreieck
Ai Bi Dl so liegt, dass Aia senkrecht auf aß steht
und ebenso symmetrisch auf der anderen Seite. Con-
struiren wir nun noch die Mittellage An Bn Du und
bestimmen auf den homologen Dreiockshöhen Ei J9i,
Ell Du uach der in Figur 45 angegebenen Weise mit
Hülfe des Poles P" die beiden homologen Punkte,
welche in einer auf Eu Du senkrechten Geraden Kö^
liegen, so ergiebt sich, dass Z>i, Du diese Punkte sind,
deren Abstand von der Dreiecksbasis gleich l,ii2 ist.
Bei jenem Roberts 'sehen Lenker hat demnach die
von D beschriebene Curve die drei Punkte />i, Z)ii,
2>iii mit der Geraden Kö^ gemein und die Curven-
tangente in Du fällt mit dieser Geraden zusammen.
Nehmen wir die Lagen -4|1?,, A.^B.2^ an und be-
stimmen mittelst des Poles P*^ auf den beiden homo-
logen Dreieckshöhen die homologen Punkte />,, D^^
welche in einer auf der Symmetrallinie ^ senkrechten
Geraden Kö liegen, so zeigt sich, dass der Abstand
dieser Punkte von der Dreiecksbasis kleiner als l,ir2 ist.
In diesem Falle hat aber die von dem geradführenden
Punkte beschriebene Curve die vier Punkte D^ />. D^ D^
mit der Geraden Kd gemein.
Die Höhe und Basis des Dreieckes ändern sich
sehr, wenn wir den Roberts 'sehen Lenker so. ein-
richten, dass die Curve, Figur 43, fünf Punkte DiD^
i>3 D^ Df, und die Tangente in D^ mit einer auf Ci
senkrechten Gefaden gemein hat. Wir haben in Fi-
gur 43 dieselben Verhältnisse >vie in Figur 42 genom-
men. Es ist «';':?' = 1, j4i'jBi' = 0,593, und die Radien
der um a', ß* beschriebenen gleichen Kreise Jf«', Kß*
Bind gleich 0,584; ferner ist u* Ai senkrecht a* ß' ge-
legt und die Lage Z>i P-** so gewählt, dass der Abstand
der beiden homologen Punkte />,, 7>.j, welche auf einer
zu bestimmenden, auf ti senkrechten Geraden Kb liegen,
gleich />.^/>3 ist. Durch DiP'\ D.^P^^ sind die be-
züglich Z>3 Ci symmetrisch liegenden homologen Geraden
DsP^^, D^P^* bestimmt. Nun verfahren wir in der-
sellien Weise, wie in Figur 40, und bestimmen die
Mittelpunktcurve (P'*"**, welche aus dem durch P»«P»*
gehenden Kreise S, dessen Mittelpunkt fti auf Ci liegt^
•) „Hotte*'. Taschenbach. 9. Aufl. Seite 866.
CivUlngraiear XXIH.
und aus der Geraden Ci besteht. Da die Kreise Ka
nnd'Kß* vier homologe Punkte tragen, so muss der
Kreis S auch durch die Kreismittelpunkte et', ß* gehen.
Die AngriflFscurve Fi '*** besteht aus dem durch P**pi*
gehenden Kreise Ti, dessen Mittelpunkt m^ auf i>i P**
liegt und aus der Geraden Z), P**. Da die Punkte
Ai\ Bi mit ihren homologen Punkten der betrachteten
Systeme resp. auf den Kreisen Ka\ Kß* liegen, so muss
der Kreis Ti auch durch diese beiden Punkte gehen.
Mittelst des Orthogonalkreises xn und des Curvencen-
trums /«ii ist ein kleines Stück der Mittelpunktcurve
^1234 in bekannter Weise construirt, der Schnittpunkt
ß, welchen a>»*^3* mit ö bildet, bestimmt, und dann
ßa senkrecht Z>, li gezogen. Den Kreismittelpunkten
«, ß entsprechen auf T, resp. die Angriffspunkte -4i,
Bi und diese sind durch die bekannte Beziehung, dass
die entsprechenden Punktreihen auf S und T, ähnlich
sind, dass also aßa* ß* c>oAiBi Ai' Bi* leicht zu be-
stimmen. Nehmen wir auf dem Kreise ö zwei belie-
bige zu />3 Li symmetrisch liegende Kreismittelpunkte
an, bestimmen die entsprechenden Angriffspunkte auf
dem Kreise T, und durch diese die Führungskreise, so
beschreibt der geradführende Punkt D stets eine Curve,
welche die vier Punkte Di D^ D^ D^ mit der Geraden
Kö gemein hat. Von allen Punktpaaren liefert aber
das Paar cf, ß die beste Geradführung; denn bei dieser
hat die beschriebene Curve die fünf Punkte Di Z).^ i>,
D^Df, und die Tangente in D^ mit der Geraden Kö
gemein.
Nehmen wir in allen auf Tafel XVI für die Ge-
radführungen gezeichneten Figuren statt der Geraden
K$ einen grossen Kreis Kö, dessem Mittelpunkt auf
der Symmetrallinie li liegt, so wird nur .die Construo-
tion der zweiten Mittelpunktcurve <2>'*34 modificirt,
d. h. in der allgemeineren Form, welche wir im IL Theil
S. 246 angegeben haben, ausgeführt; wir erhalten in
allen diesen Fällen dann sehr genaue Kreisführungen,
bei denen die von dem kreisführenden Punkte beschrie-
bene Curve die fünf Punkte Di D^ D^ D^ D^ und die
Tangente an D^ mit dem Kreis Kö gemein hat, und
alle diese Kreisführungen und Geradführungen, für
welche wir in dieser Abhandlung die Mittel zur con-
structiven Bestimmung dargelegt haben, können durch
Anbringung des Storchschnabels oder Watt 'sehen Pa-
rallelogrammes zur Erzeugung anderer Kreisfiihrungen
und Geradfiihrungen dienen.
Durch die Anwendung unserer abgeleiteten theore-
tischen Beziehungen werden wir manche in der Praxis
vorkommende Curven- und Lagenfuhrungen durch das
Kurbelgetriebe hervorbringen können und wir werden
volle Klarkeit auch in den Fällen erhalten, wo dies
22
339
Burmester, Ueber die Geradführung durch das Kurbelgetriebe.
340
praktisch nicht ausfuhrbar ist. Z. B. bei dem Mor-
gan 'sdieu Ruderrade soll jede Schaufel drei bestiinmte
Lagen bei jeder Umdrehung annehmen. Wird nun ge-
fragt, ob dies praktisch durch ein Kurbelgetriebe er-
reicht werden kann, so zeigt sich zunächst, dass jedem
Punkte der Schaufel, an den die Führungsstange an-
greift, ein Punkt (Mittelpunkt) entspricht, um den sich
die Stange dreht. Das System der Angriffspunkte Si
und das System -i'*^ der Mittelpunkte stehen in der
oben betrachteten Verwandtschaft zweiten Grades und
nach der Bestimmung der Pole und Hauptpunkte zeigt
sich sogleich, dass für die beim Morgan 'sehen Ruder-
rad verlangten drei Schaufelstellungen jedem Angriffs-
punkte an der Schaufel ein Mittelpunkt oder Drehpunkt
der betreffenden Führungsstange entspricht, dessen Ab-
stand von der Radwellenachse grösser ist, als der Abstand
des Angriffspunktes von der Achse, um welche sich die
am Radkranz befestigte Schaufel dreht, und dass demnach
das Kurbelgetriebe hier nicht angewendet werden kann.
Um eine Anwendung unserer theoretischen Resul-
tate in einer anderen Richtung zu zeigen, wollen wir
noch einmal von dem Kurbelgetriebe abgehen und die
Auf hängung der Coulisse, wie sie bei der Gooch 'sehen
Coulissensteuerung erfordert wird, bestimmen. Für das
Beispiel Figur 38 ist in Vft natürlicher Grösse die
Excentricität = 0,06, die Länge der Excentei*staugen
Z=l,20, die Länge der Coulissensehne -4i J?i = 0,30
und der Yoreilungswinkel =20" genommen.*) Es
sind die Curven construirt, welche die Coulissenpunkte
Ai J5i beschreiben , wenn der Sehnenmittelpunkt Z>,
sich auf der Geraden Kd bewegt. Es soll nun der
Kreis Ky bestimnft werden, auf dem ein entsprechender
Punkt C der Coulisse sich bewegt, so dass der Sehnen-
mittelpunkt D eine Curve beschreibt, Avelche sich mög-
lichst nahe an die Gerade Kd anschliesst. Während
der ganzen Bewegung nimmt die Sehne zwei in 7>, , D^
auf üTd senkrechte Lagen J^il^i, Ä^B^ und zwei zu
Kö symmetrische Lagen A^B.^^ ^^B^ an, welche sich
in der Mitte P*"* von Z>, D^ schneiden. Die homologen
Strecken A^B^, A^B^ und A^B^, A^B^ liegen bezüg-
lich der in der Mitte auf D^ 1)^ senkrecht stehenden
Geraden 1" symmetrisch. Wir haben demnach hier
analoge Lagenverhältnisse, wie die, welche bei den auf
Tafel XVI gezeichneten Geradfühiningen angenommen
wurden. Die homologen Punkte D^ D"^ fallen in dem
Pole P-^ zusammen, der Pol P*^ liegt, weil A^B^y
A3 B3 parallel sind, im Unendlichen, und die vier Pole
pi2 jinpi3p'i4 befinden sich in gleichem Abstände von
*) Zeuner, Schiebersteuerungen. 4. Aufl. S. 115.
L und liegen auf einem Kreise ö, dessen Mittelpunkt P**
ist. Hiernach besteht die Mittelpunktcurve O der durch
die vier homologen Strecken Ai Bi^A^B^^ A^B^^ A^ B^
bestimmten congruenten .Systeme aus dem Kreise S
nebst der Geraden I.", und die Angriffscurve Fi bestellt
aus dem durch P^^pi* gehenden Kreise Ti, dessen
Mittelpunkt />i ist, und der Geraden Ai jB», die wir mit
Zi bezeichnet haben. Die Kreise ß und Ti sind gleich,
und einer Reihe von Kreismittelpunkten auf S ent-
spricht dann eine congruente Reihe von Angriffspunkten
auf Ti, und je zwei entsprechende Punkte liegen in
Geraden, die zu Kö parallel sind. Auf diese Weise
würden wir unendlich viele gleiche Führungskreise er-
halten, durch welche der Punkt D so geführt wiid,
dass die von ihm beschriebene Curve die vier Punkte
D^D^D^D^ mit der Geraden Kö gemein hat; aber
diese gleich grossen Kreise, deren Durchmesser gleich
der Länge /^ /^a sind, werden bei der Bewegung der
Coulisse vollständig durchlaufen und sind für die Auf-
hängung der Coulisse ungünstig und unbrauchbar.
Einer Reihe von Kreisraittelpunkten auf der Geraden
^ entspricht eine projectivische Reihe von Angriffs-
punkten auf der Geraden z^ und dem unendlich fernen
Punkte auf t entspricht der Sehnenmittelpunkt D^ als
Angriffspunkt. Diese Aufhängung würde die beste sein,
aber sie ist durch einen Kreis praktisch nicht erreich-
bar. Wir nehmen daher auf 1* einen Punkt ;' so hoch
über P** an, als es die Verhältnisse in der Praxis ge-
statten und bestimmen auf Zi den entsprechenden An-
griffspunkt C, in der bekannten oft ausgeführten Weise
oder auch mittelst der projectivischen Beziehung der
beiden Punktreihen, auf denen die beiden oberen und
die beiden unteren Schnittpunkte von T, 6 und sSi, Ti
entsprechende Punkte sind. Bewegt sich der Coulissen-
punkt C auf dem Kreise Ky, dessen Mittelpunkt y ist,
so beschreibt der Sehnenmittelpunkt D eine Curve,
welche die vier Punkte />i />2 /^ -Ö4 in jenen vier Lagen
der Coulisse mit der Geraden Kö gemein hat. Wenn
wir nach der von Rittershaus angegebenen, auf S.
332 erwähnten, Bestimmung die beiden Tangenten in
dem Doppelpunkte P^^ an dieser Curve construireu,
so weichen diese Tangenten nur sehr wenig von der
Geraden Kö ab, und es ist der Angriffspunkt C, bei
einer Aufhängung in y für die horizontale Führung
des Punktes /> günstiger, als der Sehnenmittelpunkt A
den man bei der praktischen Ausführung als Angriffs-
punkt zu nehmen pflegt; denn diesem entspricht der
unendlich ferne Punkt der Geraden C als Aufhänge-
punkt.
In der Kinematik werden die Geradfuhmngen bis
jetzt meist aus dem Ellipsenlenker abgeleitet und daher
341
Burmester, lieber die GeradfQhrung durch das Kurbelgetriebe.
342
wollen wir denselben noch von unserem neuen Gesichts-
punkte aus betrachten. Bewegen sich zwei Punkte AB
eines Systemes S, von dem wir in Figur 46 vier Lagen
AiBi, A^B.^, A^B^, A^B^ angenommen haben, resp.
auf der Geraden Ka, Kß, die sich in einem Punkte d
schneiden, dann beschreiben bekanntlich die System-
punkte, welche auf dem durch d A^ B^ gehenden Kreise
Ti liegen, Gerade, die sich in d schneiden ; der Mittel-
punkt Z>, dieses Kreises durchläuft den Kreis üTä,
dessen Mittelpunkt d ist, und alle anderen System-
punkte erzeugen Ellipsen, für welche ö der gemein-
schaftliche Mittelpunkt ist. In diesem besonderen Falle
tritt eine Ausnahme des Satzes S. 320 ein; denn be-
trachten wir hier fünf System lagen, so giebt es nicht
vier, sondern unendlich viele Kreise, welche durch fünf
homologe Punkte gehen, d^ h. alle durch 5 gehende
Gerade, die wir als unendlich grosse Kreise ansehen,
und der Kreis Kö tragen fünf homologe Punkte. Aber
diese Kreise tragen nicht nur für jene fünf Lagen,
sondern für. alle Lagen des Systems homologe Punkte.
Wird nun ein Stück von einer jener Ellipsen oder Ge-
raden durch ein Kreisstück, welches sich demselben
sehr nahe anscliliesst, und ferner ein Kreisstück von
Kd für die Führung des Systems gewählt, so beschreiben
alle auf dem Kreise Tj liegende Punkte den durch d
gehenden Geraden angenäherte Curvenstücke. Falls
die Lage des Kreises Kd für die praktische Ausfüh-
rung nicht günstig ist, kann statt dessen ein Kreis-
stück benutzt werden, welches sich einem Stücke einfer
zweiten Ellipse oder Geraden sehr nahe anschliesst.
Da alle Punkte des Kreises Ty Gerade durchlaufen,
so ist der Kreis T, ein Bestandtheil der Angriffscurve
jPi und jedem Punkte dieses Kreises entspricht auf der
Mittelpunktcurve <P ein unendlich ferner Punkt; somit
gehört die unendlich ferne Gerade zu der Curve (P.
Hiemach besteht die Angriffscurve Fi aus dem Kreise
T, und aus einer durch seinen Mittelpunkt Di gehen-
den Geraden Zi ; ferner besteht die Mittelpunktcurve (P
aus der unendlich fernen Geraden und weiter aus einer
gleichseitigen Hyperbel Z; diese geht in zwei recht-
winkelige Gerade über, wenn die Geraden Ka, Kß auf
einander senkrecht stehen und die vier Lagen zu zweien
bezüglich einer dieser Geraden symmetrisch liegen.
Die sechs Pole P^^P^, pi8p24^ pi4p«3^ y^n denen
hier keine im Unendlichen liegen, müssen nach Figur
16 und S. 248 resp. Durchmesserendpunkte der Hy-
perbel Z sein; ferner müssen die sechs Punkte P^^Pi^^
pi3p^24^ pup^is auf dem Kreise 2\ in parallelen
Sehneu sich befinden, auf denen die Gerade Di Zi senk-
recht ist. Da alle Punkte des Kreises Ti sich auf Ge-
raden bewegen, die durch 5 gehen, und Pi^^P'^^,
Pj24p24^ p^34p34 j.ggp eutsprechonde Punkte sind, so
müssen die Verbindungsgeraden dieser Punkte, welche
beziehungsweise auf den Geraden P»*P", P^'^p^\
pispu senkrecht stehen, sich in dem Punkte d schnei-
den. Den Kreismittelpunkten auf der Hyperbel Z ent-
sprechen die Angriffspunkte auf der Geraden Zi ; dem
Hyperbelpunkte d entspricht der Punkt i>i, und den
beiden unendlich fernen Punkten der Hyperbel ent-
sprechen die Punkte Li, Ni^ in welchen die Gerade z^
von dem Kreise Ti geschnitten wird. Da diese Punkte
sich auf den Geraden dii, dNi bewegen würden, so
stehen die Asymptoten der Hyperbel auf dLi, öNi
senkrecht. Soll durch einen Ellipsenlenker eine vier-
punktige Geradführung erzeugt werden, so muss man
jene vier Systemlagen zweckmässig annehmen, die bei-
den Mittelpunkte der Führungskreise auf der Hyperbel
Z passend wählen und die entsprechenden Angriffs-
punkte auf der Geraden Zi bestimmen.
Wir haben in dieser Abhandlung vorzugsweise die
Anwendung der abgeleiteten theoretischen Resultate
auf die Geradtuhrung und Kreisfiihrung gezeigt; und
wir sind hiernach zu der Ueberzeugung berechtigt, dass
diese Resultate künftig in gleicher Weise bei der Be-
stimmung der mannigfaltigen Lagen- und Curvenfüh-
rungen angewendet werden, dass sehr oft eine verlangte
Bewegung, die durch eine Nutenführung oder durch
einen complicirten Mechanismus erreicht wurde, sehr
angenähert innerhalb bestimmter Grenzen auch durch
das Kurbelgetriebe hervorgebracht werden, kann.
22'
Ueber den Ausfluss der permanenten Gase mit Beziehung auf die Hypothese
von de Saint-Venant und Wantzel.
Von
J. lUeek in Wien.
Die mechanische Wärmetheorie führt bei ihrer
Anwendung auf das Ausflussproblem der permanenten
Gase bekanntlich auf Formeln, die wohl bei geringem
Ueberdruck mit den experimentellen Untersuchungen
befriedigend übereinstimmende Resultate liefern, bei
hohem Ueberdrucke sich aber als unzulänglich erweisen
und für den Fall, dass das Ausströmen in den luft-
leeren Baum erfolgt, sogar auf das unmögliche Ergeb-
niss führen, dass unter dieser Annahme die Ausfluss-
menge Null sein sollte.
Bei Gelegenheit der Vorführung ihrer hierauf be-
züglichen Versuche verbreiten sich die beiden Experi-
mentatoren Zeuner und Fliegner auch eingehend
über die nähere Darstellung dieser sonderbaren Ver-
hältnisse (siehe Civilingenieur , Bd. XX, S. 1 u. S. 13)
und findet sich daselbst auch die Literatur die^r Streit-
frage angegeben.
Aus den erwähnten Versuchen lässt sich entnehmen,
dass die zum ersten Male von de Saint-Venant und
Wantzel aufgestellte und später auch von Weisbach
entwickelte Ausflussformel dainim keine allgemeine Gil-
tigkeit besitzt, weil der Druck des ausströmenden Gases
in der Vorlage dem äussern Luftdrucke gleich gesetzt
wurde. Unter dieser Annahme liefert die obige Formel
beim Ausfluss in die Luftleere eine endliche Ausfluss-
geschwindigkeit und dadurch wird es leicht erklärlich,
dass dann die Ausflussmenge, mit Rücksicht auf die
unendlich geringe Dichte der ausströmenden Luft, eben-
falls unendlich klein gefunden wird.
Die Spannung der Luft in der Vorlage muss also
einen endlichen Werth haben, wenn auch der äussere
Druck verschwindend klein oder Null gedacht wird.
Sobald aber diese Basis als feststehend angenommen
wird, verliert man gleichzeitig hiermit jedweden theo-
retischen Anhaltspunkt, wie gross eigentlich der frag-
liche Druck im Vergleiche zum äussern Gegendruck
und innern Gefässdruck sein wird; es lässt sich blos
behaupten, dass der erstere Druck zwischen den beiden
letzteren gelegen sein müsse, sowie dies der Natur der
Sache entspricht.
Die präcise Feststellung der Spannung in der Vor-
lage kann also nur durch Experimente geschehen und
zwar entweder durch directe Messung derselben oder
durch Vergleich der wirklichen Ausflussmenge mit jener,
welche die Formel giebt, worauf sich dann auf die
fragliche Spannung rückschliessen lässt.
Die directe Messung des Druckes in der Vorlage
hat Professor Fliegner bei seinen Versuchen vornehm-
lich im Auge gehabt, wobei er zu dem Schlüsse gelangt,
däss dieser Druck jederzeit grösser als der äussere sei ;
für das Verhältniss desselben zum innern Druck findet
er den Grenzwerth lim. =0,5767.
Po
Den zweiten Weg, welcher indessen die Kenntniss
des Ausfluss Widerstandes voraussetzt, betritt Emil Her-
mann in einer gleichfalls sehr beachtenswerthen Ab-
handlung in der Zeitschrift des östeireichischen In-
genieur- und Architekten- Vereins, Jahrgang 1876, S. 37,
an welcher Stelle er die Versuche Zeuner*s und Flieg-
ner 's einer Berechnung unterzieht und unter Zugrunde-
legung der Hypothese von de Saint-Venant und
Wahtzel, was die Ausflussmenge anbelangt, eine nahe-
zu vollkommene Uebereinstimmung mit den Versuchs-
resultaten constatirt, wogegen sich jedoch, wie wir später
sehen werden, noch Einwendungen erheben lassen.
Wenn nun auch durch die bisher angestellten Ver-
suche über den Ausfluss der Luft bei hohem Ueber-
druck die zum Mindesten annähernde Richtigkeit der
Hypothese von de Saint-Venant und Wantzel als
zweifellos anzunehmen ist, so bleibt es doch vom theo-
retischen Standpunkte aus nicht sonderlich einleuchteDd,
warum sich in der Vorlage gerade jener Druck ein-
345
II leck, Ueber den Ausfluss der permanenten Gase u. s. w.
346
stellt, welcher dem Maximum der Äusflussmenge ent-
spricht. Die hierdurch bedingte Verschiedenheit des
Ausflussgesetzes bei hohem und bei geringem Ueber^
druck veranlasst sogar Fliegner zu der Bemerkung,
dass der Minimaldruck in der Vorlage mit dem Maxi-
mum der Ausflussmenge nur scheinbar zusammenhänge
oder vielmehr zufällig übereinstimme, welcher Ansicht
auch Grashof (siehe dessen theoretische Maschinen-
lehre, S. 580) beipflichtet.
Die nachfolgenden Betrachtungen bezwecken nun,
einestheils darauf aufmerksam zu machen, dass die Be-
wegungsgleichungen der permanenten Gase, insofern sie
ohne Einschränkung gebraucht werden ^ auch noch auf
Widersprüche anderer Art fuhren, welche nur dann
verschwinden, wenn das Verhältniss des innern Druckes
zu jenem in der Vorlage einen gewissen Werth nicht
überschreitet. Zu diesem Ende wollen wir uns in Fig. 1
vorstellen, dass sich das Ausflussgefäss vom Querschnitt
Fq = (x> bis zum Querschnitt JF*, die Vorlage hingegen
von F bis F^ erstrecke. Die Spannungen und Ge-
schwindigkeiten seien in diesen drei Querschnitten be-
ziehungsweise P(yf p, Pi und a;,) = 0, cu und cuj. Vom
Querschnitte F^ aus denken wir uns entweder die Vor-
lage, etwa mit gleicher Weite, ins Unbestimmte ver-
längert, oder es werde F^ als Ausflussquerschnitt in
die Luftleere versetzt gedacht.
woraus
T, -T
/o) y T„ — T Ti r,
T, 1
x>-
ti/^'-O
.w^
Fig. 1.
In der Folge haben wir nun die zwei Fälle JP> Fj
und F<^Fi9 als principiell von einander verschieden,
zu erledigen.
I. F>F,.
Die Geschwindigkeiten oj und w, in diesen Quer-
schnitten ergeben sich aus den Formeln:
(1)
folgt. Ohne Wärmezu- oder Abfuhrung ist aber:
Setzen wir diese Werthe in Gleichung (1), so er-
giebt sich mit Rücksicht auf die Continuitätsgleichung :
F^ _ ^1 ^
Das Verhältniss der Querschnitte
^1 — _^i ^ _ / P_ \—
F
V w,
\p,}
\pj \pj
*— 1
X
\Pi/ :
Schreiben wir der Kürze halber:
5^=y; f =* und '-»-=«,
so haben wir jetzt die Gleichung
(2)
V'-
(3)
einer Discussion zu unterziehen.
Es folgt zunächst:
für x = l;
d. h. wenn die Querschnitte F^ und F gleich sind, so
sind es auch die Spannungen p^ und p und ebenso die
Geschwindigkeiten u^ und w, von den Bewegungswider-
ständen natürlich abstrahirt.
Hingegen folgt für:
daher F = Ff^ = Qo.
Bis hierher wäre noch alles in Richtigkeit; sehen
wir nun aber, was geschieht, wenn allgemiein:
347
II leck, lieber den Ausflugs der permanenten Gase mit Beziehung
348
1?
V
gesetzt wird; beispielsweise sei:
Pij=b Atm.
p =2
p,^l
also a = 5
und X = 2.
Mit diesen Zahlenwerthen findet sich aus Gl. (3):
F
y = y = l,293;
daher im Allgemeinen, wenigstens vorläufig,
i\xv p>pi,
F<F,
anzunehmen wäre. Hier hätten wir also schon ein ent-
schieden widersinniges Resultat zu verzeichnen, da sich
schwer einsehen lässt, dass für p^p^ der Querschnitt
F kleiner als F^ sein müsse, vielmehr unbedingt das
Gegentheil davon zu erwarten stand. Wir wollen in-
dessen vorläufig von diesem Widerspruche absehen und
vorerst noch den Verlauf der Curve y = f{x) nach
(iL (3) näher festzustellen trachten.
Gleichung (3) differenzirt giebt:
X— 1 *— 1
— . y a « — a? *
X — 1
(4)
Hieraus findet sich für
X
a
dy
dx
OD.
Die Gerade x=^a bildet also eine Tangente an die
Curve y = f{x) im Punkte j '
(y = 0.
Die obigen Andeutungen genügen, den Verlauf der
fraglichen Curve zu beurtheilen und ist letztere hier-
nach in Fig. 2 verzeichnet.
Die Form der Curve BCD, welche letztere die
Curve y = f(x) darstellt, lässt sofort erkennen, dass
die Ordinate y einen Maximalwerth besitzt; die letz-
terem zugehörige Abscisse x^^ liefert Gl. (4), wenn
dy
dx
=
gesetzt wird, und folgt hieraus:
z,=u{^y-i=o,
5266 a
(5)
Desgleichen wird aus der Figur ersichtlich, dass
es ausser a; = 1 noch einen zweiten Werth für x geben
Fig. 2.
müsse, für welchen y==l wird; man findet in der
That, dass unter Beibehaltung der obigen Zahlenw^erthe
auch
a; = 4,216
eine Wurzel der Gleichung:
r a * —»1
(6)
ist. Aus dem Ganzen ist aber zu entnehmen, dass das
Curvenstück -BC in Figur 2 die zu beanstandenden
Werthe y > 1 liefert , für welche der Quei-schuitt F
kleiner als F^ wird.
Um die vorliegende Aufgabe einer naturgemässen
Lösung zuzuführen, haben wir zu überlegen, ob die
Punkte B und C nicht zum Zusammenfallen zu bringen
sind.
Dies wird der Fall sein, wenn wir das Maximum
von y auf den Punkt B verlegen, wonach
zu setzen ist. Gleichzeitig ist dann nach Gl. (5)
und folglich:
x + 1
tfiax
.« = (?^)x--I = l,
8990.
Man findet also für das Verhäitniss — den Mazi-
Pi
malwerth:
max. - = 1,8990
Pi
und dieser ist identisch mit jenem, für welchen nach
der Ausflussformel von de Saint -Venant und
Wantzel die Ausflussmenge ein Maximum wird.
349
auf die Hypothese von de Saint-Venant und Wantzel.
350
Zu beachten ist aber, dass das Verhältniss — im
Sinne dieser Darstellung auch kleiner als 1,9 sein
könnte; nur grösser darf es nicht werden, ohne gegen
die Bedingung F^Fy zu Verstössen. Setzen wir
schliesslich den Werth für max . a in Gl. (2), so findet
sich das Querschnittsverhältniss
F
ist.
Diese Formel ist zu verwenden, so lange
Po>P>Pi
(7)
IL F, > F.
Es ist einleuchtend, dass für diesen Fall, wo^^jPi
sein muss, nicht mehr , sondern - einen Maximal-
JPi P
werth annimmt. Im Uebrigen bleibt der Gang der
Entwicklung derselbe wie früher und erhält man analog:
woraus
Po
fnax. — =^
x+ 1\
=(-?')-=■.
= 1,8990
und damit:
x-f-l
2
(8)
r ^1 A + ')(1)--Hr)
folgt, und diese Formel ist zu verwenden, so lange
t
Po>Pi>P
ist.
Die Formeln (7) und (8) beziehen sich, wie aus
deren Ableitung hervorgeht, zunächst auf zwei Quer-
schnitte F und Fy , welche zwischen dem Ausflussge-
fäss und dem eigentlichen Ausflussquerschnitt gelegen
sind und hat mau sich daher vom Querschnitt F^ aus
die Vorlage ins Unbestimmte fortgesetzt zu denken,
wobei von dem hierdurch auftretenden Leitungswider-
stande natürlich abzusehen ist.
Da es sich demgemäss im Querschnitte F^ nur um
die widerstandslose Ableitung der Ausflussmenge han-
delt, so wird an der Sachlage nichts geändert, wenn
man die Vorlage bei F^ abbricht und sich vorstellt,
dass der Ausfluss in die Luftleere erfolgt. Meines
Erachtens bleibt der Fall sogar noch dann derselbe,
wenn man sich den äussern Luftdruck von auf p^
anwachsend denkt; blos die Form des ausfliessenden
Luftstromes wird hierdurch alterirt und die Vernich-
tung oder Aufzehrung der in ihm angesammelten leben-
digen Kraft vollzieht sich in anderer Weise. Wird
schliesslich der äussere Luftdruck grösser als p^, so
muss von da an auch die Spannung der Luft in der
Vorlage steigen, wonach das gewöhnliche Ausflirssgesetz
in Kraft tritt, bei welchem der äussere Druck und jener
in der Vorlage, vom theoretischen Standpunkte aus,
gleich sind.
Selbstverständlich ist die bisher gegebene Darstel-
lung des Ausflussproblems noch weit davon entfernt,
eine Lösung desselben zu sein ; dieselbe bietet aber den
Vortheil, dass die Herleitung des für den Druck in der
Vorlage bestehenden Grenzwertlies auf einem Wege ge-
schieht, der natürlicher erscheint, als der bisher einge-
schlagene, denselben ohne Weiteres mit dem Maximum
der Ausflussmenge in Beziehung zu setzen, mit welchem
er a priori in keinem nothwendigen Zusammenhange steht.
Um eine strengere Lösung des vorliegenden Pro-
blems zu erhalten, müsste man den Grenzwerth --
Pi
aus den Bewegungsgleichungen der permanenten Gase
unmittelbar ableiten, ohne weitere Erfahrungssätze odei*
sonstige, mehr oder minder begründete Annahmen zu
Hilfe zu nehmen.
Dieser Weg scheint mir nicht unmöglich zu sein
und möge deshalb in weiterer Ausführung dieses Ge-
dankens noch folgende kurze Betrachtung Platz finden,
welche jedoch Resultate liefert, die mit den obigen
nicht ganz übereinstimmen, ohne deshalb aber unwahr-
scheinlicher zu werden.
Zu diesem Ende wollen wir die Maximalgeschwin-
^digkeit bestimmen, welche ein Luftstrom von bestimmter
Temperatur in einer Rohrleitung von gleicher Weite
annehmen kann.
Die Bewegung der Luft in einer solchen Rohr-
leitung wird durch die Gleichungen:
^ "^ —
^9
vdp.
0)
V
'0 "U
pv = RT
bestimmt; die Verbindung der beiden ersten giebt:
-=i+fl(i-C) • • • •
(9)
worin
TT — '*'•'
ist; die beiden letztern Gleichungen geben:
351
II leck, Ueber den Aasfluss der permanenten Gase mit Beziehung
352
T.:
u
und damit folgt aus Gl. (9):
0)
Oi,
1 + ß
-f
i/(-'-fo-
ß
To
(10)
wobei
^ 2//o
ist. Wie leicht nachweisbar, bezieht sich in Gl. (10)
das positive Zeichen auf /? < 1 , das negative Zeichen
hingegen auf /^> 1.
Aus Gl. (10) folgt zunächst:
für T=T^,
Dieses Resultat ist darum bemerkenswerth, weil es
sich anscheinend ganz unabhängig von ß^ also auch un-
abhängig von der anfänglichen Geschwindigkeit u^ stellt,
die hiernach sogar oo sein könnte.
Dies ist aber, genauer betrachtet, keineswegs der
Fall und lässt sich der Beweis hierfür leicht aus Gl.
(10) selbst ableiten.
Setzen wir zu diesem Ende vorerst
/^<1
voraus, so lassen sich nunmehr zwei Fälle unterscheiden :
1) Mit Wärmezufuhr ung, wofür T> T^, ist, erhält
man:
80 z. B. wird für den Maximalwerth
inax
0)
ß \ 2
1 + ^
)\,
CO
<1.
2} Mit Wärmeabfühi-ung, wofür T<CTq ist, erhält
man:
so z. B. wird für den Minimalwerth
J-min V,
a>
W
= 1+^>1.
Beide Fälle sind gleich unmöglich, da bei Wärme-
zuführung die Geschwindigkeit wachsen und umgekehrt
bei Wärmeabführung abnehmen muss ; diese Bemerkung
lässt sich aus den obigen Bewegungsgleichungen folgern,
ist also diesmal kein blosser Erfahrungssatz.
Daraus wird der Schluss gerechtfertigt, dass der
Werth ß <il auch für die adiabatische Bewegung, d. h.
ohne Wärmezu- oder Abführung, wofür T^=^Tq ist,
nicht denkbar ist.
Hingegen überzeugt man sich auf analoge Weise
leicht, dass der Werth /^> 1 in allen drei Fällen gleich
möglich ist.
Aus diesen Betrachtungen lässt sich somit der
Minimalwerth von ß
^-- — 2/7o""
feststellen, woraus
max.H,
l^T,
folgt. Damit findet sich die grösste Geschwindigkeit,
welche die Luft bei gegebener Temperatur T^ in einer
Rohrleitung von gleicher Weite annehmen kann:
ma^
.0,0=^2, -'-?^r,
A 2x
während sich nach der frühem Darstellung ans
• • . (11)
0)
2
^2^,='(^'-^'
7nax . Mq
= \/^9V-^T.
A x+l ^
ergiebt. Nach dieser Anschauung würde sich also die
maximale Geschwindigkeit eines Luftstromes etwas ge-
ringer als nach der Hypothese von de Saint- Venant
und Wantzel stellen.
Setzen wir nun, auf unser ursprüngliches Ausfluss-
problem zurückkehrend:
so findet sich allgemein:
7!) 3x — 1 ^ .^.
^= 2 r^ ''•*•'* • • • • ^'^^
Es handelt sich jetzt nur noch um die Au&tellung
des Gesetzes, nach welchem sich die Spannung mit der
Temperatur während der Bewegung ändert und in dieser
Hinsicht sind nun zwei Fälle zu unterscheiden.
Wird von den Bewegungswiderständen abstrahirt,
so ist:
Dieser Ausdruck in Gl. (12) gesetzt, giebt:
p^ \ 2x / ' '
oder
in.^ = ^^*'-.)i^i =0,6270 . . . (13) ,
Po \3x— 1/
-^-(^)
X — 1
max
mm
353
auf die Hypothese von de Saiut-Venant und Wantzel.
354
Hiugegen erhielten wir, dem Maximum der aus-
strömenden Luftmenge entsprechend:
Ml« . — == 0,5266.
Po
Nimmt man aus diesen beiden Werthen das arith-
metische Mittel:
MWI. — =0,3768,
Po
80 ist dies merkwürdigerweise genau derselbe Werth,
den Fliegner aus seinen Versuchen gefolgert hat.
Wenn dieses Resultat auch einer blossen Zufällig-
keit entspringen mag, so zeigt es doch hinlänglich,
dass wir uns mit der neuen Anschauung von der Wirk-
lichkeit nicht weiter entfernen, als die Hypothese von
de Saint-Venant und Wantzel, wenn auch im ent-
gegengesetzten Sinne.
Der Gedanke liegt nun sehr nahe, dass die gefun-
dene Abweichung von dem Fliegner'schen Grenzwerth
durch den Bewegungs widerstand veranlasst werde, der
bisher noch keine Berücksichtigung fand. Um hierüber
mehr ins Klare zu kommen, benützen wir die von
Zeuner aufgestellte Widerstandstheorie und setzen für
den erwähnten zweiten Fall:
h (?)■•■•
wobei n <1 X den Ausflussexponent nach Zeuner 's An-
schauung bedeutet. Damit erhalten wir nun aus Gl. (12):
Auf Grund der Fliegner 'sehen Versuche haben
wir nun zu setzen:
und hieraus findet sich der Ausflussexponent:
» = 1,3276;
und weiter der Widerstandscoefficient:
Es muss zugestanden werden, dass dieses Besultat
ein relativ sehr befriedigendes ist und sich überdies vor-
züglich dazu eignet, die bisher zwischen den genannten
Autoren bestehenden Differenzen auszugleichen.
Wenn z. B. Emil Hermann (S. 41 der genannten
Abhandlung) den von Fliegner gefundenen Versuchs-
weilih
?ÄI*».-— =0,5767
JPo
•
zu gross findet und weiter die Zeuner 'sehe Wider-
standstheorie nicht für allgemein giltig hält, weil er
für cylindrische, innen abgerundete, kurze Mundstücke
mit Benutzung der Zeuner 'sehen Ausflussversuche bei
hohem üeberdruck den Ausflusscoefficienten pi = \ er-
hält, so wird dieses Resultat leicht dadurch erklärlich,
dass er seinen Berechnungen für diesen Fall die zu
grosse Maximal - Ausflussgeschwindigkeit , welche der
Hypothese von de Saint-Venant und Wantzel ent-
spricht, zu Grunde legt.
Wenn ferner Fliegner (S. 25 der genannten Ab-
handlung) aus der Formeh:
\n + \)
S
n
(n-l)x
= 0,1784.
und J
0,5767 ,
l,u
1,40,
also fast undenkbare Werthe für den Ausflussexponenten
und Widerstandscoefficienten findet, so erklärt sich dies
aus gleichen Gründen und überdies noch aus der Un-
haltbarkeit der Relation:
»M».^^-=- = ( — , - |n — 1,
Po \n+l)
welche für abnehmende Werthe von n, also bei er-
höhtem Widerstände auf wachsende Werthe für jj^, dem
Drucke in der Vorlage, unmittelbar vor der Mündimg,
anstatt auf abnehmende führt, wie dies naturgemäss
sein sollte und auch durch unsere Formel (14) be-
stätigt wird.
Olrllingeui«ar XXIII.
23
lieber Ventilation und über die Methodik der PrOfang diesbezüglicher Apparat«
nnd Anlagen, besoi^ders in Eücksicht anf Eisenbahn -Lazarethwagen.
Von
Dr. Weiss,
0. ö. Professor an der k. k. techn. Hochschule zu Brunn.
lieber Lüftung und Heizung von Eisenbahnwagen von Carl Lang und Gustav Wolffhügel, München bei R. Oldenbourg, 1877.
Der Aufforderung der geehrten Redaction zu einer
Besprechung der überschriftlich bezeichneten Brochure,
eines Separatabdruckes aus der Zeitschrift für Biologie,
XII. Band, IV. Heft, bin ich hauptsächlich wegen der
hierbei dargebotenen Gelegenheit zu einer Beleuchtung
der in dieser Schrift angewendeten Methodik der Prü-
fung von Ventilationseinrichtungen gern nachgekommen.
In der That füllt die Darlegung dieser Methodik
genau die Hälfte des Buches aus, während die andere
Hälfte eine Beschreibung und Prüfung verschiedener
Ventilations- und Heizvorrichtungen für Eisenbahn-
und Lazarethwagen enthält; sie berücksichtigt nicht
nur die Anwendung auf letztgenannte Fahrzeuge, son-
dern verbreitet sich auch über die Ventilationsanlagen
überhaupt, gewährt also ein umfassenderes Interesse.
An einer durchaus verlässlichen Methode der Unter-
suchung von Ventilationsappai-aten und Ventilations-
anlagen gebricht es uns noch. In vorliegender Schrift
sind ausser den als unzulänglich und nichtssagend nach-
gewiesenen qualitativen Methoden von den quantitativen
die anemometrische und die chemische Methode ge-
schildert und beleuchtet worden, wobei die Achillesferse
der elfteren beti*eflfs der Geschwindigkeitsdifferonzen in
ein und demselben Querschnitte eines weiteren Canales
und betrefl's der Anbringung des Instrumentes in sehr
kleinen Canälen mit Recht bloss gelegt und deren An-
wendbarkeitssphäre sachgemäss als eng bezeichnet wird,
wobei ferner die auf die DifFusionserscheinung gegründete
chemische Methode das Zuerkenntniss des Vorzuges all-
gemeinerer Anwendbarkeit und auch das genügender,
wenn auch noch nicht völlig befriedigender Zuverlässig-
keit erhält.
Hierbei kann darauf hingewiesen werden, dass eine
Combination beider Methoden ein vorzügliches Mittel
für die Prüfung von grösseren Ventilationsanlagen ab-
geben würde, indem mit der anemometrischen die ein-
und ausventilirte Luftquantität und mit der andereu
Methode die zur Diffusion gelangte Luftmenge fest-
gestellt, mithin eine Art von Wirkungsgrad oder Güte-
verhältniss rücksichtlich des herbeigeschafften Luftquan-
tums und dessen Ausnutzung für die Salubrität aus-
findig gemacht werden könnte. Allein abgesehen von
der Schwierigkeit einer bei Anwendung dieser Combi-
nation erforderlich werdenden Elimination der spon-
tanen oder sogenannten natürlichen Ventilation sind
beide Methoden wegen der Mangelhaftigkeit der ver-
fügbai*en Behelfe zur Zeit noch zu wenig zuverlässig
und verweisen daher jene Combination in den Bereidb
der fronmien Wünsche.
Bei der chemischen Methode ist als diffundirende
Gasai-t die exspirirte und perspirirte Kohlensäure be-
nutzt, dagegen der Wasserdampf rücksichtlich der unbe-
rechenbaren hygroscopischen Quellen und der Schwan-
kungen seiner physiologischen Entwicklung mit Recht
für diesen Zweck als untauglich perhorrescirt worden.
Die Kohlensäure wird als Prüfstein auch der Luft-
verderbniss, mithin des Salubritätsgrades verwerthet,
und als Vehikel zur Feststellung des Ventilationsbe-
darfes angewendet, worüber ich mir zunächst einige
Bemerkungen erlaube.
Die Kohlensäure^ der SalubrüäUgrad und der VetMmUvHi-
bedarf.
Infolge der Entdeckung der physiologischen Be-
ziehungen des Sauerstoffes und der Kohlensäure wurde
357
Weiss, Ueber Ventilation der Eisenbahn -Jiazareth wagen.
358
seitens der Hygiene das Verdict der Gesundheitsgefäbr-
lichkeit über unsere Wohnräume wegen deren Kohlen-
säuregehaltes verhängt. Du vergiftest deine Grefangenen,
du entkräftest deine Soldaten, du degenerirst deine
heranwachsende Jugend, riefen die Gesundheitspfleger
dem Staate zu, wenn du nicht aus Gefängnissen, Ka-
sernen und Schulen die exspirirte Kohlensäure fort-
schaffst. In einem gereifteren Stadium sachgemässer
Erkenntniss galten nicht sowohl die Kohlensäure, als
anderweite Emanationen des Lebensprocesses für die
Ursachen der Luftverderbniss ; aber man sagte, jene
Emanationen seien der exspirirten Kohlensäuremenge
proportional und somit bilde die letztere für die
Salubrität einen Maassstab. Auch* diese Auffassung hat
man als trügerisch fallen lassen müssen. Die produ-
cirten deletären Stoffe sind der entwickelten Kohlen-
säuremenge nicht proportional. Die sanitäre Qua-
lität letzterer Quantität ist different je nach der Indi-
vidualität und namentlich sehr veränderlich mit dem
Gesundheitszustande der letzteren. Mit anderen Worten,
reine chemisch dargestellte Kohlensäure kann in relativ
beträchtlicher Menge anstandslos mit der Luft geathmet
werden, unreine, exspirirte Kohlensäure verdirbt die
Luft in verhältnissmässig sehr kleinen Mengen, welche
mit den Quanten der sie verunreinigenden Stoffe,
also der wahrhaften Verderbnissursachen, in nur lockerer
oder so gut wie gar keiner mathematischen Beziehung
stehen.
Trotz dieser Erkenntniss und trotz wiederholt ge-
gebener überzeugender Beweise für das Zutreffen derer
Consequenzen wirkt die Tradition doch so mächtig,
dass noch alle Tage Versuche unternommen werden,
den Ventilationsbedarf mittelst einer hygienisch zulässig
erscheinenden Kohlensäurequote rechnerisch festzu-
stellen.
Auch das vorliegende Buch ist nicht ganz frei von
der Vornahme solcher Versuche ; aber es lässt doch die
Blässe des angekränkelten Glaubens an den Erfolg
derselben erkennen, und dieser erschütterte Glaube
verwandelt sich sogar in Zweifel und zum Theil in
eine gesunde Ueberzeugung vom Gegentheil.
Auf Seite 55 bis 59 wird die Berechnung des Ven-
tilationsbedarfs aus der sanitarisch zulässigen Kohlen-
säuremenge vorgenommen, auf Seite 59—63 eine eben-
solohe Berechnung auf gleicher Grundlage speciell für
Eisenbahnwagen angestellt, während auf Seite 47 — 52
rationell und vorurtheilsfrei die Zusammenhanglosigkeit
zwischen Kohlensäuregehalt und Luftverderbniss aus-
einandergesetzt wird, und während bei der Anwendung
der Berechnungsformel auf Eisenbahnwagen ausdrück-
lich der Nachweis sich vorfindet, dass der zulässige
Procensatz an Kohlensäuregehalt für diese Wagen ein
anderer sei, als für Wohnräume oder Krankenzimmer.
Die Feststellung der erforderlichen Ventilations-
einheit aus einen bestimmten Kohlensäuregehalt hat
offenbar nur Werth, wenn dieselbe anwendbar auf alle
Arten von bewohnten Bäumen ist. Sobald an diese
Feststellung gewisse, mit der Bauart, der Benutzungs-
weise, der Benutzungsdauer u. s. w. zusammenhängende
Cautelen geknüpft werden, so kann die diesbezügliche
Berechnung gänzlich unterbleiben und an ihre Stelle
die Bestimmung der Ventilationseinheit auf Grundlage
bereits existirender Normen aus freier Hand per ana-
logiam gesetzt werden.
Diese Behauptung wird durch nachfolgende Be-
trachtungen unterstützt werden.
Verschafft man sich ein geometrisches Bild von
den einschlagenden Beziehungen, indem man die Koh-
lensäuremengen in p. m. des Luftraumes als Abscissen
und die zugehörigen Salubritätsgrade als Ordinaten
aufträgt, so wird man eine Curve (Fig. 1) erhalten.
Fig. 1.
deren Verlauf mit den Beobachtungsraitteln der Hygiene
zur Zeit allerdings noch nicht festgestellt werden kann,
von welcher man aber so viel weiss, dass sie an irgend
einer noch nicht genau, jedoch nahezu angebbaren
Stelle die Abscissenachse durchschneiden und der
Ordinatenachse sich asymptotisch nähern wird.
Wie will man nun diejenige Ordinate dieser Curve
herausfinden können, welche den mittelst der Ventila-
*
tion anzustrebenden Sanitätsgrad bezeichnet? Um die
Schwierigkeit der Beantwortung dieser Frage zu wür-
digen, möge eine analoge Betrachtung betreffs der
sanitären Zimmertemperatur angestellt werden. Sind
die Temperaturen C. als Abscissen aufgetragen und die
Sanitätsgrade als Ordinaten, so ergebt sich eine Curve,
welche in nicht zu grossem Abstände zwei Durch-
schnittspunkte mit der Abscissenachse und eine Maxi-
malordinate hat. Der Verlauf dieser Curve ist selbstr
23*
350
Weiss, Ueber die Ventilation und über die Methodik der Prüfung diesbezüglicher
:W0
verständlich und bekaimtlich verschiedon, je nach dem
Verhalten und dem Gesundheitszustande des fraglichen
1
Fig. 2.
Zimmerbewohners, immerhin aber würde dieselbe genau
genug denjenigen Afoscissenwerth ablesen lassen, welcher
der grössten Ordinate, d. h. dem höchsten Sanitätsgrade
entspricht, wenn bei der allgemein verbreiteten Kennt-
niss dieses Werthes überhaupt noch eine derartige
Feststellung nöthig wäre.
Die Curve der Fig. 1 bietet dagegen gar keine
Anhaltspunkte dar. Eine grösste Ordinate von end-
lichem Betrage kommt bei ihr nicht vor. Die von
Pettenkofer getroffene Wahl der zu der Abscisse 0,7 bis
1 p. m. gehörigen Ordinate ist nur ein Compromiss
mit dem für gewöhnlich Erreichbaren, da der der
grössten Ordinate entsprechende Zustand, der höchste
Sanitätsgrad, nur mit einer unendlich grossen Venti-
lationseinheit erhalten werden könnte. Auch wurde
der Verlauf dieser Curve, sofern überhaupt von einer
Feststellung desselben die Bede sein kann, nicht nach
Maassgabe von eigentlich hygienischen Forschungen,
sondern auf Grund eines schätzungsweisen Dafürhaltens
ermittelt.
Zu Beobachtungen herangezogene Personen sind
nach ihrem Urtheile über die Luftverderbniss befragt
und hiernach ist der zuzulassende Kohlensäuregehalt
normirt worden. Aus den betreffenden Darlegungen auf
Seite 61 ist zu ersehen, dass bei diesem Urtheile eine
geringe Temperaturverschiedenheit verwirrend gewirkt
hat, ein Beweis mehr dafür, dass der Kohlensäurege-
halt an sich nicht einen zuverlässigen Maassstab dar-
bietet. Die Gewöhnung, beziehentlich die Verwöhnung
spielt hierbei eine noch hervorragendere Rolle, und es
ist vorauszusehen, dass die heute für erträglich befun-
dene Beimischung yon 0,7 bis 1 p. m. nach einiger
Gewöhnung für unangenehm, widerlich und unerträg-
lich gehalten werden wird. Es wächst der Mensch mit
seinen Zwecken. Der Appetit kommt beim Essen. Eine
andere, ebenfalls sauitarische Einwirkung und zwar
eine solche, welche der Kohlensäurebeseitigung gewisser-
massen entgegenläuft, begrenzt aber ein solches Anwach-
sen, und diese ist es daher, welche mit in Rech-
' nung gezogen werden muss. Ich meine den Luftzug
oder Zugwind, dessen von den Verfiissem auch sehr
wohl gedacht wurde, jedoch in anderem als hier von
mir aufgefisisstem Sinne.
Ein geometrisches Bild wird auch diesflalls das von
mir Gemeinte am übersichtlichsten veranschaulidien. Die
Fig. 3.
Abscissen in Fig. 3 geben die Ventilationseinheiten, d. L
die stündlich pro Person einzuführenden Luftmengeu in
Cubikmetern an, die Ordinaten der ausgezogenen Curven
die Saiiitätsgrade rücksichtlich der Luftreinheit, und
diejenigen der punktirten Curven die Sanitätsgrade
rücksichtlich des Zugwindes an. Die Curven werden
einen abweichenden Verlauf haben, je nach der Zimmer-
temperatur, was in der Skizze dargestellt ist. Die-
selben werden aber auch einen abweichenden Verlauf
haben, je nach dem Feuchtigkeitsgehalte und je nadi
den Umständen jedes singulären Falles. Die ausge-
zogenen Curven werden innerhalb ihrer ganzen Aus-
dehnung höher über der Abscissenachse liegen, &lls
der Aufenthalt im bewohnten Räume nicht, wie hier
angenommen wurde, ein langandauemder ist, und
die puuktii*ten Curven werden nicht nur hiemach*
sondern auch gemäss der Grösse des pro Persan vor-
handenen Horizontalschnittes des Locales ihre Lage
ändern. Unter Zug oder Zugwind ist nämlich hier
nicht die Wirkung eines isolirten Luftstromes, sondern
diejenige der Bewegung der gesammten Ziramerluft ver-
standen, wie eine solche bei Ventilationsanlagen im
Winter nahezu entstellt, falls dahin gewirkt wird, daB6
die oben unter Deder cke eingeleitete Luft mSglichsl
gleichmässig nach abwärts sich bewegt, mn in Niveau
des Fussbodens wieder abgeleitet zu werden^
•%1
Apfiarate miil Anlagen, besonders in RQdcsicht auf Eisenbahn-lAzarethwagen.
362
Die sanitarlsche Wichtigkeit der Einwirkung auch
einer solchen Luftbeweguiig wird ebensowenig wie die-
jenige eines isolirten Strahles beetritteu werden. Der
Laie erfasst den Begriff der Ventilation meistens nur
in diesem Sinne. Er empfindet den Mangel der Ven-
tilation, wenn in einem überhitzten Locale die ent-
wärniende Luftbewegung fehlt, und er klagt ohne be-
sondere Beachtung einer etwaigen Kohlensäureanhäufung
über das Vorhandensein der Ventilation, wenn er sich
in einem zu kalten Räume der Lufibewegung exponirt
fühlt Diese Klagen sind allerdings zum Theil auf das
Conto einer ungenügenden Beheizung und zwar posi-
tiven, wie negativen zu schreiben; aber ein ansehn-
licher Theil davon trifft die Ventilation, indem dieselben
auch für den Fall einer völlig constant wirkenden Hei-
zung verlautbart werden.
Das Schlagwort : „wenn ventilirt wird, so zieht es,
und wenn es nicht zieht, so fehlt die Ventilation*', ob-
gleich keineswegs durchaus zutreffend, hat doch Exi-
stenzberechtigung. Als 'es, wie auf Seite 82 berichtet
wird, dem Belieben der Insassen überlassen war, die
Luftschieber (Jalousien) über den Fenstern des Wagens
zu öffnen oder zu schliessen, fand das Letztere statt.
Die Leute wollten also lieber unreine Luft als Zug-
wind ertragen. In der That ist die selbst bei geschlos-
senen Fenstern entstehende Zugluft die gefurchtetste
Beigabe einer Eisenbahnfahrt; sie wird meistens nur
behufs der Kühlung ertragen; in einem geschlossenen,
aber kühl erhaltenen Coupe befinden sich die Reisenden
häufig am behagliclisten.
Angenommen nun, für einen singulären Fall seien
eine punktirte und eine ausgezogene Curve der Fig. 3
festgelegt, so würde die Ordinate des Schnittpunktes
beider den bestmöglich zu erreichenden Salubritätsgrad
und die zugehörige Abscisse die sanitarisch zweck-^
massigste Ventilationseinheit angeben, bei deren end-
gültiger Feststellung übrigens, nebenbei bemerkt, der
Techniker immer noch die Ausführbarkeit, sowie
den Finauzpunkt der Ausführung in Rechnung zu
ziehen hat.
Wie aber soll die Ermittelung dieser hier nur
nach abschätzendem Gutdünken für eine etwas zu nie-
dere und zu hohe Zimmertemperatur beziehentlich von
t = lb und ^= 25'^ C. verzeichneten Curven vorgenom-
men werden?
Will man sich nicht mit einer Appellation an die
Geruchsorgane oder an das mehr oder weniger gut ge-
launte Gefühl des allgemeinen Wohlbehagens begnügen,
sondern die hygienischen Wirkungen erforschen, so ist
schon die Ermittelung der ausgezogenen, von dem Rein-
heitsgrade der Luft dependirenden Curve äusserst
schwierig. Noch mehr Mühe wird die Herbeischaffung
der Unterlagen zur Verzeichnung der punktirten Curve
verursachen. Diese Unterlagen werden die bei gege«-
benen Temperaturverhältnissen entstehenden sanitären
Einwirkungen verschiedener Luftgeschwindigkeiten sein.
Aber ein einzelnes Versudisobject wird zur Ermittelung
derselben keineswegs genügen. Wie verschiedenartig
werden die Individuen vom Zugwinde afficirti Es gibt
Leute, welche ohne Empfindung von Zugwind sogar in
einem wohlgeheizten Zimmer nicht eine geöffnete Schrank»
thüre sehen können, geschweige denn die Mündung
eines Ventilationscanals. Kommen solche krankhaft
überreizte Naturen hier auch nicht eigentlich in Frage,
so bilden sie doch die Grenze einer ausgedehnten Stufen-
reihe von Eigenartigkeiten, welche bis zu jenem robu-
sten Landmann reicht, der mit Behagen und ohne die
geringste Beeinträchtigung seiner Gresundheit behüft
Befriedigung seines Entwärmungsbedürfnisses die Zug»
luft einer beiderseitig geöffneten Hausflur aufsucht.
Einige Beobachtungen über die Einwirkung der
Luftbeweguug in Wohnräumen auf die Sanität sind
wohl schon angestellt worden. Auch auf Seite 6 und
7 vorliegender Schrift finden sich Resultate solcher
Beobachtungen vor. Aber diese ersten Anfänge geben
noch keineswegs nur einigermassen genügenden Auf-
schluss; genau und ohne innerhalb erheblich weiter
Grenzen zu schwanken, werden die Resultate gemäss
der Natur der Sache nie ausfallen können. Angesichts
dieser Erkenntniss sollte man sich daher hüten, An-
gaben zu machen und Vorschriften zu geben, welche
den Schein der Exactheit verbreiten.
Die Liebhaberei oder auch die Unbedachtsamkeit,
einer Zahl durch Anbringung von Decimalstellen eine
mathematisch scharf geschnittene Physiognomie auch in
solchen Fällen zu ertheilen, in welchen die physika-
lischen, chemischen oder physiologischen Grundlagen
der mathematischen Behandlung allerhöchstens zu einer
ehrlichen runden, ganzen Zahl fuhren können, sollte
ernstlicher gezügelt werden; die Pallasmaske an Stelle
der echten Minerva verstimmt den Sachkenner und
verwirrt den Anfänger.
Der in dieser Sentenz enthaltene Vorwurf soll
allerdings gegen einige andere den Gegenstand behan-
delnde Schriften, und nicht gegen die vorliegende ge-
richtet sein. Jedoch streift er dieselbe immerhin etwas.
Denn das für die Ventilationseinheit von Eisen*
bahnwagen eruirte und mit gesperrtem Druck hervor-
gehobene Hauptresultat (S. 62), gemäss welchem diese
Einheit 21, beziehentlich 38 Cubikmeter betragen soll,
hätte wohl ebenso richtig die runden Ziffern 20 und
40 enthalten können.
363
Weiss, Ueber die Ventilation und über die Methodik der Prüfung diesbezüglicher
3Ö4
Uebrigens mag noch bemerkt werden, dass, wenn
die als sanitarisch zulässig ermittelten und bezeichneten
Quoten des Eohlensäuregehaltes auch als schätzbares
Material zu allgemeinen Beurtheilungen in gewissen
Fällen immerhin verwendet werden können, dieselben
zur Berechnung des Ventilationsbedarfs auch deshalb
nicht durchweg benutzt werden dürfen, weil letzterer
sehr häufig in höherem Grade nach Maassgabe der
entwickelten physiologischen Wärme festgestellt werden
muss.
IHe Kohlensäure als Maassstab für die fnteimtät der statt-
gehabten Ventilation,
In dem Bisherigen habe ich von dem Kohlensäure-
gehalte in Rücksicht auf eine Feststellung der Venti-
lationseinheit a priori gesprochen; derselbe dient aber
auch zur Feststellung der Ventilationsgrösse a posteriori.
In diesem letzteren Sinne, also zum Messen der in
einem Beobachtungsraum eingedrungenen Luftmenge,
wurde der Kohlensäuregehalt auf Grund eines genialen
Gedankens zuerst von Pettenkofer bestimmt. Denn
die Messung mittelst Anemometer ist überhaupt nur
anwendbar, wenn die Luft lediglich in Canälen zu-
und abströmt und ist auch diesfalls unzuverlässig, weil
stets ein beträchtlicher Luftwechsel auf dem Wege der
Thür- und Fensterfugen, sowie der Permeabilität der
Mauern stattfindet.
Auch in vorliegender Schrift ist zumeist nur in
diesem Sinne von der Ermittelung des Kohlensäure-
gehaltes die Rede. Denn namentlich bei Eisenbahn-r
wagen, welche an ihren Umfassungswänden viel Un-
dichtheiten aufzuweisen haben , würde die Anwendung
des Anemometers trügerisch, wenn überhaupt angängig
sein.
Jedoch auch in diesem Sinne begründet die Be-
stimmung der Kohlensäure einen Genauigkeitsgrad,
welcher leider noch Manches zu wünschen übrig lässt.
Dieser mangelhaften Genauigkeit ist in vorliegender
Schrift sehr wohl gedacht worden; sie wird an meh-
reren Stellen mit Betonung hervorgehoben. Allein es
handelt sich hier nicht, gemäss dem auf Seite 31 ge-
äusserten Schlussausspruche, um Abweichungen „ um
ein Weniges", oder „um gewisse kleine Fehler'*, son-
dern um sehr beträchtliche Divergenzen, wie aus Nach-
folgendem hervorgehen wird.
Die bei dieser Methode verwendbaren mathema-
tischen Formeln sind schätzenswerther Weise auf Seite
27 bis 45 rücksichtlich ihrer Allgemeingültigkeit oder
der Grenzen ihrer Anwendbarkeitssphäre gründlich be-
sprochen worden. Es hat sich dabei ergeben, dass die
mit Seidel II bezeichnete Formel die allgemein gül-
tigste ist.
Dieselbe kann gemäss S. 37 geschrieben werden:
e{pi — a) — k(l—p^)
logn.
n
= -{e + k),T
(1)
c{p2 — a) — ^(1
Hierin bedeutet:
c die Ventilationseinheit oder das für jedes Indivi-
duum stündlich eingeleitete Luftvolumen in
Cubikmeter.
k die von jedem Individuum stündlich producirte
Kohlensäuremenge in Cubikmeter fauf gewöhn-
lichen Luftdruck und mittlere Temperatur re-
ducirt).
n Anzahl der im Locale aufhältlichen Individuen.
m Grösse des Luftraumes des Locales in Cubikmeter.
^,, |7^, a Kohlensäuregehalt beziehentlich zu An&ng
und zu Ende der Beobachtung, sowie der
äusseren oder zuströmenden Luft in jedem Cu-
bikmeter in Cubikmeter (wobei angenommen
werden muss, dass der Kohlensäuregehalt sepa-
rirt und auf die Spannung und Temperatur
des Locales gebracht sei).
T Zeitraum der Beobachtung in Stunden. Gegen-
über dem Original ist hier nur die Abweichung
beliebt, dass für die Grösse c eingeführt
wurde.
In der That ist diese Formel von allen übrigen
angegebenen die einzige allgemein gültig correcte.
Uebrigens schon, wenn auch mit anderen Bezeichnungen
und in abweichender Gestalt, in Redten bacher's
„Maschinenbau II, 1863, S. 391", femer in Erbkam's
^»Zeitschrift ifür Bauwesen 1872, S. 226" (Beitrag zur
Ventilationsfrage von L. Pinzger), sowie auch ange-
nähert in den „Memoires de l'Academie imperiale des
sciences de Saint-Petersbourg, VII serie, T. VI, 1863"
(Betrachtungen über Ventilation in unsem Klimaten
von E. Lenz) enthalten, ergiebt sie sich auch aus einer
Ableitung, bei welcher das Mariotte-Gay-Lussac'-
sche und das die Spannungsverhältnisse der Diffusions-
erscheinung regelnde Dal ton 'sehe Gesetz ausdrück-
licher zur Anwendung gebracht wird. Vernachlässigt
ist bei ihrer Herleitung nur der hygroscopische Zu-
stand, beziehentlich die Wasserdampfproduction der
Individuen. Eine auch dieses Zubehör würdigende
Formel habe ich vor etlichen Jahren aufgestellt, von
einer Publication eines dieselbe enthaltenden Manu-
scriptes aber Abstand genommen aus (jründen, welche
mir auch die vorliegend besprochene Methodik der
365
Apparate und Anlagen, besonders in Rflcksicht auf Eisenbahn-Laacarethwagen.
me
Piüfung Ton Veutilatiousanlagen nicht genügend zu-
verlässig erscheinen lassen.
Soll aus Formel (1) die Ventilationsgrösse ermittelt
werden, so ist es gemäss den auf S. 37 — 39 gegebenen
Darlegungen rechnerisch am bequemsten, dieselbe in
folgende drei Ausdrücke aufzulösen, nämlich:
T
^ = 0,43429. wife(l — a) (2)
m
«— -Pi_ 9
w
%.^;^= -^ (3)
c^=k.~
% — a
Hierin bedeutet z eine mittelst Probirens aus den
letzten beiden Ausdrücken zu bestimmende Zahl, wel-
cher übrigens eine bestimmte, weiter unten besprochene
Bedeutung beigelegt werden kann.
Vorausgesetzt nun, als beobachtete Grössen seien
gefunden :
»»== 7,0864; M = 8; ^i = 0,000524;
p^ = 0,001 19 : T= 0,1 ;
so berechnet sich unter den Annahmen:
a = 0,0002 ; k = 0,02 ;
, 2 — Pi . 0,00119006 — 0,000524
log. — — =^- log. ;r— - — TT = 4,04582,
2 — Pi 0,00119006 — 0,00119 ' '
0,004
— =4,0404,
Z — a 0,001 19006 — 0,0002
1 — 0,00119006
(. = 0,02^ ^ =r20,l.
' 0,00119006 — 0,0002
Wird dagegen für dieselben Beobachtuugsgrössen
angenommen :
a = 0,0002 ; k = 0,04 ;
so entsteht:
jj_« 0,0011900000055 — 0,000524
log. ^^=zlog. ^ - ^ =8,080,
%- Pi 0,0011900000055 — 0,00119
0,008
% — a 0,001 1 900000055 — 0,0002
1 — 0,0011900000055
= 8,080,
= 40.5,
(• = 0,04^
' 0,00 1 1 900000055 — 0,0002
und für die Annahmen:
Ä = 0,0006; ^=0,04
entsteht:
g — -, 0,0011900000000000124 — 0,000524
log.- ^^=log.-^ ir- = 13,7299,
^ % — p^ ^ 0,0011900000000000124 — 0,00119
0,008
% — a 0,001 19000000000001 »4 — 0,0006
= 13,72^9,
1 — 0,0011900000000000124
(•=z=0,04- ' = 67,7.
0,001 19000000000001M — 0,0006
Aus dieser detaillirt vorgeführten numerischen Be-
rechnung, bei welcher die Berechenbarkeit, wenn
auch nicht der Formel (4), so doch der Formel (3) von
der Genauigkeit sogar der letzten der für den Betrag z
angegebenen vielen Decimalen abhängt, ersieht man zu-
nächst, dass die Anwendung dieser Methode, abgesehen
von der Beschaffung der auf chemischem Wege zu
erhebenden Beobachtuugsgrössen, auch rechnerisch nicht
eben mühelos ist. Dabei kann noch dai*an erinnert wer-
den, dass gleichfalls die Grösse m nicht etwa einfach
der glatte Rauminhalt eines Locales, eines Eisenbahn-
coupe's ist, sondern dieser Inhalt nach Abzug der Vo-
lumina der darin befindlichen Möbeln, Betten, Sessel»
Sitze, Personen u. s. w., und dass eine an m haftende
Ungenauigkeit in gleichem Grade, wie ein an T be-
gangener Fehler sich rächen würde. Aber ganz ab-
gesehen von diesen für den geübten Rechner immerhin
leicht besiegbaren Schwierigkeiten, kann das zu erzielende
Resultat, die zu eruirende Ventilationseinheit c, wie zu
erkennen ist, über zwei und dreimal zu gross ausfallen,
je nach den Annahmen, welche man betreffs der Grössen
a und h einfuhrt.
Gemäss den in vorliegender Schrift selbst, nämlich
auf Seite 29, enthaltenen Angaben schwankte in
München die Grösse a zwischen 0,oooi5 und 0,ooo69;
im Allgemeinen liegen diese Grenzen noch beträchtlich
weiter auseinander. Ich habe bei vorstehenden Be-
rechnungen jedoch nur 0,ooo2 und 0,ooo6 angenommen.
Gemäss den ausgezeichneten Messungen Petten-
ko f er 's mittelst dessen genial erdachten und construirten
Respirations- Apparates ergab sich, dass bei mittlerer
Kost im wachenden Zustande bei einem ruhenden,
schwächlichen Schneider A; = 0,ooi68 ausfiel, bei einem
ruhenden kräftigeren Manne A; = 0,oo226 und bei letz-
terem , falls er arbeitete , k = 0,00363 (siehe Seite 28).
Nach Breiting betrug für Knaben i = 0,ooi3 oder
Ä = 0,0017, je nachdem dieselben gewöhnlichen Schul-
unterricht oder Singstunde hatten (Seite 30),
Wegen der Unbestimmtheit dieser anzunehmenden
Werthe a und k führt diese Methode mithin auf Re-
sultate, deren Divergenz bei günstigeren Annahmen für
n, m und T allerdings nicht so drastisch, wie in vor-
stehender Berechnung hervortreten wird, welche aber
doch sclüechterdings zu ungenau sind.
Sie steht hinsichtlich des individuell so verschie-
denen Werthes k etwa auf gleicher Höhe mit jener
veralteten. Messmethode von Längengrössen, bei welcher
der natürliche und subjectiv verschiedene Schritt als
367
Weiss, üeber Yentilatiou und über die Methodik der Prüfung diesbeaüglicher
368
Maasseinheit galt, ja diese letztere könnte sich sogar
einer beträchtlich grösseren Genauigkeit rühmen.
Mindestens scheint mir die Nöthigung vorzuliegen,
eine chemische Ermittelung auch des Werthes a vor-
zunehmen. Bei Anwendung auf Eisenbahnwagen würde
zu diesem Zwecke ein Experimentator in einem andern
als dem untersuchten Coupe des Zuges sich aufhalten
können und hier mit aus dem Freien aufgefangenen
Luftproben von Zeit zu Zeit betreflFende Erhebungen
vorzunehmen haben.
Aber auch der Werth Je muss schärfer als durch
schätzungsweise Annahmen fixirt werden. Man könnte,
was ja auch aus vielen anderen Gründen nur als ein
Vortheil bezeichnet werden darf, alle anderen Individuen
als die dringend erforderlichen Beobachter von dem
Beobachtuiigsraum fern halten, in dem letzteren je-
doch eine Kohlensäurequelle anbringen, deren Ergie-
bigkeit genau ermittelbar wäre. Der Einwand, dass
diesfalls ein Urtheil über das Verhältniss des Eohlcn-
säuregehaltes zu dem Grade der Salubiität mittelst der
Nase oder der Empfindung des Wohlbehagens ausge-
schlossen sein würde, ist wegen der bereits weiter oben
dargelegten Gründe betreffs der Nichtigkeit dieses Ur-
theils nicht stichhaltig. Aber es bliebe auch diesfalls
immer noch derjenige Fehler übrig, welcher aus der
betreffs der auf die Beobachter entfallenden Quote von
n.k einzuführenden, willkürlichen Annahme entsteht.
Ich habe daher über die Räthlichkeit der Verwendung
eines ganz anderen Gases, als der Kohlensäure, nach-
gedacht und von Chemikern die Möglichkeit der dies-
bezüglichen Anwendung des Stickstoflbxydulgases nicht
bestritten gefunden.
Auch hält mein College, Hen* Prof. Dr. Haber-
mann, die Erfindung einer Vonichtung, welche, in
dem Beobachtungsraunie angebi^acht, den I^rocentsatz
des jeweiligen Stickstoffoxydulgasgehaltes, sofern letz-
terer in fortwährendem Anwachsen begriffen ist, schnell
ermitteln lässt, keineswegs für undenkbar.
Im Falle des Gelingens einer solchen Ei-findung
brauchte der Untersuchungsraum gar nicht betreten,
sondern könnte mittelst Glasfenster einer Beobachtung
unterzogen werden. Aber auch anderen Falls würde
das Betreten des Raumes behufs Entnahme einer Luft-
probe vermieden oder auf eine sehr kurze Zeitdauer
eingeschränkt werden können, so dass selbst über jene
Grenzen, welche von der Athembarkeit des in gewisser
Verdü n nuug respirationsfähigen Stickstoffoxydulgases
vorgezeichnet werden, das Experiment ausgedehnt wer-
den dürfte.
Unter diesen Umständen würde dann Formel (1)
in der Gestalt:
(5)
zur Anwendung kommen, sofern:
C das stündlich ein- und ausventilirte Luftvolumeu
in Cubikmeter,
K das stündlich entwickelte Stickstoffoxydulgas in
Cubikmeter
bedeutete. Die Betlieiligung des Werthes a an der
Berechnung bliebe selbstverständlich ausgeschlossen.
Soll auf Ermittelung von Momentanwerthen der
Grösse (7, wie sie in vorliegender Schrift behufe Fest-
stellung des Unterschiedes der Wirkungen auf der Sta-
tion und während der Fahrt erhoben wurden, ver-
zichtet werden, so vereinfacht sich auch die Berechnung
sehi* erheblich.
In der Gestalt:
+ ^"6'+J
geschrieben, lässt nämlich Formel (5) erkennen, dass
T
bei einigermassen grossen Beträgen von (C+K) die
Grösse p^ nahezu den Werth
m
annimmt, einen Grenzwerth, welchen sie genau erst für
T=Qc eiTeicht.
Wird Fonnel (1) analog (6) geschrieben:
1
a.c + ki .^(c^ kf .T
m
so erj^iebt sich mit den Annahmen:
a = 0,0004 ; p^= 0,0004 ; k = 0,025
nachfolgende tabellarische Zusammenstellung:
n
0,2
1 0,4
1
0,6 0,8 1 2
1
00
0,01
30
1
44
50
55
58
60 . 79
124
123,8
123,99;
123,99
55
123,99
123,99 123,99,
124
. 0,01
fiO i
i 1
1
45
49 '
57 59
69
82
81,9
81,9 ;
81,9
81,9 81,9 . 81,9
1 1
82
0,01
1 90 ',
45
48 i
51
53
54 58
i
60
I
. 1
59,9
59,9
59.9 '
1
59,9
59,9
59,»
t
60
369
Apparate und Anlagen, besonders in Rücksicht auf fiisenbahn-Lazarethwagen.
370
Hierin sind die Tabellenziffern die Beträge Ton
lOOOOOi?^ für die Ventilationsgrössen c = 20, =60,
= 120 Cubikmeter, für die Beobachtungszeiten 0,2;
0,4 u. 8. w. Stunden und für die Werthe - =0,oi
m
und = 1. Der erste der letzteren Werthe passt für
den Fall, dass jedem Individuum ein Aufenthaltsraum
von 100 Cubikmeter dargeboten ist, also für ein mittel-
grosses Wohnzimmer. Der Werth — =1 entspricht
dagegen dem Falle eines nicht sehr hohen, aber trotz-
dem dicht gedrängt besetzten Saales. Angenähert passt
letzterer auch auf ein gut besetztes Eisenbahncoupe.
Die letzte Verticalcolumne giebt die Werthe an,
welche der Formel (7), beziehentlich der analogen
Formel :
100000;?2 = 100000^^^^-^ .... (9)
entsprechen. Wie zu ersehen, werden diese Werthe bei
relativ grossen Raumverhältnissen, also bei - -=0,oi,
m
erst nach Verfluss mehrerer Stunden Beobachtungszeit
nahezu erreicht, entstehen aber bei relativ kleinen
Raumverhältnissen, also bei — = 1 , sehr angenähert
tn
schon nach Verlauf von 0,2 Stunden, also 12 Minuten,
Beobachtungsdauer.
Ein zum Lazarethwagen eingerichteter Güterwagen
würde etwa einen Werth — =0,2 bis 0,25 liefern, und
m
daher würde, wie ebenfalls aus obiger Tabelle mittelst
einer kleinen Zwischenrechnung zu entnehmen ist, der
Grenzwerth von Formel (8) schon nach Verlauf von
0»6 bis 0,8 Stunden, oder 36 bis 48 Minuten, nahe ge-
nug erreicht werden, ja man könnte diese Zeitdauer
ohne Furcht vor Ungenauigkeit , recht wohl noch be-
trächtlich einschränken.
Wird daher die Beobachtungsdauer nicht geringer
angenommen, so kann unbedenklich Formel (9) in An-
wendung kommen; es folgt aus derselben:
<' = i^.'t (10)
Zur Ermittelung der Ventilationsgrösse c braucht
also diesfalls die Bestimmung von m und T nicht vor-
genommen zu werden. An Stelle derselben könnte zu
wesentlicher Steigerung der Genauigkeit die Bestimmung
von a treten, und noch genauere Resultate würden
durch Anwendung der Formel (7) in der Gestalt:
C=(^ i)kco— . . . .
(11)
erhalten werden können, sofern geschildertermassen statt
der Kohlensäure eine zum Messen geeignetere Gasart
benutzt wurde.*)
Auch mag noch auf eine weitere Vereinfachung
aufinerksam gemacht werden.
Formel (10) kann auch geschrieben werden:
0= y-y-^^ .h (12)
y^Pi—y-^
Legt man nun der Grösse / die Bedeutung des
Gewichtes eines Cubikmeters Kohlensäure bei der Pres-
sung und Temperatur der Beobachtungszeit unter, so
kann gemäss der Bedeutung von p^ und a hierfür ferner
geschrieben werden:
V
?1
(13)
sofern bedeutet:
V das Volumen der zur. Untersuchung m die geaichte
Flasche gefüllten Luft des Locales in Cubikm.
y, dasjenige aus dem Freien, nachdem es auf die
Temperatur des Locales gebracht ist,
q die totale Gewichtsmenge der in v aufgefundenen
Kohlensäure in Kilogr.,
q^ diejenige, welche in v^ aufgefunden wurde.
Nun kann aber rücksichtlich der Unbestimmtheit
von h dem Betrage y ein auf Grund einer einzigen
Barometer- und Thermometerbeobachtung berechneter,
oder auch ein ohne jedwede besondere Beobachtung
und Berechnung angenommener constanter Werth bei-
gelegt werden. Oder es kann, immer mit Rücksicht
auf die Unbestimmtheit von A, völlig genau genug statt
13 geschrieben werden:
9 9i
9 9i
■ (14)
V
ClTiUnfeniaar XXIII.
*) Es kann bemerkt werden, dass Formel (10), welche
k
genau genug auch c = geschrieben werden darf, genau mit
deijenigen abereinstimmt, weiche in vorUegender Schrift auf S. 57
die Schul ze-Märcker'sche genannt wird. Letztere ist an be-
zeichnetem Orte zur Feststellung der YentUationsgrösse a priori
aus einem für Ä; und p, angenommenen Betrage verwendet. Gegen
die Genauigkeit der mathematischen Resultate kann, sofern
lediglich diecontinuirliche VentUation in Frage kommt, daher
nichts eingewendet werden. Ferner geht aus einem Vergleiche
von (10) mit (4) hervor, dass die Zahl z nichts anderes ist, als
der Grenzwerth von p, welcher für den Fall erreicht wird, dass
die Ventilation unter gleich bleibenden Verhältnissen sehr lange,
eigentlich unendlich lange, fortgesetzt wird.
24
371
Weiss, Ueber Ventilation und über die Methodik der Prüfung diesbezüglicher
372
indem unter:
A^i nicht das Volumen, sondern das Gewicht der
stündlich von jedem Individuum entwickelten
Kohlensäuremenge in Kilogr.
verstanden wird. Endlich kann noch einfacher, indem
stets Vi=v gewählt wird, statt (14) geschrieben werden:
oder auch:
c =
9 — 9i
(15)
(16)
«ofem :
Kl die totale, von einer genau messbaren Quelle aus-
gegangene Kohlensäuremcnge in Kilogr.
bedeutet; und diesfalls, wie auch bei Anwendung von
(14), entfällt jedwede Barometer- und Thermometer-
beobachtung, und man braucht nur für ein gewisses
gewähltes v die Gewichtsquantitäten q und q^ zu be-
stimmen, um sofort den gesuchten Werth c so gut wie
mühelos berechnen zu können. Dass hierbei, wenn die
Flasche im Freien mit deni Volumen v gefüllt wird,
dieses Volumen im Innern des Versuchsraumes bis auf
des letzteren Temperatur sich erwärmen und mittelst
Oeffnens eines Quetschhahnes seine sich steigernde Span-
nung ausgleichen können muss, braucht wohl kaum
erwähnt zu werden; aber es mag bemerkt sein, dass
der Genauigkeitsgrad nicht messbar beeinträchtigt wird,
wenn auch hierbei das Thermometer ausser Spiel ge-
lassen bleibt.
Wie aus dem Bisherigen hervorgehen wird, ver-
spricht diese zuletzt geschilderte Methode und Berech-
nung trotz ihrer bedeutend grösseren Einfachheit in
Anwendung auf Eisenbahncoupe 's und Lazarethwagen
einen weit höheren Genauigkeitsgrad, als die in vor-
liegender Schrift durchgeführte, so lange als ein einiger-
massen kräftigvvirkender Ventilationsapparat, der über
20 Cubikmeter stündlich p. Individuum fordert , unter-
sucht werden soll und so lange als von der Ermittelung
von Momentanwerthen abgesehen und die Beobachtungs-
zeit T auf 20, 30 oder gar 50 Minuten ausgedehnt wird.
Jedoch würde für geringere Zeitgrössen und für
wenig intensiv wirkende Ventilationseinrichtungen auch
Formel (7) analog (10) und (15) für eine vereinfachte
Beobachtungsmethode herzurichten sein, während für
eine wahrhaft zufriedenstellende Methode die Anwen-
dung von Formel (6), beziehentlich (11) in Kraft zu
treten hätte.
Kann betreflfs der Intensität eines zu untersuchen-
den Apparates gar keine Voraussetzung gehegt, oder
muss, etwa bei Ermittelung der spontanen Ventila-
tionsgrösse, geradezu vermuthet werden, dass die Inten-
sität schwach ausfallen werde, so darf man sich nicht
mit grösseren Beobachtungszeiten begnügen, sondern
muss etwa alle 10 Minuten eine Kohlensäurebestim-
mung der Wagenluft vornehmen, so dass man eine
Reihe von Beobachtungsgrössen erhält, wie sie den
Kopfziffern und denjenigen der obersten Horizontal-
colunme der auf unserer Seite 368 befindlichen Tabelle
entspricht. Jedoch braucht nun nicht der Berechnungs-
apparat für sämmtliche Ziffern in Bewegung gesetzt zu
werden, sondern es genügt, aus der Reihe der letztge-
nannten Ziffern, welche bei constant wirkenden Vor-
gängen einem gewissen Grenzwerthe z zustreben werden,
diesen in den meisten Fällen, auch bei variablen Ver-
hältnissen mit Anwendung geometrischer Auftragung,
genügend genau schätzungsweise festzustellenden Orenz-
werth herauszugreifen und ihn in Formel (10) oder (11),
beziehentlich (15) einzusetzen. Beispielsweise hätte der
in der auf unserer Seite 365 angeführten Berechnung
verwendete Betrag für j^^i zur Feststellung von c mit-
telst Formel (10) vollkommen genügt, da er sich von
dem eigentlich in Formel (4) einzusetzenden und nur
mühsam ausprobirten Grenzwerthe so gut wie gar nicht
unterscheidet. Nur wenn sich eine solche Schätzung
durchaus nicht mit genügender Sicherheit vornehmen
lässt, so ist freilich die Herzuziehung der complicirteren
Formeln (1) oder (2), (3), (4), beziehentlich (5), unver-
meidlich; ebenso für den Fall, dass Momentanwertbe
ermittelt werden sollen.
Die Feststellung solcher Momentanbeträge im Gre-
gensatze zu Mittelwerthen kann aber in den meisten
Fällen keinen erheblichen Vortheil darbieten, da diese
Beträge zu sehr von völlig zufälligen Vorkommnissen,
von der Windgeschwindigkeit, der Windrichtung, der
Fahrgeschwindigkeit u. s. w. abhängen und daher heute
diesen, morgen jenen Werth annehmen würden. Soll
der Thätigkeitsgrad irgend einer Vorrichtung unter den
Verhältnissen des Zustandes auf der Station, also bei
Stillstand des Wagens ermittelt werden, so kann man
sich's ohnehin noch viel bequemer machen, nämlich
die Prüfung in loco auf dem Bahnhofe vornehmen.
Dte Ventüationworrichtungen,
Obwohl die Methode, welche zur Prüfung der auf
Seite -70 bis 79 an der Hand von beigegebenen Figu-
rentafeln geschilderten und beschriebenen 34 Ventila-
tionsvorrichtungen sammt noch einiger VentUations-
einiichtungen angewendet worden sind, gemäss der
bisherigen Darlegungen einen nicht befriedigenden
Grad von Genauigkeit darbieten, so können dodi
nicht sämmtliche Resultate dieser Prüfung als un-
373
Apparate und Anlagen, besonders in Rücksicht anf Eisenbabn-Lazareth wagen.
3T4
richtig, unwahr oder ungenügend bezeichnet werden.
Denn bei einigen vergleichenden Untersuchungen
treten die Vor- oder Nachtheile so drastisch her-
vor, dass die Unterschiede der Wirkungen weit be-
trächtlicher sind, als die Fehler, welche mit den an-
gewendeten Methoden begangen werden können , und
bei einigen anderen Vorrichtungen sind die Vor- oder
Nachiheile mit Argumenten nachgewiesen, welche zu
den Resultaten jener Methoden überhaupt in gar keiner
Beziehung stehen. Namentlich haben diese letztbezeich-
neten Argumente in der grössten Mehrzahl meine volle
Billigung gefunden.
Rücksichtlich jener harmlosen Vorrichtung, näm-
lich eines auch wohl in Fensterscheiben angebrachten
Ventilatorrädchens, stimme ich freilich nur mit dem
Ausspruche überein, dass letzteres lediglich ein Pallia-
tivmittel sei und dass es den Luftaustritt eher hemme
als fordere, indem es in der That die Luft nicht
sowohl bewegt, als von ihr bewegt wird; aber ich muss
doch auch hinzufügen, dass dasselbe bestimmt ist, den
bei Anwendung eines einfachen Ausschnittes entstehen-
den Rückluftzug abzuhalten und vermöge seiner leben-
digen Kraft heftigere Schwankungen auszugleichen, also
als Regulator zu wirken. Uebrigens werden sämmtliche
mit beweglichen Bestandtheilen oder selbstthätigen Ein-
stellvorrichtungeu ausgerüsteten Apparate mit Recht ver-
worfen (Noualhier, Fecht, Körting, Horworth,
Hess. Ludwigsbahn, Tos eil), ebenso diejenigen Apparate,
deren Construction und Wirkungsweise auf der Voraus-
setzung gegründet ist, dass eine auf dieselben motorisch
einwirkende Luftströmung beständig eine der Fahrge-
schwindigkeit entgegen gerichtete Componente von nen-
nenswerther Grösse habe (Creamer, Körting, Stäbe,
W^iegzell, Dachreiter des amerikanischen Lazareth-
wagens).
Die auf den Dächern oder an den Seitenwänden
der Wagen angebrachten Windfänge oder Windpresser,
bei welchen durch eine zuletzt bezeichnete Componente
nicht eine Ab-, sondern eine Zufuhr frischer Luft be-
wirkt werden soll, werden mit Recht schon deshalb
verworfen, weil sie den Russ, den Rauch und sogar die
feuei^efährlichen Funken der Locomotive in die zu ven-
tilirenden Räume gelangen lassen (R. Schmidt, knie-
fbrmiger Windfang, Heibig). Die spontane, bei ge-
schlossenen Fenstern auf dem Wege der Fugen und
Undichtheiten sich vollziehende Ventilation hat sich
entgegen anderweitig wohl geäusserter Urtheile als völlig
ungenügend erwiesen, und zwar sind die diesbezüglichen
Messungsresultate von solcher Beschaffenheit, dass die
Gültigkeit der aus ihnen gezogenen Schlussfolgerungen
von den möglichen Fehlem der Prüfungsmethode nicht
alterirt wird. In gleicher Weise haben sich die Luft-
schieber (Jalousien) 9 wie sie meistens in den Coupe 's
über den Fenstern und wie sie ferner in Lazarethwagen
über den Lagerstätten angebracht werden, als Palliativ-
mittel herausgestellt; letztere sind auch noch wegen
des durch sie entstehenden Zugwindes verwerflich oder
doch wenigstens nicht empfehlenswerth. Die Dachreiter
haben sich zum Theil aus letzterem Grunde, und das
R. Schmidt 'sehe Ventilationssystem hat sich wegen
ungenügender Wirkung als unzulässig erwiesen. Als
empfehlenswerth bleiben nur die auf den Dächern der
Wagen angebrachten Wolpert 'sehen Rauch- und Luft-
sauger übrig.
Die Berechtigung zur Führung des Namens „Sau-
ger*', insoweit hiermit der Anspruch begiündet ist, für
motorisch thätige Apparate zu gelten, wird diesen
lediglich als Schutzorgane wirkenden Vorrichtungen
bestritten und zwar auf Grund einer eingehenden, eigen-
artigen experimentellen Untersuchung (S. 94 — 107). In
der That, will mich dünken, liegt der Erfindung dieser
vorzüglichen Schutzapparate der Gedankengang zu
Grunde, gemäss welchem die Gipfelöffnung eines Schorn-
steins oder eines ins Freie ausmündenden Ventilations-
canais vor den beeinträchtigend auf den Ausfluss ein-
wirkenden vertical abwärts gerichteten Componenten
der Luftströmungen dadurch geschützt werden kann,
dass die Resultante der Windströmungen, soweit die-
selbe überhaupt Einwirkung auf den Ausfluss nimmt,
unter allen Umständen in vertical aufwärts und hori-
zontal, beziehentlich parallel zum Ausflussquerschnitt
gerichtete Componenten zerlegt wird, indem auch
letztere, durch Peclet und Andere: nachgewiesener-
maassen, auf die Ausflussmenge, ceteris paribus, nicht
vermindernd einwirken, und indem die vertical aufwärts,
oder, besser gesagt, axial zum Ausflusscanale nach aus-
wärts gerichteten Componenten an sich nicht nur nicht
hindernd, sondern sogar fördernd thätig sind.
Nun vermisohen sich aber gemäss der Construction
des Wolpert 'sehen Hutes die letztgenannten Vertical-
componenten mit den Horizontalcomponenten in solcher
Weise, dass thatsächlich nur die indifferente oder pas-
sive Thätigkeit der letzteren übrig bleibt, und daher
ist, wie dies von sehr vielen Sachverständigen nie an-
ders angenommen wurde, die motorische Leistung dieses
Hutes so gut wie Null, und nur auf Grund einiger,
übrigens von Wolpert selbst dargelegter Elementar-
erecheinungen, sowie auf Grund einer kritiklosen Nach-
rede ungenügend erwiesener oder auf trügerischen Beob-
achtungen gestützter Behauptungen entstand die unge-
rechtfertigte und sachwidrige Bezeichnung „Sauger".
Vielleicht darf noch folgende diesbezügliche Bemer-
24*
375
Weiss, Ueber Ventilation und über die Methodik der Prttfung diesbezüglicher
kung Platz finden. Die beregte Neutralität der Einwir-
kung horizontaler oder parallel zur Ausflussöffnung ge-
richteter Componenten beruht auf der aerodynamisch
nachweisbaren Thatsache, dass vermöge dieser Hori-
zontal- oder Parallelcomponenten zwar der effective
Ausflussquerschnitt kleiner als derjenige der Ausfluss-
öffiiung ausfällt, jedoch die effective Ausflussgeschwin-
digkeit gegenüber der andernfalls, also bei Windstille,
entstehenden Geschwindigkeit um ebenso viel grösser
wird.
Diese, unter Umständen sehr beträchtliche Ver-
grösserung der Geschwindigkeit mag nun für die be-
treffs der saugenden Wirkung verbreitete irrige Mei-
nung die der ungenügenden Beobachtung entnommene
Entstehungsursache abgegeben haben.
Infolge dieser Darlegungen ist bei Anwendung von
Wolpert'schen Hüten oder Hauben nur die Tempe-
raturdifferenz zwischen aussen und Wageninnerem und
die Höhe des letzteren, sowie die gegen die Ein Strö-
mung söffnungen gerichtete Wind- beziehentlich aus
der Fahrgeschwindigkeit und Windströmung resultirende
Lufbpressung als Motor der Ventilation zu betrachten.
Mithin würde ein einfaches, in die Decke des Wagens
geschnittenes Loch an und für sich die ventilatorische
Wirkung des Wolpert'schen Hutes ersetzen können,
und daher haben die Verfasser diesbezügliche verglei-
chende Versuche angestellt. Diese letzteren ergaben,
dass die Wirksamkeit des Hutes um 29 p. c. grösser
als diejenige eines gleichgrossen Ausschnittes in der
Wagendecke ist; jedoch muss dieser Mehrbetrag zum
grössten Theil auf Conto der Ueberhöhung der adspi-
rirend wirkenden Luftsäule geschrieben werden, da im
Vergleich mit der Wirksamkeit eines auf den Ausschnitt
gesetzten einfachen Rohres die Differenz nahezu Null
sich erwies.
Auch wäre die Logik keine sehr glückliche, zu
schliessen: weil der Wolpert'sche Hut 29 p. c. mehr
Luft fördert, so ist er einem einfachen Loche vorzu-
ziehen ; denn der Unbefangene wird diesfalls einwenden,
weshalb unter diesen Umständen nicht 1 '/« oder 2 Löcher
besser seien, da dieselben noch kräftiger wirken und
jedenfalls billiger und einfacher anbringbar sein wür-
den. Allein ein solches Loch oder ein solcher einfacher
Ausschnitt in der Decke ist gar nicht in Parallele zu
stellen, da unter allen Umständen dafür gesorgt sein
muss, dass nicht Regen, Russ und Funken in den Wa-
gen gelangen können. Man wird also zur Abhaltung
des Regens einen Rand, oder Kranz, oder Rohrstutzen
um den Ausschnitt und in einiger Entfernung über
demselben einen Deckel anbringen, und somit entsteht
eine Construction, welche dem Wolpert'schen Hute in
dessen einfachster Gestalt (Fig. 4*, Taf. V)
sieht, wie ein Ei dem anderen. Dieser Hut
die denkbar einfachste Vorrichtung, was se
zugung um so mehr rechtfertigt, und zu
möchte sein, dass seine durch Fig. 4** darges
struction als eine unnöthige Complication sie
wird.
Dass übrigens die betreffs desselben ai
letzterwähnten Versuche, deren Ergebnisse v(
auf Seite 99 bis 101 angegeben werden, so si
lautende Resultate geliefert haben, trotz
oben nachgewiesenen Einflusses der Schwan!
physiologischen und der atmosphärischen K<
trotz der Veränderlichkeit von Wind und V
trotz mancher unvermeidlicher Fehlerquelle!
mich meh|r überraschend als überzeugend
ebenso wie ich nicht recht begreife, dass be
gleichenden Versuchen überhaupt die von
Wetter, von Fahrgeschwindigkeit und Fahrr
sehr abhängenden Schwankungen der motoi
tensitäten nicht drastischer zum Ausdruck ge'
Auch stimme ich nicht voll in das l
dass die Anbringung des Wolpert'schen
mittelbar auf den Dächern der Wagen unter
ständen empfehlenswerth sein wird. Für di(
zeit würde diese Anbringungsweise jedenfall
fertigt sein; aber für den Winter, während
periode, wird dieselbe von der Wirkungswei
gewendeten Heizsystems abhängig gemacht werc
Ist letzteres, sowohl rücksichtlich der Co
als rücksichtlich der Handhabung, von solche
fenheit, dass die frische Luft im Niveau c
zugeführt und an hier befindlichen Heiz(
(Dampf, Wasser, Briquette) massig erwärm
dass die Totalität des Luftcubus in dem M
eine fortgesetzte Erwärmung desselben vei
physiologischen Wärme erfolgt, allmälig nac
sich bewegen kann, so ist die Anbringung
p er t 'sehen Hutes auf der Wagendecke auc
zweckmässig. Falls jedoch Luftheizung (lu
Ofen) angewendet wird, so würde bei ein
Anbringung die zum Heizen bestimmte warme
grössten Theil auf directestem Wege uuausg(
unter beträchtlicher Schädigung einer gleic
Vertheilung der Temperatur aus den Wolf
Hüten entweichen. Auch würde diesfalls,
bemerkt, die chemische Methode weit entfern
naue Resultate zu liefern; vielmehr müsste
nauer Messung die anemometrische und, zui
naueren Prüfung, eine eingangs von mir l
Combination beider Methoden angewendet w<
Apparate und Anlagen, besonders in Rücksicht auf Eisenbahn- Lazarethwagen.
378
e zugfreie und auch staublose Zufuhr der fri-
liuft ist aber die Klippe, an welcher die Venti-
äiuch bei Anwendung von W olp er t 'sehen Hüten
en Fällen scheitern kann; wenigstens wird den
Zufuhr vermittelnden Vor- und Einrichtungen
anz besondere Aufmerksamkeit zugewendet wer-
issen, falls nicht die Wohlthat einer reinen, sa-
Luft durch schwer zu ertragende Zugwinds-
illusorisch gemacht werden soll.
Die ffeizvarrichtungen.
den die Heizvorrichtungen behandelnden Kapi-
nd sehr viel Aeusserungen und Ansichten ent-
weiche meine volle Billigung finden. Auch bin
nz der Meinung, welche betreflBs der eisernen
oder Caloriferes rücksichtlich der durch Morin
ündeter Weise in die Welt gekommenen Vor-
3 über Kohlenoxydgasdiffussion ausgesprochen
und mache ganz besonders aufmerksam auf den
134 citirten diesbezüglichen Ausspruch Petten-
s, dieser auf dem Gebiete der Hygiene so scharf
den und so treifende und überzeugend beweisende
che stets zur Hand habenden Autorität,
dessen gilt für die Heizung derselbe Stossseufzer,
n die Verfasser auf S. 122 mit gesperrten Lettern
ie Ventilation austönen lassen, dass es nämlich
sfindigmachung der besten Vor- und Einrichtung
mancher Probefahrt und vieler exacter Beobach-
bedarf".
ne einfachere und doch auch genauere Methode
üfung muss daher sehr erwünscht sein, weshalb
,ube, dass auf das hierüber von mir Empfohlene
>hne Nutzen wird recurrirt werden können,
it meiner Polemik fürchte ich den Verfassern etwas
le getreten zu sein, was mir rücksichtlich deren
ernsten und mühevollen Strebens recht unlieb sein
würde. Immerhin darf die Kritik nicht anders als
unerbittlich sein, und nur noch Folgendes könnte ich
zum Schlüsse versöhnend bemerken.
Die von mir beliebte Parallele der im vorliegenden
Buche angewendeten Untersuchungsmethode mit jener
primitiven Art der Längenmessung, bei welcher der
natürliche Schritt als Maasseinheit angewendet wird,
mag dem Leser und namentlich dem heutigen, an Milli-
meter und Nonius, an Triangulirung und Methode der
kleinsten Quadrate gewöhnten Geodäten keine sehr hohe
Meinung einflössen. Der vorurtheilsfreie Beurtheiler
wird nach Durchsicht meiner Darlegungen trotzdem nicht
eine meinerseitige diesbezügliche Revocation für recht
halten. Aber ich erinnere daran, und zwar gerade den
Geodäten daran, dass Eratosthenes zu seiner Grad-
messung auch nichts Genaueres, als den Schritt und
zwar denjenigen von Kameelen als Maassstab verwen-
dete und doch als erster Gelehrter, welcher uns wenig-
stens ein ungefähr richtiges Bild vom Umfange unseres
Planeten verschaflFt hat, in der Geschichte gross da-
steht. Ich erinnere ferner daran, dass gerade eine
gründlich unrichtige Messung und Berechnung des Erd-
umfangs den Geist und die Thatkraft des Columbns
anreizte, unverwandt den Blick nach Westen zu richten,
in dieser Richtung den kürzeren Seeweg nach Ostindien
zu vermuthen und auf Grund dieses, bekanntlich selbst
noch auf seinem Sterbebette gehegten Irrthums uns
eine neue Welt zu entdecken.
Hieraus kann aber auch für den vorliegenden, ob-
schon rücksichtlich der Wichtigkeit nicht vergleichbaren
Fall die Lehre gezogen werden, dass es immerhin
lobenswerther ist, im Dienste der Wissenschaft, wenn
auch mit ungenügenden Methoden , werkthätig zu sein,
als resignationsträge und allzu skeptisch angekränkelt
die Hände in den Schooss zu legen.
Die Messung von Bewegungen an Bauwerken mittels der Libelle.*)
Vom
Geheimen Finanzrath Kopeke in Dresden.
(Hierzu Tafel XVII.)
Wenn wir die Fortschritte überblicken, welche die
Bauwisseuschaft in den letzten Jahrzehuten gemacht
hat, 80 nehmen wir ein gewisses Voraneilen der mathe-
matischen Berechnung gegenüber einer sehr langsam
wachsenden Summe von Erfahrungen wahr. Selbst für
die eisernen Brücken, bei welchen doch die Baumechanik
ihre höchsten Triumphe gefeiert hat. besteht die aus
der Erfahrung genommene Grundlage in wenigen Ge-
setzen, welche die Festigkeit von Stäben, sowie deren
Elasticität betreffen, und als 1874 in der Versammlung
deutscher Architekten und Ingenieure in Berlin über
die muthmassliche Dauer der Eisenbrücken gesprochen
wurde, zeigte es sich nicht nur, dass an den Brücken
selbst bisher wenige Erfahrungen gemacht waren, son-
dern es Hessen sich sogar Stimmen vernehmen, welche
die Anstellung von Beobachtungen an den vorhandenen
Constructionen für unfruchtbar hielten. So hoch nun
die vorliegenden Erfahrungen zu schätzen sind, so
scheint es mir doch, dass dieselben keineswegs als ab-
geschlossen angesehen werden und namentlich die Beob-
achtungen an den in Gebrauch stehenden Consti-uctionen
dazu beitragen können, die Wissenschaft zu erweitern
und zu vervollständigen. Leider mangelt es aber zur
Ermittelung der vorkommenden Bewegungen trotz ver-
schiedener Anläufe an brauchbaren Methoden; in den
meisten Fällen kommen wir über eine Messung der
grössten Durchbiegung nicht hinaus. Die Folgen dieser
Beschränkung der Beobachtungen an w^irklichen Con-
structionen zeigen sich nun namentlich in dem an sich
wohl berechtigten, aber dabei meiner Ansicht nach auch
bei Weitem übertriebenen Bestreben, solche Construc-
tionen, deren Beanspruchung zum Theil wieder von
*) Mit Genehmigung des Verfassers aus den Protokollen des
Sachs. Ingen.- und Arch.- Vereins (89. Hauptversammlung) ent-
nommen.
dem Verhalten des Ganzen abhängt, wie z. B. conti-
nuirliche Brückenträger über mehrere Oeffnungen mög-
lichst zu vermeiden, obwohl auch die Rechnung ergiebt,
dass Materialersparungen bei deren Anwendung gegen-
über den einfacheren Constructionen zu erzielen sind.
Wäre man im Stande, oder hätte man sich gewöhnt»
Auflagerdrücke regelmässig abzuwägen, die Maximal-
spannungen aller Theile unter möglichst verschiedenen
Bedingungen durch directe Beobachtung zu ermitteln,
die Form der belasteten und unbelasteten Brückenträger
durch Beobachtungen genauer, als es eine einzelne
Messung der Durchbiegung gestattet, festzustellen, so
würde man sicher bald complicirtere Formen nicht
scheuen, man würde aber auf diesem Wege durch pe-
riodische Wiederholung der Messungen auch den je-
weiligen Zustand einer Construction und die im Laufe
der Zeit vorkommenden Veränderungen kennen lernen
können.
Haben wir aber bei Eisenbrücken doch mindestens
eine ausgedehnte Erfahrung über die einzelnen Elemente,
aus welchen wir sie zusammensetzen und können wir
aus der Uebereinstimmung zwischen der berechneten
und der beobachteten Durchbie^ng einige Schlüsse
auf die Sicherheit der Construction ziehen, so ist dies
in weit geringerem Grade bei den Gewölben und Fut-
termauern der Fall, bei welchen bisher noch fast keinerlei
Beobachtungen zu einer Befruchtung der einseitig rech-
nerischen Methode der Stärkenfeststellung gefuhrt haben.
Man rechnet mit der Zerdrückungsfestigkeit , Grewicht
der Steine, der Erde und deren Schüttungswinkel,
folgt lediglich den Ergebnissen der Berechnung und ist
ausser Stande, aus dem Verhalten eines Steinbauwerks,
wenn es nicht geradezu umfällt, schief wird oder Kan-
tenbrüche zeigt, irgend einen Schluss zu ziehen.
In dem Bestreben nun, die von vornherein voraus-
zusetzenden, zum Theil aber auch aus der ErfiEihruug
381
Kopeke, Die Messung von Bewegangen an Bauwerken mittels der Libelle.
382
als wirklich vorkommend bekannten elastischen Bewe-
gungen der Bauconstructionen aus Stein zu messen,
habe ich Versuche mit einer sehr zarten Wassei'waage
angestellt, deren Ergebnisse, obwohl bis jetzt noch be-
schränkt, zur weiteren Anstellung solcher Versuche
nach meiner Ansicht ermuthigen und die ich daher
hier vorzufuhren beabsichtige.
Um zunächst zu zeigen, auf welche Weise sich
Schlüsse aus Beobachtungen ziehen lassen und um
welche Bewegungen es sich bei Steinbauwerken han-
delt, will ich die Ergebnisse der Beobachtungen mit-
theileu, welche bereits vor 11 Jahren an einem Probe-
gewölbe angestellt worden, dessen Modell auf der
Pariser Ausstellung von 1867 zu sehen war und in dem
von der französischen Regierung damals vertheilten
Buche beschrieben ist. Das Gewölbe ist in den Figuren
1 — 3, Tafel XVII, in Durchschnitten dargestellt.
Die Bewegung des Scheitels durch die Temperatur-
wirkungen hat 20,6'°" betragen. Es dehnen sich nun
nach den Versuchen von Lang in München, Hanno v.
Zeitschrift 1874^ Seite 319, bei 100« C. Temperatur-
steigerung
Grauer belgischer Marmor . um 0,5838 Tausendstel,
Weisser Marmor von Carrara „ l,ii9
Grünsandstein aus Oberbaiem „ l,ii59
Granit „ 0,37i3
Die Verlängerung, welche eine Hebung des Schei-
tels des sehr flachen und daher ohne merklichen Fehler
als parabelförmig zu betrachtenden Probebogens um
20,5"*" entspricht, ist wie folgt zu bestinunen:
Ist X die Pfeilhöhe und y die halbe Sehne einer
Parabel (Fig. 4), so ist die Bogenlänge annähernd:
»>
j>
»
2 x'
2
s
=»(>+:,V 5 -y
( : )').
daher
18,943
«= -^ =8,91,
2,125 ' '
oder
^« = 0,1477. 20,5™" = 3,028
Die Bogenlänge ist nun
,2 a?- « a?*
' = y+ 3 y - 5 y*
mm
in Zahlen:
7=>+ :(:)"- ^(7)'
« _ 2 1 _ 8 1
" ~ "^ 3 * 8,91« 5 8,91*'
y
und da
so ist
«
y
= 1,008146
2y= 37,886,
2 « = 38,206 "•.
Die grösstc Längenänderung hat somit betragen
2 . 3,028
38206
= 0,0001584 der Bogenlänge.
und es ist, nach x differenzirt, bei constantem y
(/« _ 2 1 _ ^ ^-^^
ydx 3 y- 5 " y* '
oder mit y multiplicirt :
d% 4
dx 3
X
y
8
5
x^
X 1
und wenn man —
y n
setzt
dß 4
1
8
1
dx 3
n
5
»"
daher ist
du
8 1
= ^4 3 n^ b^}'
Bei dem Versuchsbogen ist nun
Wenn nun der Pariser Kalkstein mit dem belgi-
schen Marmor denselben Ausdehnungscoefficicnten hätte,
so würde die Temperaturdifferenz sich zu
0,0005838
berechnen.
Es bleibt aber zu beachten, dass bei einem solchen
Aufsteigen des Bogens die Drucklinie sich verschieben
und deshalb eine etwas andere Vertheilung der Pres-
sungen eintreten muss, welche wieder auf die Bewegung
selbst nicht ohne Einfluss ist.
Die Verminderung der Widerlagsstärke von 15,i
auf 7,1" hat eine Senkung des Scheitels um 6,3"»" her-
vorgerufen.
Bei 0,9*" mittlerer Stärke ist die Last pro Q" des
Gewölbegrundrisses
0,9 . 2,200 = 1980,0
dazu fremde Belastung . . 656,o
zusammen 2636,o''« pro Q"
oder 26,36 „ „ Met. u. Centim.
Der Horizontalschub beträgt, da
^ = 85,40™,
26,36. 85,46=: 2252, 7 '^^ pro Centimeter der (jewölblänge.
Um das Verhältniss zwischen der Senkung des
Scheitels und der gleichzeitigen Verschiebung des Wider-
383
Kopeke, Die Messung von Bewegungen an Bauwerken mittels der Libelle.
384
lagers bei constanter Bogenlänge zu finden , setzen
wir die Di£ferenziale des Ausdruckes
« = y4-
2 «-
nach X und y zusammen = Null und erhalten somit
4
woraus
dy — h -
y y
dx _ ^ _3_ y
dy~ 4
X
3
xdx
= 0,
oder in Ziffern
dx 18,943—0,15
Ty=-^-;-^ =^'^^'
^.2,125
oder, wenn der Scheitel sich um 6,64 ™™ senkt, so muss
bei gleichbleibendem s das Widerlager an jeder Seite
um 1 ""* ausweichen. Da nun aber das eine Widerlager
nicht ausweichen konnte, so muss das gemauerte um
das Doppelte ausgewichen sein, d. h. um
2.6,3 - ^
-.-- ==rund 2°"'.
6,64
Eis ist nun möglich, unter der Annahme, dass die
Temperatur während der Schwächung des Widerlagers
constant geblieben sei, den Elasticitätsmodul E des
Widerlagsmauerwerks zu bestinmien.
Berücksichtigt man, dass Scheerkraft und Biegung
zur Wirkung konunen, so haben wir zunächst für die
Biegung bei vollem a (Taf. XVII, Fig. 3)
e.t..={h^-s']-:.,
2/3
für die Verschiebung kommt hinzu:
2//.A
+
E.a
und bei der verminderten Stärke = h
ET,u,
und somit ist
=[=-%')
Qh\ ^
2/3
tti
u
Rh —
Qh
T,
+ 2 Rh
(I-
woraus
E=
i*+^-(i-i)
in Zahlen:
Ä = 8,l9; Zr=2253; 0=18,85.26,36^494; * = 7,l;
7 1^
r=-i— •
12 '
E pro 100 n^ = 7037398, daher pro Q"" 70374 K
Die von mir benutzte, eigens für die erwähnten
Zwecke vorgerichtete Libelle*) steht auf einer Schiene,
welche an dem einen Ende mittelst eines Chamiers
auf einer etwas längeren Schiene befestigt ist, während
sie am anderen Ende eine Schraube enthält, durch
deren Drehung sie gehoben oder gesenkt werden kann.
Die Schraube hat einen scheibenförmigen Kopf, dessen
Umfang in 100 gleiche Theile getheilt ist. Eine volle
Umdrehung der Schraube entspricht einer Winkelbe-
wegung der Libelle um 461 Secunden, somit ist die
Drehung um '/loo Umdrehung gleich 4,6i Secunden.
^/loo Drehung geben einen Ausschlag der Libelle um
15,1 Theilstriche ä2,i9™'°, so dass die Krünmiuug der
Röhrenwand in der Verticalebene als mit einem Halb-
messer von 210" beschrieben sich ergiebt; eine zweite
fiast gleiche Libelle ist von einem Universalinstrumente
zeitweilig entnommen worden. Es ist hier zu bemerken,
dass Herr Professor Bauschinger Experimente an
verschiedenen Materialien behufs Ermittelung des Ela-
sticitätsmoduls unter Benutzung eines Spiegelapparates
augestellt hat, wobei die Ablesungen mit Hülfe eines
um 160,7'*" weit vom Spiegel abstehenden Fernrohrs
und einer darauf befindlichen Scala bewirkt wurden.
Die genaue Beschreibung des sehr sinnreichen Apparats
ist im Jahrgang 6 der Zeitschrift des bairischen Ar-
chitekten- und Ingenieur- Vereins und in einem kürz-
lich veröffentlichten Auszuge, welcher die sämmtlichen
„Mittheilungen aus dem mechanisch-technischen Labo-
ratorium der Münchener Polytechnischen Schule" ent-
hält, zu finden. Danach befinden sich die Spiegel, von
denen an jeder Seite des der Probe unterworfenen
Stückes sich einer befindet, auf verticalen festen Achsen
von 3,215™" Halbmesser, welche Achsen in Folge der
Längenänderung der gepressten oder gedehnten Probe-
stücke durch Reibung am Umfange gedreht werden.
Bei 1'°"* Längenänderung des Probestückes lässt daher
der durch den Spiegel ins beobachtende Fernrohr fei-
lende Lichtstrahl ^inen um
-3—^.2.1 = 1000'»'»
3,215
vom Einstellungspunkte entfernten Theilstrich sichtbar
*) Die Libelle ist von Herrn Mechanikos Hille in Dresden
angefertigt
385
Kopeke, Die Messung von Bewegungen an Bauwerken mittels der Libelle.
386
werden und da man noch ^5"" schätzen kann, so wird
eine Längenänderung von V5000"" erkennbar.
Die oben erwähnte, mit Stellschmube versehene
Libelle hat eine 0,5™ lange Unterlage, und da man mit
voller Sicherheit Z6|}intel der 2,i9"° grossen Theile der
Libellenscala, deren jeder einer Winkelbewegung von
2,15 Secunden entspricht, schätzen kann, so ist auch
die Auf- oder Abwärtsbewegung eines Endes der die
Libelle tragenden Schiene um
2^"._500"»^ _ J^
10 . 206370" ~ 2000
mm
messbar. Man wird daher, auch wo es sich nicht um
directe Winkelmessungen, sondern um Linienmessungen
handelt, ohne alle nennenswerthe Vorbereitungen und
auf jedem Bauplatze mit Hülfe von Libellen ungefähr
dieselbe Genauigkeit wie mit dem Spiegelapparate in
München erzielen können, sobald man nur die zu prü-
fenden Prismen vertical stellt. Wollte man dagegen
die erwähnten Libellen auf dünner Achse anbringen,
wie sie im München er Laboratorium die Spiegel tragen,
und diese Achse in gleicher Weise in Folge der Län-
genänderung der Materialstücke sich drehen lassen, so
würde der Genauigkeitsgrad — abgesehen von neuen
Fehlerquellen — im Falle des Bedarfs noch bedeutend
gesteigert werden können. Für die Verwendung auf
dem Bauplatze dürfte aber ganz ohne Frage die Libelle
ein einfacherer Messapparat sein, als der in München
benutzte Spiegelapparat.*)
Von älteren Angaben über die Elasticität von Stein-
materialien sind zunächst die von Tredgold herrüh-
renden, in Na vi er 's Resume de le^ons mitgetheilten,
sowie die von Bevan ermittelten Werthe bekannt; da-
nach wäre *
für Schieferstein in Kil. pro O«^» i;= 1096000,
für Marmor . . . E= 1756000,
„ Portlandstein E= 106800,
„ Glas £= 428800.
Die Versuche von Bau seh in ger haben u. A. fol-
gendo Ergebnisse geliefert. Es ist der Elasticitätsmodul
*) Zu den Methoden, welche für Ermittelung des Elasticitäts-
modols eine grosse Genauigkeit gewähren, dürfte auch die von
H artig (Polyt. Centralblatt 1869, S. 1041) zuerst angeregte, von
Judenfeind-Hülsse (Inaugural- Dissertation, Jena 1872) für
mehrere Materialien durchgeführte zu zählen sein, bei welcher
ein aus dem zu untersuchenden Material hergestellter Stab wie ein
Waagebalken in unbelastetem und belastetem Zustaude schwingen
gelassen und aus Schwingungsdauer und Empfindlichkeit die Form-
änderung des Stabes berechnet wird ; die Vergleichung dieser Form-
änderung mit der nach den Sätzen der Elasticistätslehre abzuleiten-
den führt sodann zu einer sehr scharfen Bestimmung von E.
D. Red.
CiTiliugenieur XXIII.
für mittelkörnigen Granit J5;= 270000— 510000,
„ feinkörnigen „ JS;= 120000— 288000,
„ Grüusandstein .... E= 86000—210000,
zugleich aber ist eine bedeutende Verschiedenheit so-
wohl für Druck und Zug, wie nach der Richtung der
Druck- und Zugkräfte, ob rechtwinklig oder parallel zur
Schichtungsebene (auf Lager oder auf den Spalt) wir-
kend gefunden worden.
Von mir sind Sandsteine von Pirna und Granite
von Bischofswerda einer Inanspruchnahme auf Biegung
ausgesetzt worden. Dabei wurde der zu prüfende pa-
rallelepipedische Stein (Fig. 5 unserer Tafel) auf zwei
Stützen gelegt, vor der Belastung in der Mitte auf
jedes der überstehenden Enden des Steines eine Libelle
gesetzt und zum Einspielen gebracht. Es genügten
dann unbedeutende Gewichte, um ganz erhebliche Aus-
schläge der Libellen zu bewirken und so die eintreten-
den Winkelbewegungen der elastischen Linie auf den
Stützpunkten zu erkennen.
Beispielsweise betrug das arithmetische Mittel (die
Stützpunkte waren nicht absolut fest, so dass die Win-
kelbewegung an beiden Enden von einander abwichen)
der Erhebung der Tangenten an den Stützpunkten bei
einer Stufe, welche 155"" breit, 165"" hoch war und
1170"" frei lag, 17,i2 Secunden bei 50^ Belastung in
der Mitte. Nun findet sich unter Bezugnahme auf die
Fig. 6, wenn T das Trägheitsmoment, E den Elastici-
tätsmodul bezeichnet,
^^2=«("-t)
und für x=l
ETtgtt =
2'
woraus
E=
Ql^
Demnach ist
E=
2Ttffa
25 . 58,5^ .
= 87270'^«.
2. ---.15,5. 16,5^/1^17,12"
Andere Beobachtungen haben 45280, 59000 und
90000^^ als Elasticitätsmodul von aus Pirna'schem
Sandstein gefertigten Parallelepipeden ergeben, wobei
die kleinsten Werthe bei kurzen auf den Spalt ge-
stellten Stücken beobachtet wurden.*)
*) Nach einer von dem verstorbenen Professor Schramm in
Zittau im October 1S66 ausgeführten directen Messung hat sich
25
387
Kopeke, Die Messung von Bewegungen an Bauwerken mittels der Libelle.
ä8&
Die auf ganz gleiche Weise an Granitsteinen an-
gestellten Beobachtungen (welchen Herr gepr. CiviUn-
genieur Weidnor sich freundlichst unterzogen hat)
ergaben für den Elasticitätsmodul
£'=224600— 454000 K
Es ist demnach der Elasticitätsmodul von Pirna'-
schem Sandstein etwa % — ^/4 desjenigen des Holzes,
während dagegen der Elasticitätsmodul des Granits
etwa doppelt bis dreifach so gross wie derjenige des
Holzes bei der Biegung sich ergiebt. Meine Beobach-
tungen haben übrigens eine Abnahme des Elasticitäts-
moduls bei zunehmender Belastung, trotz der Gering-
fügigkeit der letzteren, nicht undeutlich ergeben, was
sich mit den B aus ch in ger 'sehen Versuchsresultaten
wohl in Einklang bringen lässt.
Streng genommen hat man diejenige Winkelbe-
wegung, welche durch die Scheerkräfte herbeigeführt
wird, zu berücksichtigen, sobald man Winkelbewegungen
innerhalb des Bereichs der Wirkungen solcher Kräfte
beobachtet hat. (Vgl. den Aufsatz des Verfassers über
Abscheerungsfestigkeit, Hannover'sche Zeitschrift 1858,
Seite 225 ff.) Ist der Elasticitätsmodul des Wider-
standes gegen Abscheeren Es = — E oder desjenigen
auf Druck und Zug, falls man diese einander gleich
setzen kann, so ist unter Bezugnahme auf Fig. 7 der
Winkel y, welcher die Verschiebung des Längenschnittes
des Stabes darstellt:
Q
ist nun n = 29 so wird
bhE
n
während der Neigungswinkel der Mittellinie in Folge
der Biegung am Ende des Stabes
demnach ist die ganze Drehung
ß=
y + /J=ä(-^-^- + --J_^)
und somit, wenn man E aus der Gesammtdrehung er-
mitteln will und daher für T den Werth ^ bh^ einsetzt:
E=
2T\ y + (i
für den feinkörnigen Waltersdorfer Sandstein ergeben:
Elasticitätsmodul.
für Ausdehnung 412S0^(^,
für Verdichtung 100770"«,
fOr Biegung 49680 "s.
D. Red.
.=Äi 1:^iZ
2T
^ + ß
Ein kleiner Theil der Minderbeträge, welche sich fiir
den Elasticitätsmodul bei Stellung von Platten auf dem
Spalte während der Biegung ergaben, ist yielleicht
hierdurch zu erklären ; es liegt indess kein genügender
Grund vor, anzunehmen, dass die durch Scheerkräfte
zwischen den Stützen eines auf Biegung beanspruchten
Steins bewirkten Verschiebungen über die Stützpunkte
hinaus sich fortsetzen und habe ich deshalb auch darauf
keine Rücksicht genommen.
Dass man mit Hülfe von Libellen auch die durch
directen Druck und Zug bewirkten Längenänderungen
leicht und sehr sicher messen könnte, wenn man den
zu prüfenden Körper vertical stellt und oben wie unten
den Stand der mit dem andern Ende auf eine feste
Stütze zu stellenden Libelle vor und während der Wir-
kung der dehnenden oder comprimirenden Kraft abliest,
will ich hier beiläufig erwähnen. Es ist überhaupt
klar, dass man auf diesem Wege jede geradlinige Orts-
veränderung mittels Beobachtung der Drehbew^ung
einer in geeigneter Weise augebrachten Libelle zu er-
kennen und zu messen vermag.
Die Bewegungen, welche ich an wirklichen Bau-
werken beobachtet habe, werde ich nunmehr mittheilen,
und wenn ich trotz der Mangelhaftigkeit der Unter-
lagen dabei einige Schlussfölgerungen bezüglich des
Elasticitätsmoduls der Mauerwerksmassen zu ziehen
mir erlaube, so bitte ich, dies lediglich als einen Ver-
such zur Anregung weiterer Beobachtungen anzusehen.
A. Die erste rechtsseitige Landöflfnung der neuen,
unter Leitung des Herrn Oberingenieurs Manck zur
Zeit in der Ausführung begriflfenen Albertsbrücke über
die Elbe in Dresden (Fig. 9) hat 16,975»» Spannweite
bei 3,612" Pfeilhöhe, einen inneren Krümmungshalb-
messer von 12*°, welcher auch für die Mittellinie als
gültig angesehen werden mag. Die Gewölbedicke ist
im Scheitel 1", am Kämpfer 1,3"^, also im Mittel l,i5".
Der Horizontalschub ist somit annähernd , wenn die re-
lative Dichte =2,2, pro Centimeter der Gewölbelänge
12. 1,15. 2,2. 100 _^
JÖCT -303,6 «8.
Der Verticaldruck an der Vorderkante des Pfeilers
durch das Gewölbe ist
8,5. 1,15^/2^2. 1000_215,05»«.
Die Höhe des Pfeilers über dem Erdboden ist 8", die
Kopeke, Die Messung von Bewegungen an Bauwerken mittels der Libelle.
390
ist 6°*; es werde angenommen, dass etwa ^/s '
sammtwirkung des Gewölbes durch die Ausrüstung
worden sind; dann ist das Moment
= % (303,6 . 800 — 215,05 . 300)= 118910,0 »«•«°.
an ist
E=
"l.T.tgti'
/=800'^'»,
r= ^^ . 1 . 600» = 18000000,
^a =
12
206370
-=0,00003014,
E=
118910.800.
= 87660 ^fif.
2 . 18000000 . 0,00003014
m zu zeigen, wie gross die Senkungen in Folge
astischen Compression bei Ausrüstung von 6e-
: ausfallen, wollen wir den 3. Bogen am rechten
er neuen Eibbrücke in Dresden betrachten; der-
hat 15,5" Spannweite und 2,92™ Pfeil, folglich
ae Länge pro Hälfte
rhältniss der Steigung des Scheitels zur Dehnung
>gens (oder der Senkung zur Compression) ist
z/« = 0,417 ^a:,
= 60000 würde demnach die Bogenverkürzung
das Ausrüsten, wenn durch dieses % der Wölb-
ei werden,
^/s. 11,75.2,2. Vio 1J23
" nr.r.r^r. — = "^^T^rvA = 0,0000287 . #,
ch wäre
60000 60000
z/ä = 0,2419"™;
0,2419 ^ „„
Jx = -X = 0,58 ™™.
0,417 '
ehmen wir als grösste TemperaturdiflFerenz 70 ®C.
würde nach den Lang 'sehen Beobachtungen für
mdstein
z/# = 0,7 . 0,00116 .8430 = 6,845™™
)mit die grösste Variation der Pfeilhöhe
6,845
^x = -^ — = 16,4™™
0,417 '
en., Granit dehnt sich nur Vs so ^^^U mithin
bei einem Granitgewölbe von gleichen Dimen-
der grösstmögliche Weg
/JX = 5,5
mm
B. Der Zwischenpfeiler der beiden Landöffnungen
der Interimsbrücke zu Riesa, deren eine in Figur 8
unserer Tafel dargestellt sich findet, ist 2,26 ™ stark und
7° hoch bis zum Fuss der Strebe. Die Strebe steht
unter % Neigung. Bei einer Belastung des Streben-
kopfes von 25000 ^8 ergiebt sich, bezogen auf die Mittel-
linie der Pfeilerbasis, ein
,. ^ 25000,,, , 25000 8 „^
Moment = — ——113+ ^— -X--700
= 6365278 ^•«™;
auf 1*^™ Länge kommen . hiervon bei 5™ Länge des
Pfeilers
, 6365278
Ql= ^^^_ = i2730,ö5kg-<^™;
die Schwankung war bei einseitiger Belastung 14 Se-
cunden, daher ist
(^r^.=^).
E=
12730. 7 00^™. 206000^^ _ 1 83566,6 000000
V,a.l^™.2253*^™.14".2.~~ 2,0578125
^=69070^» pro Q^.
Einige andere auf den Gewölben und Pfeilern von
grösseren gewölbten Brücken der sächsischen Staats-
bahnen unter Benutzung eines Bahnzuges angestellte
Beobachtungen, welche ebenfalls ganz erhebliche, auf
den ersten Blick überraschende Winkelbewegungen er-
gaben, sind deshalb hier nicht im Einzelnen zu er-
wähnen, weil ohne weitere eingehende Messungen keine
Schlussfolgerungen auf den Elasticitätsmodul oder die
Lage und die Verschiebung der Drucklinien in den
Gewölben daraus gezogen werden können. Ich denke
indess die Beobachtungen fortzusetzen.
Um noch einmal kurz auf den Werth von Mes-
sungen dieser Art, welche natürlich noch bedeutend
vervielfältigt werden müssen, um richtige Schlüsse mit
aller Sicherheit zuzulassen, zurückzukommen, so scheint
mir die Hauptsache darin zu beruhen, dass man Beob-
achtungen erhält, welche sich auf die wirklich vorlie-
genden Fälle beziehen und erkennen lassen, wie sich
gerade das einzelne Bauwerk verhält. So unentbehrlich
die wissenschaftlichen Versuche im Laboratorium, wie
sie W.öhler, Spangenberg, Bauschinger, Lang
u. A. angestellt haben, stets bleiben werden, so werden
sie doch .nie ausreichen, im Voraus das Verhalten eines
bestimmten Bauwerks unter den in der Wirklichkeit
vorkommenden Einwirkungen — ich erinnere beispiels-
weise an die Vibrationen, Verhalten der Fundament-
sohle, Feuchtigkeitszustand des Erdbodens und des Ge-
mäuers — zu berechnen und dies um so weniger, als
25*
391
Schmidt, Coustrnctionsregeln für die Eyth'sche Expansioussteuerong.
392
dabei die Art der Ausfühining, Qualität der Materialien
und des Mörtels, Art der HinterfüUung bei jedem Bau-
werke andere sind. Endlich aber ist der Einfluss der
langsam wirkenden Atmosphärilien und anderer Agentien
oder kurz der Zeit deshalb, weil es sich für Eisen-
und Steinbauwerke um lange Jahre des Bestehens han-
delt, im Laboratorium gar nicht oder so gut wie gar
nicht festzustellen und es können hier eben nur Beob-
achtungen in der Wirklichkeit nach und nach sichere
Anhaltspunkte zur Beurtheilung gewähren.
Constructionsregeln für die Eyth'sche Expansionssteueruug.
Von
J. Schmidt,
Assistent der Gewerbschule in Chemnitz.
(Hierzu Tafel XVIII.)
Der hochverdiente Ingenieur Max Eyth publicirte
im Jahrgange 1859 dieses Blattes (S. 211) einen Ex-
pansiousschieber, dessen volle Verwendbarkeit bisher
nicht erkannt zu sein scheint. Der Erfinder selbst gab
durchaus ungenügende Constructionsregeln, ja schrieb
diesem Schieber Mängel zu, die sich mit leichter Mühe
vermeiden lassen. Aus diesem Gininde von allen vom
Elrfinder gegebenen Constructionsregeln von vornherein
absehend, sei es mir nun hier gestattet, aus der Grund-
idee jenes Schiebers mit Zugrundelegung einer gewissen
Dampfvertheilung und gewisser Füllungsgrade jene
Regeln auf rein wissenschaftlichem Wege herzuleiten.
Hierbei setzen wir das Vertheilungsschieberdiagramm
als gegeben voraus.
Formel für die Kanaleröffnung im Expansionsschieber.
Nach Figur 1 unserer Tafel ist die Kanaleröflf-
nung im Expansionsschieber
a^ = Z^-{' a^ — l—x — ^^
(1)
in jener Figur bedeutet
CD das Expansionsschieber -Mittel,
JEF „ Vertheilungsschieber- Mittel,
AB „ Schieberspiegel - Mittel,
^ den Weg des Vertheilungsschiebers,
^^ „ „ „ Expansionsschiebers,
I gemessen«
Kennzeichnet nun der Index e die Werthe der
veränderlichen Schieberwege ^ und ^^ und des Kurbel-
drehungswinkels 0} bei Beginn der Expansion, so folgt
aus Gleichung 1) sofort auch
von AB aus
nach rechts
oder
= L.^ + a, — l—x — i,\
daher auch
a, = V — V (2)
Sind femer XMm. und f/jf«x. die zur grössten Fül-
lung gehörigen Werthe des x und ^^\ so hat man auch
= i^a + «1 — / — XMm. le^Max. ,
daher auch
«
X ^Mm. ^^^ b« Max. Se »
auf welcher Gleichung das Abgreifen der Plattenent-
fernung X aus dem Diagramme beruht.
Darstellung dieser Eröffnung im Diagramm.
Formel (2) begründet die graphische Darstellung
jener Kanaleixiffnung. In Figur 2 ist R^ die Kurbel-
stellung bei Beginn der Expansion, die Kurbeldrehungs-
richtung durch Pfeil, sowie die Region, deren Radios-
vector bei der hier gezeichneten Füllung allgemein
gleich a4 ist, durch Schraffirung angedeutet Damit
nun mit der Steueioiug auch grosse Füllungen erreichbar
sind, muss, wie schon Eyth vorschreibt und aus dem
Diagramm, Figur 2, leicht einleuchtet, der Voreilungs-
winkel d^ des Expansionsexcentei'S negativ sein, mit
anderen Worten, jenes Excenter darf nur ¥[enig der
Kurbel voraneilen. Hiermit wäre die Lage des Expan-
sionsexcenters nur ganz ungefähr gegeben; es giebt in-
dess eine Region, innerhalb welcher dasselbe anbedingt
liegen muss, damit nicht bei grossen Füllungen frischer
393
Schmidt, Constructionsregeln für die Eyth'sche Expansioussteuening.
394
Dampf wähi-end der Expansionsperiode in den Cylinder
tritt, noch bei kleinen Füllungen die Wirkung des
linearen Voreilens des Vertheilungsschiebers durch den
Expansionsschieber zum Theil oder ganz vernichtet wird.
Gehen wir jetzt zur Bestimmung jener Region über.
Bf Stimmung der eben noch zMsHgen Grenzwerthe d^s öK
a) Grösste Füllung.
In Figur 3 sehen wir, wie bei einer bestimmten
Füllung nach Beginn der Expansion im Strahle ORe
der Expansionsschieberkanal schon im Strahle OR^
wieder geöffnet wird und dass zu gleicher Zeit der
Vertheilungsschieber den zum Cylinder führenden Dampf-
kanal noch um die Länge ah geöffnet erhält, in Folge
dessen frischer Dampf während ' der Expansionsperiode
in den Cylinder tritt, was aber zweifelsohne wegen da-
durch eintretender Stösse unstatthaft ist. Zur Beseiti-
gung dieses Uebelstandes muss eine solche Veränderung
des Expansionsschieberdiagrammes vorgenommen wer-
den, dass die Kurbel den Strahl OR^ später durchläuft
als den OR^, Da nun iu Figur 3 Oc=Od, dieser
üebelstand also bei der grössten mit der Steuerung
erreichbaren Füllung am schroffesten auftreten wird, so
kann bei unserer weiteren Betrachtung auch nur diese
in Frage kommen ; es stelle also Figur 3 das Diagramm
für die grösste Füllung vor. Da nun Oc = Od, der
Strahl OR^ also unabhängig von der Grösse der Ex-
centricität Og = /* des Expausionsschiebers den Winkel
cOd halbirt, so wird bei unverändeiler Lage des
Strahles OR^ und unverändertem Füllungsgrade, d. h.
unveränderter Lage des OR^ eine Veränderung der
Excentricität r^ keine Veränderung der Lage des Strahles
OR^ herbeiführen, weshalb wir obigem Uebelstande
nur durch Verdrehung des Expansionsexcenters gegen
das Vertheilungsexceuter abhelfen können. Li Figur 3
müssen wir aber hierzu eine solche Drehung in der
wieder durch Pfeil angedeuteten Kurbeldrehungsrich-
tung vornehmen , da dann bei unveränderter Lage des
ORt (constante grösste Füllung) Oc mithin auch Od
kleiner, also Winkel cOd grösser wird und ausserdem
die Halbiruugslinie OR^ dieses Winkels, also auch der
Strahl JRj sich dem Strahle R^ nähert. Durch eine
entgegengesetzte Verdrehung des Expansionsexcenters
würde sich obiger Üebelstand nur verschlimmem. Wir
sehen also, dass in Figur 3 der sogenannte Nacheilungs-
winkel R^OR^ des Expansionsexcenters zu klein ist,
also auch, dass durch die grösste Füllung der kleinste
mögliche Nacheilungswinkel — d^ und zwar in der
Weise bestiihmt ist, dass R^ den Winkel ReOR hal-
birt. Dies ist die Bestimmung der einen Grenze der be-
zeichneten Region. (In Figur 3 stark gezogen.) Es
folge nunmehr die Bestimmung der zweiten Grenze.
b) Kleinste Füllung.
. Figm* 4 stelle das Diagramm einer Eyth 'sehen
Steuerung für sehr kleine Füllung vor (Beginn der
Expansion in ORg). Hier gestaltet sich zunächst die
Region der Kanaleröffnungen a^ dadurch etwas anders,
dass wärend der Volldruckwirkung die ^^ negativ sind,
weshalb hier bei Einführung der absoluten Längen von
t,' und ^' nach Gleichung (2) a^^=S^ — ^^ ist. Weiter
ist ersichtlich, dass hier zwar Vertheilungs- und Ek-
pansionsschieber zu gleicher Zeit den Dampf kanal öffnen,
dass aber a^ für den Kurbeldrehungswinkel ü) =
kleiner als das lineare Voreilen v ist, was man, nament-
lich wenn die betreffende Füllung nicht allzu klein ist,
immer gern wird vermeiden wollen. Es erscheint des-
halb nicht unzweckmässig, bei jeder Steuerung sich
über die kleine Füllung klar zu werden, bei welcher a^
für (0 = gerade gleich v ist.
Dieselbe findet sich aber ungemein leicht aus dem
Diagramm, siehe Fig. 5 {ab:=v). Wollte man nun in
Figur 5 eine Verdrehung des Expansionsschieberexcen-
ters iu der Kurbelrichtung vornehmen, wie solches
punktirt angedeutet, so würde bei unveränderter Fül-
lung das lineare Voreilen v sofort durch den Expan-
sionsschieber afficirt werden, d. h. ist uns wie in Fi-
gur 5 eine gewisse kleine Füllung gegeben, bei welcher
a^ für üß = nicht kleiner als v sein soll, so ist auch
damit eine bestimmte zweite Grenzlage des Expansions-
excenters in der Weise gegeben, dass, wollte man — d^
über den durch die Gleichung „a4 für cu = gleich o^^
bestimmten Grenzwerth hinaus vergrössern , auch diese
Gleichung sofort für die betreffende kleine Füllung in
die Ungleichung „«4 für w = kleiner als v" über-
gehen würde, was doch bei der Füllung vermieden
werden sollte. Dass diese Grenze unter Umständen
schon für - d^ = ^ (Vorschlag des Herrn Eyth)
überschritten sein kann, zeigt ebenlalls Figur 5. Ist
nun auch diese zweite Grenze oben genannter Region
nicht so scharf gegeben, insofern Füllungen <0,i wohl
selten oder gar nicht vorkommen, und nur bei solchen
kleinen Füllungen eben gerügter Üebelstand auftreten
wird, so ist doch immerhin auch auf diesen Umstand
beim Entwerfen einer Steuerung zu achten.
Von weiterem Interesse ist die Kanalausnutzung
bei kleineu Füllungen und hat man zu ihrer Beurthei-
lung sich
31)5
Schmidt, Constructionsregelu für die Eyth'sche Expansionssteaeruug.
396
iiher die für die Dampfvertheilung nmaasgebenden Kanal-
eröffnwng&n
klar zu werden. Wird nun bei gewissen kleinen Fül-
lungen die Kanalweite nie ganz ausgenutzt, insofern
der Expansionsschieberkanal schon innerhalb der Pe-
riode, während welcher der Vertheilungsschieber den
Cylinderkanal eröflfnet, wieder verengt wird, so dient
zur Bestimmung der grössten für die Dampfvertheilung
maassgebenden Kanaleröffnung offenbar nach Figur 1
die Gleichung a.^ = a^ oder, mit e die äussere Deckung
bezeichnet,
l-e = V-k' ...... (3)
Ist nun das Diagramm, sowie eine kleine Füllung ge-
geben, für welche diese Grenze bestimmt werden soll,
so thut diese Gleichung bessere Dienste in der Form
| + |i = ^,i^, (4)
Erinnert man sich nämlich der Construction des
sogenannten relativen Schieberkreises K^ aus der Grösse
und Lage der Excentricitäten r und r* (siehe Figur 6),
dessen Durchmesser die von ausgehende zweite Seite
des aus der Seite r* und der Diagonale r construirten
Paiallelogrammes ist und dessen Radiusvector Op^ - ^^
allgemein = Op — Op^ = | — ^^ ist , dass also auch
zwischen diesen Werthen die Gleichung besteht ^^-f-
fi = ^, so erhält man den in obiger Gleichung (4) er-
haltenen Ausdruck ^ + f^ leicht als Radiusvector eines
Kreises K^ (siehe Fig. 7), dessen Durchmesser die von
ausgehende Diagonale des aus den Seiten r und r^
construirten Parallelogrammes ist. Der Radiusvector
^^ dieses Kreises, welcher der Gleichung entspricht,
5:^=1,1 + . (5)
giebt nun nach oben offenbar den Kurbeldrehungs-
winkel an, bei welchem a^:=a^ ist. Figur 7 zeigt die
hierauf beruhende Construction und die schraffirte Re-
gion der für die Dampfvertheilung allein maassgebenden
Kanaleröffnungen für eine gewisse kleine Füllung, und
sind wir mit Hilfe jenes Kreises K^ nunmehr im Stande,
mit Leichtigkeit bei jeder Füllung über die Kanalaus-
nutzung zu urtheilon.
Von speciellem Interesse dürfte zunächst die Fül-
lung sein, bei welcher der Dampfkanal eben noch aus-
genutzt, d. h. bei welcher derselbe nur einen Moment
lang vollständig geöffnet wird und namentlich, welchen
Einfluss eine Veränderung des Nacheilungswinkels — d^
auf diesen Füllungsgrad hat. Wir werden nämlich
gleich sehen, dass es eine gewisse Lage des Expansions-
schieberkreises giebt, bei welcher jene Füllung mit
momentaner Kanalausnutzung ein Minimum ist. Gehen
wir zu dieser Betrachtung über:
QünatigaU Lage des ExpansitmiBchieherkreiaes m Bezug amf
gute Kanalauetnitzung,
Zur Bestimmung des Kurbeldrehungswinkels Wj,
bei welchem ^ — e=a = a^ ist, dient nach Früherem
die Gleichung
« = .^•-§1^ (6)
wo
(bei Einführung eines negativen d*) und
ist. Diese Gleichung (6), nach toe aufgelöst, giebt
coe=arc8m\-Y+sm{d^ + (aM — d^ , . . (7)
Als günstigste Lage des Expansionsschieberkreises
in Bezug auf gute Kanalausnutzung kann nun diejenige
bezeichnet werden, bei welcher jenes Wg ein Minimum
ist, damit bei möglichst vielen Füllungen der Dampf-
kanal eine gewisse endliche Zeit hindurch ganz geöffnet
wird. Zur Bestimmung jenes d* differenzire man die
Gleichung (7) nach d^ und setze den so erhaltenen
Quotienten gleich Null, wodurch man nach wenigen
Reductionen die Gleichung erhält
oder kürzer
2rUm(d»+ai,) = — Ä
•c 1
^1 —
a
2
(8)
Durch Verbindung der Gleichungen (6) und (8)
erhält man weiter für diesen Fall
a
?«^ = -^, also auch = — §1* . . . (9)
Die letztere Gleichung sagt aber nichts anderes,
als dass zur Erfüllung der Gleichung
d(Of
die Halbirungsliuie des Winkels w« — (o^ senkrecht zur
Richtung des r' stehen muss, woraus weiter folgt, dass
dieselbe identisch mit der Gleichung ist:
(O^ -f Olj
8' = —
(10)
Da weiter bei Innehaltung der Gleichungen (8), (9)
und (10) .,^^* positiv ist, wovon man sich leicht
überzeugen kann, so geben Gleichung (8) und die
aus ihr hergeleiteten (9) und (10) ein Minimum des
zugehörigen w^, d. h. bei Erfüllung genannter Glei-
chungen wird die Füllung mit momentaner Kanalaas-
397
Schmidt, Gonstructionsregeln für die Eyth'sche Expansloussteaeraiig.
398
imtzung eine möglichst kleine. Da weiter nach der
trigonometrischen Formel •
dntt — »tnß = 2 8in — - — cos —
2nn
w,
w,
008
h'+^p^
^] ■
(11)
SO fällt r* bei unverändertem w^, cog und a am klein-
sten aus für
[■
I VI j^ w^ + «i
]=+..
d. h. ebenfalls bei Erfüllung der Gleichung (10); in
Worten: Die aus Gleichung (10) sich ergebende Lage
des Expansionsschieberkreises liefert bei gegebener Fül-
lung mit momentaner Kanalausnutzung zugleich die
kleinste mögliche Excentricität r^ des Expansions-
schiebers, weshalb man mit Recht dieselbe als die gün-
stigste Lage bezeichnen kann.
Man kommt indess leicht in Versuchung, dem letzt-
erkaltenen Resultate einen allzu grossen Werth beizu-
legen, wenn man nicht auch hier wieder das Diagramm
als Rathgeber benutzt. Dass nämlich We sich nicht
wesentlich mit d* bei constanten übrigen Grössen ver-
ändert, ersieht man beispielsweise aus Figur 8, wo die
Strahlen O^Rf, und O^R^ die zu den Lagen ^K^ und
^K^ des Expansionsschieberkreises gehörigen Kurbel-
stellungen bei Beginn der Expansion und bei momen-
taner Kanalausnutzung vorstellen. Etwas, aber immer-
hin nui* wenig vergrössert sich die Divergenz dieser
Strahlen bei sehr kleinen Füllungen, bei welchen der
Kanal nur zum geringen Theile ausgenutzt wird, wie
dieses Figur 9 zeigt. Das Resultat der letzten Unter-
suchung lässt sich daher in folgenden Worten zusam-
menfassen :
Soll eine Eyth'sche Steuerung für eine
meistens mit kleinen Füllungen arbeitende
Maschine entworfen werden, so nehme man
den Nacheilungswinkel — d^ des Expansions-
exccnters nicht zu gross an, damit die Kanal-
au^nutzung eine möglichst gute wird. Man
binde sich also hier durchaus nicht an den voil
Wie man neuerdings den Meyer 'sehen Expan-
sionsschieber mit getheiltem Rückenkanale ausfuhrt, so
lässt sich auch hier das Princip der Kanalspaltung zur
Erzielung eines möglichst schnellen Dampfabschlusses
verwerthen; auch hierüber mögen einige Bemerkungen
Platz finden.
Eyth' scher Schuber mit getheiltem Exparmonssehieherkaruüe.
Bei der Theilung des Zufuhrungskanales von der
Weite «i (siehe Figur 1) in n gleiche Theile (n z. B.
in Figur 10 gleich 3) geht die Gleichung (1) für solchen
Schieber über in
n n n
oder
a^ = n\L^ — x) + a^ — l—nl'^ . . . (12)
Ist wieder für f* = 5,* a4 = 0, so hat man
o=r»(Z3 — ar) + Äi — /— n|-/,
oder auch
«, = n(|.»-|') ..... (13)
Durch Vergleichung der Gleichungen (2) und (13)
erhält man hiernach folgenden Satz:
Unter denselben Verhältnissen ist die
Excentricität des Eyth'schen Schiebers mit
getheiltem Expansionsschieberkanale gleich
dem nten Theile der Excentricität des gewöhn-
lichen ungetheilten Schiebers, oder mit an-
deren Worten: aus dem Diagramme des letz-
teren erhält man die Excentricität des ersteren
zu
n
n
Eyth gemachten Vorschlag, 6^ gleich . - zu
wählen; namentlich aber dürfte der Umstand,
dass mit der Vergrösserung des — d* auch der
sogenannte relative Schieberkreis JT* (siehe
Figur 6), also auch die Schieberreibungsarbeit
bedeutend zunimmt, wesentlich zu einer Miss-
billigung des Eyth'schen Vorschlages bei-
tragen.
Da sich nun in den meisten Fällen mit kleiner
werdendem r^ auch r^ (siehe Figur 6j verkleinern wird,
so wird eine solche Kanalspaltung, vergröesem sich
nicht dabei die Reibungsflächen in bedeutenderem
Maasse, auch hier auf eine Verringerung der Schieber-
reibungsarbeit hinwirken; auch wird man durch die-
selbe ein schnelleres Abschliessen des Dampfes erreichen,
was aus Gleichung (13) namentlich in der Form
^e* — ^i=:,A sofort zu ersehen ist; ob indess nicht
fit
auch bedeutende Nachtheile, wie etwa eine enorme
Vergrösserung der Schieberdimensionen, mit derselben
verbunden sind, darüber lässt sich erst nach Berech-
nung der Schieberdimensionen urtheilen, weshalb nun-
mehr letztere einer eingehenden Besprechung unter-
zogen werden muss.
ayy
Schmidt, Constructiousregeln für die Eyth'sche Expausioussteuerung.
400
Berechnung d^r Schieber dimensionm.
Obeuan stellen wir folgende Regel: Die zur Be-
rechnung der Schieberdimensionen erforder-
lichen Grössen greife man ohne Weiteres aus
dem Diagramme ab, denn eine peinliche Be-
rechnung derselben würde einestheils zu zeit-
raubend, anderentheils aber auch von keinem
praktischen Werthe sein, da man eine Bewe-
gung des Schiebers in genau derselben Weise,
wie sie das Diagramm giebt, in der Wirklich-
keit wegen der endlich langen Schieberstange
und unvermeidlicher Ausführungsfehler nicht
erwarten kann und darf.
Zunächst sei erwähnt, dass Eyth seinen Schieber
so construirte, dass nie Verengungen des Expansions-
schieberkanales durch Kanten des Vertheilungsschiebers
eintraten. Wij- können uns aber mit dieser Construc-
tionsweise insofern nicht befreunden, als solche Ver-
engungen wohl erlaubt sind, so lange sie die Dampf-
vertheilung nicht beeinflussen und insofern, als durch
letztere constructive Freiheit der Schi(»ber bedeutend
kleiner, sowie seine Entlastung vollkommener ausfallen
muss, als bei Innehaltung der Eyth 'sehen Construc-
tionsweise, wie wir später an Beispielen hinlänglich zu
zeigen Gelegenheit haben werden. Unterschätze man
daher nicht die Wichtigkeit einer Betrachtung jener
Verengungen.
Verengung der Expanmonsschieberkanäh durch den Verthei-
lungssckieber.
Da solche Verenguugen möglicher Weise sowohl
durch die Kante 6f als auch durch die H (siehe Fi-
gur 10) hervorgerufen werden können, dieselben aber
ganz verschiedener Art sind, so wird die weitere Be-
trachtung in zwei Theile zerfallen, deren erster
1) die Verengungen durch die Kante G
(Figur 10)
behandele. Nach Figur 11 ist nun bei dfen früheren
Bezeichnungen
a,= L-''~^ {h + a,)-L,^'e • • (U)
n
Construirt man nun den Schieber so, dass stets die
Ungleichung resp. Gleichung
n — 1
(siehe Figur 1 und 11) erfüllt ist, so geht man offen-
bar sicher, dass bei keiner Füllung jene Vei*engung die
Dampfvertheilung beeiuflusst. Da weiter a^ veränder-
lich oder constant ist, je nachdem dasselbe kleiner oder
gleich a (siehe Figur 1) oder, was dasselbe, je nach-
dem ^ — G kleiner oder grösser als a ist und darnach
obige Ungleichung (15) verschieden gehandliabt werden
muss, so wird dieser Theil der Betrachtung wieder in
zwei Theile a und ß zerfallen müssen, deren einer den
Fall
et) «2 = 5 — <•, d. h. <^a
behandelt. Durch Vereinigung der Gleichung (14) und
Ungleichung (15) erhält man nun hier
Z —
n — 1
n
/,-Z,--|^>J~.
oder bei Bezeichnung der Constanten
w— 1
n
h —L.,-\-e
(16)
mit C\
6',>§ + r (17)
den Ausdruck rechter Iland erhält man aber leicht im
Diagramm als Radius vector §** eines Kreises K^^ dessen
Durchmesser die Diagonale des aus den Seiten r und
r^ construirten Parallologrammes ist (siehe Figur 12),
oder, da auch ^ + ?-=| + | — 1*=2^ — ^S so lässt
sich der Kreis K^ sozusagen auch als relativer Schieber-
kreis zu den Excentrici täten 2r und r^ ansehen. Be-
zeichnet man nun das gi-össte für a^ = ? — e vorhandene
^* mit ^^Max. (über welchen Werth das Diagramm leicht
entscheidet), so wird die Ungleichung
C\>k'Max. (18)
die (17) in sich schliessen, weshalb wir auch nur diese
(18) zu berücksichtigen haben.
Weiter muss für den zweiten Fall, dass
j3) aj = a
ist, naeh Gleichung (14) und Ungleichung (15)
sein, oder bei Bezeichnung der Constanten
n ^
«« +
n
a, > a^
1 - ~ m
m m
• (15)
....... l/,_Z^+,_(,+,)
n
(19)
mit Cj — (a-{- e)
C,-{a+e)>^,' (20)
Bei Bezeichnung des grössten bei a^ = a auftreten-
den ^^ mit '^^Max. werden wir im weiteren Verlaufe
unserer Betrachtung nun die Ungleichung
401
Schmidt, Constractionsregelu für die Ejth'sche Expansionssteaerung.
402
C,-{a + e)>'^^Max. (21)
zu berücksichtigen haben, da dieselbe wieder die Un-
gleichung (20) in sich schliesst. Ueber die Grösse des
^Max. entscheidet auch hier wieder leicht das Diagramm.
Von den Ungleichungen (18) und (21) darf aber
offenbar diejenige in eine Gleichung übergehen, welche
die andere Ungleichung in sich schliesst, aus welcher
Bedingung dann mit Zuhilfenahme des Diagrammes
der Werth der Constanten Cj folgt; mit anderen Wor-
ten, es sind hier zwei Fälle möglich, entweder ist
C^— {a + e) = l^ifox. und zugleich
6, >l*jfajc.> woraus durch Subtraction folgt
'ä+e>^^Max, — ^^Max., odcr CS ist
Ci =l*jfax. und zugleich
C^ — {a-\-e)y> l^Mnx. y woraus wieder durch Subtraction
folgt
durch welche Combination wir zu folgendem Resultat
der ganzen Betrachtung über die Verengungen durch
die Kante G (Figur 10) gelangen:
Die Constante
C,=L-^L, — '^—^i, + e . . . (22)
bestimmt sich aus der Gleichung
ist.
Zum Schlüsse machen wir noch darauf aufmerksam,
dass vermöge der Lage der Kreise K^ und K^ solche
Verengungen durch die Kante G nur bei kleinen Kur-
beldrehungswinkeln und zwar bei solchen mit positivem
A ?^ vorkommen werden , worauf wir bei unserer wei-
teren Betrachtung noch einmal verweisen müssen ; dass
ferner keine Verengung des nächsten Expansionsschieber-
kanales durch die Kante G, wie solche Figur 13 ver-
sinnlicht, eintreten kann, folgt schon leicht daraus,
dass hierzu eine relative Verschiebung der beiden Schie-
ber um den Betrag — ^ nöthig wäre, solche aber bei
der Lage des relativen Schieberkreises K^ hier ganz
undenkbar ist. Gehen wir nun zum zweiten Theil un-
serer Betrachtung über.
2) Die Verengungen durch die Kante H
(Figur 10).
Bei den Bezeichnungen der Figuren 14, 15 und
16 hat man folgende Formeln für die bei sehr weit
getriebener Kanalspaltung möglichenfalls nacheinander
eintretenden Verengungen durch die Kante H
Ctvlllngenieur ZXIII.
I je nachdem a + e \' J{ I^mox. — l^¥ax.
s
«7 = — + -'^»-A + S',
n n
a, = ä^ + ?i'+Z,_i, + |* U. 8. f.
n n
Daher die zu diesen Werthen gehörigen Gesammtkanal-
eröffnungen des Expansionsschiebers ohne Rücksicht
auf etwa zu gleicher Zeit eintretende Verengungen
durch die Expansionsplatten bezüglich
«
«10 ==«7 H —' «1=01+^3 A+l^
n
«ii=«8H — — «i=»i+X3— Zi+ ~ +J^
n n
<»i2 = «9+ «i = ajL+X3 — Z^4- * + l^ u. S. f.
Diese Kanaleröffnungen haben aber sämmtlich die Form
n
(23)
WO C^ die Constante a^ + L^ — L^ und die positive
ganze Zahl m (incl. der Null) bestimmt ist durch die
Grenzen 0<w<n — 1. Aus dieser Gleichung (23) ist
nun in Anbetracht der Lage des relativen Schieber-
kreises K'^ bei dieser Steuerung (siehe Figur 6) sofort
ersichtlich, dass solche Verengungen durch die Kante
H nur bei grösseren Kurbeldrehungswinkeln und zwar
bei solchen mit negativen A^^ vorkommen können, so
dass also nie zu befürchten ist, dieselben könnten mit
den Verengungen durch die Kante G zu gleicher Zeit
auftreten. Wie ferner aus Gleichung (23) ersichtlich,
lässt sich aber bei Unkenntniss der Dimension l^ nicht
über diese Verengungen urtheilen, weshalb die Bestim-
mung jener hier unbedingt einzuschalten ist. Da ferner
der Bestimmung sänmitlicher anderer Dimensionen mit
Ausnahme der von L^ keine Schwierigkeiten entgegen-
stehen werden, so wollen wir zur Vermeidung einer zu
grossen Zersplitterung des Ganzen auch diese ohne
Weiteres folgen lassen und endlich zum Schluss auf
die Eröffnung A zurückkommen, um aus ihr L^ her-
zuleiten.
Die bis jetzt betrachteten Kanalverengungen wur-
den durch Kanten des Vertheilungsschiebers bewirkt;
bei gewisser Schieberconstruction sind indess auch solche
durch die Kanten K der Expansionsplatten (siehe Fi-
gur 17) denkbar. Da nun diese Platten nur mit den
Kanten J die Füllung bestimmen sollen, so sind die
eben erwähnten Verengungen gleichfalls nur dann zu-
lässig, wenn sie ohne Einfluss auf die Dampfvertheilung
sind. Da ferner aus letzterer Bedingung abermals be-
26
403
Schmidt, Constractionsregeln fttr die Eyth'sche Expansionssteuerong.
404
stimmte Schieberdimeusionen abgeleitet werden können,
so ist eine Betrachtung auch dieser Verengungen nicht
2u übersehen.
Verengungen durch die Kanten K (Figur 17).
Da nun nach Figur 17
«13=5^ + ^ +
l+«5 j
— — 2j^
n
(24)
solche Verengungen also nur bei kleinem JS d. h. bei
kleinem lo eintreten werden, so ist es immerhin denk-
bar, dass dieselben mit der durch die Gleichung (14)
bedingten Verengung zu gleicher Zeit auftreten, in
welchem Falle man offenbar (nach Figur 11 und 17)
die Gesammtkanaleröffnung des Expansionsschiebers zu
'»14 = <'6+(« 1)^13
erhielte, welche Formel nach Benutzung der Gleichungen
(14), (24) und der ohne Weiteres verständlichen
H + l=^i + h (25)
übergeht in
Da es weiter auf den kleinsten möglichen Werth
dieser Eröffnung ankommt, letzterer aber für XMm.
(grösste Füllung) auftritt, so erhalten wir nach oben
bei Verwerthung der Gleichung ?^ = f — ^^ die Un-
gleichung (siehe Figur 1)
Äi4 = X— nX3 4-(n— l)a;j^wi. + «l^ — ^.^«2
(26)
Bei Bezeichnung der Gonstanten
L — nL^ + {n—\)xMü,. .... (27)
mit Cg erhält man so, in Anbetracht dessen, dass jene
Eröffnung a^^ bei kleinem u) auftreten wird, man also
auch hier einen ähnlichen Weg betreten muss, wie bei
Betrachtung der Verengung durch die Kante G, fol-
gende zwei Ungleichungen (A) und (B), welchen wir
kurz mit Hinweisung auf das Frühere die aus ihnen
herzuleitende Entwickelung folgen lassen.
C3 + n|^~§>^-. (A)
giltig für a^ = ^ — e, d. h. <«
und bei Bezeichnung des grössten für a2 = ^ — e auf-
tretenden Radiusvector ^^ des aus 2r und nr^ con-
struirten Hilfskreises K'"" (siehe Figur 18) mit ^^mox.
schliesst die Ungleichung
gütig für a^ = a
^3 + ««' — ^>«
C. — a>A — n^^
(B)
jene in sich.
ayJte>i'^Miu. (C)
und bei Bezeichnung des grössten für a2=a auftreten-
den Badiusvector ^^ des aus r und nr^ construirten
Hilfskreises K^ (siehe Figur 19) mit ^^uax. schliesst die
Ungleichung
C^ — a>A^Max, (D)
jene in sich.
Aus diesem Grunde kommen in unserer weiteren
Betrachtung auch nur die Ungleichungen (C) und (D)
in Frage, von denen diejenige nun in eine Gleichung
übergehen kann und soll, welche die andere Ungleichung
foitbestehen lässt. Wir haben sonach auch hier wieder
zwei Fälle zu unterscheiden:
entweder ist
C^-\'e=:l^xax. und ausserdem
^8 — g>'l^ifaa?..< woraus durch Subtraction folgt
oder es ist
C3 — a=^l^Max. und ausserdem
C3 — e^i^Max . 9 wo raus wieder durch Subtraction folgt
Hieraus erhalten wir folgendes Resultat:
Die Constante
C\ = L^nL^ + {n—\)xMin. . . . (28)
bestimmt sich nach der Gleichung
C?3 = rjfax. + «
je nachdem die Ungleichung
B
besteht, über welch' letztere das Diagramm leicht Auf-
schluss ertheilt.
Was weiter die
Bestimmung der Dimension L.^
anlangt, so geschieht dieselbe mit Hilfe der Bedingung,
dass bei keiner Plattenentfemung während der Ikpan-
sionsperiode frischer Dampf in den Ojrlinder treten
darf, mit anderen Worten, dass die in Figur 20 dar-
gestellte Ueberdeckung ü, so lange ^>6 ist, poeitiv
ausfallen muss. Da nun nach dieser Figur
diese Ueberdeckung also am kleinsten für Xmmms, und für
« + <? \^J{ i^Max. — k^Max.
405
Schmidt, Constructionsregeln fttr die Eyth'sche Expansioiissteuerinig.
406
das grösste innerhalb der Periode f >ß vorkommende
^S welches wir mit ^^^ bezeichnen wollen, ist, so mnss
das durch die Gleichung
L, = ü + XMax. + i2' (29)
gegebene ü positiv ausüallen, nach welcher Gleichung
nunmehr die Dimension Z, leicht zu berechnen ist.
Darnach folgt aber ohne Weiteres aus den Glei-
chungen (28) und (29)
Die Dimension L
zu I' = Cji + nL^ — {n—l)xMm. . . • (30)
(siehe Gleichung 28).
Nach Berechnung dieses Werthes ergiebt sich endlich
Die Dimension l^
mit Hilfe der Gleichung (22) zu
n
n — 1
Die Dimension l
(31)
leitet sich endlich aus der Stellung des Schiebers, Fi-
gur 21, bei Beginn der Ebcpansion für irgend eine, z. B.
die grösste Füllung, her. Bs ist nämlich nach dieser
Figur
n n
also bei Bezeichnung des zur grössten Füllung gehörigen
X und ^,* mit XMi». und ^e^Max.
l = ai + n{L^ — ^3iüi. — h^Max.) . . • (32)
nach welcher Gleichung ohne Weiteres aus Gleichung
(25) die
Dimension ar,
folgt zu
Endlich wird die
(33)
Dimension L^
mit Hilfe der Figur 22 aus der Bedingung abgeleitet,
dass eine Eröifnung ai5, wie sie diese Figur zeigt, unter
keinen Umständen während der Periode, innerhalb
welcher |>e ist, stattfinden darf, damit nicht frischer
Dampf während der Expansion in den Cylinder tritt.
Da nun nach dieser Figur
«15 = ^ — ^2 — ^S
diese Eröffnung also mit abnehmendem ^^ zunimmt, so
wird solche auch nur am Ende des Kolbenlaufes zu
erwarten sein. Bezeichnet man jetzt das kleinste zu
f>e gehörige |* mit ^3* und fuhrt man auch hier
wieder des sicheren Schlusses halber eine Ueberdeckung
ü^ ein, so muss offenbar die Gleichung bestehen
«15 für ^* = S3* gleich — «\ ,
oder
L,='Z + ü,-^,^ (34)
Die Dimension a^
endlich ist stets so zu wählen, wegen der Contraction
des durch die Kanäle — fliessenden Dampfes, dass das-
selbe um ein Greringes grösser als a ist,
«i>« (35)
welche Ungleichung indess für w = 1 in eine Gleichung
übergeht. Die Dimension L^ endlich ist aus der Ka-
naleröffnung Ä abzuleiten, weshalb wir jetzt, wie schon
oben bemerkt, auf diese zurückkommen müssen.
ForUdzung über du Betrachtung der Verengungen durch du
Kante H (siehe oben).
Da nach S. 402 die aus jenen Verengungen abge-
leitete Gesammteröffnung A des Expansionsschiebers
mit abnehmendem ^^ ebenfalls abninmit, vermöge der
Lage des Kreises K^ (siehe Figur 6) aber bei dieser
Steuerung durchschnittlich |^ bei zunehmendem (a ab-
nehmen wird, so werden jene Verengungen nach dem
Ende des Kolbenlaufes hin auftreten und namentlich
in der Periode, innerhalb welcher der Vertheilungs-
schieber den Gylinderkanal allmälig verschliesst, von
Einfluss sein. Da nun solche Verengungen durchaus
zu vermeiden sind, so lange noch a^^^a ist (zur Ver-
meidung einer Beeinflussung der Dampfvertheilung)*
dieselben also nur während der Periode, während wel-
cher zum zweiten Male | — e<Ca ist, unter Umständen
statthaft sind, ferner aber zum vollständigen Abschneiden
eines oder mehrerer Expansionsschieberkanäle durch
die Kante H (wie solches die Figuren 15 und 16 zeigen)
eine sehr bedeutende innerhalb jener Periode nicht
denkbare Abnahme des ^^ nöthig wäre (A " wenigstens
gleich — ^ - ), so kann auch nur so lange, als f >c
ist, von der Verengung nur eines die Dampfvertheilung
bewirkenden Kanales die Rede sein, mit anderen Worten,
es ist m = zu setzen (siehe oben) und für a + > | > c
und „d^ negativ" die Ungleichung Ä^a^ einzuhalten,
damit jene Verengung ohne Einfluss auf die Dampf-
vertheilung bleibt. Man hat so nach Gleichung (23)
C, + ^'>^ — e oder da | — 5^ = |-§ -f- |i = |^
26 •
407
Schmidt, Constractionsregelii filr die^^th'sche Expansionssteaeinng.
408
ist bei Bezeichnung des kleinsten innerhalb der Periode
a-b€>^>e und „d^ negativ" auftretenden |* mit ^4*
aus welcher Gleichung nach Einführung der Constanten
Ci (siehe Gleichung (23)) nunmehr
Die Dimension L^
folgt zu
Z,=«, + <f4-X3 — 14» .... (36)
Zum Schluss muss indess noch auf die in Figur 22
dargestellte Eröffnung a^^ aufmerksam gemacht werden,
da solche durchaus zu vermeiden ist. Nach dieser
Figur ist aber
«ni = — s'* — A — • -^3 »
weshalb unbedingt darauf zu achten ist, dass
L, + L,>r'^ (37)
Hiermit ist die Berechnung aller dem Eyth 'sehen
Schieber eigenthümlichen Dimensionen als erledigt zu
betrachten und möge jetzt noch ein Beispiel die An-
wendungsweise derselben verdeutlichen, so¥rie auf die
Brauchbarkeit auch dieses Schiebei-s hinweisen.
Beispiel.
Für das Vertheilungsschieberdiagramm Figur 23
ist ein Eyth 'scher Schieber mit der grössten Füllung
= 0,76 und einmal für die kleinste Füllung ^0,i und
das andere mal füi* dieselbe = zu berechnen und zu
zeichnen, und zwar für n = 1 und n = 3. Die Dampf-
vertheilung soll bei den vier Schiebern die nämliche
sein, um auf diese Weise leicht ein Urtheil über den
Einfluss der Kanalspaltung zu gewinnen. Endlich sei
die Füllung mit momentaner Kanalausnutzuug 0,3,
XMn». = 0, ü = üi — 3«"" und a, für w = 3 gleich 28°".
Da die sich auf die Füllung mit momentaner Ka-
nalausnutzung beziehende günstigste Lage des Kreises
K^ (siehe Gleichung 10 und 11) die durch die grösste
Füllung gegebene Grenzlage ( — d^)Müt. noch nicht über-
schreitet, so werde dieselbe hier dem Ezpansions-
schieber zu Grunde gelegt und ergeben sich nunmehr
sämmtliche Hilfskreise K* bis JT^, wie sie Figur 23
zeigt, sowie aus diesen folgende Werthe der zur Berech-
nung der Schieberdimensionen erforderlichen Grössen:
Kleinste Füllung.
n«l
n«=:3
« =
7
7
1*'-
47
55,6
15,7
0,1
f^ifox.—
18,9
84
28
76,6
44,4
44,4
76,6
44 ;
— 39,3
40
76,5
b Max.
44,4
37
S^Max. —
68,3
b« Max. ^^
14,7
— 8,5
13,3
25
28
r 2 —
49,3
37
Wir wollen im Folgenden die Berechnung für die
kleinste Füllung =0,i geben, die für die kleinste Fül-
lung = dem Leser selbst überlassend, da der Gang
der Rechnung in beiden Fällen derselbe ist. Die
Zeichnungen geben wir in 0,3 natürlicher Grösse (Fi-
guren 24 bis 27). Man hat nun für
kleinste Füllung =0,i
71 = 1
n = 3
Z3 = 3 H- 55,6 + 47 = 105,6 . . . (29) : Z3 =3 + 18,9 + 15,7 = 37,6 . . .
Da hier , Da hier
«4-, = 25 + 7 = 32<|^v.,. — |^v«r. = 76,5 — 44 = 32,1 '■ « + ^ = 32 < |^v.;.. - |«jirax. = 32,1 . .
so ist (28) so ist auch
^'3 = ^^v«^. — «^ = 76,6 — 7 = 69,5, C3 = ^^Max. — e = 69,5,
daher daher
Z = 69,5 + 105,6 = 175,1 . . . . (30) Z = 69,5 + 112,8 -- 182,3 . . .
Da weiter die Dimension /, für n = 1 nicht zur ^^ ^®^^®^ ^*®^*
Ausführung gelangt, so hat auch eine Berechnung der- « + ^=32>-J^if«jc. — l*.¥ax. = 68,3 — 37 = 31,8 .
selben keinen Sinn. Ferner ist so ist auch
(29)
(28)
(30)
(22)
409
Schmidt, Constractioiisregeln für die £yth*«che Expansionssteuerang.
410
daher
/= 25 +.105,6 — 44=86,6 .... (32)
Für a^ gilt dasselbe wie für l^
Z^ = 175,1 4-3 + 39,3 = 217,4 . . . (34)
Xi = 25 + 7 + 105,6 — 40 = 97,6 . . (36)
endlich ist hier die Ungleichung
Zj + X3 = 97,6 + 105,6 = 203,2 > r- = 49,3 . (37)
erfüllt.
C,=|*ifax.+ « + ^=37 + 32 = 69,
/i = -^ (182,3 + 7 — 37,6 — 69) =124
/=28 + 3(37,6 — 14,7) = 96,7 . . .
a^ = 28 + 124 — 97,7 = 55,3 . . . .
Z^= 182,3 + 3 + 8,5= 193,8 . . . .
Zi = 28+ 7 + 37,6 — 13,3 = 59,3 . .
endlich ist auch hier die Ungleichung
Zi + Z3 = 59,3 + 37,6 = 96,9 > r* = 37
erfüllt.
(31)
(32)
(33)
(34)
(36)
(37)
Wollte man so construiren, dass die durch die
Figuren 11 und 13 bis 17 dargestellten Verengungen
als die Eröffnung a^^ (Fig. 22) unter allen Umständen
vermieden werden sollten, wie es auch Eyth that^
a.
so müsste man aQjim. = <^7Mm.=(ii3Miu. sämmtlich = — -
und ai^jfojc. == — Wg setzen, wo ü^ wieder eine des sicheren
Schlusses halber einzuführende Ueberdeckung bedeutet.
Auf diese Weise erhielte man aus den Gleichungen (14)^
(23), (24) und (34) die
Z — i^ — öj — Zj — r* = 0,
fi
r * + XMni. + ^
M2 = Z
n
X,+r^
Z, = 0,
Dann müsste aber auch die durch Fig. 20 darge-
stellte Ueberdeckung ü stets positiv sein, was der Fall
ist, wenn
ü = L^— XMax. — r^'
Diese Gleichungen geben aber mit denen (32) und
(33), welche auch jetzt noch gelten, folgende zur Be-
rechnung der Schieberdimensionen erforderliche Werthe :
Verheuerte Eyt hasche ConstrucU'onsweüe.
L,=ü + xjiaz, + r' (29*)
^* =^+r, (31*)
n n
»!, = li + a^~l (33)
X, = X, — r' (36*)
^=^+-— -^ /. + «, + r- . . . (30*)
It
L.^L + r' — ü, (34*)
Wir bezeichnen diese als die verbesserte Eyth 'sehe
Constructionsweise insofern, als wir uns hierbei keines-
wegs, wie es Eyth that, an eine bestimmte Grösse und
Lage der Kreise K und K^ banden, dieselbe also auf
jedes beliebige Diagramm angewendet werden kann.
Die Figuren 28 und 29 zeigen z. B. für obiges Beispiel
und für die kleinste Füllung = die Schieber bei An-
wendung letzterer Constructionsweise.
Da nun den Fi^ren 24 bis 29 dieselbe Dampf-
vertheilung zu Grunde liegt, so können wir aus ihnen
mit Leichtigkeit folgende Schlüsse ziehen:
Die Kanalspaltung im Expansionsschieber
erzeugt, bei unveränderter Dampfvertheilun^,
keine wesentliche Vergrösserung der Schie-
berdimensionen, verringert die Reibungsar-
beit zwischen Expansionsschieber undPlatten,
vergrössert dagegen die zwischen Expansions-
und Vertheilungsschieber. Ob durch dieselbe
ein Vortheil erreicht wird oder nicht, dürfte
also schwer zu entscheiden sein.
Je kleiner die kleinste Füllung, desto
grösser fällt, bei sonst unveränderter Dampf-
vertheilung, der Schieber aus; aus diesem
Grunde ist die Constructionsweise, welcher
die kleinste Füllung gleich Null zu Grunde
liegt, zu verwerfen, da ein Absperren des
Dampfes leichter und besser durch ein Ab-
sperrventil zu erreichen ist.
Die verbesserte Eyth'sche Constructions-
weise trägt wesentlich zur Schiebervergrösse-
rung, sowie zur R^ibungsvermehrung zwischen
Expansions- und Vertheilungsschieber bei
und ist deshalb mit Recht als unpraktisch zu
verwerfen.
Man construire daher, um den Schieber
415
Beck, Ueber den Begriff „Maschine^.
416
und Delaunay cfeHaton das gleichbedeutende Fremdwort:
„Apparat^ gebrauchen, womit man immer etwas von Men-
schenhand zur Erreichung eines gewissen Zweckes Hergerich-
tetes versteht. Auf den Widerspruch, der darin liegt, wenn
man auch Naturproducte mit unter die Maschinen rechnet,
haben ¥dr bereits hingewiesen.
Femer drückt die Definition Reuleaux's nicht aus,
dass eine Maschine den Zweck habe, eine bestimmte
mechanisch-technische Arbeit zu verrichten, sondern
bezeichnet als deren Zweck nur die Erzeugung einer be-
stimmten Bewegung. Dass aber nicht nur die Bestimmt-
heit der Bewegung, d. h. des Weges bei der Bewegung,
sondern auch die Ueberwindung bestimmter Widerstände,
oder mit einem Wort die Verrichtung einer bestimmten
mechanischen Arbeit Zweck der Maschine sei, darin stimmen
fast alle anderen Autoren überein. Durch die R e u 1 e a u x 'sehe
Definition aber wird der Unterschied zwischen „Mechanismus^^
und Maschine gänzlich verwischt und die Yermengung dieser
beiden Begriffe führt zu manchen ungerechtfertigten Schlüssen.
Da auf den 3 ersten Zeilen der Seite 38 von Beuleaux's
Kinematik zu lesen ist: „Wenn wir eine Maschine ausfuhren,
so wollen wir damit eine Vorrichtung zur Ausführung be-
stimmter mechanischer Arbeiten schaffen, sei es eines Trans-
portes, oder einer Umformung eines Körpers, oder beider
zugleich^^, so ist es um so weniger begreiflich, warum dieser
von den älteren Autoren fast allgemein angegebene Zweck
der Maschine in der Reuleaux'schen Definition nicht an-
gegeben und auch später ausser Acht gelassen wird.
Auf Seite 54 von Reuleaux's Kinematik wird z. B.
gesagt, dass auch Fernrohre, geometrische Messapparate,
Waagen u. s. w. unter die Maschinen zu rechnen seien, weil
an denselben bestimmte, (zwangläufige) Bewegungen, resp.
Vorrichtungen zur Erzeugung solcher, vorkonmien. Da aber
die Hervorbringuug einer bestimmten Bewegung nicht der
Zweck von optischen Instrumenten, Messwerkzeugen und
Waagen u. s. w. ist und noch viel weniger die Verrichtung
einer mechanischen Arbeit; da vielmehr die bestimmte Be-
wegung hier nur als Mittel zur Erreichung anderer Zwecke
dient, so pflegt man desshalb (und nicht etwa „weil die be-
treffenden Mechanismen nur vorübergehend gebraucht wer-
den und die dabei angewendeten Kräfte klein sind") der
Anschauungsweise älterer Autoren gemäss diese Vorrichtungen
nicht zu den Maschinen oder Mechanismen zu rechnen.
Niemand wird bestreiten, dass die Stell- und Wende-
vorrichtungen an einem Teleskop Mechanismen resp. Ma-
schinen sind. Sie haben den Zweck, bestinmite Bewegungen
resp. die Ueberwindung der dabei vorkommenden Wider-
stände zu ermöglichen; spricht man aber von dem Teleskop
als Ganzen, so ist sein Zweck ein anderer.
Einer Waage pflegt man nicht etwa, wie Reuleaux meint,
deshalb den Namen „Maschine" vorzuenthalten, weil bei ihr
die Bewegung auf enge Grenzen eingeschränkt ist (denn dies
ist sehr häufig nicht einmal der Fall), sondern deshalb,
weil ihr Zweck Gewichtsbestimmung und nicht Verrich-
tung mechanischer Arbeit ist. Die Bewegung tritt dabei
nur als Nebenerscheinung auf, oder dient nur als Mittel zum
beiters darauf beschränkt sei, Störungen in den einzelnen Opera-
tionen derselben zu verhüten und höchstens einzelne bestimmte
Operationsweisen der Maschine, nachdem andere ausgeführt sind,
einzuleiten. Dr. Hart ig.
Zweck. Letzteres gilt z. B. von den Zeigerwaagen, Ersteres
aber von den Balkenwaagen, bei denen die Bewegung sogar
ganz vermieden werden kann, wenn man sich die Mühe
machen will, die Waagschale mit der Hand so zu nnt«^
stützen, dass der Waagbalken horizontal bleibt, während man
den zu wägenden Gegenstand darauf bringt, und dann aU-
mälig Gewichte in die andere Waagschale zu legen, bis man
fühlt, dass dieselben dem zu wägenden Gegenstande das
I Gleichgewicht halten. Zieht man dann die Unterstützung
j der ersten Waagschale weg, um sich auch noch durch dea
Gesichtssinn zu vergewissern, ob Gleichgewicht besteht, so
braucht keine Bewegung in der Waage einzutreten. Die
Ausführung mechanischer Arbeit ist bei der Waage daher
nur Nebenerscheinung und je feiner und rascher man wägen
will, desto mehr muss man bestrebt sein, diese auf ein Mi-
nimum zu beschränken.
Aehnlich verhält es sich mit Uhren, wie sie heutigen
; Tages gebräuchlich sind. Ihr Zweck ist das Messen der
Zeit und in dieser Hinsicht sind sie mit Sanduhren, Sonnen-
uhren u. s. w. in eine Klasse zu rechnen. Die gleichförmige
I Bewegung des Zeigers ist eigentlich nur Mittel zu jenem
Zweck; will man sie aber auch als Zweck der Uhr gelt^
lassen, so sind doch immerhin die bei der Bewegung unver-
meidlichen Widerstände nur als störende Nebenerscheinungen
zu betrachten, welche der Uhrmacher möglichst vermeiden
muss. Deshalb ist von diesem Standpunkte aus eine Uhr
I nur ein Mechanismus, nicht aber eine Maschine zu nennen.
' Letztere Bezeichnung wäre erst dann gerechtfertigt, wem
I man annehmen wollte, die Uhr habe den Zweck, zur Ver-
j richtung von Reibungsarbeit und Ueberwindung von Luft-
' widerständen zu dienen, was doch kaum annehmbar sein dOrfta
Wollte man nach Reuleaux Teleskope, Theodolitbiy
Waagen und dergl. zu den Maschinen rechnen, so mflsste
mau diese Bezeichnung auch auf Barometer, Thermometer,
Zirkel Reissfedern u. s. w. anwenden, denn an allen dies«
Vorrichtungen kommen bestimmte Bewegungen vor, wddie
durch die Verbindung widerstandsfähiger Körper erzwungen
sii^i. Damit wäre dann das Gewerbe des Mechanikiis mit
dem des Maschinenbauers wieder vereinigt Es w&re aber
selbst kein Grund mehr vorhanden, warum man nicht Regen-
schirme, Taschenmesser, Thürschlösser, Riegel und eine
Unzahl anderer Gebrauchsgegenstände, an denen sich zwang-
läufige Bewegungen auffinden lassen, nicht auch Maschinei
nennen sollte. £s wäre dies eine Wiederverdünnnng oder
Wiederverflüchtigung der Bedeutung dieses Wortes, die u»
durchaus nicht wünschenswerth erscheint
Nach unserer Ansicht dürfte sich daher folgende ab-
geänderte Form der Reuleaux 'sehen Definition des Wortes
„Maschine" empfehlen :
Eine Maschine ist eine künstliche Verbindung wid^
standsfähiger Körper, welche zur Verrichtung einer be-
stimmten mechanisch-technischen Arbeit dient
und zu diesem Zwecke so eingerichtet ist, dass durch sie
mechanische Kräfte genöthigt werden können, nnter be-
stimmten Bewegungen zu wirken.
Wir wollen damit nicht sagen, dass die Definition ii
dieser abgeänderten Form erschöpfend und durchaus befrie-
digend sei, sondern halten nur die Abänderungen ftbr nOthig,
um die Präaisirung, welche der in Rede stehende Begrif
bereits erfahren hat, nicht wieder zu verwischen.
Die Stickmaschiiie.
Von
H. Fischer,
Assistent am k. Polytechnikum zu Dresden.
Habilitationsschrift.
(Hierzu Tafel XIX-XXI.)
Seitdem im Jahre 1829 der Elsässer Josua Heil-
mann die Stickmaschine erfand, ist eine neue Aera in
der Ausbildung der Stickkunst angebrochen. Hatte es
zwar für den Anfang den Anschein, als könne diese
Maschine nicht mit der fleissigen und geübten Hand
der Stickerin concurrireu, so hat sie sich doch im
Laufe der Zeit für die Herstellung gewisser Stickwaaren
80 eingebürgert, dass sie gegenwärtig als unentbehrlich
bezeichnet werden muss. Trotz alledem ist der Hand-
stickerin noch ein reiches, weites Feld der Thätigkeit
geblieben, denn den „sinnigen Geist" deraelben zu ein-
setzen, wird der Stickroaschine niemals gelingen. ^
Die bei der Handstickerei zur Steigerung des Ef^
fectes der Arbeit benutzten mannigfachen Sticharten
sind bei der Maschinenstickerei durch einige wenige
ersetzt. Die hervorragendsten, am häufigsten vei*wen-
deten und den übrigen Sticharten als Grundlage die-
nenden sind der Plattstich, der Festonstich und
der Tambour irstich. Ersterer, als der einfachste
unter den drei Sticharten, besteht wie Figur 1, Tafel
XIX, zeigt aus geradlinig verlaufenden, mehr oder
weniger langen, auf der Oberfläche des zu stickenden
Stoffes flott liegenden Fäden, die entweder parallel
dicht nebeneinander gelegt sind, oder von denen je zwei
benachbarte einen sehr kleinen Winkel einschlicssen.
Letzteres findet statt, wenn die zu stickenden Muster
in gekrümmten Linien verlaufen. Durch entsprechende
Aneinanderreihung der einzelnen Stiche lassen sich
durch den l'lattstich verschiedene andere, in der Hand-
stickerei gebräuchliche Sticharten combiniren, welche
dann als Ziernilthe Verwendung finden.
Die beiden anderen Sticharten sind gegenseitig in-
sofern verwandt, als der Festonstich (Fig. 4) eine
Abart des Tambourirstiches (Fig. 2) repräsentirt.
CiTÜiutreoieur XXIII.
Der letztere bildet eine Aneinanderreihung mehr oder
weniger lang gestreckter, auf der Oberfläche des Stoffes
liegender Schleifen, von denen stets die folgende die
ihr vorangehende bindet. Der die Schleife bildende
Faden kehrt hierbei stets durch dasselbe Loch wieder
auf die Rückseite des Stoffes zurück, durch welches er
zum Zwecke der Schleifenbildung auf die Vorderseite
desselben hervortrat. Diesem entsprechend liegen die
Fäden der Rückseite stets in der Längenrichtung der
Schleife und folgen wie diese den Contouren der zu
stickenden Zeichnung.
Erfolgt das Hervortreten und Zurückkehren der
Fäden durch verschiedene, innerhalb des von der Fa-
denschleife umschlossenen Raumes liegende Stichlöcher
a und />, so ist die Möglichkeit geboten, die Schleife
in beliebigem Betrage in die Breitenrichtung auszu-
dehnen und es geht der in Fig. 3 gezeichnete Doppel-
fes ton stich hervor, eine Stichart von ausserordentlich
schönem und reichem Ansehen, welche ich bei Unter-
suchung einer aus dem 17. Jahrhundert stammenden
Handstickerei vorfand , und auf die ich der genannten
Eigenschaften wegen hier ganz besonders aufmerksam
machen möchte. Aus diesem Doppelfes tonstich ent-
wickelt sich der einfache, auch in der Maschinen-
stickerei gern benutzte Feste n st ich (Fig. 4) dadurch,
dass der Stichpunkt a, durch welchen der Stickfaden
auf die Rückseite des Stoffes zurückkehrt, nicht inner-
halb der vorhergehenden Schleife liegt; hierdurch ver-
liert dieselbe ihre ursprüngliche Gestalt und geht in
einen Plattstich über, der an einem Ende in einen
kleinen Haken ausläuft.
Im Allgemeinen finden zur Erzeugung dieser Stich-
arten zwei Systeme von Stickmaschinen Anwendung:
Die Plattstichstickmaschine und die Tambou-
27
419
Fischer, Die Stickmaschiue.
420
ririnaschine. Zur Bildung des Festonstiches werden
mit der Plattstichstickmaschine zu verbindende, eigens
für den Zweck construirte Apparate, die sogenannten
Feston- oder Bogapparate, benutzt.
A. Die PlattstichBtickmasehine.
I. Maschinen mit hurten Fäden,
Im Allgemeinen besteht eine jede derartige Maschine
1) aus einem Rahmen, welcher den zu bestickenden
StoflF trägt und welcher als ein in seiner Ebene beweg-
liches ebenes Punktsystem anzusehen ist. Derselbe ist
so mit einem Pantographen verbunden, dass sämmtliche
dem Fahistift dieses letzteren mitgetheilte Bewegungen
im verkleinerten Massstab und zwar übereinstimmend
für jeden seiner Punkte wiedergegeben werden;
2) aus zwei die Sticknadeln mittels kleiner Zangen
tragenden Wagen, die zu beiden Seiten des aufge-
spannten Stoffes auf Schienen laufen, welche mit dem,
den Stickrahmen und die Bewegungsmechanismen tra-
genden Gestell verbunden sind.
Die Nadelzangen sind in Reihen angeordnet und
befinden sich stets 2 bis 4 (höchst selten 5) derartige
Nadelreihen übereinander liegend an jedem der Wagen.
Hiernach theilt man die Stickmaschinen ein in zwei-,
drei- und vierreihige oder -etagige Maschinen, welche
letztere man zuweilen auch mit dem Namen doppelte
Stickmaschinen belegt. Die ersten von Heilmann con-
sti-uirten Maschinen*) waren zweireihig und haben sich
bis auf den heutigen Tag der grössten Beliebtheit und
Anwendung zu erfreuen. Die dreireihigen Maschinen,
zuerst von Albert Voigt in Kappel bei Chemnitz
(jetzt Sächsische Stickmaschinenfabrik), welcher für
Sachsen der Einführer und Hauptvertreter des Stick-
maschinenbaues ist, im Jahre 1862 auf den Markt ge-
bracht, eignen sich besonders zur Erzeugung grösserer
Stickwaaren, bei deren Anfertigung auf zweireihigen
Maschinen die Nadelzahl zu gering werden würde, um
noch die Erzeugung entsprechend billigen Fabrikates
zu ermöglichen. Denn gerade auf die gleichzeitige
Anfertigung einer grösseren Anzahl gleichartiger Muster,
oder sogenannter Garnituren, auf einem und demselben
Stickstuhl gründet sich der Vortheil und die Rentabi-
lität der gesammten Maschinenstickerei ; dass dies aber
nur durch möglichste Vergrösserung der Nadelzahl an
einer Maschine zu erreichen ist, wird aus der näheren
Beschreibung hervorgehen. Das Anwachsen der Nadel-
zahl findet aber seine Grenze in der damit verbundenen
Vergrösserung der Maschine und der Erhöhung der
Betriebskraft, welches letztere besonders zu beachten
ist, da der Betrieb der Stickmaschinen meist durdi
den bedienenden Arbeiter selbst erfolgt; aus dem Be-
streben, hiervon unabhängig zu werden, gehen die An-
strengungen hervor, welche in neuerer Zeit für den
Bau selbstthätig arbeitender Stickmaschinen gemacht
werden und zum Theil schon von Erfolg gekrönt sind.
Die vierreihigen Maschinen kommen, wegen der m
ihrer Bewegung erforderlichen grossen Betriebskraft,
bei Handantrieb nur vereinzelt zur Anwendung.
Im Handelskammerbezirk Plauen, welcher den
grössten Theil der Stickereiindustrie des Königreichs
Sachsen umfasst, vermehrten sich beispielsweise die
Stickmaschinen in den Jahren 1862 bis incl. 1872 wie
folgt**):
Art der Maschine
Anfang
1862
Ende
1864
1866
1866
1867
1868
1871
1872
2 reihig
3 reihig
4 reihig
?
?
V
Summa
9
85
28
1
43
113
114
134
68
153
108
183
160
1
341
211
2
429
262
713
424
203
262
344
554
693
1139
?
1628
Es betrug daher
im Jahre
die Zahl der Stickmaschinen mit
2 Reihen
3 Reihen
4 Reihen
1864
1871
74,6 Proc. 24,6 Proc.
62,6 Proc. i 37,2 Proc.
0,8 Proc.
0,2 Proc.
der Gesammtzahl aller am Ende dieser Jahre im Plauen-
schen Handelskammerbezirk thätigen Maschinen.
*) Dingl. polyt. Journal, Jahrg. 1836, S. 5 u. f.
**) Diese und die folgenden statistischen Angaben sind Resul-
tate einer Vergleichung der in den Berichten der HandelBkaminer
zu Plauen für die Jahre 1862—71 enthaltenen Notuen.
421
Fischer, Die Stickmaschiue.
422
Ausser vou der Auzahl der Etageu häugt die Na-
delzahl und somit die Leistungsfähigkeit einer Stick-
niaschine noch ab von der Länge der Maschine und
dem Bapport, welcher hier nicht nur den gegenseitigen
Abstand zweier gleichartiger Muster, sondern gleich-
zeitig die Entfernung je zweier benachbarter Nadeln
ausdrückt. Die Länge der Maschinen schwankt zwi-
schen 3,4° (6^ ^hs.) und 5,i"* (9'^ sächs.), der Rapport
zwischen 18°"» (VO ^d 47'"° (%'')• ^^^^ ^^ Plauen'-
Bchen Handelskammerbezirk in den Jahren 1866 — 71
stattgehabten Erhebungen zufolge betrug die Anzahl
der Maschinen
II
im Jahre
bei einer Länge von
3,4-3,7
m
4-4,2
in
4,6
m
6,1
m
bei einem Rapport von
17,7
mm
*i3,6
mm
29,6
mm
35,4
mm
47,2
mm
1866
1871
31,5 o/o
8,1 7«
31,0 7o
12,3 »/o
36,9 'V„
79,5 "'„
0,5 «/„
0,1 "/o
11,3»/,,
32,5 »/o
61,9 7o
6,9 «/„ I 59,5 "/o , 0,1 «/o
1,5 »/„ I 25,1«;., ' 0,2 "/o
der Gesammtzahl. Mithin hatten am Schlüsse des
Jahres 1871 Maschinen von 4,5"" Länge und 23,6"""
Rapport am meisten Eingang gefunden.
Die Grösse des Rapports und damit die Anzahl
der Nadeln ist unabhängig von der Länge und der
Etagenzahl einer Maschine; die Nadelzahl schwankt
zwischen 200 und 450. Die Nadeln von ca. 20"™ Länge
weichen von den zur Handstickerei benutzten insofern
ab, als beide Enden derselben zu einer Spitze ausge-
bildet sind und das den Faden aufnehmende Oehr in
der Mitte zwischen den Spitzen eingeschlagen ist (siehe
Fig. 5, Taf. XIXj. Durch das Oelu* jeder Nadel wird
ein ca. 1 " langer Faden gezogen und durch Zusammen-
drehen der dem Oehr zunächst liegenden Theile darin
befestigt.
Die nach Massgabe des Hebelarmverhältnisses dos
Pantographen vergrösserte Musterzeichnuug (Patrone,
Schablone) ist auf einem seitlich am Maschinengestell
in senkrechter Stellung angeordneten Bret befestigt
und es sind auf ihr die Stellen, welche den Stichlöchern
der Nadeln im StoflF entsprechen, durch Punkte ver-
zeichnet. Dadurch, dass der Zeigerstift des Pantographen
nach jedem erfolgten Stich auf den nächstfolgenden,
der Stichlage entsprechenden Punkt eingestellt wird,
erfolgt die erforderliche Verschiebung des Stickrahmens.
Diese Pantographenbewegung, sowie das Ein- und Aus-
fahren der Stickwagen wird von einem Ai-beiter ge-
leitet, der seinen Sitz vor dem Musterbret zur Seite
der Maschine hat.
Bei einer Stellung der Wagen A und B, wie sie
die eine dreietagige Stickmaschine von Voigt*) vor-
führenden Figuren 6, 7 und 8 auf Taf. XIX zeigen,
beginnt soeben die Einfahrt des Wagens B. Derselbe
hält in den geschlossenen Zangen die Nadeln, während
der Wagen A mit geöffneten Zangen dicht hinter dem
•) Sachs. Patent No. 1404 v. t>6. März 1862.
Stoffe steht und bereit ist, die ihm nach beendeter
Einfahrt des Gegenwagens dargebotenen Nadeln aufzu-
nehmen. Das Einfahren des Wagens B bewirkt der
Arbeiter durch Drehung der Kurbel k in der Pfeilrich-
tung. Die Drehung überträgt sich durch die verzahnten
Räder a, &, c auf das Rad ä, das auf einer über die ganze
Länge der Maschine reichenden Welle w steckt; an den
beiden Enden dieser Welle sind die Scheiben e, e auf-
gekeilt, über welche die mit dem Wagen B bei f ver-
bundenen und über die Rollen g, g geführten Riemen
laufen. Zur Vergrösserung der Adhäsion der Riemen
am Umfang der Scheiben e, e sind diese sehr oft mit
Zacken ausgerüstet, welche in correspondirende Löcher
der Riemen fassen. Das Triebrad a, sowie die Trans-
porteure b und c sind an einem Steg gelagert, der
durch die Klemmschraube A' mit dem zur Steuerung
der Wagenbewegung dienenden Hebel h verbunden ist.
Sind nach erfolgtem Einfahren des Wagens B und
Durchstechen des Stoffes die Nadeln in die geöffneten
Zangen des durch die Sperrfalle i gehaltenen Wagens
A eingetreten, so folgt das Oeffnen resp. Schliessen
der Nadelzaugen, sowie das Auslösen und Arretiren
der beiden Wagen durch die Sperrfallen i, i\ Diese
sämmtlichen Manipulationen werden vom Arbeiter durch
Treten der Tritte t P eingeleitet und wird hierdurch
dem doppelarmigen Hebel o, welcher an der Welle n
befestigt ist, mittels der Schnüre und Schnurscheiben
X x\ der Welle l und Kurbel mit Zugstange m eine
Drehbewegung ertheilt. Die Endzapfen des Hebels o,
welche von den gabelförmigen unteren Enden der Stangen
5, s* umschlossen werden, wirken durch Herabziehen
resp. Aufwärtsschieben dieser auf die später zu be-
schreibenden Mechanismen zum Oeffnen der Nadel-
zangen ; ingleichen mittels der Zugstangen />, p' auf die
Sperrfallen t, t'. Gleichzeitig wird durch den Zapfen
der auf Welle / steckenden Kurbel q dem Hebel h eim*
solche schwingende, durch die Anschläge des Sectors
27 ♦
423
Fischer, Die Stickmaschine.
424
r begrenzte Bewegung ertheilt, dass der Eingriff der
Räder c und d aufgehoben, derjenige der Räder c und
d* dagegen hergestellt wird. Indem das letztere Rad
aber auf einer der Welle w analogen, mit den Riemen-
scheiben &, ef ausgerüsteten Welle u^ sitzt, erfolgt
durch Drehung der Kurbel k in der früheren Richtung
das Ausfahren des Wagens A und damit das Ziehen
aller Stickfäden durch den Stoff. Nach erfolgter Aus-
fahrt bewirkt der Arbeiter durch entsprechende Ver-
rückung des Pantographenzeigers u auf der Muster-
schablone die Einstellung des Stickrahmens für einen
neuen Stich und hierauf durch Drehen der Kurbel k
in entgegengesetzter Richtung die Einfahrt des Wagens
A und das Durchstechen des Stoffes. Die nunmehr
erfolgende Umsteuerung durch Treten der Tritte ^, t*
bringt einestheils die Aufnahme der zur Hälfte den
Stoff durchragenden Nadeln durch den Gegenwagen,
anderntheils den Wechsel des Zahnradeingriffes hervor,
so dass bei Weiterdrehung der Kurbel in der ange-
nommenen Richtung die Ausfahrt des Wagens B er-
folgt. Es zerfällt hiemach ein Spiel in vier Perioden,
die sich im Kurzen wie folgt charakterisiren lassen:
1. Periode. Einstellung des Rahmens für den fol-
genden Stich, Einfahrt des Wagens B;
2. Periode. Oeffnen resp. Schliessen der Nadelzangen
beider Wagen, Wechsel des Rädereingriffes
durch Treten der Tritte, Ausfahrt des Wa-
gens A;
3. Periode. Einstellung des Rahmens für den fol-
genden Stich, Einfahrt des Wagens A durch
Umkehr der Drehrichtung der Kurbel;
4. Periode. Oeffnen resp. Schliessen der Nadelzaogen
beider Wagen, Wechsel des Rädereingriffes
St. Gallen 6732 Masch., davon 5061 in Thätigkeit u.
Appenzell 1798 „ „ 1428 „
Thurgau 1412 „ ,\, _989 „
die 3 Can-
tone zus. 9942 „ „ 7478 „ „ „
beschäftigend.
Es fanden somit durch 7478 Maschinen im Ganzen
17453 Arbeiter Beschäftigung, was nach Abzug der die
Vollendungsarbeiten ausführenden 1860 Nachstickerinnen
pro Maschine ca. 2 Arbeiter incl. Stickers ergiebt.
Wenngleich das hier bei Erläuterung der Arbeits-
weise angegebene Princip der Maschine noch dasselbe
ist, welches schon Heil mann seiner Construction zu
Grunde legte, so bieten doch die Ausführungen der
einzelnen Constructionsdetails so wesentliche Verschie-
denheiten, dass es zum vollen Verständniss der heutigen
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»
durch Treten der Tritte, Ausfahrt des Wa-
gens B.
Diese sämmtlichen Arbeiten werden von einem
Arbeiter ausgeführt und man kann rechnen, dass bei
einer 12 stündigen Arbeitsdauer
ein guter Sticker pro Stunde ca. 210
mittelmässiger „ 180
geringer „ 150— 160
Stiche oder Wageneinfahrten machen kann ; hierbei ist
jedoch angenommen, dass, wie dies immer geschieht,
die Nebenarbeiten, als : Beaufsichtigung der Stickfäden,
Einsetzen neuer Nadeln, wenn die alten zerbrochen,
oder der Faden verstickt ist. Einfädeln der Nadeln und
dergl., von anderen Personen, meist erwachsenen Ar-
beiterinnen resp. Kindern besorgt werden. Auf diese
Weise wurden nach Ausweis der oben citirten Handels-
kammerberichte im Jahre 1871 von sieben Plauener
Firmen an 191 Maschinen ausser 191 männlichen
Stickem, 234 erwachsene Fädlerinnen (Aufpasserinnen)
und 62 kleinere Gehilfen beschäftigt, so dass exclusiv
de!s Stickers auf jede Maschine durchschnittlich 1'/« Per-
sonen für Nebenarbeiten zu rechnen sind. An anderen
Orten dagegen, wie Auerbach, Eibenstock und Schnee-
berg beschäftigt man excl. Sticker noch 2 — 2'/^ Per-
sonen als Hilfsarbeiter pro Maschine.
Etwas geringer stellt sich die Zahl der pro Ma-
schine beschäftigten Arbeiter in der Schweiz. Den
1876 von dem St. Galler kaufmännischen Directorium
veranstalteten Erhebungen zu Folge beschäftigt die
Schweiz incl. Vorarlberg im Ganzen 10424 Plattstich-
stickmaschinen. Die grösste Ausdehnung hat die Schwei-
zer Maschinenstickerei in den Cantonen St Grallen,
Appenzell und Thurgau gefunden; von diesen hatte in
obigem Jahre aufzuweisen:
11461 Arb. (4991 Sticker, 5301 Fädler, 1169 Nachstck.)
3626 „ (1428 „ 1811 „ 387 „ )
2366 „ ( 989 „ 1073 „ 304 „ )
17453
»
>»
(7408
>'
8185
99
1860
f9
)
Bauarten der Plattstichstickmaschinen nothwendig ist,
dieselben im Folgenden näher zu betrachten.
1) Der Stickrahmen.
Zur Aufnahme des mit Mustern zu bestickenden
Stoffes trägt der im Gestell oder Stuhl C (Fig. 6, 7, 8,
Taf. XIX) horizontal und vertical geführte hökeme
Rahmen (Gatter) D die sechs (bei zweireihigen Ma-
schinen vier) Stoffwalzen (Waarenbäume) aa\ ßß\ y/.
Dieselben sind paarweise zusammengehörige so zwar.
425
Fischer, Die Stickmaschine.
426
dass aßy den rohen Stoff, ct^ß^y* den bestickten Stoff
aufnimmt, nachdem derselbe während der Operation des
Stickens zwischen beiden Walzen ausgespannt war.
Jede dieser Stoffwalzen ist an ihren Enden drehbar
gelagert und mit einem Sperrrad d versehen, um sie
beim Auf- oder Abwickeln von Stoff in jeder beliebigen
Lage leicht und sicher fixiren und den Stoff genügend
straff spannen zu können. Nur die Achsen der Mittel-
walzen a* ß ß' y fallen mit der Mittelebene des Rahmens
zusammen, die äusseren Walzen a/ dagegen werden
an ihrem Umfange von dieser Ebene tangirt. Damit
der Stoff sich dennoch stets in einer Verticalen halte,
sind an dem Rahmen die Schienen e angebracht, deren
innere Kanten genau in der Mittelebene des Rahmens,
also in der gemeinschaftlichen Tangentialebene der bei-
den äusseren Walzen liegen. Zur seitlichen Anspan-
nung des Stoffes dienen ferner noch die durch Schrau-
benspindeln mit dem Rahmen verbundenen gezahnten
Spannbacken t.
Zur Verhütung des Durchbiegens der langen, meist
aus Holz, selten nur aus dünnem Blech gefertigten
Spann walzen wendet Riet er in Winterthur*) aus
u-förmig gebogenem Blech hergestellte Bügel (Fig. 10,
Taf XIX) an, welche er zwischen die Walzen stellt
und durch Anziehen der Schraube a mittels des zwei-
armigen Hebels h festklemmt.
Eine andere Rahmenconstruction, die Fig. 11 vor-
fuhrt, wurde 1859 den Engländern Wood und Bil-
lington patentirt**) und ist für das Einspannen ab-
gepasster Gewebestücke bestimmt. Diese Stücke werden
an den Langseiten in Schienen a festgeklemmt, deren
specielle Einrichtung aus Figur 12 zu ersehen, und
welche im Innern eines grossen Stickrahmens A liegen.
Die unterste Schiene ist mit der untern Langseite dieses
Rahmens durch Haken verbunden, während die oberste
Schiene mittelst Oesen an einer theilweise keilförmig
gestalteten Stange t hängt, deren Keilflächen sich gegen
die auf der oberen Seite des Hauptrahmens ruhenden
Führungen c stützen. Durch Verschieben der Keil-
stange in der Pfeilrichtung erfolgt ein Heben der oberen
Schiene a, also ein Anspannen des Stoffes. Statt der
Spannbacken lassen sich hier auch die von Voigt an-
gegebenen Nadelstäbe zum Festhalten des Stoffes an-
wenden, deren Querschnitt Fig. 13 zeigt; dieselben sind
ihrer Länge nach mit Drahthaken a besetzt, über welche
der Stoff hinweggehangen wird.
Das Hebelarm verhältniss des zur Rahmen Verschie-
bung dienenden, bei ri (Fig. 8) am Maschinengestell,
*) Patent Spedfication 1873, No 4278.
^) Fat Spec. 1869, No. 1364.
bei ^ am Rahmen befestigten Pantographen t beträgt
bei Stickmaschinen in der Regel 1 : 6. Dieses grosse
Uebersetzungsverhältniss ist die Ursache, dass ohne
Anstrengung und Eimüdung des Arbeiters nur schmale,
ca. 70"" breite Stoffstreifen bestickt werden können,
ohne ein Weiterspannen des Stoffes vorzunehmen. Der
hierdurch bedingte Zeitverlust macht es erklärlich, dass
man schon früh bemüht war, diesem üebelstand abzu-
helfen. Bereits 1857 construirte William Clark*)
den auf Taf. XIX, Fig. 14, dargestellten Apparat, be-
stehend aus einer am Stickrahmen befestigten Prisma-
fuhrung a, in welcher mittelst einer Schraube ein den
Pol (Reductionspunkt) des Pantographen bildender Gleit-
backen h höher oder tiefer gestellt werden kann. Es
wird hierdurch die Möglichkeit erlangt, ohne Verrückung
des Pantographen, nur durch Drehung der Schraube,
den Rahmen heben oder senken zu können, je nach-
dem es die Arbeit erheischt, um nach erfolgter Ver-
stellung sofort mit Sticken fortfaliren zu können.
Gleichen Zweck verfolgt der durch Fig. 15 dar-
gestellte, von A. Voigt erfundene und ihm 1861 in
Sachsen patentirte Stellapparat; bestehend aus einer
mit dem Pantographen am Pol verbundenen Schraube
a, deren Mutter h in einer am Stickrahmen D zwischen
Spitzen gelagerten Büchse c durch Nut und Vorsteck-
stifte drehbar befestigt ist. Die Schraube ist mit der
von ihr durchragten Büchse durch Nut und Feder ver-
bunden, so dass sie sich zwar verschieben, nicht aber
drehen kann und daher bei Drehung der Mutter h steigt
oder niedergeht. Bei Festhaltung der Schraube durch
Einstellen des Pantographen auf einen bestimmten
Punkt resultirt hieraus umgekehrt ein Heben oder
Senken des Stickrahmens. Bei entsprechender Länge
der Schraube kann man mit Hilfe dieser Apparate ca.
200"" breite Zeugstroifen besticken, ohne dass ein
Umspannen erforderlich wird.
Damit der von Seiten des Arbeiters bei Verschie-
bung des Gatters auszuübende Kraftaufwand möglichst
gering sei, ist dieses nebst Pantograph durch entspre-
chend angeordnete Gegengewichte ausbalancirt. Diese
Gewichte sind entweder getrennt vom Maschinengestell
am Fussboden oder der Decke des Arbeitsraumes ge-
lagert, oder sie sind, wie in neuerer Zeit fast allgemein
üblich, direct mit dem Maschinengestell verbunden, so
dass die gesammte Maschine ein abgeschlossenes Ganzes
bildet, was für die Montirung derselben von nicht zu
unterschätzendem Vortheil ist. Zu den erstercn Con-
structionen gehört die von Heil mann**), welcher den
*) Pat. Spec. 1867, No. 1160.
*'^) Ding], polyt. Journal, Jahrg. 1836, S. 13.
427
Fischer, Die Stickmaschiue.
42«
Rahmen auf Rollen stützte , die an dem einen Ende
r
zweier doppelarmigen Hebel gelagert waren; kleine am
Fussboden festgeschraubte Lagerböcke bildeten deren
Stützpunkte, während die anderen Enden die Balan-
cirungsge Wichte trugen. Hierher gehört ferner die auf
Taf. XIX, Fig. 16, dargestellte Construction , welche
1857 für William Clark*) in England patentirt
wurde. An dem Maschinengestell A sind die Lager
aa' festgeschraubt, welche den einarmigen Hebeln bV
als Stützpunkte dienen. Die vorderen, freien Enden
dieser Hebel sind durch Seile oder Ketten, welche über
an der Decke des Raumes befindliche Rollen geHlhi-t
sind, mit den (iegengewichten c c' verbunden und dienen
mittels der Rollen d d* dem Stickrahmen B zur Stütze.
Voigt wendete an seiner dreireihigen Maschine zuerst
eine Stützung des Gegengewichtes dircct auf der Stuh-
lung an, wie aus den Fig. 6 und 8 zu ersehen. Zwei
am oberen Rahmen des Gestelles gelagerte doppelai*mige
Hebel xx* tragen an ihren äusseren Enden die Rollen
Xk*j auf denen sich die am Stickrahmen befestigten
Gleitschienen fifi* auflegen. Die inneren Hebelenden
sind durch ein in Fig. 9 besonders dargestelltes Ge-
hänge V mit einer vertical geführten Stange verbunden,
welche das Balancirungsgewicht ;^ trägt.
Zwei andere derartige Rahmenbalancirungen sind
durch die Figuren 17 bis 19 auf Taf. XIX veranschau-
licht. Fig. 17 repi-äsentirt die von H. Rieter in
Winterthur gewählte, ihm 1873 in England patentirte**)
Anordnung, welche analog der Voigt 'sehen aus zwei
am Maschinengestell gelagerten doppelarmigen Hebeln
aa* besteht, deren eines Ende den Stickrahmen, auf
Rollen laufend, trägt. Auf den anderen Enden dieser
Hebel ruhen die Gegengewichte 66' verschiebbar und
durch Schrauben festzustellen. Um bei Hebung oder
Senkung des Rahmens eine gleichmässige Bewegung
beider Hebel zu erzielen, sind die letztgenannten Enden
derselben durch verzahnte Sectoren cc* verbunden, so
(lass bei einer Bewegung des Hebels a auch der Hebel
a' eine genau entsprechende Bewegung machen muss
und sämmtliche Punkte des Stickrahmens sich in ver-
tikalen Linien bewegen. Figur 18 zeigt eine Modifi-
cation dieser Hebelkuppelung ; sie besteht in zwei glatt-
landigen Sectoren, welche durch Stahlbänder aa* und
h V gegenseitig verbunden sind. Indem die Enden jedes
dieser Bänder an den zwei gegenüberstehenden Sectoren
bei aa* resp. 66' befestigt sind, erfolgt bei Bewegung
eines der Hebel durch Auf- beziehentlich Abwickeln
der Bänder die entsprechende Mitbewegung des anderen
Hebels, so dass die den Stickrahmen tragenden Rollen
gleichzeitig und um gleichviel steigen oder fallen.
Durch Regulirung der Bandlänge mittelst der Schrauben
a* V lässt sich diese Bewegung beliebig genau erreichen,
was neben dem sanfteren Gange oifenbar ein Vortheil
gegenüber den verzahnten Sectoren ist. Die noch hier-
her gehörende Rahmen balancirung von Easton, Prit-
chard und M^ Gaw*) ist offenbar der Voigt'schen
nachgebildet und vermeidet das die Traghebel verbin-
dende und die Gewichtsstange stützende Gehänge, in-
dem die Hebelenden direct mit der Gewichtsstange
drehbar verbunden sind, wie aus Figur 19 zu ersehen.
2) Der Wagen.
Jeder der die Nadelschienen (Lineale) tragenden
Wagen einer Stickmaschine besteht analog dem in den
Figuren 6 und 8, Taf. XIX, dargestellten aus einem
mit Seitenschilden (Teuchelschilden) ji uf versehenen
Träger (Teuchel) ^, welcher sich in der Längenrichtung
der Maschine, also parallel zu der Stofffläche, erstreckt
und mittelst vier an den Schilden gelagerten Spurrädem
o auf, rechtwinklig zur Stofifläche stehenden und am
Gestell C befestigten, Schienen xi läuft. An dem meist
rohrfbrmigen, zuweilen auch aus I- Eisen gebildeten
Teuchel sind mehrere Arme tp angeschraubt, welche
die den Nadelzangen (Klüppchen, Klüppel) zur Stützung
dienenden Lineale / tragen. Die Form dieser Lineale
ist verschieden, theils u-förmig, theils trapezförmig, oder
dieselben sind, wie in neuerer Zeit fast allgemein üblich,
direct aus Winkeleisen hergestellt. Die Befestigung
der Nadelzangen ei-folgt so, dass ihr gegenseitiger Ab-
stand dem gewünschten Rapport gleich kommt. Die
einfachste in Fig. 20, Taf. XIX, skizzirte Zangencon-
struction besteht aus einem federnden, an der Schiene
a festgeschraubten Arm 6, welcher mit dem freien Ende
gegen einen Vorsprung der Schiene drückt und die ein-
gelegte Nadel c festklemmt. Solidere und constructiT
durchgebildetere Zangen zeigen die Figuren 21 bis 24
Dieselben bestehen aus einer auf den Linealen a fest-
zuklemmenden Platte 6, welche den Drehpunkt für den,
einen doppelarmigen Hebel bildenden, Zangenarm c
trägt; in den ersten drei Figuren drückt dieser un-
mittelbar auf die Nadel, in Fig. 24 dagegen unter Da-
zwischenkunft einer kleinen, um einen Zapfen drehbaren
Deckplatte d. Unter dem hinteren langen Zangenami
liegt eine Feder e und bewirkt durch Aufwärtsdrückeu
dieses Armes den Schluss des Zangenmaules, also die
Festhaltung der Nadel.
♦) Pat. Spec. ISf)?, No. 1160.
♦•) Pat. Spec. 187a, No. 4278.
*) Pat. Spe(j. 1874, No. 2%8.
421>
Fischer, Die Stickmaschine.
430
Die älteste, schon von Heilmanu augewandte und
noch jetzt meist gebräuchliche Art des Mechanismus
zum Oeffhen der Zangen besteht aus einer über sämmt-
lichen Nadekangenarmen hinlaufenden, excentrisch ge-
lagerten Welle, durch deren Drehung die Zangenarme
niedergedrückt werden. Die Drehung der Welle erfolgt
theils durch an ihren Enden befestigte Hebel und
Zugstangen (James Cropper 1835% Matthew
Dunnett 1857**), Albert Voigt 1862***)), wie die
Figuren 6, 8, 20 und 21 zeigen, theils durch Stirnrad-
sector und Zahnstange (Heil mann 1828t)), Fig. 22,
theils durch Schraubenradsectoren und auf einer ver-
ticalen Welle gelagerte mit diesen in Eingriff stehende
Schraubenräder (William Clark 1857tt), Maschinen-
fabrik St. Georgen bei St. Gallen ttt)), Fig. 23.
Eine zweite Art des Oeffnungsmechanismus, welche
vor der vorigen besonders den Vorzug hat, dass sie
weniger Kraft beim Oefihen der Nadelzangen consumirt,
indem die bedeutende Reibung vermieden wird, die bei
Drehung der Excenterwelle zwischen dieser und den
Nadelzangenarmen auftritt, wurde bereits 1859 von
Wood und Billingtou eingeführt und neuerdings
auch von der Sächsischen Stickmaschinenfabrik in
Chemnitz (vormals Voigt) angewandt. Dieselbe be-
währt sich sehr gut und wird namentlich bei Maschinen
mit kleinem Bappoil, also viel Zangen, gern benutzt.
Es liegen hierbei, wie in der Figur 24 zu ersehen, ent-
lang der Maschine über den Armen der Nadelzangen
schwache Schienen t\ welche mittelst Zugstangen g mit
einem auf der Welle h sitzenden Hebel verbunden sind
und bei Drehung der Welle sich senken oder heben
und somit die Zangen öffnen oder schliessen.
Die nähere Betrachtung dieser Ausführungsformen
der Oeffnungsmechanismen zeigt, dass die Uebertragung
der vom Fusse des Arbeiters eingeleiteten Steuerbe-
wegung auf dieselben entweder durch geradlinige Ver-
schiebung einer Zugstange, oder durch Drehung einer
verticalen Welle erfolgen kann. Die erstere Art ist
die allgemein angewandte und für alle Mechanismen
benutzbare, welche gleich oder ähnlich den durch die
Figuren 20, 21, 22, 24 auf Taf. XIX repräsentirten
construirt sind. Ueber die Art des Zugstangenantriebes
ist bereits das Nöthige S. 422 bei Besprechung der
Arbeitsweise der Maschine gesagt. Der, die Anwen-
*) Pat. Spec. 1835, No. 6931.
**) Pat. Spec. 1867, No. 1143.
***) Sachs. Patent No. 1404 vom 26. März 1862
t) Dingl. pol. Joiiro., Jahrg. 1836, S. 10.
tt) Pat. Spec. 1857, No. 1160.
ttt) Sachs. Patent No. 1042 vom 1. Juli 1869.
duug von Schraubenradsectoren (Fig. 23) voraussetzen-
den, verticalen Steuerwelle wird die Drehung durch
eine am unteren Ende dieser Welle aufgesteckten Kurbel
mitgetheilt, deren Warze beim Einfahren des Wagens
in die rinnenformige Aushöhlung einer horizontalen,
unterhalb des Stickrahmens liegenden Welle tritt, die
von den Fusstritten des Arbeiters aus unter Vermit-
telung eines Kegelradvorgeleges Verschiebung in ihrer
Längsrichtung erfährt; die Drehung der Steuerwelle
rosultirt aus der Theilnahme der Kurbelwarze an dieser
Verschiebung.
Für Stickereien,^ welche aus einer mehrfachen An-
einanderreihung eines und desselben Musters bestehen,
wie dies z. B. die Figur 25 versinnlicht, haben Du nett
und Wood & Billington besonders construirte
Nadelschienen träger angegeben. Ersterer*) verbindet
jeden der am Teuchel festen Schienenträger mit einem
zweiten an ihm höher oder tiefer stellbaren und rüstet
jeden dieser Träger mit besonderen Nadelbarren aus;
hieraus entsteht eine vierreihige Maschine, bei welcher
je zwei Reihen immer sehr nahe über einander liegen
und deren Entfernung durch gegenseitige Verstellung
der Schienenträger variirt werden kann.
Wood & Billington**) hingegen behalten die
gewöhnliche Wagenconstruction bei, geben aber der
Nadelbarre a* die in Fig. 24, Taf. XIX, gezeichnete
Form und legen über dieselbe mit Hilfe von auf ihr
befestigten Schraubenbolzen i eine zweite Nadelbarre a.
Die Zangen dieser Barren liegen nicht unter einander,
sondern sind so versetzt, dass die oberen stets über
dem Zwischenraum zweier unteren Zangen stehen, wo-
durch einem Verfangen der Stickfäden vorgebeugt wird.
Zur Verhütung dieses Verfangens, was namentlich
auch bei den gewöhnlichen drei- und vierreihigen Ma-
schinen wegen der geringen gegenseitigen Entfernung
der Nadelschienen zuweilen sehr lästig wird, werden
meist, wie dies die Figuren 6 und 8, Taf. XIX, zeigen,
gekrümmte Schutzplatten xp, deren obere Kante dicht
am zu stickenden Zeug ansteht und welche durch Schutz-
tücher oder Netze co mit den Wagen verbunden sind,
angewandt. Bei Einfahrt des Wagens legen sich die-
selben in eine Falte und nehmen die schlaff werdenden
Stickfäden auf. Für sehr geringen gegenseitigen Ab-
stand der Nadelschienen, werden die Tücher in mehrere,
daher kürzere Falten gelegt. Hierauf bezügliche Con-
structionsformen zeigen die Figuren 1 und 2, Taf. XX.
Die erstere von Voigt angegebene***) verbindet die
♦) Pat. Spec. 1867, No. 1143.
') Pat. Spec. 1859, No. 1364.
**•) Sachs. Pat. No. 2828 v. 16. Juni 1870.
**i
431
Fischer, Die Stickmaschine.
432
Tücher mit der Oberkante der Schutzplatten a und mit
der Maschine entlang laufenden Stäben b; diese laufen
mittelst an ihren Enden befestigter Röllchen auf Schie-
nen c und werden durch Gewichte d nach Aussen ge-
zogen, dabei die Tücher anspannend. Der einfahrende
Wagen schiebt die Stäbe der Reihe nach vor sich her
und bewirkt, dass sich das Tuch in kurze Falten legt,
welche dem locker herabhängenden Stickfaden als Unter-
lage dienen. Von dieser ist die in Fig. 2 wiederge-
gebene, von dem Engländer H. Houldsworth*) her-
rührende Anordnung insofern verschieden, als der
äusserste der Stäbe b durch Stangen e direct mit dem
Wagen verbunden ist und somit der Bewegung desselben
unmittelbar folgend, dieselbe auf die übrigen Stäbe
überträgt.
Bei dem Betrieb der Stickmaschinen ist sorgfältig
darauf zu achten, dass für jede Wagenstellung genauer
Parallelismus zwischen der die vorderen Kanten der
Nadelschienen enthaltenden Ebene und der StoffHäche
besteht, da im anderen Falle nicht sämmtliche Nadeln
den Stoff bis zur erforderlichen Tiefe durchdringen oder
nicht alle Stickfäden beim Auszug gleichmässig gespannt
würden. Hauptursachen des Verlustes dieses Parallelis-
mus bildet einestheils die ungleiche Abnutzung der
Laufräder des Wagens und der Laufschienen, andern-
theils die mangelhafte Construction oder Ausführung
der zur Fortbewegung des Wagens dienenden Mechanis-
men. Wenn erstere leicht durch Verstellbarkeit der
Laufradachsen, wie solche z. B. in Fig. 3, Taf. XX,
skizzirt ist, beseitigt werden kann, so gelingt die Be-
seitigung der letzteren nur durch besondere, zum Theil
complicirte Gonstructionen.
Meist geschieht die Fortbewegung des Wagens auf
den Gestellschienen t auf die in den Figuren 6 und 8,
Tafel XIX, dargestellte und schon Seite 422 erläuterte
Art. Durch den auf beide Seiten des Wagens durch
Lederriemen ausgeübten Zug kann nie der vollständige
Parallelismus der Nadelschienenebene und der Stoff-
fläche in jeder Wagenstellung herbeigeführt werden, da
die verschiedenen Elasticitätsverhältnisse beider Riemen,
die sich durch den jeweiligen grösseren oder geringeren
Feuchtigkeitsgehalt der Luft des Arbeitsraumes auch
noch in weiten Grenzen ändern, hindernd wirken. Es
muss daher das Bestreben der Stickmaschinenconstruc-
teure gerechtfertigt erscheinen, diesen üebelständen
durch Erfindung anderer Wagenbewegungsmechanismen
abzuhelfen. Zuerst gelang dies der Firma Drescher
in Kappel bei Chemnitz durch Einführung des Zahn-
stangen])etriebo8, worauf dieselbe 1869 ein Patent für
das Königreich Sachsen erhielt Dieser folgte im Jahre
darauf die Fabrik von Voigt daselbst und nahm auf
eine Reihe von Parallelrührungen des Stickmaachinen-
wagens ebenfalls ein Patent.
Die Drescher 'sehe Construction ist in den Figuren
4, 5, 6 auf Taf. XX wiedergegeben. Die Teuchel-
schilder sind auf der dem Stickrahmen zugekehrten
Seite bedeutend verlängert und zu Zahnstangen umge-
formt. Diese Zahnstangen aa' werden durch die Räder
6, b* angetrieben, welche ihre Drehung von einer dar
Maschine entlang laufenden Welle c empfangen. Die-
selben sitzen nicht unmittelbar auf dieser Welle, son-
deni sind auf eine Hülse d (Fig. 6) drehbar aufge-
schoben, die mit Nut und Feder auf der Welle c ge-
fuhrt ist. Gegen seitliche Verschiebungen sind die
Getriebe durch entsprechendes Einfügen zwischen die
Laufschienen e des Wagens gesichert. Die Hülse d
trägt einen Stift /*, welcher in Einschnitte am Rande
der Getriebe passt und bei Verschiebung der Hülse
eines oder das andere der Triebräder mit derselben,
also auch mit der Welle c kuppelt, so dass sich die
Drehung dieser auf das Rad überträgt und eine Be-
wegung der mit dem Rad im EingriiF stehenden Zahn-
stange erzeugt. Die Verschiebung der Hülse erfolgt
jedesmal nach Einfahrt eines Wagens durch den Fuss
des Arbeiters unter Vermittlung der Zugstange g und
des Sectors ä, welcher letzterer die Hülse an dem vor-
springenden Rand i erfasst.
Voigt*) behält zur Wagenbewegung den Riemen-
zug bei ; dadurch, dass er ihn nur einseitig am Wagen
anwendet, werden die der Maschine entlang laufenden,
die Triebscheiben tragenden Wellen entbehrlich und
treten nur kurze Wellenstücke an deren Stelle. Zur
Parallelführung des Wagens bedient er sich besonderer,
in den Figuren 7 — 11, Taf. XX, dargestellter Anord-
nungen. Die Figuren 7 — 9 zeigen eine Bandfuhrung,
welche der bei Mulefeinspinnmaschinen schon von Alters
her angewendeten Kreuzschnurenfiihrung nachgebildet
ist. Ein jedes der Teuchelschilde aa* eines Wagens trägt
zwei horizontale Rollen b b', über welche die Stahlbänder
c, d geleitet sind. Die Befestigungspunkte dieser Bänder
liegen einerseits am Gestell bei 6, €% andererseits an
dem Umfange der kleinen Rollen /' und /**, die durch
Sperrräder an ihrer Drehung verhindert werden und
zur Anspannung respective Regulirung der Länge der
Stahlbänder dienen. Ist der Wagen mit ihrer Hilfe
einmal genau eingestellt, so behält er diese Lage
auch in jeder ihm eilheilten Stellung bei, da die
Summe der Bandlängen eV -\-W -{-Vf^ beziehentlich
) Pat. Spec. 1862, No. 14161
*) Sachs. Pat. 2828 vom IG. Juni 1870.
433
Fischer, Die Stickmaschino.
434
€'6 + 66+-6/* stets constant bleibt. In den Figuren 10
und 11 sind Zahnstangenfuhrungen vorgefiihii, denen
die Anwendung zweier an den Laufschienen festge-
schraubter Zahnstangen a und zweier am Wagenteuchel
gelagerter Triebräder h gemeinschaftlich ist. Sie unter-r
scheiden sich gegenseitig allein in der Art des An-
triebeBy so zwar, dass bei Fig. 10 der Wagen unmittel*
bar den Zug des Riemens empfängt und sich die auf
einer gemeinschaftlichen Welle, welche den Teuchel
durchragt, steckenden Getriebe auf den 2^hnstangen
abwälzen, bei Fig. 11 dagegen der Wagen in Folge
Abwälzens der ebenso montirten Getriebe auf den
Zahnstangen fortbewegt wird. Der Zugriemen d ist
hierbei veimittels der Leitrollen c direct um eine Rie-
menscheibe der Getriebwelle geführt und versetzt diese
bei seiner Bewegung in Umdrehung.
Schliesslich sei an dieser Stelle noch eines Faden-
atiszugsmechanismus von Voigt*; gedacht, welcher ein
schnelleres Arbeiten der Stickmaschine ermöglichen soll,
doch wenig Eingang gefunden hat. Derselbe ist durch
die Figuren 12 und 13, Taf. XIX, wiedergegeben und
beruht darauf, dass gleichzeitig bei Bewegung des Wa-
gens die Fäden durch über ihnen befindliche, der Ma-
schine entlang laufende Drähte nach unten abgebogen
"werden, wodurch eine grössere Fadenlänge zum Auszug
gelangt, als die Länge des Wagen weges beträgt. Die
Dimensionen des Apparates sind so bemessen, dass bei
neu eingezogenen Fäden der Weg des Wagens höch-
stens 400"™, statt wie gewöhnlich 1"», beträgt. Die
das Niederdrücken bewirkenden Drähte a sind zwischen
den Enden gekrümmter Hebel ausgespannt, welche auf
in den Nadelschienenträgorn drehbar gelagerten Wellen
sitzen. Diese sind gegenseitig durch Triebräder c und,
wie Fig. 13 zeigt, an den Schienenträgern in Führungen
gleitende Zahnstangen d gekuppelt, so dass sich sämmt-
liche Wellen übereinstimmend drehen. Die oberste
Welle trägt ausserdem an jedem Ende einen Stab e^
welcher sich gegen am Gestell befestigte Stäbe f lehnt
und bei Einfahrt des Wagens an diesen gleitend eine
Drehung der Wellen heiTorbringt, durch welche das
Aufheben der Spanndrähte erfolgt, bis die gekrümmten
Hebel eine Lage einnehmen, wie sie die rechte Seite
der Figur 12 zeigt. Bei der Wagenausfahrt erfolgt das
Senken anfänglich durch Vermittelung der Gegengewichte
g^ später durch das Gewicht der Hebel h selbst.
) S&chs. Pat. No. 22ß2 vom 26. September 1867.
3) Selbstthätige Stickmaschinen und Ueber-
gänge dazu.
Das Bestreben, bei dem Betrieb der Stickmaschinen
Elementarkräfte anzuwenden und hierdurch nicht nur
schneller, sondern auch billiger zu produciren und die
Beaufsichtigung resp. Leitung der Maschine in die
Hände von für geringeren Lohn arbeitenden weiblichen
Arbeitern und Kindern legen zu können, tritt zuerst
im Anfange der sechziger Jahre in England hervor.
Bereits 1861 nahm A. Heaven und R. Smith ein
englisches Patent auf eine dieses Ziel anstrebende Stick-
maschino, welcher sehr bald andere derartige Construc-
tionen folgten. Es wurden die Bemühungen wesentlich
erleichtert, als man anfing, Maschinen zu bauen, welche,
dem Vorgänge der Nähmaschinen folgend, Fäden direct
von Spulen verarbeiteten und deren Nadel nur einen
sehr kleinen Weg pro Stich zurücklegte. Aber auch
für die gewöhnliche, bisher betrachtete Plattstichstick-
mascliine liegt eine Construction vor, welche die Auf-
gabe der Herstellung einer selbstthätig arbeitenden
Maschine löst und die ich im Folgenden vorzuführen
gedenke. Vorher jedoch möchte ich einige Mechanismen
erw^ihnen, welche das selbstthätige Anhalten des Stick-
wagens nach erfolgtem Wagenauszug bezwecken und
gewissermassen den Uebergang zu den völlig selbst-
thätigen Maschinen bilden. Zwei dieser Apparate ent-
standen im Jahre 1869, der eine (von A. Voigt in
Chemnitz herrührend) im Anfang des Jahres*), der an-
dere jedenfalls aus diesem hervorgegangene wurde am
Ende des Jahres**) von der Maschinenfabrik zu Land-
quait bei Chur eingeführt. Ein dritter ist zu Folge
der Patent Specification im Jahre 1852 von H. Houlds-
worth in Manchester erfunden worden.***)
Sämmtlichen Apparaten ist die Ableitung des die
Hemmung hervorrufenden Impulses durch die am Ende
jeden Auszugs stattfindende Fadenspannung, den ersten
beiden auch die Hemmung selbst durch Pressen eines
Bremsbackens gegen eine der Wagenbahn entlang lau-
fende Schiene gemeinsam. Die Mittel zur Uebertragung
der durch die Fadenspannung erzeugten Bewegung auf
den Bremsbacken sind aber in den einzelnen Fällen
wesentlich von einander verschieden.
Die Voigt 'sehe Construction ist in den Figuren
14 und 15, Taf. XX, dargestellt. Neben der das OeflFnen
und Schliessen der Nadelzangen bewirkenden excentri-
Clvilinflrenidur XXIII.
*) Sachs. Pat No. 2561 vom 23. Jan. 1869.
♦♦) Sachs. Pat. No. 2718 vom 10. Decbr. 1869.
♦♦*) Pat. Spec. 1852, No. 14161.
2«
435
Fischer, Die Slickmaschine.
436
sehen Welle a ist in dem Schienenträger b eine zweite
der Maschine entlang laufende Welle c gelagert, auf
welcher die gekrümmten Hebel d und e, sowie die
Gabel f befestigt sind. Lose auf diese Welle aufge-
schoben ist der doppelarmige Hebel g, dessen einer
Arm sich unter einen Vorsprung des Hebels d legt,
während der andere Arm durch eine Zugstange h mit
dem Hebel e verbunden ist; dieser sitzt gemeinschaft-
lich mit dem Bremsbacken k auf einer kurzen, am
Teuchelschild drehbar gelagerten Welle l. Die freien
Enden der Hebel d sind durch Drähte ß verbunden,
welche die Stickfäden während des Auszugs dicht vor
den Nadeln nach abwärts drücken. Nähert sich der
Wagen dem P^nde seines Weges und sind die Fäden
völlig durch die Löcher des Zeugs hindurch gezogen,
so kann die Weiterbewegung des Wagens nur auf
Kosten der Fadenlänge erfolgen, welche der grösseren
Länge der Summe der Dreiecksseiten aßy gegenüber
der dritten Seite ay entspricht. Es wird sich also der
Winkel bei ß vergrössern und gleichzeitig der Hebel d
heben. Hierdurch ist aber auch dem doppelarmigen
Hebel // die Möglichkeit geboten, sich in Folge des an
seinem rechten Ende hängenden Uebergewichtes zu
drehen ; es erfolgt gleichzeitig ein so starkes Anpressen
des Bremsbackens k gegen den unteren keilförmig ge-
stalteten Theil der Wagenbahn, dass die weitere Aus-
fuhrbewegung des Wagens verhindert wird. Bei der
nun folgenden Wageneinfahrt gleitet der Bremsbacken die
Wagenbahn entlang, da er sich ohne Festklemmung an
dieselbe um den Zapfen l drehen kann und in Folge
des Schlaffwerdens der Stickfäden der Hebel d sich
wieder abwärts senkt. Noch ehe der Wagen seine Ein-
fahrt vollendet hat, stösst die Gabel f gegen einen am
Maschinengestell befestigten Zapfen und bewirkt da-
durch eine solche Hebung des Hebels d, dass die Nadel-
zangen bis dicht vor den Stoff gelangen können.
Der Bremsbacken k ist hierbei durch eine an dem
inuem Ende der Wagenbahn festgeschraubte Schiene
m verhindert, gegen die Wagenbahn zu drücken und
bei der wieder erfolgenden Ausfahrt sich festzuklemmen.
Die Spannung, mit welcher die Fäden nach vollendetem
Zug durch den Stoff angezogen werden sollen, ist re-
gulirbar und zwar entweder durch Verstellung des Ge-
wichtes n, oder durch Aendemng der Länge des hin-
teren Armes von Hebel ^, an welchem die Zugstange h
angreift oder endlich durch Verschiebung des Gleit-
backens im Hebel }'.
Der Hauptübelstand, welcher dieser Vorrichtung
anhaftet, besteht in dem Umstände, dass der Wagen bei
jeder auch nur zufälligen Hebung des Fadenabdrückers
gebremst werden wird. Derartige zufällige Hebungen
sind aber nie zu vermeiden, da die Ausfahrt des Wagens
nie ganz ohne Stösse vor sich geht und deshalb der
Hebel d sehr leicht in schwingende Bewegung gerathen
wird. Es ist daher der in den Figuren 16 und 17
dargestellte Mechanismus der Maschinenfabrik zu Land-
quart bei Chur vollkommener als der soeben beschrie-
bene, weil bei ihm die Aufhebung des Fadenabdriicken
nur dann erfolgen kann, wenn der Wagen seinen Weg
wirklich zurückgelegt hat. In den eigenthtimlich ge-
stalteten Teuchelschilden a findet die der Maschine
entlang laufende, die Fadenabdrücker b tragende Welle
c ihre Lagerung.
Der Hebel b ist nach rückwärts verlängert und
trägt an diesem Ende die Knagge d. Unterhalb der-
selben liegt das Ende zweier Hebel 6, f, von denen e
lose auf der ebenfalls im Teuchelschild gelagerten Welle
g sitzt und auf seiner Verlängerung das Gegengewicht
h trägt, der andere f aber fest mit dieser Welle ver-
bunden ist. Die Länge der Hebel ist verstellbar, wie
die in der Zeichnung ersichtliche Schraube a andeutet
Auf dem anderen Ende der Welle g ist der doppel-
armige, einseitig durch Gewicht i belastete Hebel i
festgekeilt, welcher durch die Zugstango / mit dem
Excenter m verbunden ist und sich für gewöhnlich,
d. h. während der Wagenaus- oder Einfuhr, gegen den
Hebel n stützt. Unterhalb des Excenters sitzt die Rolle
fest am Teuchelschild und licide fassen die, der
Wagenbahn entlang laufende Schiene p zwischen sicL
Ist der Wagen in der Ausfahrt begriften, so ist es un-
möglich, dass Hebel b sich heben könne, denn die
Knagge d stützt sich gegen Hebel /*, und dieser ist da-
durch an Bewegung verhindert, dass Hebel n sich g^n
k stützt. Hat jedoch der Wagen seinen Weg vollendet
und beginnen sich die Stickfäden straff zu spannen,
so stösst der Hebel q gegen einen an der Büdise r
sitzenden Stift, dreht sich um seine Achse und löst den
Hebel k aus , welcher nun dem von den Fäden auf h
ausgeübten, durch die Knagge d auf ihn übertragenen,
Drucke folgen kann und durch Drehung des Exoenters
eine solche Reibung an der Schiene p erzeugt ^ dass
der Wagen zum Stillstand gebracht wird. Die Ein-
wärtsbewegung des Wagens ist dagegen nicht verhindert,
da sich bei ihr der Bromssector von der Bremsschiene
löst, was auch noch bei dem Schlaffwerden der Fäd»
durch die Gewichte befördert wird. Da nun auch
Hebel q den Stift an Büchse r verlässt, so stellt er
sich wieder in seine Anfangslage und verhindert das
Herabsinken des Hebels k, Ist aber das Ende der Ein-
fahrt des Wagens ziemlich erreicht, so gleitet Zqifen
s des Hebels n auf den am Maschinengestell befestigten
Stab t, wird frei und da inzwischen ddie an Welle c
437
Fischer, Die Stlckmaschiiie.
438
feste Gabel u auf den am Gestell befestigten Zapfen
V aufgelaufen ist, so heben sich die Fadenabdrücker
soweit, dass die Nadelzangen bis dicht an den Stoff
gelangen können. Ehe dies letztere jedoch geschieht
und der Wagen still steht, stösst der am Teuchelschild
sitzende Zapfen x gegen einen solchen w, welcher der
mit Sperrzahnen versehenen Stange y angehöi-t; diese
Stange bewegt sich nach links, die Feder a spannend,
und nimmt Iiierbei mittels des Sperrkegels z die Büchse
r mit. Da aber diese Büchse eine stärkere Reibung
an der Wagenschiene erfahrt, als diejenige ist, die bei
dem Gleiten der Sperrkegelzähne über die Zähne der
Zahnstange erzeugt wird, so bleibt sie bei dem durch
die Feder a bewirkten und bei Beginn der Wageuaus-
fuhr erfolgenden Zurückschieben der Zahnstange stehen.
Hierdurch ist der den Hebel q auslösende Stift um so
yiel dem Stickrahmen näher gerückt als die Verscliie-
bung des Zapfens w betrug ; der Wagen wird also jetzt
nicht soweit ausfahren können wie vorher, ohne ge-
bremst zu werden. Durch Verstellung des Zapfens Wf
sowie Verschiebung der Schraube ß lässt sich die Dif-
ferenz der Längen zweier aufeinander folgenden Wagen-
au8fahi*t<en genau mit der pro Stich verbrauchten Faden-
länge in Uebereinstimmung bringen. Der Anzug der
Fäden wird durch das Gewicht h des Hebels e regulirt,
welcher gegen die Knagge d drückt.
Für den in Fig. 18, Taf XX, skizzirten Houlds-
worth 'sehen Apparat ist als besonders charakteristisch
die Anwendung eines Moderators hervorzuheben, mit-
telst welchem ein allmäliges Anhalten des Wagens am
Ende der Aus- oder Einfahrt erreicht wird. Der Mo-
derator besteht aus einem mit Wasser gefüllten Cyliuder
a, in welchen der Kolben b mit geringem Spielraum
cingepasst ist. Dieser Kolben hängt an einem Winkel-
hebel c, welcher andererseits die gezahnte Stange d
erfasst. Beginnen bei der Ausfahrt des Wagens die
Stickfäden sich zu spannen, so bewirkt die Erhebung der
die Fäden niederhaltenden Hebel e vermittelst der Zug-
stangen /*, g das Einfallen der Sperrfalle h in die Zähne
der Stange d. Diese Stange ist hierdurch gezwungen,
an der Bewegung des Wagens theilzunehmen, und es
beginnt der Moderatorkolben zu steigen, indem die
über demselben stehende Flüssigkeit durch den Spiel-
raum zwischen Kolben und Cylinderwand unter den
Kolben tritt. Der hierbei auftretende Widerstand
wird zur allmäligen Verzehrung der dem bewegten
Wagen innewohnenden lebendigen Kraft verwendet und
dieser langsam und ohne Stoss in die Ruhelage über-
gefühi-t noch ehe die Stickfäden völlig gestreckt worden
sind. Ganz analog ist der Vorgang am Schlüsse der
Einfahrt des Wagens, indem kurz vor demselben das
einerseits am Wagen, andererseits am Hebelte befestigte
Zugorgan i eine Auswärtsschiebung der Zahnstange d
und damit ein Aufwärtsheben des Moderatorkolbens be-
wirkt. Die Figur 19 zeigt eine Modification des Zahn-
stangenantriebes, indem der Winkelhebel c durch eine
Bolle k ersetzt ist und sich das über diese Rolle ge-
leitete Zugorgan l direct an die Zahnstange anschliesst.
Die Stickmaschine von A. Heaven und R. Smith
(Fig. 20 und 21, Taf. XX) ist noch nicht vollständig
selbstthätig ; sie bedarf zur Umsteuerung der Wagen-
bewegung noch immer die Leitung des Arbeiters. Der
Auszug der Stickfäden erfolgt durch Elementarkraft,
die Einfahrt des Wagens durch Gewichtswirkung, a
ist die Antriebwelle der Maschine, welche die Riemen-
scheibe h in Umdrehung versetzt und zwei Frictions-
scherben c und d trägt. Eine dritte dergleichen Scheibe
steckt auf der Welle e, welche ddrch Kegelräder mit
der horizontalen Welle f verbunden ist. Je nachdem
die Scheibe der Welle e an c oder d mittelst des Fuss-
trittes g vom Arbeiter gedrückt wird, dreht sich Welle
e nach rechts oder links. Erfolgt die Drehung in der
gezeichneten Pfeilrichtung, so stösst Hebel h gegen die
Nase i und bewirkt durch die gezeichnete Zugstangen-
und Hebelverbindung eine Drehung der Welle k; die
an dieser Welle befestigte Riemengabel legt den über
Scheibe b laufenden Treibriemen auf die Festscheibe m
und gleichzeitig wird durch Einfallen des Klinkenhebels
n die Stellung der Riemengabel fixirt. Indem die Dre-
hung der Scheibe m durch Zahnräder auf die Trommel
übertragen wird, windet sich auf diese letztere der
auf Scheibe p aufgewundene Riemen. Die hierdurch
erzeugte Rotation dieser am Teuchelschild des Wagens
gelagerten Scheibe p bewirkt vermittelst Zahntriebes
und Zahnstange q die Ausfahrt des Wagens. Die Wa-
genbewegung hat ihr Ende erreicht, wenn durch An-
spannen der Stickfäden die Fadenabdrücker r gehoben
werden; es drückt der Arm s auf eine der Welle t
entlang laufende Schiene, dreht diese Welle nebst dem
auf ihr sitzenden Arm u und bewirkt die Auslösung
des Klinkenhebels; die Riemengabel l kann jetzt dem
Zuge der Feder v folgen und der Riemen wird von der
Festscheibe abgeschoben und auf die Losscheibe gelegt.
Der Wagen fahrt nun unter Wirkung des Gewichtes w
ein, indem sich der Riemen x auf die Scheibe y auf-
windet.
Nach erfolgtem Umsteuern mit Tritthebel g über-
trägt sich die Betriebskraft auf die ganz gleich an-
geordneten Mechanismen des andern Wagens und be-
wirkt dessen Bewegung. Das OeflFnen und Schliessen
der Nadelzangen wird von Excentern der Welle f aus-
durch Hebel vermittelt.
28»
439
Fischer, Die Stickmaschiuc.
440
Wie mau sieht, leidet diese Maschine an sehr grossen
UnvoUkommeuheiten , namentlich ist die Anordnung
des Bewegungsmechanismus füt* die Wagenausfahil
und Einfalirt höchst unzweckmäesig ; denn durch das
Aufwickeln resp. Abwickeln des Riemens auf den
Scheiben o und p, sowie durch die beschleunigte Be-
wegung des abwärts sinkenden Gewichtes Wy wird die
Bewegung des Wagens um so mehr besclileunigt, je mehr
sich der Wagen dem £nde seines Weges nähert; es
wird also im Moment des Bewegungs wechseis die Ge-
schwindigkeit am . grössten und sind die Stickfäden
einem starken Stosse ausgesetzt.
Wesentlich vollkommener, wenn auch nicht ganz
frei von Mängeln, ist die völlig selbstthätig arbeitende
Maschine von James Pritchard und John Collins
zu Glasgow,*) welche, wenn ich recht unterrichtet bin,
gegenwäi'tig auch in dem Etablissement des Stickerei-
fabrikanten Göldy in der Schweiz Anwendung findet.
Der Bewegungsapparat ist in den Figuren 1 — 10 der
Tafel XXI dargestellt und für Maschinen bestimmt, bei
denen die Wagenbewegung durch über Rollen geleitete
Riemen oder Schnüre erfolgt und die Nadelzangen
durch Schi'aubenradmechanismus (s. S. 430) geöffnet
und geschlossen werden.
Auf der mit Los- und Festscheibe A und B (Fig.
1 und 4) ausgerüsteten Antriebwelle sitzen drehbar,
aber gegen Verschiebung gesichert, mit KlauenmufFen
a und 6 ausgerüstete gleichbenannte Zahnräder, welche
theils direct, theils durch ein Zwischengetriebe c mit
auf den kurzen Wellen C, D festgekeilten Zahnrädern
J, e, f in Eingriff stehen. Fig. 7 zeigt die entspre-
chende Uebersetzung bei X, Fig. 8 diejenige bei F.
Die Wellen (7, D können mit Hilfe der Klauenkupp-
lungen gy h mit den der Maschine entlang laufenden
Wellen J?, F gekuppelt werden.
Nimmt man an, der Klauenmuli' a^ sei mit a, der
Muff des Rades e mit g im Eingriff und die Antrieb-
welle rotire in der Pfeilrichtung, so wird der Welle E
durch die Radübersetzung Fig. 7 eine solche Drehung
ei-theilt, dass der Wagen W nach aussen gezogen wird.
Der Wagen W bleibt still stehen mit geöffneten Nadel-
zangen, da die gelöste Kupplung h die Bewegung nicht
auf die Welle F überträgt. Hat der Wagen W seine
Ausfahrt ziemlich vollendet und beginnen die Stickfäden
sich straff zu spanneu, so bewirken sie ein Durchbiegen
des im Stickrahmen (der wie gewöhnlich von einem
Arbeiter mittels eines Pantographen nach Massgabe der
Musterschablone bewegt wird) aufgespannten Stoffes.
*) Pat. Spec. 1869, No. 3703.
Diese Durchbiegung, in Fig. 2 bei G durch Stiich-
punktirung angedeutet, wird in der Art als Impuls für
die Einleitung des Wagenrückganges benutzt, dass die
auf Welle i sitzenden, mit der Schiene k am Stoff an-
liegenden Hebel / zurückgediückt werden und eine
Drehung von i bewirken. Dieser folgt der dem doj^l-
armigen Hebel m (Fig. 1 und 2) bisher als Stützpunkt
dienende Hebel n; ersterer wird ausgelöst und die am
Hebel o angreifende Feder p gelangt zur Wirkung.
Gleichzeitig drückt der einen Theil des Hebels n bil-
dende Arm q (Fig. 2) gegen den Sperrkegel r und be-
wirkt dessen Eingriff' in das auf der Triebwelle E
steckende Sperrrad s, hierdurch die Auswärtsbewegung
des Wagens hemmend. Der Arm des Hebels o, welcher
durch m erfasst wird, trägt aber am Ende eine Klane
t (Fig. 3), die dem Zug der Feder p folgend steigt,
hierbei den Hebel u (Fig. 1, 3 und 5), gegen dessen
Ende sich die Nase v der verticalen Welle w stützt,
um seine Achse drehend und diese Welle auslösend.
Diese, von der Hauptwelle aus mittelst Zwischenwelle x
und Frictionsrädern y und angetrieben, dreht sich
und bewirkt durch ihr gekröpftes oberes Ende die Ver-
schiebung der Klauenmuft'e, wodurch eine Kupplung
des Rades b mit, und eine Entkupplung des Rades a
von der Hauptwelle stattfindet. Damit w nur die zur
Umsteuerung nothwendige halbe Drehung mache, geht
Hebel u noch vor Beendigung derselben in seine frü-
here Ruhelage zurück, indem ein Stift a der sich he-
benden Klaue t an der schiefen Ebene ß gleitet und
hierdurch der Klaue neben der aufsteigenden noch eine
seitliche Bewegxuig ertheilt, wodurch Hebel u frei wird
und dem Drucke der unter ihm liegenden Feder folgen
kann. Das Resultat aller dieser Bewegungen ist die
Veränderung der Drehrichtung der Triebachse CEj in-
dem jetzt die Bewegung der Hauptwelle durch die in
Fig. 8 gezeichnete Uebersetzung derselben mitgetheilt
wird. Der Wagen W beginnt seine Einfahrt, die Zeug-
fläche geht wieder in die Verticalebene zurück. Ziem-
lich am Schlüsse der Wageneinfahrt stösst die am Wagen
befestigte Knagge H (Fig. 3 und 4) gegen den Hebd
J und bewirkt mit dessen Hilfe den Niedergang der
iUaue t und die Spannung der Feder p (Fig. 3), indem
der Arm J' auf den Hebel einen nach abwärts ge-
richteten Druck ausübt, worauf die Stütze n die Lage
dieser Theile wieder fixirt.
Bei der Weiterbewegung des Wagens stösst aber
Knagge H gegen das abgeschrägte, zwischen Rollen
geführte Ende der horizontalen Stange K und gleich-
zeitig hiermit die eben&lls an dem Wagen befestigte
Knagge L gegen die Zähne y (Fig. 1, 3, 10), während
die Gabel M am unteren Ende der Steueningswelie für
441
Fischer, Die Stickmaschiiie.
442
die Nadelzangen den Zapfen N (Fig. 0) der der Ma-
schine entlang laufenden, horizontalen Welle Z uinfasst
und die Nadeln den Stoff durchdringen. Dies veranlasst
gleiclizeitig die folgenden drei Bewegungsvorgänge:
1) Der Stoss von Knagge H gegen den Stab K
verschiebt diesen nach rückwärts; es schwingt der dop-
pelarmige, die Klauenmuff'e g umfassende Hebel 0, löst
die Verbindung der beiden Wellen E und C und
spannt die Feder d; die neue Stellung wird dadurch
fixirt, dass sich Hebel P vor die an K sitzende Knagge
£ (Fig. 3 und 4) legt und damit den Zurückgang der
Stange verhindert. Wagen W steht still.
2) In Folge des Anstosses der Knagge L an die
Zähne / drehen sich diese um ihre am Maschinen-
gestell befestigte Achse r und drücken die Stange Q
(Fig. 1, 3, 4, 9 und 10) abwäits; der mit dieser ver-
bundene Hebel R rückt die Zahnkupplung S ein und
die verticale Welle T folgt dem Antrieb des Kegelrades
üf weichesy mit einem dei^leichen auf der Antriebwelle
im Eingriff stehend, beständig rotirt. Die untere Hälfte
der Kuppelung, die mit Nut und Feder auf Welle T
(Fig. 9) aafgepasst ist, besitzt an ihrer unteren Fläche
zwei sich diametral gegenüberstehende Vertiefungen ip,
1^; in eine derselben tritt bei offner Kupplung der am
Gestell festgeschraubte Zapfen cu, während bei geschlos-
sener Kupplung die untere Fläche von S auf diesem
Auslösung von Hebel m'
Zapfen ruht. Gleitet nun nach erfolgtem Kupplungs-
schluas die Knagge L sofort über die Zähne y hinweg,
so sucht die an Stange Q angreifende Feder die Kupp-
lung wieder zu lösen, es gelingt ihr dies aber nur
dann, wenn eine der Vertiefungen </ oder i// über dem
Zapfen lo steht, die Welle T also eine halbe Umdrehung
gemacht hat. Während dieser halben Umdrehung be-
wirkt aber die unrunde Scheibe v (Fig. 1, 3 und 6)
mittelst der Flebelübertragung q, a eine Verschiebung
der Stange Z in ihrer Längsrichtung, was in Folge
Eingriffes der Zapfen N, N* in die Gabeln M, M* eine
Drehung der Steuerwellen und damit die Oeffnung der
Nadelzangen an dem einen Wagen, die Schliessung der-
selben an dem anderen Wagen bewirkt.
3) Ausserdem bringt aber der am Kopf der Welle
T sitzende Flügel ^ (Fig. 1, 3, 4) die Hebung des
Arretirungshebels P* hervor, die Stange K* wird frei
und folgt dem Zuge der Feder d', gleichzeitig die
Kupplung h einrückend. Hierdurch überträgt sich die
Bewegung der Welle D auf die Triebwelle F und der
Wagen W beginnt seine Ausfahrt, die Stickfäden durch
den Stoff ziehend.
Nachdem der Auszug vollendet, verstellt der Stioker
den Stickrahmen und es folgen nun für diesen Wagen
die soeben bescliriebenen Bewegungsvorgänge, welche
sich im Kui'zen wie folgt zusammenfassen lassen :
1) Durdibiegen des Stoffes
Entgegengesetzte Rotationsbe-
wegung der Wellen D und F\
W^agen W* fahrt ein.
2)
3)
Feder p* hebt Klaue V (Fig. 3) und löst die
Welle w aus
Lösen resp. Schliessen der Kupplungen h und a
Knagge H* stösst gegen J* (Fig. 3); Feder p* wird wieder gespannt.
Lösen der Kupplung ä; Wagen W steht still.
I Oeffnung und Schluss der Nadelzangen.
Rotation der Welle T^ Auslösung des Hebels P und Schliessen der Kupp-
lung g\ Wagen W fährt aus.
\ Knagge H' stösst gegen K*
\ Knagge L* stösst gegen y
1
Der Patentbeschreibung zufolge soll die Maschine
pro Minute 6—10 Stiche ausführen, würde also circa das
1*;»- bis 3 fache eines an einer Handstickmaschine ar-
beiteten Stickers leisten.
Als eine UnvoUkommenheit der Maschine ist jeden-
falls die Ableitung des Umsteuerungsantriebes von der
Durchbiegung des Stoffes zu bezeichnen, denn eines-
theils setzt dieselbe einen schlaff aufgespannten Stoff
voraus, anderntheils ist jede Möglichkeit benommen, die
Anspannung der Stickfäden, also den Anzug der Stiche
zu reguliren, was Beides namentlich für das Besticken
dünner Stoffe von grossem Nachtheil ist. Gewiss liesse
sich diesem Mangel abhelfen durch Uebertragen des bei
den selbstthätigen Hemmungsapparaten von Voigt und
Anderen beschriebenen Principes, die Anspannung des
Fadens selbst zum Steuerungsimpuls zu benutzen.
(Fortsetzung folgt.)
Versuche über das Ausströmen der atmosphärischen Luft durch gut abgerundete
Mündungen.
Von
Albert Fliegner,
Professor der theor. Maschinenlehre am eidgen. Polytechnikum in Zürich.
(Hierzu Tafel XXII.)
Im Jahrgange 1874 dieser Zeitschrift (Seite 13 u.
flgd.) habe ich die Ergebnisse einiger Versuche über
das Ausströmen der atmosphärischen Luft durch eine
gut abgerundete Mündung mitgetheilt. Damals konnte
ich nur das Ausströmen in die Atmosphäre untersuchen,
hatte aber schon weitere Experimente in Aussicht ge-
nommen, bei denen verschiedene äussere Pressungen
benutzt wei*den sollten. Die Fertigstellung der dazu
nöthigen Apparate hat aber so viel Zeit gekostet, dass
ich ei*st jetzt im Stande bin, weitere Ergebnisse in
dieser Richtung zur Mittheilung zu bringen.
Beschreihwig der VersuehaappartUe.
Die Versuche sind mit dem auch früher benutzten
pneumatischen Apparate des hiesigen Polytechnikums
angestellt. Beschi*eibung und Abbildung desselben fin-
den sich im Jahrgange 1874 dieser Zeitschrift in dem
Aufsatze des Hrn. Geh. Bergrath Prof. Dr. G. Zeuner:
„Resultate experimenteller Untersuchungen über das
Ausströmen der Luft bei starkem Ueberdruck", Seite 1
und flgd., doch habe ich inzwischen an dem Apparate
einige Aeuderungen vornehmen lassen.
Zur Füllung des Kessels diente früher eine in
seinem Inneren befindliche Luftcompressionspumpe, welche
von Hand getrieben wurde. Die Eigenwiderstände dieser
Pumpe waren aber sehr bedeutende und nahmen mit
der Zeit noch zu, so dass die Füllung des Kessels von
0,810876 <^^™ Inhalt auf etwa 37^ Atmosphären üeber-
druck schliesslich 3 bis 4 Stunden Zeit und 4 Arbeiter
erforderte. Ausserdem war es nicht gut möglich, die
eingepumpte Luft, wenn auch nicht ganz vollständig,
so doch wenigstens theilweise von den mitgerissenen
Wasser- und Oeldämpfen zu befreien, da das Druck-
veutil im Inneren des Kessels, also unzugänglich lag.
Ich habe daher diese Pumpe vollständig entfernt und
durch eine neue, ganz ausserhalb des Kessels befind-
liche ersetzt, welche von dem hydraulischen Motor un-
serer Werkstatt getrieben wird. So kann ich die voll-
stÄndige Füllung des Kessels in etwa einer halben
Stunde vornehmen. Auch ist es jetzt möglich ge-
worden, die Luft einigermassen zu trocknen. Zu
diesem Zwecke ist in die von der Pumpe zum Kessel
gehende Rohrleitung, welche sonst aus gezogenen
schmiedeiserneu Röhren von 1" engl, besteht, ein guss-
eisernes Rohrstück von 0,06*" innerem Durchmesser
eingeschaltet. Anfangs hatte ich dasselbe mit Watte
und Chlorcalciumstücken gefüllt. Es zeigte sich aber,
dass das flüssig gewordene Ghlorcalcium schliesslich
sogar durch ein aufsteigendes Rohrstück von 1"" Höhe
mit in den Kessel gerissen wurde, ebenso, dass es in
einige der zu den Manometern führenden Leitungen
eindrang und die dort befindlichen Hähne angriff. Ich
liess daher das Ghlorcalcium ganz entfernen und ver-
suchte es zunächst mit Watte allein. Aber auch diese
verfilzte sich bald durch das aufgesaugte Gel und nö-
thigte die Luft mit zu bedeutender Geschwindigkeit
zwischen diesem Pfropfen und den Rohrwandungen hin-
durchzuströmen ; dadurch wird aber natürlich das fer-
nere Ablagern der mitgerissenen Wasser- und Oeltheil-
chen erschwert. Ich habe schliesslich also auch die
Watte herausgenommen und überlasse die Trocknung
der Luft nur der natürlichen Abkühlung und der ge-
ringeren Geschwindigkeit in dem jetzt ganz freien wei-
teren Rohrstücke. Die Absonderung soll noch dadurch
erleichtert werden, dass das Rohr tiefer gel^ and
durch zwei nach oben gerichtete Krümmungen mit dar
übrigen Leitung in Verbindung gesetzt wurde.
Fliegner, Vereuche über das Ausströmen der atmosphärischen Luft.
446
Durch die Entfernung der Pumpe ist übrigens
ein anderer, wenn auch nicht gerade sehr bedeu-
r Vortheil erreicht, der nämlich, dass das ent-
len viel zu kleine Volumen des Kessels etwas ver-
ert worden ist, allerdings nur von 0,8 1 0876«^" auf
^1
cbm
Bei den ersten Vereuchen arbeitete ich mit dem
Hahnen (siehe die oben citirte Beschreibung und
idung). Sollte dann vor der Mündung ein Druck
chen, grösser als der Atmosphärendruck, so wurde
rhalb derselben ein 0,23™ langes, 35™" weites Rohr
icht aufgeschraubt (s. Taf. XXII, Fig. 4, wo nur
i^latzes wegen die Rohrachse horizontal gezeichnet
während sie sich in Wirklichkeit in verticaler Lage
id). An seinem äusseren Ende war dieses Rohr
1 eine mittelst eines zwischenliegenden Lederringes
lichtete, in ihrer Mitte durchbohrte Kappe ge-
ssen. Ich habe mehrere solche Kappen mit Ver-
den grossen OefFnungen, so dass ich den Druck
der Mündung zwischen weiten Grenzen ändern
te. Das Rohr reichte nahe an die Mündung heran,
b vor der Oeffnung B (Fig. 4), durch welche der
k ausserhalb der Mündung gemessen wurde, kei-
i Wirbel herrscheu konnten. Wollte ich vor der
lung einen luft verdünnten Raum haben, so er-
j ich dieses Rohr durch ein engeres, das aber
n nicht geschlossen war, sondern cylindrisch durch-
Ich habe auch mehrere solche Röhren, benutzte
bei jeder untersuchten Mündung nur das eine,
les das stärkste Vacuum ergab. Für Ausströmen
e Atmosphäre wurden diese Röhren natürlich ganz
3lassen.
Die zweite Gruppe von Versuchen wurde mit einem
1 Hahnen angestellt, der namentlich in der Be-
tung construirt wurde, dass die verhältnissmässig
Bohrung des alten bei den später zu untersuchen-
lündungen in dünner Wand und den Ansatzröhren
Abrundung die Vollkommenheit der Contraction
Aussen könnte. Dieser neue Hahnen ist auf Tafel
, Fig. 1 und 2, in natürlicher Grösse abgebildet,
t an der Stelle des Kessels angebracht, an welcher
früher die Luftcompressionspumpe befunden hatte,
einer unteren Fläche besitzt er eine kleine Ver-
ig, entsprechend geformt, wie die oberen End-
tn der Mündungen. Diese selbst sind mittelst
r Schrauben (C, Fig. 2) und mit zwischenliegendem
schukringe am Hahnen befestigt; sie befinden sich
im Innern des Ausflussgefässes, und kann eine
uction, wo dieselbe überhaupt auftritt, in keiner
) beeinträchtigt werden. Die Bohrung des Hah-
ist nach oben conisch divergent ausgeführt, in
der Hoffnung, dass sich der Strahl bei freier oberer
Oeffnung nicht anlegen, dass man also Ausströmen in
die Atmosphäre haben würde. Diese Erwartung wurde
allerdings bisher nicht erfüllt. Wurde die obere Oeff-
nung dieser Bohrung durch eine engere oder weitere
Mündung geschlossen, so Hess sich vor der untersuchten
Mündung jeder beliebige Ueberdruck erzeugen. Zur
Erreichung eines Vacuums wurde in den Hahnkörper
ein cylindrisch ausgebohrtes, unten erweitertes Stück
(Z), Fig. 2) eingesetzt, welches durch eine Schraube E
am Herausfallen oder Verschobenwerden bei der Dre-
hung des Hahnes gehindert war.
Ich hätte es vorgezogen, den Hahnen wesentlich
niedriger zu machen, damit die Bohrung divergenter
geworden wäre und der Strahl beim Weglassen einer
oberen Mündung sicherer frei hätte austreten können,
ohne sich anzulegen. Derselbe Hahnen soll aber später
auch zu Versuchen über den Ausfluss von Dampf dienen,
und er musste daher einer an unserem Dampfkessel
schon vorhandenen Oeffnung angepasst werden.
Einige Schwierigkeiten verursachte die Führung
der Ganäle, durch welche der Druck gemessen werden
sollte. Ich habe schliesslich die in Fig. 1 angegebene
Anordnung beibehalten. Die von der Mündungs-
ebene ausgehende alte Bohrung A war aussen durch
eine kurze, nachher vernietete Schraube geschlossen.
Dafür wurde sie nach oben zu durchgeführt. Dort stand
sie durch ein genau passendes Loch in dem Kautschuk-
ringe mit dem Ganal F in der unteren Platte des
Hahnens in Verbindung. An der oberen Ausmündung
dieses Canals wurde mittelst Flansch ein Bleirohr an-
geschraubt, das zum Manometer führte. Der Druck
um den ausgetretenen Strahl wurde in ähnlicher
Weise durch den Canal O abgenommen, dessen untere
Ausmündung in einer Aussparung des Kautschukringes
liegt, also an einer Stelle, die für etwaige Wirbel nicht
erreichbar ist. Meine anfängliche Befürchtung, diese
Art der Befestigung würde vielleicht nicht ~ genügend
dicht sein, hat sich durchaus nicht bestätigt, jedenfalls
mit, weil der Kautschuk nur während ganz kurzer Zeit
wirklich auf Abdichten beansprucht wird. So lange
nämlich der Hahnen geschlossen ist, herrscht an allen
Seiten des Kautschuks derselbe Druck.
Zu den Druckbestimmungen habe ich bei
meinen älteren Versuchen nur Quecksilbermanometer
benutzt. Ich kann aber nur mit abnehmendem, theil-
weise sogar sehr rasch abnehmendem Drucke arbeiten ;
zum Constanthalten desselben wären Pumpen und Mo-
toren von Dimensionen erforderlich, wie ich sie nicht
besitze und auch nicht anschaffen kann. Ein erheblich
grösseres Volumen des ganzen Kessels würde diesen
447
Flieg 11 er. Versuche über das Ausströmen der
448
Uebelstand natürlich bedeutend verringern. Für Beob-
achtungen bei veränderlichem Drucke sind aber Queck*
siibernsanometer sehr ungeeignet. Sind dieselben so
construirt, dass das Quecksilber bei seiner Bewegung
nur geringe Widerstände zu überwinden hat, so tritt
die Wirkung seiner Trägheit sehr in den Vordergrund
und das Sinken erfolgt äusserst ungleichmässig. Findet
das Quecksilber dagegen bedeutende Bewegungswider-
stände vor, so bleibt es zurück und zwar, wie ich mich
bei meinen jetzigen Versuchen überzeugt habe, oft sehr
bedeutend. Da ich bei den neuen Versuchen den
Druck manchmal gleichzeitig an drei Stellon zu no-
tiren hatte, so hätte ich auch drei Quecksilbermano-
meter mit drei Beobachtern nöthig gehabt. Das Aus-
strömen der Luft erfolgt aber, namentlich bei höheren
Pressungen, mit bedeutendem Geräusche, durch welches
man mit der Stimme kaum durchdringen kann. Es
wäre daher schwer möglich gewesen, ein wirklich
gleichzeitiges Notiren des Druckes bei den drei Beob-
achtern zu erreichen, noch ganz abgesehen von den
weiteren persönlichen Fehlem.
Alle diese Gründe haben mich veranlasst, zu den
Druckbestimmungen drei Metallmanometer zu be-
nutzen. Dieselben sind von dem inzwischen verstor-
benen, durch seine Aneroidbarometer auch weiter be-
kannton Mechanikus J. Goldschmid in Zürich nach
dem Bourdon 'sehen Princip ausgeführt. Da ich aber,
um genügende Genauigkeit zu erhalten, einen möglichst
grossen Weg des Zeigers nöthig hatte, so wurden der
Feder von elliptischem Querschnitt feust zwei volle Win-
dungen gegeben. Die Bewegung des freien Endpunktes
der Feder ist zunächst auf einen excentrisch ange-
brachten Zeiger übertragen, der über einer nach Atmo-
sphären getheilten Scala spielt. Von der Achse dieses
Zeigers aus wird durch einen Hebel und einen seidenen
Faden der BLauptzeiger in Umdrehung versetzt. Der
Uebertragungsmechanismus ist so angeordnet, dass dieser
Hauptzeiger auf 6 Atmosphären Ueberdruck ungefähr
zwei Umdrehungen macht. Die Manometer sind wesent-
lich grösser ausgeführt als andere; der Durchmesser
der Theilung, über welcher der Hauptzeiger spielt,
beträgt 260™*". Der doppelte Umfang, entsprechend
6 Atm. Ueberdruck, oder einer Quecksilbersäule von
6.735,61=4413"»™, hat also eine Länge von 1634™",
so dass der Zeiger des Manometers sich im Mittel etwa
0,37 mal so viel fortbewegt, wie das Quecksilber. In
dieser Richtung geht also der Druck genügend genau
abzulesen. Da übrigens die Bewegung der Feder und
der Zeiger in keiner Weise durch irgend einen Anschlag
begrenzt ist, so kann man mit diesen Manometern
sowohl Ueberdruck, als auch ein Vacuum beobachten.
Um der Schwierigkeit eines genügend genauen
Eiuschätzens der jeweiligen Stellung des continuirlich
bewegten Zeigers auszuweichen, sind die Manometer
mit einer liegistrirvorrichtung versehen. Der
Hauptzeiger ist an seinem Ende als ein Schälchen
geformt, das mit Farbe gefüllt wird; nach längeren
Versuchen benutze ich jetzt eine hinreichend dick-
flüssige, aber doch nicht leicht harzende blaue Stempel-
farbe. Ueber dem Zeiger liegt eine Feder mit Stift,
welcher für gewöhnlich oberhalb der Farbe gehalten
wird. Durch einen Druck an einem Knopfe wird diese
Feder frei, und der Stift tritt durch die Farbe und
eine kleine Oeffnung im Boden des Schälchens auf eine
über der Theilung befindliche Glasscheibe und madit
einen Punkt auf dieselbe. Durch eine einfache Tast-
vorrichtung kann ich die Knöpfe von allen drei Mano-
metern genau gleichzeitig hinunterdrücken' und also
ihre zusammengehörigen Stände ohne persönlicheQ
Beobachtungsfeliler notiren. Will ich auch die zuge-
hörigen Zeiten wissen, so schliesse ich beim Hinunter-
drücken der Knöpfe einen elektrischen Strom, der einf
Schreibuhr in Thätigkeit setzt, wie das schon bei den
früheren bezüglichen Veröffentlichungen von Hm. Prof.
Dr. Zeuner und auch von mir angegeben worden ist
Die Anbringung einer nach Atmosphären oder
Millimetern Quecksilber fortschreitenden Scala für den
Hauptzeiger war bei diesen Manometern nicht möglich.
Einmal war das Fortrücken des Zeigers für dasselbe
Druckintervall an den verschiedenen Stellen nicht ge-
nau gleich zu erwarten, und da der Zeiger zwei Um-
gänge macht, so hätten zwei verschiedene Theilungen
nebeneinander angebracht werden müssen, eine Quelle
für Beobachtuugsfehler. Wirklich zeigte sich diese
Differenz noch grösser, als wir erwartet hatten, die
Wege, welche gleichen Druckänderungen entsprechen«
wachsen mit dem Drucke stärker als im Veiiiältnisse
von 4:5. Der zweite Grund, warum eine sofort den
Druck angebende Scala unmöglich war, lag in der un-
unterbrochenen Aeuderung der Elasticität der Feder
und der übertragenden Theile. Eine solche Scala hätte
öfters erneuert werden müssen. Ich habe sogar mandi-
mal nach Benutzung der Manometer während weniger
Stunden eine Verschiebung des Nullpunktes beobachtet
Um aber einen markirten Druck doch notiren zu können«
liess ich den Umfang einfach in 500 gleiche Theile
theilen.
Die so registrirten Manometerstände wurden ent-
weder theilweise während der Versuche, oder sämmt-
lich unmittelbar nach denselben mit einem' Qoecksilber-
manometer verglichen. Dazu war eine ziemlich ver-
wickelte Rohrfülirung nöthig, welche auf Tal XXII,
449
atmosphärischen Luft durcli gut abgerundete Mündungen.
450
Fig. 3, sckematisch dargestellt ist. In derselben be-
deutet H den, der Einfachheit wegen unmittelbar auf
dem Kessel angenommenen neuen Hahnen. Die drei
Manometer sind mit Nr. I, II , III bezeichnet. Sie
haben je zwei Hähnchen (1 bis 6), so dass Nr. I durch
das Hähnchen 2 und das Bleirohr J mit dem Canal G
in Fig. 1 in Verbindung steht, und also den Druck vor
der Mündung anzeigt. Nr. II geht durch Hähnchen 4
und Rohr K nach dem Canal F des grossen Hahnes
und nach der Mündungsebene; Nr. III communicirt durch
Hähnchen 6 und Rohr L mit dem Inneren des Luft-
kessels. Bei den Versuchen mit dem älteren Hahnen
waren die £nden der Rohre J und K an Stutzen an-
geschraubt, die in den Oeffnungen A und B (Taf.
XXII, Fig. 4) steckten.
Sollten nun die drei Metallmanometer mit Queck-
silber verglichen werden, so wurden die Hähnchen 2,
4, 6 geschlossen und dafür diejenigen 1, 3, 5 geöffnet.
Dann standen die Manometer durch die Rohre M, N,
jP mit der Rohrleitung Q in Verbindung, welche von
der Luftpumpe nach dem Luftkessel führt. Ein grös-
seres Stück dieser Leitung war durch zwei Kautschuk-
Quetschhahnen absperrbar (dieselben sind in der Figur
als Drosselklappen R, R eingezeichnet), so dass dieser
Raum, unabhängig von dem Drucke im Kessel, unter
jeden beliebigen Druck gebracht werden konnte. Durch
das Rohr S und die Hähnchen 8 und 10 war dann
noch die Conmiunication mit dem Quecksilbennanometer
T möglich. Bei kleineren Pressungen wurde nach
Oeffnen des Hähnchens 7 das Hebermanometer U be-
nutzt. Sollten dagegen die Quecksilbermanometer mit
dem Inneren des Kessels in Verbindung stehen, so
wurde das Hähnchen 8 geschlossen und 9 geöffnet.
Es war nicht möglich gewesen, den Raum Q, an
dem in Wirklichkeit sehr viele Verschraubungen vor-
handen waren, vollkommen luftdicht herzustellen; der
Di-uck nahm vielmehr stetig, wenn auch sehr langsam,
ab. Es hätte aber doch zu viel Zeit gekostet, wenn
bei der Vergleichung der Manometer immer diese lang-
same Druckänderung hätte abgewai^tet werden müssen.
Daher war an dem Räume Q noch ein weiteres, in der
Figur nicht mit angegebenes Hähnchen vorhanden,
durch welches nach Bedürfniss Luft ausgeblasen werden
konnte. War der markirte Punkt erreicht, so wurde
dieses Hähnchen rasch geschlossen. Unmittelbar dar-
nach hielten sich die Diuckabnahme in Folge der Undicht-
heiten und die Druckzunahme in Folge der Erwärmung
nach beendetem Ausströmen angenähei-t das Gleich-
gewicht und die Ablesung konnte bei fast absolut ru-
higem Drucke, also mit möglichster Genauigkeit ge-
macht werden.
CiTilingenleur XXIH.
Umständlicher war es, wenn auf den Manometern
I und auch II ein Vacuum markirt war. Zur Ver-
gleichung der tiefsten Stände des Manometers I wurde
der Kessel noch etwas über das sonstige Maximum ge-
füllt. Dann wurde das Rohr M vom Hähnchen 1 ge-
löst und dafür das Rohrende V angeschraubt, so dass
der Raum vor der Mündung in H durch J, die beiden
offenen Hähnchen 2 und 1 und V einestheils mit dem
Manometer I, anderntheils mit dem Hebermanometer U
in Verbindung stand. Der andere Schenkel des Hebers
U communicirte durch 1 , 8, S, Q, M mit der Atmo-
sphäre. Nun wurde der Hahnen H eine kurze Zeit
geöffnet, bis sich in dem Räume vor der Mündung, in
Jj I, V und 17, das Vacuum eingestellt hatte. Vor H
wurde noch 2 geschlossen. Die Zunahme des Druckes
wurde dann entweder den Undichtheiten überlassen,
oder ich liess durch 2 vorsichtig etwas Luft einströmen.
Zur Vergleichung von Manometer Nr. II wurde ent-
weder das Rohr V vor das Hähnchen 3 geschraubt,
das Rohr K an der linken Seite von H mit dem Räume
vor der Mündung in Verbindung gebracht und dann
im Weiteren vorgegangen, wie vorhin; oder es wurde
mit einer Rohrverbindung, genau wie in der Figur, der
Raum Q durch J, 2, 1, M evacuirt. Dann musste 8
und 7 offen, 9 dagegen und 10 geschlossen sein. Das
Entleeren des Raumes Q durch Aussaugen erforderte
aber viel Zeit, und es ging also diese Art der Ver-
gleichung nur für die jedesmaligen geringeren Luftver-
dünnungen anzuwenden.
Wenn ich nun auch die Genauigkeit dieser Beobach-
tungsart für erheblich grösser halte als bei Benutzung
von lauter Quecksilbermanometern mit der dazu erforder-
lichen vermehrten Zahl von Beobachtern, so sind doch
meine Wünsche und Erwartungen in dieser Richtung
nicht ganz in Erfüllung gegangen. Die Metallmanometer
zeigten nämlich trotz ihrer geringen bewegten Masse und
trotz der möglichst vollständigen Beseitigung aller Rei-
bungswiderstände einen nicht unbedeutenden todten Gang.
Dieser geht allerdings durch Klopfen an den Apparaten
ziemlich vollständig zu beseitigen. Dafür zeigt sich dann
aber manchmal ein anderer Uebelstand. Klopft man
nämlich zu stark, so fängt dfer Zeiger an zu oscilliren.
Beobachtet man bei ruhigem Drucke, so kann man
beide Uebelstände beinahe ganz beseitigen, indem man
zwischen Klopfen und Markiren oder Ablesen des Standes
einige Secunden wartet. Bei abnehmendem Drucke
dagegen muss man, namentlich wegen der theilweise
sehr bedeutenden Oscillationen, das Klopfen unmittelbar
vor dem Markiren auch unterbrechen oder doch min-
destens massigen, läuft dann aber Gefahr, dass die
Manometer zurückbleiben. Die letztere Ungenauigkeit
29
451
Fliegner, Versuche über das Ausströmen der
452
würde allerdings von untergeordnetem Einflüsse sein,
wenn der todte Gang bei allen drei Manometern der-
selbe wäre. Das ist aber durchaus nicht der Fall, viel-
mehr verhalten sich die drei Manometer nach todtem
Gange und Oscillationen sehr verschieden, so zwar,
dass die mit stärkerem todtem Gange geringere Oscil-
lationen zeigen und umgekehrt. Ausserdem ändern
sich die einzelnen Manometer in dieser Hinsicht mit
der Zeit. Es wird dann aus der Vergleichung der ver-
schiedenen Versuche unter sich auf das jedesmalige
gegenseitige Verhalten der Manometer zurückgeschlossen
werden müssen.
Zu den Zeitbestimmungen diente die früher
auch benutzte und oben schon erwähnte Schreibuhr mit
schleichendem Secundenzeiger. Dieselbe war aber nicht
scharf regulirt, so dass bei Ausflusszeiten zwischen 30
und 60 Secunden, noch länger habe ich nie ausströmen
lassen, zu der Ablesung der Uhr noch 0,i Secunde ad-
dirt werden musste. Daher rühren die ungeraden De-
cimalen bei solchen Versuchen. Bei kleineren Zeiten
beträgt die Correction weniger als 0,05 Secunden, vnirde
also natürlich fortgelassen.
Da nach früheren Erfahrungen eine gute Be-
schaffenheit der äussersten Kante der Mün-
dung namentlich bei den Druckbestimmungen ein un-
bedingtes Erforderniss ist, so Hess ich wieder benutzte
ältere Mündungen je frisch nacharbeiten. Die neuen
sind aus Messinggussstücken hergestellt, welche vor der
Bearbeitung auf dem Amboss um etwa 10 Proc. ihrer
Dicke zusammengeschlagen worden waren. Femer wurde
das Loch erst kleiner ausgebohrt, dann mittelst Durch-
treibens eines Stahldomes erweitert und darauf erst
fertig hergestellt. Die Bohrung selbst war, wie früher
auch, ein kurzes Stück cylindrisch und hatte so weit
aussen, als es überhaupt mit Sicherheit ausführbar war,
eine kleine seitliche Oefi'nung (Ä in Fig. 1 und 4 auf
Tafel XXII), durch welche der Druck in der Mündungs-
ebene gemessen wurde.
Die Ausmessung der Mündungsdurchmesser
konnte ich nur bei den kleineren Mündungen auf der
Theilmaschine vornehmen, bei den grösseren erhielt ich
keine zuverlässigen Resultate. Das Fadenkreuz im Mi-
kroskop der Theilmaschine war nämlich nicht gerad-
linig, so dass man den Faden nicht als Tangente der
Mündung einstellen konnte. Die Mündung selbst liess
sich auch nicht so .mbringen, dass sich der Kreuzungs-
punkt der beiden Fäden genau in einem Mündungs-
durchmesser bewegt hätte. Diese Mündungen sind dann
mit einem sehr gut gearbeiteten conischen Massstabe
gemessen worden, auf welchem man die Zehntel-Milli-
meter direct ablesen, die Hundertel einschätzen konnte.
Zur Schonung der äusseren Kante der Mündung wurde
diese Ausmessung erst nach dem Gebrauche vorge-
nommen.
Bei Versuchen zur Bestimmung des ausgeströmten
Luftge¥dchtes muss das Oeffnen und Schliessen des
Hahnes möglichst rasch erfolgen. Dann ändern sich
natürlich auch die Pressungen in der Mündungsebene
und vor der Mündung sehr schnell. Die Metallmano-
meter dürfen aber keinen zu raschen Druckänderungen
ausgesetzt werden, man läuft sonst Gefahr, dass der
Mechanismus in Unordnung geräth. Daraus folgte die
Unmöglichkeit, das Verhalten der Pressungen gleidi-
zeitig mit den Bestimmungen der Ausflussmenge zn
untersuchen; für beide Grössen waren vielmehr ge-
trennte Versuchsreihen nöthig.
Versuche %ur Bestimmung des Druckes in der Mündungsehene,
Zur Bestinmiung des Druckes in der Mündungs-
ebene und seines Zusammenhanges mit demjenigen im
Inneren des Kessels und vor der Mündung war der
Apparat eingestellt, wie es Taf. XXII, Fig. 3, zeigt,
d. h. die Hähnchen 1, 3, 5 geschlossen, diejenigen 2,
4, 6 dagegen ofifen. Es wurde nun der Hahnen i/, oder
der alte Hahnen, vorsichtig geöffnet, so dass sich die
Manometer hinreichend langsam auf die betreffenden
Pressungen einstellen konnten. Dann wurden eine
Reihe von zusammengehörigen Punkten je auf allen
drei Manometern gleichzeitig notirt und endlich der
Hahnen H wieder langsam geschlossen. Unmittelbar
darauf wurden sämmtliche notirte Punkte durch die
Vorlage Q mit den Quecksilbermanometom T oder V
verglichen, wie das vorhin angedeutet worden ist.
Die Resultate dieser Versuche sind in den mit
„Versuche über Pressungen" überschriebenen Ta-
bellen mitgetheilt. Die drei ersten Columnen dieser
Tabellen enthalten unter
1. p„^ den Druck im Inneren des Ausflussgefässes,
2. p „ „ in der Mündungsebene,
3. p^ „ „ vor der Mündung.
Sämmtliche Pressungen sind in Millimetern Queck-
silbersäule absoluten Druckes angegeben. Jede Ver-
suchsreihe bezieht sich auf eine untersuchte Mün-
dung, deren Durchmesser je rechts oben unter d an-
gegeben ist. In den Unterabtheilungen -4., B u. s. w.
bedeutet in der Ueberschrift rf, den Durchmesser der
Mündung vor dem Rohre (Taf. XXII, Fig. 4) oder oben
am neuen Hahnen. Da es auf die genaue Grösse der
betreffenden Mündung nicht ankommt, so ist d^ nur
abgerundet angegeben. Das „freie Ausströmen** in je
einer Zwischenüberschrift der drei ersten Reihen ent-
453 atmospbärischeu Luft durch gut abgerundete MQudungen.
I. Reihe.
Versuche über Pressungeo.
spricht dem Ausströuien in die freie Atmosphäre ohne ' ein enges Rohr ohne Kappe vorn, beim neuen ein
irgend eine Vorlage bei den Versuchen mit dem alten j Einsatz von der Art J) (Taf. XXII, Fig. 2) benutzt
Hahnen. Bei dem neuen Hahnen legte sich der Strahl i worden, so dass sich vor der Mündung ein Druck kleiner
an und konnte ich also derartige Versuche nicht aus- ' als der Atmosphärendruck einstellte, b giebt den je-
führeu. Wo hinter dem numerischen Werthe von d,
„Vacuum" angi^eben steht, ist bei dem alten Mahnen
weiligen Barometerstand an.
Bei meinen älteren Versuchen über den Druck in
455
Flieguer, Versuche über das Aussü'ömeu der
406
Versuche über Pressungen.
IL Reihe.
rZ= 6,96""°.
'IW
2
P
3
Pi>
1^
Pm
6
Po
P
m
A) dl = 10"'™. 6 = 723,0
tum
:509r>,4
2853,7
2640,0
2428,5
2234,1
2059,5
1879,1
1705,1
1542,1
1375,4
1231,4
1106,6
996,6
879,6
789,7
1855,3
1715,6
1594,3
1480,0
1376,9
1281,1
1185,3
1090,5
1011,4
934,8
877,9
835,9
803,3
767,5
739,1
1650,8
1527,1
1423,8
1336,5
1258,2
1189,4
1113,2
1048,5
976,4
911,7
863,5
835,3
804,4
765,0
739,9
0,5994
0,6012
0,6039
0,6094
0,6163
0,6-J20
0,6308
0,6396
0,6559
0,6797
0,7129
0,7554
0,8060
0,8726
0,9359
0,5333
0,5351
0,5393
0,5503
0,5632
0,5775
0,5924
0,6149
0,6332
I 0,6629
I 0,7012
' 0,7548
'. 0,8071
; 0,8697
' 0,9369
'f»
2
P
3
4
5
P
Po
Po
Pm
pm
B) Freies Ausströmen, b = 723,o
mm
3120,7
2920,1
2670,3
2462,3
2139,7
1969,3
1797,8
1640,4
1495,3
1363,2
1234,3
1110,4
1010,4
919,2
1815,0
1697,8
1554,2
1434,6
1243,4
1136,0
1033,8
927,4
832,4
770,9
747,1
729,2
725,5
723,6
723,0
0,5816
99
0,5814
99
0,5820
99
0,5826
99
0,5811
99
0,5769
99
0,5750
99
0,5653
99
0,5567
99
0,5655
99
0,6055
99
0,6567
99
0,7180
'9 .
0,7872
0,2317
0,2476
0,2708
0,2936
0,3379
0,3671
0,4022
0,4407
0,4835
0,5304
0,5858
0,6511
0,7156
0,7866
P
in
2
P
3
Po
4
P
P
m
C) dl = 12'°™ (Vacuum). h =721
3102,4
2433,1
1903,0
1695,4
1509,0
1361,8
1219,7
1104,7
1003,6
891,3
779,1
1798,7
1412,0
1097,7
959,4
837,0
747,0
684,1
632,3
611,3
640,5
691,5
343,2
331,5
355,9
397,5
435,1
475,2
518,8
555,4
588,3
636,6
696,4
0,5798
0,5812
0,5768
0,5659
0,5547
0,5485
0,5609
0,5724
0,6091
0,7186
0,8876
'(
Versuche über Pressungen.
III. Reihe.
d = 9,82""".
P
m
P
3
V<^
Pm
Po
Pm
A) di = 15^
3116,2
1869,2
2816,6
1684.6
2546,0
1514,5
2288,3
1366,2
2060,3
1230,5
1845,9
1112,2
1638,3
1017,7 !
1489,2
955,4 ;
1355,8
902,5
1219,9
855,9 1
1075,1
813,4 !
923,2
768,4
795,6
732,a
mm
6 = 720,9'"'".
1415,0
1306,7
1226,7
1139,3
1066,9
997,5
945,1
902.5
867,9
838,5
798,o
762,2
738,2
0,5998
0,5981
0,5949
0,5970
0,5972
0,G025
0,6212
0,6416
0,6657
0,7016
0,7566
0,8323
0,9204
0,4541
0,4639
0,4818
0,4979
0,5178
0,5404
0,5769
0,6060
0,6401
I 0,6874
; 0,7425
0,8256
0,9279
Pm
2
P
3
Po
o
Pm
l9.
Pm
B) Freies Ausströmen. 6 = 719,3
mm
3168,9
2833,3
2528,8
2328,0
2077,1
1830,5
1639,3
1456,2
1298,1
1176,3
1031,7
868,1
1804,9
1611,7
1432,4
1307,1
1160,6
1031,3
916,4
819,5
754,4
736,2
725,5
722,4
719,3
99
99
99
99
91
99
"*9
SS
91
59
99
0,5696
0,5688
0,5664
0,5615
0,5588
0,5634
0,5590
0,5628
0,5812
0,6259
0,7032
0,8322
0,2270
0,2539
0,2844
0,3090
0,3463
0,3930
0,4388
0,4940
0,5541
0,6115
0,6972
0,8286
1
Pm
Pq
Pm
C) dl = 15'"™ Vacuum). 6 = 71'
3108,4
2763,1
2456,4
2129,3
1749,8
1478,4
1268,4
1113,0
1013,7
923,1
809,0
1766,1
1567,8
1394,4
1201,7
991,1
836,6
719,2
659,4
638,0
646,0
680,0
535,8
492,1
441,9
408,9
422,1
465,8
515,2
561,0
599,7
633,7
682,5
0,5682
0,6674
0,5677
0,5644
0,5664
0,5659
0,5670
0,5925
0,6294
0,6998
0,8405
der Mündungsebene hatte sich ergeben, dass die wäh-
rend des Ausströmens im Inneren des Kessels eintre-
tende Teniperaturabnahine auf den Verlauf des gegen-
seitigen Verhaltens der Pressungen ohne nachweisbaren
Einfluss war. Ich habe in Folge dessen bei meinen
jetzigen Versuchen von vornherein grössere Temperatur-
senkungen nicht gescheut, habe also längere Zeit un-
unterbrochen ausströmen lassen. Meistens habe icb
eine Unterbrechung gemacht, und ist dieselbe in
den Tabellen durch einen horizontalen Strich in den
457
atmosphärischen Luft durch gut abgerundete Mündungen.
458
Versuche über Pressungen.
IV. Reihe.
d = 4,015 ""»•
1
2
P
3
Po
4
iL
Ptn
5
Po
P
m
A) d^ = 6"". h = 708,6™".
68,0
44,2
®5,8
€9,6
25,9
87,0
49,4
3d,i
07,6
64,0
63,1
41,8
36,6
63,4
40,9
28,3
2298,4
2190,4
2092,4
2002,0
1896,7
1804,6
1709,2
1626,6
1546,8
1472,8
1384,1
1311,2
1238,4
1266,0
1186,0
1119,7
2276,7
2196,5
2100,3
2011,4
1916,7
1819,2
1725,7
1638,0
1556,2
1474,6
1392,1
1314,0
1246,5
1260,0
1190,8
1127,7
0,6824
0,6752
0,6760
0,6742
0,6712
0,6716
0,6704
0,6685
0,6703
0,6744
0,6714
0,6752
0,6743
0,6794
0,6813
0,6876
0,6760
0,6771
0,6785
0,6773
0,6783
0,6770
0,6769
0,6732
0,6744
0,6752
0,6748
0,6767
0,6787
0,6762
0,6840
0,6926
1
Pm
1516,7
1408,7
1306,1
1202,7
1107,6
1026,9
943,1
867,8
792,1
734,3
! Po
1059,8
1005,9
960,5
906,1
862,1
828,7
800,2
767,2
739,1
720,4
1068,0
1011,1
959,2
907,6
869,4
827,8
792,1
763,6
733,0
715,7
'm
P_
Pw
0,6988
0,7141
0,7354
0,7534
0,7783
0,8070
0,8485
0,8841
0,9331
0,9811
0,7042
0,7178
0,7344
0,7646
0,7849
0,8061
0,8399
I 0,8799
0,9254
i 0,9747
B) d, = U™"« (Vacuum). h = 709,4™™.
3319,2
3127,7
2959,3
2868,9
2739,2
2614,7
1713,3
1606,7
1503,1
1454,8
1385,7
1329,1
545,3
549,6
558,7
569,3
584,2
597,8
0,5162
0,5137
0,5079
0,5071
0,5059
0,5083
0,1643
0,1757
0,1888
0,1984
0,2133
0,2286
P
m
2
P
3
Po
2463,2
2286,3
2135,0
2002,8
1871,7
1969,7
1813,5
1672,3
1494,4
1344,0
1216,3
1128,5
1018,2
916,9
821,0
1240,8
1170,8
1078,7
1004,2
948,5
988,8
912,0
829,1
743,0
681,9
650,5
666,2
676,0
705,1
699,2
602,6
607,6
612,5
621,0
629,6
618,0
624,9
629,2
633,6
645,7
655,2
662,8
676,4
686,2
698,0
-i_
Pm
5
?!
Pm
0,5037
0,6121
0,5052
0,5015
0,5068
0,5018
0,5029
0,4958
0,4972
0,5074
0,5348
0,5903
0,6639
0,7690
0,8516
0,244C
0,266C
0,286S
0,3101
0,8364
0,818C
0,844C
0,376S
0,424C
0,4804
0,638g
0,6878
0,6642
0,7484
0,860S
Das Manometer zur
am Schlüsse
Bestimmung von p macht
starke Oscillationen.
drei ersten Columnen angedeutet. Bei den Reihen II
und III liess ich dagegen den ganzen Kesselinhalt auf
ein Mal ausströmen. Wie aus der nachherigen Dis-
cussion noch genauer folgen wird, hat sich meine frü-
here Beobachtung durchaus bestätigt. Ich bin nicht
im Staude, aus den Versuchen einen Einfluss der Tem-
peratur zu erkennen; wenn ein solcher vorhanden ist,
und das dürfte allerdings wohl der Fall sein, so liegt
er innerhalb der sonstigen ziemlich weiten Fehler-
grenzen.
Anfänglich war es meine Absicht, diese Versuche
in folgender Art weiter zu verwerthen: Ich wollte die
beobachteten Pressungen p und ^^, als Functionen von
Pm auftragen, danach die betreffenden Curven möglichst
continuiiiich verlaufend einzeichnen und schliesslich
für eine Anzahl angenommener constanter äusserer
Pressungen p = f(Pm) interpoliren. Dieser Weg hätte
eine sehr umfassende Reihe von Versuchen erfordert.
Bei der Nachrechnung hat sich aber bald ergeben, dass
man viel schneller zum Ziele kommen kann. Es be-
steht nämlich zwischen den Verhältnissen der
Pressungen eine ganz bestimmte Beziehung, welche
von dem absoluten Werthe des Druckes voll-
ständig unabhängig ist.
Da in den Formeln für AusÜussgeschwindigkeit und
Ausflussmenge die Quotienten - - und - eine wichtige
Pm Pm
Rolle spielen, so habe ich diese beiden einer weiteren
Untersuchung unterzogen. Sie sind in der vierten und
fünften Columne der Tabellen sämmtlich berechnet.
Vergleicht man nun die angenäher tgleichen Werthen
von -^ entsprechenden Werthe von — , so zeigen
Pm Pm
sich allerdings nicht unbedeutende Differenzen, aber
doch sieht man sofort, dass man es hier wirklich mit
einem ganz bestimmten Zusanunenhange zwischen diesen
beiden Quotienten zu thun haben muss. Die Abwei-
chungen lassen sich überdies leicht aus der Anordnung
des Apparates und dem Verhalten der Manometer er-
klären.
Dabei sind zunächst die mit dem alten Hahnen
angestellten Versuchsreihen I bis III von denen IV und
V zu trennen, bei welchen der neue Hahnen benutzt
wurde. Die ersten Reihen zeigen im Allgemeinen
grössere Weithe yonj^'l^m- Es lassen sich dafür
folgende Gründe anführen : Die Communication zwischen
der Oeffnung A (Taf. XXII, Fig. 4) in der Mündungs-
ebene und dem botreffenden Manometer erfolgte durch
einen bei Ä eingeschraubten Stutzen, der, so weit das
Gewinde reichte, eine ziemlich enge Bohrung hatte.
Die Ausgleichung der Pressungen wird dadurch er-
schwert, und da alle Versuche nur bei abnehmendem
Drucke angestellt werden konnten, so musste das be-
treffende Manometer stets etwas zurückbleiben, also
459
Fliegner, Versuche über das Ausströmen der
V. Reihe.
460
Versuche über Pressungen.
rf=r 7,oo""*.
'm
Po
JL
Pm
P<1
Pm
'tu
Po
P
Pm
Ptn
2
'»I
Po
P
Pm
h
A) eii = 4"°'. 6 = 732,6
muo
3309,0
3170,4
3056,9
2948,1
2837,1
2726,9
2619.8
2426,7
2292,1
2188,4
2079.6
m4,2^
2008,7
1898,6
1797,2
1689,9
1571,7
1454,3
1337,2
1205,8
1079,7
960,7
838,2
3219,9
3084,5
2969,4
2871,4
2756,8
2655,8
2546,9
2359,8
2236,0
2131,3
2026,0
1941,2
1958,9'
1854,ß
1750,2
1643,0
1534,1
1416,4
1308,5
1181,8
1055,9
945,5
830,0
3213,0
3078,9
2971,1
2868,5
2759,9
2658,4
2549,5
2361,6
2232,4
2132,9
2029,6
1945,4
1960,7
1856,5
1749,7
1643,7
1534,1
1416,4
1309,5
1190,3
1056,4
948,4
830,0
0,9731
0,9729
0,9714
0,9740
0,9717
0,9739
0,9722
0,9724
0,9755
0,9739
0,9742
0,9732
0,9752
0,9768
0,9738
0,9722
0,9761
0,9739
0,9785
0,9801
0,9780
0,9842
0,9902
. 0,9710
0,9711
• 0,9719
I 0,9730
0,9728
j 0,9749
\ 0,9732
■ 0,9732
0,9740
; 0,9746
j 0,9760
0,9753
I 0,9761
1 0,9778
; 0,9736
: 0,9727
! 0,9761
j 0,9739
0,9793
I 0,9871
; 0,9784
I 0,9872
: 0,9902
2337,8
2186,0
2063,9
1927,7
1812,8
B) rfi = 10«»™. 6 = 728,2™
lU
3ior),2
2932,4
2758,5
2625,5
2500,9
1699,7
1578,4
1477,2
1409,1
1 H40,8
1445,5
0,5474
1367,4
0,5383
1286,1
0,5355
1226,5
0,5367
1169,7
0,5361
0,4655
0,4663
0,4662
0,4671
0,4677
2089,7
1953,9
1828,1
1716,8
1604,3
1494,1
1380,1
1272,3
1169,1
1066,1
954,6
858,6
772,7
1259,6
1182,2
1124,5
1069,8
1001^
il4'6,5
1061,3
995,0
950,5
916,2
882,8
859,6
829,7
806,6
785,8
776,6
752,9
737,9
1107,4
1054,0
1014,4
975,8
940,4
1020,0
980,4
947,7
916,2
894,9
869,7
847,5
824,8
803,0
782,4
759,5
744,5
730,2
0,5388
0,5408
0,5448
0,5550
0,5522
0,5486
0,5432
0,5443
0,5536
0,5711
0,5909
0,6229
0,6521
0,6899
0,7371
0,8135
0,8769
0,9550
0,4737
0,4822
0,4915
0,5062
0,51b8
0,4881
0,6018
0,5184
0,5337
0,5578
0,5821
0,6141
0,6483
0,0869
0,7339
0,7956
0,8671
0,9450
1484,1
1302,1
1079,5
779,5
721,9
724,7
725,4
721,9
719,2
0,5252 ' 0,
0,5544
0,6713
Das Manometer zur Bestimmang von p
am Schlüsse starke Osclllationeo.
D) rf, = 14'"" (Vacuum). 6=720,».
C) dl = 14""". 6 = 718,2 "»"'.
3160,9
3026,6
2889,8
2767,1
2631,2
2480,8
2297,4
2128,9
2050,5
1859,4
1681,8
1634,1
1557,5
1488,2
1437,7
1360,9
1288,0
1196,8
1112,2
1083,1
986,7
916,4
824,8
812,2
796,7
793,0
775,8
769,3
754,2
743,5
743,5"
738,6
734,5
0,5170
0,5146
0,5150
0,5196
0,5172
0,5192
0,5209
0,5224
0,5282
0,5307
0,5449
0,2609
0,2684
0,2757
0,2866
0,2948
0,3101
0,3283
0,3492
0,3626
0,3972
0,4367
3195,7
3001,9
2803,6
2671,3
2542,6
2395,0
2266,9
2132,4
2011,0
1879,2
2046,1
1891,4
1758,7
1632,7
1472,4
1357,1
1262,8
1158,4
1057,6
961,6
• 899,6
831,7
782,1
1655,6
1544,8
1444,4
1386,0
1320,7
1248,3
1183,9
1121,4
1063,6
^95,^
1092,8
1012,4
924,5
861,3
787,4
727,0
674,0
639,3
636,9
656,4
667,9
689,5
705,8
460,2
467,0
493,2
513,6
527,5
543,4
551,6
557,7
563,0
580,1
530,0
532,0
558,5
573,2
594,4
600,1
606,7
616,9
629,5
649,5
669,9
685,4
705,0
0,5181
0,5146
0,5152
0,5188
0,5194
0,5212
,0,6223
0,5259
0,5289
0,5297
0,5341
0,5853
0,5257
0,5275
0,5348
0,5357
0,6337
0,5519
0,6022
0,6826
0,7424
0,8290
0,9024
0,M
0,1
0,11
0,1!
Oj
0;
Or
^11
0,sa
0,4«
0,441
0^
0,5«
0,5«
0,it]
0,T4I
OlM
0^
einen zu hohen Druck anzeigen. Ausgenommen sind
nur die wenigen letzten Versuche der Reihen mit Aus-
strömen in ein Vacuum, weil bei diesen p wieder zu-
nimmt, nachdem es vorher negativ geworden war. Dazu
kommt noch, dass die beiden sich sehr verschieden
verhaltenden Manometer Nr. I und II gegenüber
der auf Tafel XXII, Figur 3, gezeichneten Anord-
nung miteinander vertauscht waren. Es zeigte daher
das zur Bestimmung von p dienende Manometer (Nr. I)
namentlich den Fehler des todten Ganges, während
das p^, angebende (Nr. II) bedeutend weniger todten
Gang hatte, dafür aber stark oscillirte.
Das Rohr, welches nach dem Räume vor der Mün-
dung führte, hatte zwar im Gewindetheile B (Fig. 4)
auch eine enge Bohrung; eine solche enge Stelle und
noch dazu unmittelbar vor dem Räume, in welchem der
Druck gemessen werden soll, scheint aber ohne weiteren
Einfluss zu sein. Ich schliesse das aus dem Verlaufe
der weiteren Versuche, bei denen sich der Druck in
der Mündungsebene doch stets durch die sehr enge
seitliche Bohrung A ausgleichen musste. Wo dagegen,
wie bei den Versuchen mit dem alten Hahnen, die
Ausgleichung durch eine plötzliche Erweiterung erfolgen
muss, da treten bedeutendere Widerstände auf^ weldie
das Manometer zurückbleiben lassen. Das Manometer
Nr. III, welches den Druck im Inneren angiebt, hatte
461
atmosphärischeu Luft durch gut abgeruudete Mündungeu.
462
auch einen nicht unbedeutenden todten Gang, der sogar
im Verlaufe der Zeit noch zunahm. Da aber p^^ bei
beiden hier in Betracht kommenden Quotienten im
Nenner steht, so wird dieser Beobachtungsfehler von
untergeordneterem Einflüsse sein. Wichtig wird dieser
Umstand erst bei der Bestimmung der Ausflussmenge.
Die Versuche der Reihe II und III verlaufen mit
denen der Reihe I nicht ganz gleichartig, sie liegen
nämlich anfangs meistens etwas höher, späterhin theil-
weise nicht unbedeutend tiefer. Das anfängliche Höher-
liegen lässt sich leicht dadurch erklären, dass bei der
grösseren Geschwindigkeit, mit der sich bei den grös-
seren Mündungen die Pressungen änderten, namentlich
das Manometer für p stark zurückbleiben musste. Das
nachherige Sinken dagegen hiek ich anfangs für eine
Folge von Widerständen, die die Luft beim Durch-
strömen der verhältnissmässig langen und engen Boh-
rung des alten Hahnes vorfinden könnte. Daher habe
ich den neuen Hahnen schon jetzt anfertigen lassen.
Die mit diesem erhaltenen Resultate haben obige Ver-
muthung aber entschieden als unrichtig gezeigt, und
kann ich mir den eigenthümlichen Verlauf dieser Gurven
nur aus einer Aenderung in dem Verhalten der ein-
zelnen Manometer erklären. Eine solche Aenderung
ist jedenfalls dadurch noch begünstigt worden, dass die
Manometer gelegentlich auseinandergenommen werden
mussten, wenn der Mechanismus durch zu schnelles
Oeffnen oder Schliessen des Hahnes oder aus einem
anderen Grunde in Unordnung gerathen war.
Bei dßn mit dem neuen Hahnen angestellten Ver-
suchsreihen IV und V waren zunächst, wie schon er-
wähnt, die beiden Manometer I und II gegen früher
vertauscht. Jetzt wird in Folge des todten Ganges von
Manometer Nr. I der Druck p^ yot der Mündung zu
gross angegeben werden, der Druck p in der Mün-
dungsebene dagegen jedenfalls weniger, da Manometer
Nr. II bedeutend geringeren todten Gang hat. Dazu
kommt noch, dass die Verbindung zwischen diesem
Manometer und der Mündungsebene keine Verengung
hat, wie beim alten Hahnen, da dieselbe durch das
Bleirohr K (Taf. XXII, Fig. 3) und den weiten Canal
F (Fig. 1) erfolgt.
Durch diese üeberlegung ist allerdings festgestellt,
nicht nur dass die erste Gruppe von Versuchen im
Allgemeinen höhere Worthe des Quotienten jp :^,„ er-
geben muss, als die letztere, sondern auch, dass gegen-
über den wahren Werthen diejenigen der ersten Gruppe
meistens zu gross, die der letzten zu klein sein wer-
den. Dagegen lässt sich doch kein Schluss darauf
ziehen, welches die wahrscheinlichsten wahren Werthe
sind, da man zwar die Art, aber nicht den numerischen
Betrag der Abweichungen angeben kann. Um zu dem
wahrscheinlichen Gesetze der Gurven zu gelangen, muss
man die Versuche über die Ausflussmengen mit in
Betracht ziehen. So findet man, es wird das natürlich
später noch genauer begründet werden, dass man den
Zusammenhang mit vollkommen genügender Genauigkeit
durch die Gleichung der Hyperbel
^- =0,2820 + 0,4891 — +
Ptn Pm
V'
(1)
0,0632 — 0,2874 — -f- 0,2266 ( — ) . .
Pm \ pJ
darstellen kann. Die Coefficienten dieser Gleichung
lassen sich übrigens nicht nach der Methode der klein-
sten Quadrate bestimmen ^ da die einzelnen Versuche
zu verschiedenes, aber doch nicht angebbares Gewicht
haben. Aus den drei ersten Versuchsreihen berechnet,
erhält man gar nicht einmal die verlangte Hyperbel,
sondern die im Nebenwinkel der Asymptoten liegende,
welche also in der Nähe von —=0,5 für — imagi-
Pm Pm
näre Werthe ergiebt. Zur besseren Vergleichung des
Verlaufes der Hyperbel mit den directen Beobachtungs-
resultaten sollen noch in einer späteren kleinen Tabelle
einige Werthe der Pressungen angegeben werden.
Vergleicht man den durch Gl. (1) gegebenen Zu-
sammenhang mit dem bei meinen früheren Versuchen
(„Civiling." 1874, S. 13) gefundenen, so zeigen sich
hier bedeutend geringere Pressungen in der Mündungs-
ebene. Namentlich sieht man das an dem kleinsten
Werthe von ^^, den man für »0 = 0, also auch ---=0
Pm Pm
erhält. Die obige Formel ergiebt nämlich
(
P
Pm/mm
\ = 0,5334,
.'mm
während ich damals als Grenzwerth, dem sich dieser
Po
schon bei ~ = 0,5 genügend näherte,
pm
(
^ \ = 0,5767
Pmjmin
gefunden hatte. Ich hatte dort schon angedeutet, dass
dieses Verhältniss namentlich bei hohen Pressungen
etwas zu hoch sein könnte, weil das zur Bestimmung
von p benutzte Quecksilber- Uebermanometer bedeutende
Widerstände zeigte. Die beiden Schenkel sind nämlich,
wegen einer anderweitigen Verwendung, für die es an-
fänglich bestimmt war, durch ein ziemlich enges Rohr
mit mehreren Krümmungen verbunden. Ausserdem
war in der Leitung zur Mündung eine Verengung euoi-
geschaltet, wie bei meinen jetzigen Versuchen mit dem
463
Fliegner, Versuche über das Ausströmen der
464
alten Hahnen. Meine neuen Resultate bringen mich
nun zu der Ueberzeugung, dass ich damals jene schäd-
lichen Einflüsse bedeutend unterschätzt habe. Das einzig
Auffallende ist dabei nur, dass die Abweichung gerade
so gross war, dass ich "auf die Veimuthung kommen
konnte, die grösste Ausflussgeschwindigkeit sei gleich
derjenigen mittleren Geschwindigkeit, mit der sich nach
der Moleculartheorie der Gase die Masse senkrecht zur
Mündungsebene und gegen diese bewegt. Damit fällt
allerdings auch die Annahme dahin, dass man beim
Ausströmen der Luft durch eine gut abgerundete Mün-
dung die „Widerstände" vernachlässigen und unter Ein-
setzung der richtigen Pressung in der Mündungsebene
die bekannten theoretischen Formeln benutzen dürfe.
Aber auch die Holtzmann'sche Annahme, dass die
grösste Ausflussgeschwindigkeit gleich der Fortpflan-
zungsgeschwindigkeit des Schalles sei, ist noch weniger
haltbar, da dieselbe einen Grenzwerth für das Verhält-
niss der Pressungen von 0,ß065 erfordern würde. Es
ist vielmehr, wie nachher erst genauer nachgewiesen
werden kann, jedenfalls derjenige Werth als Grenzwerth
anzusehen, welcher aus der Formel für das Ausfluss-
gewicht dieses zu einem Maximum macht.
Ich habe natürlich auch versucht, das Gesetz
^ Pm Pmf
analytisch herzuleiten, aber ohne Erfolg. So lange als
ich noch die von der Moleculargeschwindigkeit abhän-
gige Grenzgeschwindigkeit für die richtige hielt, bin
ich auf Grund dieser Anschauungen vorgegangen, habe
aber stets Gleichungen erhalten, die weit gi*össere
Pressungen in der Mündungsebene ergeben, als die
beobachteten^ so dass sie nicht einmal als Annäherung
angesehen werden durften. Nach dem Vorigen scheint
die Ausflussgeschwindigkeit überhaupt mit der Mole-
culargeschwindigkeit gar nicht so einfach zusammenzu-
hängen. Vielleicht ist das aber doch der richtige Weg
und besteht die Schwierigkeit einstweilen nur in der
Unmöglichkeit, der angenähert adiabatischen Zustands-
änderung der Luft beim Hinströmen nach der Mün-
dung von der Moleculartheorie aus Rechnung zu tragen.
In dieser Ansicht werde ich noch durch den Umstand
bestärkt, dass es nach den Versuchen vollständig gleich-
giltig ist, was mit der Luft nach dem Verlassen der
Mündung wirklich geschieht; der Zusammenhang der
Pressungen ist lediglich abhängig von dem unmittel-
bar um den austretenden Strahl herrschenden
Drucke, dagegen durchaus nicht von der Bedingung,
dass die Luft unter diesem Drucke auch wirklich zur
Ruhe kommt, llci den Versuchen wenigstens, bei wel-
chen vor der Mündung ein Vacuum herrscht, nimmt
die ausgeströmte Luft überhaupt niemals diesen geringen
Druck an, und sie kommt erst zur Ruhe, wenn sie das
äussere Rohr verlassen und sich in der Atmosphäre
ausgebreitet hat.
In diesem Umstände suche ich auch den Grund,
warum mich der zweite Weg, den ich zur analytischen
Berechnung des Zusammenhanges eingeschlagen habe,
nicht zum Ziele geführt hat, die Annahme nämlidi
eines Gesetzes /"(j?, v) = 0, nach welchem die Beruhigung
bis zum bekannten Endzustande erfolgen solle. Dann
könnte man, da man das Gesetz der Zustandsänderung
vom Inneren des Gefässes bis zur Mündungsebeue kennt,
den Zustand in der letzteren berechnen. Ich habe aber
auf diese Art auch nur Resultate erhalten, die mit den
Beobachtungen durchaus nicht stimmten, wenn sich der
Zustand in der Mündungsebene nicht ganz forthob.
Es bleibt mir also nichts übrig, als mich einst-
weilen mit der oben gegebenen empirischen Formel zu
behelfon, bis es vielleicht einmal gelingen wird, das
wahre Gesetz herzuleiten.
Mit der vorhin gemachten Bemerkung, dass der
Verlauf der Pressungen nur von dem unmittelbar vor
der Mündung herrschenden Drucke abhängt, mag die
Luft unter diesem Drucke wirklich zur Ruhe kommen,
oder nicht, ist übrigens auch ein Einwand widerlegt
der mir vielleicht gemacht werden könnte und den ich
mir auch selbst gemacht hatte, der Einwand nämlich,
dass der Raum vor der Mündung zu klein ge-
wesen sei. Wenn Versuche mit Ausströmen in die freie
Atmosphäre und solche mit einer kleinen Vorlage so
vollkommen übereinstimmen, so ist das der sicherste
Beweis dafür, dass es auf die Grösse der Vorlage gar
nicht ankommt. Uebrigens habe ich auch früher eine
Versuchsreihe mit einem grösseren Ballon vor der Mün-
dung angestellt, die mit denen, bei welchen nur das
kleinere Rohr benutzt wurde, vollkommen überein-
stimmte. Mitgetheilt sind diese Versuche nicht, es war
bei ihnen noch nicht gelungen, die verschiedenen Ver-
bindungen und Hähnchen genügend luftdicht herzu-
stellen; die daraus entspringenden Fehler traten aber
bei allen diesen Versuchen gleichartig auf.
Es möge noch kui'z darauf hingewiesen werden,
dass aus dem Verlaufe der beobachteten Punktreihen
ein Einfluss der inneren Temperatur wirklich nicht
nachweisbar ist. Ein solcher müsste sich namentlich
zu beiden Seiten einer Unterbrechung zeigen, weil vor
derselben nach längerem Ausströmen innen eine nie-
drigere, nach derselben, in Folge der Erwärmung wah-
rend der Pause, eine höhere Temperatur herrscht. Nun
haben allerdings die Reihen V, B und V, D zu beiden
.J
465
atmosphärischen Luft durch gut abgerundete Mündungen.
406
Seiten des Striches ziemlich abweichende Werthe der
Pressungen und ihrer Quotienten ergeben» andere Reihen
zeigen aber eine bedeutend bessere, die meisten sogar
eine vollkommen befriedigende Uebereinstimmung. Ich
muss also die theilweise nicht unbedeutenden Abwei-
chungen für eine Folge von Fehlern der Manometer
ansehen.
Untersucht man nicht das Verhält niss der Pres-
sungen, sondern diese selbst, so zeigt der Druck in
der Mündungsebene beim Ausströmen in einen luftver-
dünnten Raum einen eigenthümlichen Verlauf (siehe je
die ^letzten Versuche einer Reihe). Mit abnehmendem
inneren Drucke nimmt er nämlich zunächst auch ab,
und wird sogar negativ, um später wieder zuzunehmen
und endlich mit den beiden anderen Pressungen gleich
dem Atmosphärendrucke zu werden. Einen ähnlichen
Verlauf eines solchen Druckes habe ich schon früher
bei meinen Versuchen über den Einfluss der Envei-
terungen in Rohrleitungen für Wasser („Civiling.'*
1875) beobachtet und auch dort auf S. 128 oben als
auffallend hervorgehoben. Die Ergebnisse der Versuche
mit Luft lassen erwarten, dass die Verhältnisse der
Pressungen nichts in dieser Art Auffallendes zeigen
würden.
Das hat auch eine Versuchsreihe bestätigt, die ich
mit einer gut abgerundeten Mündung über den Aus-
fluss von Wasser unter Wasser angestellt hatte.
Dabei hatte ich dieselben drei Pressungen beobachtet,
wie jetzt bei Luft, und auch dieselben Quotienten be-
rechnet. Die letzteren verlaufen so, dass man ihren
Zusammenhang jedenfalls auch durch eine analoge
Gleichung darstellen kann, wie bei Luft, d. h. durch
eine Hyperbel, nur natürlich mit wesentlich anderen
numerischen Coefficienten. Eine Berechnung der letz-
teren habe ich nicht vorgenommen; ich habe vor der
Mündung kein genügendes Vacuum erreicht, um die
Lage des Scheitels der Hyperbel hinreichend genau be-
stimmen zu können. Aus diesem Grunde unterlasse ich
auch eine ausführlichere Mittheilung dieser Versuche.
Der als continuirliche Curve interpolirte Zusammen-
hang der Pressungs- Quotienten stimmt bei Luft und
Wasser auch in dem Sinne überein, dass stets
> ^-•'-
'I«
ist, mit Ausnahme natürlich des Grenzfalles p^ =p =Pq-
Die directen Versuchsresultate weichen allerdings theil-
weise davon ab. Bei Wasser aber schwankten nament-
lich die Pressungen p und p^y ununterbrochen, ihre
Mittelwerthe Hessen sich also nicht genau einschätzen.
Civilingcnieur XXIII.
Bei Luft sind die Ausnahmen in den drei ei-sten Ver-
suchsreihen nur ganz vereinzelt, in den beiden letzten
freilich häufiger. Es ist jedoch schon darauf hinge-
wiesen worden, dass bei diesen Reihen der Druck in
der Mündungsebene gegenüber dem äusseren zu klein
zu erwarten ist. Auch liegen die Abweichungen bei
Wasser und Luft an Stellen, an denen alle drei Pres-
sungen nicht mehr besonders verschieden sind. Sie
müssen also als Folgen von Beobachtungsfehlern ange-
sehen werden, und glaube ich daher, das schon früher
von mir als sehr wahrscheinlich hingestellte Gesetz,
dass beim Ausströmen einer Flüssigkeit in
einen mit gleichartiger Flüssigkeit angefüll-
ten Raum der Druck im bewegten Strahle in
der Mündungsebene stets grösser ist, als der
Druck in der ruhenden Flüssigkeit Vor der
Mündung, durch diese Versuche für Luft und Wasser
bei einer gut abgerundeten Mündung als endgiltig be-
wiesen ansehen zu dürfen. Höchstens der numerische
Zusammenhang kann sich vielleicht durch weitere, mit
genaueren Apparaten angestellte Verbuche etwas ändern.
Im Uebrigen bin ich aber der festen Ueberzeuguug,
dass dieses Gesetz nicht blos für die bis jetzt unter-
suchten Fälle, sondern ganz allgemj^iu gilt.
Verstiche zur BesUnimutig der Atutfltinsinenyen.
Wie bei den Druckbestimmungen, so kam es mir auch
hier darauf an, vor der Mündung verschiedene Pressungen
herzustellen, um die Frage möglichst vollständig unter-
suchen zu können. Da aber wegen der nöthigen Schonung
der Manometer Druckbestimmungen und Beobachtungen
von Ausflussmengen nicht vereinigt werden konnten, so
musste ich beide Arten von Versuchen sich ergänzen lassen.
Ich habe daher immer mit derselben Combination von
Mündungen d und d^ beide Bestimmungen vorgenommen,
und zwar der Zeit nach möglichst unmittelbar nachein-
ander, damit sich die an der Vorlage vorhandenen, meist
nicht so zuverlässig ausführbaren Abdichtungen nur mög-
lichst wenig ändern konnten. Jedenfalls ist der Apparat
zwischen zwei solchen Versuchen niemals auseinander
genommen worden. So war es möglich, für die Versuche
über Ausflussmengen den äusseren Druck und den in
der Mündungsebene mit genügender Sicherheit zu er-
mitteln. Die Versuche über Ausflussmengen erforderten
vor der Mündung einen möglichst kleinen Raum, damit
der Beharrungszustand bald eintrat. Aus diesem Grunde
habe ich auch für die Druckbestimmungen von der
Anwendung einer grösseren Vorlage absehen müssen.
Die Resultate der Versuche sind in den mit
der Ueberschrift „Versuche über Ausflussmengen"
30
467
Flieguer, Versuche Ober das Ausströmeu der
468
versehenen Tabellen mitgetheilt. Die einzelnen Reihen
haben dieselbe Nummer , die Unterabtheilangen den-
selben Buchstaben, wie bei den zugehörigen Versuchen
über Pressungen.
Die Versuche selbst sind nun in folgender Art an-
gestellt worden: Das grosse Quecksilber-Gefäss-Mano-
meter, bei kleineren Pressungen das Hebermanometei
waren durch die geöffneten Hähnchen 9 und 10, ode
7, ununterbrochen mit dem Inneren des Kessels in Vei
bindung, ebenso das Metallmanometer Nr. lU durc
I
. Reihe
»
^
Versuche über Ausflussmengen.
d = 4,027 »».
1
2
8
4
5
6
7
8
9
10
Nr.
t
Pt
P.
Pi
1
Pm
6
F
-Po
Pm
^
k
f*
A)
d, — 2™*». 6 = 722,85"". T, = 273+17,
45.
1
50,3
3389,6
3222,8
3303,6
287,48
0,9795
0,005142
1,4801
10,4449
2
49,7
3248,9
3093,1
3167,3
272,37
0,9796
0,005022
1,4627
10,3478
3
47,»
3117,2
2971,9
3040,2
262,81
0,9797
0,005075
1,4704
10,4268
4
47,9
2994,7
2858,9
2933,3
251,30
0,9798
0,004987
1,4577
10,3614
5
48,8
2877,6
2745,7
2808,8
239,58
0,9799
0,004943
1,4511
10,3399
6
47,9
2765,0
2626,9
2692,0
230,02
0,9800
0,004948
1,4520
10,3713
7
49,3
2657,8
2531,5
2591,1
219,75
0,9801
0,004883
1,4423
10,3277
^
8
52,1
2552,4
2425,2
2485,5
211,32
0,9802
0,004908
1,4460
10,3796
9
52,6
2445,3
2322,7
2380,9
202,07
0,9804
0,004890
1,4434
10,4127
10
53,9
2342,1
2224,5
2278,7
192,20
0,9806
0,004832
1,4348
10,4025
11
54,1
2241,3
2127,2
2176,8
183,57
0,9807
0,004831
1,4346
10,4276
12
56,5
2144,7
2029,8
2085,8
175,04
0,9808
0,004779
1,4269
10,3979
13
57,5
2048,5
1937,3
1989,9
166,40
0,9810
0,004745
1,4218
10,4144
Mittel von fi aus all
14
58,9
1955,4
1864,7
1848,3
1899,4
158,28
0,9812
0,004713
1,4171
10,4335
Versuchen fi = 10,39
B) dl = 4»"». b= 722,25"". T^ = 273 + 17,6.
1
' 15,8
3386,6
3237,8
3312,2
812,68
0,7988
0,040913
4,1750
10,4142
2
20,0
3261,6
3076,0
3168,8
773,54
0,7989
0,040418
4,1496
, 10,3528
3
20,0
3111,0
2937,1
3024,0
735,02
0,7990
0,040088
4,1327
10,3125
4
19,8
2967,9
2804,9
2885,0
696,80
0,7991
0,039588
4,1068
10,2498
5
21,2
2833,6
2666,4
2747,0
652,22
0,7992
0,038220
4,0352
10,0730
6
20,0
2699,0
2543,2
2620,4
630,75
1 0,7993
0,039268
4,0902
10,2120
7
19,8
2576,2
2435,6
2503,4
596,64
0,7994
0,038543
4,0523
10,1193
H
19,8
2461,2
2320,6
2387,8
577,95
0,7995
0,039712
4,1132
10,2735
9
20,2
2349,8
2214,3
2279,9
545,18
0,7996
0,038757
4,0636
10,1513
10
25,0
2242,6
2117,6
2087,0
2161,8
513,64
0,7998
0,038228
4,0357
10,0854
11
24,6
2096,0
1954,7
2022,3
480,66
0,8000
0,038278
4,0383
10,0957
12
26,2
1980,9
1838,1
1905,4
452,83
0,8013
0,038243
4,0365
10,1159
13
26,0
1865,4
1735,4
1796,7
421,18
0,8039
0,037234
3,9828
10,0312
14
31,1
1758,8
1610,4
1681,8
394,68
0,8110
0,037234
3,9829
10,1731
15
30,7
1639,3
1506,6
1570,2
365,40
0,8189
0,036654
3,9517
10,2615
16
38,1
1530,1
1383,3
1453,4
334,89
0,8286
0,035923
3,9121
10,3808
17
39,9
1405,9
1268,8
1333,8
297,09
0,8405
0,033r)56
3,7810
10,3267
18
40,5
1290,5
1163,7
1224,5
269,66
0,8522
0,032793
3,7378
10,5319
19
40,1
1184,2
1073,3
1126,1
236,69
0,8660
0,029878
3,5678
10,4735
20
50,1
1091,8
969,8
1027,9
214,50
0,8840
0,027956
3,4511
10,7772
21
51,1
987,2
891,2
936,7
166,42
0,9067
0,021373
3,0176
10,3751
22
50,7
904,4
837,8
828,5
863,5
134,98
0,9319
0,016575
1
2,6573
10,5484
Mittel von fi aas all«
Versuchen |ii= 10,28«
469
atmosphärischen Loft durch gut abgemndete Mflndongen.
470
1
2
3
4
6
6
7
8
9
10
\
Nr.
t
Pi
Pn
Pm
6
F
P(i
Pm
li,
k
^
C)d, 7
»». 6 =
722,65.
T, — 273 + 17,8.
>
1
15,2
3397,7
3208,0
3302,9
1055,62
0,3769
0,069363
5,4361
11,2234
2
15,2
3241,4
3071,2
3156,3
964,46
0,3794
0,063460
5,1993
10,7149
3
15,0
3098,6
2930,6
3014,6
930,07
0,3838
0,064619
5,2469
10,7892
4
16,0
2962,7
2796,9
2879,8
872,58
6,3879
0,062836
5,1634
10,6768
5
20,0
2826,7
2628,4
2727,1
825,36
0,3959
0,062081
5,1429
10,6162
6
20,4
2665,9
2476,9
2571,0
768,90
0,4051
0,060610
5,0815
10,3513
7
20,2
2513,1
2332,8
2422,5
731,33
0,4168
0,061648
5,1249
10,3983
8
20,4
2369,2
2196,3
2281,9
686,88
0,4278
0,061342
5,1121
10,3826
9
20,8
2232,7
2068,9
2147,2
645,61
0,4407
0,061206
5,1064
10,2866
10
19,8
2101,9
1957,6
2026,9
609,17
0,4541
0,061237
5,1078
10,2689
•
11
20,2
1984,4
1846,0
1913,1
570,67
0,4693
0,060312
5,0690
10,1573
12
24,4
1872,1
1710,1
1791,3
537,72
0,4891
0,060903
5,0938
10,1901
13
25,2
1744,3
1595,1
1668,7
491,73
0,6118
0,058761
5,0030
10,0088
14
30,1
1623,6
1458,4
1537,1
454,98
0,6424
0,069166
5,0206
10,0776
15
30,6
1490,2
1343,5
1413,6
409,60
0,6783
0,066784
4,9186
9,9600
16
30,8
1368,5
1237,3
1301,2
373,67
0,6171
0,056823
4,8767
10,0326
17
41,1
1258,2
1105,2
1178,3
326,65
0,6673
0,061940
4,7041
9,9821
18
40,8
1127,4
997,8
1059,4
273,17
0,7267
0,044943
4,3768
9,8188
Mittel werth aas Versuch:
19
47,7
1017,6
895,5
951,2
227,69
0,7930
0,038763
4,0638
10,0302
1—12: A — 5,1662.
20
54,7
911,7
806,0
853,0
171,76
0,8710
0,027432
3,4187
10,1989
13—21: |ii = 9,9951.
21
54,7
820,2
761,0
751,9
780,7
111,07
0,9356
0,013733
2,4189
9,8471
D) F
reies Aiu
sströmen.
6 = 71(
?,9. r,=
= 273 + 14;3.
1
10,4
3332,2
3204,6
3268,4
1027,13
0,2202
0,066343
5,3166
12,8299
2
15,2
3229,4
3054,8
3142,1
963,23
0,2288
0,063027
5,1819
12,3361
3
15,2
3088,5
2917,4
3003,0
921,46
0,2394
0,063103
5,1850
12,1609
4
15,2
2953,7
2794,3
2873,3
870,23
0,2502
0,061606
5,1190
11,8187
5
15,8
2826,4
2666,7
2746,6
827,94
0,2618
0,060897
5,0936
11,6866
6
15,4
2700,5
2553,9
2634,9
789,39
0,2728
0,060179
5,0635
11,3684
7
16,4
2583,5
2432,6
2508,1
764,14
0,2866
0,062210
5,1482
11,3856
8
16,2
2462,9
2317,3
2390,1
713,86
0,3008
0,059716
5,0439
10,9984
9
15,4
2351,6
2222,7
2283,7
692,96
0,3148
0,061728
5,1282
11,0418
10
14,8
2248,9
2128,5
2187,4
658,57
0,3287
0,060750
5,0874
10,8302
11
15,6
2155,1
2032,9
2092,1
629,47
0,3436
0,060638
5,0827
10,7026
12
12,8
2060,6
1964,9
2011,1
599,86
0,3576
0,059666
5,0419
10,6200
13
15,2
1986,7
1876,0
1929,5
582,40
0,3726
0,061026
5,0990
10,6460
14
15,4
1901,6
1799,0
1845,6
556,01
0,3895
0,060865
5,0922
10,4427
15
16,4
1819,1
1713,6
1764,1
527,75
0,4075
0,059967
5,0545
10,2866
16
16,8
1735,8
1653,8
1630,4
1681,3
6 =
507,17
= 721,6.
0,4276
T, — 2'
0,060928
Vd + 13,j
5,0949
1.
10,2983
17
19,6
1690,8
1574,3
1631,0
495,46
0,4424
0,061670
5,1258
10,3203
18
19,6
1597,5
1488,6
1541,9
457,26
0,4680
0,058756
5,0032
10,0270
19
25,2
1511,4
1375,8
1443,0
427,08
0,5001
0,058294
4,9835
9,9670
20
25,6
1408,0
1297,0
1349,6
396,79
0,5347
0,057870
4,9654
9,9547
21
30,5
1311,4
1183,5
1247,0
357,03
0,5787
0,054673
4,8263
9,7743
22
25,2
1205,8
1114,6
1160,2
327,15
0,6220
0,053237
4,7625
9,8218
23
30,3
1126,6
1025,9
1075,5
294,36
0,6709
0,050064
4,6184
9,8287
Mittelwerth aus Versuch:
24
30,7
1040,9
944,1
992,4
257,00
0,7271
0,044628
4,3604
9,7888
1 — 18: k — 5,1089.
25
29,6
965,1
901,2
887,9
925,3
224,73
0,7798
0,036237
3,9292
9,4820
19—25: 1(4—9,8025.
30'
471
Ffiegner, Vei'suche über das Ausströmen der
472
1
Nr.
3
Pt
4
5
6
G
7
Po
8
9
«
10
t
P\
P^
Pm
F
Pm
t/;
k
f*
P:) d, = 8,ö •"" (Vacuum). 6 = 725,3. T, = 273 + 18,4.
1
15,2
2
15,8
3
15,6
4
15,2
5
15,4
(i
15,4
7
15,4
H
20,6
9
20,4
10
20,0
11
20,0
12
20,0
13
30,3
14
30,3
15
30,3
16
30,5
17
40,3
IH
40,3
19
50,7
20
50,1
3342,5
3192,1
3049,0
2912,8
2783,7
2660,0
2543,5
2429,9
2287,9
2155,9
2033,5
1918,2
1809,6
1657,8
1518,7
1392,4
1276,3
1139,0
1016,2
893,7
803,5
. 3155,5
3249,0
3014,3
3102,2
2880,2
2963,2
2752,5
2831,5
2629,3
2705,8
2511,2
2583,7
2403,9
2470,3
2257,3
2340,6
2122,2
2203,.i
2003,3
2079,0
1887,8
1960,6
1772,7
1845,4
1623,0
1714,1
1491,3
1572,8
1366,2
1441,5
1249,5
1319,4
1112,1
1190,1
992,0
1062,3
874,9
939,8
790,5
835,7
1013,70
927,85
894,46
870,07
822,86
775,00
755,74
706,16
662,98
626,97
590,60
556,28
513,26
470,:i3
426,99
390,01
349,03
312,16
247,61
184,40
0,1086
0,1168
0,1228
0,1298
0,1890
0,1497
0,1616
0,1778
0,1978
0,2174
0,2384
0,2681
0,2943
0,3361
0,8826
0,4376
0,6059
0,6926
0,7115
0,8842
0,066200
0,060838
0,061973
0,064220
0,062888
0,061149
0,063678
0,061841
0,061436
0,061743
0,061673
0,061517
0,06C679
0,060613
0,059448 i
0,069136
0,068136 I
0,058864
0,046992
0,033032 j
5,3107
5,0911
5,1874
5,2307
5,1762
5,1041
5,2084
5,1329
5,1160
5,1288
5,1218
5,1194
5,0846
5,0817
5,0326
5,0194
4,9767
4,9861
4,4744
3,7614
17,0688
15,9404
15,6834
15,6638
14,9623
14,3062
14,1500
13,4218
12,8434
12,4842
12,0200
11,6267
11,1668
10,0757
10,3647
10,1179
9,9542
10,1478
9,8759
10,0870
Mittelwert-he aus Versuch;
1 — 16: k= 5,1310.
17—20: fi= 10,0162.
das stets offene Häliiichen 6. Die beiden Manometer I
und II waren dagegen vollständig abgesperrt. Wenn
nun im Kessel die Temperaturausgleichung nach dem
Füllen desselben, oder nach einem vorangegangenen
Versuche eingetreten war, so wurde der Stand des
Quecksilbermanometers abgelesen und notirt, dann so-
fort der Stand des Metallmanoraetei*8 Nr. III auf dem-
selben markirt, und nun rasch mit dem Versuche be-
gonnen. Der grosse Hahnen musste möglichst plötzlich
geöffnet werden, und es wurde dieser Zeitpunkt selbst-
thätig electrisch auf der Schreibuhr notirt. Während
des Ausströmens markirte ich stets eine Anzahl Stände
des Manometers III und selbstthätig auf electrischem
Wege die zugehörigen Zeiten. Um den Druck im
Augenblicke des Hahnschlusses möglichst genau zu er-
halten, markirte ich anfangs den letzten Punkt unmit-
telbar, meist etwa 0,2 Secunden, vor dem Ende des
Ausströmens. Dann konnte ich den Eiiddruck gra-
phisch interpoliren. Später habe ich zur Bestimmung
dieses Druckes den kurzen Zeitraum benutzt, der zwi-
scheu der Druckabnahme beim Ausströmen und der
Zunahme bei der Temperaturausgleichung nach dem
Ende des Ausströmens liegt. In Wirklichkeit ist eine
m
solche Ruhe jedenfalls nicht vorhanden, die Trägheit
des Metallmanometers bewirkt aber, dass dasselbe hin-
reichend lange still steht, um seinen Stand wälirend
der Ruhe markiren zu können. Bei starken Tempera-
tursenkungen dauert diese Ruhe allerdings kaum eine
Secunde. Nun musste noch die Temperaturausgleichung
abgewartet und der betreffende Druck am Quecksilber-
und Metallmanometer notirt werden. Das war dann
auch gleich der Anfangsdruck für je den nächstfolgenden
Versuch.
Auf diese Art sind die beiden Stände des Metall-
manometers, welche die Pressung unmittelbar vor dem
Ausströmen und die am Ende der Ausgleichung angeben,
direct bei ruhendem Drucke mit dem Quecksilber-
manometer verglichen. Eine Vergleichung auch der
übrigen markirten Punkte wäre wegen des fortwähren-
den VoUpumpens der Vorlage Q zu zeitraubend ge-
wesen. Ich habe mir daher erlaubt, da die dabei ins
Spiel kommenden Druckiutcrvalle doch nie besonders
gross waren, die übrigen Punkte des Metallmanometers
nach den beiden direct verglichenen proportional za
interpoliren.
Für die weitere Verwerthung der Versuchsresultate
ist es noch nöthig, den mittleren constanten in-
neren Druck zu bestimmen, da alle theoretischen
Ausiiussformeln , welche hier überhaupt herangezogen
werden können, constaute Zustände innen und aussen
473
atmosphänschen Lnft durch gat abgerundet« Müudungen.
474
Yersache über Ausflussmengen.
U. Reihe.
(i = 6,90°"".
Nr.
Vi
4
5
6
! 7
1
P'i
Pm
G
F
\ Pm
. .
8
9
10
A) dl — 10"". b-
= 724,4.
T, — 273 + 18,J
).
1
10,0
1 3285,0
2930,8
3107,9
991,75
I 0,5332
0,068960 j 5,4203
, 10,8646
2
10,4
3000,3
2659,8
2829,6
902,37
0,5353
0,068772
5,4129
10,8529
3
10,2
2730,9
2489,6
2429,0
2576,5
824,09
0,5426
0,069240
5,4313
10,9022
4
11,0
2337,0
2061,3
2197,7
667,58
0,5662
0,062255
5,1601
10,3916
90
10,4
2126,2
1890,0
2006,0
632,05
0,5822
0,067183
5,3500
10,8476
1937,5
1
1
1
b
— 723,6.
T^ = 273 + 19,6.
6
16,4
1894,3
1606,4
1742,9
535,73
0,6082
0,063900
5,2177
10,6886
7
16,0
1656,9
1396,7
1523,3
450,03
0,6367
0,058847
5,0071
10,4109
8
15,4
1449,7
1227,1
1337,1
389,95
0,6723
0,067275
4,9398
10,5241
9 '
15,8
1276,9
1079,7
1171,6
328,37
0,7233
0,062804
4,7431
10,6022
10
16,0
1127,6
966,0
1042,7
270,40
0,7813
0,046883
4,3947
10,6315
11
16,4
1003,1
880,8
938,8
212,12
0,8363
0,034631
3,8411
10,3814
12
16,4
903,0
809,1
853,9
162,74
0,8843
0,024688
3,2431
10,1391
13
1
1
21,0
826,2
762,7
742,7
780,9
105,09
0,9440
0,012275
2,2868
9,9462
B) Freies Auss
trömeu.
1 1 t 1
6 — 722,7. T, — 273 + 19,1.
1
10,8
3372,8
2984,9 3172,3
982,75
0,2278
0,064909 5,2687
12,5382
2
10,8
3067,9
2711,9
2889,1
885,11
0,2501
0,063413 5,1977
12,0020
:\
10,4
2793,3
2468,2
2629,7
849,85
0,2748
0,070603
5,4845
12,2857
2539,4
4
10,4
2095,4
1844,5
1969,9
625,28
0,3669
0,067916 5,3791
11,1609
;>
11,2
1908,6
1680,3 1794,2
552,63
0,4028
0,064096 5,2266
' 10,6546
«
11,0
1730,8
1522,1 1624,7
504,45
0,4448
0,065069 5,2647
1 0,5942
7
11,8
1571,4
1358,3 1461,5
456,97
0,4945
0,066651 5,2887
10,6780
8
11,2
1416,5
1246,3 1324,9
406,87
0,5455
0,063671 5,2088
10,4600
9
20,4
1285,6
1035,7 1162,6
341,99
0,6216
0,067974 ; 4,9698
10,2473
10
20,8
1085,2
885,5 ; 975,1
269,44
0,7412
0,051253 4,6729
10,6693
11
21,6
924,2
811,8
778,9 ' 843,9
181,16
0,8564
0,030955
3,6316
10,3556
C) dl = 12"" (
Vacuum).
1 1 1
6 — 722,1. T, — 273 + 17,3.
1
10,4
3375,5
3067,2
3003,9 j 3159,8
:
1038,34
0,1090
0,072820 = 5,5699
17,8730
2
11,4
2918,8
2620,9 1 2769,8
844,01
0,1212
0,062992
5,1805
15,8785
3
9,8
2644,1
2369,3 i 2501,8
781,31
0,1327
0,065687
5,2901
15,5935
4
11,0
2425,5
2201,9
2137,7 1 2281,6
711,99
0,1457
0,065386 5,2780
!
14,9601
14,2
1995,9
1707,4 , 1846,7
565,13
0,1981
0,062740 5,1701
12,9716
1
10,6 '
1766,8
1570,8 1668,8
513,50 1
0,2408
0,063703 ' 5,2096
12,1843
7
10,4 1
1611,4 '
1431,3 1521,1
477,91 !
0,2837
0,066388 5,3183
11,7976
« i
10,4 .
1469,5
1311,4 1390,4
432,44
0,3350
0,065183
5,2698 ;
11,165t»
'• i
11,0 i
1341,1 j
1192,1 i 1266,6
386,67
0,3970
0,0(J2853
5,1747
10,5763
10
15,0 .
1219,6 .
1033,3 j 1126,3
350,27
0,4865
0,064783
5,2536
10,5110
11
15,2
1069,6 !
909,3 ; 989,4
297,48
0,5905
0,060576
5,0801
10,3309
940,6 ,
i
1
Mitte] von fi aas allen
Versuchen: |ii = 10,5525.
Mittelwerthe aus Versuch
1 — 7: A= 5,2999.
8 — 11: fi = 10,433(».
Mittelwerthe aus Versuch
1 10: A = 5,2715.
11 : M — 10,3309.
475
Fliegner, Versuche über das Ausströmen der
476
1
Nr.
Versuche über Ausflussmengen.
m. Reihe.
2
Pa
'Wl
6
F
E9.
Ptn
8
^
9
10
d = 9,«8 ""*.
2
3
4
5
6
7
8
9
a:
) dl = 15™. b =
= 719,2.
T, = 273 + 17,3
•
10,8
3340,8
2602,6 , 2969,9
909,66 0,4579
0,061964 i 5,1380
10,3127
2772,7
10,4
2649,9
2091,7
2370,3
723,83
0,4931
0,061690
5,1267
10,2543
10,6
2214,9
1741,9
1977,0
603,31
0,5268
0,061680
5,1262
10,2661
10,4
1845,1
1455,3
1648,8
507,33
0,5698
0,062738
5,1700
10,4423
12,6
1540,0
1175,2
1352,1
402,69
0,6410
0,058709
5,0012
10,4256
10,6
1246,6
1004,0
1121,7
309,98
0,7200
0,050742
4,6495
10,3558
11,0
1056,6
871,8
961,0
232,84
0,8030
0,039181
4,0857
10,2724
10,4
908,0
781,7
840,6
163,28
0,8890
0,025221
3,2780
10,4350
10,8
810,3
749,9
733,3
762,4
96,72
0,9580
0,010845
2,1495
10,7160
Mittelwerthe aus Versuch:
1 — 2: k= 5,1323.
3—9: ft = 10,4161.
1
2
3
4
5
6
7
8
9
B) Freies Ausströmen.
6 = 717,2. T,
— 273 + 16,9.
9,4
3360,3
2706,0
3033,1
934,38
0,2365
0,062911
5,1771
12,1834
9,2
2853,1
2295,0
2573,3
800,73
0,2787
0,064085
5,2252
11,6541
9,2
2427,7
1956,1
2189,7
676,50
0,3275
0,063186
5,1884
11,0556
9,8
2068,3
1654,3
1860,8
564,40
0,3854
0,060907
5,0940
10,4666
9,8
1748,9
1393,8
1571,1
482,58
0,4565
0,062416
5,1567
10,3527
9,4
1475,8
1195,0
1335,4
402,35
0,6371
0,060238
5,0659
10,1599
10,8
1257,4
993,0
1122,4
334,79
0,6390
0,058986
5,0109
10,4330
10,0
1048,6
861,5
955,0
250,06
0,7510
0,045552
4,4053
10,1873
11,6
904,2
764,2
827,5
165,26 0,8667
0,026638
3,3688
9,9112
793,5
Mittelwerthe ans Versuch:
1 — 5: X= 5,1683.
6-9: j* = 10,1728.
C) d^ = 15™»» (Vacuum). b = 717,o. T^ = 273 + 16,9.
1
2
3
4
5
6
7
9,4
3363,2
2682,6
3010,3
9,*
2840,8
2283,6
2562,0
9,6
2410,8
1926,3
2168,3
10,0
2039,1
1618,0
1824,9
11,0
1714,0
1325,5
1518,0
10,8
1410,8
1105,4
1254,9
10,6
1175,6
978,8
924,7
1043,4
962,89
792,18
670,50
562,98
478,11
376,32
.321,51
0,1760
0,1776
0,1902
0,2287
0,3002
0,4106
0,5610
voraussetzen müssen. Bei den älteren Versuchen konnte
ich den mittleren Druck nur als arithmetisches Mittel
berechnen, hier war ich dagegen im Stande, genauer
vorzugehen. Ich habe nämlich für jeden Versuch die
am Metallmanometer notirten Zwischenpressungen als
Function der zugehörigen Zeiten graphisch aufgetragen,
durch diese Punktreihe eine continuirlich verlaufende
Curve gelegt imd die so erhaltene Fläche in ein Recht-
eck verwandelt; die Höhe desselben war der mittlere
constante Druck. Die Ausmessung der Fläche habe
ich schliesslich so vorgenommen, dass ich die Curve
0,067611
5,3670
14,1250
0,063840
5,1947
13,5925
0,063267
5,1917
13,2287
0,062946
5,1786
12,3300
0,065472
5,2814
11,5228
0,059365
5,0291
10,2229
0,062823
5,1735
10,4248
Mittelwerthe ans Versuch:
1 — 6: k= 5,2071.
7: fi = 10,4248.
auf Millimeterpapier gezeichnet und die Anzaiil der von
ihr abgeschnittenen Quadrat-Millimeter abgezahlt habe.
Dabei rechnete ich Quadrate, die mehr als zur Hälfte
abgeschnitten wurden, voll mit, die anderen dagegen
liess ich ganz fort. Es ist diese Methode mindestens
ebenso genau, sie führt aber schneller zum Ziele» als
ein Ausmessen mittelst des Planimeters, das ich audi
vorher versucht hatte. Gelegentlich war ich übrigens
nicht im Stande, die Punkte anders » als durch eine
Gerade zu verbinden, dann ist natürlich als mittlerei
Druck einfach das arithmetische Mittel aus An&ngs-
i
477
atmosphärischen Luft durch gut abgerundete Mündungen.
478
\md Enddruck genouimen worden, nur wo an der zweiten
Decimalstellc eine 5 hätte stehen sollen, ist dieselbe
weggelassen. .
Bei der angegebenen genaueren Bestimmung des
mittleren constanten Druckes konnte ich natürlich län-
gere Ausflusszeiten anwenden, und habe das auch ge-
than, namentlich bei den Versuchen mit kleineren
Mündungen und bei den geringeren Pressungen.
Die auf diese Art gefundenen Werthe sind in den
ersten Columnen der Tabellen enthalten, und zwar in :
1) Die Nummer des Versuches,
2) die Ausflusszeit t in Secunden,
3) der Druck p^ (absolut und in Millimetern Queck-
silbersäule) beim Beginne des Ausströmens, und
je in der nächsten Zeile der Druck p^ nach
erfolgter Temperaturausgleichung, der also
gleichzeitig Anfangsdruck (p^) des nächsten
Versuches ist,
4) der Druck p^ am Ende des Ausströmens,
5) der mittlere constante innere Druck pm»
Mit den bis jetzt entwickelten Grössen lässt sich
nun leicht das bei jedem Versuche ausgeströmte Luft-
gewicht Ge berechnen, wie es bei den früheren Ver-
suchen auch geschehen ist. Bezeichnet V das Volumen
des Luftkessels (=0,8i853i^^°'), v^ und v^ die specifi-
schen Volumina am Anfang des Ausströmens und nach
erfolgter Temperaturausgleichung, entsprechend p^ und
l>i, so folgt sofort
Bei den beiden Zuständen der Luft ist aber die
Temperatur dieselbe, nämlich die äussere Temperatur
7;^; es besteht also auch die Beziehung:
Pi ^i ^^Pl ^\^ R ^s»
IV. Reihe.
Versuche über Ausflussmengen.
d = 4,016"".
1
Nr.
2
t
1 1
P:\
Pi
5
Pm
6
F
i
7
Pm
i
8
' 9
1
1
10
•
A) d, = 6»". 6 = 705,3. Tj, = 273 + 14,6.
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
10,0
15,0
15,0
14,8
14,8
14,8
15,2
14,8
14,6
19,4
19,6
20,2
19,8
20,0
24,2
24,6
24,8
30,8
30,7
30,1
38,7
39,3
40,1
49,9
49,7
49,7
3329,6
3233,0
3098,0
2966,2
2841,6
2721,9
2608,7
2498,0
2393,7
2295,4
2171,5
2054,1
1940,7
1835,4
1736,4
1622,7
1516,4
1416,5
1306,4
1205,8
1117,5
1019,1
933,8
861,8
793,2
746,1
717,7
3210,4
3064,9
2934,5
2799,9
2692,5
2582,5
2472,4
2369,3
2269,4
2144,1
2022,7
1910,3
1802,9
1710,5
1592,5
1487,3
1391,6
1278,2
1182,2
1098,8
998,9
917,6
846,2
781,9
738,0
714,5
3269,5
3148,7
3015,7
2882,2
2764,0
2650,5
2539,6
2432,2
2330,3
2218,8
2095,0
1980,8
1871,6
1772,5
1663,6
1553,0
1452,1
1345,4
1241,2
1150,7
1055,7
965,1
887,0
817,5
762,4
726,9
1008,71
939,79
917,55
879,12
844,56
798,72
760,50
735,85
703,07
666,94
625,48
586,22
555,31
516,88
490,57
451,20
420,61
379,47
342,19
306,37
265,54
226,59
187,54
143,58
98,99
59,62
0,6770
0,6763
0,6758
0,6754
0,6752
0,6750
0,6749
0,6749
0,6750
0,6751
0,6752
0,6760
0,6774
0,6817
0,6886
0,6991
0,7103
0,7284
0,7483
0,7707
0,7994
0,8340
0,8736
0,9100
0,9478
0,9780
0,064031
0,059815
0,062158
0,062343
0,062686
0,060994
0,060225
0,061475
0,061100
0,060607
0,059712
0,058663
0,058901
0,056976
0,058154
0,056435
0,056140
0,053122
0,050806
0,047453
0,042286
0,03<}888
0,029904
0,020675
0,011316
0,004531
5,2230
5,0481
5,1460
5,1537
5,1679
5,0976
5,0654
5,1177
5,1021
5,0815
5,0438
4,9993
5,0094
4,9269
4,9775
4,9034
4,8906
4,7573
4,6525
4,4963
4,2444
3,9643
3,5694
2,9679
2,1957
1,3894
11,1692
10,7892
10,9940
11,0069
11,0354
10,8837
10,8138
10,9256
10,8982
10,8500
10,7704
10,6822
10,7159
10,5769
10,7491
10,6910
10,7811
10,6958
10,7202
10,6957
10,5992
10,6545
10,7404
10,3706
9,8716
9,4722
Mittel von ^ aus allen
Versuchen: |[i = 10,6980.
479
Fliegner, Versuche Über das Ausströmeu der
480
1
2
3
4
l
Nr.
t
Pt
V^
P^
fx
•
B) dy = 14»™ (Vacuiim). h = 710,9. T, =^ 273 + 14,6.
1
10,0 1
3354,5
3229,7 i
3291,3
1151,76
0,1609
0,082481
5,9279
16,1831
Die Ausgleichimg dauerte
2
10,2 1
3244,2
3120,6
3181,9
1092,35
0,1697
0,079344
5,8141
15,4890
bei allen Ver»achen dieser
3
10,2
3137,5
3017,9
3076,4
1053,40
0,1804
0,078930
5,7989
15,0809
Reihe erheblich kürzere
4
10,0
3034,6
2923,4
2976,7
1014,97
0,1899
0,078296
5,7756
14,7252
Zeit als sonst.
5
15,2
2937,4
2778,5
2857,2
941,88
0,1997
0,073073
5,5796
13,9568
6
14,8
2800,3
2646,7
2723,2
887,58
0,2152
0,071340
5,5130
13,4150
7
14,6
2674,5
2531,5
2602,8
865,44
0,2279
0,074311
5,6267
13,4132
8
14,4
2553,5
2414,9
2483,4
830,98
0,Ü412
0,075212
5,6607
13,2317
9
15,2 :
2438,9
2301,1
2369,7
779,71
0,2546
0,072701
5,5654
12,7753
10
14,8
2325,4
2192,2
2258,8
734,50
0,'2689
0,070911
5,4964
12,3965
11
15,0
2221,3
2122,0
2095,2
2157.8
691,-27
0,2839
0,068843
5,4157
12.0112
12
19,8
2119,0
1959,6
2038,3
659,21
0,3040
0,069998
5,4610
11,8721
13
20,0
1994,0
1848,2
1918,8
606,69
0,3253
0,066954
5,3409
11.4003
14
19,4
1877,8
1746,9
1810,8
569,51
0,3459
0,066300
5,3147
11,1734
15
20,0
1772,0
1642,5
1706.6
540,90
0,3676
0,067286
5,3541
11,1046
16
19,6
1668,4
1549,1
1608,3
505,61
0,3931
0,066199
5,3107
10,8728
17
19,8
1573,5
1463,0
1517,8
475,74
0,4200
0,065867
5,2973
10,7330
18
24.8
1483,3
1352,1
1415,5
442,54
0,4545
0,065357
5,2768
10,5976
19
24,8
1378,2
1257,6
1326,3
407,14
0,4885
0,063019
5,1815
10,3658
20
29,6
1281,5
1148,5
1212,7
378,53
0,5380
0,065051
5,2644
10,5594
21
,29,8
1174,2
1056,0
1113,8
337,80
0,5925
0,061465
5,1173
10,4143
22
39,9
1077,8
944,8
1007,4
292,27
0,6764
0,056194
4,8929
10,4584
23
40,1
966,1
857,7
908,0
242,15
0,7590
0,047587
4,5027
10,5279
24
39,9
873,1
788,2
827.0
188,48
0,8485
0,034 781
3,8495
10,7366
Mittelwerthe ans Versuch:
25
40,7
801,1
1 740,5
767.5
129,80
0,9585
0,019179
2,8585
14,3324
1—19: k — 5,5111.
26
39,7
750,5
722,7
( 720,4
733.3
t
73,09
0,9844
0,006696
1,6890
13,6295
20—24: f* — 10,.'i393.
(25 und 26 als zu stark ab-
weichend fortgelassen.)
minirl
t man da
.mit die
beiden i\
so wird
nicl
it der E
^iTLck au
und fii
r äic.Ii, sondern uur der
V
Bezeichnet F den Mündungsquerschnitt in Quadrat-
metern, t die Ausflusszeit in Secunden, so ist in jeder
Secunde im Mittel pro Flächeneinheit des Mündungs-
querschnittes ein Luftgewicht
F RT.F t
(2)
ausgeströmt. Dieser Werth ist in der H. Columne der
Tabellen angegeben.
Es fehlt noch die Bestimmung des bei der jedej?-
maligen Combination von Mündungen dem inneren mitt-
leren Constanten Drucke />,„ entsprechenden niittleren
äusseren Druckes p^,, Diese kann nun leicht mit Hilfe
je der zugehörigen Versuche über Pressungen vorge-
nommen werden. Dji aber für die \veiteren Rechnungen
Quotient p^^ipm wichtig ist, so habe ich gleich diesen
in Function von p,„ graphisch interpolirt und in Co-
lumne 7 der Tabellen aufgenommen. Die genaue Ein-
zeichnung und nachherige Benutzung einer continuir-
lichen Curve bot allerdings namentlich bei den kleineren
Weithen von j>,„ manchmal Schwierigkeiten, da die
Curve dort ziemlioh steil ansteigt und sich verhältniss-
massig nur wenige Punkte direct bestimmen lassen. Die
weiteren mit diesen Werthen des Quotienten noch zu
berechnenden Grössen werden daher auch Abweichungen
erwarten lassen. Ich hätte allerdings "rückwärts aus
der Art dieser Abweichungen eine Correctur der Curve
herleiten können, habe es aber unterlassen, da ich ein
solches Vorgehen jedenfalls für willkürlicher halte, als
eine möglichst sorgfältige graphische Interpolation di-
rect aus den gegebenen Punkten. Eine Veit)ffentlichuug
dieser, sowie anderer bei der Untersuchung benutzter
Curven muss ich unterlassen; in kleinem Massstabe
481
atmosphärischen Luft durch gut abgerundete Mündungen.
482
gezeichnet, haben sie keinen Werth und die Grösse, in
der ich sie benutzt habe, übersteigt das in dieser Zeit-
schrift verfügbare Format.
Nach diesen Vorbereitungen konnte ich nun zu
einer Vergleichung der Versuchsresultate mit den theo-*
retischen Formeln übergehen. Für das in einer Secunde
ausgeströmte Luftgewicht findet man bekanntlich den
Ausdruck :
Versuche über Ausflussmengen.
V. Reihe.
1
Nr.
2
t
Pl
d==7,oo"*".
A) dl =4™«». 6 = 730,4.
1
13,4
3233,9
3057,5
3150,7
346,62
0,9720
2
15,2
3098,5
2916,3
3004,2
326,34
0,9723
3
14,8
1 '
2953,9
2792,2
2873,0
307,13
0,9726
4
! 19,2
2821,4
2620,3
2723,3
288,20
0,9729
5
19,8
' 2660,1
2462,6
2561,3
269,78
0,9732
6
20,0
2504,4
2321,4
2412,2
251,97
0,9736
7
19,8
2357,5
2186,6
2269,2
237,70
0,973'J
8
19,8
2220,3
2053,0
2136,2
221,95
0,9742
9
19,6
2092,2
1940,7
2015,1
208,64
0,9744
10
20,2
1973,0
1827,6
1898,9
194,78
0,9747
11
20,0
1858,3
1720,7
1788,3
183,53
0,9750
12
20,0
1751,3
1619,9
1684,7
171,70
0,9753
13
24,2
1651,2
1506,5
1578,2
162,02
0,9758
14
24,4
1536,9
1402,8
1469,4
150,87
0,9762
15
25,2
1429,6
1300,9*
1364,4
136,81
0,9771
16
29,6
1329,1
1195,2
1260,7
126,69
0,9787
17
29,6
1219,8
1097,4
1157,5
113,24
0,9803
18
40,3
1122,1
988,4
1050,7
96,71
0,9828
19
39,9
1008,5
899,8
950,4
79,45
0,9862
20
40,1
916,1
833,8
871,7
61,68
0,9897
21
50,1
844,0
780,9
769,9
801,6
43,19
0,9937
T, = 273 + 15,0
.
0,008127
1,8608
11,2796
0,007926
1,8376
11,1972
0,007685
1,8095
1 11,0844
0,007514
1,7892
11,0191
0,007437
1,7800
11,0219
0,007319
1,7659
11,0147
0,007361
1,7709
ll,lü76
0,007236
1,7558
11,0748
0,007187
1,7499
11,0795
0,007054
1,7335
11,0393
0,007058
1,7340
11,1067
0,006955
1,7214
11,0907
0,007054
1,7336
11,2811
0,007060
1,7343
11,3778
0,006724
1,6926
11,3153
0,006758
1,6968
11,7520
0,006399
1,6511
11,8812
0,005670
1,5542
11,9541
0,004682
1,4123
12,1065
0,003364
1,1972
11,8572
0,001949
0,9112
11,5160
Mittel von ^ aus allen
Versuchen: (t = 11,3408.
B) d, = 10™". b = 726,3. T, = 273 + 15,3.
1
9,8
3349,1
2984,5
3166,8
1010,26
0,4658
2
10,0
3060,2
2718,6
2889,4
897,52
0,4660
3
10,0
2798,3
2486,5
2642,2
828,98
0,4664
4
10,2
2556,4
2262,3 ,
2409,3
758,62
0,4702
5
10,2
2330,6
2065,3
2197,0
686,07
0,4805
6
10,6
2126,4
1869,8
1997,9
631,72
0,4973
7
10,6
1931,0
1706,2
1818,4
561,23
0,5188
8
10,6
1757,4
1551,5
1654,2
506,91
0,5468
9
10,8
1600,6
1416,0
1508,1
458,18
0,5802
10
10,2
1456,2
1293,2
1374,7
416,96
0,6151
11
11,0
1332,1
1178,4
1255,2
372,80
0,6544
12
10,2
1212,6
1083,4
1147,6
333,61
0,6956
13
10,2
1113,3
998,1
1053,8
291,29
0,7382
14
14,6
1026,6
900,4
960,6
238,96
0,7897
15
20,2
924,8
797,7
857,6
172,38
0,8726
16
19,6
823,2
761,4
744,2
777,7
108,05
0,9470
0,068019
5,3832
10,7917
0,064363
5,2365
10,4974
0,065701
5,2907
10,6053
0,066108
5,3070
10,6329
0,065041
5,2640
10,5361
0,066582
5,3260
10,6522
0,063522
5,2022
10,4118
0,062570
5,1631
10,3717
0,061598
5,1228
10,3801
0,061345
5,1123
10,5067
0,058693
5,0006
10,6150
0,056418
4,9027
10,6542
0,050987
4,6607
10,6019
0,041323
4,1959
10,2957
0,026917
3,3864
10,1564
0,012915
2,8457
10,4702
Civülngenlear X.KIII.
Mittelwerthe aus Versuch
1 — 6: il= 5,3022.
7 — 16: ft= 10,4346.
81
483
Fliegner, Versuche über das Ausströmeu der
4?
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
N,
' Nr.
i
Pi
Pi
Pm
G
F
t/'
k
f*
C) dl = 14™» 6 = 718,6. Tg = 273 + 14,8.
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
9,8
10,0
10,0
9,8
10,2
10,0
10,0
9,8
9,8
10,0
9,8
10,2
10,0
14,0
20,2
20,0
3369,0
3083,4
2817,6
2576,3
2353,7
2154,9
1969,4
1802,2
1 648,3
1509,6
1384,2
1267,9
1162,9
1065,7
982,5
887,2
791,2
738,5
3014,4 3191,0
2500,1
2282,9
2094,6
1900,9
1751,8
1599,7
1473,0
1345,4
1232,7
1135,9
1036,0
955,1
860,7
769,0
728,5
I
2657,6
2428,4
2223,9
2027,7
1860,6
1700,9
1555,5
1426,6
1306,9
1197,8
1099,2
1010,4
919,0
821,7
754,4
1000,45
0,2580
0,065638
828,36
0,2937
0,064659
764,16
0,3143
0,065885
696,40
0,3365
0,065315
624,31
0,3646
0,062924
573,98
0,3969
0,063389
528,32
0,4323
0,064214
485,86
0,4686
0,065107
439,27
0,5083
0,063149
399,25
0,5525
0,062169
367,80
0,6000
0,062954
327,12
0,6547
0,058994
285,62
0,7243
0,053227
233,68
0,7920
0,043025
163,13
0,8864
0,026259
90,46
0,9700
0,009647 ;
5,2881
5,2485
5,2981
5,2751
5,1776
5,1967
5,2304
5,2667
5,1869
5,1465
5,1789
5,0183
4,7620
4,2814
3,3448
2,0273
12,0862
11,5237
11,4125
11,1639
10,7572
10,6217
10,5581
10,5542
10,3753
10,3502
10,5714
10,5411
10,6564
10,5484
10,5405
11,8844
Mittelwerthe aus Versuc
1 — 8: k= 5,2476.
9 — 16: |i4 = 10,6838.
D) d, = 14°»'" (Vacium). b - 719,3. T, = 273 + 14,5.
1
10,0
2
9,8
3
9,8
4
10,0
5
9,8 ;
6
10,0
7
10,0
8
10,2
9
10,0
10
10,2
11
10,0 '
12
10,0
13
10,2
14
15,2
15
15,0 1
16
20,0
3374,0
3086,2
2828,4
2591,4
2370,9
2173,0
1990,2
1821,8
1666,1
1524,7
1394,6
1277,5
1165,9
1066,4
938,4
840,3
757,3
3015,6
3194,0
2764,5
2921,2
2519,7
2673,3
2299,9
2441,4
2109,4
2239,9
1932,7
2052,8
1770,8
1877,8
1617,6
1719,5
1480,2
1573,1
1356,0
1440,3
1240,4
1316,4
1134,3
1204,1
1035,3
1099,3
905,3
981,9
821,8
877,6
746,2
785,4
989,02
904,00
831,08
757,74
693,96
628,19
578,70
524,58
485,92
438,32
402,41
383,51
335,23
289,39
224,75
142,61
0,1400
0,1667
0,1927
0,2205
0,2471
0,2734
0,3011
0,3334
0,3700
0,4130
0,4694
0,5080
0,5698
0,6590
0,7715
0,8995
worin ausser den schon bekannten Grössen bedeutet:
p den mittleren constanten Druck in der Mündungs-
ebene,
X den Exponenten der adiabatischen Curve der per-
manenten Gase,
n den Exponenten der Curve ^t;" = Con8t., nach der
sich auf Grund der Zeun er 'sehen Annahmen*)
der Zustand der Luft auf ihrem Wege aus dem
*) Civiling. 1871. „Neue Darstellmig der Vorgänge beim
AiLBBtrömen der Gase und Dämpfe aus Gefässmündungen.'^
0,063970
0,063895
0,064317
0,064032
0,063826
0,062281
0,063194
0,062312
0,063448
0,061633
0,002144
0,067529
0,061839
0,057583
0,043771
0,022086
5,2205
5,2175
5,2347
5,2230
5,2146
5,1511
5,1887
5,1524
5,1992
5,1242
5,1455
5,3638
5,1326
4,9530
4,3183
3,0675
15,0452
14,0326
13,2719
12,5963
12,0898
11,6573
11,3110
10,9293
10,7687
10,4073
10,3250
10,7289
10,3668
10,4485
10,2851
10,2022
Mittelwerthe aus Yersud
1 — 11: 1= 5,1883.
12—16: |ii = 10,4063.
Inneren des Gefässes nach der Mündungseben
ändert, und zwar unter Berücksichtigung de
„Widerstände",
T^n die mittlere constante Temperatur im Innere
während des ganzen Versuches.
Die letzte Grösse sollte eigentlich auch experimen
teil bestimmt werden; es fehlen mir aber noch di
Mittel, bei sich rasch ändernder Temperatur eine An
zahl von Werthen derselben zu beobachten. Eine ge
naue Berechnung der mittleren Temperatur istaud
nicht möglich, und die Aufstellung irgend einer üj-
485
atmospb arischen Luft durch gut abgerundete Mündungen.
486
poihese ist mir von vornherein zu unsicher. Nun sind
aber die Aenderungen der Temperatur im Ganzen nicht
gross, im Maximum ein Mal etwa 18^ Gels., bei anderen
Versuchen ist das Maximum nur etwa 15^, bei lang-
samerem Ausströmen sogar noch viel kleiner. Es wird
daher als hinreichend genau erklärt werden können,
wenn ich Tm einfach gleich dem arithmetischen Mittel
aus der Temperatur T.^ beim Anfange und derjenigen
T3 am Ende des AusstrÖmens setze, und das um so
mehr, als der numerische Werth der absoluten Tem-
peratur schon an und für sich gross ist, und derselbe
noch unter der Quadratwurzel auftritt. Dann ist in
Folge des constanten Volumens während der Ausgleichung
p^v^ = ETj und |»3«'i = ^^37
folglich durch Division
fp ___ _£_3_ yr
» *. ^'
Pl
und die mittlere constante innere Temperatur
angenähert
r«=
T,+ T,_ 1 p, +p.
-*2*
(4)
2 2 |>,
Setzt man noch die Function der Pressungen in
Gl. (3)
(^)!_(-^)^' = ^, .... (5)
80 schreibt sich 61. (3) auch
(6)
In diesem Ausdrucke sind jetzt sämmtliche Grössen
experimentell bestimmt oder anderweitig bekannte
Constanten, mit einziger Ausnahme von xp^ und es lässt
sich also xp für jeden Versuch berechnen zu
^ y^ ^g ^ Pi ^Fp„,>'
oder, wenn man die Constanten einsetzt, und zwar
x = l,4i, dem noch allgemein angenommenen, wenn
auch wahrscheinlich etwas zu grossen Werthe,
U = 29,269, entsprechend dem specifischen Gewichte des
Quecksilbers von 13,596, flf = 9,80773. für Zürich, und
gleich so umformt, dass man pm in Millimetern Queck-
silbersäule einfuhren kann:
1/; = 0,00117860 r /^ ^^' (-^j ... (7)
Nach dieser Formel sind die in der 8. Golumne
der Tabellen enthaltenen Werthe von ifj berechnet.
Die Function xp ist nach Gl. (5) abhängig von dem
Pressungsverhältnisse p :pm und von dem Ausflussexpo-
nenten n. Die Pressungen sind aus den zugehörigen
Druckversuchen als bekannt anzusehen, und man könnte
daher den Exponenten n berechnen. Da aber der Aus-
druck für n transcendent ist, so würde eine solche nur
auf dem Wege des Probirens ausführbare Berechnung
für jeden Versuch ungemein zeitraubend sein. Und
dieses Vorgehen würde noch um so schwülstiger sein,
als man, wie schon hervorgehoben, die Druckcurve aus
den betreffenden Versuchen allein gar nicht genügend
genau bestimmen kann, sondern dazu vielmehr auch
die Ausfiussversuche, also die Werthe von ip^ mit her-
anziehen muss.
Ich habe daher einen anderen, theils graphischen,
theils rechnenden Weg eingeschlagen.
Zunächst habe ich im Anschlüsse an die Zeuner'-
schen Entwickelungen den Ausflussexponenten n als
eine absolut constante Grösse für alle gut abgerundeten
kreisförmigen Mündungen und alle Pressungen ange-
sehen. Dann erscheint ip als Function des Quotienten
p : pm allein. Bei den praktischen Anwendungen des
Ausflusses ist aber p nicht direct gegeben. Dagegen
ist oben nachgewiesen worden, dass der Quotient jp:jpm
eine ganz bestimmte Function des anderen Quotienten
p^,:p,n ist, und die in diesem auftretenden Pressungen
sind nun beide als stets bekannt anzusehen. Es wird
also bequemer sein, xp auch als Function dieses letz-
teren Quotienten aufzufassen. Da dieser Quotient fiir
jeden einzelnen Versuch bekannt ist (Golumne 7), so
konnte ich ip als Function von Po^Pm graphisch auf-
tragen.
Die unvermeidlichen Beobachtungsfehler lassen
natürlich erwarten, dass die Curven ip==fl — j gegen-
^ Pm
seitige Abweichungen zeigen werden, und es soll zu-
nächst die Art derselben kurz besprochen werden.
In dieser Richtung ist zuerst hervorzuheben, dass
es trotz aller Mühe unmöglich war, den Luftkessel
vollkommen dicht herzustellen. Es sind also, nament-
lich bei höheren Pressungen, Luftverluste zu erwarten.
Der nach Gl. 2 berechnete Werth von O : F giebt nun
nicht nur das während des eigentlichen Versuches
durch die Mündung ausgeströmte, sondern auch das
während des AusstrÖmens und besonders während der
Ausgleichung durch die Undichtheiten verlorene Luft-
gewicht. Den letzten Verlust könnte man für die
Beobachtung nur dann beseitigen, wenn man im Stande
wäre, T3 direct zu bestimmen; der erstere geht gar
nicht zu vermeiden. Es ist also zu erwarten, dass
sich namentlich bei den höheren Pressungen, also bei
den Anfängen der einzelnen Reihen, 0:F zu gross
ergeben wird. Dann muss aber auch nach Gl. (7) xp
31*
487
Fliegner, Versuche über das Ausströmen der
48Ä.
erst recht zu gross werden. Namentlich stark zeigt
sich dieses Verhalten bei der Reihe IV, B. Es war mir
aber schon wahrend dieser Versuche aufgefallen ^ dass
die Ausgleichung wesentlich schneller vollendet war,
als sonst. Es muss also da eine grössere nicht ent-
deckte Undichtheit vorhanden gewesen sein.
Das bedeutend grössere i/' für je den ersten
Versuch einzelner Reihen erkläre ich mir dagegen
daraus, dass ich die Temperatursenkung nach dem
Vollpumpen vielleicht nicht genügend abgewartet hatte.
Diese Temperaturausgleichung erforderte bedeutend mehr
Zeit, als die Erwärmung nach einem Ausflussversuche.
Fängt man aber zu früh an zu beobachten, so wird^jj
zu gross, und damit auch das nach Gl. (2) berechnete
ausgeströmte Gewicht (?, sowie endlich xp.
Eine zweite Abweichung, aber im entgegengesetzten
Sinne, ist zu erwarten durch die Trägheit des Mano-
meters Nr. ni, welche nun hier von bedeutendem Ein-
flüsse werden kann. Es wird nämlich dadurch die
Curve, welche zur Bestinmiung von p^ dient, zu hoch
gefunden werden, folglich auch der Werth von pn^ selbst.
Das zieht aber nach Gl. (7) einen zu kleinen Werth
von xfj nach sich. Da nun die Trägheit des Manometers
und der Betrag seines Zurückbleibens jedenfalls eher
eine constante Grösse ist, als dass sie sich angenähert
proportional mit dem Drucke ändern wird, so sind
diese Abweichungen namentlich bei den kleineren Pres-
sungen als bedeutender zu erwarten. Diesem Umstände
schreibe ich es mit zu, dass einige Versuche, haupt-
sächlich der Reihen I, C, D, E, ganz besonders kleine
xp ergaben. Möglich ist aber auch, dass eine ungenaue
Interpolation der Curve Po:pm = fiPin) daran Schuld ist.
Uebrigens sind bei den Werthen von ifj ohnehin
bedeutende gegenseitige Abweichungen zu erwarten, da
sie von sämmtlichen bei diesen Versuchen überhaupt
denkbaren Beobachtungsfehlem beeinflusst sind, nament-
lich auch den Fehlern bei der Zeitbestinmiung. Trotz-
dem folgt aus den Tabellen, und namentlich deutlich
aus einer graphischen Darstellung, mit Sicherheit, dass
ein ganz bestimmtes Gesetz für den Zusammenhang
von yj und p^ ip^ bestehen muss.
Dieses Gesetz und das Verhalten des WeiUies von
n lassen sich nun unter gleichzeitiger Berücksichtigung
der Beziehung zwischen den Pressungen (Gl. 1) er-
mitteln. Dabei muss allerdings die wohl von keiner
Seite anzuzweifelnde, auch schon anderweitig aufge-
stellte Hypothese zu Grunde gelegt werden, dass der
Werth von G (Gl. 3) bei zunehmendem Ueberdrucke
jedenfalls niemals wieder kleiner werden kann, als
er sich für das Maximum von ifj ergiebt. Dagegen |
muss einstweilen noch dahingestellt bleiben, ob er |
diesen Maximalwerth auch wirklich erreicht. Nact^
meinen älteren Versuchen wäre das nicht der Fall
wesen. Der jetzt gefundene geringere Druck in
Mündungsebene lässt es aber doch als möglich
scheinen.
Das Maximum von ifj tritt nun bekaiintlidi ein fltj.
(P.) =(-1-);:^
(S)
(■
berechnet man diesen Quotienten und auch nacb
Gl. 5 das zugehörige Maximum von (/;, so findet man
für:
n = x(= 1,41) 1,39 1,37 1,35 1,33
^1 = 0,0266 0,5300 0,5384 0,5369 0,5404
Pm m
l/;„^= 0,06850 0,06545 0,06237 0,05926 • 0,056U
Wei-the von n grösser als x sind nicht berücksich-
tigt, da unmöglich n > x werden kann.
Man sieht, dass mit abnehmendem n das Verhält-
niss der Pressungen zunimmt, aber nicht bedeutend.
Die angegebenen numerischen Werthe desselben liegen
auch sämmtlich innerhalb der Grenzen, zwischen welche
es nach den Druckbestimmungen jedenfalls fallen muss,
d. i. zwischen etwa 0,5i und 0,56. Es lassen sich also
hieraus allein auf die Pressungen keine sicheren Schlüsse
ziehen, sondern nur der schon angedeutete allgemeine,
dass der tiefste Punkt der Druckcurve, für ~ =0,
Pm
wahrscheinlich die Ordinate ( — I hat. Das soll auch
jetzt als Hypothese hingestellt werden.
Anders steht es mit dem Werthe von iptnax» Dieser
nimmt mit abnehmendem n auch ab, und zwar ziem-
lich rasch. Ein Blick auf eine graphische Darstellung
und die Tabellen zeigt nun, dass die Werthe von xpmax
für n=l,4i und n = l,39 entschieden zu gross sind.
Der erstere Werth würde noch über den ersten Wer-
then der Reihe III, C liegen, det letztere etwas über
denselben Werthen von II, B. Die Werthe für n:^l,S5
und 1,33 sind dagegen ebenso entschieden zu klein, da
sie ipfnax <C 0,06 ergeben würden. Es scheint also der
richtige Werth von n in der Nähe von 1,37 zu liegen,
wenigstens für pQ:pm = 0. Ob er sich weiterhin än-
dert, konnte nur durch Berechnung mehrerer Druck-
und i/;-Curven entschieden werden. •
Ich hatte daher schon vorher für einen grösseien
Werth von n aus dem damit nach der oben ange-
stellten Hypothese fest gegebenen Anfangs- und dem
gleichfalls gegebenen Endpunkte (Po:pm=P»Pm = i^)*
sowie aus einigen graphisch interpolirten Zwischen-
punkten der Druckcurve diese nach der Methode der
189
atmosphärischen Luft durch gut abgenmilete MünduDgen.
490
ileinsteu Quadrate als Hyperbel berechnet; ebenso die
ugehörige i/'-Curve. Die Druckcurve stimmte gut, die
ff-Curve dagegen lag entschieden in ihrer ganzen
tätige zu hoch, doch so, dass ich schliessen konnte,
ine Verkleinerung von n und eine geringe Erhöhung
ler Druckcurve auf ihrer ganzen Länge werde bessere
Jehereinstimmung geben. Ich habe daher die Druck-
curve nicht mehr frisch nach der Methode der kleinsten
^uadi'ate berechnet, sondern dieselbe nur bei festge-
i£kltenem obersten Punkte (|?„ :pm = p :pm = 1) pro-
>ortional der Veränderung des untersten Punktes ver-
schoben.
Nach mehi*fachen Versuchen bin ich dann bei
n = 1,37
stehen geblieben, welchem Werthe auch die in Gl. 1
gegebene empirische Formel für den Zusammenhang
der Pressungen entspricht. Zur Vergleichung der di-
recten Beobachtungsresultate mit den von mir als
wahrscheinlich hingestellten Beziehungen gebe ich nach-
stehend einige Werthe von — nach G-l. (1) und von ip
nach Gl. (5) mit n = 1,37.
Pm
P_
Pm
?/; =0,06237 0,06237 0,06237 0,06236 0,06234 0,06217 0,06010 0,05730 0,06318 0,04773 0,04089 0,03275 0,02319 0,01228
-=0,00 0,10 0,20 0,30 0,40 0,50 0,60 0,65 0,70 0,75 0,80 0,85 0,90 0,95 1
Pm
— =0,5334 0,5352 0,5375 0,5399 0,5447 0,5604 0,6235 0,6677 0,7141 0,7610 0,8086 0,8562 0,9041 0,9520 1
Diese berechneten WeiiJie von ifj weichen zwar von
den beobachteten im Allgemeinen in dem Sinne ab,
dass sie anfangs, also bei grossem Ueberdrucke , etwas
zu klein, späterhin eher etwas zu gross sind. Genau
diese Abweichung konnte aber oben aus der Art der
Beobachtungsfehler, anfangs Undichtheiten des Appa-
rates und später Trägheit des Manometers, als wahr-
scheinlich hingestellt werden. Ich hätte allerdings die
Werthe von i/^ in noch bessere Uebereinstimmung mit
den directen Versuchswerthen bringen können, ich hätte
dazu nur die Druckcurve (Gl. 1) für geringeren Ueber-
druck heben, für grösseren dagegen eher senken müssen,
aber in einem Betrage, der mir doch nicht gerecht-
fertigt erschien. Ein anderes Mittel wäre auch ge-
wesen, n variabel anzunehmen, aber auch dieses halte
ich nach den Versuchen nicht für nöthig.
Ich glaube also jetzt folgende Resultate als durch
lie Versuche bewiesen ansehen zu können:
1) Der Zeuner'sche Ausflussexponent ist constant,
und zwar w = 1,37, für x= l,4i.*)
2) Der kleinste Wertli von p : p^n entspricht dem
Maximum von tp und tritt ein für pQ:p^ = 0.
3) Weiterhin lässt sich das Verhältniss p:pm mit
vollständig genügender Genauigkeit aus der
empirischen Gleichung (1) berechnen.
4) Der dem Maximum von i/^ entsprechende Maxi-
malwerth von G wird für pQ:pfn = wirklich
eiTeicht (p^n und T,» constant vorausgesetzt).
5) Weiterhin nimmt G mit abnehmendem ijj gleich-
falls ab.
Die Resultate 1, 2, 4 sind schon anderweitig als
Hypothesen aufgestellt worden, 2 und 4 wurden aber
nicht blos für den einen Punkt p^ip^^^sQ geltend an-
genommen, sondern so lange, als ungefähr i)o*i'm<lO,5
blieb. Das letztere ist nun entschieden nicht der Fall,
wenn man auch allenfalls diese Annahmen zur Her-
leitung von Näheningsformeln benutzen könnte.
Die Aufstellung von solchen einfacheren Nähe-
rungsformeln ist allerdings sehr wünschenswerth,
da eine Benutzung der genauen Formeln bedeutende
Rechnungen erfordert. Als gegeben hat man nämlich
im Allgemeinen anzusehen die inpere und die äus-
sere Pressung. Dann müsste man zunächst aus der
nicht besonders einfachen Gl. (1) den Druck in der
M ün dun gs ebene bestimmen, und endlich aus der
noch unbequemeren Gl. (3) G oder vielleicht auch F.
Die Berechnung einer der Pressungen aus anderen
gegebenen Stücken wäre noch viel umständlicher, da
Gl. (3) für beide darin enthaltene Pressungen trans-
cendent ist.
Nun hatte ich schon bei meinen früheren Ver-
suchen gefunden, dass man die von Napier für Dampf
I aufgestellten Näherungsformeln auch ganz gut für Luft
! verwenden könne, natürlich mit durch die verschiedene
; Beschaffenheit der Körper bedingten Aenderungen, so
I namentlich mit Einführung der Temperatur. Meine
damaligen Formeln würden hier lauten für:
i -jL<o,5, |=A ^ (9)
*) Eine Aenderung von x würde natürlich auch eine geringe
/ienderung der Druckcurve und eine etwas beträchtlichere von n
rar Folge haben.
Pm r
=.v
Po{fm — Po)
, . (10)
m
worin X und fi Constanten sind, und zwar noch /d = 2L
491
Flieg ner, Versuche über das Ausströmen der
i^2
l und fii lassen sich aber für jeden einzelnen Versuch
leicht berechnen. Aus Gl. (9), (3) und (5) folgt näm-
lich, wenn man die constauten Zahlengrössen gleich
zusammenfasst:
A = /426,039T/^ (11)
während sich aus (9) und (10) direct nach leichter
Umformung
(1=
ergiebt, wenn man vorher -^ für alle Pressungen
nach Gl. (9) berechnet hat. Die W^erthe von l und ^
sind in den Columnen 9 und 10 in die Tabellen auf-
genommen, und zwar sind für alle Versuche beide
Werthe berechnet.
Die Werthe von l zeigen sich nun wirklich, so
lange |>o • Pwi < 0,5 ist, als angenähert constant, nach-
her dagegen nehmen sie rasch ab. Nur bei der Reihe
IV, B nimmt l von Anfang an ab, wenn auch zunächst
laugsamer. Diese Reihe ist aber, wie schon oben her-
vorgehoben wurde, nicht so zuverlässig, da jedenfalls
durch unbemerkte Undichtheiten am Apparate bedeu-
tendere Luftverluste stattgefunden haben. Die Werthe
von fi nehmen dagegen anfangs ab, um ihrerseits für
1>() •l'm]> 0,5 angenähert constant zu bleiben. Einzelne
Reihen, wie I, D; 11, A; IV, A, zeigen allerdings eine
entschiedene Abnahme, denselben stehen aber andere
gegenüber, wie IV, B; V, A, bei denen ein» entschie-
dene Zunahme zu erkennen ist. Man wird also auch
fi im Mittel constant annehmen dürfen. Ferner zeigt
sich auch aus allen Reihen, bei denen A und jCi zu be-
rechnen waren, der Mittelwerth von /u etwa doppelt so
gross, als der von L Die früheren Näherungsformeln
werden also auch auf Grund dieser Versuche benutzt
werden dürfen.
Doch wäre es nicht richtig, einfach die Mittelwerthe
von k und /u aus allen Versuchen zu nehmen, es wäre
dann der Undichtheit des Apparates bei höheren Pres-
sungen keine Rechnung getragen. Besser ist es, von
der Gurve der x^f auszugehen, ip nimmt auf der Strecke
Pi^:pm = bis 0,5 von 0,06237 bis 0,062i7 ab, also nur
sehr wenig, und das noch am Anfänge ungemein lang-
sam. Das danach berechnete l ändert sich also auch
nur sehr wenig, so dass auch hiernach die Einführung
eines constanten Mittelwerthes vollkommen zulässig er-
scheint.
Die Näherungsformeln sind aber namentlich für
Rechnungen der technischen Praxis bestimmt. Dabei
sind die Pressungen im Allgemeinen in Atmosphären
gegeben, wenn es sich um grössere Pressungen handelt,
bei kleinerem Drucke dagegen in Wassersäule, die sich
aber sehr einfach, nämlich nur durch Verschiebung des
Komma, auf die neue Atmosphäre reduciren lässt. In
Quecksilbersäule wird der Druck meistens nur ange-
geben, wenn es sich um genauere Resultate handelt,
und da ist es ohnedies besser, nach den genaueren,
wenn auch umständlicheren Formeln zu rechnen. Man.
wird also die Formel so einzurichten suchen, dass sie,
wenn man den Druck in Atmosphären einsetzt, mög*
liehst einfache Zahlencoefficienten erhält. Das würde
nicht der Fall sein, wenn man k auf die obige Art^
berechnet. Nimmt man es dagegen etwas grösser, so
kann man setzen:
A = 3800, /i = 7600, i> ia Atmosphären (zu LOOOO»).
oder
i = 5,1666, /! = 10,3330, jp in Millmtr. Queckslbr.
Eine Vergleichung mit den in der Tabelle berech-
neten Werthen von l und f.i zeigt, dass die angenom-
menen Mittelwerthe für alle praktischen Rechnungen
durchaus genügende Genauigkeit erwarten lassen. Da-
gegen sind sie um etwa 4 Proc. kleiner, als die in
meiner früheren Mittheilung enthaltenen : l = 5,87n,
fi = 10,7456. Die damaligen Versuche ergaben aber
auch, mit Ausnahme einer einzigen Reihe, etwas kleinere
Werthe der Ausflussmengen, und dabei war noch der
eine Umstand gar nicht berücksichtigt, auf dessen be-
deutenderen Einfluss ich erst jetzt aufmerksam geworden
bin, nämlich die Undichtheiten des Apparates, nament-
lich bei höheren Pressungen. Mit den neueren kld-
neren Goefficienten rechnet man übrigens auch sicherer.
Aus dem jetzt bekannten Ausflussexponenten n
lässt sich nun noch der auch von Hm. Prof. Zeuner
eingeführte „Widerstandscoefficienf ^ berechnen.
Nach Gl. (24) seiner oben schon erwähnten Abhand-
lung : „Neue Darstellung der Vorgänge beim Ausströmen
der Gase u. s. w." (Civiling. 1871) ist derselbe:
i=
(13)
x(n — 1)
Setzt man x = l,4i, w==l,87 ein, so wird
{;= 0,0767.
Bei Wasser ist dieser Coefficient für eine gut
abgerundete Mündung bekanntlich
f = 0,068,
also kleiner. Da nun die Molekularkräfte bei Luft
verschwindend klein sind, bei Wasser dagegen nicht,
495
Flieguer, Versuche über das Ausströmen der
496
der Widerstände nach den Zeun er 'sehen Anschauungen
eine, aber nicht von aussen kommende, Wärmemenge
ÄdW mitgetheilt, welche nach Zeun er auch propor-
tional der Temperaturänderung ist; d. h., wenn c„ eine
weitere Gonstante bedeutet:
AdJr= — o„,d7 (18)
Die Grundgleichung für die Zustandsänderung des
Gases, so lange sie umkehrbar erfolgt, ist dann
(Gl. II der Zeun er 'sehen Abhandlung):
dQ-\-AdJr=A{dir+pdv)
oder gleich fiir permanente Gase und nach Gl. (15)
und (18):
Of)dT'\-' Ap dv = — (jßq ■■\-Ciß)d7.
Wenn man hier die Glieder mit d T auf der linken
Seite zusammenfasst, T nach der Zustandsgieichung
durch p und v ersetzt, dann mit A diyidirt und be-
rücksichtigt, dass
A R = Cp — c^
ist, so folgt die Differentialgleichung des Gesetzes der
Zustandsänderung zu:
.^l±h±.'-.d{pv)+pdv=0.
Cp — Cr
Diese Gleichung ergiebt, wenn man noch die ein-
fachere Bezeichnung
n= '^t''1"'" (19)
Cv-r Cq -f-Cte
einführt, nach leichter Reduction als Aenderungsgesetz
selbst:
pv*' = C(mst, (20)
also das vorhin schon benutzte Gesetz.
Der Widerstandscoefficient ^ ist nun der
Quotient aus der auf Widerstände verlorenen und
der nützlich verwertheten Arbeit, d. h. nach Gl. (18)
und (17):
f=i^=-^ (21)
an Cp "T" Cq
Dividirt man nun Gl. (19) im Zähler und Nenner
mit Cp + Cq und setzt noch
(22)
80 ei^ebt eine ein&che Umformung:
_ (i+S:)( « + v)
Hieraus folgt endlich durch Umkehrung:
n
(23)
c. _ x-fv — n (l + v ) _ X — n -- v (n — 1) .
^~ (x + v)(n— 1) x(n— i)-|-v(n — 1 * ^ ^
Für v=0, d. h. bei Vernachlässigung einer Wärme-
mittheilung von aussen, gehen die beiden letzten Glei-
chungen in die betreffenden Zeuner'schen über. Aus
der zweiten Form der Gl. (24) sieht man dann, dass
mit zunehmendem v^ also nach Gl. (22) zunehmendem
Cq oder nach Gl. (15) auch wachsender Wärmemitthei-
lung seitens der Mündungswandungeu , t wirklich ab-
nimmt, da das Glied mit v im Zähler subtractiv, im
Nenner additiv auftritt.
Eine Wärmemittheilung seitens der Mündungswan-
dungen müsste von folgenden Umständen abhängig sein:
Die Temperatur im Inneren des Ausflussgefässes nimmt
während des Ausströmens ununterbrochen ab, folglich
muss auch die Temperatur in der Mündungsebene stetig
sinken. Die Mündungswandungeu werden sich also
auch immer mehr abkühlen, die verlorene Wärme aber
durch Leitung von den benachbarten Theilen des Mün-
dungskörpers zu ersetzen streben. Hat sich so die Ab-
kühlung weit genug hinaus verbreitet, so wird die
Mündung an£a,ngen, von der umgebenden Luft; Wärme
aufzunehmen, und zwar nicht nur von der äusseren,
sondern vielleicht auch von der inneren, die, wenn sie
in die Abrundung einzutreten beginnt, in Folge der
dortigen geringeren Geschwindigkeit noch eine höhere
Temperatur hat. Die Wärmeaufnahme von aussen liesse
sich durch Umhüllung mit einem schlechten Wärme-
leiter fast beseitigen. Ginge das mit der von der in-
neren Luft abgegebenen auch zu erreichen , so könnte
man aus der Abkühlung des Mündungskörpers leibht
ermitteln, wie viel Wärme die ausströmende Luft auf-
genommen hat. Auf der inneren Seite darf man aber
die Mündung natürlich nicht umhüllen, dort müssen
gut abgeinindete, in eine zur Mündungsachse normale
Ebene auslaufende, glatte Wandungen vorhanden sein.
Ich musste also auf eine solche directe Bestimmung
verzichten.
Doch habe ich auf anderem Wege wenigstens das
Vorhandensein einer derartigen Wärmemittheilung fest-
zustellen gesucht. Jedenfalls ist zu erwarten, dass eine
solche wesentlich von dem inneren Wärmeleitongsver-
mögen des Materiales abhängt, aus welchem die Mün-
dung hergestellt ist, dass sie also bei einem schlech-
teren Wärmeleiter geringer sein wird. Dann wäre t^
kleiner, und da man die eigentlichen inneren Bewe-
gungswiderstände und damit c«, jedenfalls als oonstant
ansehen darf, so würde aus Gl. (19) folgen, weil nodi
Cp^Cr ist, dass n kleiner sein müsste, als bei einem
guten Wärmeleiter.
Der einzige zur Herstellung brauchbarer Mün-
dungen geeignete schlechte Wärmeleiter ist wohl
das Holz. Ich habe also noch einige aus Buchs-
497
atmosphärischen Luft durch gut abgerundete Mündungen.
498
l
Nr.
2
t
Pt
Pi
Versuche mit Mündungen aus Buchsbaumholz.
4
P6
5
Pm
6
Pm
8
^
I. d = 3,02. 6 = 726,1. 2^ = 273 + 14,1
1
19,8
, 3392,7
2
20,0
3268,7
3
20,4
3148,2
4
20,4
3031,1
5
19,8
2918,7
6
20,0
2813,4
7
20,4
2710,7
8
20,2
2610,4
9
25,4
2515,2
10
25,0
2400,4
11
25,2
2293,2
12
25,2
2190,0
2093,0
3237,2
3313,3
3115,1
3190,9
3000,2
3072,9
2890,5
2956,7
2791,6
2854,4
2685,4
2746,3
2586,8
2648,5
2495,6
2552,0
2375,7
2443,9
2267,4
2331,7
2161,3
2225,0
2064,1
2125,6
1150,31
1106,60
1054,25
1012,01
976,75
943,14
903,10
865,63
830,18
787,57
752,12
706,94
0,2191
0,2276
0,2363
0,2456
0,2544
0,2644
0,2742
0,2845
0,2971
0,3114
0,3263
0,3416
0,080834
0,080622
0,078914
0,078567
0,078602
0,079106
0,077999
0,077231
0,077361
0,076448
0,076496
0,074025
5,8684
5,8607
5,7983
5,7855
5,7868
5,8054
5,7646
5,7361
5,7410
5,7070
5,7088
5,6158
b = 724,2. T, = 273 + 14,o.
13
30,1
2009,1
1878,0
14
30,9
1903,7
1773,1
15
29,9
1802,2
1684,8
16
29,9
1708,8
1597,8
17
40,3
1621,8
1485,2
18
40,5
1510,3
1385,4
19
40,5
1407,6
1291,6
20
40,3
1312,8
1206,0
21
50,1
1226,0
1107,5
22
50,3
1127,7
1020,5
23
50,1
1040,6
952,8
24
50,3
964,2
887,5
25
50,3
899,0
835,8
26
50,5
845,2
796,0
27
49,9
800,2
762,3
28
50,5
766,9
740,7
29
54,9
743,2
729,2
728,7
1
1941,8
.643,43
0,3730
0,073466
1835,4
603,56
0,3946
0,072258
1743,0
573,98
0,4155
0,072539
1651,1
534,66
0,4886
0,070115
1550,9
508,39
0,4670
0,071785
1444,6
465,94
0,5013
0,069527
1347,1
430,12
0,5876
0,068122
1257,1
395,76
0,5761
0,066222
1166,3
360,48
0,6209
0,063777
1071,7
318,22
0,6757
0,058820
992,2
280,19
0,7299
0,053403
922,4
238,02
0,7851
0,044569
864,5
196,59
0,8377
0,034642
818,7
163,71
0,8846
0,026865
778,3
122,55
0,9305
0,016652
751,4
86,17
0,9638
0,008844
735,5
46,85
0,9846
0,002732
5,5946
5,5484
5,5592
5,4655
5,5302
5,4425
5,3873
5,3116
5,2126
5,0060
4,7699
4,3575
3,8417
3,3831
2,6635
1,9411
1,0789
14,1872
13,9780
13,6530
13,4409
13,2871
13,1639
12,9219
12,7136
12,5629
12,3243
12,1769
11,8414
11,5687
11,3520
11,2806
11,0143
11,0846
10,8850
10,8053
10,7485
10,7441
10,6941
10,7428
10,6066
10,4187
10,5887
10,4738
10,3919
8,7616
Mittelwerthe aus:
1—17: k= 5,6986.
18—29: |ü = 10,4884.
baumholz gebohrte Mündungen untersucht. Dabei
habe ich mich aber auf das Ausströmen in die Atmo-
sphäre beschränkt, auqh habe ich nur Ausflussmengen
bestimmt und den Druck in der Mündungsebene inter-
polirt, indem ich in Gl. (1) die Coefficienten so um-
geändert habe, dass
der Punkt ^^ = ^=1
Pm Pm
natür-
lieh festgehalten wurde, für ^^ = bestimmte ich -^
Pm Pm
aus dem beobachteten Ausflussexponenten n nach Gl.
(8), und für die Zwischenpunkte nahm ich proportionale
Verschiebung an. Die Versuche sind sonst genau so
angestellt und berechnet, wie die früheren. Die erhal-
tenen Resulte finden sich in der „Versuche mit Mün-
dungen aus Buchsbaumholz'^ überschriebenen Ta-
belle mitgetheilt.
Auf graphischem Wege habe ich als passendsten
Werth von n gefunden:
« = 1,395.
Das gab für den Zusammenhang der Pressungen:
Po
J'- =0,2755 + 0,4936 -~ + 1/ 0,0643 — 0,2418 ^ + 0,230H ( ^ )",
Pm Pm f Pm Pm^
CiTiliugenicur XX III.
32
499
Fliegner, Versuche über das Ausströmen der
500
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
Nr.
t
Pt
Vi
n
fm
G
F
Pm
1/;
k
^
II
. d = 4,80«'"». 6 =
- 727,0. T, — 273 + 14,o.
1
10,4
3363,6
3176,0
3266,9
1055,21
0,2225
0,069869
5,4559
13,1174
2
10,4
3213,7
3033,9
3123,5
1017,21
0,2328
0,071034
5,5012
13,0169
3
10,4
3069,2
2899,9
2984,3
960,18
0,2436
0,069344
5,4354
12,6626
4
10,2
2932,8
2774,4
2853,6
912,30
0,2548
0,068468
5,4009
12,3945
5
10,4
2805,7
2651,7
2728,7
869,39
0,2664
0,067994
5,3822
12,1747
6
10,6
2682,2
2534,5
2604,6
816,39
0,2791
0,065802
5,2947
11,8038
7
10,0
2564,0
2427,1
2494,8
804,60
0,2914
0,069683
5,4486
11,9905
8
10,2
2454,1
2320,6
2386,9
759,43
0,3046
0,067791
5,3742
11,6770
9
10,2
2348,3
2221,5
2284,6
721,36
0,3182
0,066768
5,3335
11,4507
10
10,0
2247,8
2126,1
2182,4
695,52
0,3331
0,067996
5,3823
11,4196
11
15,4
2152,8
1978,1
2057,2
653,71
0,3534
0,067394
5,3564
11,2052
12
15,4
2015,3
1850,6
1928,2
607,08
0,3770
0,066137
5,3082
10,9531
13
15,0
1887,6
1738,8
1809,8
570,54
0,4017
0,066346
5,3166
10,8449
14
15,2
1770,7
1626,1
1696,4
538,99
0,4286
0,067334
5,3560
10,8228
15
15,2
1658,8
1527,2
1592,6
497,04
0,4565
0,065015
5,2630
10,5662
16
15,0
1555,6
1429,6
1491,3
473,90
0,4875
0,067352
5,3567
10,7168
17
20,2
1458,5
1302,2
1379,5
435,32
0,5270
0,066175
5,3097
10,6349
18
20,0
1338,4
1202,3
1268,3
395,71
0,5732
0,064829
5,2554
10,6253
19
20,0
1230,3
1133,1
1107,3
1168,0
355,81
0,6224
0,001803
5,1313
10,5846
20
21
22
23
24
25
! 24,8
1132,7
1 25,0
1026,4
25,2
934,8
25,2
860,6
25,0
803,7 !
25,0
763,7
738,8
1002,2
903,3
843,9
794,1
753,3
721,8
6 = 726,6. T2 = 273 + 14,i.
1065,6
963,0
886,2
823,7
776,4
739,4
313,68
0,6819
0,057705
4,9583
10,6461
268,16
0,7645
0,051374
4,6784
10,8704
215,46
0,8199
0,039447
4,0995
10,6683
165,26
0,8821
0,026964
3,3894
10,5101
117,10
0,9359
0,015225
2,5468
10,3981
72,89
0,9827
0,006473
1,6606
12,7356
und 1/; nimmt dann folgende Werthe an:
Mittelwerthe aus:
1 — 16: A= 5,3729.
17—25: (14=10,8626.
i>u
= 0,0
0,2
0,4
0,6
'm
\p = 0,06622 0,06621 0,06618 0,06602
Vergleicht man diese Werthe von xp mit den Wer-
then der Tabelle, so stimmt anfangs nur die III. Reihe
gut, die I. namentlich weicht stark ab, die II. weniger,
die IV. wieder etwas mehr. Die letzte Abweichung
kann ich nur auf Undichtheiten schieben, wenigstens
dauerte die Ausgleichung nicht so lange^ als ich er-
wartet hatte.*) Bei den Reihen I und II Hess dagegen
*) Das Auftreten von Undichtheiten bei einzelnen Versuchs-
reihen, während der Apparat bei anderen dicht war, könnte auf-
fallen. Ich will daher in dieser Richtung noch bemerken, dass
z. B. das eine Hähnchen (7) an einem Tage dicht war, am an-
deren Hess es etwas Luft durch, so dass das Quecksilber im
0,6
0,7
0,8
0,9
0,06381 0,05646 0,04335 0,02459
die Dichtheit des Apparates nichts zu wünschen übrig.
Die sehr ^bedeutenden Abweichungen der Reihe I na-
mentlich kann ich nun nicht allein auf einen Fehler
in der Ausmessung des Mündungsdurchmessers oder
auf sonstige Beobachtungsfehler schieben. Ich Yemmthe
vielmehr, dass der starke Ueberdruck in der Mündungi-
ebene das nachgiebigere Holz auseinander gedrückt imd
so den Mündungsquerschnitt wahrend des Ausströmens
Heber stieg, am dritten Tage war es wieder dicht M^mOwid
war es dabei von einem Tage zum andern nicht einmsl bertkhit
worden. Es scheinen dabei Temperatoreiiiflflne mit im SpMe
zu sein.
501
atmosphärischen Luft durch gut abgcruudete Müudungeu.
502
.Yr.
Pi
Pa
P
m
6
F
Po
Pm
8
n>
9
10
III. ^ = 7,02™«". 6 -=723,3. T, = 273 + 16,5.
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
I^
le
10,2
10,0
10,4
10,2
10,2
10,6
10,0
10,2
10,2
10,4
9,8
10,4
10,4
10,0
15,4
15,0
15,0
3400,5
3031,5
3096,9
; 2744,5
2821,3
2504,8
2565,3
2277,7
2335,5
2047,4
2127,1
1886.,5
1932,0
1712,2
1761,2
1548,8
1604,3
1419,2
1461,2
1291,7
1330,8
1183,4
1216,6
1067,8
1110,9
985,1
1017,2
910,5
941,0
824,1
846,8
761,5
782,1
732,1
743,6
3208,9
2920,4
2661,1
2418,2
2189,4
2001,5
1821,4
1654,3
1511,1
1375,6
1256,5
1142,0
1045,0
963,0
875,7
802,2
756,1
1010,02
935,20
835,27
764,48
693,28
624,58
579,58
521,96
476,05
425,46
395,42
344,86
305,74
258,57
207,57
1 46,34
87.11
0,2254
0,2477
0,2718
0,2991
0,3304
0,3614
0,3971
0,4372
0,4787
0,5258
0,5756
0,6334
0,6922
0,7511
0,8260
0,9016
0,9566
0,066609 .
0,068734
0,066150
0,067072
0,066858
0,065391
0,067847
0,066476
0,066470
0,064047
0,066378
0,060763
0,057249
0,048196
0,037667
0,022315
0,008949
5,3271
5,4114
5,3087
5,3456
5,3371
5,2782
5,3764
5,3218
5,3215
5,2237
5,3179*
5,0880
4,9387
4,5314
4,0059
3,0884
1,9526
12,7488
12,5857
11,9326
11,6752
11,3468
10,9869
10,9879
10,7286
10,6526
10,4614
10,7595
10,5586
10,6996
10,4801
10,5666
10,3522
9,5828
Mittelwerthe aus:
1— 9: A= 5,8364.
10—17: |it = 10,4326.
IV. d = 9,92"»». 6 = 725,0. r, = 273 + 16,5.
1
10,2
3379,1
2642,7
3010,0
1000,11
, 0,2409
2
10,2
2802,1
2224,4
2505,4
814,30
0,2894
3
10,2
2332,3
1845,1
2087,3
688,81
1 0,3473
4
10,4
1934,9
1532,4
1725,8
560,65
; 0,4201
10,2
1605,1
1280,1
1437,4
462,95
0,5044
6
10,2
1338,0
1075,7
1201,8
373,87
0,6033
7
10,4
1122,3
902,6
999,2
285,75
0,7256
8
10,0
954,2
810,8
876,6
210,21
0,8271
9
10,0
835,3
765,5
747,9
788,6
123,40
0,9194
0,072883
5,5723
1 13,0307
0,070121
5,4657
12,0528
0,072282
5,5493
11,6555
0,070090
5,4645
11,0714
0,068962
5,4204
10,8412
0,064397
5,2379 ,
10,7069
0,054071
4,7996 ;
10,7564
0,038502
4,0501 j
10,7100
0,016447
2,6471 !
i
9,7241
Mittelwerthe aus:
1 — 4: k= 5,5129.
5—9: |Li== 10,5477.
^ergrössert hat. Das müsste sich dann namentlich bei
der kleinsten benutzten Mündung bemerklich machen.
Bei den grösseren tritt dieser Fehler neben den übrigen
JMitiirlich zurück.
Der weitere Verlauf der berechneten Werthe von
^ schliesst sich nicht so gut an die Beobachtungen an,
^e bei den früheren Versuchen, die berechneten Werthe
liegen hier etwas zu hoch. Es ist das vielleicht eine
f'olge davon, dass sich der Druck in der Mündungs-
öbene durch die proportionale Verschiebung der Druck-
cnrre dort zu klein ergeben hat. Vielleicht sind auch
andere Fehlerquellen mit im Spiele. Zur Erledigung
dieser Frage sind die Versuche zu wenig zahlreich.
Die entscheidende Stelle für die Bestimmung von n
liegt aber bei grossem Ueberdrucke.
Ee hat sich also wirklich der Ausflussexponent n
für die Holzmündungen grösser ergeben, als für die
aus Messing hergestellten, ein Beweis, dass die Wärme-
mittheilung von den Mündungswandungen an die aus-
strömende Luft durchaus nicht verschwindend klein ist.
Die Versuche gestatten aber nicht, den wirklichen Be-
trag dieser Wärmemittheilung zu bestimmen, also auch
nicht das gegenseitige Verhältniss von Cq und c^.
Würde man annehmen dürfen, die Holzmündung gäbe
gar keine Wärme ab, so würde man mit 1^ = und
X = 1,41 aus Gl. (24)
f = 0,0269
erhalten; ich bin aber entschieden der Ansicht , dass
auch hier eine Wärmemittheilung stattfindet, dass also
C in Wirklichkeit noch kleiner ist. Es soll sogar ein-
mal die entgegengesetzte Annahme etwas weiter verfolgt
werden, die nämlich, dass die Widerstände vollständig
zu vernachlässigen gehen, dass also die Wärmemitthei-
32*
503
Flieguer, Versuche über das Ausströmen der
504
luDg die alleinige Ursache der Reduction von n gegen-
über X sei. Dann wäre l = 0. Unter dieser Annahme
ergiebt Gl. (24)
n
n — 1
Damit lässt sich Cq aus Gl. (22) berechnen. Die
mittlere constante innere Temperatur, T^, folgt aus
Gl. (4) und dann die mittlere constante» Temperatur
in der Mündungsebene, T, aus
m
P
ist nach den angegebenen empirischen Formeln aus
'm
D
dem bekannten -^ berechenbar. Das im Ganzen aus-
Pm
geströmte Luftgewicht ist
und die demselben im Ganzen zugeführte Wärmemenge
durch Integration von Gl. (15) zwischen den Grenzen
T^ bis T:
Nimmt man dann angenähert an, .diese ganze
Wärmemenge sei vom Material der Mündung allein
hergegeben worden, ohne Ersatz von der umgebenden
Luft, so lässt sich leicht die Abkühlung t der Mün-
dung berechnen. Bezeichnet nämlich
g das Gewicht der Mündung,
c die specitische Wärme derselben, so müsste auch sein :
woraus dann r einfach bestimmbar ist. Allerdings ist
dabei auch angenommen, dass sich die ganze Mündung
gleichmässig um so viel abkühle. Das ist nun natür-
lich nicht der Fall, vielmehr werden sich die den Mün-
dungswandungen zunächst liegenden Theile stärker, die
entfernteren weniger stark abkühlen. Namentlich gross
muss diese DifiFerenz bei Holz werden, weil das innere
Wärmeleitungsvermögen desselben ein sehr geringes ist.
Eine Berücksichtigung dieser ungleichen Vertheilung
der Abkühlung würde aber zu weit führen.
Der Werth von r möge noch für zwei Versuche
berechnet werden, bei denen er besonders gross zu er-
warten ist, nämlich für Messingmündung Reihe III, C,
Nr. 1 und Holzmündung Reihe IV, Nr. 1. Für diese
beiden Fälle erhält man folgendes:
Mündung aus
MessiDg Holz
y 0,1081 0,0S80
9
T
Q
Mündung aus
Messing Holz
0,0939 0,570*)
0,360*^« 0,030^
281,8« 281,3«
238,2« 235,5"
43,6« 45,8«
0,5440 Cal. 0,2222 Cal.
T 16,1« 13,0«.
Die berechneten mittleren Abkühlungen liegen woS:^
kaum ausserhalb der Grenzen der Wahrscheinlichke^^
und das noch um so weniger, wenn man berücksichtig^
dass die beiden benutzten Versuche grössere Ausflos»-
meugen zeigen, als den interpolirten Mittelwerthen ent-
sprechen würde. Es ist daher jedenfalls nicht undenk-
bar, dass die inneren Widerstände der Luft ganz ver-
nachlässigt werden dürfen. Die Unmöglichkeit, diese
Frage jetzt [schon mit Sicherheit zu entscheiden, hat
für die praktischen Rechnungen glücklicherweise keinen
Nachtheil, da es bei solchen nur auf den Werth des
Ausflussexponenten selbst ankommt, dagegen nicht
darauf, wovon derselbe beeinflusst wird.
Dass der Ausflussexponent bei den Holzmündungen
grösser ist, als bei den Messingmündungen, hat, noch
beiläufig bemerkt, zur Folge, dass durch jene bei gleichem
Ueberdrucke mehr Luft ausströmt, als durch diese.
Daher sind auch die für Holz gefundenen Mittelwerthe
von l und // grösser, als sie früher für Messing an-
gegeben wurden.
Zur Correctur der theoretischen Ausflussformeln
ist von einigen Seiten die Einführung des sogenannten
Ausflussquerschnittes vorgeschlagen worden. Man
muss dabei in der Formel (3) für O anstatt des Druckes
p in der Mündungsebene den äusseren Druck Po ein-
fuhren. Dann darf aber nicht der Mündungsquerschnitt
F stehen bleiben, sondern man muss ihn eben durdi
den Ausflussquerschnitt, aF^ ersetzen, d. h. den-
jenigen Querschnitt, in welchem der bewegte Strahl
den äusseren Druck angenommen hat. Bezeichnet man
dann analog Gl. (5)
P
P
0,01821
0,00640
*) Die specifische Wärme von Bachsbaumhols ist noch mehi
bestünmt Ich habe statt ihrer die fQr Eichenhols gefondene be-
nutzt In Moasson, Physik, II, findet sich nur noch flür TaoiMii-
holz c== 0,654 und für Bimbaumholz c«» 0,500. Diesen
Werthen würde entsprechen rr=ii,8» und ra»14f8*.
atmospliärischen Luft durch gut abgeruudete Mtindungen.
50G
o schreibt sich Gl. (3) auch
G = ciFp,
m
V.
\9_ X
ÄT^x — 1
t/^ü
(26)
In den obigen Untersuchungen habe ich diesen
Weg nicht eingeschlagen, weil ich mich der demselben
zu Grunde liegenden Anschauung je länger je weniger
anschliessen kann.
Zunächst ist der Ausflussquerschnitt eine Grösse,
der man in keiner Weise direct experimentell beizu-
kommen im Stande ist. Der Coefflcient a lässt sich
nur indirect bestimmen, und zwar ergiebt er sich aus
den beiden Gleichungen (26) und (3) (mit 4) sofort zu :
Nun ist bei Messingmündungen für:
0,5334 1
(27)
^ =
^~— 0,5334
Pm
1/^0 =
1/; =0,06237
0,5751
0,06237
0,06189
1
0.
0,6237 ist dabei nach den früheren Entwickelungen
der Maximalwerth von xp und xp^. Aus obiger Zusam-
menstellung folgt nun, dass anfangs
i/;o<^» a.lso a>l
wird, später dagegen kehrt sich das Grössenverhältniss
um, und man hätte
t/;o>t^, also a<<l.
Der Ausflussquerschnitt wäre also dann
kleiner, als der Mündungsquerschnitt. Das
Minimum von a ist ungefähr 0,980. Ein Querschnitt
fe bewegten Strahles kleiner als der Mündungsquer-
schnitt kann nun bei einer gut abgerundeten Mün-
dung jedenfalls nicht im Inneren liegen, aussen
Aber auch nicht, da der Strahl sonst die Erschei-
nung der Contraction zeigen müsste. Es kann also in
diesen Fällen gar kein der Gleichung (26) entsprechen-
der Querschnitt vorhanden sein.
Bei einer Anzahl meiner Versuche ist es ferner im
l^öchsten Grade unwahrscheinlich, an einer früheren
Stelle habe ich mir sogar erlaubt, ganz entschieden zu
«igen: unmöglich, dass der bewegte Strahl überhaupt
jemals den äusseren Druck annimmt, nämlich bei
allen Versuchen mit einem luftverdünnten Räume vor
der Mündung. In einigen Fällen herrscht im austre-
tenden StraMe ein g^en zwei Atmosphären grösserer
Druck, als im umgebenden Räume. Bis zum Anlegen
an das äussere Rohr sinkt der Druck des sich ausbrei-
tenden Strahles jedenfalls. nicht einmal auf den Atmo-
sphärendruck, geschweige denn auf den noch kleineren
Druck vor der Mündung. Weiterhin kann dann der
Druck auch nur bis zum Atmosphärendruck abnehmen.
In diesen Fällen wäre also dieser Ausflussquerschnitt
auch vollständig imaginär.
Die Einfuhrung des sogenannten Ausflussquer-
schnittes setzt natürlich die Annahme voraus, dass
das Gesetz der Zustandsänderung ptf^ = Const. vom
Inneren des Ausflussgefässes bis in jenen Querschnitt
gelte. Diese Annahme hätte aber höchstens Berechtigung,
so lange jener Querschnitt im Inneren der Ausfluss-
vorrichtung zu suchen sein würde, also nur bei com-
plicirterer Gestalt der letzteren. Bei einfachen Mün-
dungen aber, wie die gut abgerundete Mündung, kann
der Ausflussquerschnitt jedenfalls nicht im Inneren
liegen, und dann ist die obige Annahme nicht mehr
zulässig. Die Anwendbarkeit des Gesetzes ^1;" = Const.,
sowie überhaupt der Ausflussformeln, setzt nämlich aus-
drücklich voraus, dass die Zustandsänderung des be-
wegten Gases umkehrbar erfolge. Und das geschieht
nur, so lauge der Gegendruck der Umgebung gleich
dem eigenen Drucke des Gases ist, so lange dasselbe
also von aus starrem Material hergestellten Mündungs-
wandungen eingeschlossen wird, die ausserdem keine
zu plötzlichen Querschnittsänderungen zeigen dürfen.
Sowie dagegen der Strahl die Mündungsebene verlassen,
oder sich in Folge der Art der Querschnittsanderungen
von den Wandungen der Ausflussvorrichtung losgelöst
hat, trifl't er in der umgebenden Luft voraussichtlich
immer einen kleineren Druck an, als sein eigener
ist. Die Zustandsänderung muss also sofort anfangen,
nicht umkehrbar zu werden, und dann gelten natür-
lich die alten Formeln nicht mehr. Um weiterhin
rechnen zu können, müsste man noch wissen, nach
welchem Gesetze eine solche nicht umkehrbare Zustands-
änderung erfolgt. Dieses Gesetz ist aber noch nicht
bekannt; Versuche von mir, dasselbe unter gewissen
Hypothesen abzuleiten, sind, wie schon angedeutet, bis
jetzt erfolglos geblieben.
Die gewöhnlich gegebenen Ausflussformeln gelten
also jedenfalls nur bis zur Mündungsebene, und
es erscheint daher dem Wesen der Sache entsprechen-
der, gleich den dortigen Druck in die Formeln einzu-
setzen. Man kann aber natürlich auch Gl. (26) be-
nutzen, d. h. den äusseren Druck stehen lassen und
mit a corrigiren, nur darf man dann a nicht als
Querschnittscoefficienten auffassen. Will man
diesem Factor eine besondere Bedeutung beilegen, so
507
Fliegner, Versuche über das Aasströmen der
508
müsste man ihn richtiger zu ifj^ nehmen, ihn also so
bestimmen 9 dass
a Y% F
/t/;
ist, wie er auch schon nach Gl. (27) berechnet wurde.
Auf die Berechnung der Ausgleichungstempe-
ratur, welche das ausgeströmte Gas nach seiner Beruhi-
gung unter dem äusseren Drucke annehmen würde, wenn
es dabei von dem umgebenden Gase vollständig isolirt
bleiben könnte, haben die oben gemachten Bemerkungen
keinerlei Einfluss. Nur muss man nicht unter der
Annahme rechnen, dass man es dabei mit einer von
der Verringerung der Geschwindigkeit herrührenden
Wärmemittheilung bei constantem Drucke zu thun
habe. Denn die Beruhigung beginnt unmittelbar nach
dem Verlassen der Mündungsebene, also bei einem
höheren Drucke im Strahle, als er nachher eintritt.
Man muss vielmehr direct die Arbeiten am Anfang und
Ende des ganzen Processes und die gesammte etwaige
Wärmemittheilung während desselben ins Auge fassen.
Die vom Inhalte des Gefässes auf jedes ausgeströmte
Kilogramm übertragene Arbeit ist bei constanten Pres-
sungen
Pm Vin = Ä Tm.
Bezeichnet v^* das specifische Volumen, T^,' die
Temperatur des Gases nach der Beruhigung unter dem
äusseren Drucke ^„, so hat das Kilogramm zum Ver-
drängen der Umgebung eine Arbeit
PoVf/= JÜTq
verrichten müssen. Ferner seien mit sofortiger Weg-
lassung der Integrationsconstanten Uq:
A U„, = c„T„, und A U^* = c^T^
die in Wärmeeinheiten gemessenen inneren Arbeiten
am Anfang und Ende. Ist dann noch Q die während
des ganzen Processes von den Mündungswandungen
oder sonst woher aufgenommene Wärmemenge, so muss
A V^-\-Ap^v^,-\-Qz=:AU^-^Ap^^^
sein. Führt man die Temperaturen ein und berück-
sichtigt, dass
ist, so folgt zunächst
und daraus sofort die Ausgleichungstemperatur zu
O
Man kann dieselbe also berechnen, ohne vollstän-
dige Kenntniss der Gesetze, nach denen beim ganzen
Vorgange die einzelnen Zustandsänderungen erfolgen.
weil man am Anfange und Ende umkehrbare Pro-
cesse substituirt hat.
Für Q=0 erhält man das bekannte Resultat, dass
die Ausgleichungstemperatur gleich der inneren Tem-
peratur wird. Findet dagegen eine Wärmemittheilung
statt, und nach meinen Versuchen ist das wirklich der
Fall, so wird ^>0 und To'>^«. Beobachtet ist
eine solche Temperaturerhöhung allerdings nie worden,
was bekanntlich mit zu der Annahme Q = geführt
hat. Die Berechnung von T^ erfolgt aber unter der
ausdrücklichen Annahme, dass der sich ausbreitende
Strahl von der umgebenden Luft vollkommen isolirt
bleibe. Das ist nun in Wirklichkeit nie der Fall, man
hat es vielmehr mit einer Mischung zu thun, und dabei
kann die geringe Luftmenge, welche ausströmt, und die
kleine Mehrwärme, welche sie mitbringt, auf die grosse
Luftmasse im Experimentirlocale keinen mjerklichen
Einfluss ausüben. Dazu kommt noch, dass der äusseren
Luft diese mitgetheilte Wärmemenge, wenn auch aller-
dings in etwas längerer Zeit, durch die sich wieder
erwärmende Mündung auch wieder entzogen wird.
Zum Schlüsse muss ich noch kurz darauf hinweisen,
dass und warum ich einen schon früher von Weis-
bach und neuerdings wieder von Emil Herrmann
in Schemnitz*) für die Berechnung derartiger Versuche
vorgeschlagenen Weg nicht eingeschlagen habe. Danadi
geht man nämlich von der Hypothese aus, dass man
die Zustandsänderung im Inneren des Ausflussgefasses
genügend genau als eine adiabatische ansehen dürfe.
Dann wäre allerdings die weitere Verwerthung der Ver-
suchsresultate eine wesentlich sicherere.
Schon der einfache Verlauf des Versuches zeigt
aber, dass diese Annäherung jedenfalls zu weit geht
Unmittelbar nach dem Aufhören des Ausstiömens be-
ginnt nämlich der Druck sofort so rasch zu steigen,
dass man daraus schliessen muss, es habe auch wäh-
rend des Ausströmens eine an Intensität schnell zu-
nehmende Wärmemittheilung stattgefunden. Direde
Versuche von Zeuner, auf die derselbe Civiling. 1874,
S. 9 oben, hinweist, haben das auch vollkommen be-
stätigt. Da aber dort keine numerischen Angaben ge-
macht wurden, so mögen hier noch einige Platz finden.
Unter der Annahme einer adiabatischen Zu-
standsänderung im Inneren seien die Bestimmungsstücke
der einzelnen Zustände:
^2» ^2» ^2 ^^ Anfange des Ausströmens (wie sonst),
Pay Vi, Ta „ Ende „ „
Pi» Vp ^2 99 99 der Ausgleichung (wie sonst).
*) Zeitschrift des österr. Ingen, u. Arch.-yer. 1876, S. 87.
)9
atmospliärischeu Luft durch gut abgerundete Mündungen.
510
Zwischen diesen Grössen müssten dann folgende
eiden Beziehungen bestehen:
Daraus würde sich der Enddruck des Ausströmens
^rechnen zu:
-="(t)"
11
12
13
1009,0
980,4
953,8
1003,6
976,6
950,7
0,156 0,109 0,091 0,025
P2
Hat man dagegen Wärroemittheilung, so wird der
ruck nicht so rasch sinken, und der beobachtete
addruck p^ muss werden :
Ps^Pa-
Ich habe nun für eine Anzahl der in meiner £rü-
ren Mittheilung (Civiling. 1874, S. 37 u. flgd.) ent-
Itenen Versuche den Werth von pa berechnet, näm-
h für die ganze Tabelle V (Versuche von Hrn. Prof.
Nr. 10
• p^ = 1035,7
Pa = 1031,2
^^—^= 0,115
P2 — P^
Für die sämmtlichen Versuche der Tabelle X, I
it der letzte Quotient, unregelmässig schwankend,
ischen die Grenzen 0,i57 und 0,i75.
Es sind das Abweichungen, welche die Annahme
liabatischer Zustandsänderung unzulässig erscheinen
ssen. Und wenn Hr. Prof. Herrmann trotzdem sehr
ite Uebereinstimmung zwischen seinen Rechnungen
id den Versuchen findet, so hat das seinen Grund
irin, dass er noch zwei weitere Annäherungen macht,
e das Rechnungsresultat im entgegengesetzten Sinne
leinflussen. Einmal nimmt er nämlich an, das Gesetz,
ich welchem das Gas auf seinem Wege zur Mündung
inen Zustand ändert, sei auch das adiabatische,
ihrend der Exponent kleiner ist, etwa 1,37. Sodann
Zeuner mit kurzer Ausflusszeit von im Mittel 10")
und für Tab. X, I (eigene Versuche mit langer Aus-
flusszeit von 53,8 bis 61, o"). Nur in einem einzigen
Falle, Tab. V, II, 15 hat sich p« gleich p^ ergeben,
sonst stets kleiner, am Anfange der Tabelle V um
12—13"», bei Tab. X, I abnehmend von 113,5 bis
43,2 ™™ Quecksilbersäule. Richtiger ist es aber, die Ab-
weichung p^ — 2^a gegenüber der wirklich eingetretenen
Drucksenkung ^jj -- JP3 zu berechnen, also den Quotienten
~ — --, Dieser wird nun für Tab. V, I anfangs etwa
Pi —Ps ^
0,100, am Ende 0,027. Die Tab. V, II enthält Versuche
bei kleinen Pressungen und Versuchszeiten, also auch
kleinen Temperatursenkungen, bei denen folglich auch
nur eine geringe Wärmemittheilung zu erwarten ist.
Doch ist, mit der einzigen vorhin schon erwähnten Aus-
nahme, auch hier noch eine ganz bedeutende Wärme-
mittheilung vorhanden, und die 10 letzten Versuche
ergeben :
14 15 16 17 18 19
925.6 903,6 882,9 863,3 843,7 826,i
924.7 903,5 881^ 861,5 842,3 824,9
0,049 0,066 0,054 0,050
setzt er bei Berechnung der Tabelle V, I den Druck in
der Mündungsebene constaut gleich 0,5266 des inneren
Druckes, während derselbe in Wirklichkeit grösser ist.
Vielleicht würde das von Hrn. Prof. Grashof an-
genommene Gesetz für die Zustandsänderung im In-
neren, nämlich pt?*' = Const., bessere Uebereinstimmung
geben. Untersucht habe ich diese Frage aber nicht,
da ich bei Nachrechnung meiner Versuche nicht gern
angenäherte, mehr empirische Formeln benutze, sondern
lieber direct vorgehe, unter Umständen auf graphischem
Wege. Das wahre Gesetz der Wärmemittheilung und
Zustandsänderung aufzustellen, dürfte aber jedenfialls
sehr schwierig sein.
Zürich, Mai 1877.
Zur Literatur der Geodäsie.
Von
Prof. A. Nagel in Dresden,
III. Tachymetrie.
1) La Celerimensura cogli strömen ti comuni*) (a divisione sessagesimale, senza lente anallatica). Tavole di kSena, kCoBay Tanguy
Cotatfgct di minuto in minuto, da 0® a 360°. Tavola di ridozione all* orizzonte {kOos^a) e Tayole altimetriche (k Tonga)
deir Ingegnere Giuseppe £rede, Professore di Geometria pratica e Gostruzioni nell' Istitato Tecnico Proyindale di
Firenze. ' Pistoia, Tipografia Niccolai, 1875.
2) Marcks & Balke (Technisches Bureau), Das Terrain -Relief, seine An&ahme mittelst distanannessender Winkelinstromente
und seine Darstellung mittelst Horizontalcurven. Unter Beifügung einer Tachymeter-Tabelle kurz dargestellt. Selbstverlig
der Verfasser. Berlin SW., Grossbeerenstrasse 63.
3) Franz Ereuter, das neue Tacheometer aus dem Reichenbach^schen mathematisch -mechanischen Institute in München.
Ein Universalinstrument für alle .Feldarbeiten des Ingenieurs. Mit 6 lithograph. Tafeln und 38 Seiten Text Brfinn
(Winiker) 1876.
4) C. Wagner 's Tachygraphometer. Von Prof. Dr. W. Tinte r. (Separat- Abdruck der Zeitschrift des österr. Ingenieur- und
Architekten- Vereins 1876. V.— VIII. Heft.)
Unter dem Namen Tachymetrie versteht man in
neuerer Zeit eine Methode der Aufnahme von Schich-
tenplänen mit Hilfe eines Theodoliten, der mit einem
distanzmessenden Fernrohre versehen ist und daher die
gleichzeitige Ablesung der Horizontal- und Vertical-
winkel, sowie der vom Instrumente aus gerechneten
Entfernungen gestattet. Man ist sonach im Stande,
von einem Aufstellungspunkte aus alle drei Coordinaten
eines jeden sichtbaren Punktes zu bestimmen, nach
einer Methode, deren Erfindung dem Mailänder Pro-
fessor Porro und deren Ausbildung dem französischen
Ingenieur Mo in ot zugeschrieben wird, die aber, worüber
fast alle sachverständigen deutschen Schriftsteller einig
sind, durchaus kein neues Princip enthält. Auch die
besonders zu dieser Aufnahmemethode construirten In-
strumente von Richer in Paris und G. Starke in
Wien, Tacheo- und Tachymeter**) genannt, sind nichts
weiter als Theodoliten mit distanzmessendem Femrohr
*) Die SchnellmesskuDst mit gewöhnlichen Instrumenten.
**) Wir ziehen die von dem griechischen taxvq, schnell, ab-
geleitete Benennung „Tachymeter** (Schnellmesser) vor, da man
unter Tacheometer einen Schnelligkeitsmesser verstehen kann,
unter welchem Namen Instrumente auftreten, mit denen man Ge-
schwindigkeiten , z. B. der Eisenbahnzüge, misst. Da übrigens
und Bussole. Den zur bequemeren Ausredmung der
Distanzen und Höhenunterschiede angewandten logarith-
mischen Rechenschieber, sowie den auf Kartenpapier
gezeichneten Transporteur zum Auftragen der gemes-
senen Horizontalwinkel rechnet man in der Regel zum
Tachymeterapparate.
Die im U. Artikel besprochene neue Auflage von
Hartner's niederer Geodäsie enthält, wie daselbst be-
merkt wurde, einen Anhang, welcher sich sehr ausführ-
lich über die tachymetrische Aufnahmemethode ver-
breitet, dabei sich einestheils dem Werke von Moinot:
„Leves de Plans ä la Stadia'^ anschliesst» aber auch
zugleich die reichen Erfahrungen verwerthet» die öster-
reichische Ingenieure schon seit mehreren Jahren mit
dieser Aufnahmemethode gemacht haben.
Die neue Auflage des v. Bauernfeind'scheD
Werkes, Elemente der Vermessungskunde, beecfareibt
zunächst in der I. Abth., S. 404, das Tacheometer von
Moinot und in der II. Abtheilung, Seite 321, die
der eigentliche Schnellmesser der ausübende Ingenieur Min loD»
und man mit dem in Rede stehenden Instmmente im Stande Irtr
alle Bestimmungen für die Lage eines Ponktes von eiiiea
Standorte des Instrumentes aus zu machen, so wtirde Jedoifidb
die Benennung Pantometerfür dasselbe beieidmendar
513
Nagel, Zur Literatur der Geodäsie.
514
Anwendung desselben zur Aufnahme der Horizontal-
curren.
An letztgenannter Stelle sagt y. Bauernfeind:
„Seit man den Universalinstrumenten, welche
Theodolit, Nivellirinstrument und Distanzmesser
zugleich sind, den Namen „Tacheometer" bei-
gelegt hat (seit 1865), giebt es auch eine „Ta-
cheometrie der Terrainaufnahme** und viele
Ingenieure scheinen zu glauben, dass mit der
Erfindung dieser Namen auch neue Gattungen
von Messinstrumenten und Aufnahmsmethoden
ins Leben getreten seien. Das ist jedoch keines-
wegs der Fall, denn die Ertel'schen und
S t a m p f e r 'sehen Universalinstrumente bestehen
seit mehr als 40 Jahren, und es ist bereits
über 30 Jahre , dass der Verfasser und sein
College Prof. Culmann das erstgenannte In-
strument bei der Terrainaufnahme für den Bau
der bayerischen Südnordbahn durch das Fichtel-
gebirge fast ganz in der Weise verwendet haben,
welche vor Kurzem von Porro in Italien und
Moinot in Frankreich so lebhaft empfohlen
wurde. Nur vom Rechenschieber, der gegen-
wärtig ein wesentliches Zubehör des Tacheo-
meters ist, haben wir damals keinen Gebrauch
gemacht.''
Referent kann sich diesen Ausführungen nur an-
schliessen und constatiren, dass er bereits im Jahre
1849 von der bayerischen Tracirungsmethode unter Zu-
grundelegung von Schichteuplänen, d. h. von der Lö-
sung der Aufgabe, die kürzeste und dabei sich mög-
lichst der Erdoberfläche anschliessende Linie zwischen
zwei gegebenen Punkten innerhalb gegebener Grenzen
der Steigungen und Curven zu ermitteln, ebenso Kennt-
niss erhalten hat, wie von der dabei angewandten, von
dem bayerischen See tions- Ingenieur Brückner erfun-
denen rationellen Massenvertheilungsmethode, welche
erst später, im Jahre 1856, durch Professor Bauern -
f eind unter dem Namen „Massennivellement" veröfiFent-
licht mirde. Seit 1849 ist Referent bestrebt gewesen,
seine Studirenden mit diesen vorzüglichen bayerischen
Methoden bekannt zu machen , wenn er auch die Auf-
nahme der Schichtenpläne meist nach anderen, für seine
speciellen Uebungeu und die damit verfolgten Zwecke
ihm geeigneter erscheinenden Methoden hat bewirken
lassen, üebrigens dürfte nicht unbekannt geblieben
sein, dass die im Jahie 1828 durch Herrn Pauli
(gegenwärtig Oberbaudirector; erfolgte Aufsuchung der
Trace für den in den Jahren 1836—45 erbauten Lud-
wigscanal (Donau- Main -Canal) in Bayern zum Theil
ebenfalls auf der Grundlage von Niveaulinien erfolgt ist.
CWIlingenlear XXIII.
Die tachymetrische Aufnahmemethode, insbesondere
nachdem sie von Moinot im Grossen bei seinen viel-
jährigen Tracirungsarbeiten angewendet und von ihm
dabei ein rationelles Verfithren geschaffen worden ist,
leistet Vorzügliches bei der Aufnahme von Schichten-
plänen für Eisenbahntracirungen , weil durch dieselbe
die Resultate in selir kurzer Zeit mit dem für diesen
speciellen Zweck ausreichenden Genauigkeitsgrad erlangt
werden. Wenn aber Porro in seinen im „Giornale
del Ingegnere-Architetto ed Agronomo, Anno XIII"
veröffentlichten drei Vorlesungen*) über die Geschwind-
messkunst so grossen Werth darauf legt, dass durch
seine Methode die „numerische Gleichung der
Terrainfläche" erhalten werde und dabei ausführt,
dass nur sein Instrument (Klepscyclus) — das, neben-
bei bemerkt, weniger Glück als seine Methode gehabt
hat — das einzige rationelle sei und alle andern In-
strumente nur als Ergebniss mehr oder weniger weit
getriebener Verstümmelungen, von unwissenden Prak-
tikern und von Mechanikern niedern Ranges ausge-
gangen, zu betrachten seien, und dass bei seiner Me-
thode der Messtisch, bezüglich dessen man sich schämen
müsse, ihm vom Jahre 1576 an treu geblieben zu sein,
ausgeschlossen bleibe, so können wir uns über den
einseitigen Standpunkt dieses sonst so genialen Mannes
nur wundem, von dem aus er, nicht vorurtheilsfrei,
über Hilfemittel den Stab bricht, die unter Umständen
sehr zweckmässige Verwendung finden und die jeden-
falls erst berufen sind, seiner Methode eine Zukunft zu
bereiten.**)
Der gepriesenen „numerischen Gleichung der Ter-
rainöäche" messen wir in dem vorliegenden Falle einen
so hohen Werth nicht bei, da diese Resultate ja zu
*^ Finden sich übersetzt im ,,CiYÜingemeur", XL Band (1866),
S. 474 u. f.
•♦>
') Wir haben bisher häufig die Gelegenheit gehabt, zu be-
merken, dass als grösste Eiferer gegen die Messtischmessung sich
solche zeigen, die gar nicht im Stande sind, mit dem Messtisch
eine Aufnahme rationell auszuführen. Eine gute Messtischauf-
nahme erfordert allerdings einen ausserordentlichen Ueberblick,
grosse Correctheit und viel Routine und wir halten sie, um einen
angemessenen Genauigkeitsgrad zu erzielen, unter den Horizontal-
messuDgsmethoden. trotz ihres sohr einfachen Princips, für die
schwierigste. Ein rationeller Messtischaufhehmer, wenn er sonst
die ausreichenden Kenntnisse besitzt, wird sich schnell und leicht
in jede andere Messungsart einarbeiten, während das umgekehrte
nicht immer behauptet werden kann. Welches verhältnissmässig
grossen Genauigkeitsgrades die Messtischaufiiahme fähig ist, hat
seiner Zeit die mit der österreichischen Landesvermessung ver-
bundene graphische Triangulirung bewiesen, obgleich wir durch
diese Bemerkung einer derartigen Organisation einer Landesver-
messung niemals das Wort reden wollen.
33
515
Nagel, Zur Literatur der Geodäsie.
516
Nichts weiter als zur graphischen Darstellung des Ge-
messenen gebraucht werden können. Wir leisten ge-
wiss den Bestrebungen, die Messungsresultate in Zahlen
auszuwerfen, gern Vorschub; dann müssen sie aber
einen grösseren Grad von Zuverlässigkeit liefern, als
ihn die Tachymetermethode zu gewähren vermag. Eine
Messungsmethode aber, die zwar die Winkel bis auf
1
lÖÖ
Grad genau geben kann, hingegen die Entfer-
nungen nur etwa bis auf ^^ derselben zuverlässig
zu bestimmen vermag, ja, die sogar durch die mit dem
Instrument verbundene Bussole die Orientirung des
Instrumentes bis nur auf V« Grad genau verbürgt und
die nach Moiuot die genau gemessenen Winkel mit-
telst eines auf Hörn oder Kartenpapier gezeichneten
Transporteurs zur graphischen Darstellung des Gemes-
senen verwendet, bietet keineswegs einen solchen Ge-
nauigkeitsgrad, bei dem es sich der Mühe verlohnt, die
Resultate unbedingt in Zahlen zu erlangen.
Die Aufnahme mit dem Messtisch steht gewiss hin-
sichtlich des Genauigkeitsgrades dieser Methode nicht
nach und was die Schnelligkeit anlangt, so sind wir
der Ueberzeugung, dass bei gehöriger Construction der
Kippregel die Tachymetermethode mit dem Messtisch
noch schneller sichere Resultate liefern wird, als das
bisherige Verfahren. Hierbei darf nicht unbeachtet
bleiben, dass das Eintragen der interpolirten Niveau-
curven gleich vom Standpunkte des Messtisches aus in
viel grösserer Uebereinstimmung mit dem natürlichen
Terrain erfolgen kann, als auf die bisherige Weise im
Zimmer, wobei oft Irrungen nicht ausbleiben können.
Dagegen hat aber auch die Tachymetermethode,
welche die gesuchten Coordinaten in Zahlen finden läsSt,
den wesentlichen Vortheil, dass man selbst unter Wit-
terungsverhältnissen arbeiten kann, die sonst das Auf-
nehmen mit dem Messtisch nicht gestatten, dass man
ferner im Stande ist, die Zeiten, die wegen schlechter
Witterung das Arbeiten im Freien überhaupt verbieten,
im Bureau mit Ausarbeitung des Gemessenen auszu-
nutzen und dass endlich durch selbige die Arbeiten
im Freien abgekürzt, die Büreauarbeiten vermehrt und
dadurch unter Umständen die Kosten der Darstellung
vermindert werden.
Daher hat jede Methode ihre Vortheile und ihre
Nachtheile, und ein tüchtiger Ingenieur sollte mit jeder
vertraut sein, um sie eintretenden Falls mit Voi-theil
in Anwendung bringen zu können.
Seit dem Erscheinen von Moinot's „Leves de
Plans ä la Stadia" sind mehrere Schriften über Tachy-
metrie aufgetaucht, von denen sich einzelne die Auf-
gabe stellen, die tachymetrischen Berechnungen, inso-
weit selbige nicht durch den Rechenschieber bewirkt
werden, durch Tabellen zu erleichtem, andere wiederum,
diese Berechnungen durch anzubringende Vorrichtungen
an dem tachymetrischen Instrument ganz überflüssig
zu machen. Die beiden ersten oben annoncirten Werk-
chen gehören zur ersten, die beiden letzten zur zweiten
Gattung.
Die tachymetrischen Tabellen bestehen theils
in den bekannten Coordinaten-, theils in Reductions-
Tabellen. Die letzteren haben den Zweck, die Hori-
zontaldistanz und den Höhenunterschied aus dem ab-
gelesenen Lattenabschnitt und dem Höhenwinkel oder
der Zenithdistanz zu geben. Hierbei ist zu unterscheiden,
ob die Distanztatte immer rechtwinklig zur Gollimations-
linie des Fernrohres, oder ob sie vertical gehalten wird.
Gewöhnlich findet in der tachymetrischen Praxis das
letztere statt. Dann bestehen für die Horizontaldistanz
D und für den Höhenunterschied H zwischen der ho-
rizontalen Drehachse des Fernrohres und dem vom
Mittelfaden des letztern eingestellten Punkte an der
Latte (auch vertreten durch den durch das arithme-
tische Mittel der Ablesungen am Ober- und Unterfaden
gegebenen Punkt) die Formeln
I) = K, L . co8^ a -\- e . cos ci '^ 11= , L.9in2x'\- c,»ina
für Reichenbach's,
für Porro's Distanzmesser.
Bekanntlich ist in diesen Formeln K eine von dem
Abstände des Ober- und Unter&dens und von den
Brennweiten der Objectiv- und CoUectivlinse abhängige,
gewöhnlich zu 100 oder 200 herbeizuführende Constante,
L der abgelesene Lattenabschnitt, a der abgelesene
Höhenwinkel der mittleren Visur, c beim Reichen-
bach 'sehen Distanzmesser eine Constante, nämlich die
Entfernung des vor dem Objectiv des Fernrohrs liegen-
den Brennpunktes der Objectivlinse von der horizon-
talen Drehachse des Fernrohrs. *
Die eine Reductionstabelle hat nur den Werth
mit den Eingängen a und Z, oder, wie man sagt» die
Vielfachen von K, cos^ a darzustellen. Dieser Werth ist
für den Porro 'sehen Distanzmesser ohne Weiteres die
gesuchte Horizontaldistanz D; dagegen ist bei Anwen-
dung des Reichenbach'schen Distanzmessers nodi
die Grösse ccosa hinzuzufügen. Dies erscheint etw«B
unbequem, ist es aber nicht, da c klein, meist kleiner
als 0,5 Meter ist, der Winkel a in der Praxis 25® selten
517
Nagel, Zur Literatur der Geodäsie.
518
und 40® wohl Die überschreitet. Man könnte sich
demnach nöthigenfalls für sein Instrument ein kleines
Täfelchen construiren, aus dem man diesen Werth bis
auf Gentimeter genau erhält. Es ist z. B. für c=0,5 "*
und für
a=0^ 10«; W; 20^ 25«; 30«; 35«; 40«;
c.(^5a=0,5; 0,49; 0,48; 0,47; 0,45; 0,43; 0,41 ; 0,38".
Da nun die Distanzen höchstens bis auf Decimeter
mit dem Distanzmesser abgelesen werden können, die
Constante c aber gewöhnlich kleiner als 0,5" auftritt,
so reicht es aus, bis zu Neigungen von 25« die Con-
stante c selbst anstatt ceosa dem aus der Tabelle
entnommenen Werthe hinzuzufügen.
Eine zweite Tabelle würde den Höhenunterschied
H zu geben haben. Hier kann man aber nicht unter
allen Umständen — insbesondere wenn es sich um
einen grösseren Genauigkeitsgrad handeln sollte — die
für den Porro 'sehen Distanzmesser ohne Weiteres an-
K
wendbare Tabelle, die die Höhe H=-^.L,sin2a mit
den beiden Eingängen a und L giebt, auch für den
Eeichenbach'schen Distanzmesser anwenden, da das
hinzuzufügende Glied c.sina mit a viel veränderlicher
auftritt als ccosa und eigentlich eine besondere Tabelle
erfordert, die allerdings, wie wir weiter unten sehen
werden, unter gewissen Umständen auch vermieden
werden kann. Daher dürfte es zweckmässig sein, die
Höhentabelle nach der Formel
mit den Eingängen a und D zu construiren, welche
ebenso für den Reichenbach 'sehen als für den Porro'-
schen Distanzmesser anzuwenden ist. Wenn 2> aus der
ersten Tabelle beziehentlich unter Hinzufügung von
ceosa für den Reichenbach'schen Distanzmesser ge-
funden ist^ benutzt man es als Eingang in die zweite
Tabelle, um auf bekannte Weise auch H zu ermitteln.
Die beiden oben angezeigten Tabellenwerke ent-
halten solche Reductionstabellen. Der letzte Fall der
Bestimmung von H ist durch das erste, der oben er-
wähnte erste Fall durch das zweite Werk vertreten.
Erede^ La Celerimensura cogli strumenti comuni
enthält zunächst auf 90 Seiten die tan und cotan^ so-
wie die 1-, 2-, 3- ... . 9- (also viel-) fachen sin und
cos der Winkel von Minute zu Minute mit 5 beziehent-
lich 4 Decimalen, welche zur Berechnung der Coordi-
naten dienen, aber auch ziir Berechnung des erwähnten
Gliedes c.sina in der Formel für H benutzt werden
können. Unter den bekannten Coordinatentabellen für
die Sexagesimaltheilung hat diese mit der Defert'schen
den weitgehendsten Umfang. Hierauf folgt auf 6 Seiten
die zweite Tabelle zur Berechnung der Höhenunter-
schiede nach der Formel n=D.tana (oder nach der
Bezeichnung des Verfassers: K.tana) mit den vielfachen
tan von 5 zu 5 Minuten bis 30« ebenfalls mit 5 be-
ziehentlich 4 Decimalen. Endlich ist auf den beiden
letzten Seiten die dritte Tabelle zur Reduction der an
der senkrechten Latte abgelesenen Distanz auf den
Horizont nach der Formel
mit den 1-, 2-, 3- ... . 9-fachen cos-a mit 4 Deci-
malen bis zu 10« von 30 zu 30' und von 10« bis 30«
von 20 zu 20' enthalten. Die beiden Reductionstabellen
können also sowohl für den Porro 'sehen wie für den
Reichenbach'schen Distanzmesser angewendet werden.
Den Tabellen geht auf 31 Seiten ein Text voran,
welcher in sehr ausführlicher, hier und da in zu um-
ständlicher Weise die tachymetrische Methode erklärt
und auch nachweist, dass es nicht blos das anallatische
Fernrohr Porro 's ist, mit dem man schneir messen
kann, sondern dass sich dazu das gewöhnliche Fem-
rohr (es ist damit das Reichenbach 'sehe gemeint)
ebenfalls leicht eigne. Der Verfasser giebt dabei an,
wie eine Distanzlatte einfach für den Reichenbach'-
schen Distanzmesser einzurichten sei, um die Distanz
direct ablesen zu können, ohne immer, wie an den
bayerischen Latten, genöthigt zu sein, den Nullpunkt
der Latte mit dem einen Faden einzustellen. Er bringt
nämlich auf der einen Hälfte der Skalenseite neben
jedem Zehnerstriche der Theilung noch einen Theil-
strich an, der um denjenigen Betrag (-=) höher liegt,
um welchen der Lattenabschnitt grösser abgelesen wer-
den muss, damit dieser Abschnitt mit dem bekannten
Coefficienten (K) multiplicirt die Entfernung (D) von
der Drehungsachse des Fernrohres giebt. Man braucht
dann bei der Distanzmessung nur den einen Faden auf
eine solche Marke, den anderen aber auf die richtige
Theilung einzustellen und die Ablesung so zu bewirken,
als stehe der erstere Faden auf dem nächstliegenden
Zehnerstrich ein. Wir haben schon im IL Artikel be-
merkt, dass wir jede derartige Künstelei an der Latte
für überflüssig halten, da, wie wir auch oben wieder
gesehen haben, das Hinzufügen einer kleinen Con-
stanten zur abgelesenen Distanz so gut wie keine Mühe
verursacht.
Nachdem der Verfasser im I. Cap. die Methode
der Distanzmessung nach Reichenbach und Porro
33*
519
!Nage], Zar Literatur der (ieodäsie.
52()
besprochen und die Theorien entwickelt, giebt er im i
IL Cap. die Formeln für die Coordinaten sowohl in
horizontaler als in verticaler Richtung , behandelt im
III. Cap. fünf der bei der Schnellmessung auftretenden
Aufgaben, bespricht im IV. Gap. die Rechnungsmittel:
logarithmischer Rechenschieber und Tabellen, im Y. Cap. :
die Operationen der Tachymetrie auf dem Felde nach
Porro und Moinot und schliesst im VI. Cap. mit
den Bureauarbeiten seine beachtenswerthe Schrift.
Mareks ^' Balke^ das Terrain- Relief.
Der wesentlichste Theil dieses Werkes ist die auf
48 Seiten enthaltene Tafel, welche die tachymetrischen
Werthe
K . L . cos^ a und -— - . X . «in 2 a
2
für K = 100 mit den Eingängen : Lattenabschnitt L
(== 1, 2, 3 . . . . 9) und Höhenwinkel a von Minute
zu Minute in einem für tachymetrische Zwecke aus-
i-eichenden Umfange von 0^ bis 24" der Sexagesimal-
theilung des Kreises giobt. Die Anordnung ist eine
übersichtliche und bequeme, das Format handlich. Das
die Tachymetrie ausübende Publicum dürfte diese Ta-
bellen mit Freuden begrüssen, da dieselben bis jetzt
sowohl hinsichtlich ihres Umfangs als hinsichtlich der
Kleinheit der Intervalle unübertroffen dastehen.
Um so mehr ist es aber Pflicht, darauf aufmerk-
sam zu machen, dass die letzte Decimalstelle nicht
immer vollständig sicher ist. So findet sich z. B. für
L = 5 bei 15^15' der Höhenunterschied zu 126,89,
während er nur zu 126,88 angegeben sein sollte, da die
strenge Rechnung 126,8846 giebt. Aehnliche Abwei-
chungen,, die ofiFenbar in der nicht ganz scharfen Ab-
rundung der letzten Decimalstelle ihren Grund haben,
finden sich fast in jeder Zeile. Nun werden zwar diese
kleinen Unsicherheiten auf die praktische Verwendbar-
keit der Tabellen keinen Einfluss ausüben, weil man
die Angaben gewöhnlich nicht bis zu dem Genauigkeits-
grade braucht, der die Sicherheit der letzten Decimale
erheischt; immerhin macht man aber an ein Zahlen-
werk den Anspruch der grössten Correctheit, insbeson-
dere dann, wenn dieselbe, wie hier, ohne grosse Schwie-
rigkeit zu erlangen ist.
Auch von Druckfehlern, oder wohl besser Manu-
scriptfehlem , ist dieses Tabellen werk nicht ganz frei.
Zufällig sind wir auf einen sich über eine ganze Seite
verbreitenden gestossen. Es sind nämlich die Höhen-
unterschiede unter dem Lattenabschnitte 6,oo von 19^32'
bis 19*^60' sämmtlich um eine Einheit zu gross. Es
dürften daher wohl die sonst so überaus bequemen
Tabellen mit einiger Vorsicht zu gebrauchen, den Ver-
fassern würde aber zu empfehlen sein, dieselben einer
genauen Controle zu unterwerfen und nöthigen£Edls ein
Fehlerverzeichniss folgen zu lassen.
Die Höhentabelle gehört zu den oben im Allge-
meinen besprochenen für den Porro 'sehen Distanz-
messer bestimmten. Die Verfasser wollen sie aber iiir
den Reiche nb ach 'sehen unter der Voraussetzung in
Anwendung bringen, dass die Constante c.sina vernach-
lässigt, der Höhenunterschied also von der Drehungs-
achse des Fernrohres aus gerechnet wird, während die
Tabelle ihn nur vom vorderen Brennpunkte der Objec-
tivlinse aus giebt. Um den, wie wir oben gesehen,
nicht allenthalben zu vernachlässigenden Fehler in der
Horizontaldistanz sowohl als im Höhenunterschied za
vennindern, schlagen die Verfasser vor, die Entfernung
der horizontalen Fäden des Fadennetzes so zu regu-
liren, dass eine von der Drehachse des Fernrohres an
gerechnete horizontale mittlere Distanz von etwa 200
Metern direct durch Multiplication der Gonstanten
K = 100 mit dem abgelesenen Lattenabschnitt erhalten
wird. Man bekommt dann bei Vernachlässigung der
Constanten c die mittlere und die in der Nähe der-
selben liegenden Distanzen richtig, die grossem zu gross
(nicht zu klein, wie die Verfasser behaupten), die klei-
neren zu klein.*) Wenn der Lattenabschnitt noch ein-
mal so gross wie der für die mittlere Entfernung sich
ergiebt, so kommt die durch vorgenanntes Verfahren
entstehende Vernachlässigung in der Distanz dem ab-
soluten Werthe c gleich. Dieser Umstand dürfte bei
grossen und kleinen Distanzen nicht immer ohne Be-
rücksichtigung zu lassen sein.
Uebrigens kann man die vorliegende Tafel selbst
sehr leicht zur Ermittelung des an dem aus derselben
TT"
entnommenen Werthe -^.L.sin2a anzubringenden Cor-
rectionsgliedes c . sin a, welches ja die Verticalprojection
von c repräsentiit, benützen, da für jeden Neigungs-
winkel die Horizontal- und die Verticalprojection einer
und derselben Grösse nebeneinanderstehen und man
I _.
*) Ist X der mittlere Lattenabschnitt, fdr welchen die Con-
stante K==100 bestimint ist, dann ist für irgend eine DiBtani D,
zu der der Lattenabschnitt L gehört:
D^IOO.I/— — -J-^c,
worin das letzte Glied den Fehler repräsentirt, um welchen die
Distanz zu gross (für X > A) oder zu klein (für X < 1) eriialtai
wird, wenn man zur Ermittelung der Distans einfach nur d«
Lattenabschnitt mit 100 multiplicirt.
521
Nagel, Zur Literatur der Geodäsie.
522
meist c anstatt ccosa als die gegebene Horizontalpro-
jection ansehen kann.
Zum Beispiel hätte man mit einem Reichen-
bach 'sehen Distanzmesser, dessen Gonstanten £*= 100
und c=0,5" seien, gefunden L = 1,748" und a =
2O«20'.
Die Horizontalprojection für c = 0,5^ ist nach dem
oben (S. 517) aufgeführten einfachen Täfelchen c,cosa=
0,47° hinreichend genau, wozu sich die Verticalprojec-
tion mit Hilfe der Tabellen auf der Horizontalen für
a = 20** 20' durch folgende einfache Rechnung findet :
Horizontalprojection. Verticalprojection.
Gegeben 0,470,
für 0,4397 giebt die Tabelle 0,i62
Rest 3030
für
2639
Rest 3910
für 3520
>»
>>
>>
99
>»
>>
0,010
0,001
0,173.
daher zu 0,47 gehört
Hierzu in derselben Horizontalen für er = 20® 20'
und für L = 1,748™ ermittelt:
153,24
in
56,789'"
mithin 153,7i™ 56,962"*
= Horizoutaldistanz ; = Höhendifferenz ;
von der Drehachse des Fernrohres aus gerechnet. Da
man die Höhenunterschiede für tachymetrische Arbeiten
nicht auf Millimeter genau sucht, so lässt sich obige
Ermittelung noch abkürzen.
In neuerer Zeit kommt man immer mehr davon
ab, für Verticalmessungen die HöhenvoUkreise zum Ab-
lesen der Elevations- und Depressionswinkel einzurichten ;
man giebt diesen Kreisen vielmehr eine solche Bezif-
ferung, dass die Verticalwinkel als Zenithdistanzen er-
halten werden, wodurch die Unsicherheit vermieden
wird, der man leicht bei Bestimmung des Vorzeichens
ausgesetzt ist, wenn der Höhenwinkel sich in der Nähe
von 0^ befindet. G. Starke 's Tachymeter giebt eben-
falls Zenithdistanzen.
Die in Rede stehenden Tabellen sind aber nur für
Elevationswinkel eingerich^t. Hat man daher Zenith-
distanzen abgelesen, so sind diese Tabellen nur zu ge-
brauchen, wenn vorher die Zenithdistanzen von 90^
abgezogen werden, was bei vielen Hunderten von der-
artigen Messungen ziemlich unbequem wird.
Es dürfte sich daher bei einer zukünftigen neuen
Auflage empfehlen, neben den bisherigen Minuten-
rubriken noch je eine Minutenrubrik mit darunter be-
findlicher Gradzahl für Zenithdistanzen anzubringen.
Keferent hat das dem Dresdner Polytechnikum gehörende
Exemplar in dieser Weise vervollständigt, indem er die
besagten Minutenrubriken auf Streifen hat drucken und
letztere an die betreffenden Stellen hat kleben lassen.
Der den Tabellen auf 54 Seiten vorgedruckte Text
bespricht theils die Theorie, theils die praktische Durch-
führung der tachymetrischen Messung. Während der
praktische Theil, welcher insbesondere das Verfahren
der Aufnahme des Terrain-Reliefs auseinandersetzt,
manche beachtenswerthe Winke für tachymetrische Ar-
beiten enthält, ist der theoretische Theil unbrauchbar
und wäre besser ungeschrieben geblieben, da er, nament-
lich so weit er das distanzmessende Fernrohr betrifft,
einen mit dem Stoff noch Unbekannten nicht zu be-
lehren, einen Halbeingeweihten aber nur zu verwirren
vermag. Die Unklarheit ist auch der Grund, weshalb
die Verfasser zu der Meinung gelangt sind, als sei beim
Reichenb ach 'sehen Distanzmesser die Constante c zu
subtrahiren, anstatt zu addiren. Glücklicher Weise
bleibt diese Theorie ohne jeden Einfluss auf die Brauch-
barkeit der Tabellen. Auch die geschichtlichen Notizen
in Bezug auf die Terraindarstellung durch Horizontal-
curven und in Bezug auf das erste Auftreten des di-
stanzmessenden Fernrohres sind unrichtig.
Zum Schlüsse wollen wir nicht unterlassen zu be-
merken, dass ausser den hier besprochenen Tabellen
von Erede und von Marcks & Balke insbesondere
noch solche vom Prof. Tinter in Wien existiren, welche
derselbe im Jahre 1873 für die Werthe 200 L.sin^g
(=^ 200 L , cos^ a) und -^ -L.sin2is{=^- ^~L.sin2a)
mit den Eingängen der Zenithdistanz g von 1*^ zu V
und beziehentlich von 30' zu 30', und L von 0,02 zu
0,02 Meter fortschreitend in der Zeitschrift des öster-
reichischen Ingenieur- und Architekten- Vereins, sowie
durch Separatabdruck unter dem Titel: „G. Starke 's
Tachymeter" veröffentlicht hat.
Der neue Tacheometer von Frant Kreuter,
Obgleich nach Mein ot 's Methode die tachymetri-
schen Arbeiten sehr rasch von Statten gehen, so bleibt
doch die Berechnung der zahlreichen Coten, trotz der
Anwendung des Rechenschiebers und der Reductions-
tabellen, immer eine zeitraubende und ermüdende.
Deshalb sind bereits mehrfache Versuche gemacht
worden, ein Messinstrument so einzurichten, dass die
Berechnungen ganz oder theilweise wegfallen.
Der Verfasser des oben unter 3) angezeigten Schrift-
chens hat ein derartiges Instrument angegeben und in
dem Münchener Reichenbach 'sehen mathematisch-
mechanischen Institut anfertigen lassen, welches alle
Beachtung verdient. Der Verfasser sagt, es sei sein
523
Nagel, Zur Literatur der Geodäsie.
524
Bestreben dahin gerichtet gewesen , nicht ein Special-
Instrument „für gewisse Zwecke, sondern ein wirkliches
Universal-Instrument für alle Feldarbeiten des Ingenieurs
zu schaffen."
Dies ist insofern richtig, als die Vorrichtung spe-
ciell für die tachymetrischen Arbeiten an einem mit
den neuesten Verbesserungen versehenen grösserem
£ r 1 6 1 'sehen Niv ellirinstrument mit Horizontalkreis,
welches die Vornahme aller Aussteckungen, Horizontal-
winkel-Messungen und Präcisionsnivellements ermög-
licht, angebracht wird und sich nach Bedarf ohne
Schwierigkeit abnehmen und wieder anbringen lässt.
Das Gotiren, Situations- und Querprofilaufnehmen kann
mit dem aufgesetzten Tachymetrirapparat mit derselben
Baschheit erfolgen, wie bei Anwendung des Richer'-
schen Tachymeters, vor welchem sich aber das Ereu-
t er 'sehe Instrument „dadurch auszeichnet, dass ab-
solut nichts mehr gerechnet zu werden braucht,
indem sich jede Horizontal-Distanz und jede
Höhencote ohne Weiteres am Instrumente ab-
lesen lässt und die im Feldnotizbuche enthaltenen
Daten unmittelbar zur Anfertigung der Pläne benutzt
werden können."
Der Tachymetrirapparat besteht in drei Maassstäben,
von denen der eine parallel mit dem Fernrohr, der
zweite horizontal und der dritte vertical an dem ge-
nannten Üniversalnivellir-Instrument so angebracht wer-
den, dass deren Theilungsmittellinien , in die parallele
Lage der einzelnen Seiten des in der Natur zu messenden
rechtwinkligen Dreiecks gebracht, ein diesem ähnliches
Dreieck einschliessen , dessen Seitenlängen an den auf
den drei Maassstäben befindlichen Theilungen direct
abgelesen werden können. Die Hypotenuse dieses
Dreiecks wird in der Natur mittelst des distanzmessen-
den Fenirohrs des Universalinstruments gemessen und
dann an dem betreffenden Maassstabe eingestellt, worauf
nach gehöriger Einstellung des horizontalen und ver-
ticalen Maassstabes die Horizontaldistanz und der
Höhenunterschied abgelesen werden können.
Obwohl wir das besagte Instrument nur aus der
Beschreibung in dem vorliegenden Buche kennen,
glauben wir doch, es als einen wesentlichen Fortschritt
unter den Tachymetem bezeichnen zu können.
Nach der nöthigen Beschreibung des Instruments
und der dazu construirten neuen Distanzlatte werden
Regeln über die Handhabung und Justirung desselben
gegeben.
Der zweite Abschnitt handelt alsdann von den
Feldarbeiten und bespricht die Organisirung derselben
bei Tracirungen. Der dritte und letzte Abschnitt be-
handelt endlich die Hausarbeiten, insbesondere die An-
fertigung der Schichtenpläne und das Auftragen der
Querprofile. Ein Anhang giebt noch eine Tabelle zur
Verwandlung der neuen Kreistheilung in die alte und
umgekehrt, 'die Formel für die Länge der Ereisböga
bei der neuen Theilung, Formeln für das Bogenab-
stecken mittelst Winkelmessinstruments und endlich die
Längen der trigonometrischen Linien von 0,5 zu 0,$
Grad der Centesimaltheilung.
Das Werkchen ist als eine unentbehrliche Instrac-
tion für diejenigen zu betrachten, die sich des neuen
Tachymeters bedienen wollen.
C. Wagner^ 9 Taehygraphometer von IVof, Ttnier.
Ingenieur C. Wagner ist noch einen Schritt weiter
gegangen alsKreuter, er hat den Tachymeterapparat,
der im Princip analog dem K reut er 'sehen ist, mit
Kippregel und Messtisch, anstatt mit einem Universal-
Nivellirinstrument, in Verbindung gebracht, so dass
man mit demselben im Stande ist, auf dem Messtisdifi
nicht allein in der gewöhnlichen Weise die Visirlinien
nach den einzelnen Punkten zu verzeichnen , sondern
auch ohne Weiteres die mit dem Distanzmesser be-
stimmten Entfernungen nach diesen Punkten im ver-
jüngten Maassstabe aufzutragen. Bereits im Jahre 1868
hat Wagner das Tachygraphometer genannte Instru-
ment ausfuhren und seit dieser Zeit mit mancherlei
Verbesseiningen versehen lassen.
Der an der Kippregel angebrachte „ Projections-
Apparat^' ist analog dem K reut er 'sehen Tachymetrir-
apparat zum Ablesen der einzelnen Seiten des beim
Tachymetriren in Anwendung kommenden rechtwink-
ligen Dreiecks eingerichtet; es ist aber damit zngleidi
noch „der Kartir-Apparat'' verbunden, der es eben er^
möglichen soll, die auf den Horizont reducirten Di-
stanzen ohne Anwendung von Zirkel und Transversal-
maassstab nur durch den Druck auf den Kopf eines
mit einer Nadelspitze versehenen verticalen Cylinders,
der alsdann durch eine Spiralfeder wieder in die Hohe
geschoben wird, auf die horizontale Messtischplatie
überzutragen.
Um aber auch bei Witterungsverhaltnissen, bei
denen das Arbeiten mit dem Messtische, also eigent-
lich die graphische Winkelbestimmung, wegen des Feacbt-
werdens des Papiers nicht angeht, dennoch im Frei^
arbeiten zu können, ist der Apparat so eingerichtet,
dass die Messtischplatten sich von dem sogenanntes
Aufsatze abschrauben, dagegen aber mit letzterem sich
die Kippregel verbinden lässt. Der Aufsatz entliih
einen eingetheilten Kreis, so dass nun mit diesem Ap-
parat die Winkel in Gradmaass erhalten werden kSmieii.
j
Nagel, Zur Literatur der Geodäsie.
526
er Verfasser der vorliegenden Schrift , der die-
ebenso wie früher viele Artikel über in Wien aus-
te Instrumente» zuerst in der Zeitschrift des
dchischen Ingenieur- und Architekten -Vereins
intlichte, hat in derselben eine eingehende Be-
}ung nebst Zeichnung, sowie eine Theorie des
ments geliefert, die Prüfungen und Berichtigungen
r an ihm gewöhnten gründlichen und wissen-
ichen Art und Weise gezeigt und sich dadurch
ank der die Tachymetrie anwendenden Ingenieure
>en.
ur wenige Bemerkungen gegen einige Ausfüh-
i seien gestattet, die jedoch der Vorzüglichkeit
ihrifb keinen Abbruch thun sollen,
ezüglich der auf Seite 40 und 41 gegebenen Me-
i der Rechtwinkligstellung der Visirachse des
)hrs zur horizontalen Drehachse und der Parallel-
ig der letztern zur Unterlagsebene des Lineals
sen wir auf die Bemerkungen, die wir bereits im
^ikel bei Besprechung der beti-effenden Prüfungen
i Hartner'schen und Bauernfeind'schen Werke
ht haben. Die erwähnte Eechtwinkligstellung
ßbenfalls mit einem oder zwei Gauss 'sehen Gol-
ren bewirkt und diese Methode namentlich auch
e unter 5, Seite 42, aufgeführte Parallelstellung
jhse der Fernrohrlibelle zur Visirachse des Fern-
angewendet werden.
uch über dieses Instrument können wir, wie über
reut er 'sehe, ein definitives Urtheil nicht ab-
da wir es nur aus der vorliegenden Beschreibung
i. Der ganze Apparat will uns noch etwas zu
fallig und zu compUcirt erscheinen. Insbeson-
cann uns die grosse Excentricität des Fernrohrs
zug auf die Linealkante ^ welche 8 Gentimeter
t, nicht gefallen. Der Verfasser der vorliegenden
: rechnet aus, dass der dadurch entstehende Fehler
Winkelmessung ungünstigen Falls 13' betragen
und dass, wenn dieser Fehler nicht 2' über-
;en solle, die kürzeste Distanz, die mit der grössten
z von 400" zusammentreffe, nicht unter 102™
en dürfe. Dies beschränkt allerdings die Anwend-
t des Apparates sehr. Sollte sich nicht, wenn
iuf die Verbindung der Kippregel mit dem Auf-
1 einem die Winkel in Gradmaass gebenden In-
int verzichtet, die Excentricität vermindern oder
beseitigen lassen, indem man das Femrohr der
ilebene durch die Linealkante naher rückt, den
ipparat an der Ganalkante lässt, dagegen den
tionsapparat, die Maassstäbe, nach der entgegen-
en Seite verlegt?
9 ist dies nur eine beiläufige Idee, deren Durch-
führbarkeit erst beurtheilt werden kann, wenn man das
Instrument selbst sieht.
Der Ver£Bi.sser bespricht auf Seite 18 und 19 die
centrische Aufstellung des Messtisches, nämlich so, dass
die verticale Drehungsachse desselben vertical über dem
gegebenen Punkte in der Natur liegt, mithin der ge-
gebene Punkt auf dem Messtische im Allgemeinen gegen
die Verticale durch den Naturpunkt excentnsch ist. Es
wird daselbst auch berechnet, dass im ungünstigsten
Falle die kleinste Distanz bei einer Winkelmessung nur
340" betragen dürfte, wenn der durch diese Excentri-
cität entstehende Fehler in der Winkelmessung nicht
zwei Minuten überschreiten solle.
Wir sehen nicht recht ein, warum man nicht unter
allen Umständen den gegebenen Punkt auf dem Mess-
tische centrisch über den Naturpunkt zu stellen an-
ordnet, was doch eigentlich gar keine Schwierigkeit hat.
Wenn etwa der Giiind in der Unbequemlichkeit gesucht
werden sollte, mit der sich der Messtisch ohne Pian-
chettenverschiebung aufstellen lässt, so können wir diese
Unbequemlichkeit um so weniger als maassgebend er-
achten, als sie je nach der Geschicklichkeit und Ge-
wohnheit des Arbeiters mehr oder weniger auftritt. Die
sächsischen (Lehmann 'sehen) Messtische haben keine
Planchettenverschiebung, auch häufig keine Horizontal-
stellungsvorrichtung , und doch stellt ein sächsischer
Feldmesser in sehr kurzer Zeit den Messtisch mit dem
auf demselben gegebenen Punkte möglichst centrisch auf.
Mit der eine excentrische Aufstellung entschuldi-
genden Ansicht des Verfassers, S. 19, dass man jeden
Punkt des Messtisches als über dem gegebenen Punkte
des Feldes, insoweit er innerhalb der Projection des
Messtischblattes sich befinde, centrisch liegend be-
trachten könne, weil das verjüngte Bild der Messtisch-
platte doch eigentlich nur als Punkt auftrete, eine An-
sicht, die unseres Wissens bereits A. L. Grelle in
seinem 1826 herausgegebenen Handbuche des Feld-
messens und Nivellirens ausgesprochen hat, können wir
uns nicht einverstanden erklären. Der Herr Verfasser
hat ja selbst ausgerechnet, dass bei vorhandener Ex-
centricität der Aufstellung die Fehler in den zu ver-
zeichnenden Winkeln nicht unbedeutend seien. Warum
will man einen solchen Fehler ohne Noth hereinbringen?
Es tauchen überdies noch Fehlerquellen genug auf;
man vermehre sie demnach nicht unnöthiger Weise.
Ebenso kann auch der Fehler wegen der Stärke
der Anschlagnadel, hier vertreten durch das Gentrir-
stäbchen, leicht vermieden werden, und müsste eigent-
lich bei vorliegendem Instrumente ganz wegfallen, wenn
dem Kartirapparate die Einrichtung gegeben wird, dass
die Entfernung seiner Nadelsf^tze von der Linealkante
527
Nagel, Zur Literatur der Geodäsie.
immer genau 80 gross bleibt, wie die durch das Cen-
trirstäbchen vermittelte Eutfernung der Linealkante vom
gegebenen Scheitelpunkte der zu verzeichnenden Winkel.
Wie gesagt, sollen diese Bemerkungen keineswegs
den hohen Werth der Schrift, die alle bei dem Apparat
einschlagenden Verhältnisse gründlich untersucht und
erörtert, abmindern. Wir freuen uns vielmehr über
deren Durchführung, sowie über das Instrument, das
berufen sein dürfte, den von Porro so viel geschmähten
Messtisch, welcher hier gerade an seinem Platze zu sein
scheint, wieder zu Ehren zu bringen.
In einem Anhange giebt der Verfasser die von den
gegenwärtigen Verfertigern des Instruments, G. Starke
& Kammerer in Wien, nach den Erfahrungen Wag-
ner 's angebrachten Verbesserungen, und fügt seine Er-
fahrungen über den Genauigkeitsgrad der Messungs-
resultate bei, welche in Vergleich mit den durch andere
Tachymeter erhaltenen vollständig befriedigend aus-
gefallen sind.
Auch über die Zeitdauer, die die tachygraphome-
trische Methode im Vergleich zu der gewöhnlichen ta-
chymetrischen braucht, theilt er seine Versuchsergeb-
nisse mit. Zur Ermittelung der nöthigen Beobachtungs-
daten für die Bestimmung von 50 Punkten brauchte
er exclusive der Zeitdauer für die Aufstellung des In-
struments mittelst des Tachymeters von Starke
1 Stunde 38 Minuten, mittelst des Wagner 'sehen
Instruments als Tachygraphometer 2 Stunden und mit
demselben lustmment als Tachymeter 1 Stunde 58 Mi-
nuten. Er sagt daher S. 65:
,JDiese beiden letzten Zahlen sprechen wohl
deutlich, dass durch das Hinzufügen des Kartir-
apparates zum Tachymeter von Wagner gegen-
über anderen derartigen Instrumenten kein
Zeitverlust bei der Arbeit im Felde entsteht,
besonders, wenn ich noch zu bedenken gebe,
dass ich das erste Mal mit diesem Instrumente
von Wagner gearbeitet, und dass mir das
Bewegen der Kippregel um das Centrirstäbchen
ungewohnt war.
Es widerlegt sich hierdurch auch die in
der Wochenschrift Nr. 20 gemachte Bemerkung
des Herrn Fr. Kreuter, als ob durch die
Anwendung des Kartirapparates die der Feld-
arbeit zugemessene kostbare Zeit auf solche
Operationen vei-wendet würde, die ohne Rück-
sicht auf Witterungsverhältnisse und Tageszeit
durch billige Arbeitskräfte im Bureau vorge-
nommen werden können u. s. w.''
Diese Bemerkung Kreuter 's erscheint allerdings
eigenthümlich, da das Kreuter 'sehe und das Wag-
ner 'sehe Instrument eigentlich den Projectionsapparat
nach demselben Princip construirt haben und der Unter-
schied in der Handhabung nur darin besteht, dass am
Kreuter 'sehen Instrument die Horizontaldistanz ab-
gelesen und in einem Buche notirt, beim Wagneri-
schen aber diese Distanz durch Niederdrücken der
Nadelspitze auf den Messtisch übertragen und
der erhaltene Punkt bezeichnet wird.
Am Ende unserer Besprechung des Werkes über
das Wagner 'sehe Tachygraphometer angelangt, können
wir nicht umhin, noch kurz des vom Ingenieur Jahns
an der Muldenthalbahn anfangs der 70 er Jahre con-
struirten Instruments, Yielmesser genannt, zu ge-
denken, das denselben Zweck wie das Tachygrapho-
meter verfolgt, nämlich: als Kippregel für Messtisch-
arbeiten zu dienen und dabei durch eine einfache
Manipulation den anvisirten und auf dem Messtische
gesuchten Punkt auf den letztern überzutragen, sowie
seine Höhe über einen gegebenen Horizont abzulesen.
Die üonstructionsprincipien dieses Instruments, soweit
sie den Distanzmesser betreffen, sind allerdings wesent-
lich andere als die des Tachygraphometers , was schon
aus dem Umstände hervorgeht, dass für den Vielmesser
eine constante, beim letztern aber eine variable Latten-
höhe in Anwendung kommt.
Der Vielmesser ist mit grossem Vortheil bei den
Vorarbeiten der Muldenthalbahn in Anwendung ge-
kommen. Seine specicUe Beschreibung findet man,
ausser in einigen Zeitschriften, in dem als Manoscript
gedruckten Werke: „Der Vielmesser (Patent 1873),
ein neues Feldmessinstrument zu universalem Gebrauche
auf dem Messtische; construirt und beschrieben y<m
R. Jahns, Ingenieur. Berlin, 1874."
Am Schluss dieses Artikels sei noch auf das wäh*
rend des Druckes desselben erschienene Werk:
„2>^ geodätische Tachygraph und der Tachjfgraph'JPfammeUr eU
von I^of. Jvseph Sc hl es ing e r. Wien {Faesy Sf F^riek) 1877,"
au&ierksam gemacht, welches die Ck)n8truction» Theorie
und den Gebrauch zweier vom Verfasser erfundenen
und demselben patentirten Instrumente enthält, die zur
schnellen und genauen graphischen Gonstnicticm der
aus den Daten einer Theodolit-Messung herzustellenden
Detailpläne, sowie zur Ausmittelung der Flächeninhalte
dienen. Der Tachygraph soll insbesondere den Trans-
porteur und den Sehnenmaassstab beim Zeichnen der
Winkel nach Gradmaassangaben, also bei. tachymetri-
schen Aufnahmen, ersetzen, weshalb wir glauben, den-
selben an diesem Oi*t erwähnen zu sollen, ol^leich wir
nach der blosen Beschreibung dieses Apparates nodi kein
eudgiltiges Urtheil über denselben abgeben kßnnen.
Beschreibung eines neuen Eindampf- und Calcinir- Ofens zur Wiedergewinnung
der Soda aus der Lauge der Holz- und Stroh-Cellulose- Fabrikation.
Von
Ingeniear Biehard Schneider in Dresden.
(Hierzu Tafel XXm.)
Vor etwa zwei Jahren wurde dem technischen
Bureau Friedr. Siemens, Dresden, Fabrikstr. 5, die
Frage \orgelegt, ob es möglich sei, die in der Ueber-
schrift genannten Laugen einzudampfen unter Beseiti-
gung des üblen Geruches, welcher bei allen bis dahin
zu gleichem Zwecke construirten Oefen in grösserem oder
geringerem Maasse auftrat.
Auf Wunsch des genannten Bureau wurde von
Seiten der anfragenden Direction ein Gutachten über
die chemische Beschaffenheit und Entstehungsweise der
den übelen Geruch verursachenden Gase eingeholt.
Auf Grund dieses Gutachtens konnte der betref-
fenden Direction mitgetheilt werden, dass, die Richtig-
keit des Gutachtens des Herrn Hoirath Prof Dr. Stock -
hardt, welche an und für sich nicht bezweifelt wurde,
vorausgesetzt, nicht nur eine vollkommen rauch- und
geruchlose Vernichtung jener Gase möglich sei, sondern
dass auch diese Gase, zur Heizung benutzt, eine bedeu-
tende Brennmaterialerspamiss herbeiführen müssten.
Das Gutachten des Herrn Dr. Stöckhardt sagt
in Bezug auf die Holz-Cellulose-Fabrikation :
„Aus der Trockenmasse der Holz-Cellulose-Lauge
entwickeln sich in der Verkohluugshitze empyreuma-
tische Gase und Dämpfe von üblem Geruch; der Ge-
ruch ist vorherrschend Kreosot und Acrolein ähnlich
und nicht so ekelerregend, wie der unter gleichen Um-
ständen aus der Trockenmasse der Stroh-Cellulose-Lauge
der T ho de 'sehen Fabrik sich ei*zeugende Geruch.*'
„Die Geruchsentwickelung währt nur so lange, als
die diu'ch Schmelzung erreichte Masse sichtbare weisse
Dämpfe ausgiebt; die nach dieser Periode in langsame
Verglimmung übergehende feste schwarze Masse ent-
Clvllinseniour XXIII.
wickelt einige Zeit lang nur noch einen schwachen
Geruch von schwefliger Säure."
„Beim Erhitzen der Trockenmasse in einer Retorte
erhält man ein brennbares Gas, während die Dämpfe
sich durch Abkühlung zu Theer und einer wässerigen
Flüssigkeit — beide minder übel, ähnlich wie Holztheer
riechend — verdichten. Das heisse Gemenge der Gase
und Dämpfe lässt sich an der Oeffuung des Retorten-
halses anzünden und brennt mit stark leuchtender
Flamme unter Vernichtung des üblen Geruches."
„Ebenso verschwindet der üble Geruch — doch
schwerer — , wenn man die heissen Gase und Dämpfe
durch ein stark erhitzes längeres Glasrohr mit Bims-
steinfuUung leitet."
„Bei der Untersuchung der Thode 'sehen Stroh-
Gellulose-Lauge lehrte ein Versuch, dass die den höchst
widerwärtigen Geruch der Calcinirungsgase verursachen-
den flüchtigen Substanzen durch Kalilauge gebunden
wurden und aus Dämpfen von empyreumatischem Oel
und Brandharz (Theer) nebst Schwefelwasserstoffgas
bestanden, resp. an erstere gebunden waren. Es ist
anzunehmen, dass die Holz-Cellulose-Lauge ein gleiches
Verhalten zeigen werde u. s. w."
Aus einem Gutachten desselben Herrn über Sti-oh-
Cellulose-Lauge, welches zum grossen Theil mit Obigem
übereinstimmt, erwähne ich nur folgenden Passus:
„Eines besonderen Beweises für die Annahme, dass
während des langsamen Calcinirens der organischen
Substanz der Laugen Rückstände durch Verglimmuug
bei beschränktem Luftzutritt sich dieselben flüch-
tigen Producte erzeugen, wie bei der ohne Luftzutritt
vorgenommenen trockenen Destillation, bedarf es nicht,
34
531
Schneider, Beschreibung eines neuen Eindampf- und Calcinir-Ofens
532
da die Wissenschaft die Identität der bemerkten zwei
Vorgänge und der durch sie erzeugten Producte sicher
genug festgestellt hat; wenn nun auch bei dem Ver-
glimmen durch zeitweilige und local eintretende flam-
mende Verbrennung ein Theil der letzteren zur voll-
konamenen Verbrennung gelangt und damit unschädlich
wirdy so ist dies nach meiner Wahrnehmung über das
Verhalten der glimmenden Massen und die Intensität
und die Tragweite des von ihm sich yerbreitenden
ekelhaften Geruches doch nur ein kleiner Bruchtheil
des Ganzen und beschränkt sich auf die erste Zer-
setzungsperiode, in der sich wasserstoffreiche Producte
erzeugen, während das nachfolgende, Tag und Nacht
andauernde, langsame Verglimmen der kohlenreichen
Rückstände eine stetige Quelle von Kohlenozydgas
darstellt, das sich nebst den der Verbrennung ent-
gangenen stinkenden Theerdämpfen ohne irgend welche
Abhaltung oder Minderung den unteren Luftschichten
der Umgebung mittheilt u. s. w."
Aus diesen Gutachten erhellt nun
1) dass sowohl bei der Holz- wie Stroh-Cellulosen-
Lauge brennbare Gase die Träger des ekeler-
regenden Geruches sind;
2) dass diese, in richtiger Weise benutzt, eine Wärme-
quelle sind; eine Ersparniss an Brennmaterial
daher aus ihrer Benutzung resultiren muss, und
3) dass eine derartige Benutzung bisher nirgends vor-
handen ist.
Vieles hat man zur Beseitigung des üblen Geruches
vorgeschlagen, aber meistens direct das Gegentheil von
dem gethan, was wirklich zu thun nöthig gewesen wäre.
Man hat diese Gase abgefangen, künstlich getrocknet
und in oder auch unter das Feuer von Kesseln ge-
leitet und Aehnliches mehr; aber nirgends wurde ein
günstiges oder auch nur halbwegs befriedigendes Re-
sultat erzielt, und zwar deshalb, weil man die erste
Bedingung einer rationellen, rauch- und geruchlosen
Verbrennung organischer Körper nicht erfüllte. Es
fehlte die zur Verbrennung nöthige Luft und zwar Luft
in hocherhitztem Zustande. Nur wenn diese contiuuir-
lich und in genügendem Maasse zutreten kann, ist es
möglich, eine rauch- und geruchlose Verbrennung zu
erzielen. Alle die unendlich vielen Rauchverbrennungs-
vorrichtungen sind zum Theil recht verfehlt und er-
reichen ihren Zweck nur beim Zusammentreffen ver-
schiedener günstiger Umstände. Das einzige Mittel,
unsere Städte von den ewig qualmenden Schornsteinen
ohne Schädigung der Industrie zu befreien, ist das, mit
den bisherigen Heizeinrichtungen zu brechen und den
Kohlenstoff der zur Verwendung kommenden Brenn-
materialien in gasförmige Verbindungen überzuführen
und diese dann mit dem nöthigcn Quantum hoch-
erhitzter Luft zu verbrennen. Die Gegner der Gag-
feuerung sagen zwar, dass bei dieser Umwandlung des
Kohlenstoffes in Kohlenoxydgas ein Wärmeverlust eiih
träte; sie haben bis zu einem gewissen Grade Recht
Was aber kosten die vielfach höchst sinnreichen,
ihren Zweck aber trotzdem nicht erreichenden Rancfa-
verbrennungsvorrichtungen an Unterhaltungsspesen etc.?
Ich glaube, diese sind jenen Verlusten gleich zu stelleQ,
jedoch mit dem grossen Unterschiede, dass das Problem
einer rauch- und geruchlosen Verbrennung durch letzt-
genannte nicht, durch erstgenanntes Feuerungsprincip
aber vollkommen gelöst wird.
Dem technischen Bureau war die Frage vorgelegt:
Ist es möglich, diese in der Holz- wie Stroh-Cellulose-
Fabrikation beim Wiedergewinnen der Soda durch Ein-
dampfen und Calciniren der Laugen auftretenden übel-
riechenden Gase in rationeller rauch- und geruchloser
Weise zu entfernen ? Diese Frage wurde bejaht und ihre
praktische Behandlung sogleich in Angriff genommen.
Im Frühjahr 1875 war von Herrn Friedr. Sie-
mens ein Apparat erfunden und unter dem Namen
Begenerativ-Hoissluft-Apparat demselben patentirt wor-
den, mit dessen Hilfe die Aufgabe auf das Glänzendste
gelöst wurde.
Dieser Apparat besteht aus zwei von feuerfesten
Steinen hergestellten Räumen oder Kammern mit ent-
sprechenden Ein- und Austrittsöffnungen , welche nadi
Art der Siemens 'sehen Regeneratoren mit ebensolchen
Steinen ausgesetzt sind. Im vorliegenden Falle und
allen solchen, wo es auf Erzielung eines continuirlicheu
Stromes hocherhitzter Luft von ca. 1000^ C. ankommt»
wird der Apparat mit Gas geheizt und zwar derart,
dass während durch die Gasfeuerung die Steinmassen der
einen Kammer bis zur Weissgluth erhitzt werden, die-
jenigen der anderen die in ihnen aufgesammelte Hitie
an die hindurchstreichende Luft wieder abgeben.
Nach entsprechenden Zeiträumen werden die die
Zugrichtung regulirenden Ventile gewechselt, wodunsh
zugleich auch die Functionen der Kammern wechseln.
Dieser Apparat ist nun zweimal bei dem in Bede
stehenden Ofen zur Anwendung gekommen. Der dne
Hauptapparat H^ steht am Ende des ca. 17" langen
Ofens, während der andere H^^ etwas kleinere, ungefilir
um ^/s der Länge des Ofens von dem Haupti^^Kurat
entfernt, gegenüber ^5 erbaut ist. Der Strom hoch-
erhitzter Luft von fix tritt in der lÄngsrichtang des
Ofens, dagegen der von H^ rechtwinklig zu dieser in den
Calcinirraum ein ; ersterer am Ende, letzterer knn tot
der Feuerbrücke des Calcinirraumes. Diese Anerdnnng
von H^ war nöthig, um selbst bei foroirtem Betriebe
Ö33
zur Wiedergewinnung der Soda aus der Lauge der Holz- und Stroh-Cellulose-Fabrikation.
534
des Ofens des gewünschten Erfolges YoUkommen sicher
zu sein.
Der Bau des Ofens begann im Januar 1876 und
wurde im März beendet, so dass der Ofen Anfang April
dem Betriebe übergeben werden konnte. Die Gesammt-
Ofenanlage besteht aus den Gaserzeugern mit Ableitnngs-
canälen, dem Eindampf- und Calcinir-Ofen und dem
Schornstein.
Die Gaserzeuger waren im vorliegenden Falle für
Iwhmische Braunkohle als einfache Schachtöfen con-
struirt
Als Schornstein wurde der von früher Torhandene,
ca. 3ö"^ hohe Schornstein 8 benutzt.
Der eigentliche Eindampf- und Calcinir-Ofen be-
steht aus:
1) den beiden eben näher bezeichneten Heissluft-
Apparaten J7| und H^;
2) dem Galcinirraum C;
3) der daneben liegenden unteren schmiedeeisernen
Eindampfpfanne B;
4) der über dieser und dem Galcinirraum angeordneten
oberen schmiedeeisernen Eindampfpfanne Ä;
5) dem wieder über dieser liegenden grossen schmiede-
eisernen Reservoir R und
6) dem unter C befindlichen Glüh- und Kühlraum K.
R fasst ca. 28,6''^'" Lauge,
A „ „ 17,0
B „ „ 7,6
C 99 99 2,75„
Das in den Gaserzeugern O^ gewonnene Gas ge-
langt von dem Hauptsammelcanal durch abzweigende
Canäle jP| . . JP4 zu den Heissluftapparaten. Gaserzeuger,
Haupt- wie Nebengascanäle sind mit entsprechenden
Absperrvorrichtungen versehen, um zu ermöglichen,
dass man einzelne Theile für sich allein in Betrieb
nehmen oder auch in beliebiger Weise combiniren kann.
Die Heissluft- Apparate J7, und H2 werden mit den
gewonnenen Schwelgasen geheizt; die hierbei entstehen-
den Yerbrennungsproducte gehen nicht in den Gal-
cinirraum, sondern müssen durch entsprechende regulir-
bare Canäle nach dem Schornsteine abziehen.
Ausser den Eintrittsöffnungen für die hocherhitzte
Luft von £r, und H.j münden in den Galcinirraum bei
jR^ die Oeffnungeu m, . . . . und bei H^ die Oeffnungen
t»i . . ., durch welche Gas, zugeführt durch F^ und F^,
austreten kann. Es ist dies vorgesehen, damit man
bei Unterbrechungen des Betriebes oder nach Bedarf
vor Beginn einer neuen Gliarge, durch Zuführung von
Brenngasen den Galcinirraum aufheizen, resp. in Hitze
erhalten kann.
»
99
99
99
»
Femer sind bei H^ die Oeffnungen o^ und o^ be-
merkbar. Diese stehen in Verbindung mit dem Glüh-
raume und leiten die, sich in demselben aus dem Gal-
cininingsproduct während des Auskühlens noch ent-
wickelnden Gase direct in den Strom hocherhitzter
Luft.
Sämmtliche hocherhitzte Yerbrennungsproducte,
welche im Galcinirraum entstehen und aus EohlensäurCy
Wasserdampf, Stickstoff und überschüssigem Sauerstoff
zusammengesetzt sind, durchstreichen den Galcinirraum
in seiner Längsrichtung, nehmen dann ihren Weg über die
Feuerbrücke und unter B hin, dann in Richtung des
Pfeiles über B und gleichzeitig unter Ä und hierauf
über A und gleichzeitig unter R hin, worauf sie durch
den regulirbaren Schornsteincanal nach dem Schorn-
stein selbst abziehen.
Die Lauge gelangt von der Gellulose-Fabrik durch
die Rohrleitung r nach dem verdeckten Reservoir JR,
von diesem durch Rohrleitung a nach der oberen Pfanne
A, von derselben durch b hach der unteren Pfanne B
und zuletzt durch c von dieser nach dem Galcinirraum
C, Vergleichen wir die Wege, welche die heissen Ver-
brennungsproducte und die Lauge verfolgen, so zeigt
sich, dass wir es hier mit einem Gegenstromapparat
zu thuu haben, welcher schon an und für sich die beste
Wärmeausnutzung verspricht; unter gleichzeitiger Er-
wärmung von unten findet eine lebhafte Oberflächen-
verdampfung statt.
Nehme ich an, dass sich die Heissluftapparate in
vorschriftsmässigem Zustande befinden und einen con-
tinuirlichen Strom hocherhitzter Luft nach C abgeben,
so gestaltet sich der Betrieb folgendehnasseu. Sind
Bj A und R gefüllt, so lässt man nach Oeffhung der
Ventile in Cj by a langsam C volllaufen, und füllt B
und A nach Massgabe der Laugenstandsgläser wieder
entsprechend voll. Je nach Gonsistenz der Lauge muss
diese Manipulation 2 — 3 Mal innerhalb von 3—5 Stun-
den wiederholt werden. Während dieser Zeit lässt mau
bei H^ durch m Heizgase mit eintreten. Infolge dessen
steigert sich ti-otz der starken Oberflächenverdampfung
die Temperatur in C. Ist die Eindampfung bis zu
einem gewissen Grade vorgeschritten, so wird, nach ca.
3 Stunden, der Gaszustrom durch m abgeschlossen und
es tritt nun auch bei ITi, wie während der ganzen Zeit
schon bei jET^' ^^^ atmosphärische Luft in hocherhitztem
Zustande (ca. 1000® G.) ein. Diese ist also von dem
Moment der beginnenden Galcination an in beliebigem
Maasse vorhanden und auf das vollkommenste im ganzen
Galcinirraum vertheilt. Es erscheint daher als ganz
unmöglich, dass irgend welche Grase organischen Ur-
sprungs den Galcinirraum unzersetzt verlassen. Beob-
34*
535
Schneider, Beschreibung eines nenen Eindampf- und Calcinir-Ofens.
536
achtet man von Beginn der Calcinirung diesen Process,
so sieht man anfangs auf der schwarzen Masse sich
Blasen bilden , diese platzen auf und die daraus ent-
weichenden Gase und Dämpfe verbrennen mit hell
leuchtender Flamme. Wie Irrlichter tanzen diese Flam-
men auf der ganzen Masse herum; nach und nach
mehren sich dieselben, bis zuletzt bei lebhafter Cal-
cination die ganze Masse in Flammen zu stehen scheint.
Bei richtiger Regulirung sind die vom Calcinirraum
entweichenden Yerbrennungsproducte klar und durch-
sichtig und vor Allem geruchlos.
Je nach dem Quantum Lauge, welches man ein-
laufen lässt, wird die Charge grösser oder kleiner und
nimmt auch einen dem entsprechenden Zeitraum in
Anspruch. Während der ganzen Dauer der Charge
wird dieselbe wiederholt, anfangs weniger, dann häufiger,
mit eisernen Krücken umgerührt. Die Zugverhältnisse
im ganzen Ofen müssen so regulirt sein, dass keine
Gase von innen nach aussen gedrängt werden können,
sondern vielmehr Luft von aussen nach innen ein-
gesaugt wird. Bemerkt man nun, dass eine merkliche
Gasentwicklung nicht mehr stattfindet und im Calcinir-
raum nur noch einzelne Flammen auftreten, so wird
die Charge, welche dem Auge als eine schwach roth-
glühende, schmutziggraue, bröckelnde Masse erscheint,
durch die Thüren t herausgezogen, jedoch nicht in den
freien Raum vor den Ofen, sondern dieselbe fällt nach
Wegnahme der eisernen Platten e durch Rutschen in
den Verglüh- resp. Abkühlraum K. Ist die Charge
heraus, so werden die Platten e wieder aufgedeckt und
die Thüren t geschlossen; hierauf lässt man nach Oeff-
nung der entsprechenden Ventile durch f»^ . . . wieder
Brenngase in den Calcinirraum eintreten und die Charge
kann von neuem beginnen.
Die in den Verglühraum hinuntergefallene, in Haufen
liegende Sodaasche lässt man, indem man unter den
Haufen und in dieselben etwas atmosphärische Luft
führt, langsam in sich selbst verglühen. Die sich etwa
noch entwickelnden Gase und Dämpfe werden oben
abgesaugt und durch die Canäle o^ und o^ direct in
den Strom hocherhitzter Luft bei H^ geleitet und auf
diese Weise unschädlich gemacht. In entsprechenden
Pausen wird die nunmehr weisse Sodaasche bei k he^
ausgenommen und der Cellulose-Fabrik zurückgegeben.
d sind Oefifnungen resp. Thüren zum* Nachsehen, eveni
Reinigen.
Durch den soeben beschriebenen Ofen war die ge-
stellte Aufgabe vollkommen gelöst. Man kann mit
demselben alle von der Cellulose- Fabrik kommenden
Lauge- und Waschwässer auf eine vollkommen rauch-
und geruchlose, leicht zu behandelnde und zu contro-
lirende Art und Weise aufarbeiten ; der Effect war ein
überaus günstiger.
Ein nach längerer Betriebszeit angestellter Ver-
gleich mit den früheren Resultaten zeigte auch eine
bedeutende Kohlenerspamiss; wie viel gerade der Ofen
beanspruchte, ist in vorliegendem Falle schwer festza-
stellen, weil mit denselben Gaserzeugern zwei coUossale
Kochkessel/ der Cellulose -Fabrik gleichzeitig betrieben
wurden. Im Folgenden gebe ich in kurzen Worten zur
Orientirung des Lesers noch einige Betriebsresultate
und mache auf das grosse Quantum der wiedergewon-
nenen Soda besonders aufmerksam.
Zum Betriebe des Eindampf- und Caldnirofens
und der zwei Kochkessel, ca. 13" lang und 1,6" Durch-
messer, dienten 3 Gaserzeuger obengenannter Construo-
tion, welclie pro Tag zusammen ca. 4000^ böhmische
Braunkohlen mittlerer Güte consumirten. Es wurden
im Durchschnitt 3 Kochungen pro Tag gemacht. Die
sich hierbei ergebenden Lauge- und Waschwässer wur-
den auf dem Ofen verarbeitet in 2 grosseren Chargen
oder 3 kleineren Chargen mit einer Wiedergewinnung
von 80 — 90 Proc. der aufgewendeten Soda.
Variable Expansion fftr Fördermaschinen,
auegeführt
von der Sächsischen Maschinenfabrik zu Chemnitz.
Von
Ingenieur H. Krause in Chemnitz.
(ffierzu Tafel XXIV.)
Die erhöhten Löhne und der wirthschaftliche Noth-
Btand drängen auf allen industriellen Gebieten nach
minimalen Betriebskosten, und so sehen wir denn auch
im Kohlenbergbau die Frage nach billig arbeitenden
Förder- und Wasserhaltungsmaschinen erörtert und
theilweise gelöst. Während jetzt die klare Waschkohle
und selbst der den Wäschen entnommene Kohlenschlamm
noch mit Nutzen verkauft werden, erschien es früher,
als man die sorgfältige Aufbereitung der Kohle noch
nicht eingeführt hatte, rationell, alle Schiefer- und Staub-
kohlen unter grossen Kesselanlagen zu verbrennen —
und so aus der Welt zu schaffen. Es waren zu diesem
Zwecke stark dampf consumirende Maschinen willkommen.
Dass im Erzbergbau, wo Kohle zugefahren werden
muss, die Frage nach ökonomisch arbeitenden Ma-
schinen dringlicher ist, leuchtet ein und so dürfte wohl
ein Beitrag zur Lösung derselben, und zwar speciell
für Fördermaschinen, willkommen sein.
Bekanntlich hat man die alte eincylindrige, mit
Vorgelege ai'beitende horizontale oder Balancier-Förder-
dampfmaschine verlassen und stellt fast ausschliesslich
horizontale, gekuppelte Fördermaschinen auf, die direct
auf *der Kurbelwell« die Körbß und Bremsen tragen ;
bequeme Wartung und Uebersichtlichkeit, exacte Hand-
habung, solide Fundirung und directe Kraftübertragung
sind die geschätzten Eigenschaften dieses Systems. Im
Allgemeinen kann man wohl annehmen, dass für ge-
ringe Teufen bis 200" Rundseile mit cylindrischen
Körben, dass fiir Teufen von 200" bis 500" conische
Seilkörbe, und dass endlich für Teufen von 500 bis 800"
und mehr, Spiralkörbe mit Stahlbandseilen üblich und
zweckmässig sind, wenigstens was die Ausgleichung der
Lastmomente anlangt. Es besteht die verlangte Lei-
stung der Maschine bekanntlich im Heben der Förder-
last, der Fördergefässe, des Gerüstes und des Seiles;
erstere Gewichte sind als constant anzunehmen, wäh-
rend das Seilgewicht resp. die Seillänge veränderlich
ist. Beim Anheben aus dem Tiefsten ist das volle Ge-
wicht des aufgehenden Seiles zu heben, in der Mitte
des Zuges halten sich beide Seilgewichte, weil von
gleicher Länge und an entgegengesetzten Hebelarmen
angreifend, das Gleichgewicht und gegen Ende des
Zuges wirkt das niedergehende Seil sogar im Sinne der
Maschine. Die so entstehende Veränderlichkeit der
Lastmomente schwankt mit der Teufe und der Förder-
last und ist zu bemerken, dass bei grossen Teufen nicht
selten das Gewicht des Seiles grösser als die Summe
der Gewichte von Förderlast, Gefässen und Gerüst zu-
sammen ist. Diese veränderlichen Lastmomente sucht
man nun auszugleichen durch veränderliche Seilkorb-
radien, d. h. conische oder Spiralkörbe, oder durch
Gegengewichte (für grosse Teufen fast ganz unprak-
tikabel) und endlich durch Drosselimg oder besser
durch Expansion des Treibedampfes. Ueberdies muss
man in allen Fällen noch einige kräftige Bremsen als
Reserve haben.
Einige weitere Rücksichten, die man bei Gonstruc-
tion der Fördermaschine und ihrer Steuerung zu nehmen
hat, möchten noch kurz erörtert werden.
Von fast allen neueren Fördermaschinen wird ver-
langt, dass sie im Stande sind, das obere Gerüst, Ge-
fässe und Nutzlast auch dann von der Hängebank ab-
zuheben, wenn das untere Gefäss mit Zubehör im
Schachttiefsten aufsitzt; da nun hierbei die eine Kurbel
der gekuppelt angenommenen Maschine im todten Punkte
stehen kann, so muss dies von der anderen Kurbel
539
Krause, Variable Expansion für Fördermaschinen.
540
allein ermöglicht werden. Bei Förderung von nur einem
Füllort kann man sich zwar durch CoiTectur der Seil-
längen etwas helfen; das geht aber nicht gut, wenn
von 2 oder 3 Oertem gefordert wird. Bei stattgehabtem
Uebertreiben des Gerüstes oder nach einem Seilbruche
sollte die Maschine sogar im Stande sein, das untere
Gerüst mit Gef ässen und vollem Seilgewicht auszuheben,
eventuell sogar mit nur einer Kurbel. Eine Förder-
maschine soll also, der besprochenen Ausnahmefälle
wegen, eine ganz wesentlich grössere Leistung eimög-
lichen, als dies der normale Betrieb erfordert, woraus
folgt, dass während des regulären Betriebes der mitt-
lere nützliche Dampfdruck auf den Kolben nicht nur
wegen der Variation der Lastmomente ziemlich ver-
änderlich, sondern auch verhältnissmässig klein sein
wird, wegen der Dimensionirung der Maschine, mit
Rücksicht auf obige Ausnahmefälle. Eine mit nur ge-
ringem Kolbendruck arbeitende Dampfmaschine ist aber
stets unökonomisch und zwar um so mehr, wenn sie
ohne Expansion und ohne Condensation geht. Da nun
bei einigermassen beträchtlichen Teufen das gehobene
Wasser schon nicht mehr genügt, um die Dämpfe
der Wasserhaltung zu condensireu, die Fördermaschine
also fast stets ohne Condensation arbeiten muss, so
scheint dieselbe unter allen Umstilnden zum hohen
Dampfconsum bestimmt zu sein.
In neuerer Zeit verwendet man die Fördermaschinen
vielfach zum Ein- und Ausfahren der Leute, denen
man das anstrengende Steigen dadurch erspart und soll
daher die Maschine möglichst solid und ein&ch sein,
sowie alle difficilen Constructionsdetails vermeiden;
schon deshalb sieht man an manchen Orten von der
füfi Vorwärts- und Rückwärtsgang immerhin etwas com-
plicirten Expansionssteuerung ab. Geht man doch im
Streben nach Einfachheit des Mechanismus, selbst bei
grossen Maschinen, so weit, für Vor- und Rückwärts-
gang nur ein einziges Exoenter zu verwenden, obgleich
man weiss, dass Dampfeintritt und Austritt bei passen-
der Voreilung durch zwei Excenter sich wesentlich
günstiger gestalten.
Endlich ist bei beschlossener Anwendung der Ex-
pansion noch das Folgende zu berücksichtigen :
Setzen wir voraus, dass die Anfangs-Cylinderspan-
iiung 4 Atm. absolut beti'age, was in Anbetracht der
periodischen Dampfentnahme (während des Aus- und
Einladens) nicht zu niedrig scheint, und nehmen wir
an, dass der mittlere indicirte Dampfdruck auf die
Kolben der gekuppelten Maschine als Folge oben be-
sprocliener Bedingungen bei grösserer Teufe zwischen
1,6 bis 0,8^« pro Q^" schwanke, so würde, mit Zu-
grundelegung des Mari otte 'sehen Gesetzes, die Fül-
lung des Cylinders zwischen den Grenzen */, bis ca.
^/ft zu schwanken haben, wenn man den wechselnden
Dampfdruck durch Variation der Expansion erzielen
wollte.
Nun ist im ersten Falle bei 1,6 ^k mittlerm Ueber-
druck zu Anfang des Zuges und bei l,i*^«f Gegendruck
der Atmosphäre der Kolbendruck zu Anfang des Hubes
= 2,9^» und zu Ende des Hubes =0,23^ und ün
zweiten Falle bei 0,8^« mittlerm Druck zu Ende des
Zuges der Anfangskolbendruck =2,9^ und der End-
kolbendruck = — 0,3^«. Construirt man hiemach die
Curven der Tangentialdrücke beider Kurbelzapfen wäh-
rend einer Umdrehung, so ergiebt sich, dass die Gleich-
förmigkeit des Ganges bei ^2 Füllung sogar grösser als
bei Volldruck ist, bei ^i^ Füllung aber natürlich wesent-
lich geringer als dort. Bei Abwesenheit eines Schwung-
rades werden nun die bald positiven, bald negativen
Ueberschüsse der Kraft über den Widerstand Beschleu-
nigungen und Verzögerungen der bewegten Massen des
Systems bewirken, die im Allgemeinen wohl zu ver-
meiden sein möchten. In welchem Grade diese Pul-
sationen für die Dauer der Seile, Anschlüsse, Gerüste und
Körbe nachtheilig sind, kann nur die Erfahrung lehren ;
vorsichtiger ist es aber allemal, die Expansion nicht zu
weit zu treiben und lieber gegen Ende des Zuges die
Anfangsspannung mit zu drosseln. Mechanismen , die
den Füllungsgrad allein von der Geschwindigkeit ab-
hängig machen (z. B. Maschine von Sacre Madame,
Engineering 1876), sind hiernach nichtdurchaus rationell
Unter Berücksichtigung der oben dargelegten Ge-
sichtspunkte erhält man also folgende Bedingungen,
denen eine Fördermaschinen-Steuerung zu genügen hat:
Präcision und Solidität des Mechanismus, leichte Ma-
növrirbarkeit , Möglichkeit der variablen Elxpansion,
wenn auch nicht Selbstthätigkeit derselben, dazu mög-
lichste Einfachheit des Apparates. In wie weit die im
Folgenden beschriebene Combination diesen Bedingungen
genügt, möge der Leser selbst entscheiden.
Für giössere Fördermaschinen hat sich die Steuerung
mittelst Glockenventilen so allgemein eingeführt^ daas
dieselbe wohl kaum durch entlastete Schieber odei^eine
indirecte (hydraulische) Umsteuerung verdrängt werden
wird ; der Grund hierfür ist leichte Handhabung, Dauer-
haftigkeit und Zuverlässigkeit. So ist denn auch der in
Fig. 1—2, Tafel XXIV, dargestellte Apparat, der an
einer gekuppelten Maschine von 0,820™ Bohrung und
1,520" Hub functionirt, eine Ventilsteuerung mit nur
einigen neuen Details. Es sind a das Eingangs- und
b das Ausgangsven til an dem einen Cyliuderende;
dieselben werden durch die Welle c und Hebel d und e
vermittelst der Zugstange f in bekannter Weise von
541
Krause, Variable Expansion für Fördermaschinen.
542
einer Umsteuercoulisse bow^, deren einziges Excenter
genau rechtwinklig zur Kurbel arbeitet, also weder
Voreilung noch Compression zulässt.
Während nun die Ausgangsventilspindel durch ein
Kugelgewicht belastet ist, wird die Eingangsventilspindel
durch Luftpuffer mit darüber sitzender Spiralfeder nie-
der gedrückt, was ein langsames Heben und beim freien
Niederfallen ein ruhiges Aufsitzen gestattet. Das Ein-
gangsventil soll nun bei gewissen Kurbelstellungen aus-
gelöst werden, schnell niederfallen und so durch frü-
heren oder späteren Dampfabschluss die yeränderliche
Expansion bewirken. Zu diesem Zweck ist der Ventil-
spindelkopf mit einem Stahlkeil f versehen, unter
dessen unterer schmaler Seite eine Winkelhebelklinke g
eingreift, die im Ventilhebel d gelagert mit ihrem hori-
zontalen Schenkel beim Aufgang des Ventils gegen den
Daumen h trifft, so die Ventilspindel ihrer Unterstützung
beraubt und zum schnellen Niederfallen zwingt. Der
Daumen h an der Welle i wird mittelst Hebel h und
Zugstange Z von einem zweiten Excenter bewegt, das genau
mit der Kurbel arbeitet, d. h. gleichzeitig mit dieser
seinen Todpunkt hat. Es ist nun leicht zu übersehen,
dass bei constant begrenzter Bewegung des Daumens die
Variation der Expansion einfach durch den veränderten
Hub des Eingangsventils bewirkt wird ; ein grosser Hub
bewirkt ein ftüheres Ausklinken und geringe Füllung,
ein kleiner Hub ein späteres Ausklinken und grössere
Füllung und endlich ein Zurückbleiben des Spindel-
hubes unterhalb des Wirkungskreises des Daumens, die
gewöhnliche volle Füllung, wenn auch mit etwas ge-
ringerem Ventilhub. Der Maschinenführer stellt also,
ohne Einfuhrung eines besonderen Hebels und ohne
den bisher hierzu erforderlichen Kraftaufwand um einen
Bruchtheil zu erhöhen, die gewünschten Expansions-
grade, sowie den Volldruck in einer oder der anderen
Richtung mit Hülfe des gewöhnlichen Maschinistenhebels.
Das Schliessen des Ventils erfolgt fast momentan, ohne
jede Drosselung des Dampfes und sind gleichzeitig die
grossen schädlichen Räume, welche bei Einschaltung
eines besonderen Expansionsschiebei-s oder Ventils den
ökonomischen Effect der Expansion so wesentlich herab-
ziehen, gänzlich vermieden. Im Vergleich mit den bisher
bekannten complicirten Constructionen dürften diese
Punkt« sehr einleuchtend zu Gunsten des beschriebenen
Apparates sprechen.
Zu den in Fig. 3 und 4 dargestellten Diagrammen
(nach Zeuner) wäre vielleicht noch Folgendes zu be-
luerken :
Cassirt man den beweglichen Daumen h von Fig. 1
und 2 und ersetzt denselben durch einen festen Punkt,
der Montage wegen am besten durch eine Schraube, so
genügt alsdann ein Excenter für Umsteuerung und
Expansion; den verschiedenen Stellungen des Maschi-
nistenhebels entsprechend, werden die Schieberkreise
(Ventilhebelenden -Kreise) OA, OB und OC, Fig. 3,
entstehen und werden die Schnittpunkte dieser Kreise
mit dem concentrischen Kreise DBF des festen Aus-
rückepunktes, nämlich O und B* oder vielmehr deren
Radien O und B* die Kurbelstellungen bezeichnen,
bei denen die Ausrückung beziehentlich die Expansion
erfolgt. Dabei ist natürlich angenommen, dass 0D =
OE die Entfernung des Schraubenendes von der mitt-
leren Stellung des Ventilhebelendes darstellt. Stellt
man aber den Maschinistenhebel so, dass die Bewegung
des Coulissensteines, also auch die der Ventilhebelenden
dem Kreise OA entspricht, so hat man volle Füllung,
da der Kreis OA den D — B — E überhaupt nicht
berührt; bei der Bewegung nach dem Kreise OB hat
man ca. 0,37 Füllung, beim Kreise OC circa 0,20 Fül-
lung u. s. w. Man wolle bemerken, dass bei 0,37 Fül-
lung eine circa l*/«""* betragende Sicherheit des Aus-
klinkens gerechnet ist und dass bei Volldruck der Hub
des Ventils kleiner, also Anheben der Gerüste . und des
Seiles sanfter erfolgt, als wenn man hohen Ventilhub hat.
Den Eünfluss der Schubstangenlängen kann man
wegen Rück- und Vorwärtsgang nicht ganz aufheben,
das hat aber bei gekuppelter Maschine nicht viel zu
sagen; einige Millimeter Sicherheit des Ausklinkens
sind zweckmässig wegen eintretenden todten Ganges in
den Charnieren.
Wendet man das besprochene Princip auf bestehende
Schiebermaschinen durch besonderes Expansionsventil
an, so gestaltet sich die Sache nach Fig. 5 sehr ein-
fach: abc und a^b'& sind zwei Winkelhebel, um b und
b* drehbar, bei a gekuppelt und durch Exoenterstange
g bewegt; f ist das Ventil, durch den Keil e gehoben;
die bei c& drehbaren Ausrückeklinken werden durch
die festen Schrauben ddf ausgelöst. Ersetzt man dd*
durch bewegliche, vom Regulator gestellte Daumen, so
hat man eine höchst einfache variable Expansion für
gewöhnliche Betriebsmaschinen. Für Fig. 1 und 2 ist
das Diagramm in Fig. 4 dargestellt:
OAB ist der Kreis des Ventilhebelendes, D und
OD' die Daumenkreise, OEC ist der beiden entspre-
I chende relative Kreis. Soll die gewünschte kleinste
Füllung =0,20 betragen, so muss die Ausrückung bei
A erfolgen und ist in dieser Stellung der Daumen noch
um EA = OF von seiner mittleren Stellung entfernt.
Für 0,5 Füllung ist der Daumen in seiner mittleren
Stellung, d. h. in der Entfernung OE=OF von 0;
da aber F gleichzeitig ein Punkt des Ventilhebelkreises
und des relativen Kreises sein muss, so ist Of" zugleich
Ö43
H artig, Beobachtungen au eiuer Pappentrockeumaschine.
541
Durchmesser des Yentilhebelkreises für diese Füllung.
Etwas innerhalb OF beginnen die Kreise, bei denen
nicht mehr ausgerückt wird, die also volle Füllung
bedingen. Die Kreise OD und OD* sind natürlich in
Lage und Grösse unabhängig von der Lage des Ma-
schinistenhebels. Mit Hilfe eines besonderen Expan-
sionsexcenters kann man also bequem die Füllungen
zwischen 0,2 und 0,5 variiren lassen und auch volle
Füllung geben.
Will man die Expansion mit der Stellung des auf-
gehenden Gerüstes selbstthätig variabel machen, so
dürfte die schematische Combination in Fig. 6 ent-
sprechen.
h sei das Eingangsventil, a das Ausgangsventil,
cdef dlQ Steuerwelle mit ihrem festen Drehpunkt d,
ihren Hebeln cd und ed und dem Angriffspunkte /*fur
die Excenterstange; geh ist die schon bekannte Ventil-
hebelklinke mit ihrem Drehpunkt e, der zugleich um d
schwingt; iklm ist ein Balancier zum Ausrücken der
Klinke vermöge des Gontactes zwischen i und h. Dieser
Balancier hat in m seinen Excenterstangenangriffspunkt,
während, sein Drehpunkt k selbst wieder auf dem Hebel
no liegt, dessen fester Drehpunkt in n ist. Die Dre-
hung des Hebels no erfolgt nun mittelst Druckstauge
p* von dem Hebel q^p* r* aus, dessen Mitte p* um den
festen Punkt s drehbar ist, während in g^ die Um-
steuerstange q'V vom Maschinistenhebel u*t* aus an-
greift und der Punkt r' durch eine vom Teufenzeiger
aus betriebene Schraubenmutter v* beweglich ist. Die
Function dieses Systems ist nun leicht verständlich.
Steht der Maschinistenhebel in t*y die Mutter der
Schraube in v*^ so wird das Ende der Druckstange op
in p' stehen und sich, während das volle Gerüst auf-
geht und die Mutter v sich langsam von v* nach v^
schraubt, nach p^ zu stellen. Der Drehpunkt h sinkt
also allmälig und mit ihm zugleich die Enden i und I,
resp. die Schwingungsmittelpunkte der Ausrückebabin-
cierenden, d. h. also, je mehr das volle Gerüst nach
oben kommt, desto eher wird bei feststehendem Ma-
schinistenhebel ausgerückt, d. h. um so geringer wird
die Füllung. Beim Umsteuern von V nach P wird das
Spiel des Hebels g, p^ r nach der anderen Seite des
Lothes OS verlegt und ist auch leicht ersichtlich, dass
bei kleineren Auslagen des Maschimstenhebels die ge-
wünschte FügUchkeit der vollen Füllung für alle Falle
bleibt; man hat nur zu sorgen, dass oberhalb p' der
Daumen nicht mehr ausrückt, was um so leichter her-
zustellen, als in der Nähe der Mittelstellung von i der
Hub von e auch geringer wird. Das Balancierende I
hat für das hintere Eingangsventil dieselben Functionen
wie % für das vordere und würde man die selbstthätige
Variation vielleicht zwischen den Grenzen 0,5 bis 0,90
wählen.
Für die erwähnte Combination, Fig. 5, mit nur
einem Excenter würde ikl nur in in senkredit nieder-
zuführen sein — alles Andere würde bleiben.
Was nun das Verhalten der einzelnen Details im
Betriebe betrifft, so sind Expansionsmaschinen, für
Fabrikbetrieb mit der beschriebenen Ausrückung seit
1872 im Gange, theilweise mit über 50 Touren pro
Minute. Speciell Fig. 1 und 2 sind seit ca. 3 Jahren
im Gange. Fig. 5 seit ca. ^/^ Jahre. Fig. 6 ist vor-
läufig noch Papier und hat nach unserem Ermessen
keine so hohe praktische Wichtigkeit, um die grössere
Gomplication aufzuwiegen.
Die erhaltenen Indicatordiagramme zeigen die
scharfe Expausionsecke und den geringen schädlichen
Kaum, wie das zu erwarten war.
Beobachtungen an einer Pappentrockenmaschine.
Von
Dr. Uartig in Dresden.
(Hierzu Tafel XXV.)
Die Trocknung der Pappen im Freien, sowie die neuerdings von verschiedenen Seiten, unter andern mit
in geheizten Trockenräumen hat bekanntlich mit man-
cherlei Schwierigkeiten zu kämpfen. Es ist daher
vielem Erfolge von Herrn MaschinenfiEtbrikant Wilhelm
Kunze in Berthelsdorf bei Freiberg i. S., die Trock-
545
Bartig, fieobachtnngen an einer t^appentrockenntascliine.
546
nung der Pappen auf dampfgeheizten Cylindem in An-
griff genommen worden. Die Feststellung der zweck-
mässigsten Grösse der hierbei zu benutzenden Ober-
flächen macht die Kenntniss des Wärmedurchgangscoef-
ficienten für gusseiseme Wandungen, die von feuchter
Pappe bedeckt sind, erforderlich. Da uns diese Kennt-
niss bisher noch mangelte, so ergriff der Verfasser gern
die von Herrn Kunze gebotene Gelegenheit , hierüber
einige Beobachtungen anzustellen.
Die hierzu benutzten beiden Maschinen*), eine
Walzenpresse und eine Trockenmaschine , die sich in
der dem Genannten gehörigen Pappenfarik zu Berthels-
dorf befinden, sind auf Taf. XXV in Verticalschnitten
dargestellt
Die Ton der Pappenmaschine mit einem Wasser-
gehalt von ca. 68 Proc. gelieferten Pappen werden zu-
nächst auf der in Figur 1 skizzirten Walzenpresse
thunlichst (bis auf etwa 55 Proc.) entwässert. Die
gusseiseme Unterwalze a (Durchmesser 300"", Länge
1100"") wird Yon einer Antriebwelle mit einer Ge-
schwindigkeit von 8 Umdrehungen pro Min. (126""
Umfangsweg pro Secunde) umgetrieben. Die Oberwalze
by deren Zapfenlager in vei-ticalen Gestellschlitzen ge-
führt sind, wird durch Gewichtshebel belastet, zur Zeit
der Beobachtungen mit 3361 \ wozu das Eigengewicht
der Walze mit 529^^ zu rechnen ist; daher Gesammt-
pressung 3890*^* oder pro Centimeter Walzenlänge 55^«.
Durchmesser der Antriebscheibe 565"", mittlere Tou-
renzahl derselben pro Min. 40; Uebersetzung von der
Antrieb welle nach der Unterwalze (Stirnräder) 18 : 90.
Zwischen beiden Walzen passiren zwei endlose Wollen-
filze cd, von denen der untere das Auflegen und Ab-
nehmen der nassen Pappen ermöglicht; ersteres geschieht
bei 1, letzteres bei 2. Die Anordnung der Leit- und
Spannwalzen ist aus der Figur unmittelbar ersichtlich.
Das ausgepresste Wasser dringt grösstentheils durch
den Filz c und wird mittels einer unter a angebrachten
Fangrinne abgeführt. Nur die stärksten Pappen er-
fordern einen mehrmaligen Durchgang durch die Ma-
schine.
Die ausgepressten Pappen gelangen hiemach zur
eigentlichen Trockenmaschine, Fig. 2 und 3, deren
Hauptbestandtheile die drei hohlen gusseisernen Walzen
A, B, C sind; Durchmesser 1200"", Länge 1100"",
Wandstärke 22""; mittlere Tourenzahl pro Min. 1,35
(Umfangsweg pro See. := 85""). Die Drehung dieser
Walzen erfolgt in der Richtung der eingezeichneten
*) Dieselben sind neuerdings, so in Russland, zur Trocknung
des in BlÄtterform zu versendenden Holzstoffs in Verwendung ge-
kommen.
CiTiliDC«nienr XXIII.
Pfeile von einer Antriebwelle aus durch Stirnraderpaare
mit einer Gesammtübersetzung von
18 _18_
90" 120*
Durchmesser der Antriebscheibe 565"", normale
Tourenzahl derselben 45 pro Min. Die Heizung der
Trockenwalzen geschieht durch den Abdampf einer
kleinen fünfpferdigen Betriebsmaschine, der durch die
Rohrleitung a zu-, durch b abgeführt wird; innerer
Durchmesser des Dampfeintrittsrohrs 25"", des Dampf-
austrittsrohrs 32""; das durch Condensation gebildete
Wasser wird durch Schöpfer c nach dem Ableitungs-
rohr b befördert. An dem letzteren ist ein Federmano-
meter angebracht, das zur Ablesung der im Folgenden
notirten Dampfspannungen diente.
Die Anpressung der Pappen an die heissen Ober-
flächen — und hierin liegt eine wesentliche, durch Pa-
tente geschützte Eigenthümlichkeit der Kunze 'sehen
Maschine — geschieht durch endlose Gewebe D, E, F
von feinem Messingdraht (Drahtdicke 0,6"", Maschen-
weite 1,5""), welche mittels je 4 Leitwalzen d und
einer Spannwalze e so geführt sind, dass ca. 70 Proc.
des Walzenumfangs nutzbar gemacht werden. Wie für
die Walzenpresse sind auch hier zur Bedienung zwei
Personen erforderlich, eine zum Einlegen der Pappen,
die andere zum Abnehmen; ersteres geschieht bei 1,
letzteres bei 2. Die einlegende Arbeiterin steht auf
dem Fussbrett f und hat den Pappenvorrath zur linken
Hand auf dem Tisch g; die Abstreif bleche h bewirken
eine sichere üeberführung der Pappen von Ä auf B
und von B auf C; der Tisch i dient zum Aufschichten
der getrockneten Pappen; von i nach g führt auf der
einen Seite des Maschinengestells ein Schienengleis,
auf welchem mittels eines kleinen Transportwagens die
Pappen nach dem Einlegtisch zurückgeführt werden
können, wenn eine einmalige Passirung der Maschine
(bei stärkeren Pappen) nicht genügt.
Man ersieht aus der Art der Pappenführung, dass
beide Seiten mit den geheizten Oberflächen in Berüh-
rung kommen; auch ist klar, dass die Anwendung der
Drahtgewebe ein viel rascheres Entweichen der Wasser-
dämpfe gestatten muss, als die sonst gebräuchliche Be-
nutzung der Wollenfilze.
Die benutzte Gesammtlänge der Walzenumfänge
beträgt 7,9 1", die Länge des von den Pappen zurück-
gelegten Weges 8,83", daher die Zeit des Verweilens
jeder Pappe in der Maschine 8830 : 85 = 104 Secunden
= 1'44".
Als ein wesentlicher Vortheil dieser Trocknungs-
methode muss es angesehen wei*den, dass dieselbe
35
U1
Hartig, Beobachtungen an einer t^appentrockenmaschine.
548
keinerlei Ausschuss veranlasst, sowie dass die
Pappen in völlig ebener Form erbalten wer-
den, also die Notbwendigkeit dos Satinirens für viele
Verwendungen entfällt.
Unter Benutzung der bcscbriebenen beiden Ma-
schinen führte der Verfasser am 7. Aug. d. J. die fol-
genden Versuche durch.
I. Trocknung dünner Pappen aus Lumpenstoff.
Format 98.71'^'"; von der fertigen Pappe gehen 250
Stück auf 50''« oder das Gewicht pro IQ™ beträgt
287«.
100 Stück der von der Papiermaschine entnom-
menen Pappen zeigten ein Gewicht von 49,4^«; die-
selben wurden einzeln (mit der schmalen Seite) der
Walzenpresse vorgelegt und waren in 20' 15" ausge-
presst; die mittlere Tourenzahl der Antriebwelle dieser
Maschine wurde hierbei zu 41 beobachtet. Die Pappen
zeigten nach dem Auswalzen ein Gewicht von d3,o^^.
Sie wurden nun (mit der längeren Seite) der Trocken-
maschine vorgelegt und waren nach einmaligem Durch-
gang — in Zeit von 13' 35'' — völlig trocken; das
Gewicht der fertigen Pappen betrug nun 20^«. Die
mittlere Dampfspannung während des Trocknens wurde
zu 1,22 Atm. Ueberdruck beobachtet, die minutliche
Tourenzahl der Antriebwelle zu 54.
n. Trocknung mittelstarker Pappen. Format
98.71*^'°; auf 50 •'«gehen 125 Stück; Gewicht pro in™
575«.
100 Stück der nassen Pappen zeigen vor dem
Pressen ein Gewicht von 92,5*'«, nach dem Pressen
69,6 ''«; die Zeit zum Auspressen betrug 16' 45"; Touren-
zahl der Antriebwelle 39 pro Min.
Zum Trocknen war eine zweimalige Durchlaufung
der Trockenmaschinc erforderlich; bei der 2. Passage
wurden häufig 2 Pappen aufeinanderliegend eingelegt.
Das Gewicht der 100 Pappen ergab sich nach dem
ersten Durchgange zu 52,75^«, nach dem zweiten zu
40^«; ausserdem wurde beobachtet
bei der 1. 2. Passage
die erforderliche Zeit . . 15' 20" 13' 30"
die mittlere Dampfspannung l,io Atm. 1,28 Atm.
die minutliche Tourenzahl
der Antriebwelle . . 47,3 47,7.
Die Gesammtzeit zum völligen Trocknen dieser
100 mittelstarken Pappen betrug daher 28' 50".
III. Trocknung dicker Pappen. Format 98.71*^™;
auf bO^« gehen 73 Stück; Gewicht pro IQ"» 973«.
Die Pappen durchlaufen sowohl die Walzenpresse
als auch die Trockenmaschine zweimal. Es wurden
35 Stück Pappen abgezählt und deren Gewicht
99
>•
99
»>
»
99
99
99
99
vor dem Pressen . .
nach dem 1. Pressen
2. ff
1. Trocknen
2. „
ermittelt. Ausserdem wurde beobachtet:
beim 1.
die erforderliche Zeit . . . 5' 25"
die minutliche Tourenzahl der
zu 50,5^,
41,725»^«,
38,26^«,
31,6 ^
23,75^
2. Pressen
5' 50"
Antriebwelle
46
beim 1.
8' 10"
2,00 Atm.
35
2. Trocknen
9^50"
1,90 Atm.
die erforderliche Zeit . .
die mittlere Dampfspannung
die minutliche Tourenzahl
der Antriebwelle . . 38,26 36,4.
Zum Trocknen von 100 Stück würde also die Ge-
sammtzeit beim Auspressen 32' 8", bei Passirung der
Trockenmaschine 51*26" betragen.
Von den bei diesen Versuchen erhaltenen Pappen
wurden Proben genommen, deren Wassergehalt nach-
träglich in dem technologischen Laboratorium des Ver-
fassers bestimmt wurde; derselbe ergab sich im Durch-
schnitt zu 10,2 Procent.
Aus den vorstehenden Beobachtungen lässt si(£
zunächst für die drei Pappensorten die stündliche Lei-
stungsfähigkeit der beiden Maschinen, ausgedrückt in
Kilogramm fertiger Pappe, berechnen; dies führt zu
folgenden Ergebnissen:
Format der Pappen 98.71^™ (Grösse 0,696 □").
Gewicht
Standliche (maximale)
Zahl der
der fertigen
Leistung in Kilogramm
Nr.
Pappen
Pappen
der fertigen Pappe.
auf 50 ^«,
pro 1 D ".
Walzen-
Troekeo-
Gramm.
presse.
maschine.
I
250
287
59,3
88,4
U
125
575
143
83,2
m
73
973
127
79,2
Hierbei sind die Stillstände, welche durch das Zu-
tragen und Fortschaffen der Pappen u. s. w. entstehen
können, noch nicht berücksichtigt; rechnet man diede
zu 15 Proc. der Arbeitszeit, so würde immerhin eine
stündliche Leistungsfähigkeit von 0,85 . 83,6 = 71 ^« fer-
tige Pappe anzunehmen sein. Jedenfalls ist das von
dem Erfinder. garantirte Pappenquantum von 45—50*^
pro Stunde sehr niedrig gegriffen.
Die mitgctheilten Beobachtungen gestatten aber
noch eine anderweite Verwendung: es lässt sich daraus,
wie schon Eingangs erwähnt, der Wärmedurchgangs-
Coefficient für die vorliegenden Verhältnisse (Wasser-
dampf — Gusseisen — nasse Pappe — Drahtgewebe —
;
549
Hart ig, Beobachtungen an einer Pappentrockenmaschine.
550
atmosphärische Luft) annähernd berechnen, denn be-
zeichnet
T die Temperatur des Heizdampfes, die sich aus der
beobachteten Spannung ergiebt,
t die Anfangstemperafur der zu trocknenden Pappen,
die mit der Temperatur der umgebenden Luft als über-
einstimmend angenommen werde,
F die totale benutzte Heizfläche der Maschine, gleich
dem Product aus Pappenbreite und Länge der berührten
Walzenumfänge = 0,7 . 11,3 . 0,98 = 7,75 □'",
Q das Gewicht der stündlich zugofiihrten feuchten
Pappe in Kilogr.,
a,Q die pro Stunde durch Verdampfung entfernte
Wassermenge in Kilogr.,
/M die pro Stunde, pro IQ" Walzenumfläche und
pro 1® C. Temperaturdifferenz beförderte Wärmemenge
in Calorien,
so besteht die Gleichung
/'(r— 0|iA = Q(100 — < + 537.a),
woraus der Coefflcient
_Q (100 — <+537.a)
'*— " F(T—i)
sich berechnet.
Fühi-t man diese Rechnung für die vorliegenden
fünf Beobachtuugsreihen durch, so gelangt man zu den
in folgender Tabelle enthaltenen Zahlen werthen :
Art der Pappe.
Dünnste Pappe
Mittlere Sorte.
1. Passage ....
2. „ ....
Stärkste Pappa
1. Passage ....
2.
Gewicht der
pro Stunde
zugeführten
nassen Pappe.
Wasservcriust
der Gewichts-
einheit
a.
Dampf-
spannung
Atm. Ueber-
druck.
Temperatur
des Heiz-
dampfes.
T
Temperatur
der umgeben-
den Luft.
t
Coefficient
für den
W&ripe-
durchgang.
?»
146
273
234
281
192
0,394
0,242
0,242
0,176
0,217
1,22
1,10
1,28
2,00
1,90
124
122
125
134
133
30
30
31
32
32
56,5
76,7
63,9
57,8
45,4
Als Mittelwerth der fünf berechneten Zahlen ergiebt sich
|ii = 60,
DQit dessen Benutzung nunmehr die zutreffende Berechnung der für gegebene Verhältnisse erforderlichen Heiz-
Sache möglich ist.
Es ergiebt sich nämlich unter Beibehaltung der oben angeführten Bezeichnungen
C(100 — ^ + 537.«)
60 (r—^)
30
Secundäre Eisenbahnen und Bergbahnen.'
(Literarische Bevue.)
Von
C. Bother,
geprüfter Ci?iliiigenieur, Sectionsingeniear in Bischofswerda.
1) Neues System für Secund&rbahnen von Normalspur. Von Dr. Hugo von Ritgen. Berlin. Ernst & Korn. 1876.
2) Secundäre Eisenbahnen. Von Arnold Samuelson. Hamburg. Otto Meissner. 1876.
3) Die technischen Vorarbeiten der Gotthardbahn. Erläuterung zu der officiellen Darstellung der Finanzlage. Von K. Wetli»
Strassen- und Wasserbauinspector des Cantons Zflrich. Zürich 1876. Orell, Füssli & Co.
4) Betrachtungen über die Tradrung der Zufahrtsrampen der Gotthardbahn mit Rücksicht auf den Bericht von -W. Hell wag»
Oberingenieur der Gotthardbahn. Von H. A. Gütschow. Hamburg. Carl Grädener (Boyes & Geisler Nachf.). 1876.
5) Die üetlibergbahn mit Neigungen bis auf 70 per Mille und Bergbahnlocomotiven mit einfacher Adhäsion. Von J. Tobler.
Zürich. Orell, Füssli & Co. 1876.
6) Die drei Rigibahnen und das Zahnradsystem. Beschrieben von Roman Abt, Constructeur der Maschinenfabrik Aaran. Zürich
1877. Orell, Füssli & Co.
7) Die Alpenlocomotive der Zukunft (Fairlie*s System) mit symmetrisch articulirten Motorgestellen. Resultate aus dem Betriebe
mit Duplex-Maschinen nach „Practical Evidence of the Working of the Fairlie Engine'* zusammengestellt von A. Branner,
Ingenieur. Zürich 1876.
8) Der Eisenbahnbetrieb durch lange Tunnels von M. M. Freiherr von Weber. Wien (Hartleben*s Verlag) 1877.
Mit einem Anhang: Die Wechselwirkungen zwischen den continentalen und den englischen Bahnsystemen nach der Vollen-
dung des unterseeischen Tunnels.
Kaum ein Gebiet wirthschaftlicher Thätigkeit ist
von den Wirkungen der Krisis von 1873 so tief berührt
worden, als das Gebiet des Eisenbahnbaues; es hat
allerdings auch eine Ueberproduction von Eisenbahnen
stattgefunden, welche den Betheiligten noch lange Jahre
Schmerzen machen wird. Zur Zeit gehört die Eisenbahn-
frage unter die Nothstandsfragen, und zwar unter die
aussichtsloseren. Man hat sich daran gewöhnt, das
bisherige Gebiet dos Eisenbahnbaues als ein abgebautes
zu betrachten; man ist bemüht gewesen, neue Felder
der Thätigkeit für die freigewordenen Kräfte aufzu-
finden, aber der Erfolg hat den Erwartungen noch
nicht entsprochen. Der Verfasser der unter Nr. 1 ge-
nannten Schrift hält dafür, dass die Flussthäler zweiter
Ordnung besonders im Hügellande zur Anlage neuer
Bahnen sich eignen, die den Verhältnissen entsprechend
als „billige ^/j Bahnen" mit normaler Spur auszuführen
sein würden. Auf Grund einer Reihe von Gesichts-
punkten, von denen hervorzuheben sind:
die Möglichkeit, dass die Wagen der Secundär-
bahn in den langsam fahrenden Zügen der an-
schliessenden Hauptbahn laufen können;
die Anwendung von 120° Curvenradius, Nei-
gungsermässigung in Curven und event. Zags-
theilung;
die Länge des grössten Radstandes 2,5**, die
grösste Achsbelastung 8000^ und die Beschrän-
kung des Normallichtprofils auf 3,2° Höhe,
construirt Herr Ritgens die Betriebsmittel für sein
Secundärbahnsystem. Die gemachten Vorschläge sind
zwar nicht für die Ausführung, wohl aber für ein ge-
nerelles Project eingehend genug behandelt und deut-
lich gezeichnet.
Den Unter- und Oberbau seines Bahnsystems be-
handelt Herr Ritgens kürzer und besdiränkt sich zu-
meist darauf, die Ersparnisse nachzuweisen, welche
durch Reduction der Dimensionen I und Grewichte er-
wachsen. Die Erfolge, welche durch Verringerung des
Normallichtprofils in Bezug auf Wohlfeilheit des Bahn-
baues zu erzielen sind, scheint der Herr Verfisusser in
zu günstigem Lichte zu sehen. Die wenigen Wege-
brücken, deren Höhe dadurch kleiner aosfaUt, können
kaum in Betracht kommen. Fürdie Tonnek aber, die
an solchen Secundärbahnen jedenfalls recht sehr selten
5&3
Roth er, Secundäre Eisenbahnen und Bergbahnen.
554
Torzukommen haben werden, sinkt der Ausföhrungs-
preis durchaus nicht proportional mit der Fläche der
Lichtöffhung. Ein Normalprofil von geringer Höhe
schliesst auch gewisse Gegenstände vom Bahntransport
aus, ja für manche Industriezweige reicht schon jetzt
die Höhe des Hauptbahnnormalladeprofils (4,65 ^) nicht
mehr überall zu.
Das Buch verdient in der That eine eingehende
Würdigung, auch wie es der Herr Verfasser wünscht,
seitens des Vereins deutscher Eisenbahnverwaltungen.
Der Verfasser der unter Nr. 2 genannten Broschüre,
Herr Samuelson, fuhrt ein Secundärbahnsystem vor,
das sich mehr als Strasseneisenbahnsystem charakteri-
sirt. Die Grundzüge sind:
1) Noimalspur.
2) Gurven bis 28 '" Radius, dabei soll der Spurki'auz
des Aussenrades auf der seitwärts gerückten
Aussenschiene auflaufen.
3) Radstand 2,2'°, Maximalachsbelastung 5000^.
4) Eigenthümlich construirte Locomotive mit stehen-
dem Kessel und zu Vermehrung des Adhäsions-
gewichtes mit einem Personenwagen combinirt.
„Die Gründe für diese Grundzüge — sagt Herr
Samuelson — werden dem Kenner der von Weber'-
schen Schriften schon von vornherein klar sein, den
Rest der Klarheit wird hoffentlich das Nachstehende
bringen."
Die Locomotiven, Wagen und Kuppelungen für
sein Eisenbahnsystem beschreibt Herr Samuelson ein-
gehender, auch sind diese Gegenstände durch gut aus-
geführte Zeichnungen erläutert. Auf den Oberbau
legt Herr Samuelson besonderes Gewicht: „Erst der
Abschnitt vom Oberbau wird Manches von dem vor-
stehend Gesagten zum vollen Verständnisse bringen.
Man hat sich in Deutschland durch die Schriften von
Sorge und die älteren Schriften von Webers und
Anderer daran gewöhnt, die Secundärbahnen als eine
kleinere Abart der grossen Eisenbahnen anzusehen,
welche zwar einfacher und billiger angelegt und be-
trieben werden, im Uebrigcn aber ähnliche Kosten für
Terrainerwerb, Bahnhöfe u. s. w. aufwenden müssen
und in ähnlicher Weise mit dem kostspieligen Betriebs-
apparat, Signalwesen, Bahnhofsbetrieb u. s. w. versehen
sind. Man muss daher, wenn man die Secundärbahn,
wie der Verfasser sie versteht, auffassen will, sich zuerst
gänzlich von diesen Ideen losmachen. Solche Los-
machung bahnt schon v. Weber 's vorzügliche Schrift:
,,Neue Pfade der Volkswirthschaft^^ an, es werden aber
darin die Mittel nicht gegeben, durch welche das auf-
gestellte Programm ausfuhrbar sein würde. Ich glaube,
dass das vorliegende System viel weitergehend ist , als
das V. Weber 'sehe, denn es ermöglicht das Befahren
von Gurven mit 28"^ Radius und von Steigungen, im
Nothfall bis zu 5 Procent, reicht daher für jede Ge-
birgsbahn aus.^'
Der Oberbau ist für verschiedene Fälle gut und
klar dargestellt und zwar für
1) Lage in chaussirter Strasse (nach Art der Pferde-
bahnen, gewöhnliche Vignolschiene bis zum
Kopfe verfullt).
2) Lage in gepflasterter Strasse und Curve von 28"
Radius (aussen: Vignolschiene für Spurkranz-
auflauf, innen : [ Schienen mit verticalgestellter,
durch Bolzen und Hülsen befestigter Schutz-
flachschiene).
3) Lage in städtischer Strasse (An9rdnung für beide
Schienen wie vorher für die Innenschiene).
Wie sich alsdann Hen* Samuelson den Bau einer
Secundärbahn nach diesem Systeme denkt, geht aus
seinen folgenden Sätzen hervor: „Die Fa^onstücke für
28" Gurven werden in den Werkstätten fertig gestellt^
so dass an Ort und Stelle nur die Gurven mit mehr
als 150 "^ Radius hergestellt zu werden brauchen. Dieses
kann entweder durch Biegen der Schienen geschehen
— eine Schiene von 6" Länge wird bei 150"* Radius
um 30"™ in der Mitte durchgebogen — oder dadurch,
dass man kürzere Schienenstücke von verschiedener
Länge vorräthig hält, welche man in unmerkbaren
Knicken verlegt. Solche Schienenstücke muss man
ohnehin vorräthig haben, um die Curven von 28" Ra-
dius an ihre richtige Stelle hinrücken zu können.
So ausgerüstet braucht man keine Tracirung, keine
Aufmessungen, ja nicht einmal eine vorherige genaue
Absteckung. Die Goordinaten der Endpunkte der Cur-
venstücke kann man sich ein für alle Mal notiren oder
merken und es kann dann die ganze Schienenlegung
nach dem Augenmass mit Hilfe von Setzwaage, Winkel
und Schnur beschafft werden. Eine Holzschablone,
welche zusammengesetzt einen Viertelkreis von 28"
Radius bildet, könnte vielleicht unter Umständen mit
Vortheil zu verwenden sein. Man wird bei Legung
der Gurven, abweichend von den Eisenbahncurvon, stets
von der inneren Schiene ausgehen. Ein kleines Nivel-
lirinstrument ist wünschenswerth, um die Steigimgs-
verhältnisse zu registriren. Schliesslich muss noch be-
merkt werden, dass statt der hölzernen Unterlagen auch
eiserne, wie Glocken u. s. w. angewendet werden können.
Wer also eine Leidenschaft für solche Gonstructionen
fühlt oder an die Zukunft derselben glaubt, der möge
sie anwenden."
Endlich berührt der Verfasser noch die Detailcon-
structionen des Radreifens und schliesst mit den Worten :
555
Roth er, Secandäre Eisenbahnen und Bergbahnen.
556
,,Hierau8 folgt dann alles Andere von selbst und kann
getrost der Weiterbildung und Vervollkommnung von
Tausenden einsichtsvoller Ingenieure aller Orten über-
lassen werden.
Der Verfasser hat auf das, was an diesem System
etwa neu und eigenthümlich sein sollte, keine Patente
irgend welcher Art genommen (ausser auf den Dampf-
wagen). Er stellt Alles zur freiosten Benutzung dem
Gemeinwohl zur Verfügung." Ja es wird allerdings
noch der Arbeit vieler einsichtsvoller Ingenieure aller
Orten bedürfen, um die Secundärbahnfrage zu lösen
oder — unter uns gesagt — den Eisenbahnbau wieder
in Flor zu bringen. Bis jetzt gehen die Meinungen
noch recht weit auseinander und die Schwierigkeiten
scheinen eher zu wachsen als abzunehmen, v. Weber
sucht unter Aufwand zahlreicher Gründe nachzuweisen,
dass mit Schmalspur beim Bau nur wenig, beim Be-
trieb £Etst Nichts zu sparen sei und ist Anhänger der
Normalspur. Kopeke dagegen stellt sich und zwar
auf Grund eingehender Verkehrsbeobachtungen auf Seite
der Schmalspur und glaubt dadurch dem Baucapitale
noch am ehesten eine Rente sichern zu können. Die
Secundärbahn im Sinne Kopeke 's ist schon mehr
Dampfomnibuslinie mit gelegentlicher Güterbeforderung.
Interessant und von sachlicher Wichtigkeit sind die
Untersuchungen Kopeke 's in Bezug auf die Concur-
renz zwischen Strasse und Secundärbahn, siehe Pro-
tocoU der 1875er Versammlung des sächsischen Inge-
nieur- und Architekten- Vereins zu Dresden.
In ziemlichem Widerspruche hiermit stehen die
Anschauungen, auf Grund deren man Seiten preussischer
Provinziallandtage dem Secundärbahnbau näher getreten
ist. Man hat sich dort gesagt, dass eine Secundärbahn
wenig mehr koste, als eine gute Strasse und während
letztere nur Unterhaltungsaufwand erfordere, bringe
erstere noch etwas ein, dabei ist freilich das Gespenst :
Betriebsdeficit einfach todtgeschwiegen.
In fast gleich schwieriger Lage, wie das gesammte
Eisenbahnbauwesen, befindet sich zur Zeit das wohl
bedeutendste technische Unternehmen der Gegenwart,
nämlich die Gotthardbahn. Der Bericht des Ober-
ingenieurs Hellwag*) hat die Schweizer Ingenieure
empfindlich berührt, sie suchen sich gegen die indirect
gemachten Vorwürfe zu vertheidigen, davon legen die
unter Nr. 3 und 4 genannten Schriften von Gütschow
*) Eine weitere Schrift des genannten Verfassers — Mein
Gutachten über A. Thoumen's Gotthardbahn, 7. Heft der tech-
nischen Mittheilungen von Orell Füssli & Co., Zürich — weist
überzeugend nach, dass durch die von Thoumen, dem £rbauer
der Brennerbahn, gemachten Vorschläge das Deficit der Gotthard-
und Wetli Zeugniss ab. In einem Punkte sind sich
die Herren He 11 wag und Wetli einig, insofern sie
die Kostenanscliläge der internationalen Couferenz al»
ungenügend erklären. He 11 wag legt dies im Einzelnen
dar, während Wetli mehr im Allgemeinen nachweist,
dass seine Anschläge den Hell wag 'schon sehr nahe
kommen und dass vor Allem die enorme Kostenüber-
schreitung beim Baue der nun fertigen tessinischen
Thalbahnen lediglich der internationalen Conferenz und
der auf ihre Anschläge gegründeten unzureichenden
Finanzii-ung zur Last fällt.
Den Arbeiten Wetli 's wird überall gebührende
Anerkennung gezollt und seine Schichtenpläne im Mass-
stabe 1 : 100000 wurden vielfadi benutzt und selbst
Hell wag that dies. Trotzdem sind gerade diese Pläne
in kurzer Zeit und mit sehr massigem Kostenaufwande
hergestellt worden, was in gleicher Weise von den spä-
teren Tracirungsarbeiten nicht gesagt wird. Ueber den
Hell wag 'sehen Bericht in manchen Fällen klares Licht
zu verbreiten, ist die Wetli 'sehe Schrift ganz geeignet
und beide Werke können, zumal überhaupt die Lite-
ratur über Eisenbahnvorarbeiten noch keineswegs aus-
gedehnt ist, zum Studium bestens empfohlen werden.
Die unter Nr. 4 genannte Schrift von Gütschow
enthält eine sehr abfällige Kritik des Hell wag 'sehen
Projectes und bezweckt demgegenüber die Vertheidigung
des älteren Projectes von Gerwig. Die Art und Form
der Darstellung flösst jedoch so wenig Vertrauen zu
den Schlussfolgerungen ein, dass eine Wiedergabe von
Einzellieiten kaum interessiren dürfte.
Eifreulicheres bietet die Monographie über die
Uetlibergbahn von Tob 1er; als wohlgelungenes Werk,
wird dieser beachtenswerthe Verkehrsweg eingehend
beschrieben und dargestellt und zwar in einer Form
und Ausstattung, die als Muster^^hingestellt zu werden
verdient.
Von Zürich aus gewinnt die Bahn mit Steigungen
1 : 50 bis 1 : 25 den Fuss des Uetliberges, dann wachsen
die Steigungen und im letzten Theile liegt die Strecke
1^™ lang in 1 : 14,3. Die Gesammtlänge beträgt 9,i67*»,
die Höhendifferenz der Endpunkte 399" und die mitt-
399 1
lere Steigung ^. ,,-- = ^. Der gewöhnliche Curvenra-
dius ist 150", ausnahmsweise kommen Radien von 135"
bahn durch Eiolegung von Zahnradstrecken mit i6®/oo Neigung,
ansehnlich zu verringern, nicht das erhoffte Resoltat m erreichen
sein wird. Erst bei Erhöhung der Neigung auf 707oo ^U "^
eine wesentliche Erspamiss herausstellen, gleichzeitig aber nach
die Unmöglichkeit, den zu erwartenden Verkehr mit dem Zihn-
radsystem zu bewältigen.
557
ttother, Secandäre Eisenbahnen und Bergbahnen.
558
vor, die Länge der Curvenstrecken beträgt 53 Proc.
der ganzen Länge.
Die Locomotiven sind dreiachsige Tendermaschineu
▼on 25''' Betriebsgewicht, 2" Radstand, 0,9 1» Triebrad-
durchmesser, 0,54" Kolbenhub, 0,32" Cylinderweite
und der Kessel ist für 12 Atmosphären Dampfdruck
gebaut
Die Personenwagen haben 2,8" Radstand, 5,7"
Länge, 3,o" Breite, fassen 40 Personen sammt Gepäck
und wiegen beladen 12^^; Güterwagen besitzt die Bahn
nur drei von je 7,6 "^ Tragkraft.
Der Oberbau der Bahn besteht aus 110"" hohen,
30^* schweren Eisenschienen und imprägnirten Quer-
schwellen. Es sind Eisenschienen vorgezogen worden,
weil sie beim Biegen weniger sorgsam behandelt wer-
den können.
Die Spurerweiterung beträgt in Curven von 150"
Radius 0,oi3" und ist nach der Formel: e = ^^^, wo-
rin d der Radstand und jB der Curvenradius in Metern
ist. Diese Formel giebt fast um die Hälfte kleinere
Spurerweiterungen, als man sie sonst wohl verwendet,
die Gleise und Spurkränze sollen sich aber gut gehalten
haben. Die Ueberhöhung der Gleise in Curven ist für
150 Radius und 20^" Geschwindigkeit (r) zu0,i3" aus
der Formel h= p bestimmt worden, was den gebräuch-
lichen Annahmen entspricht. Die Baukosten betrugen,
eingerechnet Betriebsmaterial, 137960 Mark pro Kilo-
meter. Als Billetpreis werden 15 Pfennige pro Kilo-
meter berechnet, die jährlicdie kilometrische Einnahme
hat sich zu etwa 21000 Mark (44000 Mark bei den
sächsischen Staatseisenbahnen) herausgestellt und diese
Summe erlaubt bei etwa 45 Proc. Betriebskosten 5 Proc.
Dividende für das Anlagecapital.
Die Züge bestehen in der Regel aus 1 Locomotivc
und 3 Personenwagen (120 Plätze) und werden bei der
Thalfahrt fast nur durch die Luftbremse der Maschine
dirigirt, in Ausnahmefällen können jedoch die Doppol-
klotzbremsen der Räder mit verwendet werden. Ueber
die Wirkungsweise der Luftbremse sagt Herr Tob 1er
Folgendes :
,,Die technisch wichtigste Neuerung im Betriebe der
Uetlibergbahn ist unstreitig die Verwendung des Bewegungs-
mechanismus zur Hemmung des Zuges bei der Thalfahrt Sie
allein ermöglicht einen sicheren und ökonomischen Betrieb
auf den aussergewöhnlichen Steigungen. Die Wirkung der
comprimirten Luft ist grösser und auch ökonomischer als
diejenige des Gegendampfes. Die Manipulationen sind bei
Anwendung des letzteren etwas einfacher und erfordern viel-
leicht etwas weniger Aufmerksamkeit von Seite der Führer;
allein auch die Handhabung der Luftbremse verursacht keine
Schwierigkeiten. Auf luftdichten Abschluss der Kolben,
Schieber und Lufthahnen muss allerdings grosse Sorgfalt
verwendet werden. Im Anfang, wenn alle Theile voUkonunen
schliessen, ist man immer im Stande, die Triebräder zum
Stehen zu bringen, nach einiger Zeit aber, wenn die Kolben-
ringe sich etwas abgenutzt haben und nicht mehr gut schliessen,
lässt die Wirkung nach ; das Bremswasser dringt mit grosser
Heftigkeit durch die Fugen der Kolbenringe und greift an
den betreffenden Stellen sogar die Cylinderwände an. Ebenso
nutzt das Bremswasser die Kanten der Lufthahnen ab und
macht sie undicht. Um diesen Uebelständeu zu begegnen,
wurden die Fugen der gewöhnlichen selbstspannenden Kolben-
ringe durch besondere Deckstücke möglichst luftdicht ge-
macht. Bei einiger Sorgfalt im Montiren und bei öfterem
Nachsehen halten übrigens auch die gewöhnlichen Kolben-
ringe auf beledigende Weise aus. Dem Undichtwerden
der Lufthahnen wurde durch Vergrösserung ihres Quer-
schnittes abgeholfen.
Das Ausströmen des Bremswassers und der comprimirten
Luft verursacht ferner ein unangenehmes, die Reisenden be-
lästigendes Geräusch. Zur Vermeidung desselben und zu-
gleich in der Absicht, die durch Compression erzeugte Wärme
eiuigermassen zu benutzen, ist der Versuch gemacht worden,
die ausströmende Luft durch etwa 40""* weite Kupferrohre
in den Wasserkasten zu leiten. Nach den bis anhin gemachten
Beobachtungoa steht allerdings die Erwärmung des Speise-
wassers in keinem Verhältniss zu der mechanischen Arbeit,
welche das Gewicht eines von einer Höhe von 400° herab-
rollenden Zuges, im Gewicht von 40 — 50'^, hervorbringen
könnte; allein die blosse Beseitigung des erwähnten Ge-
räusches kann schon als ein Gewinn betrachtet werden.
Die Zuleitung des Bremswassers muss selbstverständlich
auf das Nothwendigste beschränkt werden. Um die genü-
gende Sättigung der comprimirten Luft zu erkennen, ist auf
dem höchsten Punkte des Ableitungsrohres ein kleiner Pro-
birhahn augebracht; sobald die Färbung der ausströmenden
Luft ins Bläuliche geht, ist der Zutritt des Bremswassers zu
vermindern.
Die Verwendung von Wasserstrahlen zum Reinigen der
Schienen und zur Vermehrung der Adhäsion hat zwar gün-
stige Resultate geliefert, die vorhandenen Finrichtungen be-
friedigen jedoch nicht vollständig. Die Führer ziehen die
Anwendung des Sandes vor. £s unterliegt keinem Zweifel,
dass der schmierige Ueberzug, welcher sich durch Staub
und Rost auf feuchten Schienen bildet, durch einen kräf-
tigen und lange genug einwirkenden Wasserstrahl beseitigt
werden kann. Die bisher nicht ganz befriedigenden Frfolge
liegen nur in dem Umstand, dass die Zuleitungsröhren wegen
der seitlichen Bewegungen der Maschine, namentlich in den
Curven nicht immer auf die Mitte der Schienen treffen und
659
Röther, Secundäre Eisenbahnen und ßerghahnen.
560
dass die Geschwindigkeit des Zuges mitunter noch zu gross
ist, um lange genug auf den erwähnten schmierigen Ueber-
zug einzuwirken. Heisses Kessclwasser, das beim' Anstritt
aus den Köhren sofort verdampft, wirkt offenbar weniger
als ein Wasserstrahl von geringerer Temperatur. Bei der
Schwierigkeit des Wasserspeisens auf starken Steigungen
werden überdies die Iigecteure sonst in Anspruch genommen
und ist der Widerwille der Führer gegen Wasserverlust be-
greiflich. Im Allgemeinen aber ist ein gewisser Erfolg nicht
in Abrede zu stellen; es stehen weitere Versuche bevor, um
das Sauden, welches auf Schienen und Bandagen nachtheilig
einwirkt und einen gewissen Widerstand erzeugt, ganz zu
beseitigen oder wenigstens auf Ausnahmefälle zu beschränken.
Die zeitherigen ErÜEihrungen im Betriebe der Bahn zeigen
übrigens, dass die gewöhnliche Adhäsion für die angenom-
mene Belastung vollständig ausreicht.^^
In der That giebt die Schrift des Hemi Tobler
beaehtenswerthe Fingerzeige für die Anlage von Borg-
und auch von Seeundärbahnen, ebenso sind die Resul-
tate der verwendeten Locomotiven (gebaut von Kraus
& Co. in München) dazu angethan, bei neuen Pro-
jecten an erster Stelle in Betracht gezogen zu werden.
Nicht minder ungetheiltes Lob ist dem folgenden
Werke des Herrn Abt über die drei Rigibahnen zu
zollen, um so mehr als Nichts von Reclame darin zu
finden ist, während doch direct geschäftliche Interessen
die Herausgabe des Buches veranlasstei;. Dia Maschinen-
fabrik Aarau ist die Eigenthümerin des Rigizahnrad-
systems Riggenbach-Zschockke und, wie der Titel
sagt, ist Herr Abt Constructeur der Fabrik. Es wer-
den durch die eingehenden Darlegungen des Herrn
Verfassers manche Hoffnungen, die man in neuerer
Zeit auf das Zahnradsystem gesetzt, reducirt werden,
dagegen haben auch eine Reihe Zweifel und vermeint-
liche Mängel des Systems Erledigung gefunden.
Nach einer kurzen Beschreibung der drei Rigi-
bahnen*) in Bezug auf Trace und Bauwerke folgt eine
Uebersichtstabelle der Verhältnisse einiger Zahnrad-
bahnen, von denen die Wasseralfinger und Ostermun-
dingcr Bahn hervorzuheben sind, weil bei ihnen die
Locomotiven auch als Adhäsionsmaschinen arbeiten. Auf
Strecken geringerer Steigung fehlt die Zahnstange und
da, wo sie nöthig wird, beginnt sie mit einem federnd
gelagerten Stück von abnehmender Theilung, so dass
*) Es sind die Linien: Vitznau-Kulm 7^" lang, 1873 eröffnet,
ISO"* Rad, ^0^00 Maximalsteigung, reine Zahnradbahn;
Arth-Kulm 11,2''" lang, davon 9,8^" mit Zahnstange, 180~ Rad,
212,6 %^^ Maximalsteigung und
Rigi- Scheideck ohne Zahnstange 60 ^!^,^ Steigung, 6,7 *'" lang,
1876 eröffnet
ein Aufstoigen der Zähne nicht eintreten kann. Die
Locomotiven und Wagen der Rigibahnen sind sehr gut
graphisch dargestellt und eingehend beschrieben, auch
sind einige Untersuchungen über Zugswiderstand und
Leistungsfähigkeit der Maschinen in übersichtlichster
Form angeführt. Die Dauer der Zähne wird nach
Massgabe der bis jetzt vorliegenden Erfahrungen aUs
eine fast unbegrenzte herausgerechnet; dabei mag wohl
ausser Ansatz geblieben sein, dass die Abnutzung,
welche der einzelne Zug jetzt hervorbringt, wesentlich
kleiner ist, als diejenige Abnutzung, die ein Zug er-
zeugt, nachdem die Zähne bereits bis zu einem gewissen
Grade abgeschliffen sind.
Immerhin lehren die bis jetzt gesammelten Beob-
achtungen bereits, dass die Erhaltungskosten der Zalm-
stangen nicht höher sein werden, als im Verhaltniss
z. B. die der Schienen.
Den Schluss des Werkes bildet eine Uebersicht der
Betriebsergebnisse der Rigibahnen vom Jahre 1875.
Daraus ist zu entnehmen, dass die Vitznau- Kulmer
Bahn 4033 Züge befördert hat (die Arih-Kulmer Bahn-
linie beförderte 2471 Züge, die betreffenden Zahlen für
diese Bahn sind in Klanmiem gestellt), dabei sind
26825 (21625) Locomotivkilometer, d. i. pro Maschine
und Tag 14,5 (20)^" zurückgelegt worden. Die Ein-
nahmen betrugen 360000 (132000) Mark, aus dem Per-
sonenverkehr entfielen davon 83 (82) Proc. Die Aus-
gaben stellten sich auf 156000 (70400) Mark, wovon
der Maschinendienst 58 V« Pn>c. in Anspruch nahm.
Der Reinertrag war 11,5 (2,4) Proc. des Anlage-
capitals, wobei die Ausgaben pro Kilometer Bahn 22400
(5850) Mark, die Einnahmen 51900 (12000) Mark be-
trugen.
Die Finanzlage der Rigibahnen ist sonach eine
ganz erfreuliche.
Für diejenigen Fachgenossen, welche mit Anlagen
von Zahnradbahnen zu thun haben, bietet das Werk
des Herrn Abt eine Fülle brauchbarer Daten» es sei
deshalb bestens empfohlen.
In der unter Nr. 6 aufgeführten Schrift ist zwar
die Fairlie-Locomotive als Zukunftsalpenlocomotive
bezeichnet, es wird aber darüber wohl noch nicht das
letzte Wort gesprochen sein. Die Broschüre ist ein
Auszug aus einem Fabrikmusterbuch, enthält aber im-
merhin eine ganze Reihe praktisch brauchbarer Notizen.
Die folgende Tabelle ist aus den Daten der Broschüre
zusammengestellt.
In einzelne Angaben der Broschüre diirften Zweifel
zu setzen sein, so z. B. in die: dass auf den canadi-
schen Bahnen die Fairlie- Maschinen Schneewehen
von 1,5*" Tiefe mit 32^"" Geschwindigkeit durchfahren.
561
Hother, SecnUdäre tlisenbalmen und Bergbahnen.
56^
Name der Bahn.
Spurweite.
Meter.
Mazimal-
steigung.
/oo
Minimal-
curven-
radius.
Meter.
Gewicht der
Maschine
im Dienst
Tonnen.
Zaggeschwin-
digkeit.
Kilom. pro
Stunde.
Kohlen-
verbrauch
pro Tonnen-
kilometer.
Zuggewicht
in
Tonnen.
Festiniogbahn in Wales . . .
Paüllosbahn in Peru ....
Porto k Poroa de Varzim, Bahn
in Portugal
Donedin und Port Chalmers-Bahn
IdTny-Schmalsporbahn, Gouv. Orell,
Bassland
Toronto Grey und Bruce-Babn in
Canada
Bahn Yera-Cruz, Mexico . . .
Iquique-Balm in Peru ....
Nasajö und Oscarshaim-Bahn in
Schweden
Grand Loxemburg-Bahn in Belgien
Grosse Sttd- and Westbahn in
Irland
Uebersichtsweise Uetlibergbahn,
Schweiz
0,597
0,762
0,900
1,067
1,067
1,067
1,435
1,435
1,435
1,435
1,600
12,5
35
24
18
12,5
16,66
40
45
16,66
16
16,66
35
40
138
150
200
150
100
60
300
300
300
21
26
26
46
34
62
28
25
45
25
56
16
0,357
0,940
0,33
0,07
0,08
120
80
70
200
350
210
147
120
60
400
80
1,435
70
135
25
20
0,28
16
Die Vortheile der Fairlie -Maschine gegenüber zwei
gekuppelten Tendermaschinen werden kurz besprochen
und mit folgenden Worten schliesst der Herr Verfasser :
,J)en grössten Triumph aber hat die Fairlie-Maschine
im Lande des grössten £isenbahntalentes, Amerika, gefeiert.
Kach dem Vorbilde der Bergbahnen in Peru and in
Mexico (Steigangen 1 : 25 bis 1 : 20, Carven 100"" Bad)
werden auch die eoropäischen Gebirgs- and Alpenbahnen
der Znkanft gebaat werden müssen, wenn die angeheoren
Kapitalien, welche das bisherige Bausystem (Steigangen:
1 :40, Carven 180—300"» Rad) erforderte, nicht mehr auf-
gebracht werden können. Die Vorschläge einer Reduction
der durch die Semmering-, Brenner-, Mont-Cenis- oder Gott-
bardbahn repräsentirten Baunormalien zum Zwecke Abmin-
denmg der enormen Anlagekosten sind dagegen als blosse
Palliativcurven zu bezeichnen, welche die starre, monumen-
tale Form verkrüppeln — nicht aber mit dem lebendig
machenden Geiste der amerikanischen Praxis erfüllen können/^
Zur Zeit dürfte es jedoch noch nicht als berechtigt
anzuerkennen sein, wenn im Hinblick auf die Leistungs-
fähigkeit der Fairlie-Maschine Bahnen für bedeuten-
deren Verkehr mit Steigungen über 1 : 40 (2ö^/oo) und
Badien unter 180™ angelegt würden, immer worden hierzu
sich nur kleine Linien mit exceptionellen Verkehrsver-
hältnissen eignen. Sonach werden die langen Tunnels
der jetzigen bedeutenderen Bergbahnen auch bei den
späteren wieder zu finden sein. Die Betriebserschwer-
iiissey die durch Anlage langer Tunnels entstehen, be-
handelt eingehend das letzte der eingangs genannten
AVerke in populärer Weise.
giTllin|reni«ar XXIII.
Als solche werden bezeichnet:
1) Verderbniss der Luft,
2) Vergrösserung der Gefahr bei Unfällen durch die
Enge des Raumes und die Dunkelheit,
3) Schlüpfrigkeit der Schienen, infolge des Tropf-
wassers und mangels Abspülung von Schmiere etc.
durch den Regen. Das dadurch hervorgerufene
Schleudern der Räder bedingt einen gewissen
Mehraufwand von Brennstoff, also Rauchver-
mehrung und einen längeren Aufenthalt des
Zuges im Tunnel.
Das zulässige Maass der Luftverunreinigung setzt
Herr von Weber auf 0,ooiö Theile (Volumentheile) Koh-
lensäure und 0,0001 Kohlenoxydgas fest, während ein star-
ker Eisenbahnzug die vorher reine Luft eines ein- resp.
zweigleisigen Tunnels von P™ Länge mit 0,0076 resp.
0,0043 Volumentheilon Kohlensäure schwängert, so dass
ohne Ventilation der nächste Zug total unathembare
Luft vorfindet. (In Versammlungssälen kommen 0,oo32
Kohlensäure vor, welche schon zu Ohnmächten der
Anwesenden Veranlassung geben.) Vor Verwendung
obiger Zahlen, etwa als Grundlage für die zur Venti-
lation der Tunnel anzulegenden Einrichtungen, warnt
der Herr Verfasser, weil es sich nicht um ein Hinaus-
drängen der verunreinigten Luft, sondern um ein Ver-
dünnen der schädlichen Mischung handelt, worauf sich
keine der vorhandenen Formeln für Luftbewegung in
geschlossenem Räume anwenden lasse, wenigstens nicht
mit gutem technischen Gewissen.
Die Ventilation der Tunnelräume durch die Kol-
&63
ttealeanx, Ueber die l)efinition der Maschine.
56^
benwirkung der Züge wird als ungenügend hingestellt,
zweigleisige Tunnel der Ventilation wegen als Doppel-
tunnel auszuführen 9 verbietet sich aus Rücksicht auf
etwaige Unfälle.
Die Luftbewegung, welche durch Verschiedenheit
der Verhältnisse an den Tunnelmündungen entsteht,
hält der Herr Verfasser auch nicht für alle Zeit zu-
verlässig und ausreichend.
Alsdann werden einige künstlich ventilirte Tunnel
behandelt, so der Tunnel zwischen Gowerstreet und
Portland Road der Metropolitan Railway in London,
(Aspiration durch die Luftröhren der Pneumatic-Des-
patch- Company) der Lime Street Tunnel in Liverpool
(Ventilator von 8,93™ Durchmesser und 61™ über Schie-
nenkopf hohem, unten 16, oben 7" weitem Schornstein).
Der Montcenis-Tunnel (Pulsation durch die alten
Bohrercompressoren, 20 ^'" Rohrweite und Lufthähne an
verschiedenen Stellen), alsdann noch einige andere
Tunnel, bei denen die beim Bau benutzten Schächte
als Ventilationsschlote eingerichtet worden sind.
Aus alledem kann jedoch der Schluss gezogen wer-
den, dass das System der Pulsation für die Ventilation
der langen Tunnel eher einen Erfolg sichert, als das
der Aspiration.
Die unter Nr. 2 und 3 aufgeführten Uebelstände
langer Tunnel sind schwer abzustellen und führen den
Herrn Verfasser dazu, die gesetzliche doppelgleisige
Ausführung aller Tunnel über 1^" motivirt zu finden.
Der Anhang zu dieser Broschüre ,,die Wechsel¥dr^
kungen zwischen den englischen und continentalen
Bahnsystemen nach Vollendung des unterseeischen Tun-
nels^' wird den Verehrern englischen Eisenbahnwesens
zu denken geben, besonders das, was über Solidität des
Verkehrs gesagt ist.
Der Herr Ver&sser wendet sich gegen die Her-
stellung des Tunnels und meint, es drohe damit dem
englischen Eisenbahnwesen, das jetzt dem National-
geist und seiner Heimat so ganz congenial entwickelt
war, eine Invasion fremder Einflüsse und Anschauungen,
die gewiss demselben hie und da einen Vortheil bringen
möchte, ebenso sicher aber die Charakteristik desselben^
abschwächen , bedeutende Complicationen hervorrufei^
und grosso Geldopfer erheischen würde. Und da auch
der so innige vielseitige Contact und Verkehr zwischen
dem geistigen Leben Englands und dem des CJontinents,
der sich jetzt auf so zahlreichen Wegen in völlig ge-
nügender Weise vollzieht, durch den Bau des La Manche-
Tunnels gewiss kaum noch mehr belebt werden könnte,
so zeigt sich der kühne Gedanke zu diesem immensen
Ingenieurwerk als einer von denen, bei deren Goncep-
tion die Phantasie und gewisse Zeitströmungen in den
Ideen der Völker wie der Fachmänner mit glänzenden
aber unklaren Vorstellungen von Nationen und Has^n-
bewegungen. Besiegungen der Natur u. s. w. die küh-
leren Erwägungen der Staatswirthschaft und der Völker-
Physiologie in den Hintergrund gedrängt haben.
üeber die Definition der Maschine.
Als Beantwortung der Bemerkungen des Herrn Th. Beck.
Von
Prof. F. Beoleaux in Berlin.
Im vierten und fünften Hefte dieser Zeitschrift bespricht
Herr Beck die von mir aufgestellte Definition der Maschine
und schlägt, nachdem er sie einer dankenswerthen objectiven
Kritik unterzogen, eine Erweiterung oder Abänderung der-
selben vor, nachdem er nachgewiesen zu haben glaubt, dass
der von mir gewählte Wortlaut theils Mängel der Begriffs-
erklärung, theils Ueberschttsse besitze. Es sei mir gestattet,
einige Worte der Entgegnung hier vorzutragen.
Herr Beck geht zunächst auf die griechischen Quellen
des Wortes Maschine zurück und will demselben den
des „klug ersonnenen und kunstreich gefertigten Hfll&mittdfl^
als untrennbar innewohnend beimessen. Demzufolge möchte
er solchen in der Natur vorkommenden Körperveriyindimgeii,
welche sehr ähnlich oder ganz so wie Maschinen wirkoi, den
letzteren Namen abgesprochen wissen. Diese AiUBchliessimg
soll nach ihm in der Definition ihren Ausdruck finden. Zo
dem Ende schlägt Herr Beck vor, ra sagmi: „Die Maschine
ist eine künstliche Verbindung u. s. w.^
565
Reuleaux, Ueber die Definition der Maschine.
566
Hiergegen ist mehrere» einzuwenden. Allerdings ist
zuzugeben, dass den 'Wörtern (ifixavt}, iirixos, i^^iX€tg u. s. w.
ursprünglich allein der Gedanke der künstlichen, durch
Menscbenhand geschehenen Herstellung zu Grunde gelegen
habe. Allein diese Wörter haben mit der ganzen Masse
der Qbrigeu im Laufe der Zeit ihre Bedeutung geändert.
Wörter erweitem und verschieben ja ihren Begriffskreis;
aus der Engigkeit der anfänglichen Bestimmung kann sich
eine grössere, auch aus der anfänglich allgemeinen eine ver-
engerte, einseitige entwickeln; ja wir kennen Beispiele, wo
bei fortgesetztem Wandlungsprocess der Begriff eines Wortes
in das Gegentheil des anfänglichen übergegangen ist (wie
beim Worte „schlecht^^;. Der sich gestaltende, wachsende
B^riff -nimmt das Wort mit sich, ohne sich von ihm in
seiner Entwickelung hindern zu lassen. So hat denn auch
dis Wort lifixavfj^ auf dessen älteren Sinn sich Herr Beck
beruft, den Anfangsbegriff vom künstlich Hergestellten all-
nälig und schon früh verlassen. Die „Mechanik'' nahm im
Laufe der Zeiten eine wachsende Zahl von Erscheinungen
der Körperwelt in sich auf; sie schwang sich in den letzten
Jahrhunderten hinauf zum Himmelsgewölbe und nahm in
imserer Zeit festen Besitz vom ganzen Universum, vom Welt-
system herab bis zum mikroskopischen Körperchen, das in der
Pflanzenzelle kreist Niemand denkt daran, dem Worte
w^en seiner geringen Herkunft das Recht auf seinen all-
un&ssenden Begriffsbesitz zu bestreiten. Wenn demnach
das Aosgangswort iirjx<xvrj angerufen wird, so führte derselbe,
genau im Gegensatze zu Herrn Beck's Meinung, zu einer
Erweiterung des Begriffes anstatt zu einer Einschränkung.
Neben dem Worte Mechanik hat sich das Wort Ma-
schine ebenfalls alUnälig umgebildet, obwohl lange nicht in
dem Maasse, wie das Mutterwort Ja dasselbe hat theil-
weise eine Beschränkung oder einseitige Verschiebung er-
&hren, indem es sich mit Vorzug an dasjenige künstliche
Hfllüsmittel anschloss, dessen Theile gegeneinander beweglich
siad. Au9^diesem Grunde verlor auch das Wort „Rüstzeug'^
Kine Brauchbarkeit für den vorliegenden Fall und ver-
ichwand wieder. Herr Beck will aus diesem letzteren
Worte eben&Us die Nothwendigkeit einer Beschränkung des
Segriffes ableiten, aber, wie man sieht, mit Unrecht, denn
^ Wort verlor sich, weil der Begriff die Beschränkung
nicht vertrug. Ich habe übrigens S. 594 meiner Kinematik
Sicht gesagt, dass die deutsche Bezeichnung R. ein „Holz-
gerttste^ bedeute, sondern, dass Vitruv unter coniunctio
^i materia ein Holzgerüst gemeint, und dass aus der
Ilebersetzung dieses Wortes, unter halbem Missverständniss,
si^ das deutsche „Rüstzeug" gebildet habe. Aus dem
Teite S. 594 geht diese meine Meinung unzweideutig hervor."^)
*) Nin^ds früher als bei Z ei sing (1607) habe ich das
Wort TOffgefimden; bei Agricola (|661) steht es noch nicht,
Das Wort Maschine konnte eine Bedeutungsentwicklung
gleich der des Wortes Mechanik nie erfahren, weil die
Nothwendigkeit, dass die Theile der Maschine einander be-
rühren, den Spielraum des Begriffes begrenzt Dass aber
deshalb diejenigen seltenen Fälle, in welchen die Natur
zwangläufige Verbindungen hervorbringt, ausgeschlossen sein
müssten, ist meines Erachtens theoretisch nicht erweisbar.
Jedenfalls hat Herr Beck den Beweis nicht geführt, sondern
bei dem Versuche hierzu die Beschränktheit des Werthbe-
griffes, die er beweisen will, nur wieder postulirt Haben solche
Körperverbindnngen die wesentlichen Eigenschaften der künstr
lieh hergestellten Maschinen, so werden sie Maschinen ge-
nannt werden müssen. Wir sind dann zu ihrer Aus-
schliessung nicht einmal berechtigt, geschweige verpflichtet
Dass durch die Einbeziehung eine Schädigung des Ganzen
entstehen könne, muss ich bestreiten. Einestheils ist die
Zahl der Fälle wirklich ausserordentlich gering — es han-
delt sich beinahe nur um Seltenheiten — ; anderntheils ent-
steht für den Naturforscher ein nicht geringer Vortheil,
wenn der besondere, seltene Fall sich in ein grosses geord-
netes Gebiet einstellen, sich nach den Gesetzen benrtheilen
lässt, die in diesem Gebiete Geltung haben. Ich habe wie-
derholt gefunden, dass vom Naturforscher gerade der hier
beregte Umstand willkommen geheissen worden ist Im
Gegensatz hierzu begegnet man in den Kreisen der Maschinen-
techniker gelegentlich einer wahrhaft seltsamen Besorgniss
gegenüber den Versuchen, in der Maschinentheorie einen
freieren, mehr umfassenden Standpunkt zu erklimmen.
Abgesehen von dieser geistigen Seite der Sache ist es
Erforderniss jeder Definition, das Wesentliche möglichst rein
darzustellen. Als wesentlich kann aber die künstliche,
d. i. durch Menschenhand bewirkte Herstellung nicht ange-
sehen werden, und darum ist es besser, die ausdrückliche
Anführung derselben zu unterlassen, möge auch immerhin
die Zahl der ktlnstlich hergestellten Maschinen die durchaus
überwältigende Mehrheit bilden.*)
sondern dort heisst Maschine (im Index des bekanntlich im
Uebrigen lateinisch geschriebenen Buches) noch Zeug, Gezeug,
Kunst Dass Zeising als Autorität galt, geht aus Böckler's
Theatnmi mach, novum (1661) hervor, wo Zeising's Buch als
wichtiges Quellenwerk angeführt wird.
*) Es sei mir gestattet, hier einzuschieben, dass in meinen
zahlreichen Versuchen, eine Definition der Maschine zu constmlren,
die ktlnstliche Herstellung ebenfalls als begriffsbestimmend vor-
kam. Wiederholte Prüfung und die Anlegung der obigen Argu-
mente bestimmten mich aber, dieselbe als nicht hingehörig wieder zu
beseitigen. Dass auch die jetzige Form nicht diejenige ist, welche
ich zuerst glaubte, öffentlich vorschlagen zu dürfen, wissen meine
ehemaligen Zuhörer seit 1864. Die Un Vollkommenheit dieser und
noch anderer schwieriger Begriffisbestimmungen war es auch, was
mich abhielt, den Wünschen meiner Zuhörer, autographirte Wieder-
gaben meiner Vorträge zu veranstalten, anders als in sehr beschränk-
567
Reuleaux, Ucber die Definition der Maschine.
568
Bemcrkenswcrth bleibt übrigens das fast immer ab-
sichtsvolle Zusammenbringen der Körper zu dem Maschinen-
gcbilde, und deshalb verdient es auch, in der Definition berück-
sichtigt zu werden. Soweit trete ich Herrn Beck bei. In
(lern Maasse aber, als die Berücksichtigung erwünscht ist,
glaube ich sie durch das Wort „eingerichtet" geübt zu haben.
„Kingerichtet" kann sowohl die künstliche Herstellung be-
tleuten, als die schaffende, bauende Thätigkeit der Natur.
Stände „beschaffen" da, statt „eingerichtet", so würde damit
von der Herstellung, dem Zusammenbringen, Gestalten der
Theile abgesehen und dadurch eine hervorragende Eigen-
thümlichkeit der Maschine unausgedrückt geblieben sein.
„Eingerichtet" berücksichtigt auch den Gedankengang, wel-
cher in einigen älteren Definitionen zu den Ausdrücken
„Vorrichtung", „Apparat" u. s. w. Veranlassung wurde. Ich
liabe den dadurch erstrebten Hinweis nicht unterdrückt, wie
Herr Beck annimmt, sondern versucht, dem Gedanken eine
Holche Form zu geben, welche, wie ich glaube, das eigent-
lich Beabsichtigte wiedergiebt
Ich komme zum zweiten Theile der Abänderungsvor-
Holiingo. Herr Beck tadelt, dass meine Definition nicht
uuHdrUcke, „dass eine Maschine den Zweck habe, eine
liONtlmmtt* mechanisch-technische Arbeit zu ver-
rlclittMi," vielmehr als deren Zweck „nur die Erzeugung einer
iH^Ntiiiimton Bewegung" angebe. Auch diesen gewich-
tigiMi Kinwurf kann ich seinem ganzen Umfange nach wider-
legen.
Zunächst muss ich hervorheben, dass es für das Wesen
iliM* Körperverbindung, welche wir Maschine nennen, gleich-
gültig ist, welche Bestimmung dieselbe hat. Wenn ich weiss,
/,u was für Leistmigen eine Maschine vermöge ihrer Ein-
nchtung befähigt ist, bin ich Über ihre allgemeinen Eigen-
Hchaften unterrichtet. Und diese mir klar zu machen, ist
die Aufgabe der Definition. Eine Maschine kann bei einer
und derselben Einrichtung aber verschiedene Bestim-
mungen haben. Eine Kurbeldampfmaschine gewöhnlicher
Art z. B. , deren Steuerung keine Voreilung und keine
Deckung besitzt, kann auch als Wassersäulenmaschine dienen,
auch von irgend einer anderen tropfbaren oder gasförmigen
Flüssigkeit getrieben werden; sie kann, wenn die Triebkraft
tem Maasse nachzugeben. Auch heute sind in den zahlreichen,
von der älteren Auffassung abweichenden Sätzen meines Buches
gewiss Mängel genug zu finden, indessen, wie ich glaube, nur solche,
welche die Hauptsache nicht berühren. Diese Mängel werden
sich hoffentlich bald vermindern, indem ja ein recht löblicher
Eifer, dieselben aufzudecken, entfaltet wird. Dass in diesem
Eifer hier und da etwas weit gegangen wird, ist begreiflich. Es
gf'srhicht ja um der Wissenschaft willen! Ich zähle nicht hier-
her eine unlängst erschienene „wider" mich gerichtete Schmäh-
schrift, welche sich durch ihren Inhalt selbst richtet, sondern
spreche nur von den redlichen, der Sache und dem wissenschaft-
lichen Fortschritt wirklich ergebenen Arbeiten der jüngeren Schule.
in die Kurbelwelle eingeleitet wird, als Pumpe zur Beför-
derung irgend einer Flüssigkeit dieneif (und wird auch so
gebraucht); sie kann als Luftverdünnungspumpe benutzt wer-
den; sie treibt auf der Locomotive beim Gegendampfgeben
Luft in den Dampfkessel. Solche mehrfache Verwendungen
einer und derselben Maschine lassen sich noch durch zahl-
reiche andere Beispiele belegen. In der Definition von dem
Zwecke der Verrichtung einer bestimmten mechanisch-
technischen Arbeit zu sprechen, ist somit ganz unstatthafL
Das Beiwort „ bestimmt ^^ dürfte also unmöglich in dem
Beck*schen Vorschlage stehen bleiben. Streichen wir es,
so bleibt übrig: „. . . . Verbindung widerstandsfähiger Körper,
welche zur Verrichtung einer mechanisch-technischen Arbeit
dient und zu dem Zwecke so eingerichtet ist, dass . . . .^
Gegen das Wort „dient^ wäre Einspruch zu erheben; denn
eine Maschine bleibt was sie ist, auch wenn sie stille steht,
jahrelang nicht arbeitet, nie gearbeitet, nie gedient hat
Setzen wir für „dient'' daher „beföhigt ist'', so würde der
Satz wohl anzunehmen sein, nnd ich habe mich in meiner
Kinematik S. 38 auch ganz ähnlich ausgesprochen, wie
Herr Beck mit Recht dtirt. Er hätte auch ferner anführen
können, was auf derselben Seite noch weiter unten steht,
wo es nämlich heisst: „Unser Verfahren ist also ein zwei-
„faches, einmal negatives: Ausschliessung der Möglichkeit
„anderer als der gewünschten Bewegung, nnd dann posi-
„tives: Einleitung von Bewegung. Das Resultat ist, dass
„die verwendete Naturkraft die gewünschte mechanische
„Arbeit vollzieht."
Ich habe mich also dicht vor der Definition ganz so
ausgesprochen, wie Herr Beck will, dass es nämlich in dem
Wesen der Maschine liege, dass sie zur Verrichtung einer
mechanischen Arbeit befähigt sei. Mit nichten habe ich
aber, wie Herr Beck behauptet, dies später unbegreiflicher
Weise ausser Acht gelassen, sondern es wirklich in die
Definition hineingebracht. Herr Beck citirt nftffl-
lich in Spalte 5 seiner Bemerkungen irrig, wenn er sagt,
meine Definition bezeichne als Zweck der Maschine nur die
„Erzeugung" einer bestinunten Bewegung. Dies habe ich
nicht gesagt. In meiner Definition steht vielmehr, wie Herr
Beck in Spalte 4 auch richtig buchstäblich citirt, „unter
bestimmten Bewegungen zu wirken."
Das Wort wirken bedeutet arbeiten, insbesondere eine
mechanische Arbeit vollziehen. Ich lege nicht etwa
hier diese Bedeutung in das Wort hinein, folge und folgte
vielmehr hier Redten b acher, welcher ausdrücklich „wirken**
in diesem Sinne benutzt und definirt. Statt „mechanisch
arbeiten" sagt R. „wirken", statt „mechanische Arbeit" „)yi^
kung", „Wirkungsgrösse'', und spricht sich über die Wahl
dieses schönen und kurzen Ausdruckes des weiteren ans
(siehe Principicn der Mechanik, S. 52 ff.); viele Schriftsteller
sind ihm daiiu gefolgt, so dass die Verwendung des Wortes
569
Reuleaux, lieber die Definition der Maschine.
570
in der angefahrten Bedeutung auch keineswegs eine Selten-
heit ist Umschreibt' man das Wort „wirken" in meiner
Definition, wie ja in meinem Buche thatsächlich durch die
unmittelbar vorher stehenden Erläuterungen geschehen ist, so
Keisst deren Schluss: „dass durch sie mechanische Natur-
>-»\r&fte genöthigt werden können, unter bestimmten Bewe-
»gongen mechanische Arbeiten zu y errichten," was also mit
Sleim Beck 's Forderung im Allgemeinen abereinstimmt.
X)as8 ich das Wort „wirken" seiner Umschreibung wohl mit
Xecht vorgezogen habe, zeigt ein Blick auf den vorstehenden
Satz, in -welchem das Wort „mechanisch" nun zweimal vor-
kommt.
£s bleibt aber noch ein kleiner Dififerenzpunkt übrig.
Herr Beck verlangt, dass „mechanisch -technische" Arbeit
gesagt werde, während ich, indem ich „wirken" setzte, nur
allgemein „mechanische" Arbeit ausgedrückt habe. Aber-
mals ist der Schein auf den ersten Blick wider mich, indem
es wie zweifellos aussieht, dass überall mit der Maschine
technisch nützliche Arbeit erstrebt werde. Hier ragt wieder
der Zweck in die Definition herein , während doch die An-
gabe der Befähigung völlig ausreichen würde. Der Zweck
könnte also zum mindesten unbeschadet der Genauigkeit
unerwähnt gelassen werden. Sodann aber ist auch wirklich
der Zweck der Maschine nicht ausnahmslos der, eine me-
chanisch-technische Arbeit zu verrichten. Das Löschen
des Feuers durch die Maschine Feuerspritze ist keine me-
chanisch-technische Arbeit, ebensowenig das Spiel der Wasser
eines Springbrunnens; sehr zweifelhaft ist das Mechanisch-
technische des Zweckes bei manchen Maschinen für chemische
Anlagen. In allen diesen Fällen aber verrichtet die Ma-
schine „mechanische Arbeit". Dass die „mechanische Arbeit"
der Maschine rein im Gebiete der mechanischen Technik,
d. i. der mechanischen Kunst liege, gilt nur von der grössten
Zahl der Fälle, ist aber nicht Grundsatz. Das wahrhaft
Allgemeine ist indessen durchweg, auch bei Einschluss der
Naturmaschinen, die Verrichtung mechanischer Arbeit. Nur
das wirklich Allgemeine darf in der Definition Platz finden
und deshalb darf diese nur von „mechanischer Arbeit",
nicht von mechanisch- technisch er Arbeit sprechen.
Herr Beck besorgt, dass durch meine Definition der
Unterschied zwischen Maschine und Mechanismus gänzlich
verwischt werde und dass die Yermengung beider Begriffe
zu ungerechtfertigten Schlüssen fuhren werde. Dieser Ein-
wurf ist durch das Vorstehende eigentlich bereits erledigt,
denn er führt sich auf die irrige Lesung meiner Definition
zurück. Nur noch einige Worte zur Aufklärung. Gerade
die Aufgabe des Mechanismus, der Vermittler bestimmter
Bewegungen zu sein, sondert ihn von der Maschine. In
der Maschine kommt der Mechanismus vor; er dient dazu,
eine bestimmte Bewegung an irgend einem Punkte zu er-
zwingen, er ist aber keineswegs, der Definition nach, selbst
die Maschine. Dass das Riesenteleskop, wiederum der Defi-
nition nach, als Maschine anzusehen ist, ist richtig; eine
Schädlichkeit vermag aber ich nicht in diesem Umstände zu
erblicken. (Ich bemerke hierbei, dass ich nicht etwa gefor-
dert habe, man solle künftig das Teleskop eine Maschine
nennen, sondern dass ich hervorgehoben habe, der Name
„Instrument" verdiene für derartige Vorrichtungen den Vor-
zug.) Man gehe nur einen Schritt weiter und wird sich
überzeugen, dass es sogar nöthig ist, den allgemeinen Begriff
bei der Hand zu haben, wenn man auch den Namen ge-
braucht Auf der Berliner Sternwarte wird zum Betrieb des
Thurmdaches, dessen Spalt bekanntlich bei Stembeobach-
tungen gedreht werden muss, eine Gaskraftmaschine ^benutzt.
Die ganze Drehvorrichtung ist deshalb zweifellos eine Ma-
schine, und doch soll sie, weil sie zu Himmelsbeobachtungen
dient und mit dem Teleskop gleichsam ein Ganzes bildet,
keine solche sein? Wo ist, nebenbei gesagt, auch hier wie-
derum die mechanisch-technische Arbeit als Zweck, der doch
allein die Freilegung des Gesichtsfeldes ist? Die Sternwarte
zu Bichmond besitzt noch vollkommenere machinale Ein-
richtungen, welche allein vom Beobachter gehandhabt werden
und noch inniger mit dem Teleskop zu einem Ganzen ver-
schmelzen. Warum sollte die dort benutzte Wassersäulen-
maschine nebst Anhang keine Maschine sein? Sie ist vom
Maschinenbauer entworfen und angefertigt, ebenso wie der
Berliner Drehapparat; es ist nicht zu erweisen, wo der
specifische Unterschied zwischen ihr und etwa der Treib-
maschine einer grossen Eisenbahn-Drehscheibe steckt. Alles
dies beweist, dass man bei Anlegung der Definition keine
andere Wahl hat, als auf das allen Fällen wahrhaft Gemein-
same zurückzugehen, was sich demnach als das Wesentliche
des Begriffes herausstellt. Die Gefahr, beim Definiren Un-
wichtiges mit einzuschliessen , ist sehr viel geringfügiger
als diejenige. Wesentliches auszuschliessen.
Dies zeigt sich deutlich bei Herrn Beck, indem der-
selbe sich gezwungen sieht, die Uhren und Waagen aus der
Keihe der Maschinen auszuscheiden. Die Maschinen zum
Messen und Zählen werden herkömmlich als „Maschinen"
angesehen. Sie als blosse Mechanismen zu bezeichnen, heisst
sowohl gegen den Gebrauch und die hervorragendsten Lehr-
bücher, als gegen die Analogie Verstössen und zudem die
klare Stellung, welche der Mechanismus, wie wir oben sahen,
einnimmt, verkennen. Die Waage ist kein Mechanismus,
sondern sie besitzt einen oder mehrere und ist, vom all-
gemeinen Standpunkt aus betrachtet, eine Maschine, oder
wenn man sie zugleich in eine Nebenklasse schieben will,
ein Apparat, ein Instrument. Die Thomas 'sehe Rechen-
maschine ist eine Maschine, nicht blos dem Namen, sondern
auch dem Wesen nach; sie enthält mehrere „zusammen-
gesetzte Mechanismen'', oder hat, wie man sich ja auch aus-
drückt, einen verwickelten Mechanismus, ist aber nicht selbst
571
Herrmaniiy Bemerkungen zu Herrn J. Illeck's Theorie
572
ein Mechanismus. Der Zirkel dagegen und die Reissfeder,
die Herr Beck anführt, sind Geräthe und keine Maschinen,
fallen aber auch nicht miter die Definition der Maschine.
Damit soll ttbrigens nicht behauptet werden, dass nicht auch
ein Zeichenapparat bis zu der Höhe einer Maschine ent-
wickelt werden könne; Beispiele Hessen sich ja anfiähren.
Hiermit glaube ich die Vorschläge des Herrn Beck
als unannehmbar erwiesen und zugleich die Zweifel, welche
derselbe gegen die Brauchbarkeit meiner Definition aufge-
worfen, gehoben zu haben. Ein letzter Yerbesserungsvor-
schlag scheint noch von ihm zwischen den Zeilen gemacht
werden zu sollen, indem er „ Kräfte ^^ statt „ Naturkräfte ^,
wie ich gesagt, gesetzt hat Auch dieser allerletzte Punkt
verdient noch Erwähnung. Ich gebe zu, dass der Ausdruck
„mechanische Naturkräfte ^' für einen Pleonasmus gehalten
werden kann, wiU aber bemerken, dass ich denselben be-
wusstermassen angebracht habe. Ich gedachte durch die
gewählte Form deutlich zu machen, dass die Maschine als
Vermittlerin zwischen Natur und Kunst (im weiteren Sinne),
d. i. zwischen den ungebundenen und den geregelten Kraft-
äusserungen steht. Dieser Gedanke hätte sich bei blosser
Setzung des Wortes „Kräfte^' auch erschliessen lassen, aber
erst mittelbar auf dem Wege einer logischen Folgerung,
welche bei der angenommenen, im Grunde doch nicht störend
weitläufigen Form entbehrlich wurde.
Ich glaube hiernach meinen Vorschlag festhalten zu
dürfen, die Maschine wie folgt zu definiren: Eine Ma-
schine ist eine Verbindung widerstandsfähiger
Körper, welche so eingerichtet ist, dass mittelst
ihrei: mechanische Naturkräfte genöthigt werden ^^
können, unter bestimmten Bewegungen zu wirken
Habe ich im Vorstehenden eigentlich nur zu zeigec:^^
gehabt, dass da^enige, was meiner Definition angeblich fehlt^^
wirklich darin steht, dass dieselbe also nicht genau genu^^
gelesen worden, so waren doch die gemachten Ausstelliingeii
solche, deren Beantwortung sich empfahl, weil dadurch eine
Klärung der Ansichten erreicht und die anscheinend nicht
ausreichend gewesene Begründung meines Vorsdüages hat
vervollständigt werden l^önnen.
Bemerkungen zu Herrn J. Illeck's Theorie des Ausflusses der Luft durch ein
cylindrisches Rohr.
Von
Emil Herrmann, Professor.
Im vierten und fünften die^ährigen Hefte des „Civil-
ingenieur" veröffentlicht Herr II leck eine Theorie der Be-
wegung d^ Luft in einer cylindrischen Röhre, welche ich
nicht ohne Bemerkimg lassen kann.
Die Theorie beginnt Seite 350 mit dem Satze: „Um
eine strengere Lösung des vorliegenden Problems zu er-
halten'^ u. s. w.
Aus den Gleichungen
w*
^2^ = -*^^^'
— = — . und — — =
auf Seite 350 ist ersichtlich, das*s alle Grössen mit dem
Zeiger Null sich auf den Eintrittsquerschnitt der Röhre be-
ziehen, wogegen die Gleichungen:
w.^ 1 7!» • «,
A--^ = —-AET^^ max~ = l,i454 und wm^^-^=0,6270
2y 2 2\ Pq
erkennen lassen, dass alle Grössen mit dem Zeiger 1 auf
den Austrittsquerschnitt der Röhre zu beziehen sind.
Nach der Gl. (11) des Herrn II leck, oder der ihr
unmittelbar vorangehenden, ist die Eintrittsgeschwindigkeii:
demnach das in der Secunde in die Röhre eintretende Lnfl^
gewicht:
Die Austrittsgeschwiudigkeit dagegen ist nach der, da
61. (12) vorangehenden
also das in der. Secunde ans der ROhre fliesseode Gewidit:
Fiot _Fo>,pt_ V/~7~
673
des Ausdnsses der Laft durch ein cylindrisclies tlotir.
574
Laut den Gl. (12) und (13) ist
^1 =
mithin
1,1454
und Pi^^ 0,6270po,
= 0,6270 / 1,1450 Fp^ y^T "^ ^'*^^^* ^'^« VJy'
Herrn II leck 's Theorie führt somit zu dem gewiss
^unrichtigen Resultate, dass bei einem continuirlichen
-Ausflüsse in jeder Secunde mehr Gas in die cylindrische
^ftöhre eintritt als ausflieset
Um zu erforschen, wo der Fehler sich einschleicht,
nehmen wir uns die Mühe, Herrn II leck 's Abhandlung von
rflckwärts an zu untersuchen. Hierbei fällt uns zunächst
die, der Gleichung (12) vorangehende Gleichung
auf.
A^=e.(T,— T,) = —AltT,
Wie kommt Herr Illeck zu derselben?
Die Gleichung
gilt offenbar nur dann, wenn die Luft aus einem unendlich
weiten Querschnitte, worin ihre Geschwindigkeit =0 und
ihre Temperatur Tg ist, in einen engeren Querschnitt tritt
und durch adiabatische Expansion die Geschwindigkeit toi
und die Temperatur 7\ erlangt. Fflr den Uebergang von
Wq und Tq auf o)^ und T^ ist in Wahrheit
2
«f
W
2^
= c{To-T,)
zu benfitzen. Wie die Gleichung
w.* 1
2g 2 ^
entsteht, ist mir unbekannt, denn Herr Illeck sagt darüber
nichts; ich vermuthe aber, dass sie aus der Gleichung (11)
durch Yertauschung des Zeigers Null mit Eins hervorgeht
Herr II leck begeht entweder den Irrthum, in der-
selben Gleichung 7)^ einmal die Temperatur im unendlich
weitem Ausflussgef&sse, das andere Mal jene im Eintritts-
Querschnitte der Röhre bedeuten zu lassen, oder Herr Illeck
lässt irriger Weise den Subtrahent A -^, welcher von Null
2g
verschieden ist, weg.
Schon die Gl. (11) hat eine fragwürdige Entstehung.
Herr Illeck beginnt die Analyse der Gl. (10), ans welcher
die (11) hervorgeht, mit der Behauptung: „Wie leicht nach-
„weisbar, bezieht sich in Gl. (10) das positive Zeichen auf
„jS <; 1, das negative Zeichen hingegen auf ß > 1."
Dieser Nachweis ist mir nicht gelungen und leider gibt
ihn auch Herr II leck nicht Meinem Dafürhalten nach
müsste man Folgendes schliessen:
CO T
Weil — mit -;=- gleichzeitig wachsen oder abnehmen
Wo ^0 .
muss und dies nach Gl. (10) nur dann möglich ist, wenn
man das Pluszeichen ausschliesst und nur das Minuszeichen
gelten lässt, so kann nur dieses der Aufgabe entsprechen.
Die Gl. (10) muss also lauten:
^y-v-VH^r-'i
T
Eine Beziehung zwischen dem Zahlenwerthe von /5 und
dem Plus- oder Minuszeichen ergiebt sich hieraus aber nicht.
Soll auch nun, nachdem das Pluszeichen ausgeschlossen
ist, fttr T= 7o auch fti = o>o sein, so muss freilich /3=1
sein, weshalb man entweder T= TJ, als Bedingung der
adiabatischen Bewegung in der cylindrischen Rohe annehmen
muss, oder wenn man dies — wie Herr II leck — nicht
thun will, auf die Bedingung ß^^ = 1 fttr den adiabatischen
Ausfluss verzichten.
üebrigens kann die Gl. (10) selbst mit dem Minus-
zeichen nicht richtig sein. Herr Illeck giebt nämlich keine
T
Bedingung, welche den Werth des Gliedes ß — derartig
einschränkt, dass immer
sein müsste, vielmehr geht aus der, der Gl. (10) folgenden
Analyse des Herrn II leck hervor, dass T als eine im All-
gemeinen unabhängige Veränderliche zu betrachten ist In
Folge dessen kann T auch solche Werthe annehmen, dass
4>(
1+^
)'
wird und dann ist die Austrittsgeschwindigkeit trotz der
reellen EinStrömungsgeschwindigkeit imaginär. Nachdem dies
ein Widerspruch ist, muss ich bis auf weitere Erklärungen
die Gl. (10) als unrichtig betrachten.
Der Uebergang von der Gl. (9) zur Gl. (10) enthält
keine Unrichtigkeit, es muss also die Gl. (9) selbst schon
unrichtig sein, obwohl sie ihre Entstehung der richtigen
Verbindung zweier an und für sich wahrer Gleichungen ver-
dankt.
Wir kommen somit zu dem Schlüsse, dass die unmittel-
bare Verbindung der Gleichungen:
d
ia'
^ = — vdp und — = — ^ = Const.
^9 V vo
nicht statthaft ist.
In der That ist die erste nur dann integrabel, wenn
das Gesetz, nach welchem sich das Volumen mit der Span-
675
Kotiz and Berichtigung.
6*?e
nung ändert, vor der Integration hinemgelegt wird. Die
Gl.
CO
V
= Const, sagt über dieses Gesetz nichts aus und
Ol'
kann deshalb zur Integration von d — - = — vdp nicht Ver-
Wendung finden.
Das Gesetz, nach welchem sich v mit p ändert, findet
seinen richtigen Alisdruck eben in der von Herrn Geheim-
rath Zeuner aufgestellten, seither allseitig benützten Be-
ziehung:
dQ
vdp = d U-^dipv) -,
aus welcher mit Rücksicht auf die Gase die Gl. (105) der
Grundzüge (1. Aufl. 164):
Adl-^j^ — Kc^dt-^-d
Q
folgt.
Bei dieser Gelegenheit kann ich nicht unterlassen, jenen
Ausspruch zu erwähnen, welcher leider von einem Au^^^
ersten Ranges herrührt und nun die Veranlassung dafür t^^
dass man den Satz vom Maximum des ausfliessenden Cfe-
wichtes eine Hypothese nennt, obwohl derselbe das Ergebuiss
einer strengen Theorie ist. Herr Hofrath Grashof sagt in
seiner theoretischen Maschinenlehre Seite 580: „Weni^
„übrigens Fliegner der Meinung ist, dass der Grenzwert 1^
»>
des Verhältnisses
Po
nur scheinbar mit dem Maximum dc^s
„Ausdruckes der Ausflussmenge zusammenhängt, in Wahrhe^ t
„vielmehr von anderen Umständen, als einer solchen Zufäü-
,4igkeit eines analytischen Ansdrnokes abhängen werd^
„so ist dem ohne Zweifel beizupflichten.'^ Gewiss h^t
Herr Hofrath Grashof bei der Niederschreibnng dieses
Satzes nicht berücksichtigt, dass damit der analytischen Be-
handlung der Naturerscheinungen alle Sicherheit und damit
gewissermassen die Berechtigung abgesprodien wird.
Schemnitz in Ungarn, am 6. September 1877.
Von der Redaction des Arbeitgebers (Franz Wirth)
in Frankfurt a. M. wurde uns die nachfolgende Notiz ein-
gesendet, die wir mit dem Bemerken veröffentlichen, dass
die officiellen Listen der in Deutschland angemeldeten und
ertheilten Patente im Reichsanzeiger und in dem vom kaiser-
lichen Patentamt herausgegebenen „Patentblatt'' enthalten
sind, sowie dass auch die von F. C. Glaser in Berlin her-
ausgegebenen „Annalen für Gewerbe und Bauwesen" die-
selben in einer übersichtlichen Anordnung publiciren.
Dr. Hartig.
Das neue Reichs -Patentgesetz hat eine bedeutende Verän-
derung für die ganze Industrie gebracht, fast 8000 Patentgesuche
sind bereits eingelaufen, und darunter befindet sich eine grosse
Zahl^ die ausländische Erfindungen betreffen. Letztere behandeln
oft denselben Gegenstand, den deutsche Eifinder bearbeiten und
sind für viele Industrien auch geschäftlich von Bedeutung. Die
Fabrikanten sowohl, als der Handelsstand können nicht mehr wie
früher jeden Artikel nehmen, den sie vorfinden, sondern sie müssen
sich vorher darüber orientiren, ob derselbe patentirt ist oder nicht.
In Folge des unheilvollen § 23, wonach Beschreibung und Zeich-
nung sofort nach Richtigbefund der Anmeldung veröffentlicht wer-
den, müssen neue Erfindungen immer noch zuerst im Auslande
patentirt werden. Wir werden daher stets 3 — 6 Monate hinter
jenem zurück sein, wenn unsere Industriellen nicht auch die aus-
wärtigen Patentlisten durchgehen. Ganz im StQlen entwickelt
sich oft im Auslande eine bisher unbeachtete Industrie und plötz-
lich steht sie als gefährliche Wettbewerberin der eigenen Industrie
da, wie wir seiner Zeit an der Sodafabrikation und neuerdings
an der Uhren-Industrie gesehen haben.
Ebenso wichtig ist die Anregung, welche das Studium neuer
Erfindungen dem Techniker giebt. Ein Gedanke ruft den anderen
hervor, und zahllose kleine Verbesserungen entstehen auf diese
Weise, welche ohne das nicht oder jedenfalls weit später gemacht
worden wären. Heute nogh ist bei uns eine Menge amerikaniacher
Erfindungen unbekannt, weil wir nicht daran gewöhnt lind, uni
danach umzusehen.
Diese Läs.sigkeit wird künftig aufhören müssen, wenn sie
unsere Industrie nicht erheblich schädigen solL Techniker und
Industrielle werden die Patent-Listen regelmässig verfolgen mOsten,
wenn sie nicht zurückbleiben wollen. Bis jetzt hat es bei dm
nur Ein Blatt derart gegeben, welches als Beiblatt som Frank-
furter „Arbeitgeber^* erschien und seit vorigem Jahre mit
diesem verschmolzen worden ist In dem laufenden Jalire ist
nun diese „Patentliste*' durch die Patente von Amerika, Belgien,
England, Frankreich und Oesterreich ergänzt worden, so das
nun wohl keine neue Erfindung gemacht wird, die nicht in diesen
Verzcichniss vorkäme. Die betreffenden Industridlen und Tedi-
niker werden daher gut thun, dasselbe regelmässig zu verfdgea,
was bei dem niederen Preise des Blattes nicht schwer fallen
dürfte. Beschreibung und Zeichnung der Patente vermittdt die
Expedition des Blattes. •
Berichtigung. Im Artikel „Geradführung etc' ist S. 243 , Z. 3 , statt „und der Punkt M^ auf der Angriffncunre F^** eöh
zuschalten: „denn der Punkt 3f, liegt auf der Curve F^, weil dieselbe durch zwei projectivische Krcisbüschel mit den dnmdpimkten
Pj^^P^'^* und P'*P** (Fig. 8) erzeugt werden kann, deren Chordalen sich entsprechen''.
Ae durch den Winddruck erzengten Spannungen in Chamierbogenbrücken.
Von
Kud. Kohfabl,
Ingenieur der Actien- Gesellschaft „Harkort'' in Duisburg.
(Hiersra Tafel XXVI.)
Neun eine Chamierbogenbrücke durch Winddruck,
in horizontalem Sinne, belastet wird, so treten
lerselben ähnliche Verhältnisse auf, wie bei der
erticalem Sinne belasteten Brücke. Es werden
ch (Fig. 1 , Taf. XXVI) die beiden Hälften des-
3u Hauptträgers -4' C JS', welcher direct vom Winde
BFen wird (da derselbe in der Figur der hintere
)0 soll er in Folgendem kurzweg als solcher be-
aet werden), im Scheitelcharnier C* sich fest gegen
der stemmen, während die beiden Hälfben des
eren Hauptträgers im Scheitelcharnier C ausein-
* klaffen werden. Ebenso werden die Enden Ä
B des vorderen Hauptträgers im horizontalen
e fest gegen die Pfeiler gepresst werden, während
es hinteren, Ä^ und B% in demselben Sinne sich
len Pfeilern abheben werden. Von dem Einflüsse
erticalen Belastungen auf die Auflager- und Char-
Eleactionen sehen wir ganz ab, indem wir uns den
3r gewichtslos denken. Da femer die horizontalen
tungen das Bestreben haben, die Brücke um die
AB umzukippen, so müssen von den Widerlagern
Brücke auch noch Reactionen in verticalem
) auf die Hauptträgerenden ausgeübt werden, und
müssen dieselben bei A und B veilical aufwärts,
l' und B^ vertical abwärts gerichtet sein.
)ie auf die Brücke wirkende und als Belastung
Knotenpunkte der oberen und unteren Gurtung
i concentrirte Einzelkräfte aufzufassende Wind-
bung kann nur auf eine einzige Weise nach den
igem hingeleilet werden. Zunächst muss bei j edem
enpuukte eine Querverbindung vorhanden sein,
le die in der oberen Gurtung angreifende Horizon-
Lastung auf die untere Gurtung überführt, so dass
in den Knotenpunkten der letzteren die ganze
belastuug concentiirt ei^cheint. Alsdann sind die
Ilingeniear XXIU.
unteren Gurtungen beider Hauptträger durch ein System
von Windkreuzen zu verbinden. Da die obem Grur-
tungen in der Mitte durchschnitten sind, so würde ein
sie verbindender Horizontal verband, selbst wenn man
ihre Enden seitlich lagern wollte, völlig unnütz sein.
Ein Fehlen der verticalen Querverbindung an irgend
einem Knotenpunkte dagegen wäre geradezu fehlerhaft.
Es sei nun für die Folge vorausgesetzt, dass der
Bogen die Form einer Parabel habe. Die Hauptträger
seien in 2 m gleiche Felder von der Länge a eingetheilt,
80 dass die Stützweite l = 2ma ist. Bezeichnen wir
die Höhen der Knotenpunkte einer Bogenhälfbe über
dem Auflager der Reihe nach mit A,, \, A3, . . . Am-i»
A^ = A, 80 folgt aus der Parabelgleichung (Fig. 2)
'■='['-(=F)']=*[v-^-]-
*-=*['-i)']=4-!-(— "-i-<"-"']-
Sowohl bei der leeren, als auch bei der mit voller
mobiler Belastung versehenen Brücke kann die WMnd-
belastung als gleichmässig über die ganze Länge der
Brücke vertheilt angesehen werden. Es erhält alsdann
jeder mittlere Knotenpunkt von 1 bis m — 1 einer Bo-
genhälfte einen gewissen Druck P, jeder der beiden
P
Endpunkte und m die Hälfte davon.
2 •
Die Be-
lastung von wird direct vom Auflager aufgenommen,
ohne den Träger zu beeinflussen. Das Auflager A des
vorderen Trägers leistet nun folgende Reactionen:
87
679
Kohfahl, Die durch den Winddruck erzeugten Spannungen in ChftmierbogenbrQcken.
1) Einen horizontalen Gegendruck R in der Rich-
tung der Windbelastungen P; derselbe bildet
mit der Resultirenden der letzteren ein Kräfte-
paar.
2) Einen horizontalen Gregendruck H senkrecht zur
Richtung von i2, der mit dem gleich grossen,
entgegengesetzt gerichteten Charnierdrucke des
hinteren Bogens bei O ein Kräftepaar bildet,
welches eine durch das unter 1) genannte
Kräftepaar erstrebte Drehung um eine verti-
cale Achse verhindert.
3) Einen verticalen Gegendruck F, der mit dem
gleich grossen, entgegengesetzt gerichteten Auf-
lagerdrucke des hinteren Bogens in Ä* ein
KräAepaar bildet, welches den um eine hori-
zontale Axe drehenden Einfluss des unter 1)
erwähnten paralysirt.
Die Grössen dieser Reactionen ergeben sich wie
folgt:
o==Ä~(m-l)P 2-,
Ä=P
2f»
(1)
=—J5r.i + p(l + 2 + 3-h... 4-^»— 1 +--)«,
ff=p
m*
(2)
^=pI P (l + 2+3 + ...+m— 1) —
Im
V=F
b 6m
(3)
bildeten Träger im n**° Felde durchschnitten und ^J^
in den durchschnittenen Stäben vorhandenen Spu»^^
nungen J7„ und ün (Fig. 3) durch ihre horizontale
und verticale Componente ersetzt, Dn dagegen na<:^ij
den Richtungen von Un und P zerlegt, so ergiebt siol3
aus den Bedingungen des Gleichgewichts
= — UuOosctti.h — JST. b-\' B{n — l)a —
P(l + 2 + 3+...+^r=ä)«,
0= UJeo8an.b + E.n.a — P{l + 2 + S +..+ n — 1) ä,
0=DnC08ßn+{n—l)P—R,
Durch Einsetzen der in den Gleichungen (1) und
(2) gefundenen Werthe und nach gehöriger Reductioo
erhalten wir
008 Ou b 2
_ 1 p g n(2m— «)
eota^i 2
__ 1 „2»i+j_-2«
008 Pu 2
(4)
(5)
(6)
Die Spannung der Normalen findet sich leicht gleich
2m + l — 2H
Nn = — P
(T)
Wenn wir nun aus dem vorderen Bogen den »**
Knotenpunkt herausschneiden (Fig. 4) und die Span-
nungen der in demselben zusammenstossenden Stäbe in
eine horizontale und eine verticale Componente serr
legen, so finden wir, dass zwar die Summe der hori-
zontalen, nicht aber die der verticalen Gomponenten
gleich Null ist, dass vielmehr die letzteren eine ver-
tical aufwärts gerichtete Resultirende Qn er-
geben.
Ebenso finden wir, wenn wir in gleicher Weise bH
dein n^®° Knotenpunkte des hinteren Bogens Terfiüireii,
dass sich auch hier eine aufwrärts gerichtete
Denken wir uns den von den beiden Bögen und rende Q,/ ergiebt. (Fig. 5.) Die Kräfte Qn und^ Q«'
den sie verbindenden Normalen und Diagonalen ge- sind bestimmt durch die Gleichungen
Q» = Un8mcCn 2>n «n jS« «» «n + C^w^-l «n OfH+l ,
Qn' = l^n «» «n + ^«-f-l «« j^n+l «» «,»+1 + U'h+I 9tn «h+I ,
oder mit Hilfe der Gleichungen (4), (5) und (6)
(L = P ->-^- -^-<^«„— P- ~^^ - tgß,,8inu,,--P -^ ^
^ , ^ a n(2m — n), .^2w — 1 — 2n,^ . ^
h 2 ^'''•+'*
a (» + l)(2w — n — 1)
-- ^ffn+l.
Es ist nun
^
a a L m ,nr J
h 2m+l — 2n
m'
II
Eohfahl, Die durch den Winddrack erzeugten Spannungen in Charnierbogeobrflcken.
583
d femer, wenn K die Länge des Gurtongsstückes im n^" Felde bedeutet,
tgß„9inan =
m*
b K h h
Die Substitution dieser und der durch Vertauschung von n mit n-f-1 daraus entstehenden Werthe ergiebt
a_ {m'\-\—nf _Ä_ 2w+l — 2 w _ 2in+l — 2 n h 2»t + l — 2n _ a (m — nY Ä2m— 1 — 2»
tn*
m'
m
«.
_a^ n{2m — n ) ^ 2m+l — 2n 2m—l — 2 n A 2m— 1 — 2w
~ T 2 T m» "^ 2 1 ^
d nach gehöriger Reduction
m —
m
')'
^,_^jÄ^n(2w — «)
w
(8)
(9)
Wir haben gefunden, dass das System der beiden
Igen mit den sie verbindenden Normalen und Diago-
len fiir sich allein nicht im Gleichgewichte ist, dass
;h vielmehr in jedem Knotenpunkte eine vertical auf-
^rts gerichtete Resultante ergiebt. Es müssen daher
ch gewisse andere Constructionsglieder vorhanden
n, welche im Stande sind, diesen Resultanten Wider-
ind zu leisten. Solche Constructionsglieder sind aber
n vornherein in den Systemen der Hauptträger ge-
t)en; wir sehen also:
Es werden durch die horizontalen Wind -
belastungen die sämmtlichen Glieder
der Hauptträger in Spannung versetzt.
Beiläufig bemerkt, gilt dieser Satz für jede Brücke
nicht nur für die Chamierbogenbrücken — , bei der
3 Hauptträger eine (oder auch zwei) gekrümmte Gur-
ng haben und bei der längs dieser Windkreuze an-
ordnet sind.
Wir gehen jetzt «dazu über, die Einflüsse einer
krtiellen Windbelastung, wie sie entsteht, wenn
r ein Theil der Brücke mit mobiler Last besetzt ist,
bestimmen. In diesem Falle werden die der letz-
ten parallelen Reactionen der Auflager Ä und B (im
Igemeinen) verschieden gross sein und es wird im
larmer C neben der horizontalen Kraft H in der
chtung der Brückenachsen auch noch eine zu dieser
ikrechte Horizontalkrafb übertragen werden.
Wir nehmen nun an, dass nur der x^ Knotenpunkt
le horizontale Last P erhält, alle anderen Knoten-
nkte aber unbesetzt bleiben, und bestimmen wieder,
ö vorher, die Spannungen im n*®° Felde des ge-
limmten Trägers. Hierbei sind in Bezug auf die
Ige von X drei verschiedene Fälle zu unterscheiden.
a (n+l)(2«!i — » — 1) h 2m— 1 — 2n
h 2 a
1. Fall. x<n — l. (Fig. 6.)
2m — X
m'
E^ = F
2m
2r=p
a
J
X
Hiermit findet sich
1 _ a m — n-f-l
jp — X
€08 CCn h 2 m
Un'= —
Dn = —
008 CCu
1
^ a 2m — n
P-z-x
2m
X
008 ßn 2 m
2. Fall. n<a:<m. (Fig. 7.)
R^ und H wie oben, alsdann
m + fi — 1
(10)
008 «n * \
2m
)
UJ= —
2>« =
1 T. «
008 (in b
2m — X
2m
2m — X
008 ßn 2 m
3. Fall. w<a;. (Fig. 8.)
2m
(11)
R,=P
X
2m
Hiermit ergiebt sich
1
H=P
a
J
2m
Un-= —
U,* = -
Dn =
008 dfi
1
P~j{m — n + l)
2m — X
2m
^ a 2m — X
008 Un Am
t _ 2m — X
(12)
008 ßn 2 m
Nach diesen Gleichungen lassen sich nun sowohl
die Belastungsscheiden, als auch die Maximal- und
Minimalwerthe für die Spannungen der Gurtungen und
der Diagonalen (und damit auch zugleich der Nor-
malen) bestimmen. Dies für die Gurtungen auszu-
führen, hat indessen keinen praktischen Nutzen, da
diejenige Yertheilung der mobilen -Last, bei welcher
87»
583
K oh fahl, Die durch den Winddruck erzeugten Spannungen in Chamierbogenhrücken.
584
hier infolge der Windbelastung ein Maximum oder
Minimum der Spannung entsteht, im Allgemeinen nicht
mit jener Vertheilung übereinstimmen wird, bei welcher
die unmittelbare verticale Belastung ein solches her-
vorruft. Dagegen empfiehlt es sich, für die Diagonalen
(und Normalen) geschlossene Formeln für die grösste
Beanspruchung abzuleiten. Da man stets die Diago-
nalen auf Zug, die Normalen auf Druck construiren
wird, so sind nur die Formeln für D^^Max ußd NnMm
nöthig. Aus den Gleichungen (10), (11), (12) ergiebt
sich, dass Dh durch jede Belastung rechts von der
Schnittstelle positiv, durch jede Belastung links von
derselben negativ wird; wir erhalten daher
x=»i ( cosptt 2m \
1 1 ****
= — ^ P J^ 2'(2w — x).
ist, Nn also ein Minimum wird, wenn Dn ein Maximum
ist, so ergiebt sich sofort
NnMiH=P-
(2w — n)(2/w — » + 1)
4m
(14)
1 „ (2w-n)(2»« — n +1)
-t'«,Wrtx= 5" ^ T~ ■
CO« Pm 4 0»
(13)
Da
iV„= — D^cosßtt
a) wenn x<n ist*), mittels der Gleichungen (10)
2m
m*
h 2m
Denken wir uns nun wiederum den n**" Knoten-
punkt sowohl des vorderen als auch hinteren Bogens ^
herausgeschnitten, so finden wir wiederum, dass di^
Spannungen der in demselben zusammenstossendei^
Glieder für sich allein nicht im Gleichgewichte sin(^
vielmehr wie bei der vollbelasteten Brücke eine verticj^
aufwärts gerichtete Resultirende
für den vorderen und
für den hinteren Bogen ergeben. Indem wir nun in
diese Gleichungen die unter (10), (11) und (12) be-
rechneten Werthe einsetzen und die für tga^ und für
tgßuSina,t an früherer Stelle ermittelten Werthe sub-
stituiren, erhalten wir
X 2 w -h 1 — 2 w , /< {m — n) 2 m — 1 — 2 «
m^ h 2 m m*
h 2m — «2 m 4-1 — 2« h x'2m — 1 — 2« h 2 tn — n — 1 2m — 1 — 2 n
^" ~ h^~~2m ^~~ "" T 2m "^i^ h "^ " 2m m" ~ '
__ p^^(»» — »)
?/l*
Q.' = P
h x{2 m — «).
nv
(IS)
Qn =
Qn' =
h) wenn n + l<^x<m ist, mittels der Gleichungen (11)
h/ m + n- l\2m+l — 2«
\ 2m / m* b 2m wr h \
m-^rA^ 2m — 1— 2i»
2m
■)
m-
^h 2m — ;r 2m + l — 2« , , ä 2 m — x 2m — 1 — 2w ,. ä , , . 2m— x 2m — 1 — 2«
j> ^__ ^ p jf> („-j_ 1) — _
h 2 m m* b 2m m* b 2 m m-
*) Die unter a) gegebene Ableitung gilt, streng genommen,
nur bis zur Grenze o; ^ n — 1 ; da indessen für den speciellen von vornherein um eins erhöht. Für x*^n sind fOr C/n, ün osd
Fall x = n auch noch, wie sogleich gezeigt werden soll, die Glei- Dh die Gleichungen (11^, für lJn-\-ii ^n+i' nnd Dn+i die Glei-
chungen (15) sich ergeben, so wurde oben die Gültigkeitsgrcnze chungen (10) gültig; es findet sich
^ 6 V 2m / m' 6 2m m* ' h
m — n 2m — l — 2n
2m
m'
/) ' _ p * 2m — n2m + l— .2n t> * '* 2m — 1 — 2« ^Ä 2m — n -f- 1 2m— 1 — 2«
2m
m'
h 2m
m*
h
b
2m
m*
h n (m — n)
^"--^ b m*
h M^2m — n)
V" =^ Ä m' •
K oh fahl, Die durch den Winddrack erzengten Spannungen in Charnierbogenbrttcken.
586
„ Ä mx — M(2m
b mr
n ' ~t>^ «(2i« — «)
*)
(16)
m
8
enn m<:x ist, mittels der Gleichungen (12)
^ h 2 m — x2m-{-t
P -- n
b 2 m m'
x2m-\- l — 2n _ h_ 2m -^ 2m + \ — 2n
~~^ ~ "~ h 2m~ m*
m'
^ h , , .2m — x2m — 1 — 2«
P -r- (m + n) — 5 — ,
J ^ ' ^ 2»! i»2
2» ^h2m—x2m — 1 — 2n ^A, , .x 2i» — «2»i — 1 — 2«
\- P -, ; P — (n + 1) — 5 .
h 2m m^ h 2m m^
Qn = P
QJ=P
h {m — n) (2 m — x)
h m^
h w (2 »t — x)
unter (10), (11), (12), (15), (16) und (17) zu-
;efas8ten Gruppen von Gleichungen setzen uns
tand, in strengster Weise dieiim System
idkreuze und in den Theilen der Haupt-
befindlichen Spannungen für jede be-
vertheilte Horizontalbe lastung, ent-
durch den Druck des Windes auf eine in be-
Lage auf der Brücke befindliche mobile Last,
chnen. Jede einzelne der vorhandenen Kno-
sbelastungen liefert zu den Spannungen der
jn, Diagonalen und Normalen der Windaus-
einen Beitrag, welcher je nach der Lage der
nach den Gleichungen (10), (11) oder (12) zu
n ist. Durch Summation der sämmtlichen Bei-
hält man für die Diagonalen und Nor-
}ofoil die wirkliche Spannung, welche bei dem
nen Belastungszustande in jedem dieser Con-
sglieder erzeugt wird. Was die Gurtungen
so erhält man durch diese Summation erst
iestandtheil der durch den Wind erzeugten
g. Den anderen findet man, indem man mit
• Gleichungen (15),. (16) und (17) die Beiträge
, welche jede der vorhandenen horizontalen
inktsbelastungen zu den sämmtlichen verticalen
inktsresultanten liefert, mit der Summe dieser
den Hauptträger — und zwar mit ^Q den
, mit 2'^' den hinteren -— belastet und nun
nter Weise die durch diese Verticalbelastungen
mteren Gurtungen erzeugten Spannungen be-
Bei dieser Gelegenheit findet man auch die
in Winddruck in den übrigen Theilen der
rag er hervorgerufenen Spannungen.
(}ang der Rechnung wird am deutlichsten
n Zahlenbeispiel, das gleichzeitig am besten
ihluss auf den praktischen Werth der ge-
1 Resultate gestattet.
m"
(17)
I
Zahlenbeüpiel.
Als Beispiel möge die 40 -Meter -Brücke dienen,
deren Hauptträger in Prof. Ritter 's „Dach- und
Brücken - Constructionen " berechnet sind. Wird die
(dort unbestimmt gelassene) Entfernung der Haupt-
träger gleich 4 Meter gesetzt, so ist
h = 4.
m
= 10.
a==2™, Ä = 5",
Die gesammte dem Winde dargebotene Fläche der
Brücke möge als ein Streifen von 2" Höhe, die der
mobilen Last (eines Eisenbahnzuges) als ein solcher
von 3" Höhe veranschlagt werden. Bei einem Wind-
druck von 100 Kilo pro □ Meter beträgt alsdann
die permanente Windbelastung 2 X 2 X 0,i =0,4 Tonnen,
„ mobile „ 2x3XO,i=0,o „
für jedes Feld der Brücke.
A) Einfluss der permanenten Windbelastung.
Die Gleichungen (4), (5), (6) und (7) ergeben die
in Fig. 9 eingeschriebenen Spannungszahlen (in Tonnen).
Mit Hilfe von Gleichung (8) finden sich die in Fig. 10
eingetragenen verticalen Knotenpunktsbelastungen für
den vorderen Hauptträger, und diese erzeugen in den
einzelnen Gliedern desselben die ebenfalls in diese Figur
eingetragenen Spannungen. Von den drei Werthen,
welche sich bei der unteren Gurtung finden, ist der
obere der auf diese Art erhaltene, der zweite der durch
Gl. (4) bestimmte, aus Fig. (9) wiederholte, und der
unterste endlich die Summe der beiden anderen und
damit die wirkliche, durch den Wind erzeugte Span-
nung. Fig. 11 enthält die mit Hilfe der Gleichung (9)
in gleicher Weise für den hinteren Hauptträger sich
ergebenden Resultate.
587
Kohfahl, Die durch den Winddrack erzeugten Spuinangen in CharnierbogenbrOckeiL
Es folgt nämlich
DaB mit RückBicht auf die verschiedenartige Be-
lastung beider auf den ersten Blick vieU
leicht auffällig. Resultat, dass die Diago-
nalen, die S Theile der oberen Gnrtung
des einen Trägers eine dem Äbsolutwerthe nach gleiche,
dem Sinne nach Spannung erleiden,
wie die gleichliegenden Theite des anderen Trägen, lasst
sich leicht begründen. Durch Summation der Glei-
chungen (8) und (9) ergiebt sich
«.+«..=4(^.)'+.^
»(2»-»)
Der in dieser Gleichung eeinen Ausdruck findende
Satz gilt auch bei der horizontalen Belastung nar eines
Knotenpunktes und folglich auch hei der mehrerer
heliehiger Knotenpunkte.
Gleichungen (15)
Q.+e.'=-r-^
aus Gl. (16)
L' + p.
-'(ü- -») ,
'(a"-") .
und aus Gl. (17)
Kohffthl, Die durch den Winddrack erzengten Spannungen in Chamierbogenbrttcken.
590
Tabelle II.
Werthe
'•
Werthe vo» \
■
H«l
n-»2
» = 3
n==4
n = 6
n=«6
H=7
«-=8
n«9
n— 10
1
0,019
0,018
0,017
1
0,016
0,032
0,015
0,014
0,013
0,012
0,011
0,010
2
0,018
0,036
0,034
0,030
0,028
0,042
0,026
0,039
0,024
0,022
0,020
3
0,017
0,034
0,051
0,048
0,045
0,060
1
0,036
0,038
0,080
4
0,016
0,015
0,032
0,030
0,048
0,045
0,064
0,060
0,056
0,052
0,048
0,044
0,040
ö
0,075
0,070
0,065
0,060
0,055
0,050
6
0,014
0,028
0,042
0,089
0,056
0,070
0,084
0,078
0,072
0,066
0,077
0,088
0,060
7
0,013
0,012
0,011
0,026
0,062
0,048
0,065
0,060
0,078
0,072
0,066
0,091
0,084
0,070
8
0,024
0,036
0,084
0,077
0,096
0,080
9
0,022
0,033
0,030
0,044
0,055
0,088
0,099
0,090
10
0,010
0,009
0,020
0,018
0,040
0,036
0,050
0,060
0,054
0,048
0,042
0,036
0,030
0,024
0,018
0,070
0,080
0,090
0,100
11
0,027
0,045
0,063
0,072
0,081
0,090
12
0,008
0,016
0,024
0,032
0,028
0,040
0,056
0,049
0,042
0,064
0,056
0,072
0,080
13
0,007
0,014
0,021
0,085
■
0,063
0,070
14
0,006
0,012
0,018
0,015
0,024
0,020
0,030
0,048
0,054
0,060
15
0,005
0,010
0,025 ,
0,035
0,040
0,032
0,045
0,050
16
0,004
0,008
0,012
0,009
0,006 !
0,016
0,012
0,008 1
0,004
1
0,020 ;
0,015 ;
0,028
0,036
0,040
17
0,003
0,006
0,021
0,024
0,027
0,030
18.
0,002
0,001
0,004
0,002
0,010
0,012
0,006
0,014
0,007
0,016
0,008
1
0,018
0,020
19
0,003
0,005
0,009
0,010
Nadi der Theorie der Charnierbogenbrücken er-
Uden nim, wenn alle Knotenpunkte der unteren Gur-
bng eine gleich grosse Belastung (also beispielsweise
die Belastung Qn + QJ) tragen , die Diagonalen , Yer-
ticalen und Theile der oberen Gurtung gar keine Span-
i^ong. Da nun
18t, 80 müssen die genannten Theile bei der Belastung
durch — Qn dieselben Spannungen erhalten, wie bei
der Belastung durch Q^f bei der Belastung durch
^Qn dagegen dem Zahlenwerthe nach gleiche ; dem
Sinne nach entgegengesetzte Spannungen.
Die Figuren (10) und (11) zeigen, dass auch die
onteren Gurtungen in gleichgelegenen Stücken entgegen-
gesetzt gerichtete und dem Zahlwerthe nach nahezu
gleiche Spannungen erleiden.
B) Einfluss der mobilen Windbelastung.
In Fig. 12 sind die Ergebnisse der Gleichungen
(13) und (14) für das bisher behandelte Beispiel und
die mobile horizontale Enotenpunktsbelastung P = 0,6
Tonnen eingetragen. Diese Werthe sind zu denen der
Fig. 9 zu addiren, wenn man die Quei-schnitte der
Normalen und Diagonalen bestimmen will.
Man hat ferner noch für jede Gruppirung der
mobilen Last, welche in irgend einem Gliede der Haupt-
träger ein Maximum oder Minimum der Spannung er-
zeugty zu berechnen, welche Spannung gleichzeitig durch
Winddruck in dem fraglichen GUede erzeugt wird. Es
ist dies am bequemsten zu erreichen, wenn man sich
zunächst Tabellen anlegt, in denen die Werthe von
Qm Qny Un uud Un för alle Werthe von n von 1 bis
m und für alle Werthe von x von 1 bis 2w — 1 ver-
Ö91
Kohfahl, Die darch dea Winddrnck erzeugten Spannungen in Charnierbogenbrücken.
5«
zeichnet sind. Besser noch ist es, die Tabellen für
die Ausdrücke
Q„
Ä'
_ Ä'
U.
1 a
— /> -.-
CO» a„
- und
U„'
P-r-
COS or„
h h
anzulegeuy da dieselben iu dieser Form für jede be-
liebige Charnierbogenbrücke von gleicher Felderzahl
wieder verwandt werden können. So sind z. B. die
Tabellen I bis IV für jede derartige Brücke von 20
gleichen Feldern zu benutzen, nicht etwa nur für die
hier als Zahlenbeispiel behandelte.
Bei dieser letzteren Brücke ergiebt nun beispiels-
weise eine mobile Belastung aller Knotenpunkte vom
linken Auflager bis zum siebenten einschliesslich, wäh-
rend alle übrigen unbesetzt bleiben, Spannungsmaxima
in den Gliedern D^, D3, Fg, U-j und TJ^ und Span-
nungsminima in den Gliedern 0^, 0^, O4, O5, V^ und
V^. Mittels der Tabelle I erhalten wir nun die bi
dieser Stellung der mobilen Last durch den Winddrua
hervorgerufene Verticalbelastung für irgend einen Kno
tenpunkt des vorderen Hauptträgers durch Summatio
der Werthe aus der ihm zugeordneten Verticalcoluma
für ar=l, 2, 3 u. s. w. bis ä- = 7, z. B. für de
Knotenpunkt 4
— ^ = — 0,006 — 0,012 — 0,018 -- 0,024 — 0,010 -f 0,004 -f
h 0,018 = — 0,048,
5
öi = — 0,048.0,6 - = — 0,036 Tonnen.
4
Für die Knotenpunkte der rechten Trägerhälft
fehlen in der Tabelle die entsprechenden Vertical
columnen; doch kann mau auch für diese die Wertii
von Q aus ihr ableiten. Man sieht nämlich sogleicl
dass, wenn z. B. Q^^ bestimmt werden soll, der Knotei
Tabelle III.
Werthe
von 0".
w = l
n = 2
n»3
Werthe von -
. - P
cos an
' 1 1
n»4 w— 5 w— 6
1 1
•
a
h
n — S
'• w — 9
n--10
1
— 0,50
0,45
— 0,10
— 0,65
— 1,20
— 1,75
— 2,30
— 2,85
— 3,40
— 3,95
— 4,50
— 4,05
0,40
0,80
0,20
— 0,40
— 1,00
— 1,60
--2,20
— 2,80
— 3,40
- 4,00
— 3,60
— 3,20
— 2,80
— 2,40
0,35 0,30
0,70 i 0,60
0,25
0,50
0,75
1,00
1,25
0,50
— U,25
— 1,00 1
— 1,75 ,
— 2,50 .
— 2,25
— 2,00
— 1,75 1
— 1,50
— 1,25 i
i
-- 1,00
— 0,75 '
1
— 0,50 ■
— 0,25
1
0,20
0,40
0,60
0,80
1,00
1,25
0,40
— 0,40
— 1,20
— 2,00
— 1,80
— 1,60
0,16
0,30
0,45
0,60
0,75
0,90
1,20
0,20
1 :
1 0,10 0,05
2
— 1,00
1
0,20
0,10
3
4
— 1,50
— 2,00
— 2,50
— 3,00
— 3,50
— 4,00
— 4,50
~ 5,00
— 4,50
— 4,00
— 3,50
— 3,00
— 2,50
— 2,00
— 1,60
— 1,00
— 0,50
1,05
0,4 (.
0,90
1,20
0,30
0,40
0,16
0,20
5
— 0,25 ' 0,50
0,60
0,25
0,30
0,35
6
7
— 0,90
— 1,55
— 0,20
— 0,90
0,60
0,70
8
— 2,20
— 2,85
— 1,60
0,80
0,40
9
— 2,80
— 0,66
— 1,50
— 0,10
— 1,00
0,46
10
.,
— 3,50 — 3,00
— 3,15 — 2,70
— 2,80 — 2,40
— 0,60
11
— 1,85
— 1,20
— 1,05
— 0,90 — 0,45
12
— 3,r,o
— 3,15
— 2,70
— 2,25
— 1,80
• — 1,35
■ - ■
! — 0,90
— 0,46
— 0,80 — 0,40
13
— 2,45
— 2,10
— 1,40
— 1,20
— 1,00
— 0,80
— 0,60
— 0,40
— 0,20
— 0,70
— 0,35
— 0,30
14
— 2,10
— 1,80
— 0,90
-.
1 — 0,75
. . _
— 0,60
— 0,45
— 0,30
— 0,15
— 0,60
15
16
— 2,00
— 1,00
— 1,20
— 0,80
1
— 0,40
1
— 1,75 — 1,50
— 1,40 — 1,20
— 1,05 1 — 0,90
— 0,70 j — 0,60
— 0,35 — 0,30
— 0,60
— 0,40
— 0,3a
— 0,20
— 0,10
— 0,26
— 0,20
17
18
— 0,16
— 0,10
19
— 0,05
593
Kohfahl, Die den durch Winddfack erzeugten Spannungen in Chamierbogenbrttclcen.
594
Tabelle IV.
Werthe
Ton X.
Werthe von ~- -^ — .
eoittn
n — 1
n»8
n»S
n — 4
n-s5
1
fi — 6
n^l
n^H
fl — 9
fl — 10
1
— 0,95
— 0,90
— 0,85
— 0,80
— 0,75
— 0,70
— 0,65
— 0,60
— 0,55
— 0,50
•
2
— 0,90
— 1,80
— 1,70
— 1,60
— 1,50
— 1,40
— 1,30
— 1,20
— 1,10
— 1,00
3
— 0,85
— 1,70
— 2,55
— 2,40
— 2,25
— 2,10
— 1,95
— 1,80
— 1,85
— 1,50
4
— 0,80
— 1,60
— 2,40
— 3,20
— 3,00
— 2,80
— 3,00
— 2,80
— 2,60
— 2,40
— 2,20
— 2,00
5
— 0,75
— 1,50
— 2,25
— 3,75
— 3,50
— 3,25
— 3,90
— 3,00
— 2,75
— 2,50
6
— 0,70
— 1,40
— 2,10
— 3,50
— 4,20
— 3,60
— 3,30
— 3,00
7
— 0,65
— 1,30
— 1,95
— 2,60
— 3,25
— 3,90 — 4,55
— 4,20
-3,85
— 3,50
8
— 0,60
— 1,20
— 1,80
— 2,40
— 3,00
— 3,60
— 3,30
— 4,20
— 4,80
— 4,40
— 4,00
9
— 0,55
— 1,10
— 1,65
— 2,20 — 2,75
— 3,86
— 4,40
— 4,00
— 4,95
— 4,50
— 4,50
10
— 0,60
— 0,45
— 1,00
— 1,50
— 2,00
— 1,80
— 2,50
— 3,00 i — 3,50
f
— 5,00
11
— 0,90
— 1,35
— 2,25
— 2,70
— 2,40
— 3,15
— 3,60
— 3,20
— 4,05
— 4,50
12
— 0,40
— 0,80
— 1,20
— 1,60
— 2,00
— 2,80
— 3,60
— 4,00
13
— 0,35
— 0,70
— 1,05
— 1,40
— 1,75
— 2,10
— 2,45
— 2,80
— 3,15
— 3,50
14
— 0,80
— 0,60
— 0,90
— 1,20
— 1,50
— 1,80
— 2,10
— 2,40
— 2,70
— 3,00
15
— 0,25
— 0,50
— 0,75
— 1,00
— 1,25
— 1,50
— 1,76
— 2,00
— 2,25
— 2,50
16
— 0,20
— 0,40
— 0,60
— 0,80
— 1,00
— 1,20
— 1,40
— 1,60
— 1,80
— 2,00
17
— 0,15
— 0,80
— 0,45
— 0,60
— 0,40
— 0,75
— 0,90
— 1,05
— 1,20
— 1,35
— 1,50
18
— 0,10
— 0,20
— 0,10
— 0,30
— 0,50
— 0,60
— 0,70
— 0,35
— 0,80
— 0,90
— 1,00
19
— 0,05
— 0,15
— 0,20
— 0,25
— 0,30
— 0,40
— 0,45
— 0,50
punkt 12 genau in derselben Lage ist, in welcher der
symmetrisch zur verticalen Mittelachse liegende Knoten-
punkt 8 sich befinden würde, wenn statt der Knoten-
punkte bis 7 die symmetrisch zu dieser Achse liegen-
den Knotenpunkte 13—20 mit mobiler Last besetzt
wären. Man findet demnach Qi^ durch Summation der
Werthe aus der Q^ zugeordneten Verticalcolumne für
X = 13, 14, 15 u. 8. w. bis x = 19,
5
Ql2 = 0,6 . — (0,014 -f 0,012 -f 0,010 + 0,008 + 0,006 + 0,004
+ 0,002) = 0,042 Tonnen.
In dieser Weise sind für sämmtliche Knotenpunkte
des Trägers die Grössen Q berechnet und in Fig. 13
eingetragen, ebenso die durch diese Verticalbelastungen
in den hier in Frage kommenden Gliedern entstehenden
Spannungen. Die gleiche Operation wurde sodann für
den hinteren Hauptträger mit Hilfe der Tabelle H
Olrllinfeniear XXIII.
ausgeführt; Fig. 14 enthält die hier sich ergebenden
Resultate.
Wenn man ebenso, wie es hier für die eine ge-
schehen, auch für alle diejenigen andern Gruppirungen
der Verkehrslast, welche in irgend einem Hauptträger-
gliede ein Spannungsmaximum oder -Minimum erzeugen,
die durch gleichzeitigen Winddruck in diesem Gliede
entstehende Spannung berechnet, so erhält man für
den vorderen Hauptträger die in Fig. 15, für den hin-
teren die in Fig. 16 eingetragenen Spannungszahlen als
Zusätze zu den Spannungsmaxima, femer für den
vorderen Hauptträger die in Fig, 17, für den hinteren
die in Fig. 18 zusammengestellten Werthe als Zusätze
zu den Spannungsminima. Bei der unteren Gurtung
finden sich je zwei Werthe eingeschrieben; der obere
ist der auf die eben beschriebene Weise gefundene Bei-
trag, für U^Max. z. B. der Werth 1,39 Tonnen aus Fig. 13;
38
595
Kohfahl, Die durch den Winddruck erzeugten Spannungen in Chamierbogenbrücken.
596
der untere wurde mittels der nach den Gleichungen 10,
11, 12 berechneten Tabellen III und IV erhalten, z. B.
als Beitrag ^su U^Max.
- -^ -— = 0,2 4- 0,4 + 0,C + 0,8 + 1,0 + 1,2 + 0,4 = 4,6,
1 tt
— P
2 ^
U^ = 4^e . 1,0162 . 0,6 — = 1,40 Tonnen.
Die' Summe beider Beträge ergiebt den effectiven
Znsatz durch mobile Windbelastung zu TJiUax.
Die Betrachtung der Figuren 15-r-18 lehrt, dass
für den hiateren Hauptträger gar nicht die Rechnung
durchgefuh^ zu werden brauchte; denn mit Ausnahme
einiger weniger Glieder derselben, der Diagonalen D^
und Dg, des Stückes TJ^^ der unteren Gurtung und der ^
Verticalen Fj wird in allen Theilen dess^ben durd^
den Winddruck eine Verkleinerung der absoluten Span^ ^
nungszahl, also eine Entlastung bewirkt. Bei de^^
genannten vier Gliedern documentirt sich die Abwe^^
chung von der aufgestellten Regel auch nur in so g^.
ringfügigen Zahlwortheuj 4$t9S wir wohl berechtigt siacf,
von diesem speciellen Falle aufs Allgemeine zu schliesseu
und in der Praxis stets nur den vorderen Hauptträger
ins Auge zu fassen. Die Tabellen II und IV brauchen
somit nicht erst berechnet zu werden.
Die relative Grösse der gefundenen Spannungs-
zahlen und daoiit die eigentliche Bedeutung unserer
Tabelle V. (Spannungs-Maxima.)
Untere Gurtung.
Obere
Gurtung.
Diagonalen.
Verticalen.
u.
— 53,14
— 9,24
— 7,16
-17,4
— 13,9
— 10,4
— 6,9
- 3,2
Ol
0,
%
0,
Oe
O7
0«
O9
Oio
5,20
11,16
0,74
14,2
12,6
11,1
J5.
Ao
12,92
12,69
— 0,62
1
-4,8
•
y,
y,
y,
yi
y.
10,62
9,66
1,68
1,24
15,8
u.
— 61,41
1,39
2,W
— 0,33
-2,6
-0,8
1,0
2,4
3,9
3,8
5,7
3,9
12,6
^3
— 48,78
— 5,07
— 3,10
18,06
25,68
34,29
12,80
— 0,07
9,00
7,90
6,6i4
4,68
3,16
0,91
1 0,61
0,87
10,1
U,
— 44,Tt
— 39,8«
2,54
2,94
9,6
8,6
6,1
12,07
0,12
0,29
0,43
V
V,
-1,27
11,90
11,07
5,«
TJ,
— 34,^1
0,43
1,»7
1'»
43,67
50,70
3,14
0,16
3^
^7
— 28,74
6,9
3,09
2,63
1,41
10,73 0,35
— 0,07
-2,»
^8
— 24,60
— 27,50
— 48,02
2,93
3,W
11,9
14,2
8,6
50,29
36,00
5,0
3,9
9,80
0,41
1,21
1,8.7
— 0,17
-12,4
^9
21,40
3,20
0,08
0,9
^,0
4,11
37,29 ' 1,46
1
6,00
0,21
3,5
Tabelle VI. (Spanuuugs- Minima.)
untere Gurtung.
Obere
Gortung.
Diagonalen.
Verticalen.
^i
— 128,05 1—23,11
1
18,0
12,4
9,6
Ol
0*
0,
O4
O5
06
O7
— 5,20
0,25 —4,8
0,43 —3,9
I)[ —12,92
i>, — 12,59
— 1,83
14,2
11,2
8,9
Vi
^6
^7
— 17,0«
— 16,88
1
0,66 —3,3
u.
— 149,00
— 152,80
— 18,44
— 14,68
— 11,16
-Ml
0,29 --1,«
V,
— 18,06
0,47 — 2,6
^3
— 12,30
— 1,09
— 0,81
— 0,57
— 0,30
— 15,40 0,0T :— 0,4
1 ■
^K
— 149,90
— 11,46
7,6
6,0
— 25,88
0,40 — 1,5
— 12,07
— 11,90
6,7
4,6
2,7
— 14,80
— 18,04
— 0,09 0,6
V,
— 146,20
- 142,70
— 8,84
— 34,29
— 43,67
0,18 —0,5
— 0,20 1^
A
— 6,68
4,7
— 0,13 i 0,3
— 1 1,07
— 11,28 —0,28 2,0
^7
— 140,30
4,91
3,6
— 50,70
— 50,29
— 0,57 ' 1,1
— 0,93 1,8
— 10,73
0,21
0,67
— 0,09
-2,0
— 5,8
0,4
2,4
— 9,56
— 0,16 1,9
A
— 139,30 1 — 2,82
2,0
0,8
08_
O9
0,0
— 9,80
— 7,77
— 0,14 : W
»9
— 139,89
- 1,12
— 36,00
— 0,89 1 2,5
— 21,40
— 9,60
— <MM 5,«
u,.
— 141,71
0,80
— 0,6
! —
1
— 37,29
— 0,91
— 12,40
— 0,84 2,7
1
5^&7
Lembcke, Die Herstellung von „Zwei Mal Waare^ im mecbamschen Webstuhl.
598
a^ansen Untersuchung für die Praxis finden wir
3undi «inen Vergleich mit den durch Eigengewidit und
cnobile Last zusammen erzeugten Spannungs-Mazima
aind -Minima. Diese letzteren sind nach Prof. Ritt er 's
Berechnung in den ersten Verticalcolumnen der Tabellen
^ und VI zusammengestellt. Die zweite Columne ent-
liilt die bei derselben Lage der mobilen Last im vor-
deren Bauptträger durch gleichzeitigen Winddruck ent-
stehende Spannung, welche durch Summation der Werthe
Ton Fig. 10 und Fig. 15, bezi^ungsweise Ton Fig. 10
und Fig. 17 erhalten wurde. Femer wurde mit den
W^rthen der ersten Cohimne in die der zweiten hin-
eindiyidirt imd der Quotient, in Procenten ausgedrückt,
in der dritten Verticalcdumne verzeichnet. Endlich
sind nocdi diese letzteren Werthe in den Figuren 19
und 20, von denen erstere der Tabelle V, letztere der
TaMte VI zugeordnet ist, graphisch als Ordinaten von
Curven aufgetragen ; letztere veranschaulichen am besten
den Einfluss des Winddruckes. Ein Negativwerden des
Procentsatzes oder der Curvenordinaten bedeutet ein
Umschlagen jenes Einflusses; der fragliche Theil wird
dureh den Winddruck entlastet. Die negativen Gur-
venzweige bieten demnach wenig Interesse. Man sieht,
dass in den weitaus meisten Gliedern eine Belastung
stattfindet und zwar, wenn auf das Maximum hin be-
lastet ist, vorzugsweise in den Verticalen und der obem
Gurtung, wenn auf das Minimum hin, in den Diago-
nalen und der untern Gurtung. Dabei nimmt der
Procentsatz der zusätzlichen Spannung durch Wind-
druck im Allgemeinen vom Auflager nach der Mitte
hin al) und erreicht in der Nähe des ersteren eine sehr
betalk^htliche Grösse, bei Foir««. 15,s Proc., bei O^Max.
14,2 Proc, bei Djjr*,. 14,2 Proc., bei UiM4n. 18,oProc.l
Es ist dabei wohl zu beachten, dass die von uns ge-
machten Annahmen hinsichtlich der Grosse der Wind-
belastung und der Breite der Brücke durdiaus nicht
besonders ungünstig zu nennen sind. Betrüge z. B. die
Breite der Brücke statt 4" nur 2"*, was bei einer ein-
geleisigen Eisenbahnbrücke (wie es die vorliegende den
angegebenen verticalen BelastimgM nach ist) durchaus
noch nicht unmöglich wäre, so würden aHe jene Pro-
oentsätze auf das Doppelte steigen I
Angesichts jener hohen Procentsätze müssen wir
es aber als absolut unzulässig erachten, fernerhin
bei der Berechnung von Charnierbogenbrücken von dem
Einflüsse des Windes auf die Spannungen Aet Haupt-
träger abzusehen. Bei Brücken von grosser Spann-
weite, bei denen man die Querschnitte der einzelnen
Theile den berechneten Spannungen mehr oder weniger
scharf anzupassen vermag, wird man den Einfluss des
Windes auf jedes einzelne Gli6d des Hauptträgers in
strenger Weise nach den hier entwickelten Regelui er-
mitteln müssen. Bei kleinem Brücken muss man, um
diese immerhin ziemlich zeitraubende und mühselige
Rechnung zu vermeiden, wenigstens für die Theile des
dem Auflager zunächst liegenden Feldes die zusätzliche
Spannung durch Winddruck berechnen und kaüü dann
für die übrigen Felder dieselbe, namentlich, wenn erst
mehrere ganz durchgerechnete Beispiele vorliegen, nach
Maiaasgabe dieser schätzungsweise festsetzen. Hierbei
dürften sich die „Curven der Procentsätze der
zusätzlichen Spannung durch Winddruck",
Fig. 19 und 20, mit Nutzen verwerthen lassen.
Die Herstellung von „Zwei Mal Waare" im mechanischen Webstuhl.
Von
EmU Lembcke in Chemnitz.
(ffierzu Tafel XXVII.)
In Rücksicht auf die gegenseitige Anordnung der
in einem Webstuhl gleichzeitig hergestellten Grewebe
hat man drei Methoden zu unterscheiden. Entweder
wird vom und hinten im Webstuhl Waare erzeugt,
oder es liegen die zwei Gewebe übereinander, oder sie
liegen nebeneinander.
38
Lembcke, Die Heretellang von ^wei Mal Waare'^ im mechamaw^
Gewebe werden vorti wid Mnien im Webstuhle gefertigt.
lu diesem Falle kann man die hierzu verwendeten
ibstöhle y^Vertical -Doppelstühle'' heissen. Es be-
iden sich in einem Grestell zwei Webapparato, es wird
.eichzeitig an der Vorder- und Hinterseite des Ge-
belles ein Grewebe erzeugt.
Die Ketten sind hierbei vertical aufgespannt, die
Lade läuft auf und ab, die Schäfte gehen horizontal
hin und her.
George White in Glasgow construirte einen sol-
chen Stuhl zur Herstellung von Segeltuch und bediente
sich der genannten Anordnung namentlich deshalb, um
recht kräftige Ladenschläge durch die frei niederfallende
Lade zu bekommen. Die beiden Kettenbäume und .die
Streichriegel liegen oben, die Brustbäume und die
Waareubäume unten. Die Geschirre werden durch eine
Gegenzugvorrichtung mit Excenter und Tritten genau
in derselben Weise bewegt, wie es bei den Manchester-
stühfen geschieht, nur dass die ganze Trittvorrichtung
nebst den Gescliiri-en um 90 Grad verdreht ist, dass
also die Tritte senkrecht und die Geschirre nebst den
Schnürungen horizontal liegen. Die Laden werden
durch Hebedaumen gehoben und fallen durch ihre
Schwere frei nieder. Die Schützenschlagvorrichtungen
sind wie die gewöhnliche Oberschlagvorrichtung be-
schaffen, nur dass selbige in ähnlicher Weise, wie die
Geschirrbewegung, gestürzt ist. Da die Lade den Ein-
schlag nach unten schlägt, giebt die Lade selbst keine
Schützenbahn ab, wendet White eine von der letz-
teren unabhängige Bahn an, die aus Zähnen besteht,
welche bei dem Lauf des Schützens in die Kette ein-
tritt, bei dem Anschlag aber wieder austritt und dem
Rietblatt freien Niedergang gestattet. Diese Zähne sind
kammartig mit einander verbunden und an Armen be-
festigt, die oben an dem I^dengestell leicht drehbar
aufgehängt sind, bei dem Ladenhochgange infolge einer
Gewichtswirkung nach der Kette zu schwingen, bei dem
Ladenniedergange aber gegen feststehende Rollen stossen
und zurückgedrückt werden.*)
Ebenso wie White haben sich W. Gad in Not-
tingham und J. Moone in Manchester, John Rams-
hotten und Richard Holl zu Todmanden in Lan-
cashire u. A. viel Mühe mit Herstellung solcher Ver-
ticaldoppelstühle gegeben. Trotzdem, dass alle diese
Webstühle sehr sinnreich construirt sind und sehr wenig
Raum beanspruchen im Vergleich zu zwei Stück ein-
' -1»
•''•h (lor Woborei von F. H. Voiirt
fachen Stühlen, die je ein Gewebe derseim»!« ^
herstellen, haben sie sich doch nicht sehr einsafähren
vermocht.
Die Gewebe liegen übereinander.
Bei dieser Anordnung erspart man ebenfiJls viel
an Raum und Anlagekapital und etiiält man ebenso ^
wie zuvor, solide Sahlleisten, und als Folge hiervoKx
feste und tadellose Gewebe. Nachtheilig ist aber hierbei^
dass man die untere Kette und das unten liegende Ge-
webe schwer beau&ichtigen kann, schwer hinzukommen
kann, dass grosse Zeitverluste bei dem Einknfipfen ge*
rissener Fiiden entstehen.
Namentlich W. Gad in Nottingham und J« Moona
in Manchester haben sich viel mit Herstellung solclwr
Stühle beschäftigt. Damit gerissene Kettenfaden leichter
aufzusuchen und ebenso anzuknüpfen sind, bringea
Genannte vor der Lade zwischen beiden Geweben eine
horizontal liegende Stange an, die an den fjiden von
Armen befestigt ist, welche ihren Drehpunkt vorn am
Brustbaume haben. Hebt man diese Stange ^ so wird
das obere Gewebe gehoben und das untere zugänglicher;
senkt man sie, so kommt die obere Waare wieder in
ihre alte Lage. Das Rietblatt muss sehr hoch sein;
in der halben Höhe desselben sind zwei Schienen vor
die Riete gelegt, welche als Schützenbahn ftir den
Schützen und als Auflage für das Unterfach der obern
Kette dienen.
Bessere Erfolge als die Genannten hat der Fabri-
kant Gerber-Ulrich in Markirch mit seinem Web-
stuhl mit Doppellade erzielt. Dieser Stuhl ist genau
so eingerichtet, wie der gewöhnliche Webstuhl für Her-
stellung zweibindiger Waare, nur sind alle die Theile,
welche zur Herstellung eines zweiten Gewebes nöthig
sind, doppelt vorlianden. Wir haben hier: zwei Ketten-
bäume, zwei Kreuzschienen-Systeme, ein Schäftesystem
mit doppelten Maillons, eine Lade mit zwei Blättern,
zwei Schützen bahnen und vier Schützenkästen, zwei
Schützen, die gleichzeitig durch eine Schlagvorrichtnng
getrieben werden, sowie zwei ZeuglMiume. Die Entfer-
nung der beiden Ketten und Zeuge ist so gross, dass
man ziemlich leicht die unteren Kettenfäden einbinden
und die untere Waure beaufsichtigen kann, so dass die
Zeitverluste, denen beide Ketten gleichzeitig unterworfen
sind, auch nicht übermässig gross werden. An Raum,
Anschaft'ungskosten und Betriebskraft wird hier, zwei
einfachen Stühlen gegenüber, sehr gespart. Ein geübter
Arbeiter soll, wenn der Stuhl mit 130 Schützensdilagen
pro Minute arbeitet, in 12 Stunden 42 bis 67" Waarf
fertigen können. Vergleicht man diese Lieferung mi
der eines gewöhnlichen Stuhles, welcher pro Minu
" 1
Lembcke, Die Herstellong von ,^wei Mal Waare^ im mechanischen Webstuhl.
602
Schu88 eintragen kann und pro Tag 32*" liefert,
ird der Webstuhl des Gerber-Ulrich 'sehen Sy-
B 31 bis 78 Procent mehr liefern. Der Erfinder
Dt im Mittel 50 Proc. Mehrleistung an, was auch
gut moglieh ist
Die Gewehe lügen nehenemander.
Man nennt die hierfür dienenden Stühle »^Web-
e für doppeltbreite Waare^'. Trotzdem , dass die
oit hergestellte Waare nicht tadellos ist, hat dieses
»m eine weitaus grössere Anwendung gefunden, als
beschriebenen. Grewisse Fabrikanten ziehen für
tellung bestimmter Waaren, namentlich leichter halb-
tner Kammgamgewebe, dieses System sogar dem
3n mit einfachen Stühlen vor, damit an Anlage-
al, Raum, Bedienung und Betriebsspesen gespart
Alle Mechanismen und Stuhltheile sind hier genau
Iben, wie sie der einfache mechanische Webstuhl
nur die Breite des Stuhles wird um eine Stück-
e und um den circa 1 bis 1,5 ^"^ breiten Zvrischen-
i zwischen beiden Geweben grösser, so dass der
tzenschlag um so viel heftiger sein muss.
Ein grosser Uebelstand ist hierbei der, dass beide
)be nur an den Schützenkastcnseiten solide Sahl-
n haben, hingegen in der Mitte nicht. Schneidet
die im Webstuhl zusammengewebten Stoffe aus-
ider, um solche von einfetcher Breite zu erhalten,
erden in letzteren die an der Schnittstelle liegen-
iettenfäden fast gar keinen Halt haben, sehr leicht
lern Gewebe herausgezogen werden können. Dieses
was zu mindern, stellt man eine falsche Sahlleiste
fertigt man eine sogenannte „Kettel-Leiste^^ Wenn
tre auch nicht die Festigkeit der gewöhnlichen
e hat, vermindert sie doch das Herausgleiten der
nfäden um ein Bedeutendes. Für leichte Waaren,
le der Walke nicht ausgesetzt werden, eignen sich
B Leisten immerhin ziemlich gut, für schwere zu
mde Waaren sind sie aber nicht anwendbar. Man
übrigens bei solchen Stoffen, die in grossen ein-
n Breiten gewebt werden, wie z. B. Tuche, Bucks-
Segeltuch u. s. w. auch nicht in die Lage kommen,
aal nebeneinander Waare herzustellen. Die Breiten
tühle und die Schützenlauflängen würden so über-
g grosse werden, dass entweder die Schützen-
gvorrichtungen nicht kräftig genug wirken, oder
die Leistung des Stuhles infolge des langsamen
es keine vortheilhaftere wird,
[n Nachfolgendem sollen drei Vorrichtungen für
«Uung falscher Leisten beschrieben werden. Die
ersten beiden ergeben dieselbe Bindungsweise der
Leistenfäden, die dritte macht eine andere Leiste. Die
erste Vorrichtung und ebenso die dritte dienen nament-
lich der Schaftweberei, die zweite ist für die Jacquard-
weberei bestimmt; es würden sich aber, wie es ja auch
geschieht, die erste und dritte ebenso gut am Jac-
quardstuhl anbringen lassen.
Obwohl der erste Apparat mehr Raum beansprucht
und constructiv nicht so gelungen ist als wie dritte,
wird er doch diesem vorgezogen, findet man ihn weit mehr
in dieser oder jener Ausführung angewendet und zwar
namentlich deshalb, weil man die Spannung der sich
kreuzenden Fäden besser reguliren, dadurch eine gleich-
massigere festere Leiste herstellen und weil jeder Schlosser
ihn leicht anfertigen kann. Bei allen Vorrichtungen
kreuzt man die letzten beiden Kettenfiulen der Leiste,
oder auch Paare derselben, gaze- oder dreherartig und
schiesst den Schuss 'durch.
Sahll eiste napparate mit glatter Gaze-Bindung.
(Siebe Tafel XXVII, Fig. 1, 2, 3 und 4.)
Die Bindung, welche diese Apparate herstellen, ist
in Taf. XXVII, Fig. 1, gezeichnet. Zwischen jedem
Schusse findet eine Kreuzung der Kettenfäden statt. Bei
dem Schützendurchgange liegen die Fäden q und p stets
im Oberfache, s und r im Unterfache und zwar allemal
abwechselnd, einmal an der rechten Seite, einmal an
der linken Seite. Zwischen jedem Schusse gehen die
Fäden q und p unterhalb s und r hinweg.
In Fig. 1 ist ein für die Kettelung nöthiger Apparat
in der Vorderansicht gezeichnet; Fig. 2 giebt eine
Seitenansicht des Apparates und einiger Webstuhltheile ;
Fig. 3 ist eine Hinteransicht der Lagerung der Leisten-
spulen. Fig. 4 zeigt die Verschnürung der Platinen,
wenn durch die Jacquardmaschine gekettelt werden soll.
Die Schlagexcenterwelle a (siehe Fig. 1 und 2)
trägt in der Mitte des Webstuhles einen Doppeldaumen
6, auf welchem ein bei d drehbarer Arm c ruht. Letz-
terer wird durch b bei jeder halben Umdrehung von
a gehoben und gesenkt; die Hochstellung findet kurz
vor dem Anschlage der Lage statt, die tiefste Lage von
c ist während des Schützeudurchganges vorhanden.
Mit c verbunden ist die Stange e, die oben am Ge-
schirrriegel vertical geführt ist und deren Hub 9 bis
10*^™ beträgt. Namentlich Fig. 1 zeigt, dass oben an
e unterhalb der Führung rechts und links zwei Nadeln
f und f befestigt sind, deren untere Enden maillon-
artig durchlocht sind zur Durchführung der Kettenfäden
s und r.
603
Lembcke, Die Herstellung von „Zwei Mal Waare" im mechanischen Webetuhl.
601
Nach der rechten Oestellwand des Webetuhles zu
trägt die Welle a einen zweiten 'Hebedaumen g^ der
auf einen bei i drehbaren Winkelhebel h in solcher
Weise einwirkt » dass der liegende Schenkel Ton h für
den einen Schuss&dendurchgang gehoben und für den
zweiten gesenkt ist. An den stehenden Arm des Hebels
h sind zwei Nadeln Je und k^ geschraubt, deren oberes
Ende öhrförmig ist und die Leistenfäden q und p auf-
nimmt. Der Form des Daumens g zufolge werden diese
Nadeln nach links und rechts gestellt; die Grösse des
Schwingungsbogens an der Durchgangsstelle der Fäden
q und p beträgt 15"°.
Damit die vier durch /*, f, k und k^ gezogenen
Kettenfäden rückhaltende Spannung haben , damit sie
den Schussfaden fest einbinden, auf dass sie femer von
den anderen Kettenfäden der zu webenden Waare un-
abhängig sich einarbeiten können, sind sie extra ge-
bäumt, hat man sie paarig auf Pfeifen m und l (siehe
Fig. 3) aufgespult und von da über den Gambaum weg
zu den Nadeln gefühi-t in folgender Weise: Die zwei
Fäden r und s laufen gleichzeitig von der Spule l ab,
gehen über den Kettenbaum, über den Draht n und
über die Pfeife (Kettenspule) o hinweg|, hierauf durch
die Nadeln f und f, weiterhin zwischen den Litzen
der Schäfte hindurch und zuletzt ein jeder durch ein
Rohr des Rietblattes nach der Waare hin. Die Fäden
q und p laufen von der Spule m ab, über den Garn-
baum und Streichriegel des Webstuhles weg, ebenso
über die Spule o, alsdann durch k und k', zwischen
den Litzen der Schäfte hindurch und ein jeder durch
ein Rohr des Blattes nach der Waare. Damit aber p
mit r und ebenso q mit s binden kann, sind p und r
und ebenso q und s jedes Mal zwischen dieselben Litzen
der Schäfl;e und durch dasselbe Rohr des Rietblattes
gezogen. Beide Spulen l und m sind leicht drehbar
auf einen feststehenden Draht gesteckt und mit Wirtein
verbunden, um welche durch Hebel und Gewichte be-
lastete Bremsschnüre gelegt sind. Man erreicht hier-
durch eine richtige Anspannung der zu kettelnden Fäden.
Die Wirkung des Apparates ist folgende :
Liegen die Nadeln k und f links von f und f
(siehe Fig. 1) und sind f und f gesenkt, so liegt der
Faden s rechts von q und der Faden r rechts von p;
q und p liegen im Oberfach, 5 und r im Unterfach. —
Der Schuss 1 geht durch.
Vor Eintragen des zweiten Schusses haben sich die
Nadeln f und f gehoben, sind hierauf k und k* nach
rechts geschwungen und sind zuletzt f und f wieder
gesenkt worden. Zufolgedem hat sich der Faden q
unterhalb s hinweg nach rechts in das Oberfach be-
geben; ebenso war es mit p in Beziehung auf r. Bei
dem Einschiessen des zweiten Schusses liegen 8 links
unten und q rechts oben und ebenso befindet sich r
links im Unterfach und p rechts im Oberfach.
In dieser Weise wiederholt sich das Beschriebene
für alle zwei Schuss, so dass die in Fig.l für 5 Schuss
gezeichnete Bindung entsteht.
Dieselbe Verschlingung der Leisten£aden lässt sich
auch mit der Jacquardmaschine erreichen, wenn
man die in Fig. 4 gezeichnete Anordnung tri£Ft
s ist ein ruhender, stets im Unterfach liegen blei-
bender* Faden, q ist durch das Mailion oder Zwimauge
a gezogen, welches an zwei Platinen b und c geschnürt
ist und an beiden Seiten, also für jede Platine, Ange-
hänge d hat. Beide Fäden 8 und q kommen von einer
in der beschriebenen Weise gebremsten Spule und geben
durch dasselbe Rohr des Rietblattes. Schlägt man nun
die Karte für die Platinen b und c so, dass z. B. für
den einen Schuss c sich hebt und b liegen bleibt und
für den anderen b gehoben wird und o unten steht, so
wird der Faden q bei dem ersten Schusse rechts von s
im Ober&che liegen und bei dem anderen Schusse links
davon und wird man genau dieselbe Verschlingung er-
halten, wie sie Fig. 1 Schuss 2 und 3 zeigen.
Sahlleistenapparat mit gedrehter Gaze-
Bindung.
Der in Taf. XXVII, Fig. 5 und 6, gezeichnete
Apparat ist von der Firma J. Leeming & Son in
Bradford ausgeführt worden und bewirkt, wie der vorige,
eine Kreuzung der letzten beiden LeistenfiLden einer
jeden Waare, jedoch in der Weise» dass beide Vidßn
abwechselnd in das Ober- und Unterfiach kommeii. Die
Verschlingung der Fädenpaare qs und pr mit den
Schusse zeigt Fig. 6.
Die Herstellungsweise hat gegen die vorige einen
Nachtheil insofern, als die Fäden q und 5, sowie p und
r sich .sehr reiben, über ihre ganze zwischen Waare
und Apparat frei liegende Länge hin, dass somit du
Garn rauher wird und leichter bricht. Ebenso ist die
zurückhaltende Spannung dieser Fäden keine so gnte^
so elastische, hin- und herspielende, als die bei den
vorigen Apparat.
Selbstverständlich laufen auch hier die mit ein*
ander arbeitenden Fäden q und 8 zwischen zwei Schaft*
litzen durch in dasselbe Rohr des Rietblattes; ebenso
ist es mit den Fäden p und r.
Die Einrichtung des Apparates ist folgende: Von
der Hauptwelle des Stuhles aus werden durch Stirn-
räder mit der Uebersetzung 1 zu 2 und durch Ve^
mittelung eines Transporteurs zwei schwache Mrtall-
605
Lembcke, Die HerstelluBg von „Zwei Mal Waare^^ im mechanischen Webstahl.
606
Scheiben a in constante Drehung gebracht. Ihre Achse
ist in der Höhe ^er Webekette nahe zum Streichriegel
gelagert. Bei jeder Tour der Ladenbetriebswelle 6,
also für jeden Schuss in die Kette» machen a eine halbe
Umdrehung, wodurch bei dem einen Schusse die OeflF-
nungen c oben und d unten, bei dem anderen Schusse
d oben und c unten stehen. An den inneren Flächen
von a sind je zwei Spulen befestigt. Auf jede ist eia
Kettenfaden möglichst fest aufgewickelt und durch die
nächstliegende Oeffnung der betreffenden Scheibe nach
aussen und Yon da direct zur Waare hin geführt. Es
empfiehlt sich übrigens hier und ebenso bei dem vorigen
Apparat, Zwirn zu den Fäden zu nehmen, oder jeden
Faden zweifach zu spulen, damit diese Fäden recht
haltbar werden. Die Entfernung von c und d, also
die Fachhöhe im Apparat, beträgt 12°'°, was einer Fach-
höhe im Blatt von circa 5 bis 6°™ entspricht.
Ist der Faden q durch c und ist s durch d ge-
flogen, so kMnmt für den ersten Schuss q in das Obeiv
fioh und $ in das Unterfach. Hierauf dreht sich die
Scheibe a um ein Viertel, während die Lade in den
Anschlag geht; beide Fäden q und s kommen neben-
einander zu liegen. Weiterhin gdit die Oeffnung c
mehr und mehr nach unten, d ebenso nach oben, so
dass sich q mehr und mehr senkt und s in derselben
Weise hebt. Es wird der kurze, also augenblicklich
der durch c laufende Faden, an der Scheibenseite liegen
bleiben und der längere, also der aus d kommende,
unterhalb q hinweg in das OberfEich schwingen, so dass
bei dem Schütsendurchgange q rechts unten und s links
oben liegt (siehe Schuss 2 in Fig. 6). Bei dem dritten
ScfauBM taaschen die Fäden ihre Rollen, s kommt nach
rechts in das Unterfach, wie bei dem ersten Schusse,
nnd q nach links in das Oberfisu;h u. s. w.
Mit den Fäden p und r wird dasselbe eintreten,
imr dass hier die Kreuzung und der Stand der beiden
Fäden für jeden Schuss in Bezug auf q und .<? ent-
gegengesetzte werden.
Gebremst sind die Spulen in folgender Weise: Sie
sind paarweise auf einen leicht drdibaren Draht ge-
steckt» der in der Mitte Schraubengewinde hat, auf
welches zwei Muttern aufgeschraubt sind. Zwischen
die Spulen und die Lager des Drahtes sind Leder-
scheiben aufgesteckt. Die eine Mutter (in Fig. 5 die
obere I drückt direct die obere Spule g^en die Leder-
scfaeibe, die andere drückt aber gegen eine Spiralfeder
und diese erst die untere Spule gegen das Leder. Es
wird zwar hiemach die Spiralfeder auf beide Spulen
Einfluss haben, da der Draht lose in seinen Lagern
liegt und wird man durch kräftiges Zusammenschrauben
der Feder ziemlich starke Bremsung geben können; es
hat aber diese Vorrichtung den Nachtheil, dass sie die
Fäden nicht zurückzieht, namentlich während sie an-
einander TPrüber schwingen, se dass bei dem Anschlagen
des Schusses der von oben niedergehende Faden und
bei dem Schützenlauf der im Ober&ch liegende Faden
schlaff werden. Es gleicht sich diese verschiedene
Spannung der Fäden während des Weiterwebens zwar
wieder etwas aus, der Schussfaden wird aber nicht sehr
fest eingeklemmt und zufolgedem die Haltbarkeit der
Leiste beeintt^chtigt.
Damit nian nicht genöthigt ist, nach dem Weben
die Schussfäden zwischen den falschen Leisten zer-
schneiden zu müssen, bringt man oft im Webstuhl
selbst ein Messer hierzu an. Dasselbe (siehe Fig. 7 im
Aufriss und Fig. 8 im Grundriss) ist am Brnstbaum
angeschraubt, so dass es während des Webens sofort
eine Trennung der Zeuge selbstthätig bewiikt.
Die beschriebenen Apparate arbeiteten an Web-
stühlen, welche pro Minute 100 Schützenschläge geben
und lieferten pro Tag
21,5" doppeltbreite Waare.
Vergleicht man diese Leistung mit der einfach
breiter Stühle desselben Systems bei Herstellung der-
selben Waare, so ergiebt sich folgendes Yerbältniss:
Ein einfach breiter Stuhl liefert bei 160 Schützen-
schlägen pro Tag
32"* einfach breite Waare.
Ein doppelt breiter Stuhl liefert bei 100 Sohütsen-
schlägen pro Tag
43° einfach breite Waare.
Die Mehrleistung des doppeltbreiten Stuhles beträgt
11", d. i.
circa 34 Procent.
Betragen somit der grössere Kapitalaufwand und
die Spesen für den Betrieb von zwei einfach breiten
Stühlen 65 Procent mehr als die eines doppelbreiten,
so wird es sich empfehlen, letzteren anzuwenden, voraus-
gesetzt, dass der Verkaufspreis der Waare nicht noch
Einfluss darauf hat.
lieber eine Verbesserung an Fordergestellen.
(Metallbremse.)
Von
Bergdirector Menzel in Zwickau.
(Nach einem im Mai 1877 iu Sect. lY des Sachs. Ing.- und ArcL-Yereins vom Yerfasser gehaltenen YortragB.)
(Hierzu Tafel XXym.)
Die ausgedehnte Anwendung, welche bei der Schacht-
förderung mittels Fördergestellen die Fangvorrichtungen
an denselben gefunden haben, beweist zur Genüge,
welch hohen Werth man denselben beilegt. Wenn man
in früherer Zeit noch hie und da der Ansicht begeg-
nete, es sei gefahrlich, die Fördergerüste mit Fangvor-
richtungen zu versehen, weil das Aufsichtspersonal der
Gruben sich dann auf die Wirksamkeit derselben ver-
lassen zu können glaube und infolge dessen der Be-
schaffenheit der Seile u. s. w. nicht die nöthige Auf-
merksamkeit schenke, so dürfte jetzt bei den Bergbau-
treibenden Deutschlands wenigstens diese Ansicht wohl
nur noch wenige Vertreter finden.
Die Constructionen, welche den Fangvorrichtungen
gegeben worden, sind ausserordentlich mannigfaltig.
Allgemeinere Anwendiingen haben aber doch nur die-
jenigen gefunden, welche, wie die verschiedenen Modi-
ficationen der White und Grant 'sehen, der Fon-
taine 'sehen und der beim sächsischen Kohlenbergbau
mehrfach benutzten Otto 'sehen Fangvorrichtung, mög-
lichste Einfachheit besitzen. Alle diese Yorrichtungen
haben freilich bei Brüchen des Seiles oder der Schurz-
kette nur ein sofortiges „Fangen", d. h. die Herstel-
lung einer festen Yerbindung des Gestelles mit der
Schachtleitung, im Auge, und besitzen deshalb, wie
unten ausführlicher gezeigt werden soll, noch eine be-
denkliche Un Vollkommenheit. Diejenigen Constructionen,
welche, wie die Hoppe 'sehe Fallbremse, von diesem
Mangel frei sind, indem sie nicht ein plötzliches Auf-
halten des Gestelles, sondern eine allmäligc Aufzehrung
der in ihm aufgespeicherten mechanischen Arbeit durch
Bremsen bezwecken, haben sich gleichwohl eine all-
gemeinere Anwendung nicht erobert. Es mag dies wohl
in der allzu subtilen Gonstruction li^en, die rar Folge
hat, dass selbst die kleinen Formverändemngeii« wdohe
bei den fortwahrend sich wiederholenden Stoesen und
Erschütterungen in Folge der Förderung so leidit eiB-
treten können, die Sicherheit der Wirkung sehr in
Frage stellen.
Den erstgenannten Arten von einfBMiherer Construc-
tion lässt sich dagegen nachrühmen, dass sie bei nur
einiger Aufmerksamkeit leicht in gutem, wirkungs-
fahigen Stande zu erhalten sind, und dass sich meist
sehr leicht, selbst ohne besondere Fangproben, beur-
theilen lässt, ob sie sich noch in jenem Zustande be-
finden. Ist dies aber der Fall, so lässt sich auch &rt
mit Sicherheit darauf rechnen, dass sie eintretenden
Falls ihren Zweck soweit erfüllen, als ihre Constmction
dies ermöglicht, dass sie nämlich in der That „fiuogen^
Diese Behauptung mag freilich zu weitgehend er-
scheinen, der bekannten Thatsache gegenüber» daas in
einer verhältnissmässig grossen Anzald Fällen das Vor-
handensein vorzüglich construirter und im besten Stande
erhaltener Fangvorrichtungen bei Seilbrüchen nidit
verhinderte,^ dass das Fördergestell fortging nnd anf
seinem Wege Yerwüstungen von mehr oder weniger
Bedeutung herbeiführte. Man wird nach einer soldien
Erfahrung immer geneigt sein, mangelhafte Wiikimg
der Fangvorrichtung anzunehmen. Und doch wird ia
den meisten, möglicherweise in allen derartigen Fallet
jene Annahme falsch sein. Denn höchst wahrsdieinlid
that die Fangvoiiichtung ihre Schuldigkeit, sie fing;
wenn trotzdem das Gestell nicht an den Leitungs-
bäumen hängen blieb, so lag dies daran, dass in im
Augenblicke des Fangens das Fördergestell eine mecha-
nische Arbeit in sich aufgespeichert hatte, die viel zu
609
Menzel, lieber eine Verbcsserang an Fördergestellen.
610
gross war, als dass sie beim blossen Fangen voUstÄndig
nieder ausgegeben werden konnte. Der Ueberschuss
^ard auf Formveränderungen der Fangvorrichtung
selbst oder der Leitung verwandt, und es ward infolge-
dessen ein Hängenbleiben des Gestelles an der Leitung
immöglicL
Inwieweit diese Ansicht gerechtfertigt ist, mag aus
dem Weiteren sich ergeben.
Man probirt die Gestelle, d. h. die Wirksamkeit
ihrer Fangvorrichtungen, in der Regel über Tage und
zwar meist an der Hängebank des Schachtes, indem
man sie absichtlich dem freien Falle tiberlässt. Dabei
wird sich die Fallhöhe, d. h. die Differenz zwischen
dem Niveau, in welchem das Gestell ui-sprünglich, und
demjenigen, in welchem es nach vollendeter Fangwir-
kung hängt, selten grösser als etwa 5 Centimeter her-
ausstellen. Diejenige Höhe, auf welche das Gestell
vollständig frei fällt, ist jedenfalls erheblich geringer,
denn sie ist streng genommen nur bis zti der Stelle zu
rechnen, wo der Angriff der Excenter, der Klauen oder
dergleichen auf die Leitungsbäume begann, und auch
der Anfang des Fallens dürfte meist kein ganz freier
i sein. Nehmen wir aber zum Nachtheile des beabsich-
L tigten Beweises die Höhe von 5*^"* an.
^ Dieser Fallhöhe entspricht nach der bekannten
r Pallformel:
s = --^i^ oder
2
f 9
äne Fallzeit von nur 0,i Secunde, also ein Zeitraum,
den wir uns seiner Kleinheit halber kaum voi-stellen
können. Die mechanische Arbeit, welche das Förder-
gestell mit seiner Belastung bei diesen Fangproben
durch den freien Fall in sich aufnimmt und beim Ein-
griff der Excenter oder Klauen in die Leitungsbäume
^eder ausgiebt, beträgt, wenn Gewicht und Belastung
des Gestelles zusammen mit G (in Kilogrammen) be-
zeichnet wird, in Meterkilogramm 0,05 6f. Dass bei
einigermassen schweren Gestellen die sichtbare Wir-
kung dieser mechanischen Arbeit, die Zerquetschung
der Leitungsbäume, au der Fangstelle nämlich, schon
eine recht stattliche ist, braucht kaum erwähnt zu
werden.
Es treten jedoch auch Brüche der Seile und Schurz-
ketten unter Umständen ein, welche den bei den Faug-
pi-oben vorhandenen nicht ganz entsprechen , vielmehr
eine Verlängerung der bis zur vollendeten Fangwirkung
verfliesseuden Zeit, wenn auch nur um einige Zehntel-
secunden, recht wohl möglich ei*scheinon lassen.
Nehmen wir zunächst den unter sonst gleichen
CK'iHnseniaar XXIII.
Umständen günstigeren Fall, den Eintritt des Seil-
bruches beim aufwärtsgehenden Gerüst an.
Bei den Fangproben wird es immer nur ein ver-
hältnissmässig kleiner Theil der Schui*zkette oder des
Seiles sein, welcher der bewegenden Kraft der Federn
seine träge Masse entgegensetzt. Bei Seilbrüchen da-
gegen wird diese träge Masse oft erheblich grösser sein.
Ein Seilschwanz z. B., welcher zehnmal so schwer ist,
wie der bei den Fangproben in relative Bewegung zu
setzende, wird diese Bewegung, wie aus der bekannten
Grundformel der Mechanik P=M,p hervorgeht, mit
10 Mal geringerer Beschleunigung p ausführen, infolge-
dessen aber, wie die weitere Rechnung ergiebt, die
Fallzeit des Gestelles auf ca. 0,32 Secunden verlängern,
und bewirken, dass dasselbe während dieser Zeit 0,5"
herabfällt, das 10 fache nämlich der bei den Fangproben
durchfallenen Höhe.
Die mechanische Arbeit 0,50 G, welche das Förder-
gestell dabei in sich aufnimmt, beträgt also dann eben-
falls das 10 fache der bei den Fangproben zur Wirkung
kommenden.
Es ist ferner nicht wahrscheinlich, dass in allen
Fällen der Vorgang des Seil- oder Schurzkettenbruches
sich in einen einzigen Augenblick, von welchem an das
vollständig freie Fallen des Gestelles beginnt, zusammen-
drängt. Es kann vielmehr vorkommen, — und gerade
manche bei den Brückenbergschächten gemachte Beob-
achtungen sprechen direct dafür — dass der Bruch des
Seiles oder der Kette erst in einem Zeittheilchen
beendigt ist, in welchem das Gerüst bereits dem wenig-
stens theil weise freien Falle überlassen war, dass also
die Zeit des Keissens und die des Fallens bis zum
Fangen ineinander greifen. Es kann dies zur Folge
haben, dass die das Fangen bewirkenden Federn nicht
rasch genug wirken können, dass sie sogar, nachdem
sie sich bereits ziemlich weit ausgedehnt haben, noch
eiimial etwas zurückgespannt werden. Dann ist aber
auch eine Verzögerung der Fangwirkung unvermeidlich.
I Nimmt mau bei einem solchen Hergange die gesammte
Fallzeit zu 0,4 bis 0,5 Secunden, die eingetretene Ver-
! zögerung also zu 0,3 bis 0,4 Secunden an, so ergiebt
\ sich, dass dann das Fördergestell dem mehr oder we-
niger freien Falle auf eine Höhe überlassen ist, die in
Wirklichkeit wohl die jenen Fallzeiten entsprechenden
theoretischen Fallhöhen von 0,78" und 1,25" nicht er-
reichen, immerhin aber das 10 — 20 fache der bei den
Fangproben eintretenden Fallhöhe sein mag.
Das Fördergestell nimmt also dann auch eine me-
chanische Arbeit in sich auf, welche das 10 — 20 fache
i der bei den Fangproben angesammelten ist.
' Betrachten wir ferner die Verhältnisse beim nieder-
89
611
Menzel, lieber eiue Verbesserung an Fördergestellen.
612
gehenden Fördergerüst. Eine Fördergeschwindigkeit
von 5" z. B. entspricht einer Fallhöhe von 1,25", d. h.
man kann sich diese Geschwindigkeit dadurch ent-
standen denken, dass das Gerüst auf eine Zeit von
5 5
— = TT — = 0,61 Secunden dem freien Falle überlassen
9 9,81
war und dabei, indem es die Endgeschwindigkeit von
5°* erreichte, einen Weg von 1,25" zurücklegte. Das
mit dieser Geschwindigkeit niedergehende Fördergestell
hat also bereits beim Seilbruche eine mechanische Arbeit
in sich aufgestapelt, die das 25 fache der bei den Proben
in Wirksamkeit kommenden beträgt.
Selbst die geringe Fördergeschwindigkeit von 1,85 °,
die nach bergamtlichcr Vorschrift in Sachsen bei der
Mannschaftsförderung nicht überschatten werden soll,
entspricht einer Fallzeit von 0,i9 Secunden und wenn
man zu derselben noch die Zeit von 0,i Secunde hin-
zufügt, die, wie weiter oben bemerkt, zwischen dem
Augenblicke des Seilbruches und dem Zeitpunkte der
vollendeten Fangwirkung verfliesst, so ergiebt sich eine
der Zeit von 0,29 Secunden entsprechende Fallhöhe von
0,38°, d. h. es wird im Moment des Fangens eine
mechanische Arbeit von 0,38 G ausgegeben, die mehr
als 7 Mal so gross ist, als die bei den Fangproben
wirkende.
Es ergiebt sich aus alledem, dass es der Möglich-
keiten verschiedene giebt, in welchen einerseits dem
Fördergestelle und speciell den das Fangen bedingenden
Theilen desselben, anderseits den Leitungsbäumeu zu-
gemuthet wird, dass einer bis 25 Mal so grossen mecha-
nischen Arbeit*) ebenso sicherer Widerstand entgegen-
gesetzt werden soll, wie derjenigen, welche bei den
Fangproben auszuhalten ist. Inwieweit dies zu erwarten
ist, wird ► vielleicht noch etwas deutlicher, wenn man
sich die Vergrösserung der mechanischen Arbeit nicht,
wie es thatsächlich der Fall, aus der Vergrösserung
des Weges, sondern, was ja in Betreff des Resultates
dasselbe ist, aus der Vergrösserung der Kraft, d. h.
des wirkenden Gewichtes, hervorgehend denkt.
Wir würden es beispielsweise sicherlich für sehr
gewagt halten, ein nach erfolgter Fangwirkung an den
Leitungsbäumen hangendes, mit seiner Ladung ca. 100
Centner schweres Fördergestell noch mehr, und zwar
soweit zu belasten, dass sein Gesammtgewicht auf 1000
bis 2000 Centner stiege. Noch bedenklicher aber möchte
es erscheinen, mit einem so überlasteten Gestell noch
*) Bei sehr grossen Fördergeschwmdigkeiten stellt sich das
Verhältniss natürlich noch weit ungOnstiger. Bei einer Fürder-
geschwindigkeit von 8*" z. B. beträgt die dem niedergehenden
Gestelle innewohnende Arbeit das 65 fache.
eine Fangprobe vorzunehmen, dasselbe also vor dem
Eingreifen der Excenter oder Klauen in die Leitung
noch, wenn auch nur auf einige Centimeter, dem freien
Falle zu überlassen.
Kann man sich hiernach der Ueberzeugung nicht
verschliessen, dass bei der jetzigen Einrichtung unserer
mit Fangvorrichtungen ausgerüsteten Fördergestelle der
eigentliche Zweck dieser Vorrichtungen keineswegs in
allen Fällen erreicht werden kann, dass vielmehr der
mehrerwähnte bedeutende Ueberschuss an mechanischer
Arbeit auf eine gefährliche, ei^ie schädliche Formver-
änderung verwandt wird, so führt dies zugleich auf
einen einfachen Weg zur Beseitigung dieses Uebelstandes.
Eine Formveränderung ist nicht zu vermeiden;
aber sie kann in eine unschädliche verwandelt wer-
den durch eine Einrichtung, die im Nachstehenden als
Metallbremse bezeichnet werden mag.
Das Wesentliche dieser Einrichtung besteht darin,
dass, nachdem die Fangwirkung eingetreten, der Haupt-
masse des Gestelles gestattet wird, noch 30—40*" weiter
zu fallen, dass sie dabei aber einen Widerstand über-
winden muss, welcher allmälig den Ueberschuss an
mechanischer Arbeit auf eine unscjiädliche Weise ver-
zehrt, indem durch Einwirkung eines harten auf einen
weichen Metallkörper der letztere eine für das Ganze
unschädliche Formveränderung erfährt.
Die Art der angewandten Fangvorrichtung
ist dabei gleichgültig. Wenn daher im Nach-
stehenden der obere Theil eines Fördergestelles specieller
beschrieben ist, welches von der Maschinenfabrik von
Hofmann & Zinkeisen in Zwickau für den zweiten
Schacht des Zwickauer Brückenberg- Steinkohlenban-
vereins ausgeführt wird, so soll die Einrichtung des-
selben nicht als Norm, sondern nur als Beispiel dienen.
Es ist dieses Fördergerüst (vergl. Fig. 1, Taf.
XXVUI) aus zwei Haupttheilcn ÄÄ und BB zusam-
mengesetzt, von denen der eine B am anderen A auf
eine Höhe von 30 — 40^™ gleiten kann, so dass er dann
in die durch Punktirung angegebene Lage B'B^ gerath.
Dieser rahmenförmige Theil B von der Breite des Ge-
rüstes und einer Höhe von 30 — 40®" enthält die zur
Fangvorrichtung gehörigen Theile, ausserdem aber bei ee
je einen schmiedeeisernen Hohlcylinder von 45™" Weite,
der mit radialen Löchern, ausserdem auch am unteren
Ende mit einer durch auszuwechselnde Buchsen ver-
schieden gross zu machenden Oeffnung versehen ist
Diese Hohlcylinder cc werden mit Blei ausgegosseiu
welches in diesem Falle die Rolle des oben ermhnten
weichen Metallkörpers zu spielen hat.
Der ganze Theil B wiegt, was nicht anwesentlich
613
Menzel, lieber eine Verbesserung an Fördergestellen.
614
ist, nur etwa den 10. Theil des leeren, also etwa den
20. Theil des beladenen Fördergestelles.
Der andere, grössere, in seinem oberen Theile eben-
falls rahmenfönnige Gerüstkörper trägt die Gerüstetagen
und die Führung an den Leitungsbäamen. Von seinem
oberen Bügel ragen zwei cylindrische Stahlstäbe s.s bis
za den oben erwähnten Hohlcyliudem cc des Theiles
B herab. Diese Stahlstäbe repräsentiren den härteren
Metallkörper der Metallbremse. Vergl. auch die bei-
gefügte Zeichnung des betareffenden Gerüstobertheils.
Taf. XXVm.
Beim Bruche des Seiles oder der Schurzkette wird
durch die Fangvorrichtung der Bahmen B an der
Schachtleitung festgehalten. Der Hauptgerüsttheil da-
gegen kann noch um die Höhe von 30 — 40^™ weiter
fallen, er hat aber dabei, indem die Stäbe ss sich in
den Bleikörper der Hohlcylinder cc eindrücken und
das Blei verdrängen, einen gleichmässigen Widerstand
zu überwinden, welcher die in ihm angesammelte me-
chanische Arbeit, die andernfalls vielleicht auf Zer-
störungen verwandt werden würde, durch Verwendung
■ aaf unschädliche Formveränderungen verbraucht. *) Für
? die Querschnittdimensionen der Stäbe ss gab der fol-
r gende Versuch wenigstens ein ungefähres Anhalten.
[ Auf einen Bleikörper ward ein 22 "" starker Stahldorn
[ aufgesetzt und auf diesen Dom Hess man von einer
Höhe von 2,9" ein Gewicht von 63 ^^ fallen. Der Dorn
ward durch die mechanische Arbeit von 63 . 2,9 = 182,7"^»
15"" tief ins Blei eingetrieben, erfuhr also einen Wi-
'■■ derstand von 12180^».**)
Statt des Bleies würde jedenfalls auch Kupfer als
das weichere der beiden zur Construction der Metall-
bremse dienenden Metalle dienen können. Die Ein-
richtung würde dann etwa so zu treffen sein, dass an
dem Gerüsttheile A und zwar an der inneren Seite
ier Seitenwand desselben, über dem Theile B, ent-
sprechend starke Kupferstreifen befestigt würden, welche
^Urch auf dem Gerüsttheile B sitzende Stahlmesser
^im Herabgleiten des Theiles A aufgeschnitten werden
i^fissten, dabei also dem Herabgleiten ebenfalls einen
*) Bei dem Vortrage ward eine etwas andere Einrichtung
^er Bremse beschrieben. Es ist dieselbe auch ausgeführt worden ;
bd einem damit angestellten Versuche stellten sich jedoch einige
Mängel heraus, die zum Aufgeben derselben und zu der oben
beschriebenen Einrichtung führten.
•*) Hiemach würde der Widerstand des Bleies pro IQ™"
Drockfl&che sich zu 82,1 ^^ berechnen. Aus den Versuchen Clarin-
yars (Civü-Ingenieur 1861, S. 87) ergiebt sich dagegen für Blei
nur ein Verdichtongswiderstand von 11,25— 14,57 ''f^, durchschnitt-
lich 12,45; für Zinn 86,75, für rothglühendes Eisen 27,53 ''(f.
Hartig.
ganz bestimmten und gleichmässigen Widerstand ent-
gegenstellten.
Wie weiter oben schon bemerkt, ist es bei der
Ausrüstung eines Fördergestelles mit der Metallbremse
gleichgültig, mit -welcher Art von Fangvorrichtung das
Gestell versehen ist, wenn dieselbe nur an sich nicht
fehlerhaft ist, also das eigentliche Fangen mit Sicherheit
besorgt. Es würde daher in vielen Fällen die Bremse
auch an schon bestehenden Fördergestellen ohne allzu
gfosse Constructionsänderungen anzubringen sein. —
Der vorstehenden Niederschrift gestattet sich der
Verfasser über die weitere Verfolgung des Gegenstandes
in der inzwischen (bis November 1877) verflossenen
Zeit Folgendes hinzuzufügen:
Mit dem beschriebenen und abgebildeten Gerüst-
kopfe, dessen Haupttheil A mit 110 Centnern = 5500^^
belastet worden war, sind mehrere Versuche in der
Weise angestellt worden, dass man das Wesentliche
der im vorstehend abgedruckten Vortrage geschilderten,
besonders ungünstigen Fälle, die Verzögerung der
Fangwirkung nämlich, absichtlich herbeiführte, indem
man den Gerüstkopf auf eine Höhe von 80—100°" frei
fallen Hess, ehe die Fangvorrichtung ausgelöst wurde.*)
Die ersten Versuche waren nur insofern nicht ganz
zufriedenstellend, als der Widerstand der Bleicy linder
gegen das Eindringen der Stäbe ss sich grösser als
erwartet zeigte. Dieses Eindringen erfolgte nämlich
nur auf einige Centimeter.
Zu dem am 24. Juli d. J. angestellten letzten Ver-
suche, dem der königliche Revierbeamte, Herr Berg-
meister Heucke, und mehrere meiner Herren Collegen
beiwohnten, waren deshalb die Cylinder cc in der Weise
mit Blei ausgegossen worden, dass im Innern noch ein
hohler cylindrischer Raum von 20*^" Weite blieb.
Der Erfolg dieses Versuchs, bei welchem die Fang-
vorrichtung ausgelöst wurde, nachdem der Gerüstkopf
ca. 82*^™ frei gefallen, war folgender:
Der Gerüsttheil B sass an der Leitung fest, nach-
dem er im Ganzen 122^™ gefallen war; der Haupttheil
A war dagegen um 135*^"* gefallen und gesunken, es
waren nämlich die Stäbe ss ca. 13 <^" in die hohlen
Bleicylinder eingedrungen. Die mechanische Arbeit,
*) Es wurden zu diesem Zwecke die Excenter an ihrer
äusseren Seite in etwa IG'''" Entfernung von ihrem Drehpunkte
mit einem hervorragenden Stifte versehen. Zwischen die Stifte
der beiden sich gegenüberstehenden Excenter ward ein starkes
Blech 80 eingeklemmt, dass dieselben der Wirkung der Feder
nicht eher folgen konnten, als bis, nach 80 Centimeter freiem
Falle, das Blech auf einen aussen am Leitungsbaume angebrachten
Holzfrosch aufschlug und dadurch entfernt wurde.
39*
615
Jaden feind-Hülsse, lieber die Spanbildung beim Hobeln der Metalle.
616
welche, wie dieser Erfolg zeigt, nur zum kleineren
Theile auf das Eindrücken der Excenter in die Lei-
tungsbäunie, zum grösseren dagegen auf die Umfor-
mung der Bleicylinder verwandt worden war, betrug
also ungefähr das 27 fache der bei den gewöhnlichen
Fangproben in Wirksamkeit tretenden. Irgend welche
Beschädigungen des Gerüstkopfes waren nicht einge-
treten und die unvermeidliche Beschädigung der Lei-
tungsbäume hatte dieselben nicht unfähig gemacht, das
gefangene Gerüst zu tragen.
Es kann für den ersten Augenblick befremden,
dass auch der Gerüsttheil B^ nachdem die Fangvor-
richtung ausgelöst war, noch den grossen Weg von
ca. 40^" zurücklegte. Diese Erscheinung aber, die auch
bei den vorhergegangenen Versuchen ganz in derselben
Weise eingetreten war, erklärt sich sehr einfach.
Durch den freien Fall auf 80-82«^™ Höhe hat
nämlich das Ganze bereits eine Fallgeschwindigkeit von
4™ pro Secunde, also von 40*^™ pro Zehntelsecunde er-
langt. Da nun die eigentliche Fangwirkung, wie im
vorstehenden Vortrage erwähnt, eine Zeit von ungefähr
0,1 Secunde beansprucht, so vei-fliessen bis zum Ein-
griffe des ersten Excenterzahnes in den Leituugsbaum
immerhin einige Hundeilelsecuuden. Ebenso liegen zwi-
schen dem Eingriffe des ersten und zweiten Zahnes,
des zweiten und dritten Zahnes u. s. w. wieder einige
Hundertelsecunden.
Diesen kleinen Zeiträumen aber entsprechen bei
der grossen Geschwindigkeit, welche die fiallenden Theile
bereits erlangt haben, immerhin noch Fallhöhen von
5 bis 8^™. Da nun die ersten Zahne das Gerüst noch
nicht aufhalten können, so ist es unvermeidlich, dass
dasselbe nach dem Auslösen der Fangvorrichtung noch
auf eine Höhe von ca. 40^" herabfällt, ehe der Eingriff
der Excenter ein so kräftiger geworden, dass ein wei-
teres Fallen verhindert wird.
Um auch die zweite oben nur in Kürze erwähnte
Modification der Vorrichtung, diejenige, bei welcher
Kupfer als das passive der beiden auf einander wirken-
den Metalle angegeben wurde, praktisch erproben zu
können, sind die inzwischen für den 4. Brückenberg-
schacht erforderlich gewordenen Fördergestelle mit der-
selben projectirt worden und bereits in der Ausfuhrung
begriffen, so dass binnen Kurzem Versuche damit an-
gestellt werden können. Aus den Figuren 5 — 7 der
Taf. XXVIII ist die Einrichtung des Gerüstkopfes we-
nigstens in seinen wesentlichen Theilen zu erkennen.
Die eine Führungslasche (an der schmalen Seite
des Gestelles ") ist am unteren Ende mit der verstählten
Schneide s versehen, und selbstverständlich ist dies
auch, nicht in symmetrischer, sondern in congruenter
Form, an der entgegengesetzten Seite des Gestelles der
Fall.
Bei eintretender Fangwirkung wirkt diese dem
Haupttheile A A des Gerüstes angehörende Schneide auf
den prismatischen Metallkörper o, der in der Zeichnung
nur im Grundrisse deutlich zu erkennen ist. Von diesem
durch die Schrauben pp im Haupttheile BB des Ge-
stelles festgeklemmten Körper, den man übrigens der
leichteren Herstellung halber aus einer Legirung von
Kupfer und Zink gestalten wird, soll die Schneide 5,
nachdem der Gerüsttheil BB von den Elxcentem an der
Leitung festgehalten worden, einen Span abhobeln und
durch die dabei zu verrichtende Arbeit die beabsichtigte
Bremswirkung ausüben.
Der Verfasser wird nicht verfehlen, auch über den
Erfolg dieser Versuche das Nöthige zu veröffenüichen.
lieber die Spanbilduug beim Hobeln der Metalle.
Von
Dr. G. U. Judenfeind -Hfilsne in Chemnitz.
Bei der grossen Bedeutung, welche die Arbeit des Foim des Stahles, der zur Bearbeitung dient, der
Hobclns für die gesammte Metallbearbeitung hat, daif Schnittgeschwindigkeit, der Spandicke u. 8. w. auf die
es nicht Wunder nehmen, wenn seit längerer Zeit schon ' Grösse der zur Ablösung einer bestimmten Spamnenge
Versuche angestellt wurden , welche die Einflüsse der | aufzuwendenden mechanischen Arbeit zu bestimmen den
Judenfeind-Httlsse, Ueber die SpanbilduDg beim Hobeln der Metalle.
618
k hatten. Es gehören hierher die Arbeiten von
sei (Bulletin de la societe d'encouragement 18649
35; Polytechnisches Centralblatt 1865, S. 353),
mer (praktischer Maschinenconstructeur 1874,
), Hartig (Versuche über Leistung und Arbeits-
auch der Werkzeugmaschinen. Leipzig, Teubner,
) u. A. Alle diese beschränkten sich auf die Be-
lung des Arbeitsverbrauches, liessen aber die eigen-
liche Structur und Gestalt der durch das Werk-
abgelösteu Späne unbeachtet oder behandelten sie
beiläufig, stellten wenigstens keine eingehenderen
rsuchungen über die Entstehung der mannigfaltigen
en, welche die Späne zeigen, an. Ausgedehnte
iche über die Spanbildung, über die Gestalt der
Hobeln der Metalle entstehenden Späne führte
)ca aus (Bulletin de la societe d'encouragement
, S. 584; Verhandlungen des Vereins zur Beför-
ig des Gewerbfleisses in Preussen 1873, S. 370;
, S. 189; Comptes rendus 1873, p. 1307; Polyt.
•alblatt 1872, S. 156; Dingler's polyt. Journal,
J03, S. 348). Er ist aber nicht der Erste gewesen,
ler in der angedeuteten Kichtung thätig war. Viel-
hat schon 1870 J. Thime, Professor an der
ikadeAüie zu Petersburg, allerdings in russischer
}he, eine Abhandlung über den Widerstand der
lle und des Holzes gegen das Abhobeln veröffent-
In dieser Schrift theilt der VerfiirSser seine Ver-
i über das Hobeln von Stahl, Schmiedeeisen, Guss-
, Bronze u. s. w. mit und stellt eine elementare,
liese Versuche gegründete Theorie des Hobeins auf.
demselben Verfasser liegt uns eine in diesem Jahre
ienene Arbeit: Memoire sur le rabotage des metaux
in welcher er weitere Untersuchungen über die
3ildung beim Bearbeiten der Metalle mit schnei-
en Werkzeugen mittheilt und die von ihm aufge-
3n theoretischen Grundsätze mit den von Tresca
denen vergleicht, resp. die stattfindenden Abwei-
sen erklärt.
Die Resultate der ausgedehnten Untersuchungen
ca's weichen in mehreren Punkten von den
Thime 's Versuchen sich ergebenden ab. Der
d liegt jedenfalls darin, das Tresca seine Ver-
! vorzüglich an Blei ausfühi*te und auch bei den
en Metallen, die er verwendete, nur dünnere Späne
te, welche fast stets zusammenhängende Bänder
n und bei weitem nicht die besondere, sofort ins
fallende Structur stärkerer Späne, selbst von
sprödem Metall, wie Schmiedeeisen, zeigen; und
r darin, dass die theoretischen Gesichtspunkte,
denen aus die beiden Beobachter ihre Versuchs-
te betrachteten, nicht überall übereinstimmen.
Es sind besonders folgende drei Punkte, in denen
beide von einander abweichen:
1) Tresca hat die bekannte Erscheinung, dass
die Länge des Spanes viel kürzer sei, als der vom
Werkzeug durchlaufene Weg, als allgemein gültig hin-
gestellt. Er findet, dass die Länge des Spanes nur Vs
bis '/2 vom Wege des Stahles beträgt. Thime hat
ganz ähnliche Werthe gefunden, jedoch bei weitem nicht
in allen Fällen. Es ereignet sich vielmehr unter be-
sonderen Verhältnissen, dass die Länge des Spanes dem
Wege des Werkzeuges gleich kommt. Dann wird aber
gleichzeitig die Beschaffenheit des Spanes eine völlig
andere, als in dem Falle, wo eine Verkürzung eintritt.
Thime erklärt diese Verkürzung aus einer beim Ab-
nehmen des Spanes eintretenden Versdiiebung der ein-
zelnen Theilchen der bearbeiteten Substanz.
2) Tresca hat bei seinen Untersuchungen immer
nur die äussere Gestalt der Späne betrachtet, der in-
neren Structur derselben aber keine besondere Auf-
merksamkeit geschenkt. Seine Versuche beschränken
sich mit wenig Ausnahmen auf Blei und auch hier hat
er nur Späne von verhältnissmässig geringer Dicke
untersucht. Thime war dagegen bestrebt, möglichst
dicke Späne auch von mehr oder weniger harten Me-
tallen zu erhalten, weil diese eine besonders ausgeprägte
eigenthümliche Beschaffenheit zeigen. Unter den Fi-
guren, welche Tresca 's Abhandlung begleiten, findet
sich eine, einen Schmiedeeisenspan darstellende. Dieser
Span zeigt die eben erwähnte eigenthümliche Structur,
doch ist diese nicht so regelmässig, wie Thime sie
vielfach beobachtete und die Erscheinung selbst ist
unbeobachtet geblieben. Bei Grelegenheit der Anfüh-
rung der Versuche über das Hobeln von Zink macht
Tresca auf die Zusammensetzung des Spanes aus ein-
zelnen prismatischen Elementen aufmerksam, allerdings
ohne weiter auf eine Erklärung der Bildung solcher
Elemente einzugehen. (Siehe Fig. 25 und 26, Taf. IX;
Verhandlungen des Vereins zur Beförderung des Ge-
werbfleisses 1873). Die im Uebrigen so werthvoUe Arbeit
Tresca 's ist für die Zwecke der Untersuchung der
inneren Structur der Späne nicht geeignet. Sie giebt
uns Aufschluss über eine Menge Dinge, die mit der
Spanbildung im Zusanmienhange stehen; über die in-
nere Stinictur der Späne und die Gründe für deren
Eigenthümlichkeiten giebt sie uns keine Auskunft.
3) Die Theorie des Hobeins. Wenn das Werkzeug
den Angriff auf das Arbeitsstück beginnt, tritt zu-
nächst eine Compression der Substanz des letzteren ein.
Tresca nimmt nun an, dass diese Compression sich
bis auf eine gewisse Entfernung von der Angriffsstelle
des Werkzeuges fortpflanze. Den innerhalb dieser Ent-
619
Juden feind-Hülsse, Ueber die Spanbildung beim Hobeln der Metalle.
620
fernung gelegenen Raum nennt er Wirkungszone. In-
nerhalb dieser Wirkungszone pflanzt sich die Compres-
sion durch die ganze Dicke e des abzulösenden Spanes
gleichmässig fort. Dies würde nach Thime richtig
sein, wenn man an der unteren Seite der abzunehmen-
den Schicht einen Einschnitt in das Arbeitsstück ge-
macht hätte.
Die beim Hobeln verrichtete mechanische Arbeit
ist nach Tresca so zu berechnen:
Da das Abscheeren nach seiner Voraussetzung jedes
Mal innerhalb der Grenzen der Wirkungszone erfolgt,
so würde die abgeschecrte Fläche bx sein, wenn x
die Grösse der Wirkungszone, 6 die Breite der abge-
lösten Schicht ist. Bedeutet dann R den Coefficienten
der Scheerfestigkeit, so ist die zur Aufhebung des Zu-
sammenhanges der Körpertheilchen nöthige Kraft bxR.
Wäre dann L der vom Werkzeug zurückgelegte Arbeits-
weg, so hätte man in bxRL die zur Abtrennung des
Spanes nöthige mechanische Arbeit.
Dem entgegen steht Thime 's Behauptung, dass
die, allerdings stattfindende, Abscheerung nicht in der
Fläche bXf sondern in ganz anderen Flächen erfolgt.
Bestätigt wird dies durch die von ihm angestellten
Versuche, wozu noch kommt, dass die abgehobelten
Flächen durchaus nicht den Anblick gewäliren, wie
Flächen, an denen eine Abscheerung erfolgte. Wir
dürfen daher gegen die Ricktigkeit von Tresca 's Aus-
druck bxRL wohl Zweifel erheben.
Setzt man voraus, es sei entlang der zu bearbei-
tenden Fläche des Arbeitsstückes ein Einschnitt her-
gestellt worden (siehe Fig. 1), so wird, ehe ein Auf-
steigen des Spanes erfolgt, eine Compression des Me-
talles eintreten. Diese
pflanzt sich durch die
ganze Dicke des beein-
flussten Prismas auf eine
gewisse Strecke x fort.
Erst wenn diese Compres-
sion einen gewissen Grad
erreicht hat, wird der Span sich aufbiegen und an dem
Werkzeug in die Höhe steigend abfliessen (siehe Hoyer,
Lehrbuch der mechani-
schen Technologie, S. 209).
Anders gestalten sich die
Verhältnisse , wenn der
hier vorausgesetzte Ein-
schnitt nicht gemacht ist.
Thime stellt die hier
eintretende Erscheinung
Fig. 2. , ^
® so dar:
Die oberste Schicht des Arbeitsstückes wird sich
Fig. 1.
in ziemlich denselben Verhältnissen befinden, wie die
vor dem Werkzeug befindlichen Materialtheilchen in
Fig. 1. Es wird also unter dem Drucke des Werk-
zeuges hier eine Compression eintreten, die sich auf
eine Strecke nahe gleich x^ etwa bis e (siehe Fig. 2)
fortpflanzt. Die Theilchen an der Fläche mn werdei^
eine solche Compression nicht erfahren können, ohne so^
gleich durch die Schneide abgescheert zu werden; es wird
also ^ = gesetzt werden können. Die zwischen m %
und der Oberfläche des Arbeitsstückes gelegenen Schichten
werden nun unter Bedingungen von dem Werkzeuge
beeinflusst, die zwischen den beiden angegebenen liegen.
Daher kann sich die Compression nur innerhalb eines
gewissen Winkels ß geltend machen. Die Grösse dieses
Winkels ß ist mit dem Schncidwinkel a des Werk-
zeuges und der Spandicke veränderlich. Die Abschee-
iiing erfolgt nun in Richtung von uVy so dass man ß
den „Abscheerungswinkel'' (angle de cisaillement) oder
entsprechend Tresca 's Wirkungszone den „Wirkungs-
winkel" (angle d'activite) nennen könnte.
Zur Bestätigung des hier Vorgetragenen stellte
Thime folgenden Versuch mit einem Bleiprisma an:
Die eine Seite der abzunehmenden Schicht wurde
polirt und versilbert, in halber Höhe derselben eine
gerade Linie gezogen und auf dieser eine Theilung mit
6,25"" als Einheit aufgetragen. Wurde nun das Werk-
zeug in langsame Bewegimg versetzt, so erkannte man
deutlich, wie die glatte spiegelnde Fläche inuner nur
auf eine bestimmte Entfernung hin rissig und rauh
wurde. Die Trennungsebene zwischen dem unverändert
gebliebenen und dem comprimirten resp. abgelösten
Theile war deutlich sichtbar und schloss einen gewissen
Winkel mit der Vorderseite des Stahles ein. Man
konnte mittelst der aufgetragenen Theilung leicht beob-
achten, wie die Compression stets innerhalb einer ge-
wissen Grenze blieb; denn eine Messung der Abstände
der Theilpunkte vor der Stelle, wo die Trennungsfläche
des comprimirten und des in seinem ursprünglichen
Zustande gebliebenen Materiales sich befand, zeigte,
dass dieselben unverändert geblieben waren. Die Er-
scheinung tritt um so deutlicher hervor, je dicker der
Span ist.
Von der Richtigkeit der hier mitgetheilten Beob-
achtung kann man sich auch sonst leicht überzeugen.
Schneidet man, wie Thime angiebt, von einem Stack,
Stearin, Wachs oder Seife mit einem Messer Späne ab,
so zeigt sich alles das, was er am Blei und anderen
Metallen beobachtete, auch an diesen Stoffen.
Ueber die Grösse des Winkels ß und ihren Zn-
sanunenhang mit der Grösse des Schneidewinkels o giebt
folgende Zusammenstellung von Messungsresoltaten Auf-
621
Jadenfeind-Httlsse, Ueber die Spanbildang beim Hobeln der Metalle.
622
90>.
62«>.
1520.
90^.
600.
150".
schluss. Die Dicke des Spanes äussert keinen bedeu-
tenden Einfluss auf die Grosso von ß.
1) Blei. Spandicke 6,25"™ bis 12,5°»«».
a= 450 550 65« 750
/?=100o 90O 800 700
a + /S = 145o 145" 145o 145o
2) Zink. Spandicke 6,25"" bis 12,5"»".
er = 450 550 650 750
/?=100" 850 85« 750
a + /?=145o 1400 150O 1500
3) Gussstahl, Schmiedeeisen, Bronze, Gusseisen zu
Maschinentheilen. Spandicke 1,562"™ bis 6,25"".
a= 450 550 650 750 900
/:^=100o 900 850 750 65« Mittelwerthe.
a + /!? = 145o 1450 150O 150O 155«.
Bemerkenswerth ist die geringe Veränderlichkeit
der Summe a + /^. Der Werth von a + /? variirt zwi-
schen 140® bis 152® ohne Unterschied des verwendeten
Metalles.
Die Bildung des Spanes erfolgt nun nach Thime's
Beobachtungen in der Weise, dass das schneidende
Werkzeug auf eine ge-
wisse Tiefe eindringt bis
ein Abscheeren des Me-
talles in der Richtung uss
eintritt. Ist b die Breite
des Spanes, l die in Rich-
tung von zu zu messende
-TT
e
Fig 3.
Dicke desselben, so er-
folgt die Trennung in der
Fläche blf welche mit der Vorderseite des Stahles den
Winkel ß einschliesst. So bildet sich ein erstes Ele-
ment des Spanes. Beim weiteren Vorrücken des Stahles
gleitet dieses Element an demselben in die Höhe und
es erfolgt die Bildung eines zweiten Elementes u. s. f.
(siehe Fig. 4).
/ N
T
I
-*: ^
Fig. 4.
Der Span erhält durch diese Entstehungsweise ge-
-wissermassen das Aussehen einer gekrümmten Säge,
deren Zähne sich auf der concaven Seite befinden, wäh-
rend die convexe Seite glatt ist (siehe Fig. 5).
Die einzelnen Elemente des Spanes treten um so
deulicher hervor , je dicker der Span und je grösser a
ist. Wird a sehr gross, so zerfällt der Span in ein-
zelne prismatische Elemente. Dünne Späne zeigen
diese Zusammensetzung aus einzelnen Elementen weniger
deutlich, da sie einen festen Zusammenhang besitzen.
Man erkennt aber das
Vorhandensein dieser i^-^H
Elemente an dem oft
sammetartigeu Aus-
sehen der inneren Seite
solcher Späne und da-
ran, dass dieselben be-
kanntlich sehr leicht
*
quer abbrechen, was
bei einem Metallstrei-
fen von gleichen Di-
mensionen nicht der
Fall ist. Die Tren-
Fig. 6.
nungsflächen bl sind von mattglänzender Farbe und
sehr dicht, zeigen also die charakteristischen Eigen-
schaften von Abscheerungsflächen. Solche Späne nennt
Thime „Abscheerungsspäne" (copeaux de cisaillement).
Sie haben das besonders charakteristische Kennzeichen,
dass ihre Länge kleiner ist, als der vom Werkzeug
diirchlaufene Weg. Ist letzterer L, erstere L^, so er-
giebt sich ein Reductionscoefficient K=
L'
der bei
feinen Spänen allerdings nahe gleich 1 werden kann.
Mittlere, von Thime gefundene Werthe sind:
Schmiedeeisen
Stahl, weich
Bronze
idwinkel a.
^- L'
45«
0,59—0,65
750
0,45 — 0,48
450
0,65
75»
0,46
45«
0,70
75«
0,58-— 0,56
45«
0,60
90"
0,45.
Blei (6 = 6,25—12,50™«')
Eine Berechnung dieses Reductionscoefficienten
kann in folgender Weise ausgeführt werden (siehe Fig. 4
und 5):
jr=A
n.et
n.&
worin n die Anzahl der den Span zusammensetzenden
Elemente; ferner
A — ?i^ — *<>»(180^ — «— /^)
Cq sinß 8tnß
Für die Grenzwerthe von a==45® und a = 75^
und a + ß=: 145« bis a + ß = 150« erhält man K =
ca. 0,60 und 0,5i.
Aus der Uebereinstimmung dieser Werthe mit den
direct durch Messung gefundenen schliesst Thime,
623
Jndenfeind-Hülsse, lieber die Spanbildung beim Hobeln der Metalle.
624
dass die Verkürzung des Spanes auf der Verschiebung
der Elemente beim Aufheben des Spanes beruht, wäh-
rend die Compression des Metalles durch eine geringe
Verbreiterung des Spanes und ein Emportreiben des
Metalles in der Spanmitte sich zu erkennen giebt.
Da nun femer sinßi = j- (siehe Figur 4) und
e, = , wo u als Vio bis 2 in den meisten Fällen,
also als nahe constant sich ergeben hat, so folgt 6j =
— ; — — , d. h. die Dicke e, der Elemente des Spanes
steht in einem gewissen Verhältniss zu der Dicke e der
abgenommenen Schicht oder zu der Dicke l des Spanes.
Vergleichen wir die bisher angeführten Thatsachen
mit den von Tresca beobachteten, so können wir con-
statiren, dass Tresca mancherlei anführt, was Thime's
Beobachtungen entspricht und dazu dienen kann, die
Richtigkeit derselben noch weiter zu bestätigen. Hat
Tresca auch dem Auftreten einzelner prismatischer
Elemente im Spane keine besondere Aufmerksamkeit
geschenkt, so führt er doch Thatsachen au, welche zur
Bestätigung von Thime's Sätzen und Beobaohtungen
beitragen.
Am angegebenen Orte sagt Tresca: Der Coefficient
der Längsverkürzung hängt von der Schärfe des Werk-
zeuges ab, von der Leichtigkeit, mit welcher es den
Span loslöst, besonders aber von der Dicke des los-
gelösten Spanes, also ebenso wie Thime. Der Coef-
ficient der Verkürzung ist bei dünnen Spänen kleiner.
Ferner: Die Trennungsfläche zwischen dem Span und
dem Blocke ist stets glatt und eine genaue Nachbil-
dung der wirksamen Fläche des Werkzeugs. Die ent-
gegengesetzte Fläche ist stets quer gestreift und zeigt
eine Folge von parallelen Wellen, mit um so grösserer
Ausbauchung, je dicker der Span ist. Diese Wellen
erstrecken sich bis gegen die Ränder, wo man die
Spuren eines Abfliessens nach der Breite bemerkt,
welche sich in sehr geringer Entfernung vom Rande
verlieren. Bei dünnen Spänen sind die Streifen viel
feiner und geben der ganzen Metallfläche ein sammet-
artiges Aussehen.
Man erkennt hier leicht die Uebereinstimmung,
welche zwischen beiden Beobachtungen herrscht. Die
parallelen Wellen sind nichts anderes als die Spuren
der prismatischen Elemente, die ja auch parallel der
Breite des Spanes gelagert sind. Hätte Tresca nicht
vorzüglich nur mit Blei gearbeitet, so würde ihm das
Entstehen solcher Elemente sicher mehr aufgefallen
sein. Das Aussehen der inneren Fläche dünner Späne
beschreibt Tresca genau so wie Thime.
Ein uns vorliegender Gusseisenspan von 80""
Breite und ca. 0,5™"* Dicke zeigt genau diese eigen-
thümliche Beschafifenheit Die innere Fläche ist mit
zahllosen feinen Blättchen besetzt, zwischen denen sich
parallele Trennungslinien deutlich abheben. Diese
Blättchen lassen sich nach diesen Trennungslinien leicht
abbrechen und ertheilen der Oberfläche des Spanes
ein „sammetartiges'' Aussehen. Eine gleiche Beschaffen-
heit zeigt ein dünner Stahlspan von 11™»» Breite.
Das von Thime als Folge einer Compression er-
klärte Breitei-werden des Spanes constatirt Tresca
gleichfalls. Er sagt: Wenn die Dicke im Verhältniss
zur Breite gross wird, so tritt eine Ausdehnung in
beiden Richtungen auf und der Span nimmt eine ganz
eigenthümliche Gestalt an, dreieckig im Querschnitt
Auch diese Erscheinung können wir an einigen uns
vorliegenden Stahlspänen deutlich bemerken.
Neben dieser Uebereinstimmung in vielen Punkten
bleibt freilich die schon oben angeführte Abweichung
zwischen beiden Entwickelungen, der von Tresca und
von Thime, bestehen. Wir können uns aber den
Thime 'sehen Ausführungen um so mehr ansclüiessen,
als sie auf besondei^s zweckmässig angeordnete und
umsichtig durchgeführte Experimente gegründet sind,
von denen noch weiter unten die Rede sein wird.
In einem folgenden Abschnitt bespricht nun Thime
die beim Bearbeiten mehr oder weniger spröder Metalle
sich bildenden Späne. Besonders, wenn der Winkel a
klein ist, bemerkt man beim Hobeln von spröden Me-
tallen (Bronze, Gusseisen, Zink) folgende, von der früher
beschriebeneu völlig abweichende, Erscheinung:
Beim Angreifen des Stahles treten zunächst wieder
die oben angegebenen Verhältnisse auf, indem der Winkel
ß sich deutlich markirt. Dann aber erfolgt plötzlicb
ein Abbrechen eines grösseren Elementes. Mitunter
hängen diese Elemente miteinander zusammen, so dass
ein Span („Bioichspan", copeau de rupture) entsteht
der sich aber von den Abscheei-ungsspänen dadurdi
unterscheidet, dass die glatte Seite des Spanes auf seiner
concaven Fläche sich findet, die rauhe dagegen auf der
convexen. Die Länge der Bruchspäne ist, da man
Elemente ablöst, deren Länge sich nicht wesentlich
ändert, von dem vom Werkzeuge durchlaufenen Wege
nicht venschieden, daher der Reductionscoefficient JK'=1.
Mau kann also die sämmtlichen Späne ihrer Ent-
stehung nach eintheilen in Späne, welche durch ein
fortgesetztes Abscheeren gebildet werden und in Späne,
welche durch ein foi'tgesetztes Abbrechen entstehen.
Die Frage nach der Grösse der zum Ablösen eines
Spanes nothwendigen Kraft beantwortet Thime fol-
gendermassen :
625
Jadonfeind-Hülsse, lieber die Spanbilduug beim Hobeln der Metalle.
626
Es sei JP der vom Werkzeug ausgeübte Druck.
Vernachlässigt werde die Reibung zwischen Werk-
zengsohneide und Arbeitsstück.
P sei die zur Abscheerung nöthige Kraft.
Dann ist (siehe Fig. 6)
F.x = P.y, F = P.^ =P.---.
X 8tnß
Bezeichnet h die Breite
des abgenommenen Spanes,
l die Dicke
P den Coefficienten der Scheerfestigkeit, so ist
e
Kach Früherem ist aber j =sinß^^ 1 = —^---^
worin e die Dicke der abgenommenen Schicht und
ß^:=lSO^ — (a + ß). Daher ergiebt sich:
F = -.^^r
*w ß^ . stn ß
,b,e. R.
F ist der Druck, den der Stahl ausüben muss, um
das Abscheeren des Spanelementes zu bewirken. Beim
ersten Angriff des Stahles erfolgt aber, wie oben gezeigt
wurde, kein Abscheeren, sondern nur eine Comprcssion.
Es wird daher der Dmck F nicht von Anfang an thätig
sein, sondern ein allmäliges Anwachsen von bis F
einti'eten müssen. Wir möchten daher an Stelle des
berechneten F, welches constant wirksam ist, eine von
bis F wachsende Kraft einsetzen, so dass als Mittel-
wcrth, der dann als von Anfang bis Ende thätig zu
denken wäre, ^- F angenommen werden müsste.
Um die Grösse des zum Ablösen eines Spanes noth-
wendigen Druckes und
P
den Einfluss der Grösse
des Angriffswinkels a
auf denselben zu be-
stimmen, stellte T h i m e
besondere Messungen
an. Mit der Riemen-
scheibe der bei den Ver-
suchen benutzten
grossen Hobelmaschine
wurde ein Hebel verbunden. Dieser wurde so lange
durch Gewichte belastet, bis das Ablösen eines Spanes
erfolgte, und aus der Grösse der angehängten Gewichte
der gesuchte Druck ermittelt, der zunächst natürlich
die innei*en Widerstände der Hobelmaschine mit ent-
hält. Diese Widerstände bestimmt Thime zu 0,4 der
angewendeten Belastung, so dass die zuerst sich er-
gebenden Zahlen mit 0,6 zu multipliciren sind, um den
Druck an der Werkzeugschneide zu finden. Die von
Thime gefundenen Zahlen sind, ausgedrückt in Kilo-
grammen pro IQ""* Spanquerschnitt und mit Berück-
sichtigung des Coefficienten 0,6 folgende:
Fig. 6.
AngrifiPswinkcl
Mittlerer Druck D an der Werkzeugschneide.
a des Stahles.
Gussstahl.
Scliraiedeisen.
Gusseisen.
Bronze weich.
Bronze hart.
45^
55"
65"
75"
90"
131,8:j
152,40
182,88
■ ■ ■
68,58 1
77,72
99,06 ;
106,68
135,64
33,53
48,77
51.82
64.(»n
68,58
36,58
48,77
59,44
62,48
83,82
30,48
35,05
48,77
53,34
60,96
Kennt man diesen Druck 7), die Quersöinittsdi-
raensionen h und e des Spanes (in Millimetern) und
weiss , dass die Schnittgeschwindigkeit v "• pro Secunde
beträgt, so ergiebt sich die beim Ablösen des Sjmnes
geleistete Arbeit zu
D.h.e,-— Pferdestärken .
75
Ist G^^ das pro 1 Stunde abgelöste Spangewicht,
so braucht man, um P« Späne pro Stunde abzulösen:
fj = />.Ä. e.
V
75
G
Pferdestärken.
Diesen Werth nennt H artig (Leistung und Arbeits-
verbrauch der Werkzeugmaschinen) den specifischen
CirlllngsnUar XXIII.
Arbeitsweilh. Es liegt nahe, eine Vergleichung zwi-
schen diesem, mit Hilfe von Thime 's Zahlen (Z>) be-
rechneten Werthe e^ und den von H artig gefundenen
Werthen anzustellen. Bei Bearbeitung von Gusseisen
ergab sich nach H artig 's Beobachtungen in einem
Falle (a. a. 0. S. 90)
17=: 0,0551™, i = 0,73™", <»=r2,70»»", 6^=1,28^»,
« = 85^ « = 0,0953.
Daraus berechnet sich mit 7) = 68,58^^:
fj=p,(»87; Differenz 0,oo8 Pferdestärken.
Für die Werthe t;=0,06i2"; b =0,53»'"; e = 0,44'
G = 0,155^«; a = 65^ ergiebt sich mit D = 64,oo^»:
f,=0,77;
40
iiniii •
627
Jadenfeind-Uttlsse, Ueber die Spanbildong beim Hobeln der MetAlle.
628
von H artig beobachtet
£ = 0,0968; Diflferenz 0,oi8 Pferdestärken.
In einem dritten Falle ergiebt sich e^ = 0,06ö,
während « = 0,0716 beobachtet wurde; Differenz 0,0066
Pferdestärken.
Bei Bearbeitung von Schmiedeeisen wurde beob-
achtet:
t; = 0,074"'; J = l,2"™; ^=3,1""; (?=6,37^»;
«=70^ f = 0,068 (a. a. 0. S. 92).
Mit D= 135,64^8 giebt die Rechnung ei=0,078,
also Differenz 0,oi Pferdestärken.
Für i; = 0,096 "> ; &=l,i5™'»; e=l,o"'°; G = 2,83**;
a = 70^* ergab sich e zu 0,086, während «, = 0,070 wird,
daher Differenz 0,oi6 Pferdestärken.
Die sich ergebenden Differenzen sind nicht zu gross,
wenn man bedenkt, dass Thime zur Bestimmung von
D kein Transmissions -Dynamometer benutzte und die
inneren Widerstände seiner Maschine nur schätzungs-
weise bestimmte, und wenn man ferner berücksichtigt,
dass die von beiden Beobachtern verwendeten Materia-
lien von sehr verschiedener Beschaffenheit gewesen sein
können. Die Thime 'sehen Werthe dürften daher für
eine näherungsweise Bestimmung des Axbeitsverbrauches
beim Hobeln von Metallen recht gut zu verwenden sein.
Es sei uns gestattet, noch einige Worte über die
von Thime beobachteten Spanformen anzuführen. Seine
Abhandlung enthält eine grössere Anzahl von Spänen
in natürlicher Grösse abgebildet, die, schön ausgeführt,
die beobachteten Erscheinungen deutlich erkennen lassen.
Es mag genügen, hier auf die Hauptpunkte hinzuweisen.
1) Schmiedeisen. Ist der Angriffswinkel des Stahles
35 — 45", so erhält man Späne von festem Zusammen-
hang, die auf der inneren concaven Seite feine Linien,
normal zur Länge des Spanes, zeigen und leicht ab-
brechen. Die Bruchfiäche ist von mattem Silberglanze
und zeigt, dass das Abbrechen nach zwar unsichtbaren,
aber doch vorhandenen Abscheerungsflächen erfolgt. Ist
der Angriffswinkel a = 55®, so bemerkt man bei feinen
Spänen keinen grossen Unterschied mit den vorher-
gehenden. Dicke Späne zeigen deutlich die Zusammen-
setzung aus einzelnen Elementen, welche, wenn a =
65^ — 90" wird, sowohl bei feinen, als auch bei starken
Spänen stark hervortritt. Je grösser man a nimmt,
desto mehr nähert sich die Querschnittsform der ein-
zelnen Elemente einem Dreieck, welches, wenn a = 90",
die Querschnittsform bildet.
2) Gussstahl. Bei den feinsten, wie bei den stärk-
sten Spänen lässt sich, wenn o = 45" bis 90" ist, die
gegliederte Structur deutlich erkennen. Die einzelnen
Elemente zeigen grosse Regelmässigkeit der Gestalt.
3) Weiche Bronze. Bei einem Angriffswinkel a =
35 bis 45" sind die Späne fest zusammenhängend, ähn^.
lieh wie bei Schmiedeisen. Wird a grösser, so zeigei:^
sich wieder deutlich prismatische Elemente, deren Quer^ —
schnitt viereckig ist, aber, wenn^a grösser als 65^ is%^
dreieckig wird.
4) Harte Bronze. Besitzt die abgenommene
Schicht mittlere oder grosse Dicke, so erhält man bei
a = 35 — 55" an Stelle zusammenhängender Späne ein-
zelne Elemente, die eines nach dem anderen abge-
brochen werden. Sind die Späne fein und ist a klein,
so entstehen vollständige Späne (Bruchspäne), die keine
Reduction der Länge zeigen. Bei dicken Spänen und
a:= 55" — 65^ erhält man ausschliesslich einzelne Bruch-
elemente, bei feinen Spänen jedoch auch gleichzeitig
Abscheerungselemente, eine Folge jedenfalls von Ver-
schiedenheiten in der Beschaffenheit des Metalles. Bei
a = 75 bis 90" erfolgt ein vollständiges Abscheeren, so
dass man fast ausschliesslich Elemente mit dreieckigem
Querschnitt erhält und nur selten ein Bruchelement
auftritt. Aus dieser Bildung der Späne erklärt sich
die rauhe Beschaffenheit der mit Stählen von kleinem
Angriffswinkel bearbeiteten Oberfläche von Bronze- und
Gusseisenstücken, die erst glatt werden, wenn der
Stahl einen grossen Angriffswinkel hat.
5) Gusseisen verhält sich gewöhnlich wie ^die harte
Bronze. Je weicher das Metall ist, desto günstiger
sind die Bedingungen für das Entstehen von Abschee-
rungsspänen. Die einzelnen Spanelemente sind oft
deutlich unterschieden, ihre Gestalt ist jedoch nicht
immer so regelmässig, wie bei anderen Metallen.
6) Zink liefert bei a = 35" und geringer Spandicke
compacte Späne, deren Oberflächen von gleichförmiger
Beschaffenheit sind. Bei grosser Spandicke treten wie-
der die getrennt von einander sich ablösenden Bruch-
Elemente auf. Ist a = 45 bis 55 ^ so treten beim Ab-
nehmen fUcker Späne Bruch-Elemente auf; dünne Späne
zeigen compacte Beschaffenheit, mit glatter concaver
Oberfläche, ohne zahnartige Erhöhungen. Bei a=55^
und geringer Spandicke bemerkt man mitunter Ab-
scheerungsspäne, die bei a = 65 bis 90^ mit deutlich
markirter Structur auftreten. Bei a = 90® sind die
einzelnen Spanelemente dreiseitigen Prismen ähnlich.
7) Blei zeigt zufolge seiner grossen Weichheit stets
compacte Späne, gleichgiltig, wie gross die Spandicke
sei. Diese Späne sind nur wenig instructiv.
Es fragt sich, ob beim Zerschneiden von Metall-
stücken mittelst Scheereo analoge Erscheinungen, wie
sie vorstehend beschrieben wurden, auftreten« Thime
führt über diesen Gegenstand Folgendes an:
529
Nagel, Zur Literatur der Geodäsie.
630
Unterwirft^^an eine Staiige aus Schmiedeisen oder
Umlich beschaffenem Material der Einwirkung einer
ksheere, so entstehen auf der Oberfläche der Stange
Eindrückey deren Tiefe und Breite von dem Drucke der
ächeere abhängt. Je «grösser dieser Druck wird, desto
;rÖ68er sind auch die hervorgebrachten Eindrücke, bis
schliesslich das Ablösen eines Stückes der Stange er-
folgt, und zwar nach einer
Fläche &.Z, wenn b die Breite,
l die Dicke der Stange. Bei
Schmiedeisen ist die Tren-
nungsfläche von dichter Be-
schaffenheit und matt silber-
glänzender Farbe. Das Ver-
hältniss y = -
<S3-
ff
hat sich zu
Fig. 7.
1,6 — 2 ergeben. Je näher
die Scheeren am Ende der
Stange arbeiten, desto mehr ändert sich die Beschaffen-
heit des abgelösten Theiles. Bei einer gewissen Stel-
limg wird ein einziges zusammenhängendes Stück ab-
g^arennt. Dies tritt ein, wenn der Abstand der Scheeren
vom Ende der Stange gleich ei= ist. Greifen die
Scheeren noch weiter vom an, so lösen sich mehrere
prismatische Elemente ab, bis endlich bei geringer
Länge das abgeschnittene Stück die Beschaffenheit
eines wirklichen Abscheerungsspanes annimmt. Die
Abbildung eines solchen Spanes lässt deutlich die Eigen-
schaften derartiger Späne erkennen.
Thime zieht hieraus den Schluss, „dass die Wir-
kungsweise der Scheeren ganz gleich der aller anderen
schneidenden Werkzeuge im Allgemeinen ist und dass
das Zerschneiden von Stangen in zwei Theile ganz mit
dem Abscheeren der einzelnen Elemente beim Ablösen
von Spänen übereinstimmt."
Für dünnere Stäbe, sowie für das Abschneiden
kurzer Stücke von dicken Stäben mittelst Scheeren mag
das Angeführte richtig sein. Beim Zerschneiden dicker
Stäbe treten aber andere Erscheinungen auf, welche die
Lösung des Zusammenhanges nicht als ein Abscheeren,
vielmehr als ein Abquetschen unter gleichzeitiger Zer-
trümmung des abgeschnittenen Theiles aufzufassen ge-
statten. Hartig (a. a. 0. S. 53) giebt z. B. an, dass
beim Zerschneiden eines Flacheisenstabes von 128""
Breite und 55"" Dicke, ebenso wie beim Zerschneiden
eines Rundeisenstabes von 83"" Dicke das abgeschnit-
tene Stück sich in mehrere Theile parallel der Stab-
achse trennte. Der Rundeisenstab hatte dabei gleich-
zeitig eine Breitquetschung um 19,3 Proc., der Flach-
eisenstab eine Zusammendrückung um ca. 16 Proc.
erlitten. Auch der zuerst von Reiche*) genauer be-
schriebenen und erklärten Erscheinungen beim Lochen
der Metallplatten ist hierbei zu gedenken.
'^) CivUlngenieur 1864, S. 285.
Zur Literatur der Geodäsie.
Von
Prof. A. Nagel in Dresden.
IV. XJr sprang des Repsold -Bertram 'sehen Heliotropen.
Zuerst erwähnt und beziehentlich beschrieben in den Specialwerken:
1) Beisel und Baeyer, Gradmessung in Ostpreussen. Berlin 1838. S. 65.
))Hoffinann und Salzenberg, Trigonometrisches Nivellement der Oder. Berlin 1841. S. 11. 12.
)) Baejer, Kttstenvermessong u. s. w. Berlin 1849. S. 52. 53.
Bei Gelegenheit der Besprechung der „Elemente
der Vermessungskunde von Dr. C. M. v. Bauerufeind"
ff ^^
Jß gegenwärtiger Zeitschrift hat Referent (S. 270) über
den g^enwärtig bei grossem trigonometrischen Arbeiten
bst allgemein benutzten einfachen Heliotropen mitge-
tbeilt, dass die ursprüngliche Idee dieses häufig unter
dem Namen «yBertram'scher Heliotrop^' aufge-
fShrten werthyollen Instrumentes von Repsold in Ham-
burg ausgegangen sei.
Diese Mittheilung ist vielleicht die Veranlassung
zu einer Bemerkung des Herrn Prof. Dr. Helm er t in
Aachen gewesen, welche derselbe gelegentlich eines
Vortrages in der diesjährigen Hauptversanmilung des
deutschen Geometer- Vereins in Frankfurt a. M. über den
einfachen Heliotropen vom Ingenieur-Geographen Ber-
tramgemacht hat. Diese Bemerkung befindet sich unter
dem Texte auf S. 609 im laufenden Jahrgange der „Zeit-
schrift für Vermessungswesen" in folgendem Wortlaute:
40 •
631
Nagel, Zur Literatur der Geodäsie.
,,Man hat neuerdings die Construction des
erwähnten einfachen Heliotrops auf einen andern
Urheber zurückfuhren wollen. Ich meine aber,
dass man sich doch an dasjenige halten muss,
was Bessel geschrieben hat, und er nennt
ausdrücklich Bertram, wie man im 3. Bande
seiner von Engelmann herausgegebenen Werke,
S. 88, lesen kann."
Herr Helme rt scheint daher von der Voraus-
setzung ausgegangen zu sein, dass der von Bessel nur
kurz erwähnte Heliotrop mit dem später von Baeyer
in seiner „Küsten Vermessung" näher beschriebenen und
bildlich dargestellten identisch sei, was wohl aber nicht
80 ohne Weiteres angenommen werden konnte, da
darüber in der „Küstenvermessung" nichts gesagt ist.
Da Referent a. a. 0. geschrieben hatte, dass Rep-
sold in Hambui'g die „ursprüngliche Idee" zu
diesem einfachen Heliotrop gegeben habe, Bessel aber
in der „Gradmessung in Ostpreussen" S. 65 (BesseTs
Werke, 3. Bd., S. 88) nur die „sehr leicht aus-
führbare Construction, welche von Herrn In-
genieur-Geographen Bertram herrührt," ohne
weitere Mittheilung darüber erwähnt, so glaubte Refe-
rent, dass beides selbst für den Fall recht wohl neben
einander bestehen könne, wenn beide in der „Grad-
messung" und in der „Küsten Vermessung" erwähnten
Heliotropen identisch sein sollten. Um darüber Ge-
wissheit zu erlangen, trug er dem Herrn Generallieute-
nant Dr. Baeyer schriftlich die Bitte vor, ihm gefäl-
ligst eine Mittheilung über den Ursprung dieses ein-
fachen Heliotropen zukommen zu lassen und zugleich
die Genehmigung zu der Veröffentlichung dieser Mit-
theilung ertheilen zu woUeu.
Se. Excellenz Dr. Baeyer schreibt nun unter dem
26. October 1877 mit der liebenswürdigsten Zuvorkom-
menheit Folgendes:
„Was den Bcrtram'schen Heliotropen an-
betrifft, so hat es damit folgende Bewandtniss.
Als ich im Jahre 1825 eine Reise nach Bremen
und Hamburg machte, besuchte ich in Hamburg
den alten Repsold, den Grossvater des jetzigen,
und klagte ihm meine Noth darüber, dass die
Spiegel am Gauss 'sehen Heliotropen sich fast
nach jedem Transport derangirten, und dass
die Leute, welche ich zum Heliotropiren be-
nutzen müsste, sie nicht zu conigiren verstän-
den, so dass ich bei jedem Stationswechsel
einen Gehilfen dazu abschicken müsse. —
Hierauf erwiderte er in seiner einfachen Ma-
nier: Mein Gott! nehmen Sie doch ein Brett-
chen und stellen an dem einen Ende einen
Spiegel auf, der um eine vorticale und um
eine horizontale Achse drehbar ist, so dass er
in jede Ebene gebracht werden kann. In der
Mitte des Spiegels machen Sie ein kleines Loch
und stellen am anderen Ende des Brettchens
ein Fadenkreuz auf. Richten Sie nun durdi
das Loch im Spiegel das Fadenkreuz auf ein
Object, und drehen den Spiegel so, dass der
Schatten von dem Loch im Spiegel auf das
Fadenkreuz fällt, so hat das Object Licht.
Mit dieser Idee kam ich nach Berlin zurück
und nun wurden verschiedene Constructionen
dieses einfacheren Instruments versucht, unter
denen die von Bertram die zweckmässigste
war. Sein Heliotrop, dessen Bessel in der
„Gradmessung'' erwähnt, hatte ein kleines Fern-
rohr zum Richten, eine Vorrichtung zum Tele-
graphiren und eine Einrichtung zum Dämpfen
des Lichtes durch farbige Gläser.
Die Construction der Heliotropen, die bei
der Gradmessung gebraucht wurden, war von
Bertram; die Grundidee dazu war aber von
dem Hamburger Spritzenmeister Repsold.^'
Wenn es sonach durch diese Mittheilung, für welche
das wissenschaftliche Publicum dem Herrn Greneral Dr.
Baeyer gewiss zu grossem Danke verpflichtet ist, un-
umstösslich feststeht, dass die Priorität des in Rede
stehenden Heliotropen Repsold gebührt, dieser Idee
aber von Bertram eine zweckmässige Form gegeben
worden ist, so dürfte wohl der Vorschlag Eingang
finden, diesen Heliotrop den Repsold-Bertram'schen
zu nennen.
Wollte man ihm den kurzen Namen „Repsold'-
scher Heliotrop" geben, was vollständig gerecht-
fertigt sein dürfte, so ist zu bedenken, dass unter diesem
Namen bereits eine andere Construction existirt. Diese
ist der von Gauss sehr ähnlich; die Spiegel befinden
sich aber nicht vor dem Fernrohre (wodurch das Visiren
durch letzteres nach dem entfernten Object, das Licht
erhalten soll, verhindert wird), sondern über dem Ob-
jectiv. Anstatt in der Richtung der Visirachse, reflectirt
alsdann der mittlere Spiegel das Sonnenlicht parallel
zu dieser nach einer über dem Ocular befindlichen
Scheibe mit runder Oeffnung, zum Zeichen, dass die
beiden rechtwinklig zum Mittelspiegel gestellten Seiten-
spiegel das Licht nach dem Object senden, auf welches
das Fernrohr eingestellt ist.
Um daher Verwechselungen zu vermeiden, dürfte
es zweckmässig sein, dem einfachen Heliotrop obige
vorgeschlagene Benennung, die beiden Männern gerecht
wird, zu geben.
j
lieber Cupolöfen.
Von
Professor A. Ledebur in Freiberg (Sachsen).
Die häufige Anwendung, deren sich der Cupol-
ofen in den Eisengiessereien wie in den Bessemerwerken
erfreut, erklärt in genügendem Maasse die Erscheinung,
dass fast kein Jahr vergeht, in welchem nicht die tech-
nischen Zeitschriften über neue, sogenannte „Cupol-
ofensysteme** berichten, deren Erfinder als Hauptvorzug
den geringen Brennstofi'verbrauch derselben hervorzu-
heben pflegen. Prüft man jedoch diese Oefen etwas
eingehender und vergleicht sie insbesondere mit schon
vorhandenen Constructionen , so wird man meistens
finden, dass, seitdem vor etwa zwanzig Jahren die äl-
teren Constructionsregeln derCupolöfen durch Ireland's
und Krigar's Cupolofenconstructionen umgestossen
wurden, eigentlich kein anderer Ofen im Stande ge-
wesen ist, günstigere Resultate hinsichtlich des Brenn-
stoffverbrauchs als jene genannten Oefen zu erreichen,
selbstverständlich eine richtige Betriebsleitung und rich-
tige Abmessungen derselben vorausgesetzt. Ja, in vielen
Fällen sind die neuen „Systeme" nichts Anderes als
unwesentliche Variationen der längst bekannten. Früher,
als die genannten beiden Erfinder, hatte schon
Schmahel einen Cupolofen erbaut, welcher jedenfalls
geeignet gewesen wäre, gleich günstige Resultate als
die späteren Oefen zu liefern, wenn man es nur ver-
standen hätte, die Verhältnisse desselben, insbesondere
das Verhältniss der zugeführten Windmenge zum Schacht-
querschnitte in Einklang zu bringen und die bedeutend
grössere Production des Ofens zu verwerthen.
Die obige Behauptung über den zweifelhaften Werth
neuer Cupolofensysteme näher zu beleuchten und einige
Regeln für zweckmässige Construction der Cupoloöfen
zu geben, soll der Zweck nachfolgender Zeilen sein.
Die Au^^abe des Cupolofens ist eine einfache.
Ein einziges Metall, das Gusseisen, wird in demselben
geschmolzen und auf die zum Giessen geeignete l'em-
peratur erhitzt; es wird weder Reduction irgend welcher
Körper beabsichtigt, noch soll Oxydation des Metalls
oder seiner Nebenbestandtheile in erheblichem Maasse
stattfinden. Ganz zu vermeiden ist dieselbe nie, und
die etwaigen nachtheiligen Folgen derselben lassen sich
meistens von vornherein durch richtige Wahl der Eisen-
sorten ausgleichen. So z. B. weiss man, dass Guss-
eisen eine bestimmte Menge Silicium enthalten muss,
dass ein Uebermaass desselben das Eisen mürbe, ein
Zuwenig dasselbe weiss, hart und spröde macht Man
weiss ferner, dass ein Oxydationsprocess zuerst auf das
Silicium des Roheisens wirkt. Es ist also Nichts einfacher,
als dass man in Rücksicht auf diese Verringerung des
Siliciumgehaltes für den Schmelzprocess ein entsprechend
siliciumreicheres Roheisen wählt, dessen Beschaffenheit
hinsichtlich seiner Verwendung für die Giesserei durch
das Schmelzen alsdann jedenfalls verbessert werden muss.
Ganz anders ist die Aufgabe des Eisen-Hochofens.
Hier liegt der Schwerpunkt in der Reduction sauer-
stoffhaltiger Körper — der Erze — durch Gase, vor-
nehmlich durch Kohlenoxyd; die Reduction durch festen
Kohlenstoff muss aus Gründen, deren Erörterung hier
nicht am Platze ist, auf ein geringes Maass zurückge-
führt werden. Diese Reduction durch Kohlenoxyd und
die unmittelbar darauf folgende Kohlenstoffabgabe au
das reducirte Eisen beansprucht den bei weitem grössten
Theil des Hochofeninnern , und das spätere Schmelzen
ist erst gewissermassen das Finale des ganzen Processes.
Die Aufgabe des Cupolofens wird in um so voll-
kommnerem Maasse gelöst werden, je vollständiger er
das ihm zugeführte Brennmaterial zu Kohlensäure ver-
brennt, und je mehr durch ein rasches Schmelzen die
unvermeidlichen Wärmeverluste durch Transmission der
Ofenwände relativ verringert werden; beim Hochofen
ist in Rücksicht auf den Reductionsprocess und die
Nothwendigkeit, vorzeitiges Schmelzen unreducirten
Eisens zu vermeiden, das Endproduct aller Verbren-
nung durch Sauerstoff des eingeblasenen Windes Koh-
lenoxyd, und die vor den Formen entstandene Kohlen-
säure muss sogar rasch zu Kohlenoxyd reducirt werden,
wenn nicht die Reduction der Erze durch die Erschei-
635
Ledebur, Ueber Cupoloöteu.
i)36
iiung, welche die Eisenhüttenleute „Oberfeuer" (d. h.
vorzeitige Schmelzung unreducirter Erze) nennen, em-
pfindliche Störung erfahren soll.
Die Verkennung dieser so verschiedenen Aufgaben
des Hoch- und Cupolofens, die Thatsache, dass man
lange Jahre hindurch früher, und vielfach noch heute,
den Cupolofen gewissermassen als kleinen Bruder des
grossen Hochofens betrachtete und Constnictionsregeln,
die sich bei diesem als zweckmässig erwiesen hatten,
demgemäss auch bei jenem anwendete, war die Ursache,
dass man in den Cupolofen so lange Zeit hindurch
eine gleiche Gasatmosphäre wie in Hochöfen erzeugte,
und in Folge dessen die doppelte bis vierfache Menge
desjenigen Brennmaterials verbrauchte, welches bei rich-
tiger Construction erforderlich gewesen sein würde.
Welche, zum grossen Theile den Hochöfen entnom-
mene, Schachtprofilirungen sind bei den Cupolofen
nicht versucht und empfohlen worden, um günstige
Schmelzresultate zu erlangen I Und doch ist unzweifel-
haft das einfachste Profil das beste, wenn eben nur ein
Schmelzprocess durchgeführt werden soll; also cylin-
drische Form, oder, wenn man die Gefahr des Auf-
hängens der Roheisenstücke an den Wänden abschwächen
will, eine schwach konische, nach unten sich erweiternde
Form. Nebenrücksichten können Abweichungen von
dieser Form geeignet erscheinen lassen, ohne dass je-
doch das eigentliche Schmelzen dadurch beeinflusst wird.
Eine solche Rücksicht kann z. B. auf die Thatsache
genommen werden, dass das feuerfeste Material des
unteren Ofenschachtes bedeutend rascher wegschmilzt als
das des oberen, es also geeignet erscheint, unten eine
grössere Stärke zu geben als oben. Man hat hierbei
die Wahl, entweder den unteren Ofendurchmesser kleiner
im Lichten oder grösser von aussen als den oberen zu
machen. Im ersteren Falle, welcher wegen
I der Ummantelung des Ofens der am leich-
d testen ausführbare ist, entsteht neben-
M stehendes Profil, welches dann bei längerer
i Benutzung des Ofens durch Wegschmelzen
1
I
r
'mrTim'/ ohnehin mehr und mehr in das Cylindrische
übergeht.
Statt des Kreises als Grundform des Ofenschachtes
kann eine oblonge Form alsdann zweckmässig sein,
wenn ein sehr grosser Querschnitt des Ofens dem
Winde das Vordringen bis gegen die Mit-
tellinie bei Kreisform erschwert.
Die früher vielgerühmte „Zusammen-
schnürung" des Ire land 'sehen Cupol-
g,^ __r' ofenschachtes ist nichts anderes als der
eigentliche normale Schachtdurchmesser, wie
er der Menge des zugeführten Windes entspricht; unter-
halb desselben befindet sich eine Erweiterung zur An-
sammlung grösserer Mengen flüssigen Gusseisens, ober-
halb des Schmelzraumes, wo nur ungeschmolzene Massen
sich befinden, der Schachtdurchmesser also ohne Ein-
fluss auf die Wärmeentwickelung bleibt, erweitert sidi
derselbe, um durch langsameres Aufsteigen der wärme-
führenden Verbrennungsgase die Vorwärmung der
Schmelzsäule zu begünstigen. Es ist bekannt, wie jene
sogenannte Einschnürung zugleich benutzt wurde, um
dahinter den ringsherumlaufenden Windkanal anzu-
bringen.
Wenn dieses Ireland'sche Ofeuprofil also einer-
seits seine volle Begründung hat, so ruft doch anderer-
seits die weniger einfache Form bei der Benutzung
Uebelstände hervor (schwierigere Ausführung von Re-
paraturen u. a. m.), welche die einfach cylindiisdie
Form meistens als die geeignetere erscheinen lassen
werden, um so mehr, als sich die Ansammlung von
Roheisen noch bequemer durch Anbringung eines Vor-
herdes (siehe unten) erreichen lässt.
Fragen wir nun , wie jene als Aufgabe des Cupol-
ofens bezeichnete vollständige Verbrennung des Brenn-
stoffs erreicht werden kann, so finden wir bei unbe-
fangener Betrachtung der Verbrennungserscheinungen
Folgendes.
Wenn ein Windstrahl mit starker Pressung —
also bedeutender Geschwindigkeit und lebendiger Kraft
— gegen eine im Ofenschachte angehäufte Menge Brenn-
stoff geführt wird, so bietet er, da er in Folge seiner
lebendigen Kraft gleichsam als geschlossener kegelför-
miger Körper sich darstellt, jenem Brennmateriale eine
verhältnissmässig kleine Berührungfläche dar; erst all-
mälig, wenn jene lebendige Kraft mehr und mehr aof-
gezehit wird, zertheilt er sich und kommt dabei mit
immer neuen Brennstoffmengen in Berührung. Die
Verbrennung geht also nur nach und nach und aut
einem grösseren Räume vor sich, innerhalb dessen der
Brennstoff dem Winde eine beträchtliche Oberflädie
darbietet, mithin dem Sauerstoff des letzteren Gelegoi-
heit giebt, so viel Kohlenstoff in Verbindung zu nehmen,
als es seine chemische Beschaffenheit irgend gestattet
Das Endproduct ist demnach Kohlenoxyd, die Verbren-
nung unvollständig.
Wenn nun aber dieselbe Windmenge mit gering»*
Pressung, also dui*ch grosse Ausströmungsquerschnitle
in den Ofen geführt wird, so wird ihre geringe leben-
dige Kraft rasch verbraucht, der Wind vertheilt sich
sofort, und statt des begrenzten Windstrahles findet
sich innerhalb des Ofens eine entsprechende Menge
Gebläseluft, deren kleinste Theilchen sämmtlich Ge-
legenheit finden, mit dem Brennstoffe in Berührung za
Ledebur, Ueber Cupoloöfen.
638
. Während ein stark gepresster WindstraM ein-
t ist vom Brennstoffe, tritt hier der umgekehrte
An; die Stücken des Brennstoffes sind vom Winde
len, die Oberfläche des eingeblasenen
les ist beträchtlich im Vergleiche zu der
fläche des Brennstoffes, die Verbrennung
rasch vor sich und coucentrirt sich auf einen
ren Raum als im ersteren Falle. Die Folge ist die
)hung derjenigen Verbindung zwischen Kohle und
Stoff, welche am reichsten an letzterem ist, der
Qsäure: Die Verbrennung ist vollständig. Das
Itniss zwischen den Oberflächen, welche Brenn-
md Luft einander darbieten, bestimmt in erster
die Art der Verbrennung und somit die durch
gegebene Menge Brennstoff erreichbare Wärme-
). Diese Thatsache erklärt es, dass im Gupol-
wo zunächst viel Wärme erzeugt werden soll,
s Brennmaterial das geeignetste ist. Holzkohlen
rennmaterial werden nie ein günstiges Resultat
L können, weil sie eine viel zu grosse Berührungs-
darbieten; man müsste einen luftverdünnten
herstellen, um auch die Windoberfläche ent^
lend zu vergrössern. Aus demselben Grunde er-
sieh aber zum Theile die Thatsache, dass beim
►fen, wo Kohlenoxyd das Endproduct der Ver-
ung durch atmosphärischen Sauerstoff sein soll,
etrieb mit Holzkohlen im Allgemeinen einen gün-
m relativen Brennstoffverbrauch giebt als mit
mit weichen Holzkohlen einen günstigeren als
lichten harten; dass ferner ein Absaugen der
^ase die Entstehung von Oberfeuer veranlasst, so-
es eine Verringerung der normalen Gasspannung
eninnem (also eine Vergrösserung der Windober-
) hervorruft. Auf den Cupolofenschmelzprocess
ein solches Absaugen nur günstig wirken können.
!s ist nun unläugbar, dass die durch einen ver-
^n Gebläsewind erzeugte Kohlensäure im Cupol-
zu Kohlenoxyd reducirt wird, und dass somit
rste Erfolg der rationellen Verbrennung vereitelt
n muss, wenn jene Kohlensäure im hocherhitzten
Qde auf firischen Brennstoff trifft. Auch im Hoch-
ehtdie Kohleuoxydgasbildung jedenfalls zum Theile
Icher Weise vor sich. Hierbei geht nun nicht
der bei der Reduction aufgenommene Kohlenstoff
e Wärmeleistung des Ofens nutzlos verloren, son-
es stellt sich für die Vergasung desselben noch
ehrbedarf an Wärme heraus, welcher dem Ofen
;en wird, so dass die Leistung des Brennstoffes
iieselbe ist, als wenn von vornherein nur Kohlen-
gebildet worden wäre,
►ie Verhinderung dieser Reduction der Kohlen-
säure wird aber durch den Umstand erleichtert, dass
das Gusseisen als guter Wärmeleiter leicht Wärme auf-
nimmt, einer langen Vorwärmung also nicht bedarf
und mithin rasch von der Gicht aus in einem wenig
erhitzten Zustande in den unteren Theil des Ofens ge-
langt, wo jene hocherhitzten Gase emporsteigen. Hier
findet eine schnelle Wärmeabgabe an das Eisen statt,
welches die aufgenommene Wärme wieder nach unten
führt; die Folge davon ist eine rasche Abkühlung des
aufsteigenden Gasstromes bis unter jene Temperatur,
wo noch Reduction der Kohlensäure möglich ist. Dieser
Vorgang lässt sich täglich beobachten. Beim Beginne
des Schmelzens wird der Ofen bis etwa zur Hälfte mit
Brennmaterial gefüllt, es werden also reichlichere Mengen
desselben verbrannt, als gerade zum Schmelzen nöthig
sein würde, und entsprechend mehr Wärme wird ent-
vrickelt. Das Gusseisen vermag nicht so viel derselben
au&unehmen, als nöthig sein würde, um die Tempe-
ratur unter die Reductionstemperatur der Kohlensäure
herabzudrücken; aus der Gicht entweicht Kohlenoxyd-
gas in reichlichster Menge und verbrennt mit blauer
Flanmie. Dieselbe wird kleiner und kleiner mit dem
Verbrennen der Füllkoks und verschwindet bei rich-
tiger Betriebsführung bald ganz. Erst wenn der Ofen
ausgeblasen werden soll und die Schmelzsäule sinkt,
erscheint sie wieder in Folge des UmstandeS; dass jetzt
die Abkühlung von oben her aufhört, und erhält durch
die mechanisch emporgerissenen glühenden Kohlentheil-
chen jene bekannte gelbe Färbung.
Auch in Bezug auf Vermeidung dieser Reduction
der Kohlensäure verhalten sich Koks weit günstiger
als Holzkohlen, dichte Koks günstiger als poröse.
Nach L. B e 1 Ts Versuchen liefert Kohlensäure in Roth-
gluth über Holzkohlen geleitet annähernd die sechsfache
Menge Kohlenoxyd als beim ffinüberleiten über dichte
Koks.
An die Aufgabe, eine möglichst grosse Wärme-
menge durch Verbrennung des Brennstoffes zu Kohlen-
säure zu erzeugen, reiht sich die zweite, die gewonnene
Wärme in möglichst vollständiger Weise auszunutzen.
Die hauptsachlichsten Wärmeverluste entstehen
durch die abziehende Wärme der Gichtgase und die
Transmission der Ofenwände.
Der Wärmeverlust durch die Gichtgase lässt sich
durch eine geeignete Höhe des Ofens auf ein geringstes
Maass zurückführen. Hierbei wirkt wieder jene rasche
Wärmeaufnahme durch das Eisen forderlich; und eine
Höhe des Ofens von 2,5 bis 3 Metern oberhalb der
Windzuführungsöffnungen genügt, eine Abkühlung der
Gase bis auf durchschnittlich 50 Grad Celsius zu be-
wirken. Eine grössere Höhe hat wenig Erfolg, weil
639
Ledebur, lieber Cupoloöfen.
640
die Wärmeabgabe um so langsamer vor sich geht, je
kälter die Gase werden, bringt aber andere Uebelstände
mit sich, wozu hauptsächlich der mit der Höhe des
Ofens wachsende Widerstand der Schmelzsäule gegen
das Durchdringen der Gase und die damit verknüpfte
höhere Wind- beziehentlich Gasspannung zu rechnen
ist, welche nicht allein eine höhere Leistung des Ge-
bläses erforderlich macht, sondern auch nach den obigen
Ausführungen die Entstehung von Kohlonoxyd be-
günstigt.
Die Wärmeverluste durch Transmission werden
nicht etwa durch starke Ofenwände, wie man früher
meinte, sondern durch rasches Schmelzen verringert.
Je mehr Gusseisen in einem Schachte von gegebenem
Durchmesser in der Zeiteinheit geschmolzen wird, desto
geringer ist natürlich — auf die Gewichtseinheit .Eisen
bezogen — der Wärmeverlust durch Transmission, desto
niedriger mithin auch der relative Brennstoffverbrauch.
Der Unterschied ist ziemlich erheblich. Wenn man
nun in einem Ofen durch eine zweckmässige Windzu-
fühiiing eine Verbrennung zu Kohlensäure statt zu
Kohlenoxyd liervorruft, so erzeugt man mit der gleichen
Windmenge die ^/a fache, nfit der gleichen Brennstoft-
menge die 3 fache Wärmemenge als vorher, wird also
in demselben Verhältnisse mehr Eisen schmelzen können
und in dem gleichen Maasse die Wärmeverluste durch
Transmission verringem. Mit derselben Arbeitsleistung
der Betriebsmaschine aber, welche zur Lieferung eines
stark gepressten Windes erforderlich war, vrird man
erheblich beträchtlichere Windmengen zu liefern im
Stande sein, wenn durch Ei-weiterung des Ausströmungs-
quei'schnittes die Pressung vemngert wird, und wird
auch aus diesem Gi*unde das Schmelzen beschleunigen
können.
Als Schmahel zuerst anfing, dem Ofen den Wind
durch 16 in spiralförmiger Linie angeordnete Formen
mit beträchtlichem Totalquerschnitte zuzuführen, ohne
aber den Schachtdurchmesser zu verringern, zeigten
ßich die Folgen der reichlicheren Kohlensäurebildung
und reichlicheren Windzuführung durch eine gesteigerte
Production; man wusste mit dem vielen Eisen nichts
anzufangen, veningerte also die Windmenge und büsste
in solcher Weise in Folge der vermehrten relativen
Wärmetransmission die erlangten Vortheile theilweise
wieder ein. Hätte man zugleich den Schachtdurch-
niesser verkleinert, so würde ein weit besserer Erfolg
«Mreicht worden sein.
In der Eiiülhing jener beiden Bedingungen: mög-
lichste Vertheilung des Ctebläsewindes zur Vergimserung
seiner Obortläche (also schwache Pressung) und rasches
Schmolzen durch Zuführung reichlicher Windmengen
gipfelt das Greheimniss aller modernen Cupolofencon-
structionen, deren Erfiüder über die Wirkungsweise
ihres eigenen Ofens nicht selten sich ganz irrige Vo^
Stellungen zu machen scheinen. Ireland erreichte
jene Windvertheilung durch Anordnung zweier Reihen
Formen übereinander mit reichlichem Querschnitte;
Krigar, indem er den Wind durch zwei breite, ein-
ander gegenüberliegende gewölbartige Oeffnungen in
den Ofen treten Hess, ihn in solcher Weise zwang, sich
sofort um die entgegenrückenden Kokesstücke herum
zu verthoilen; Mac Kensie durch Anwendung zahl-
reicher schlitzförmiger Oeffnungen mit senkrechter Achse;
und so fort. Eine jede dieser Constructionen erreicht
ihr Ziel, wenn dabei die zweite Bedingung erfüllt wird,
durch ausreichende Windmenge das Schmelzen in einer
dem Schachtquerschnitte angemessenen Weise zu be-
schleunigen. Wie ich in einer längeren praktischen
Thätigkeit viel&ch zu erproben Gelegenheit fand, muss
ein Cupolofen, nach jenen allgemeinen Grund^tzen
construirt, mit 6 Gewichtstlieilen dichter, aschenarmer
Koks excL der Füllkoks 100 Gewichtstheile Guss-
eisen auf die zum Giessen geeignete Temperatur er-
hitzen; ein günstigeres Resultat kann nach meiner
Ueberzeugung kaum durch irgend eine specielle Gon-
stiiiction erreicht werden. Vortheile, welche ein Sy-
stem vor dem anderen haben kann, sind dagegen ge-
ringere Reparaturbedürftigkeit und geringere Oxydation
des Eisens, durch zweckmässige Lage der WindöfiEhungen
erreicht. Ich glaube, dass in beiden Hinsichten der
Kr i gar 'sehe Ofen nicht übertroffen ist.
In gewissem Maasse wird bei den meisten der jetzt
gebräuchlichen Cupolofen eine Verringerung des Wärme-
verlustes erreicht, indem man den Wind, bevor er in
den Ofen gelangt, durch einen ringförmigen Canal
rings um die hcisseste Stelle des Ofens herum fuhrt
dadurch die transmittirte Wärme von dem Winde auf-
nehmen lässt und dem Ofen wieder zufuhrt; so beim
Ireland-, Kr i gar- und anderen Oefen. Die in sol-
cher Weise eiTcichte Windei-wärmung beträgt ca. 40
Grad.
Da ein rascher Sclimelzgaug nur durch entspre^
chend viel Wind erreicht werden kann, eine Steigemng
der Windmenge aber auch eine Steigerung der Wind-
pressung zur Folge haben muss, so gelangt man audi
liier an eine Grenze, welche nicht ohne Nachiheil über-
schritten werden kann. Wenn in dem Ofen die zur
vollständigen Verbrennung erforderliche WindverÜieilang
erreicht werden soll, so müssen die Windzugtrömungen
des Ofens (Formen) einen so beträchtlichen QuerschDitt
besitzen, dass die in der Windleitung mesabare Span-
nung der im Ofen herrschenden annähernd gleich ist.
641
Ledebur, Ueber Cupolöfen.
642
mithin nicht durch den Ausströmungsquerschnitt , son-
dern durch den Widerstand der Schmelzsäule hervor-
gerufen wird. Erfahrungsmässig beträgt nun diese
Spannung bei Cupolöfen zweckmässiger Weise nicht
unter 200 und nicht erheblich über 400"" Wasser-
säule; und der Totalquerschnitt der Windformen min-
destens Vs ^^^ Schachtquerschnittes, häufig aber ohne
Naohtheil 7« ^^^ darüber.
Unter solchen Verhältnissen wird man pro Qua-
dratmeter des Schachtquerschnittes an seiner engsten
Stelle ein stündliches Schmelzen von 8000 bis 10000
Kilogramm Gusseisen erhalten, wenn man beste Schmelz-
kokes anwendet, so dass man umgekehrt pro 100 Kilogr.
stündlich zu schmelzendes Gusseisen einen Schacht-
querschnitt von 100 bis 125 Quadratcentimeter zu
rechnen hat. Je weniger dicht das Brennmaterial ist,
desto grösser muss natürlich der Schachtquerschnitt sein.
Die erforderliche Windmenge, um eine solche Lei-
stung des Ofens hervorzubringen, beträgt per Secunde
und Quadratmeter des Schachtquei*schuittes 1,25 bis 1,5
Cubikmeter.
Recht zweckmässig sind die von Krigar einge-
führten und seitdem auch für andere Cupolofencon-
structionen angewendeten*Vorherde ; um so zweckmässiger,
je grössere Mengen flüssigen Eisens angesammelt wer-
den sollen. Daher sind sie auch besonders für Besse-
merwerke sehr zu empfehlen. Sie gewähren den grossen
Yortheil, dass der Schmelzprocess durch den höhern
oder tiefem Stand der flüssigen Massen völlig unbeein-
flusst bleibt und ermöglichen ein leichtes Ablassen von
Eisen und Schlacke. Krigar baut bekanntlich seine
Vorherde mit rechtwinkeliger Grundfläche und umgiebt
sie mit gusseisemen Platten; und fast alle mir be-
kannt gewordenen Vorherde von Cupolöfen zeigen eine
getreue Nachbildung der Krigar 'sehen Foim. Zweck-
mässiger und billiger, wie ich durch Erfahrung be-
stätigen kann, ist ein kreisrunder Querschnitt. Der
Kreis besitzt bei gleicher Fläche den geringsten Um-
fang, giebt also am wenigsten Gelegenheit zu Wärme-
vcrlusten durch Transmission ; die Rüstung wird ebenso
wie die des Cupolofens durch einen umgelegten Mantel
ans schwachem Kesselblech gebildet, welcher leichter
und billiger ist als die schweren gusseisernen Platten.
Der gleichfalls durch Krigar eingefühi'te bewegliche
Soden (Klappenverschluss) des Cupolofenschachtes ist
besonders da sehr zu empfehlen, wo man Gelegenheit
hat, die nach dem Ausblasen und Oeffnen der Klappe
herausfallenden glühenden Massen sofort in einem
W^agen aufzufangen und fortzuschaffen, oder auch durch
^ine Oeffnung im Boden des Schmelzhauses in einen
ClTllIngenleur XXIII.
tiefer gelegenen feuersicheren Ort hinunterstüi*zen und
dort bis zur Erkaltung liegen zu lassen.
Manche Erwägungen pflegt die Wahl einer pas-
senden Wandstärke des Schachtes hervorzurufen. Wie
schon oben erwähnt, gehört die früher allgemein ge-
hegte und theoretisch begründete Anschauung, dass
man durch starke Wände im Stande sei, erhebliche
Mengen von Brennstoff zu sparen, zu den übei*wuudenen
Standpunkten; ein Ofen mit 150"" starken Wänden
arbeitet erfahrungsgemäss nicht merklich ungünstiger,
als wenn man die Wände 1000"° stark machen wollte;
ich bin sogar überzeugt, dass eine Kühlung der Ofen-
wände, ähnlich wie man Hochofengestelle kühlt, kaum
einen erheblichen Unterschied im Brennstoffverbrauche
hervorrufen würde. Je dicker die Wände sind, desto
mehr ungenutzte Wärme entlassen sie nach dem Aus-
blasen; hierin ist meines Erachtens eine der Ursachen
zu suchen, weshalb die starken Wände den früher ge-
hegten Erwartungen nicht entsprochen haben. Dicke
Schachtwände machen natürlich das Auswechseln sel-
tener erforderlich als dünne und sind deshalb durch
die Ersparung der öftern Arbeitslöhne und des Mate-
rialverlustes beim Auswechseln relativ billiger als diese;
je dicker aber die Wandstärke ist, desto weniger findet
eine Kühlung des Steines von aussen her statt, desto
rascher im Allgemeinen wird er durch die Hitze an-
gegriffen, und, was nicht unterschätzt werden darf, je
mehr die Steine wegschmelzen, desto mehr entfernt
sich der Durchmesser des Schachtes von seiner nor-
malen Abmessung, desto ungünstiger werden die Be-
triebsresultate, insbesondere der Verbrauch an Füllkokes
ausfallen. Dieser höhere Verbrauch von Füllkokes bei
weiter gewordenen Schächten kann oft die Kosten eines
neuen Schachtes ausgleichen. Je länger die einmalige
Schmelzzeit eines Cupolofens ist, bevor er entleert und
abgekühlt wird, desto mehr wird natürlich sein Schacht
in Anspruch genommen, und desto stärker müssen
dessen Wände sein. Cupolöfen für Bessemerwerke,
welche oft die ganze Woche hindurch im Betriebe sind
(wie z. B. die Oefen zu Königin-Marienhütte in Sachsen),
müssen deshalb mit stärkerem Schachte versehen wer-
den als die Cupolöfen der Eisengiessereien; und ge-
rade bei ersteren dürfte sich die erwähnte Kühlung
der Schachtsteine als zweckmässig erweisen können.
Da die Steine im oberen Schachte weit weniger von
der Hitze zu leiden haben als im unteren, nimmt man
erstere gern schwächer, wodurch dann das oben er-
wähnte Schachtprofil mit Erweiterung des obem Schachtes
entsteht. Niemals sollte man versäumen, durch Ein-
legen eines schmalen eisernen Ringes zwischen oberem
und unterem Schachte zum Tragen des erstem die
41
643
Illeck, Nochmals ttber den Ausfloss der permanenten Gase.
644
Möglichkeit zu geben, den letztern auszuwechseln, ohne
den erstem in Mitleidenschaft zu ziehen.
Als geringste zweckmässige Wandstärke eines neuen
Cupolofenschachtes im Schmelzraume dürfte für kurze
Schmelzen (3 — 4 Stunden) 175"°* anzunehmen sein; für
längere Schmelzdauer 250'*°'; Oefen, welche den ganzen
Tag hindurch im Betriebe sind, giebt man Schacht-
stärken bis 300""°* u. s. £ Jeden&lls spricht hierbei
die Beschaffenheit des Materiales mit.
Den Schornstein des Cupolofens stellt man zweck-
mässiger Weise auf einem gusseisemen Rahmen, welcher
Ton Säulen oder von Mauerung getragen wird, unab-
hängig vom Cupolofen auf. Man bewirkt hierdurch
einen steten Luftwechsel innerhalb des Schornsteines,
wodurch derselbe auch beim Ausblasen kühl erhalten
und Tor Zerstörung bewahrt wird; ausserdem aber wird
jede nachtheilige Belastung des Cupolofens yermieden;
derselbe kann sich ausdehnen und zusammenziehen,
ohne den Schornstein in Mitleidenschaft zu ziehen, was
nicht der Fall ist, wenn der Schornstein, wie man es
häufig findet, vom Ofen selbst getragen wird.
Nochmals über den Ausfluss der permanenten Gase.
Von
J. meck in Wien.
In den Heften 5 and 6, Bd. XXIII, des Civilingenienrs
bringt Herr Professor Emil Herrmann in Schemnitz eine
Erwiderung auf meine unmittelbar vorher in derselben Zeit-
schrift erschienene Abhandlmig „lieber den Ausflnss der
permanenten Gase mit Beziehung auf die Hypothese von
de Saint-Yenant und Wantzel^, welche ich gleichfalls
nicht stillschweigend übergehen kann, da in derselben die
Eichtigkeit der im zweiten Theile meines Aufsatzes ent-
wickelten Formeln bestritten wird.
Zunächst muss ich nun erinnern, dass die an dem ge-
nannten Orte gegebene Darstellung blos als eine neuartige
Anschauung, nicht aber als eine streng erwiesene Theorie
bezeichnet wurde; es wird mich daher keineswegs überraschen,
wenn dieselbe eines Tages gründlich widerlegt wird. Allein
den Eiuwtlrfen des Herrn Professor £. Herrmann kann ich
vorläufig eine solche Bedeutung noch nicht beimessen, da es
nicht schwer fällt, dieselben, wenigstens in der Form, in der
sie aufgestellt werden, zu entkräften, zu welchem Ende ich in
der Lage bin, gegenwärtig folgendes in Kürze zu bemerken:
1) Die Gleichung:
«^ 1
CD
^9 2
(I)
will sagen:
Wenn sich ein Luftstrom von constanter Temperatur T
in einer Rohrleitung von gleicher Weite mit gleichförmiger
Geschwindigkeit bewegt, so ist oj die grösste Geschwindigkeit,
welche er in derselben, ohne Einflussnahme äusserer Kräfte,
annehmen kann.
Die Relation (I) kann also nicht benutzt werden, um
die Geschwindigkeiten a>^ und oj^ in zwei verschieden ge-
legenen Querschnitten derselben Rohrleitung nach den Tem-
peraturen 7q und 7\ zu berechnen und hiemach die pro
Secunde durchströmenden Luftmengen zu vergleichen, ¥rie
dies Herr Professor E. Herr mann gethan hat, da eine
solche Anwendung der Formel (I) der Voraussetzung:
und T=iCmtit.
widerspricht; zu einem derartigen Vergleiche hfttte
Herr Professor E. äerrmann offenbar die Gl. (10)
benutzen sollen, die an diese Bedingungen nicht gebund^
ist; freilich wäre er dann nicht zu dem überraschenden Re-
sultate gelangt, dass in die Röhre mehr Luft eintritt, als
austritt; die Relation (I) hingegen steUt einen Grenzzustand
dar und kann daher auf den allgemeinen FaU, aus dem sie
hervorgegangen ist, nicht ohne weiteres wieder zurückbezogm
werden. Ob die obige Definition der Gl. (I) richtig ist, das
muss aus der Entstehung derselben beurtheilt werden; auf
diese zurückzukonunen , kann ich mir aber an diesem Orte
nicht mehr gestatten. Damit erledigt sich gleichzeitig die
Frage, ob die Aufteilung der Gleichung:
Ai^ = c{T,-T,)^^ART, . . . (n)
29
statthaft ist; man hat nämlich blos zu beachten, dass vom
Querschnitte Fy^ (Fig. 1) angefangen, die Geschwindigkeit m^
645
Illeck, Nochmals über den Ausfluss der permanenten Gase.
646
und die Temperatur 2^ als constant bleibend angenommen
werden.
2) Der Nachweis, dass sich in Gl. (10) das positive
Zeichen auf ß <il^ das negative hingegen auf /3 > 1 be-
zieht, ist sehr einfach zu führen.
Aus GL (9) folgt nämlich für -^- = 1,
Po
Ol
= 1;
»0
P^ ^ X.
somit ist, wegen -^ - = -~, auch
jPo«ü
= 1.
oder
Das nämliche Resultat muss bei gleicher Annahme auch
Ol. (10) geben; es ist also:
1 + ^
±K(4^0-^='-
Setzen wir nun beispielsweise j3 = l,2 und (3=0,8, so
finden wir beziehungsweise:
1,1 ± /l,2i — 1,20 = 1,1 ± 0,1 = 1 ;
0,9 ± y 0,81 — 0,80 = 0,9 ± 0,1 = 1 ;
und hieraus ist wohl ersichtlich, dass im ersten Falle das
Zeichen minus und im zweiten Falle das Zeichen plus zu
setzen ist
Hier kann ich auch auf den Wunsch des Herrn Prof.
E. Herrmann eingehen, für die Gl. (10) eine Bedingung
aufzustellen, damit der Ausdruck unter dem Wurzebseichen
nicht negativ y der Wurzelwerth also nicht imaginär werde.
Zu diesem Ende betrachten wir zwei verschiedene Quer-
schnitte der Rohrleitung von gleicher Weite und setzen für
selbe:
zwischen diesen beiden Querschnitten besteht nach Gl. (10)
die Beziehung:
Um den Grenzwerth von ß zu erhalten, setzen wir in dieser:
\ 2 / ~P» 7o'
damit wird gleichzeitig:
tt. f ffr, 2
Ans den beiden letzten Gleichnngen folgt:
8 ^ —^
ST,
Po n TT TT
E 7.
2J7;
H, 7'
daher schliesslich:
RT
= 1.
T^fp
So lange also i5 = ^^> 1 ist^ kann der Wurzelwerth
2 S
niemals imaginär werden und diese Bedingung wird ja er-
reicht, wenn
gesetzt wird.
3) Herr Prof. E. Herrmann erlaubt schliesslich die
Integration der Gleichung
Q)
8
d—— = — vdp
2^
(in)
nur dann, wenn das Gesetz, nach welchem sich p mit v
ändert, in diese unmittelbar eingesetzt wird; die Gleichung
— = — sagt über dieses Gesetz nichts, darf daher auch,
seiner Ansicht nach, zur Integration der Gl. (HI) nicht be-
nutzt werden; hiemach wäre also die Gl. (9), nämlich:
Vq '2H(
\ Por
welche auf solche Art entsteht, als unrichtig zu bezeichnen.
Fügen wir uns also der vom Herrn Prof. E. Herr-
mann vorgeschriebenen Bedingung und benutzen wir gleich-
zeitig dessen Methode, die Verhältnisse von rückwärts nach
vorwärts zu beleuchten, so können wir umgekehrt:
iiz=a'\-bp^ wobei b = — ff[—^]
(nach Gl. 9) ist, zur Abwechslung als bekannt voraussetzen;
nichts steht jetzt der Integration der Gleichung (III) ent-
gegen und man erhält, gleichgiltig, ob p oder r eliminirt wird:
ctr — ci),)
2
2g 2b '
wird hierin der obige Werth fUr die Constante b eingesetzt, so
folgt einfach:
(0 V
«ö ^0
Das Resultat ist also ein Kreislauf, der jedenfalls nicht
stattfinden könnte, wenn die Integration nur in dem einen
Sinne erlaubt wäre.
Sollte übrigens der soeben gegebene indirecte Beweis
noch nicht genügen, so kann derselbe auch leicht durch einen
directen ersetzt werden. Zu diesem Behufe wollen wir die
Zustandsgieichung :
pv = RT^
41*
647
Normeu fttr die einheitliche Lieferung und Prüfung von Portland-Cement.
648
unmittelbar in die Gleichung (III) einsetzen und hierauf
integriren; wir erhalten so zunächst:
dH= — RT
P
oder weil, mit Rücksicht auf die Beziehung
dp_dT 1 dH
~p~ T 2 H
ist, so finden wir auch:
RT
(O
CO
V
dff
\2S )
RdT,
Die Integration dieser Gleichung liefert uns ebenfalls o
als Function von T\ die Richtigkeit des auf diese Art er-
haltenen Resultates dürfte aber diesmal kaum zu bezweifeln
sein, umsomehr, als Pr. Grashof in seiner theoretischen
Maschinenlehre, Band I, S. 628, für eine analoge Aufgabe
dieselbe Differential-Gleichung au&tellt und integrirt, insofern
dessen Gleichung (10) an dem genannten Orte mit der obigen
identisch wird, wenn man den Coefficienten des Leitungs-
widerstandes il = setzt und sich die Röhre horizontal denkt,
wofür Co»!/; ebenfalls =0 zu nehmen ist.
Es Hesse sich nun leicht nachweisen, dass die Gleichung
(10) der obigen Differential -Gleichung Genüge leistet; ich
ziehe es aber, zum Behufe eines Vergleiches, spedell hier
vor, diese Gleichung unter der Annahme zu integriren, dass
R T
gegen ß= - die Einheit zu vernachlässigen ist-, die In-
tegration liefert dann die einfache Beziehung:
Ol
7
Als analoges Resultat giebt Gleichung (10) unter gleicher An-
nahme, wegen ß^l:
Wo 2 r 4 ^2
Die beiden letzten Relationen sind zwar in ihrer Bauart
sehr verschieden, sie liefern aber trotzdem gleiche Resultate,
wenn für j9, der Voraussetzung entsprechend, ein genügend
grosser Werth angenommen wird; setzen wir z. B.:
/3 = 200 und -^- = 2;
so erhalten wir einerseits:
(O
(0
=^2,
und andererseits:
Ol
Wo
0)
= 100 — V 10000 — 400 = 2,020.
Man kann übrigens auch:
4 T^
.=ih(-ji)-]=i(i-K- )
nach dem binomischen Satze entwickeln und hieraus findet
sich für /?=0D, gleichfalls:
« _ r
womit die vollkommene Uebereinstimmung erwiesen ist
Normen für die einheitliche Lieferang nnd Prftfong von Portland-Cement
Nach den Beschlüssen
des Architekten-Vereins zu Berlin, des Vereint Berliner Bau-Interettenten: Berliner Btumarkt, des Deutschen Vereine fOr Fabrikation von ZIniK
Thonwaaren, Kalk und Cement, des Vereins deutscher Cement- Fabrikanten.
Beschlossen 1877«
I.
Das Gewicht der Tonnen und Säcke, in welchen Port-
land-Cement in den Handel gebracht wird, soll ein einheit-
liches sein; es sollen nur Normal-Tonnen von 180^ brutto
und 170^8 netto, halbe Tonnen von 90^» brutto und 85 ^k
netto, sowie Säcke von 60 ^^ Bruttogewicht von den Fa-
briken gepackt werden.
Streuverlust, sowie etwaige Schwankungen im Einzel-
gewicht können bis zu 2 Proc. nicht beanstandet werden.
Die Tonnen und Säcke sollen die Firma der betrefifen-
den Fabrik und die Bezeichnung des Bruttogewichts tragen.
Motive zu I.
Ein einheitliches Gewicht der im Handel vorkommenden
Tonnen und Säcke existirt bis jetzt nicht Während die nord-
deutschen Fabriken Tonnen sowohl von 900 '^ als aach sdcbe
von 180 *"« packen, haben die Tonnen der west- und sfiddeatachen,
sowie die der meisten englischen Fabriken ehi Gewicht von 180^
brutto; es kommen indess auch noch leichtoe Tennen« nament-
lich im Elöinverkehr beim Wiedenrerkauf, vor. Da nnn der Fkeis
per Tonne gesteUt wird, so ist die Einfiähnmff eines einheitiiclMn
Gewichts im Interesse der Consumenten und des reellen Geachifti
dringend geboten. — Hierzu ist das weitaus gebräachlichate and
im internationalen Verkehr fast ausschlieselicm ffeltende Gewicht
yon 180^«^ brutto « ca. 400 Pfd. engl gewarnt worden. Die
theilweise noch übliche Tonne von 200^ soll ans nraktiadben
Gründen ausnahmsweise noch bis zum Schlosa des Jakres 18T9
zulässig sein.
•Normen für die einheitliche Lieferung and Prüfung von Portland-Cement.
650
fachdem die wesentlich billigere Verpackung in Säcken sich
iner Reihe von Jahren in Süddeutschland, Holland, Belgien,
.nd u. 8. w. für sehr viele Fälle als durchaus genügend er-
Q hat, ist diese Verpackuugsweise we^en der grossen, für
Oonsumenten zu erzielenden Erspamiss, namentlich für
$re Lieferungen, ganz besonders zu empfehlen. Für das zur
Itlichen Einführung zu bringende Gewicht von 1 Sack wurde
als das geeignetste befunden, weil ein solches Gewicht mit
tigkeit zu transportiren ist und weil dann das Bruttogewicht
Säcken dem von l Tonne entspricht.
n.
Je nach der Art der Verwendung ist Portland-Cement
un oder rasch bindend zu verlangen. Für die meisten
ke kann langsam bindender Cement angewandt werden
3s ist diesem dann wegen der leichteren und zuverläs-
;n Verarbeitung und wegen seiner höheren Bindekraft
r der Vorzug zu geben..
Als langsam bindend sind solche Cemeute zu bezeichnen,
le in '/s Stunde oder in längerer Zeit erst abbinden.
Erklärungen zu II.
im die Bindezeit eines Cementes zu ermitteln, rühre man
einen Cement mit Wasser zu einem steifen Brei an und
auf einer Glas- oder MetaUplatto einen etwa 1,5*'" dicken,
den Rindern hin dünn auslaufenden Kuchen. Sobald der
m so weit erstarrt ist, dass derselbe einem leichten Druck
em Fingernagel oder mit einem Spatel widersteht, ist der
Qt als abgebunden zu betrachten.
)a das Abbinden von Cement durch die Temperatur der
und des zur Verwendung gelangenden Wassers beeinflusst
insofern höhere Temperatur dasselbe beschleunigt, niedere
eratur es dagegen verzögert, so sollten die Versuche, um
•ereinstimmenden Resultaten zu gelangen, bei einer mittleren
eratur des Wassers und der Luft von etwa 16— IS** C. vor-
imen, oder, wo dies nicht anhängig, die jeweiligen Tempe-
'erhältnisse immer in Berücksichtigung gezogen werden.
Vährend des Abbindens darf langsam bindender Cement sich
wesentlich erwärmen, wohingegen rasch bindende Cemente
nerkliche Temperaturerhöhung aufweisen können.
^ortland-Cement wird durch längeres Lagern langsamer bin-
und gewinnt bei trockener, zugfreier Aufbewahrung an
kraft. Die noch vielfach herrschende Meinung, dass Portland-
Qt bei längerem Lagern an Qualität verliere, ist daher eine
und es soUten ContractsbesUmmungen, welche nur frische
e vorschreiben, in Wegfall kommen.
III.
Portland-Cement soll volumbeständig sein. Als ent-
lende Probe soll gelten, dass ein dünner auf Glas oder
degel ausgegossener Kuchen von reinem Cement, unter
3r gelegt, auch nach längerer Beobachtungszeit durchaus
Verkrümmung oder Kantenrisse zeigen darf.
Erklärungen zu III.
er zur Bestimmung der Bindezeit angefertigte Kuchen wird
: der Glasplatte unter Wasser gebracnt. Bei rasch binden -
ementen kann dies schon nach ^/^ bis 1 Stunde nach dem
shen der Probe geschehen, bei langsam bindenden dagegen
s, je nach ihrer Bindezeit, erst nach längerer Zeit^ bis zu
mden nach dem Anmachen^ stattfinden. Zeigen sich nun
den ersten Tagen oder nach längerer Beobachtungszeit an
anten des Kuchens Verkrümmungen oder Risse, so deutet
naweifelhaft „Treiben'* des Cementes an, d. h. es findet, in
einer allmäligen Lockerung des zuerst gewonnenen Zu-
mhangs , unter Volum Vermehrung eine beständige Abnahme
»stigkeit statt, welche bis zu gänzlichem Zerfallen des Ce-
) führen kann.
I
Eine weitere Probe zu gleichem Zweck ist die folgende: Es
wird der zu untersuchende Oement mit Wasser zu einem steifen
Brei angerührt und damit auf einem Dachzieffelstück , welches
mit Wasser vollständig getränkt, jedoch äusseruch wieder abge-
trocknet ist, ein nach aussen hin dünn auslaufender Kuchen ge-
gossen ; je nach der Bindezeit des Cements wird diese Probe, wie
oben angedeutet, nach kürzerer oder längerer Zeit unter Wasser
gelegt Wenn der Kuchen weder in den ersten Tagen, noch
später sich vom Stein ablöst, noch auch Verkrümmungen oder
Risse zeigt, so wird der Cement beün Bau nicht treiben.
IV.
Portland-Cement soll so fein gemahlen sein, dass eine
Probe desselben auf einem Sieb von 900 Maschen pro Q*^^
höchstens 25 Proc. Rückstand hinterlässt.
Motive und Erklärungen zu IV.
Da Cement fast -nur mit Sand, in vielen Fällen sogar mit
hohem Sandzusatz verarbeitet wird, die Festigkeit eines Mörtels
aber um so grösser ist, je feiner der dazu verwendete Cement
gemahlen war ^weil dann mehr Theile des Cements zur Wirkung
kommen), so ist die feine Mahlung des Cements von nicht zu
unterschätzendem Werth. Es erscheint daher angezeigt, die Fein-
heit des Korns durch ein feines Sieb von obiger Maschenweite
einheitlich zu controliren.
Es wäre indess irrig, wollte man aus der feinen Mahlung
allein auf die Bindekraft eines Cements schUessen, da geringe,
weiche Cemente weit eher sehr fein gemahlen vorkommen, sds gute,
scharf gebrannte; letztere aber werden selbst bei gröberer Mahlung
doch stets eine höhere Bindekraft aufweisen, als die ersteren.
V.
Die Biudekraft von Portland-Cement soll durch Prüfung
einer Mischung von Cement und Sand ermittelt werden. Die
Prüfung soll auf Zugfestigkeit nach einheitlicher Methode
geschehen, und zwar mittelst Probekörpem von gleicher Ge-
stalt und gleichem Querschnitt und mit gleichen Zerreissungs-
apparateu.
Die Zerreissungsproben sind an Probekörpem von
5Qcin Querschnitt der Bmchfläche vorzunehmen.
■
Motive zu V.
Da man erfahrungsgemäss aus den mit reinem Cement ffe-
wonnenen Fcstigkeits- Resultaten nicht einheitlich auf die Binde-
' fähigkeit zu Sand schliessen kann, namentlich wenn es sich um
Vergleichung von Cemcnten aus verschiedenen Fabriken handelt,
' so erscheint es geboten, die Prüfung von Portland-Cement am
; Bindekraft mittels Sandzusatz vorzunehmen.
Obgleich in der Praxis Portland-Cement fast nur auf Druck-
festigkeit in Anspruch genommen wird, so ist doch, wegen
der Kostspieligkeit der bis jetzt bekannten Apparate und der
schwierigeren Ausführbarkeit der Proben, von aer Prüfung auf
i Druckfestigkeit Abstand genommen, und die weit leichtere und
einfachere Prüfung auf Zugfestigkeit gewählt, um so mehr, als
die hier empfohlenen Proben vor allem die leicht ausftOirbare
Controlirung der Eigenschaften des zum Bau gelieferten Cements
bezwecken sollen und die Zugfestigkeit einen hinlänglich sicheren
Schluss auf die Druckfestigkeit zulässt
Um voUständige Einheitlichkeit bei den Prüfungen su wahren,
wird empfohlen, für den Bezug der Kormalformen, Zerreissungs-
api>arate und der übrigen zur Prüfung erforderlichen Geräthe nur
diejenigen Quellen zu benutzen, welche von dem Vorstande des .
„Deutschen Cement-Fabrikanten-Vereins " nachgewiesen werden;
hierzu sollen Bekanntmachungen in Fachblättem >*rfolgen.
VL
Guter Portland-Cement soll bei der Probe mit 3 Gew.-
Theilen reinem scharfen Sand auf 1 Gew.-Theil Cement nach
653
Beck, Noch ein Wort über den Begriff „Maschine".
654
oder Verringernng der Verdichtung der Masse einwirkt, auch
sofort die Festigkeit verändert.
Will man die Probe auf absaugender Unterlage machen, so
nehme man auf 1000 Gew.-Theile Cement 330 Gew.-Theile Wasser;
der Ueberschuss von Wasser wird hier von der Unterlage auf-
gesaugt und dadurch eine bedeutende Verdichtung der ganzen
&8se herbeigeführt Selbstverständlich mtkssen die Unterlagen,
um die absaugende Eigenschaft zu behalten, öfter gewechselt und
getrocknet werden. Nachdem die Masse in die Form gegossen
wt, werden' durch Anklopfen an die Form die Luftblasen ent-
fernt Nachdem die Oberfläche abgestrichen und eine leichte
Erstarrung eingetreten ist, kehrt man die Form um, so dass nun
auch die obere Seite abgesaugt wird. Die Masse sinkt in Folge
der Verdichtung in der Form. Man füllt dann von neuem Cement
auf, streicht bei beginnender Erstarrung ab und zieht die Form
vorsichtig vom Probekörper ab. Haftet hierbei der Cement zu
fest an der Form, so klopft man die Form von allen Seiten leise
an, wodurch eine Lösung von den Wandungen bewirkt wird. —
Es gehört einige Uebung dazu, um auf diesem Wege zu guten,
gleichmässige Festigkeit zeigenden Probekörpem zu gelangen.
Die weitere Behandlung und Prüfung der Probekörper hat
dann wie oben beschrieben zu geschehen.
Noch ein Wort über den Begriff „Maschine".
Von
Th. Beck in Darmstadt.
Im siebenten Hefte dieser Zeitschrift giebt Herr Professor
Reuleaux einige dankenswerthe Erläuterungen darüber, wie er
seine Definition des Wortes „Maschine*' verstanden haben möchte.
£8 sei mir gestattet, in Betreff dieses Gegenstandes noch Fol-
gendes zur Erwägung zu empfehlen.
Die Bedeutung eines Wortes kann nicht theoretisch be-
wiesen werden. Man kann nur durch Beobachtung der That-
sache, wie ein Wort gebraucht ¥drd, dessen Bedeutung feststellen.
Herr Prof. Reuleaux giebt zu, dass dem Worte „Maschine'*
ursprünglich allein der Gedanke der künstlichen, durch Men-
schenhand geschehenen Herstellung zu Grunde gelegen hat, und
dass dasselbe bei späterer Umgestaltung nur noch eine Beschrän-
kung erfuhr, indem es sich mit Vorzug an dasjenige künstliche
Hülfsmittel anschloss, dessen Theile gegen einander beweglich sind.
Wollte man also für die Folge auch Naturproducte zu den
Maschinen zählen, so würde man die seither anerkannten Grenzen
dieses Begriffes überschreiten.
Herr Professor Reuleaux hält dies für noth wendig, um „einen
freieren Standpunkt zu erklimmen'** und bezeichnet Besorgnisse,
welche Maschinentechniker hiergegen hegen, als „seltsame".
Auf Seite 39 seiner Kinematik sagt er dagegen, dass die
Untersuchungen des Theoretikers eigentlich für die Praktiker an-
gestellt werden und fährt fort: „Sie als Specialisten haben das
Hecht, bis zu einem gewissen Grade volle Concentration auf die
Aufgabe zu fordern." Wendet sich dieser Passus auch an der
betreffenden Stelle zunächst gegen die „Verdünnung und Verflüch-
tigung" der Aufgabe des Maschinenbaues durch reine Mechanik,
80 ist doch nicht einzusehen, warum die Praktiker nur nach dieser
einen Seite hin das Recht haben sollten, die Grenzen der betreffen-
den Aufgabe zu hüten. Von ihrem Standpunkte aus dürfte es aber
immer noch als nutzbringender erscheinen, wenn ein Studirender
des Maschinenbaues etwas zu viel Zeit auf reine Mechanik verwen-
det, als wenn er sich mit Betrachtungen über Wippsteine, Spring-
qaellen und dergl. beschäftigt. Ob Naturforscher Vortheil daraus
ziehen können, wenn sie diese Naturgebilde Maschinen nennen,
kann Techniker nicht so interessircn, dass sie desshalb die Grenzen
der Aufgabe des Maschinenbaues möchten wegräumen lassen.
Auch ist nicht abzusehen, ob man es, wenn dies geschähe, bei
Hereinziehung einiger Naturseltenheiten würde bewenden lassen.
Was z. B. Springquellen betrifft, so ist die Höhe, bis zu welcher
sie springen, für die vorliegende Frage ganz unwesentlich und es
wäre nur consequent, wenn man alle QueUen mit in den
Maschinenbau hereinzöge. Auch bei den Felsblöcken ist die Ver-
suchung zum Erklimmen immer freierer Standpunkte sehr gross.
Will man aber mit Herrn Prof. Reuleaux Naturproducte
unter die Maschinen rechnen, so kann man nicht, wie er es eben-
falls wünscht, das in seiner Definition vorkommende Wort „ein-
gerichtet" so auffassen, dass es die absichtsvolle Zusammen-
bringung der Körper zu einem Maschinengebilde ausdrückt, denn
darunter kann nur verstanden sein, dass der Schöpfer der be-
treffenden Körperverbindung sie mit der Absicht hergestellt
habe, eine Maschine zu machen. Der stärkste Glaube aber
dürfte noch starke Zweifel darüber zulassen, dass diese Absicht
bei Erschaffung von Wippsteinen und Springquellen zu Grunde
gelegen habe.
Bestreitet man, dass in der Definition der Maschine von einer
bestimmten mechanischen Arbeit die Rede sein dürfte, so muss
andererseits auch bestritten werden, dass man darin von be-
stimmten Bewegungen reden darf. Die Geschwindigkeit der
Bewegungen bleibt in der Regel unbestimmt und lässt sich durch
Regulatoren nur zu einer annähernd bestimmten machen, die
Richtung bleibt unbestimmt, wenn ein Mechanismus sowohl Vor-
ais Rückwärtsgang gestattet und selbst die Bahn, welche bei der
Bewegung beschrieben wird, ist manchmal nur in gewisser
Hinsicht bestimmt. Ein Krahn z. B. kann langsam und schnell,
rückwärts und vorwärts arbeiten, kann die Last aus verschiedenen
Richtungen herbeiziehen und gestattet dieser, sobald sie vom
Boden aufgehoben ist, beliebige Pendelschwingungen und Drehungen
um die durch den Auf hängepunkt gehende Verticalachse. Die
Annäherung oder Entfernung zwischen Last und fester Seil- oder
Kettenrolle ist hier der einzige bestimmte Factor der Bewegung,
in jeder anderen Hinsicht aber bleibt sie unbestimmt.
Stellt man sich auf den Standpunkt, dass in der Definition
jedes Wort in seiner strengsten Bedeutung genommen werden
müsse, so kann man weder von bestimmter Arbeit, noch von be-
stimmter Bewegung bei Maschinen im Allgemeinen reden und man
wird dann am besten auf diese Definition verzichten, wie so viele
von den bedeutendsten Autoren gethan haben; betrachtet man
aber das Attribut ,^ bestimmt" in gewisser Beschränkung für die
Bewegung als zulässig, so ist es dasselbe auch ebenso für die
i
655
Beck, Noch ein Wort über den Begriif „Maschiue".
656
mechamsche Arbeit; ja aus der ersteren Annahme folgt sogar die
letztere mit einer gewissen logischen Nothwendigkeit, insofern es
sinn- und zwecklos sein würde, Naturkr&fte zur Erzeugung be-
stimmter Bewegungen zwingen zu wollen, wenn dies nicht
zur Verrichtung bestimmter mechanischer Arbeit noth-
wendig wäre. Um unbestimmte mechanische Arbeit zu ver-
richten, ist bestimmte Bewegung nicht erforderlich. Der Aus-
druck: der Zweck einer Maschine sei Verrichtung bestimmter
mechanischer Arbeit, findet auch nicht nur darin noch eine ge-
wisse Rechtfertigung, dass man im Sprachgebrauche die Maschinen
nach den bestimmten mechanischen Arbeiten, denen sie dienen
sollen, zu benennen pflegt, sondern, dass auch jedem Constructeur
bestimmte durch die Maschine zu verrichtende Arbeiten gegeben
sein müssen, wofür er die Maschine construiren soll und dass
äusserst selten eine Maschine verschiedenen Zwecken gleich gut
dienen kann, wenn nicht wenigstens gewisse Details, sei es nun
Werkzeug, Receptor oder Steuerung, vorher geändert oder aus-
gewechselt werden. Solche Aenderungen einzelner Details mögen
dem Theoretiker unwesentlich erscheinen; dem Praktiker aber,
dem die tadellose Verrichtung der bezweckten Arbeit die Haupt-
sache sein muss, müssen dieselben ebenso wichtig erscheinen, als
die allgemeine Anordnung, oder der kinematische Zusammenhang
einer Maschine. Wohl ist es von grossem Nutzen, die bei Lösung
verschiedener Aufgaben sich ergebenden Analogien aufzusuchen,
aber man darf desshalb doch auch die Verschiedenheiten nicht
übersehen, welche die Natur einer jeden Aufgabe mit sich bringt.
Wenn man, anstatt zu sagen, dass die Maschine zur Verrich-
tung mechanischer Arbeit „dient**, sagen wollte, dass sie dazu
,. befähigt sei^S so wäre dagegen einzuwenden, dass eine Maschine
an und für sich nicht fähig ist, mechanische Arbeit zu ver-
richten, sondern dass diese durch die motorische Kraft verrichtet
wird, während die Maschine nur dazu dient, d. h. das Mittel ist,
die Bewegung, unter der die motorische Kraft wirkt, resp. die
mechanische Arbeit zu einer bestimmten zu machen.
Wird dem Worte „wirken" in der Beule au x 'sehen Defini-
tion die Bedeutung: verrichten mechanischer Arbeit beigelegt, so
können Waagen, Uhren, Theodolithe und Teleskope nicht mehr
als dieser Definition entsprechend betrachtet werden, denn man
kann nicht sagen, dass diese Vorrichtungen als Ganzes betrachtet
den Zweck hätten, mechanische Arbeiten zu verrichten, d. h.
Lasten zu heben oder andere Widerstände zu überwinden.
Die Ansicht, dass Waagen, Uhren und Theodolithe keine Ma-
schinen seien, ist auch durchaus keine exceptionelle. Beispiels-
weise findet man in Redtenbacher's „Maschinenbau** Waagen
und Uhren in einem besonderen Kapitel den Bewegungsmechanismen
unmittelbar angereiht, welches die Ueberschrift : „Messinstrumente**
führt. Der Anfang dieses Kapitels lautet: „Die Messinstrumente
können eingetheilt werden in geometrische und mechanistische.
Zu den ersteren gehören die Winkel-, Flächen- und Körpermess-
instrumente. Ihre Theorie gehört in das Gebiet der praktischen
Geometrie. Zu den letzteren gehören die Instrumente zur Bestimmung
a) der Gewichte der Körper, Waagen; b) der Kräfte, Dyna-
mometer, Manometer; c) der Zeit, Uhren.
Die Theorie dieser mechanistischen Instrumente gehört in das
Gebiet der Mechanik, daher wir uns mit einigen derselben be-
fassen wollen.**
Ueberall ist hier die Bezeichnung „Maschine** sorgfältig ver-
mieden, ja Redtenbacher scheint gerade die weitläufige Be-
zeichnung „mechanistische Instrumente" gewählt zu haben, nm das
Wort „Maschinen** zu vermeiden. Theodolithe und alle Instru-
mente, welche zum Messen geometrischer Grössen dienen, werden
in das Gebiet der praktischen Geometrie verwiesen, obgleich es
dem Verfasser nicht unbekannt sein konnte, dass mancherlei
Mechanismen an denselben vorkommen; bezüglich der Waagen,
Uhren und Dynamometer aber, welche zum Messen von Kraft und
Zeit dienen, wird nicht gesagt, dass sie in das Gebiet des Ma-
schinenbaues gehörten und dass man sie desshalb in dem vor-
liegenden Werke über Maschinenbau abhandeln müsse, sondern
nur, dass man sich mit einigen derselben beschäftigen wolle,
weil ihre Theorie in das Gebiet der Mechanik gehöre.
Weisbach handelt in seiner „Ingenieur- und Maschinen-
mechanik**, Seite 234^284, Waagen und Dynamometer ebenfalls
in einem besonderen Kapitel ab, welches die Ueberschrift fiihrt:
„Von dem Messen der bewegenden Kräfte und ihrer Wirkungen**
und welches dem ganzen Abschnitt, in welchem die verschiedenen
motorischen Kräfte und die Maschinen zu deren Aufnahme be-
sprochen werden, nur zur Einleitung dient. Nirgends werden in
diesem Kapitel die erwähnten Messinstrumte Maschinen genannt
und erst das folgende, zweite Kapitel handelt „Von den Menschen-
und Thierkräften, sowie von den Maschinen zur Aufnahme der-
selben.** Die Uhren aber werden in Weisbach*s Ingenieur- und
Maschinenmechanik gar nicht behandelt.
Wenn man nach Reuleaux*s Definition emen Theodolitfaen
eine Maschine nennt, so möchte schwer anzugeben sein, warum
ein Zirkel nicht auch diesen Namen verdienen sollte. Beim Zurkel
ist durch ein Umschlusspaar der eine Fuss zu einer bestimmten
Relativbewegung gegen den anderen Fuss gezwungen und wenn
eine Kraft die e Bewegung erzeugt, so hat sie dabei einen Rei-
bungswiderstat i zu überwinden; beim Theodolithen ist durch
dasselbe Umschlusspaar der eine Theil, das Femrohr, zu der-
selben Relatl bewegung gegen den anderen Theil, den Lager-
träger, gezwunf^en, und wenn eine Kraft diese Bewegung bewirkt,
so hat sie gleichfalls Reibungswiderstand zu überwinden.
Warum sollte ai» ein Theodeiith der Renleanx^schen Definition
der Maschine l .sser entsprechen als ein Zirkel? Der Umstand,
dass bei jenem dieselbe Paarung, welche zwischen Femrohr
und Lagerträger besteht, sich zwischen Lagerträger und Hori-
zontalkreis wiederholt, kann einen solchen Unterschied nicht
begründen. El ^ wenig kennen es die Nonien und Lupen,
welche an den jodolithen angebracht sind, oder der Umstand,
dass das eine i/^^trument zum Winkelmessen, das andere zum
Linienmessen diei . — Nun ist aber doch Thatsache, dass man
eher geneigt ist, « en Theodolithen eine Maschine zu nennen, als
einen Zirkel mit .iesem Namen zu beehren. Zur Erklärung dieser
Thatsache gieb' die Reuleaux*sche Definition keinerlei Anf-
schluss, denn o ^elbe gehört zu demjenigen Fällen, von welchen
ich im fünften Hefte dieser Zeitschrift gesagt habe, dass man oft
genöthigt wäre, zu der alten, ganz allgemeinen Bedeatung : , Jdog
ersonnenes, kimstreich angefertigtes Hülfsmittel ** zurückmigehen,
um die Benennung „Maschine** rechtfertigen zu können. Nur
aus diesem Gesichtspunkte verdient der Theodolith in weit höherem
Maasse als der Zirkel den Namen Maschine. Auch hieraus er-
sieht man, dass die künstliche HersteUung thatsächlich als
wesentlich zu dem Begriff ..Maschine** gehörig betrachtet wird
ja dass sie im alltäglichen Sprachgebrauch oft das Entscheidende
zu dieser Benennung ist.
Druck von A. Th. Engelh&rdt in Leipzig.
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