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Full text of "Der Einfluss von Ariost's Orlando furioso auf das französische Theater"

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MÜNCHENER BEITRÄGE 



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HERAUSGEGEBEN 



VON 



E BREYMANN und J. SCHICK. 



XXXIV. 

DER EINFLUSS VON AEIOST'S ORLANDO FUEIOSO AUF 

DAS FRANZÖSISCHE THEATER. 



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LEIPZIG. 

A. DEICHERT'SCHE VERLAGSBÜCHHANDLUNG NACHF. 

(GEORG BÖHME). 

1905. 



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DER EINFLÜSS 



VON 



ARIOST'S ORLANDO FÜRIOSO 



AUF DAS 



FRANZÖSISCHE THEATER 



VON 



Db. TH. ROTH, 

OBERLEHRER AM REALGYMNASIUM ZU VEGESACK. 



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LEIPZIG. 

A. DEICH ER T'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG NACHT. 

(GEORG BÖHME). 

1905. 



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Alle Rechte vorbehalten. 



Inhalt. 



Seite 
Vorwort VI 

Benützte Literatur VII 

Einleitung. 

1. Der Einfluß Italiens auf die französische Literatur im all- 
gemeinen 1 

2. Der Einfluß Italiens auf die franz. Lyrik 9 

3. Italienischer Einfluß auf das franz. Epos . . ' 25 

4. Italienischer Einfluß auf die Erzählung und den Roman . 29 

5. Italienischer Einfluß auf das franz. Theater. 

I. Italienische Schauspieler in Frankreich 37 

II. Einfluß Italiens auf die franz. Tragödie 45 

lU. Einfluß Italiens auf die franz. Komödie 53 

IV. Einfluß Italiens auf die franz. Pastorale 67 

V. Einfluß Italiens auf die franz. Oper 71 

Ariost in Frankreich. 

I. Übersetzungen 75 

II. Ariost in der franz. Lyrik 76 

III. Ariost im franz. Epos 88 

IV. Ariost im franz. Theater 102 

1. Die Bradamante-Episode " 104 

2. Die Koland-Episode 166 

3. Die Isabella-Episode 1^4 

4. Die Ginevra-Episode 203 

5. Die Alcina-Episode 220 

6. Die Joconde-Episode 225 

7. Die Erzählung vom Zauberbecher 234 

8. Die Erzählung von den verzauberten Quellen . . . 241 

9. Die Erzählung vom Amazonenstaate 242 

10. Die Ring-Episode 244 

11. Die Atlante-Episode 245 

12. Einzelne Entlehnungen aus dem Orl. für 245 

Ergebnisse 248 

Anhang: Ariost-Ubersetzungen 256 



Vorwort. 



Die Torliegende Abhandlung ist der erste Versuch, ein 
Gesamtbild zu geben von dem Einfluß, den der Orlando fu- 
rioso des Ariost auf die französische Literatur ausgeübt 
hat. Ihre Entstehung verdankt sie in erster Linie den An- 
regungen und Katschlägen meines hochverehrten Lehrers, 
Herrn Professors Dr. Breymann. Daher sei es mir ge- 
stattet, ihm an dieser Stelle meinen tiefen Dank für seine 
mühevolle Unterstützung sowohl bei der Abfassung der Arbeit 
als auch ganz besonders bei der Durchsicht der Korrekturen 
auszusprechen. 

Ebenso herzlich danke ich Herrn Professor Dr. Schick 
für seine liebenswürdige Beihilfe bei der Durchsicht der 
Korrekturen; ferner der Staats- und der Universitäts- 
bibliothek zu München, der Stadtbibliothek zu 
BTemen, der Kgl. Bibliothek zu Berlin, endlich den 
Bibliotheken de PArsenal, Mazarine, Ste-Genevieve 
und der Nationalbibliothek zu Paris, welche alle 
meine Wünsche, soweit sie vermochten, mit bekannter Bereit- 
willigkeit und Liebenswürdigkeit erfüllt haben. 



Benutzte Literatur. 



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Aumer, Gh.: Astolphe et Joconde ou les coureurs d^avan- 

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Coignee de Bourron: Les Amours d'Angelique et de 
Medor avec les furies de Roland et la mort de Sacri- 
pant, Roy de Circassye et plusieurs beaux effets con- 
tenus en cette tragedie tiree de FArioste et qui est en 
cinq actes en vers sans distinctions de scenes. Troyes. 
(N. Oudot). 1620. 12». 

[Coignee de Bourron]: Les Amours de Zerbin et d'Isa- 
belle princesse fugitive oü il est remarque les perils et 
grandes fortunes passees par le dit Zerbin recherchant 
son Isabelle par le monde, et comme il est delivre de 
la mort par Roland. T[royes]. 1621. 12^ 

Colle, Ph.: Joconde, opera comique en 2 actes et en vau- 
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— XIV — 

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Lafontaine, J. : CEuvres, p. p. H. Regnier (Grands Ecri- 
vains de la France). P. 1884—93. 11 Bde. S^ 

La Harpe, J. F.: Cours de litterature. P. 1834. 2 Bde. 8^ 
Lamartine, A. : CEuvres, P. (Lemerre). 1885—87. 12 Bde. 16^ 

Lanson, G. : Histoire de la Litterature frangaise, 7e ed. 

P. 1902. 8^ 
La Porte et Chamfort: Dictionnairedramatique. P. 1774. 

2 Bde. 80. 

Laumonier: La Cassandre de Ronsard, in: Rev. de la 
Renaiss. 1902 (oct-dec). 

Landau: Die Dramen von Herodes und Mariamne, in: Z. f. 
vgl. Lit. 1895. VIII, 175 ff., 279 ff. 

Laur, E. : Louise Labe: Zur Geschichte der franz. Lite- 
ratur des 16. Jahrh.'s Straßburg. 1873. 8^. 

Laval, Mathieu de: Isabelle, imitee de TArioste. P. 
1576. 8^ 

Lefranc, A. : Le platonisme en France au XV® et au 
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Dancourt. P. 1882. 8«. 

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Neudruck. P. 1810. 2 Bde. 8^ 

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de J. Vauquelin de la Fresnaye. P. 1887. 8®. 

Lenient, C. : La Comedie en France au 18® siöcle. P. 
1888. 2 Bde. 8^ 

Lepage: Le Theatre en Lorraine. P. 1897. 8^ 

Le Sage, A. R. : Les eaux de Merlin. Opera comique en 
un acte et en Vaudeville, im 2. Bande des Thßätre de 
la Foire, contenant les meilleures piöces, qui ont ete re- 
pr^sentees aux foires de St-Germain et de St-Laurent . . . 
recueillies, revues et corrigees p. M. M. Le Sage et 
d'Orneval. P. (Etienne Ganneau). 1721. 9 Bde. 12». 

Le Sage et d'Orneval: L'isle des Amazones. Opera Co- 



— XV - 

mique en un acte et eo Vaudeville, im 3. Bande des 
Theätre de la Poire. P. 1721. 9 Bde. 12^ 

Lintilhac, C. : Precis bist, et crit. de la Litterature fran- 
Qaise. I. Bd. P. s. a. [1890/91.] 8. 

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: Moliere und die spanische Komödie, in : Herr.'s Arch. 

1878, LX, 284ff. [Cf. Frz. Stud. 1881. II, 154ff.]. 
: Moliöre's Leben und Werke. Heilbronn. 1881. 8®. 

Mahelot, E. : Memoire de plusieurs decorations [begonnen 
V. L. Mahelot, fortg. v. M. Laurent i. J. 1675; Bibl. 
nat. : mss. fr. 24330] ; zitiert nach Rigal : Hist. du Theätre 
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Mairet, J. de: Le Roland furieux. Tragicomedie. A Paris. 

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Malherbe, F. de: CEuvres compl., p. p. Laianne. P. 1862. 

5 Bde. 8«. 
Marigny, F.: Les Fetes de Versailles. P. 1664. 8^ 
Marmontel, J. F.: CEuvres compl. P. 1818. 19 Bde. 8<^. 
: Le Roland furieux, trag, lyr., musique de Piccini. 

P. 1875. 8«. 
Marot, J. : CEuvres, p. p. Jeannet. P. 1883. 4 Bde. 8^ 
Marpillero, G. : I suppositi del L. Ariosto, in: Grior. stör. 

1898. XXXI, 291 flf. 
Maulde, R. de: Louise de Savoie et Frangois I®^ P. 

1895. 8^ 
Maupoint: Bibliotheque du Theätre frangois. P. 1783. 8^ 
Mellin de St-Gelais: (Euvres, p. p. Blanchemain. (Bibl. 

elzev.) P. 1873. 3 Bde. 8^ 
Merz, J. : Carlo Goldoni in seiner Stellung zum franz. Lust- 
spiel. Eine Quellenuntersuchung (Diss.). Lpz. 1903. 8®. 
Moliere, J. B. : CEuvres, p. p. Despois et Mesnard. (Gr. 

Ecr. de la Fr.) P. 1873—93. 11 Bde. 8«. 



— XVI — 

Monselet, Ch.: Les Oublies et les Dedaignes. P. 1857. 

2 Bde. 8^ 

Montchrestien, A. de: Les tragedies, d'apres Tedition de 

1604, p. p. L. P. de Julleville. P. 1891. 8^ 
Montreux, Nicolas (Ollenix du Mont Sacre): Bergeries 

de la belle JuUiette, Ensemble la Tragedie d'Isabelle 

De rin vention d'OUenix du Mont Sacre, Gentilhomme 

du Mayne. A Paris (Chez G. des Rues). 1695. 4 Bde. 

12<> (Paris. Bibl. nat.: Y^ 7068 u. Y 7069). 
Morf, H. : Die franz. Literatur zur Zeit Franz L (1515 — 

1547), in: Herr.'s Arch. 1895. XCIV, 207 ff. 
Morillot, P. : Scarron et le genre burlesque. P. 1888. 8^ 
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136 ff.). 
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(Cfr. Herr.^s Arch. 1900, CII, 229 und Gior. stör. XXIX, 

142). 
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Palissot, Gh.: Memoires pour servir k Thistoire de notre 

temps. P. 1763. 8^ 
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repres. p. les Comediens italiens. P. (Briasson). 1731. 

3 Bde. 12«. 



— xvn - 

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Pifteau, C: Hist. du Theätre en France. P. 1879. 8^ 
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Ronsard. (These). Marseille. 1895. 8^. 
Pinvert: L. de Baif. P. 1900. 8^ 
Quinault, Ph. : Le Roland furieux, Tragödie lyrique. P. 

1685. 80 (Paris. Bibl. nat.: YTh. 15725). 
Rabelais, Fr.: CEuvres, p. p. L. Jacob Bibliophile. P. 

1853. 8». 
Rajna, P.: Le Fonti delP Orl. für. 1. Aufl. Fir. 1876. 8^ 
Regnier, M. : CEuvres, p. p. Jeannet. P. 1874. 8^ und 

E. Courbet. P. 1875. 8«. 
Reynier, G.: Thomas Corneille. (Thöse). P. 1892. 8^ 
Rathery, E. J. B. : L'Infl. de Tltalie sur les lettres fr. P. 

1853. 8^ 
Riccoboni, L.: Histoire du Theätre italien. P. 1731. 8^ 
Riemann, H.: Opernhandbuch. Lpz. 1887. Suppl. 1893. 8^ 
Rigal, E. : La Pastorale, in: JuUeville's Histoire de la 

langue etc. (1897). III, 316 ff. 
: Le Th§ätre fr. avant la periode classique etc. P. s. a. 

[1901]. 8». 

II 



— XVIII — 

Rigal, E.: Les personnages de la Comedie au 16® siede, in: 

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Robiou, E. : Essai sur Thist. de la litt, et des moeurs pen- 

dant la premiöre moitie.du 17« siecle. Sous le rögne 

de Henri IV. P. 1858. S^. 
Rochon de Chabannes: Heureusement, Comedie en ün 

acte et en vers, p. p. J. J. Olivier. P. 1903. 8^ 
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I. Bd. des Nouveau Theätre de la Foire; P. 1765. 

4 Bde. 8«. 
Rolland, R. : Histoire de TOpera en Europe avant LuUy. 

P. 1895. 8«. 
Ronsard, P. : CEuvres, p. p. P. Blanchemain. P. 1857 — 67. ' 

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mann.) s. a. 8^. 
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Saint-Marc Girardin: Tableau de la litterature fran- 

Qaise du 16^ siecle. 5« ed. P. 1883. 8^ 
Sauvage, F. et***: Angelique et Medor, Opera bouffe 

en 1 acte. P. 1843. 8». 
Scarron, P. : Le Roman comique, p. p. V. Fournel. P. 

1857. 2 Bde. 16«. 
Schirmacher, K. : Theophile de Viau, in: Herr.'s Arch. 

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1902. 8«. 
Schoembs, J. : Ariost's Orlando furioso in der englischen 

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1898. 8<>. 
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in: Z. f. frz. Spr. u. Litt. 1888. X, 113 flf. 
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1875, Nr. 149. 



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ahmer Lope de Vega's. Berlin. 1891. 8^ 

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d. Lit., herausg. v. E. Schmidt 1899, Bd. X, 2. Abteil. 

Stemplinger, E. : Ronsard u. d. Lyriker Horaz, in: Kört. 

Z. f. neufrz. Spr. u. Lit. 1904. XVI, 70 ff. 
Texte, J.: Les origines de la Renaissance, in: Rev. des 

Cours et Conferences 1894, nov.-mars. S. 248 ff. 
: L^nfluence italienne dans la Renaissance fran^aise, 

in: Etudes de litterature europfienne. S. 25 — 48. P. 

1898. 8«. 

Toldo, P. : A proposito d'una fönte ital. del Tartuffe, in: 

Gior. stör. 1894. Bd. 23, S. 297 ff. 
: Contributo allo studio della Novella francese del XV 

e XVI secolo. Roma. 1895. 8^. 
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l'Hist. litt, de la Fr. 1897. IV, 366 ff.; 1898, V. 554ff.; 

1899. VI, 571 ff. 

: L'arte italiana nell' opera di Rabelais, in : Herr.'s Arch. 

1899. Bd. 100, S. 103. 
: Dell' Espion de G. P. Maranno e delle sue attenenze 

con le Lettres persanes del Montesquieu, in: Gior. stör. 

1897. XXVIII, S. 84 ff; XXIX, 47 ff. 

11* 



— XX — 

Toldo, F.: La Bottegä» del cafe e VEcossaise del Voltaire, 
in : Gion stor. XXXI, 442. 

— — : Quelques sources italiennes du Theätre comique 

d'Houdar de la Motte, in: Annales . . . Bull. ital. 1900. 

I, 200 ff. 
: La poesie burlesque, in: Z. f. rom. Phil. 1901. 

XXIV u. XXV und RhlF., 1901. VIII, 669 ff. 
Torraca, F.: Gl' imitatori del Sannazaro. Roma. 1882. 8^. 
Trautmann: Franz. Schauspieler am bayerischen Hofe, in: 

Jahrbuch f. Münchener Geschichte II, J83. 
Treverret, Ch.: L'Italie au 16« siöcle. P. 1879. 11« serie. 

8« [Cfr. Rev. critique 1880, S. 37]. 
Vaganay,H.:Le Sonnet en Italic et en France au 16® siöcle. 

Lyon. 1902. 8». 
Vaganay et Vianey: Un modele de Desportes, in: Rev. 

d'Hist. litt. 1903. X, 277 ff. 
Vaganay: Du Bellay et les Rimes diverses, in: Rev. d'Hist. 

litt. 1901. VIII. 
Vauquelin de la Fresnaye: Diverses poesies, p. p. 

J. Travers. Caen. 1869. 2 Bde. 8«. 

— — : Les Foresteries, p. p. J. Travers. Caen. 1872. 8^. 
Vianey, J.: Mathurin Rögnier. P. 1896. S^, 

: Les ödes pindariques de Ronsard, in : Rev. d. langues 

rom. 1900. sept.-oct. 

L'Arioste et la Pleiade, in: Bull. ital. I, 293—317. 
La Source de TOlive, in: Rev. crit. 1902. 21 oct. 
ün modele de Desportes non signale encore, in : Rev. 
d'Hist. litt, de la Fr. 1903. X, 277 ff. 

: L'Arioste et les Discours de Ronsard, in: Rev. üni- 

versitaire 1903. XII, 473—75. 
: La part de l'imitation dans les Regrets, in : BuU. ital. 

IV, Iff. 
Vollhart, W. : Die Quelle von Moliere's Tartuffe, in: Herr.'s 

Arch. Bd. 91, S. 55—68. 
Voltaire: CEuvres, p. p. Beuchot. P. 1829—34. 70 Bde. S^ 
Wagner, E. W. : Mellin de St-Gelais. — Eine literarische 

u. geschichtliche Untersuchung. Ludwigshafen a. Rh. 

1893. 8<>. 



- XXI — 

Weinberg, G.: Geschichte des franz. Schäferspiels in der 

ersten Hälfte des 17. Jahrh.'s. Prankfurt a. M. 1884. 8^ 
Wenzel, G. : P. Larivey's Komödien und ihr Einfluß auf 

Moliöre, in: Herr.'s Arch. Bd. 82, S. 63-81. 
: Ästhetische und sprachliche Studien über Antoine de 

Monchretien, im Vergleich zu seinen Zeitgenossen. (Diss.). 

Weimar. 1885. 8<>. 
Y u n g : Moli^re's Stegreif komödien, in : ZfrSp. XXII, 190 flf. 
Zumbini, B.: Studj di lett. stran. Firenze. 1893. 8^ (Vgl. 

Gier. stör. Bd. 23, 292 ff.). 



Anm. In der obigen Liste sind folgende von dem Verfasser 
benutzte Arbeiten nicht mit verzeichnet worden, da deren Titel bereits 
bei Klein, der Chor, p. IX ff.. Fest, der Miles glor., p. IX ff.; Ebner, 
Beitrag, p. IX ff.; Buchetmann, Rotrou's Antigone, p. VIII ff. ; Böhm, Bei- 
träge, p. Xff. und Holl, Tendenzdrama, p. Xff. aufgeführt sind: Amicis, 
L'imitazione latina; Ancien theätre fr., p. p. Viollet le Duc; D^Ancona, 
I comici italiani; Anecdotes dramatiques; Baschet, Les comediens; 
Beauchamps, Recherches; Belleau, (Euvres poetiques; Bibliotheque 
du th. fr., p. p. La Valliere; Birch-Hirschfeld, Geschichte; Brunet, 
Manuel; Ohasles, E., La comedie; Chasles, Ph. Etudes; Creizenach, Ge- 
schichte; Darmesteter et Hatzfeld, Le 16e siecle; Dhom, Welches ist 
das Verhältnis . . . . ; Des Masures, Tragedies sainctes ; Didot, Dict. gen. ; 
Doumic, Marguerite de Navarre; Du Verdier, La biblioth^ue; l abert , 
Entwicklungsgeschichte; Faguet, La tragedie; Fournier, Le theätre fr. 
au 16e et au 17e siecle; Fournier, Varietes hist. et litt.; Garnier, Les 
tragedies, herausgeg. v. W. Förster; Gaspary, Geschichte; Goedeke, 
Grundriß; Goujet, Bibliotheque; Gröhler, P. Scarron; Haag, La France 
protestante; Histoire universelle des theätres; Jodelle, (Euvres, p. p. 
Marty-Laveaux ; Journal du theätre frangais (zitiert nach Faguet); 
Julleville, Histoire du theätre en Fr. au m. äge; derselbe, Hist. de la 
langue etc.; Kahnt, Gedankenkreis; Klein, Geschichte des Dramas; 
La Croix du Maine et du Verdier, Les bibliothäques ; Larivey, Les 
Comedies; La Taille, Jacques de, (Euvres; Lenient, La Satire; Leris, 
Dictionnaire portatif; Lotheissen, Moliöre; derselbe, Geschichte; Lucas, 
Histoire philosophique ; Mairet, Silvanire, herausgeg. v. K. Otto ; Magnin, 
Les origines; Marguerite de Navarre, L'Heptameron ; Michaud, Biogr. 
univ. ; Moland, Molifere et la com. ital. ; Moreri, Le grand Dictionnaire 
historique; Morf, Geschichte; Mouhy, Tablettes dramatiques; derselbe, 
Abrege; Nagel, A. de Baif; Niceron, Memoires; Parfaict, Histoire; 



— XXII — 

Dieselben, Dictionnaire des theätres; Pasquier, Les JRecherches; Peters, 
P. Scarron [Münehener Beiträge, H. 6]; Proelss, Geschichte; ßein- 
hardstöttner, Plautus; Kigal, A. Hardy; derselbe, Esquisse; Sainte- 
Beuve, Tableau historique; Sand, Masques; Schmidt- Wartenberg, 
Seneca's Einfluß; Stiefel, über die Chronologie; Suchier und Birch- 
Hirschfeld, Geschichte; Tivier, flistoire; Toldo, Figaro; derselbe, Ce 
que Scarron doit . . . . ; derselbe, Le theätre de la Renaissance ; Vapereau, 
Dictionnaire; Wiese u. Percopo, Geschichte. 



Einleitung. 



1. Der Einfloß Italiens anf die französische Literatur 

im allgemeinen. 

Der Einfluß der italieDischen Literatur auf die fran- 
zösische ist der tiefgehendste und erfolgreichste gewesen, den 
je eine fremde Literatur auf das französische Schrifttum aus- 
zuüben vermocht hat. Trotzdem fehlt es immer noch an einer 
das gesamte Gebiet der Literatur umfassenden Darstellung 
dieses Einflusses. Seitdem mit der Renaissance das 
Studium des klassischen Altertums seinen Einzug in Frank- 
reich gehalten hatte, ward man nicht müde, die Alten als die 
unerreichten Vorbilder zu preisen und ihre Nachahmung als 
die sicherste Gewähr für die Unsterblichkeit eines Werkes 
hinzustellen; in Wirklichkeit aber plünderte man die Schätze 
der spanischen und ganz besonders der italienischen Lite- 
, ratur, meist ohne Quellenangabe, oft auch mit der lügenhaften 
Angabe antiker, Vorbilder.^) Es ist daher begreiflich, wenn 
die Literarhistoriker des 16. bis 18. Jahrhunderts, soweit sie 
überhaupt sich mit Quellenforschung beschäftigen, zunächst 
den klassischen Einfluß auf die französische Literatur hervor- 
heben, weniger aber den italienischen beleuchten. So zählt 
Du Verdier (1585) nur die Übersetzungen und freien Über- 
tragungen italienischer Dichter auf, scheint aber nichts von 



^) Texte, Les orig. de la Ben. (R. des c. et c.) 1894, S. 248: o^lls 
ont pleine la houche de la tragedie grecque; en fait ih lisent et relisent 
la Sophonisbe de Trissin; sHls imiteront Terence ow Piaute, leur vrai 
10\imdMe est tme comedie de Bihbiena.» 

Münohener Beiträge z. romanisclien u. engl. Philologie. XXXIV. 1 



— 2 — 

der itaKanisierenden franz. Lyrik des 16. Jahrb. zu wissen; 
so erwähnt er von Mellin de St- Gelais nur die Ginevra 
und die Sophonisbe als Nachahmungen der Italiener^), von 
Desportes nur die Übertragungen aus dem Rasenden Boland 
und aus Aretino's Marfisa.^) Goujet behandelt allerdings in 
einem eigenen Bande die italienischen Übersetzungen, doch 
führt er von sonstigen Einflüssen der italienischen Literatur 
wenig an. Du ßellay nennt er den französischen Ovid*); 
Ronsard hat nach ihm nur das Altertum zum Vorbilde ge- 
nommen *) ; auch bei Ant. Baif wird mit keinem Worte des 
italienischen Einflusses gedacht.^) Besser unterrichtet sind 
die Brüder Parfaict in ihrer Histoire du theäire frangais (1745 ff.) 
und Beauchamps in seinen Recherches (1736), da die Bühnen- 
dichter gewöhnlich die Quelle, aus welcher sie ihre Stoffe 
schöpften, angegeben haben. Wo das jedoch nicht der Fall 
ist, sind ihre Quellenangaben mit großer Vorsicht aufzunehmen.*) 

Erst im 19. Jahrhundert beschäftigt sich eine Reihe 
hervorragender Gelehrter mit der Untersuchung dieses Ein- 
flusses. Ant. Scoppa stellt 1803 in seinem Traue de Ja poesie 
italienne, rapporte ä la poesie frangaise eine eingehende Unter- 
suchung über die französische Prosodie an und kommt zu 
dem Resultate, daß ein großer Teil der franz. Verskunst von 
der italienischen beeinflußt sei."^ Weit wichtiger ist Rathery's 
Infliience de Vltalie sur les lettres frangaises, depuis le XIII^ s, 
jusqu^au regne de Louis XIV, Doch gibt Rathery nur einen 
allgemeinen Überblick über den italienischen Einfluß in Frank- 
reich; einen großen Raum nimmt zudem die Untersuchung 
von Frankreichs Einfluß auf Italien ein®); so handeln die 



^) BiUioth, S. 864. 

*) Ibd. S. 947. 

5) Bibl. frang. XU, 119. 

*) Ihd. XII, 192. 

») Ihd. Xni, 340. 

•) Vgl. über die geringe Zuverlässigkeit ihrer Angaben Böhm, Beitr, 
z. Kenntnis d. Einflusses Seneca^s {S. 28—31)^ woselbst sich noch weitere 
Literaturnachweise finden, 

') Traite, S. 245 ff. 

•) Oe Isner, Dante in Frankreich, unterzieht das Buch einer 



— 3 — 

ersten 50 Seiten nur von dem letzteren. Spricht er z. B. von 
Tasso, 80 ist ihm in erster Linie daran gelegen, zu be- 
weisen, daß der italienische Dichter häufig auf altfranzösische 
Quellen zurückgeht; zum Schlüsse erst fügt er hinzu, wie 
Boileau und Voltaire über den Dichter geurteilt haben.^) 
Über Konsard und seine Schüler weiß er nur zu sagen, daß 
sie besonders Petrarca, Bembo und Sannazar nachahmen®); 
in ähnlicher, allgemeiner Weise wird die Pastorale behandelt. 

Gründlicher und übersichtlicher behandelt Amould den 
Gegenstand in seinen Essais de tkeorie et cfhisioire Mtteraire 
(1858); er betrachtet die einzelnen Literaturgattungen in 
chronologischer Reihenfolge und untersucht besonders eingehend 
den Einfluß des italienischen Stiles auf den französischen. ^) 
Was den stofflichen Teil betrifft, so geht er, wie sein Vor- 
gänger, nie auf Einzelheiten ein. So sagt er z. B. über die 
franz. Dichter des 16. Jahrhunderts*): tll serait fädle de relever 
dans les oeuvres de Ronswd^ de du Bellay^ de Baif de Bemi 
BelleaUy de Desportes et en general des poetes de lä seconde moitie 
du 16* siede un grand nombre de moreeanx lyriques, ödes, sonnets, 
ckansons, madrigaux, imites ou traduits de l'italien, mais cela noics 
apprendrait peu de chose.^ (\) Ihm ist es besonders darum zu 
tun, das resultat definitif festzustellen. 

Auch Demogeot widmet einen größeren Abschnitt seiner 
Histoire des litteratures etrangeres (1880) dem italienischen Ein- 
flüsse.*) Er verfolgt ihn als erster, allerdings in ganz kurzen 
Umrissen, vom Beginn des 15. Jahrhunderts bis in die erste 
Hälfte des 19. Jahrhunderts, lehnt sich jedoch allzusehr an 
ßathery an, den er auch in der ausführlichen Behandlung 
des französischen Einflusses auf die italienische Literatur 
nachahmt. 



scharfen Kritik; Demogeot, Hist, des litt, itr.^ spricht ihm die Gründ- 
lichkeit ab. 

^) Influence, S. 96. 

«) Ibd., 8. 110. 

®) Essais j S. 335: «De Vinfluence exercee par la litterafure italienne 
sur la litterature frangaise.» 

*) Ibd., S. 416. 

») Chap. XIII 135 ff. 

1* 



— 4 — 

. In demselben Jahre (1880) erschien die erste be- 
deutendere Arbeit über die italienischen Schauspieler in Frank- 
reich, besonders in Paris, von Campardon, welcher sich 
ausschließlich mit der inneren Geschichte derselben, mit ihren 
Beziehungen zum französischen Hofe, ihren Einnahmen, ihrer 
sozialen Stellung und ihrem Privatleben beschäftigt.^) Auch 
Baschet geht in seinen Comediens itaUens ä la cour de France 
nicht auf den literarischen Einfluß der italienischen Schau- 
spieler ein. 

Von deutschen Forschem kommt besonders Lotheissen's 
Geschichte der französischen Literatur im 17, Jahrhundert (1877) 
in Betracht; zwar weist er nachdrücklich auf die wichtige 
Bolle hin, welche Italiens Schrifttum in Frankreich spielt*), 
doch geht er nicht viel über Eathery und Demogeot hinaus ; 
auch ihm ist die Pleiade in erster Linie Nachahmerin der 
Alten, Malherbe einseitiger Bewunderer der Griechen und 
Römer, Regnier nur ein Schüler des Horaz.^) Ergiebiger 
dagegen ist Proelss' Abschnitt über dieses Thema in seiner 
Geschichte des neueren Dramas (1880/83) *), besonders der Teil, 
welcher die französische Oper^) behandelt, während ihm da- 
gegen bei der Besprechung der Tragödie und der Komödie 
nicht wenige Irrtümer unterlaufen.®) 

Erst das letzte Jahrzehnt des vorigen Jahrhunderts bringt 
. uns mehrere eingehende Abhandlungen über einzelne Epochen 
der französischen Literatur, in denen die italienische Ein- 
wirkung sich besonders geltend macht. 

N o 1 h a c und S o 1 e r t i liefern einen ausführlichen Bericht 
von Heinrich's III. Reise nach Italien und von seinem ersten 
Zusammentreffen mit den Comid gelosi in Yenedig,'^ Stiefel 



^) Les comediens du roi de la troupe iialienne etc. Par. 1880. 8^. 

2) Geschichte J, 25, 27, 264: ff.; IV, 9 ff. 

») Ibd. 7, 30. 

*) Cf. Bd. II, Halbhand 1, 8-314. . 

6) Ibd., S. 234—310. 

*) Ibd., S. 22 : Die Corrivaux sollen die Übersetzung eines Ariosf sehen 
Lustspieles sein! S. 26: Die Deguisez des J. Godard sind nach ihm 
von Larivey beeinflufH. 

') Nolhac e Solerti, 11 viaggio in Italia di Enrico III etc 
1890; vgl. aiich das Giom, stör. 1891, XVIL 146ff. 



_• 5 — 

untersncht die itaL Quellen des Pofrasüe Ton Tristran VHermiU 
und eimge unbekanDte Quellen Eotrou'scber Stücke.^) Texte 
beginnt seine Forschungen über Italiens Einfluß auf die fran- 
zösische Renaissance, welcher nach ihm darin bestand, daß 
er in die Sprache Anmut und Keinheit brachte, in dem 
Dichter einen stark ausgeprägten Individualismus großzog und 
die idee d!art als obersten Grundsatz für jeden Dichter auf- 
stellte.^) Allerdings bleibt uns Texte einen befriedigienden 
Beweis für diese von ihm aufgestellten Punkte schuldig. Die 
Zeit Franz' I. wird hinsichtlich des italienischen Einflusses 
eingehend von Fr. Flamini untersucht, welcher im 4. E^apitel 
seiner Studi eine Beihe neuer Tatsachen zutage fordert und 
besonders das Wirken italienischer Gelehrter am Hofe und 
an der Pariser Universität schildert.^) 

Während er in einem weiteren Kapitel gelegentlich der 
Besprechung von Odet de laNoue's Gedichten den italieni- 
schen Einfloß zur Zeit Heinrich's III. nur kurz behandelt^), 
ist den Entlehnungen Desportes' bei den italienischen. 
Dichtem ein breiterer Baum gewidmet ^), wobei er viel Neues 
bringt; so findet er in Desportes' Sonettensammlung Les ren- 
canires des Muses de Franee et d^Itcdie zu der bis dahin auf 43 
angegebenen Zahl von entlehnten Sonetten 10 weitere, deren 
Quellen Sonette von Domenichi, Amomo, Kota und. 
Marini bilden/) 

Das größte Verdienst um die Forschungen auf diesem 
Gebiete jedoch hat der unermüdlich fleißige Toldo sich 
erworben, der eine geradezu erstaunliche Kenntnis der 



^) Tristan V Herrn. Le Parasite (1891); derselbe, ünbek, itoL Quellen 
J. Rotrou's (1893). 

*) Les origines de la Ren. (1894); derselbe, L^influence xiaL dans 
la Ren. fr., in seinen Etudes (1898). 

*) Studi di storia lett., aap. IV, 197—339; auf S. 206—209 führt er 
die Namen v(m 6 bedeutenden Gelehrten an der Pariser Univ. an von 
itaL Dichtem am Hofe Franz I. ioerden besonders Amomo und G. Camillo 
Delminio (S. 297 ff., bzw. 319 ff.) behandelt. 

*) Le rime di Odetto de la Noue e Vltcdianismo aftempo d^ Enrico 
III, ibd., 8, 370—381. 

*) I plagi di Ph. Desportes, ibd,, 8. 347 ff., und Appendix, 8. 431 ff. 

•) Le rime, ibd., 8. 358—360. 



— 6 — 

italienischen und französischen Literatur an den Tag legt. 
Er untersucht die Quellen der französischen Novellen des 
16. und 17. Jahrhunderts und findet, daß nahezu die Hälfte 
derselben lange vorher schon in italienischen Novellensamm- 
lungen enthalten waren. ^) Wenn auch G. Paris bestreitet, 
daß Toldo's Quellenangaben für alle Novellen richtig seien, 
so muß er doch zugeben, daß in den meisten ein italienischer 
Einfluß sich geltend macht. ^) Noch wichtiger sind seine 
Untersuchungen über die Komödie der ßenaissancezeit, welche 
er in einer ßeihe von Artikeln in der Revue dUHistoire litteraire 
de la France veröffentlicht hat.*) 

Nach dem Vorbilde G-aspary's *), den er übrigens nicht 
erwähnt, zerlegt er die Handlung in den Lustspielen in ge- 
wisse Motive und vergleicht diese in den Komödien der beiden 
Literaturen. Da nun gewisse Motive in der Komödie aller 
Zeiten unabhängig voneinander wiederkehren und die Grund- 
lage fast jeder Litrigue bilden, müssen viele seiner Quellen- 
forschungen mit Vorsicht aufgenommen werden. Wir werden 
später Gelegenheit haben, ihm eine Anzahl von Irrtümern 
nachzuweisen. Trotzdem darf seine Arbeit auf diesem Gebiete 
als eine grundlegende bezeichnet werden, ebenso wie seine 
Untersuchung über die italienische Kunst bei Rabelais ^), über 
Montesquieu's *), Diderot's ') und Voltaire's ®) Beziehungen zur 
Literatur jenseits der Alpen. 



^) Contributo (1895), pass. 

') La nouvelle fr. (Journ. d. Sav. 1895, mai-juin, 289 — 803 \ H42 
— 861); der formelle Einfluß wird von G. Paris vollst, zugegeben; hin- 
sichtlich des Stoffes tvill er keine „literarischen^ Einflüsse^ sondern in 
erster Linie Volksüberlieferung gelten lassen (vgl. ibd., S. 294, 298, 850). 

') La Comedie de la Renaissance (Rev. d'Hist. litt. 1897, XXIII, 
366—892; 1898, XXIV, 554—608); bei Ret z, La litt, comp., S. 60, un- 
richtig angeführt. 

*} Geschichte, II, 611 ff. 
y *) L'arte ital. nelV op. di Rabelais (ANSp. 1899, Rd. 100, 108—148). 

*) Deir Espion di G. P. Mar anno etc. (Giorn. stör. 1897 ff., XXIX, 
47—79.) 

') Se il Diderot abbia imitato Goldoni (G^orn. stör. 1895. XXVI 
S. 850—876). 

®) Attinenze fra il teatro comico di Voltaire e quelle di Goldoni 
(Giom. stör. 1897, XXXI, 858). 



— 7 — 

Vianey beleuchtet zum ersten Male das Verhältnis der 
Pleiade zu Ariost mit besonderer Berücksichtigung der Lyrik ^); 
wenig gelungen ist ihm die Untersuchung über das Theater 
des 16. Jahrhunderts, welches nach ihm, besonders in den 
Tragödien Garnier's und Montchrestien's, einige Beschreibungen 
TOD Zweikämpfen und Schlachten in der Manier des Ariost 
aufzuweisen hat. 2) Die Bradamante Garnier's erwähnt er 
nicht, ebensowenig die beiden yorhergehenden, dem Orlando 
furioso entlehnten Tragikomödien, Yon denen wir allerdings 
nur die Titel besitzen. Bouvy liefert uns in seiner Abhand- 
lung Voltaire et VItalie (1898) ein reichhaltiges Material über 
diese Seite der Voltaireforschung *) ; doch erschöpft er keines- 
wegs den Gegenstand. Creizenach's dritter Band seiner 
Geschichte des neueren Dramas (1903) berücksichtigt im 
richtigen Maße den Einfluß Italiens besonders auf die Komödie, 
bringt zum Teil neues Quellenmaterial, so z. B. für die Gorri" 
vaux des J. de la Taille, die er ganz richtig auf eine Novelle 
im Decamerone (V, 1) zurückführt*), schließt aber seine 
Arbeit mit dem Jahre 1570 ab. Mit der Zusammenstellung 
italienischer Dichter, die ins Französische übersetzt wurden, 
beschäftigen sich Blanc*^) und Guidi*); doch können beide 
den Anspruch auf Vollständigkeit nicht erheben; besonders 
lückenhaft ist die Kompilation Blanc's; von den 94 Über- 
setzungen (nebst deren verschiedenen Auflagen) Ariost's kennt 
Blanc nur 46, Guidi zählt deren @) 

Den ersten Versuch, die bis 1900 vorhandene Literatur 
über die Wechselbeziehungen des italienischen und französi- 



>) L'Arioste et la Pleiade (Bull ital, J, 293—317). t 

2) Ibd., S. 313. 

') B, nennt nicht die ital. Quellen des Zadig^ noch die der J^cossaise, 
geht nicht auf die einzelnen Nachahmungen in der Pucelle und in 
Henri IV. ein-, auch über die Quelle Tancrlde^s laßt er uns im Un- 
gewissen. 

.*) Geschichte des neueren Dramas IIT, 93 f. 

*) Bibliogr. des irad. fr. d^aut. ital.j in: Bibliopr. italico-franQ., 
II, 1265—1506. 

*) Annali delle ediz. e delle versioni delV Orl. für. e d'altm lavori 
etc., 8. 177 ff. 



— 8 — 

sehen Schrifttums machte Betz in seinem bibliographischen 
Werke La Uüercdure comparee (1900). Leider sind Betz* An- 
gaben allzu unvollständig ^X ^^^ Einteilung ist mangelhaft; 
da der Verfasser die Titel, anstatt nach Literaturperioden 
oder Literaturgattangen, nach der Zeit ordnet, in der die be- 
treffenden Werke erschienen sind. Besonders dürftig ist 
der italienisch-französische Teil ausgefallen, in dem Betz zwar 
eine ziemlich große Zahl französischer Arbeiten, dagegen fast 
gar keine deutschen anführt und Yon den deutschen wissen- 
schaftlichen Zeitschriften nur ganz wenige in den Kreis 
seiner Untersuchung zieht. 

Von den bedeutendsten franz. Literaturgeschichten des 
19. Jahrhunderts betonen nur die in der jüngsten Zeit er- 
schienenen den Einfluß Italiens. Während Sainte-Beuve ^), 
Saint-Marc Girardin ^) und Nisard *) auf die einseitigste Weise 
die Nachahmung des Altertums als Yorherrschend bezeichnen 
und itsdienische Einwirkungen nur flüchtig berühren, werden 
letztere von Lanson, Morf und in Petit de JuUeville's großem 
Literaturwerk, wenigstens in bezug auf das Theater mehr be- 
rücksichtigt; allerdings ist es bei der Anlage dieser Werke 
von. vornherein ausgeschlossen, daß sie auf Einzelheiten ein- 
gehen. 

Außer den angeführten Werken wurde noch eine größere 



^) S. 53 wird ein Artikel von Labitte: Dante, trad. de M. Fiorentino 
etc. (B. d. 2 Jkf., 1. nov. 1840) erwähnt, doch suchten wir den Artikel 
verglich an dieser Stelle; daselbst vermissen mr bei Hauvette^s Dante 
dans la poesie fr. de la Ren. die Angabe, da/J die betr. Abhandl. nur 
eine kurze Rede ist. Auf S. 58 ist bei Nunziante's Marino alla corte 
di Luigi XIII, welcher in der Nu>ov. AntoL erschien, die Angabe des 
Bandes ausgefallen. Murray^s Artikel The influence etc. {S. 66) erschien 
in der Academy am 17, Juli, nicht am 4. Sept. Über Betz'' unvoll- 
-ständige Angaben cf. Minckwitz, IM. Bl. f. germ. u. rom. Phil. 1902, 
S 58; ebenso Bouvy, Buü. ital. 1901, I, 57. 

*) Tabl. hist. etc.; er erwähnt ital. Einfl. weder bei Du Bellay 
[S. 70 ff.), noch bei Ronsard (S. 80 ff.). 

^) Tabl. de la litt, fr.; er erwähnt selbst bei Meli, de St- Gelais 
{S. 66) und bei Desportes (S. 80) keinen Einfl. der ital. Lit. 

*) Hist. de la litt. fr. ^ III, 74: *La tragidie [est] imitee des anciens, 
la tragi'Comedie imitee des Espagnols, la farce imitee de Vitalien.» 



— 9 — 



Anzahl von SpezialuntersachuDgen zu Rate gezogen, welche 
im Laufe unserer Abhandlung besprochen werden sollen. 



2. Der Einflufi Italiens anf die franzosiselte Lyrik« 

Der umstand, daß das italienische Kom der Sitz der- 
Christenheit war, brachte es mit sich, daß sich ein reger 
Verkehr zwischen den gebildeten Kreisen Frankreichs und 
Italiens bereits frühzeitig entwickelte. Kardinäle, Priester 
jeden Standes und Kanges, Diplomaten, Heerführer und ganze 
Scharen von Söldnern waren stets auf dem Wege nach dem 
Lande jenseits der Alpen, und brachten die großartigen Ein- 
drücke, welche die Trümmer der alten Welt und die Nach- 
kommen derselben, ihre neue Literatur, ihre Liebe zur Kunst, 
auf sie machten, mit nach Hause. ^) Andererseits sandte Italien 
eine Eeihe seiner besten Sohne nach dem westlichen Nachbar- 
lande, und half so seine höherstehende Kultur dort zu ver* 
breiten.^) Thomas von Aquin, Brunetto Latini studieren auf 
der Pariser Hochschule. Pico della Mirandola^), Dante*), 
Petrarca*^), Boccaccio^) verweilen, wissensdurstig oder schutz- 
bedürftig, kürzere oder längere Zeit auf französischem Boden ; 
Cretin, Molinet, Chastellain, Meschinot lesen und studieren 
bereits die guten Schriftsteller Italiens '), und bald dringen 



^) Flamini, Studi, pass. 

*) ProelsB, Cresch. II, 1. Halhh., S. 8; Lanson, Hist, 8. 152^ 
besonders aber Arnaiid, Les Italiens prosateurs fr.y wo diese Reisen der 
Italiener nach Frankreich von Brunetto an eingehend behandelt werden, 

•) Dorez et Thnasne, Pico d. l Mirandola en France {cf. Qiorn, 
stör. XXXI, 145) ; ebenso Morf I, 10 {La Croix, Bibi. J, 439, Seine 
Werke wwden von Ä. Baif 1557 übersetzt), 

*) Arnould, Essais, S. 338; Kathery, Infi., 8. 20, 

*) Lanson, l, c, S. 153, 164; Arnonid, l, c, 8, 338; Gaspary, 
I, 409; Couture, Petr, et J, Colonne; cf, Romania 1882, IX, 338, 

•) Arnould, l, c, S. 338. 

') Rathery, In/?., /S.oo; Ph. Chasles, J^fude», Ä. 867.; Becker, 
Jean Lemaire, 8. 298 ff. findet, daß Martin Franc, der Sekretär der Päpste 
Felix V, und Nikolaus Y., eine wichtige Vermittlerrolle zwischen den beiden 



— 10 — 

XJberBetzuDgen der großen italienischen Dichter Dante, Petrarca 
und Boccaccio in weitere Kreise ein.^) Aber erst als die durch 
Karl VIII. 1494 begonnenen Feldzüge der französischen Könige 
Frankreich das Italien derBenaissance erschlossen hatten, ergoß 
sich in das Land ein Strom neuer Ideen, welche die bereits 
vorhandene Neigung zur Nachahmung der antiken Literatur 
stärkten, klärten und auf eine Besserung der unbefriedigten 
Lebenszustände hindrängten.^) Der erste bedeutende Mann, 
bei dem sich der neue Einfluß zeigt, ist Jean Lemaire de 
Beiges. Seine italienischen Vorbilder sind Dante, Petrarca, 
Boccaccio, Filelfo und Serafino.^) Aus der IMv. Com,, deren 
Verfasser er mit J. de Meung auf eine Stufe stellt*), nimmt 
er die Terzine mit ins Französische, und dichtet in diesem 
Versmaße seinen Temple (THonneur et des Vertus.^) 

In seinem Buche Concorde des deux langues (1511), in 
welchem Lemaire seine Überzeugung von der Überlegenheit 
der italienischen Sprache zum Ausdruck bringt, fordert er 
am Schlüsse zu gemeinschaftlicher Kulturarbeit der beiden 
Länder auf. 

Jene Überlegenheit bekundete sich auch darin, daß eine 
Anzahl Franzosen sich der italienischen Sprache in Wort 



Literaturen gespielt liat; in seinem Champion des Dames schwebt ihm 
Daniels Div. Com. vor, auf welche besonders die NacJiahmer des Rosen- 
romans ihre Blicke richten. Bocc.^s Decamerone und De claris mulieribus 
finden frühzeitig Nachahmer in Frankr. Chastellain schreibt ihm zu 
Ehren den «Temple de Bocace». Von Petrarca sind es die rührende 
Geschichte von Griselidis und die «Trionfi», welche mit Vorliebe nach- 
gebildet werden. 

1) Blanc, Bibl Bd. II, S. 1291—94 {Dante); S. 1326—29 (Petrarca); 
S. 1278—1281 {Boccaccio) ; von der Übersetzung BoccJs durch Le Ma^on 
werden allein 24 Ausg., bzw. Neuauflagen angeführt. 

«) Morf, Gesch. J, 10. 

») Becker, l. c, S. 297. 

*) Oelsner, Dante in Frk., S. 18. 

*) Darmest. et Hatzf., Le 16« s., S.84; Lanson, l. c, S. 227; 
Birch-Hirschfeld, Gesch. d. frz. Lit. im 16. Jahrh., S. 73, erwähnt 
nichts von einem italienischen Einflüsse bei J. Lemaire; Gidel, Hist. 
de la litt, fr., S. 27, nennt den «Temple de Venus» eine Dichtung im Geiste 
der Trionfi; Morf, l. c, S. 19: y,Er ahmt gern Petrarca nach.^' 



— 11 — 

und Schrift bedieoten, so G. d'Avost, Gab. de Gutterry, 
J. Zuallart, Ph. E. de Gondi, P. Bricardk^) Umgekehrt sehen 
wir Italiener, welche das französische Idiom gebrauchen, da- 
bei aber eine Heihe von Italianismen mit einmischen.^) 
Der bedeutendste dieser Italiener ist G. Alione^), ein politi- 
scher Dichter, welcher die Eroberungen der französischen 
Könige in Italien feiert. Es ist Elamini's Verdienst, eine 
Anzahl der berühmtesten italienischen Humanisten, welche in 
französischer Sprache schrieben, der Vergessenheit entrissen 
zu haben.*) Stärker wird der italienische Einfluß mit der 
Eegierung Franz' I. Nach Kathery dichtete dieser König 
selbst in der Manier Petrarca's Sonette *) ; Proelss •) nennt ihn 
einen Bewunderer Aretino's; Maulde beschäftigt sich mit 
der italienischen Erziehung des Fürsten vornehmlich durch 
Quinziano Stoa und schildert den Einfluß derselben auf sein 
späteres Leben.') Ob aber Franz I. ein besonderer Beförderer 
des italienischen Einflusses auf die franz. Literatur war, ist 
zu bezweifeln. Zwar stand er der Benaissancebewegung und 
dem Eindringen italienischen Wesens mit großem Wohlwollen 
gegenüber, doch fehlte ihm auch hier, wie in der Politik, die 
nötige Energie und Aufopferung.®) 



^) Siehe darüber Picot, Des Frangais qui ont ^ei'it en Italien^ in: ^ 
Rev. des Mblioth^queSj Bd. XI, S. 4—6. 

*) Birch-Hirschf., Geschichte d. frz. Litt.^ S, 106; „Alione^s 
erste Arbeiten weisen vielfache Italianismen auf.^ 

') Darm. u. fiatzf., Le 16« s., S. 86, führen seine Werke an und 
erwähnen, me Wagner, Meli, de 8t-Gelais, S. 120, Alione als den Ver- 
fasser des in Terzinen gedichteten «^Chapitre de Liberte». 

*) Studiy S. 203 ff. Fl. hebt hervor, daß Bathery kaum die Namen 
dieser Männer kennt. Fausto Andreiini, G. AUione, Mario Filelfo und 
Quinz. Stoa werden in den Studi eingehend behandelt. 

») Infi., S. 70. 

•) Gesch., Bd. i, Halbb. 2, S. 98 ff. 

') LHnfluence de Veducation ital. sur Fr. J«*, in: Societe d^etud.^ 
ital. 1, 3 ff. Das beste Bild vom Italianismus am Hofe Franz^ I. ent- 
wirft Flaminiim^. Kap., 8. 199 — 337, seiner Studi: Le lettere italiane 
alla Corte di Francesco I., re di Francia. 

8) Ähnlich Morf, Geschichte, in: ANSp. Bd. 94, S. 208, und 
Proelss, l. c, Bd. II, Halbb. I, S. 8, welcher aber den Beginn des 
Einflusses der ital. Lit. später ansetzt. 



_ 12 — - 

•» 

Wichtig ist, daß unter seiner ßegierung zahlreiche Über- 
setzungen italienischer Dichter in Prankreich erstehen, 1537 
wird der Cortegixmo CaStigiione's übersetzt^), nachdem im 
Oentükomme Pasquier's um 1628 bereits eine Nachahmung 
dieses so berühmten Werkes erschienen war.^) 1543 machte 
die Übertragung Ton Ariost's Orlando fttrioso *) Frankreich mit 
den fantastischen Schöpfungen des ferraresischen Dichters 
bekannt; in demselben Jahre erschien auch Macchiavellfs 
„Kriegskimst"' in französischer Sprache. Ein Jahr später über- 
setzt J. Martin die Arcadia Sannazaro'S; ein Werk, das nahezu 
ein Jahrhundert lang den gewaltigsten Einfluß auf die fran- 
zösische Literatur ausüben sollte.*) 1549 gab J. Vincent 
den Franzosen eine Übersetzung des Orlando innannorato^)\ 
1571 endlich, bereits nach dem Tode Franz' I., erschienen 
in franz. Sprache ßembo's *) Asolani, welche von dem bereits 
erwähnten N. Pasquier in seinem ^tonopkih nachgeahmt worden 
waren. '^) 

Petrarca war längst schon übersetzt worden; seine 
Dichtungen und Bembo's Asolani erweckten die Begeisterung 
der französischen Dichter für platonische Ideen *) und so ent- 
stand nach dem Muster der italienischen Akademien, wenn 
auch etwas freiheitlicher, die Lyoner Dichterschule, deren 
Hauptvertreter Sceve, Dolet, B>abelais, Sainte-Marthe und 
Fontaine waren.*) 

Den Mittelpunkt dieses Piatonismus bildeten Marguerite 



1) Morf, Gesch., S. 35; derselbe in: ANSp., Bd. 94, S. 210; ein 
ausführliches, wenn auch nicht vollständiges Verzeichnis der ital. Über- 
setzungen jener Zeit findet sich bei Goujet, YII, Iff., VIII, 426 ff. 

*) Toldo, Co7itribuio, S. 41, Anm. 4. 

') Birch-Hirschfeld, Geschichte, Anm., S. 29. 

*■) Du Verdier, S, 719. 

^) Du Verdier, S. 627. 

*) Du Verdier, 8. 719, von J. Martin übersetzt. 

') Tolda, Contributo, S. 46, Anm. 2. 

») Birch-Hirschf., Gesch., S. 163 f.; ibd., Anm., S. 29: die Trionfi 
wurden übers. 1314, 1519^ 1531; 12 Sonette v. J. Feietier 1547. 

®) Siehe darüber eingehend &eiBourciez, Les mceurs pol, S. 101 ff. ; 
Birch-flirschf., 163 ff. ; L e f r a n c , ie Flatofiisme etc., in : Rev. d'Hist. 
litt, de la France 1896. III^ annee, S. 1—45. 



-— .13 .— 

de JJavarre und Heroet, ihr Sekretär und Verfasser der Par- 
faiie Ämye,^) Neben Petrarca und Eembo wurden in diesem 
Kreise besonders die Italiener Cavalcante, Politiano, Accolti 
und Pico della Mirandola studiert.^) 

Mit dem Einzug der Dauphine Catherine de Medi- 
cis in die französische Hauptstadt faßt die italienische Lite- 
rAtur in Frankreich festen Fnß.^) Die florentinische Höf- 
lingsgesellschaft bildet einen Herd italienischen Einflusses, in 
dessen Zentrum lange LuigiAlamanni stand, der in zahl- 
losen Dichtungen und besonders in seinem Gedicht über den 
Landhau (1546) König Franz feiert. Leider fehlt uns bis jetzt 
eine Würdigung des Einflusses dieses Italieners auf die fran- 
zösische Literatur.*) 

Itjsdienische Künstler und Schriftsteller lebten in Prank- 
reich oder fanden sich dort Torübergehend ein, wie Bernhard 
Tasso und II ßosso. Aretino erbat sich von Italien aus die 
Q-unst des französischen Hofes. Die größten italienischen 
Künstler übten ihre Kunst an den Prachtbauten der da- 
maligen Zeit : Leon, da Vinci, Andrea del Sarto, Primaticcio, 



^) Lefranc, l. c, S. 9 ff. Über Marg.^s Briefwechsel mit der ital. 
Dichterin V. Colonna, s. Birch-Hirschf., S. 112; nach Rathery {Infi. 
S. 73) schätzt und rühmt diese Fürstin besonders della Casa, Caro, 
Tolomei, Alamanni, Bernardo Tasso. 

*) Katharinen^s Bedeutung in dieser Beziehimg %vird bes. eingehend 
von Bourciez (Les mceurs, S. 270 ff.) geschildert: Sie brachte italienische 
AlmosenierCj Astrologen, Ehrendamen etc. mit an den Hof. Ähnlich bei 
Arnould, Essais, S. 339; Demogeot, Hist, S. 143; Birch-H., 
S. 111—112; Fl amini {Studi, S. 200) hebt Jiervor, daß Kath. sich be- 
sonders um Petr. verdient gemacht liabe, weil sie eine Sammlung petrark. 
Sonette, betitelt «Laure dAmgnon» herausgab. Ihr Sekretär Tronchet 
übersetzte 70, Philieul de Carpentras in ihrem Auftrage 196 Sonetie des 
. ital. Dichters. 

') Hauvette's L. Alamanni {S. 80) berührt diesen Punkt nur 
ganz oberflächlich; vgl. die Krit, in der ZfSp. 1904. XXVI, Ref., 
S. 214ff.; Boss. bibl. 1904. XII, 148 ff.; Flamini [Studi, S. 269—285) 
erwähnt ebenfalls Alam.^^ Einfluß] auf die frz. Lit; ferner behandelt 
er neben Alam. den bis jetzt ganz unbekannt gebliebenen Hofdichter 
Martellif welchen er *%l piü cospicuo letierato italiano* der Zeit nennt. 
•^ (jCf. S. .311^316, woselbst noch einige weitere Namen sich finden.) — 
über AI. s. noch Buchetmann, Rotrou^s Antigone, S. 29. 



— 14 — 

Benv. Cellini, Fra Giocondo und Domenico da Cortonä, 
Paganino und PacHa^ptti, Andrea Solario ^) waren die hervor- 
ragendsten. Eine Anzahl von Lehrstühlen an der Pariser 
Hochschule war von italienischen Gelehrten hesetzt.^) 

Die französischen Lyriker fangen an, ihre Liebe in der 
Manier Petrarca's zu besingen. Selbst Ol. Marot kann sich 
vom Einfluß Italiens nicht frei halten. Während seines 
langen Aufenthaltes in diesem Lande lernt er die italienische 
Sprache und Literatur gründlich kennen; dem Studium der 
ersteren verdankt er seine glatte Ausdrucksweise, seine kunst- 
voliendete Form.^ In seinen Jugenddichtungen merkt man 
den Schüler Petrarca's; im Temple de Cupide vermischt er die 
Manier des Kosenromans mit der geistreichelnden Kunst des 
Dichters der Laura*); er übersetzt sogar eine Reihe von 
Sonetten und Visionen*^) und studiert mit Vorliebe Aretino, 
dessen Stil er nachahmt.*) 

In grammatischer Hinsicht beruft er sich gerne auf die 
Italiener, so bezüglich der Kongruenz des Partizips Perfekti 
und des Gebrauches des Artikels.') Die Arcadia Sannazaro's 
hat er ebenfalls gelesen, wie aus der 1531 auf Louise von 
Savoyen geschriebenen Totenklage hervorgeht.®) 

Marot's Freunde und Schüler sind fremden Einflüssen 
sogar noch zugänglicher als ihr Meister. Desperiers®) zeigt 
seine Vorliebe für die italienische Sprache in dem häufigen 
Gebrauche der Diminutivform auf ei und ette^^) Noch mehr 

^) Fla mini, StiidL, S. 226, 

2) Morf, Gesch., S. 36. 

^) Demogeot, HisL, S. 138; Bourciez, in: ßist. de la langue 
et litt, fr., hrg. v. P. de Jidleville. Bd. IIIj 111, erwähnt nichts von einem 
ital. Einflüsse. 

*) Gidel, Bist., S. 55. 

^) Demogeot, l. c, S, 138; Wagner gibt in seiner ^Arbeit über 
Mellin de St- Gelais [S. 120) sechs als die Zahl der übersetzten Sonette 
an, erwähnt auch ein Epitaph auf Laura. 

«) Rathery, Infl., S. 72. 

') Wagner, Mellin de St-Gelais, S. 121. 

*) Morf, Gesch., S. 50. 

») Über Desperiers cf. Rev. d'Hist. litt. 1902, IX, 100. 
*°) Morf, Gesch., S. 52; ausführlich über sein Lehen handelt 
Birch-Hirschf., Gesch., S. 36ff. 



— 16 — 

tritt der Italianismus bei Mellin de St-Gelais zutage. Dieser 
erscheint als eigentlicher Träger des Kultus, • dessen sich die 
italienischen Dichter, vor allem Petrarca, am französischeu 
Hofe zu erfreuen hatten, und der italienischen Geschmacks- 
richtung in der Poesie, welche sich mit Du Bellay, Baif und 
Bonsard noch in der folgenden Schule fortsetzte.^) 

1538 übersetzt Saint-Gelais den Cortegiano in einer uns 
Yerloren gegangenen Passung^; 1545 erscheint der erste 
Band seiner Gedichte, worin der italienische Einfluß vor- 
herrschend ist. Italianismen finden sich im Beim, in den 
Vokabeln und Wortformen (besonders der substantivierte 
Infinitiv) ; ital. poetische Formen werden eingeführt, so z. B. 
das Madrigal, die Terzine für die beschreibende Dichtung und 
das Pasquill.*) Von den ital. Lyrikern ahmt er besonders 
Petrarca und Aretino, von den Epikern, wie wir sehen werden, 
Ariost, von den Dramatikern Trissino nach. Im Epigramm 
dagegen nimmt er Boccaccio und Poggio als Muster. 

Auch Margarete von Navarra*s Lyrik steht, wenigstens 
in der Porm, unter P^trarca's Einfluß. Sie schreibt Terzinen 
nach dem Vorbilde des großen Plorentiners, welchen sie 
gründlich studiert, und ahmt Sannazaro's „Weiden^ in der 
Einkleidung der christlichen Gedanken in antiker Mythologie 
nach.*) 

^) Siehe Birch-Hirschfeld, Geschichte^ S. 149ff.; Wagner, 
Mellin de St-Gelais, Lehen u, Charakteristik, S. 9 — 119; der ital, Einfl. 
auf 8t.' Gel, (S. 119—149) ist sehr eingehend behandelt, Lenient {La 
Satire au 16« »., S. 149); Bonreiez, in Julleville^s großer Litt.-Gesch. 
{Bd. III, Kap. 2, S. 131) sagt von St.- Gelais, er schwanke zwischen ün- 
gebundenheit u. petrark, Manier, 

*) Morf, Gesch., S. 52 drückt sich ungenau aus, wenn er sagt, 
daß Mellin d. St-Gelais eine Ausgabe des Cort. besorgt habe. 

») Wagner, ;. c, S. 120 ff.; Morf, Gesch., S, 52: „Er {Mellin) 
schreibt Terzinen auf der Spur Bembos und Ariosts.^ Sainte-Beuve 
{Le 16« 8., S, 40) und St-Marc Girardin {Tableau, S. 66) erwähnen 
keinen italienischen Einfluß. 

*) Morf, Gesch., S. 60; Lefranc {Dem. pois. de Marg.) findet den 
Einfluß Dantes bes. in zwei der von ihm hrsg. Gedichte Margareiens. Nach 
Picot {Des ^rangais qui ont ecrit en iialien, Rev. des bibl. 1900, XI, 
S. 4 — 6) schrieb Marg. sogar 4 Sonette in italienischer Sprache. Ahnlich 
flanvette, in: Bull. ital. Bd. II, 217^ 



^ 16 -^ 

Obwohl die Franzosen im Jahre 155^ ihre Eroberungen 
in Italien verloren, dauerte der literarische Einfluß Italiens 
unvermindert fort, wohl deshalb, weü die nunmehr ans- 
..brechenden Eeligions- uod Bürgerkriege einen solchen Nieder- 
gang über das Land brachten, daß die Dichter ihre Blicke 
mehr denn je nach ItaUen wandten und dort ihre Meister 
suchten. Es ist daher keineswegs auffallend, wie Lotbeissen 
meint, „daß mit dem Steigen der religiösen Leidenschaft^i 
. in Frankreich das Anwachsen des italienischen Einflusses und 
damit auch der klassischen Studien zusammenfällt.^' ^) Nach 
Morf beginnt gegen Ende des 16. Jahrhunderts die Periode 
des Niedergangs der Benaissance-Literatur und damit des 
ital. Einflusses.^) 

Noch ehe die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts zu 
Ende ist, treten die Dichter der Plejade in Tätigkeit. Bis 
in die neueste Zeit hinein glaubte man ihren Versicherungen, 
Nachahmer der Alten zu sein. Ein eingehendes Studium 
hat das überraschende Resultat ergeben, daß sie weit mehr 
unter italienischem, als unier aniiketn Einfltisse stehen, und 
daß sie oft absichtlich auf antike Nachahmung hinweisen, 
wo italienische vorhanden ist. Die De/fence Du Bellay^s 
befürwortet von speziell italienischen Dichtungsarten nur 
das Sonett.^) Die antiken Formen, welche Du Bellay empfiehlt, 
wurden längst schon in Italien gepflegt und konnten ebenso- 
gut als Vorbilder dienen, wie die klassischen Originale. Sainte- 
Beuve*) erwähnt weder bei Du Bellay noch bei Eonsard 
itialienischen Einfluß, Saint-Marc Girardin ^) kennt als italieni- 
sches Vorbild der Plejade nur Petrarca, auch Darmesteter 
und Hatzfeld nennen kein anderes italienisches Muster ^, selbst 



^) Gesch. I, 26, 

«) Gesch., S. 88ff. 

') Livr. II, chap. IV: «... Sonne moy ces heaiix Somiets, non moins 
docte que plaisante Invention Italienne ... Pour le Sonnet donques tu 
as Petrarqiie et quelques modernes Italiens.» 

■*) Le 16* siede, S. 70 u. 80. 

») Tableau, S. 66. 

•) Le 16* sücle, S. 96 ff. und S. 125. 



— 17 — 

G. Pellissier bringt in Julleville's großer Literaturgeschichte 
keine neuen Resultate.^) Dagegen hatte bereits in den 50 er 
Jahren des vergangenen Jahrhunderts Amould den italieni- 
schen Einfluß auf die Plejade stark betont.^) Er sagt: „Was 
Bonsard und die Lyriker seiner Zeit besonders erstrebten, 
war die Harmonie der Sprache. Diese suchten sie bei den 
Italienem. Man las nicht nur Petrarca und Sannazaro, man 
las sie laut; man hörte sie rezitieren, suchte die Harmonie 
ihrer Verse zu erfassen und in die Muttersprache zu über- 
tragen." Leider läßt sich Amould auf eine nähere Unter- 
suchung nicht ein. Auch Lanson stellt den italienischen und 
den antiken Einfluß auf gleiche Stufe.*) 

Texte, der tüchtige Renaissanceforscher, geht noch weiter, 
wenn er von den Dichtern der Plejade sagt: ^Hs parlent bien 
haut de Pindare ou d^ Homere; au fond ils songent ä Petrarqite 
ou au Tasse . . . Partout ce sont les Italiens qui nous fournissent 
et les genres et les modeles.-» *) 

Falsch ist es, wenn Proelss neben dem antiken und 
italienischen Einflüsse noch den spanischen anführt*), da dieser 
erst mit dem Ende des Jahrhunderts sich fühlbar machte, 
als das Plejadengestim längst schon untergegangen war. 

Wir wollen nun näher auf die Untersuchung des Ein- 
flusses eingehen, welchen die großen Lyriker Italiens auf jene 
franz. Dichtergruppe auszuüben vermochten. 

ßonsard ahmt in seinen Oden nicht bloß Pindar, wie 
man bisher einseitig annahm, sondern auch Petrarca und 
besonders Alamanni nach, dessen hynmes pindar iquss er in 
seinen Ödes pindariques die Einteilung in Strophen, Gegen- 
strophen und Epoden entlehnte.®) In seinen Sonetten, <iAmours 



*) Ronsard et la Pleiade {Petit de Jullev., Hist. III, 137 ff,). 

«) Essais, S. 412. 

*) Hist.j S. 164: «^Les Italiens sont niis snr le meme pied que les 
andens.» 

*) Rev. des cours et conf., März 1894, S. 248. 

*) Gesch., Bd. II, Hbd. 2, S. 15. 

®) J. Vianey, in: Rev. d. lang. rom. 1900 sept. — oct. Vgl. noch 
die Rev. de la Renaiss. 1902 {oct— die.). 

Münchener Beiträge z. romanischen u. engl. Philologie. XXXIY. ^ 



— 18 — 

de CassandreT^ betitelt, verbindet er die Erotik der petrarki- 
schen Manier mit dem Schwelgen in mythologischen Vor- 
stellungen ^) ; daneben macht sich auch der Einfluß Bembo's 
und anderer Nachahmer Petrarca's geltend; dagegen befreit 
er sich in den tAmours de Marien ^ namentlich im ersten Teile, 
vom Einfluß Petrarca's % während er in den Eklogen wieder 
ganz in dessen Spuren wandelt. Zu den Eklogen liefert ihm 
nicht nur Vergil, sondern auch Sannazaro das Beispiel, oft 
sogar den Wortlaut.^) Ob Eonsard jedoch das Sonett in 
Frankreich in Mode gebracht hat, ist bezweifelt worden. 
Pflänzel datiert die ersten französischen Sonette in Fetrarca's 
Manier vom Jahre 1511*), während Ronsard die seijiigen erst 
1647 veröflfentlichte ; für Du Bellay beansprucht er die Ehre, 
das Sonett eingeführt zu haben ^), der jedoch erst 1549 
seine ersten 60 Sonette herausgab. Wagner endlich sucht 
zu beweisen, daß jene Ehre dem Abbe St- Gelais gebühre, 
der bereits um 1511 sich eingehend mit der italienischen 
Poesie beschäftigte, während Marot erst von seiner ersten 
italienischen Reise 1535 an mit ihr bekannt wurde®); doch 
unterläßt Wagner, ein Datum für das Erscheinen der ersten 
Sonette St-Gelais' anzugeben. In Vaganey's Sonettenverzeichnis 
wird Ronsard als der erste franz. Sonettendichter bezeichnet. ') 
Wie dem auch sei, Ronsard war einer der ersten, die in der 
Sonettenform dichteten und dieselbe auf französischem Boden 
heimisch machten. 

Mehr noch als Ronsard sucht Du Bellay seine Vorbilder 
jenseits der Alpen. Seine Olive ist eine Sonettendichtung nach 
dem Muster Petrarca's, doch benützte er nicht nur diesen, wie 



*) Suchier und ßirch-Hirschf., Gesch., S. 349. 

2) Morf, Gesch., S. 158. 

') Torraca, Gli imitatori str. del Sannazaro, S. Ö8, 

*) J. du Bellay, S. 7. 

^) Ibd., S. 14. 

«) Mellin de St.-G., S. 124. — W. erörtert die Streitfrage sehr 
eingehend. 

') Le Sonnet en It. et en Fr., unter dem Jahre 1547 (die Ab- 
handlung ist nicht paginiert). 



— 19 — 

Demogeot ^), Lanson ^) und Pellissier *) zu glauben scheinen, 
sondern er plünderte hauptsächlich die im Jahre 1546 in 
Venedig erschienene Sonettensammlung 100 italienischer Dichter 
aus, von denen er, wie leicht erkenntlich ist, 30 teils aufs ge- 
naueste nachahmte, teils geradezu übersetzte. 1553 schwört 
Du Bellay bekanntlich den Fetrarkismus ab, jedoch nicht 
den italienischen Einfluß. Die Aniiquiiez de Rome, welche 
bis in die neueste Zeit als selbständige Schöpfung des 
Dichters galten, haben neben lateinischen auch eine Keihe 
italienischer Vorbilder aufzuweisen, so Guidiccioni, Molza, 
Dante, Ariost ; ja selbst Petrarca's Geist weht in Du Bellay's 
Klageliedern.*) Auch Jodelle's lyrische Dichtungen, seine 
Tercets, sind Nachahmungen von CapUoli italienischer Dichter.^) 
Antoine de Ba'if®) ist mehr Epiker als Lyriker; als 
letzterer schrieb er die anmutigen Amours de Meline (1552), 
die Amours de Franeine (1558) und Les Amours diverses, Sonette, 
die sich im Geleise petrarkischer Liebesdichtungen bewegen, 
welchen jedoch ein gewisser naturalistischer Sinn eigen ist. Seine 
Emhassade de Venits ist eine Nachahmung Bembo's und enthält 
eine Lobpreisung der Liebe. Die beiden Dichtungen Genevre 
imd Fleurdepine, Nachahmungen Ariost's, werden später noch be- 
handelt werden. Pontus de Thyard ist einer derjenigen Dichter, 
welche fast gleichzeitig mit Ronsard petrarkische Dichtung 
pflegten ') ; seine Erreures amouretises erschienen in ihrem ersten 
Teile sogar vor den Amours de Cassandre, Die meisten Versarten 
entlehnt er Petrarca, Sannazaro ®), Cariteo, Teobaldeo. Zahl- 
reiche Italianismen und Concetti sind in seinen Dichtungen zu 
finden. 



1) Bist, /S. 140. 

«) Bist, S. 282. 

*) Rons, et la Pleiade {Julleville, Bist. III, 193). 

*) Vianey, Bulletin ital. 1901, J, 315 ff. u. 77, 39 ff. 

^) Darm, et flatzf., Le 16« siecle, S. 116, Anm. 2. 

*) Nagel, Das Lehen J. A. d. Baifs {Berr. Arch, Bd. 60, 
S. 241-^266); derselbe, die Werke J. A. d. Baifs {Berr. Arch. Bd. 61. 
S. 63—124). 

') Flamini, Role de P. d. Th. dans le pitrarquisme frang, {Rev. 
de la Renaiss. 1901, 1. fasc.). 

®) Torraca, Gli imitatori str. del Sannazaro, S. 40 ff. 

2* 



— 20 — 

Eioe größere Anzahl weniger bedeutender Poeten schließt 
sich den Führern dieser petrarkischen Liebeslyrik an; zahl- 
lose Sonette, Oden, Elegien und Eklogen werden gedmckt, 
alle den ewig neuen Gegenstand der Liebe, bald platoniach, 
bald realistisch behandelnd. Eine gewisse ermüdende fän- 
förmigkeit konnte nicht ausbleiben, leidet doch schon Petrarca's 
Ca7i%oniere an diesem Übel. So tragen die Sonette Ta- 
hureau's ^), de laPeruse's, Denisot's, Ol. de Magny's ^), Passeraf 8 
und des Masures' dasselbe Gepräge petrarkischer Nach- 
ahmung. Der bedeutendste von den eben angeführten 
Jüngern der Plejade ist unstreitig Ol. de Magny, welcher 
neben Petrarca auch Sannazaro sich zum Vorbild wählt, 
letzteren besonders in seinen 1557 erschienenen Soupirs, in 
denen sich, nach Morf, auch Fabrizio Luna's Einfluß geltend 
macht. ^) Zu den Fehlern Magny's rechnet Lintilhac : tVexcee 
de fadlite, le petrarquisme et la seft'viliU dans Vimitation de tous 
les modeles m'dinaires des peirarquisants depuis Anacreon jusqu^d 
Sannaxar, ■» *) 

Ein ebenfalls sehr bemerkenswerter Lyriker ist J. Van- 
quelin de la Fresnaye. Seine Fm-esteriesj in denen er seine 
Liebesgeschichte erzählt, sind eine Nachahmung der Ärcadia 
Sannazaro 's.*) Einzelne Teile sind geradezu wörtlich übersetzt, 
so ist z. B. For. I, 1 eine Übersetzung von Ed. II, 2 der Jrc. 
und For. I, 6 von Eel I, 9,^) Auch Vauquelin huldigt der 
petrarkischen Manier, auch er hat seine Laura (Myrtin e), 
welche er in Form und Inhalt, ganz wie sein Vorbild besingt.^ 
Seine beiden Bücher Idillies weisen ebenfalls, jedoch nur ver- 
einzelt, italienischen Einfluß auf. Seine Satiren (1605) galten 



^) Lemercier, Vaiiq. d. l. Fr., S. 19; Morf, Gesch., S. 171. 

2) Lintilhac, Hist 7, S. 201 Torraca, /. c, S. 44. 

3) Gesch., S. 172. 
*) Hist, S. 201. 

'^) Lemercier, Vatiq. de la Fr., S. 23 ff. 
«) Ibd., S. 25. 

"') Ihd.j S. 143, xoo Lemercier mit Bez. mif Petr. folgenden Vera 
Vatiquelin's zitiert. 

Et volontiers poiir hii je m^en ij'ois ä Rome. 
In seinem «Art poetique» {I, 547) sagt Vaiiqueli7i von Petr. : 
QuHl orna le sonnet de sa premiere gräce. 



— 21 — 

länge Zeit als selbständige Schöpfnogen. Göujet ^), Lenient^), 
Arnould*), Morillot*) erwähnen nichts von einer italienischeh 
Beeinflussung der französischen Satiren in dieser Zeit; allein 
schon längst ist von Lemercier der Beweis geliefert worden, 
daß sie zum großen Teil Plagiate sind ^) ; von Ariost entlehnt 
er, wie wir weiter unten sehen werdien, über die Hälfte seiner 
Episteln, während er eine Anzahl von Satiren aus Sansovioo's 
Sammlung Seite Libri di satire (1560) übersetzt. 

Im Jahre 1573 erschien PL Desportes' erste Gedicht- 
sammlung, deren erste Hälfte Amours de Diane und Amours 
d'Hippolyte überschrieben ist, und aus Sonetten, Oden, Stanoes 
und Terzinen besteht.^) Sodann folgen Liebesklagen (iJlegies), 
Stücke, welche aus dem Orl, für. übersetzt sind,und Diverses 
Amours et autres oeiivres mesl6es. Später kamen noch die Demieres^ 
Amours (Les amours de Cleoniee) hiozu. 

Du Verdier zählt sieben italienische Vorbilder für die 
lyrischen Gedichte Desportes' auf: dellaCasa^ Mozarillo, 
Gnidiccioni, Molza, Copetk, Sannazaro und Berni.^) 
Diese Aufzählung ist jedoch nicht vollständig. In der Diane 
folgt er vor allem dem Sänger der Laura ^, dann finden sich 
auch noch Anklänge an Pamphilo Sasso.*) Fla, mini findet, 
wie bereits S. 5 bemerkt wurde, noch weitere Vorbilder in 
den italienischen Lyrikern Domenichi, Amamo, Ilota und 
Marini.^®) In seinen epischen Versuchen stoßen wir auf 
Ariost's und auf Aretino's Spuren. ^^) Schon im nämlichen 



^) ThSätre frang. III, 295. 

^) La Comedie, S. 24S. 

*) Essais, 6. 426. 

*) In : Julkville, Hist. III, 253. 

*) tltude litt, sur les poesies de J. Vauq. de la Fresnaye. 1887, 
S. 199 ff. Vgl. ferner Vianey, in der Rev. des üniversites du Midi, 
1895, i S. 315 (dort zeigt V., daß Vauq. in seinen Satiren ein Plagiator 
gewesen ist). 

ö) Morf, Gesch., S. 177. 

') Bibl., S. 947. 

8) Flamini, Ess., S. 351 [hei Morf, S. 241 falsch zitiert). 

») Vianey, ün modele de Desp. {Bev. d'Hist. litt. 1903, S. 277 ff.). 

^°) Ess., S. 358—360. 

") Morf, Gesch., S. 177. 



— 22 — 

Jahre, wo Desportes' Amours cfHippolyte erschieDen, schrieb 
ein Anonymus, nach Goujet^) ein gewisser R. G. de Saint- 
Jory, ein Pamphlet, Les rencontres des Muses de France et 
d^Italie, in welchem er für 43 Sonette Desportes' fünfzehn 
ital. Vorbilder nachweist. Seitdem hat die Forschung gefunden, 
daß die Zahl der Plagiate viel größer ist, daß indessen 
Desportes' Nachahmungen den italienischen Originalen meist 
ebenbürtig und oft überlegen sind, wie Faguet zu beweisen 
gesucht hat.^) Baillet nennt ihn bereits im 17. Jahrh. den 
Prince des po'etes erotiques^), Morillot den geschicktesten der 
Petrarquisten.*) 

Desportes' Schüler B ertaut steht besonders als beschrei- 
bender Dichter unter italienischem Einfluß, sonst hält er sich 
mehr an seinen Meister Desportes und an Ronsard, die er 
ausdrücklich als seine Vorbilder bezeichnet. Mit Bertaut 
endet die Herrschaft des Petrarquismus in Frankreich; 
die folgenden Dichter werden jedoch darum den italienischen 
Mustern nicht untreu. Tansillo, Berni, Aretino und die 
burlesken Dichter treten nun an Stelle Petrarca's, des 
Lyrikers Tcat* i^ox^jv- 

Fr. de Malherbe versuchte der franz. Literatur 
eine neue, vom italienischen Einfluß unabhängige Lyrik zu 
geben, aber auch er bildete sich an den Italienern heran: 
sein erstes größeres Gedicht „die Tränen des hL Petrus^ 
(1587) waren eine Nachahmung von Tansillo's gleichnamiger 
Dichtung.*) 



1) Bibl. fr. XIV, 71. 

*) Desportes (Rev. d. cours et conf. Janv. — Mars 1894. S. 385, 417, 
461, 481); dasselbe sagt Morf, Gesch., S. 178. 

*) Jugemens des Sav. V, 37. 

*) In : Jidlev., Hist. III, 251 : all lui {ä Petrarque) a pris les procides 
de composition et de style, auxquels ont eu recours, peu oii beaucoup, 
tous les poetes du temps, ä la seule excepHon de Du Bartas.» 

'^j In seiner Yorr. zu Malh.^s Werken ^t6^ Laianne Tansillo' 8 «La- 
grime» in 13 Gesängen als Quelle an, während Allais {Malh., S. 115) 
beweist, da/J Malh. die erste Ausgabe der ital. Dichtung in 42 Stanzen 
{1560) benützte, und seiner Vorlage genau, Vers für Vers folgte. Bob. 
Estienne hat 1595 ebenf. eine Nachahm. der «Lagrime» herausgegeben, 
s. Allais, /. c. S. 286). 



— 23 — 

Der Satiriker M. B6gnier folgte den Lateinern, vor allem 
Horaz, aber auch den neueren Italienern, Berni, B. Aretino 
und Ariost. Amould beweist, daß er auch mit Vorliebe die 
Capüoli Mauro's und Caporali's studierte und nachahmte, be- 
sonders in Sitten- und Charakterschilderungen.^) Flamini 
meint, daß sogar zwei Drittel seines Honneur ennemi de la vie 
Nachbildungen Mauro's seien, daß er mehrere Züge seines 
berühmten Mauvais gtte Berni entlehnt und noch mehrere 
andere ital. Dichter als Modelle benützt habe.^) 

Theophile de Viau schrieb außer Komödien eine An- 
zahl von Oden, Sonetten und Satiren ; die in diesen Gedichten 
für witzige Vergleiche und sinnreiche Gegensätze zutage tretende 
Vorliebe mag er Desportes und den Italienern, besonders 
Marini entlehnt haben. Eine Untersuchung seiner lyrischen 
Dichtungen nach dieser Seite hin fehlt noch. 

Als bedeutendste Gefährten Malherbe's sind Maynard 
und Bacan zu nennen. Ersterer gibt selbst in einem Briefe 
an Conrart zu, daß er die besten italienischen und spanischen 
Bücher täglich lese^); sein Philandre ist ganz im italienischen 
Geschmacke. Bacan verstand sehr gut italienisch; er 
liebte die Italiener und ahmte sie nach.*) Voiture und die 
Gäste des Hotel Bambouillet huldigen, soweit sie für die 
lyrische Poesie in Betracht kommen, ebenfalls der Nachahmung 
Italiens ; ist doch die sich dort treffende Gesellschaft nur eine 
Nachbildung der römischen Gesellschaftskreise, und stammt 
doch Cath. deVivonne mütterlicherseits von Italien ab. 
Was zur Schönheit des Lebens beitragen konnte, die Pflege 
der Kunst und Poesie, die gefällige Unterhaltung, den leichten 
Verkehr der beiden Geschlechter, all das nahm man von 



1) jEJm., S. 426. 

*) Studij S. 369. Lotheissen, Gesch. i, 104^ sagt von Begnier: 
Seine Hauptmuster blieben die Lateiner; doch benutzt er manchmal auch 
einen ital. Dichter als Vorbild. Von diesen Italienern erwähnt er jedoch 
nur Mauro. 

^) F a g u e t , Maynard {Rev. d. cours et conf. Nov. 1894 — mars 1695, 
S. S3ff.\ wo der Brief zitiert wird, 

*) Arnould, Ess., S. 416. 



— 24 — 

Italien«^) Demogeot nennt die drei Hauptdichter des Hotels, 
Voiture, Benserade und Dorat^ Jünger der Muse Marini's.*) 
Dieser italienische Dichter, welcher am franz. Hofe eine 
glänzende Stelle *) einnahm, wirkte geradezu verderblich durch 
seinen Einfluß auf die französische Lyrik. Seine Über- 
treibungen in der Anwendung von Antithesen, Wortspielen 
und glänzenden Bildern, der sogenannte Marinismus, fanden 
überall Eingang. Andererseits ist der Zug von Freigeisterei, 
der sich um diese Zeit in der franz. Lyrik geltend macht, 
ebenfalls auf einen Italiener, Lucilio Vanini, einen Schüler 
G. Bruno's, zurückzuführen.*) 

Mit Boileau's Auftreten macht sich die franz. Poesie 
vom italienischen Einflüsse frei^); der Hauptgrund dafür ist 
in dem raschen Verfall der italienischen Poesie zu suchen; 
außerdem kommt noch hinzu, daß Frankreichs Dichtkunst sich 
gerade um diese Zeit zu einer hohen Blüte emporschwang. 
Erst das 18. Jahrhundert kann einige vereinzelte Nach- 
ahmungen italienischer Lyrik verzeichnen, so werden Chia- 
brera's Oden von Lebrun ®) nachgeahmt ; Filicaja, der Sänger • 
der Befreiung Wiens, ist ein Vorbild J. B, Rousseau's. ') ' 
Größer ist der italienische Einfluß, wie wir sehen werden, 
auf epischem und dramatischem Gebiete. Hettner's franz. 
Literaturgeschichte des 18. Jahrh. geht leider auf keine 
Quellenuntersuchung ein.*) 

Von den großen französischen Lyrikern des 19. Jahrhunderts 
kommt allein Lamartine in Betracht. In seiner Jugend 



*) Lotheissen, Gesch. J, 153 — 155, 

*) Histj S. 144. Aus einem Briefe Voiture^s erfahren wir^ da/i «• 
eine Übers, des Orl. für. an ilf»»« ^e Sahitot sandte^ ein Zeichen von der 
Beliebtheit it. Dichter zu jener Zeit. 

^) Siehe darüber Wiese-Percopo, Gesch. d. it. L., S. 387 — 389. 

*) Schirmacher, Voiture {Herr. Arch.^ Bd. 9€, S. 109 ff.). 

*) Lanson, Hist., S. 806: «Boileau et les jpurs classiques nous en 
(nämlich von der Nachahmung der Italiener) affranchissent, ä partir 
de 1660.» 

*) Demogeot, Hist. des litt. etr.. S. 146. 

') Ibd., S. 146. 

®) Weder Lanson noch eine andere frz. Liti.-Gesch. untersudit den^ 
italienischen Einfluß im 18. Jahrhundert. 



— 26 — 

liest er nach seinem eigenen Geständnisse Tasso^s GeruscUemme 
liberata und die anderen großen Epen des Cinquecento. 

So groß Leopardi's Einfluß auf die Lyrik seines eigenen 
Landes war, über die Grenzen desselben ging er nicht hinaus; 
vielmehr ließ er sich selbst, wie A. OrioP) bewiesen hat, 
TOQ den französischen Dichtem Rousseau, Chateaubriand und 
besonders M^^ de Stael beeinflussen. Die franz. Lyrik des 
19. Jahrh. ist ihre eigenen Wege gegangen, ja in mancher 
Hinsicht war sie derjenigen der übrigen europäischen Nationen 
weit voraus und ist heute noch in steter, selbständiger Ent- 
wicklung begriffen. 



. 3. Italienischer Einfluß auf das Epos.^) 

Als den Schöpfer des neueren klassizistischen, französischen 
Epos können wir Ronsard betrachten. Er wollte in der Franciade 
ein Epos nach dem Muster der großen antiken Epen- 
dichter schaffen, doch hält er sich neben Vergil besonders an 
den Italiener Ariost, den er oft nahezu übersetzt, wie wir 
später zeigen werden. Über die längeren epischen Gedichte 
Baif s und Desportes', Nachahmungen einzelner Episoden des 
Orlando furioso, werden wir ebenfalls in einem anderen Kapitel 
handeln. Der Südfranzose Du Bartas wendet die poetischen 
Prinzipien Ronsard'» auf einen religiösen Gegenstand an;^ 
Amould hält es für möglich, daß Du Bartas des großen 
Florentiners Divina Commedia kannte und sie zu seinem Vor- 
bilde machte.^) Sicher ist, daß besonders in dem Epos Judith 



') Leopardi et la litterat fr., in: Buü. it 1902, t. IT, 303-326, 
*) Daniels Emiluli im 15. Jahrh. war kein großer {vgl. Oelsner, 
Dante in Frkr., 8. 3; Arnould, Ess. 392; ßouvy, Voltaire etc. 
8. 37). Im 3. Teü der «ifwfoctow de Fortune» der Christine de Fisan 
findet »ich eine Anspielung auf Inferno XXVII; einzelne Na/ihr 
akmumgen finden sich im «Livre du Chemin de long estude», im Glossar 
zum ^tlAvre de Frvdence», wo eine 8teUe aus dem Inferno XVI, 124 
— 126 angeführt wird {s, darüber O eisner, Dante in Frkr., 8. 5 ff.); 
ferner Wiese, gelegentl. der Kritik von Oelsner^s Ahh., in Herr.^s Arch. 
Bd. 102, 8. 229 f. 

») Essais, 8. 442. 



— 26 — 

Tasso und Ariost für einzelne Stellen benützt wurden^); in 
seiner Seconde Semaine (II, 2 u. 3) werden Petrarca, Boccaccio, 
Ariost und Tasso als Hauptvertreter der italienischen Poesie 
genannt. 

„Im 17. Jahrhundert, sagt Arnould, steht das romantische 
Epos Frankreichs in voller Blüte, wozu besonders der schnelle 
Erfolg des befreiten Jerusalems und das Glück des marinischen 
Adone beitrugen. Auf Tasso und Ariost gehen besonders 
Scudery, St.-Amant, Desmarets, Chapelain, Le Moine zurück." ^) 
Doch scheiterten alle Nachahmungen an dem mangelhaften 
Stil der Franzosen, sie verstanden nicht das Scherzhafte, 
Ironische eines Ariost, noch das Erhabene, Ernste eines Tasso 
nachzuahmen, und so hören sich ihre Epen wie Parodien der 
großen Italiener an. 

Boileau's Lutrin hat neben dem Froschmäuseh-ieg auch 
den Geraubten Wassereimer Tassoni's zum Vorbilde.*) 

Hierher möchten wir auch eine Reihe von burlesken franz. 
Dichtem stellen, welche insgesamt bei den burlesken (auch 
hemesk genannten) Dichtern Italiens in die Schule gingen. 
Italien ist das Vaterland des Burlesken.*) Pulci 
kündigt es an, bei Ariost finden sich eine Menge von bur- 



*) Siehe weiter unten heim Abschnitte: Einfl. AriosVs auf d. frz, 
Epos; Rathery, Infi., S, 97 ff. erwähnt überhaupt nichts von einem 
ital. Einfluß auf das frz. Epos. 

*) Essais, S. 445 ff. Gemeint sind Scuderifs Alaric, St. Amanfs 
Alboin, Desmarefs Clovis, Chapelain^s Pucelle und Le Moine's St-Louis. 
Birch-H. {Lit.-Gesch., S. 410) erwähnt hier nichts von einem ital. 
Einflüsse. 

») Suchier-Birch-H., Gesch., S. 485; Gröbedinkel (1882); 
Knaake (1883); Bobertag, in: E. St. I, 456; II, 204. 

*) über die „Burleske" in Italien finden sich Andeutungen beiWiese- 
Perc, Gesch. j S. 342 ff. j über die bürgert. Dicht, in Frankreich bei 
Morillot {Scarron et la poesie hü'l.) welcher fast nur den span, Ein- 
fluß behandelt. Wichtiger, und nur auf den italienischen Einfl. bezug- 
nehmend, dagegen: Toldo, Ce que Scatron doit aux. burl. und Seh ön - 
he TT, St.-Amant {ZfrSp. I, 113 ff., wo er S. 139 eine Definition des Burl. 
gibt, jedoch auf den ital. Einfl. nicht näher eingeht). Cfr. noch Vianey, 
Bruscambille etc., in: Rev. d'Hist. litt. 1901, VIII, 569 jf. Fe^'ner Toldo, 
in Gröb.'s Z. (1901). XXY, 71 ff. 



— 27 — 

lesken Bemerkungen. Populär jedoch wurde diese Dichtnngs- 
art bekanntlich erst durch Berni. Eine ganze Schule entstand 
um ihn: Eolengo, Molza, della Casa, Firenzuoli, Mauro, 
Caporali etc. Der bedeutendste Vertreter der französischen 
burlesken Dichtung war Scarron. Seiner Abstammung nach 
Italiener, kam er frühzeitig nach Rom, kurz nachdem Lalli 
die erste Travestie der Aneide veröffentlicht hatte, welche 
ihm wahrscheinlich die Idee zu seinem Virgile travesty gab.^) 
Als weitere Quellen dieser französischen Travestie sind die 
Oigantea Amelonghi's und die Werke Bracciolini's nachgewiesen 
worden, hauptsächlich dessen Scherno' degli d&i,^) 

Auch der bereits erwähnte St-Amant schrieb 1637 in 
diesem Genre seinen Passage de Gibraltar und 1643 seine Rome 
ridicule. Der Möise sauve desselben Dichters weist Einflüsse 
klassischer Schriftsteller und italienischer Dichter, besonders 
von Castelvetro Piccolomini und Tasso auf.^) Sarrazin hatte 
ebenfalls aus Italien eine Vorliebe für das Burleske mit- 
gebracht und schrieb die Aventure de la Souris. Die Blütezeit 
des Burlesken in Frankreich datiert seit Scarron's Typhon 1644. 
Drei Jahre später veröffentlichte Loret seine Poesies burlesques ; 
1649 erschien eine Passion de Notre-Seigneur in burlesken 
Versen.- Alles schreibt in dieser Manier. Morillot führt 
folgende bekannte Autoren von Travestien an: Furetiere, 
Du Fresnoy, Perrault, Br6beuf, Barciet, Claude Petit-Jean, 
Richer d'Assoucy, Picon et cent autres.*) 

Folgendes sind die Gegenstände, welche die Franzosen, 
in Nachahmung der Italiener, mit Vorliebe in burlesker Weise 
behandelten *) : 

1) Die Liebe und die Frauen. 

2) Persönliche Angriffe und ärgerliche Abenteuer. 

3) Paradoxe. 



*) 8. Krit v. Toldo's Ce que Semron etc., im Giorn. stör. XXV, 
S, 325 ff. 

^) Schönherr, St-Amant, in: ZfrSp. X, 174. 

') Scarron etc., S. 152, 

^) ToldiO, M. mr la poesie hurl. {ZrPh. XXV, 71., tind Vianey 
in der Bev. d'ß'H. litt. VIII S. 569—576); ferner Arnould, Essais, 
S. dOL 



— 28 — 

4) Gegen die Ehre. 

5) Verteidigung einiger moralischer Gebrechen und des 
menschlichen Elendes. 

6) Verteidigung der Krankheiten. 

7) Verteidigung der Tiere. 

8) Burleske Beschreibungen : die Brennessel, der Binsen-^ 
korb (le cabas), die Mütze, der Tabak etc. 

Sogar ßonsard hatte einen Panegyrikus auf das Glas, 
Le verrej nach Bino geschrieben ^), ein Loblied auf den 
Salat, La salade, nach Molza^), endlich les Vues ou Nouvelles, 
nach Mattio Pranzesi.*) Du Bellay schrieb einen Hymnus 
auf die Taubheit*), Jamyn ein Gedicht gegen die Ehre.^) 

Eine größere Zahl burlesker Dichtungen findet sich in 
den Muses gaillardes, im Cabinet satirique und im Parnasse, 

Die Prologe Bruscambille's, welche vor den Aufführungen 
im Hotel Bourgogne gewöhnlich gesprochen wurden, sind 
nichts anderes als burleske Satiren.^) Er lobt da die Armut, 
die Feigheit, zählt die Freuden der Galleux (Krätzkranken), 
die Tugenden der Puees auf und ahmt so. die Italiener nach. 
Auch Regnier's Satiren 7 und 11 und seine ganze Galerie 
häßlicher Frauen gehören hierher. Die 10. Satire, in welcher 
er ein persönliches Abenteuer schildert, ist eine Nachahmung 
Bemi's, Theophile de Viau huldigt dem burlesken Ge- 
schmacke in seinen Eegrets faits sur un fächeiix logis. Eine 
große Anzahl derartiger Nachahmungen finden wir in den 
Studien Toldo's über die burleske Poesie.') 

Allmählich jedoch stirbt die Burleske aus oder fristet in 



^) ß, o n s. , (EuvreSj jp. jp. Blanchemain III, 402. 

*) Ihd.j VIj 87. Binö'8 und Molzd's Gedichte finden sich in den 
Opere burlesche. Londra. 1723. Livr. 11^ 214 u. 223. 

') JEtons., (Euvres, p. p. Blanchem. FJ, 257, — FranzesVs Gedicht 
befindet sich in den Opere burl.j Livr. II, S. 97. 

*) (Euvres. p. p. Marty-Lav. II, 399 ff. 

*) (Euvres, p. p, CoUetet. 1879. II, 203 ff, 

*) Vianey, Bruscambille ei les poetes bemesques {Bev. d^Hiet. litt, 
VIII, 571), 

') La poesie burl,, Gröb.'s Z. XXV, S. 71—93; 215—229; 257-^277; 
384-410. 



— 29 — 

den literarischen Cafes, welche besonders von Regnier und 
Berthelot besucht werden, ein elendes Dasein.^) 

Nach dem Aussterben des burlesken Genre vergeht eine 
lange Zeit, ehe wir wieder etwas von italienischem Einflüsse 
auf die französische Epik bemerken. Erst in Yoltaire's beiden 
Epen Henri IV und La Pucelle finden sich einige Anlehnungen 
an die italienischen Epiker Dante und Ariost ^) ; manche Züge 
entlehnte er auch dem 1623 vom Italiener Malmignati ge- 
dichteten Enrico, qitarto.^) 

Auch der größte Epiker des neunzehnten Jahrhunderts 
in Frankreich, V. Hugo, kannte die ^LHvina Comedia^ zwar 
nicht gründlich, aber er nennt Dante seinen tdiviti maitrei^.^) 

4. Italienischer Einfluß auf die Erzählung und den Boman/) 

Die Quelle des modernen Romans und der modernen 
Erzählung ist Boccaccio's Decamerone. In seinem Werke 
findet man alle Formen dieser Literaturgattung, welche die 
Geister der Renaissancezeit bis zum 17. Jahrhundert unter- 
hielten imd interessierten. Die Franzosen wurden durch 
Laurent de Premierfaict's Übersetzung des Boccaccio (1414) 
mit dem Decamerone bekannt®); doch scheint der Erfolg 
dieser Übersetzung kein großer gewesen zu sein. Denn erst 
als die Novellen Bandello's, Giraldi^s, Poggio's und die Facetien 



*) Vianey, Bruscanibille etc., in: Rev. d^Hist litt VIII^ S. 569 ff. 

^) Prato. Tre paasi d. Div. Com, etc., in: Giorn. Dant. J, 560 ff.; 
Oelsner {Dante in Frkr.j S. 34) behauptet jedoch, Volt, hätte sich nie 
mit Dante beschäftigt; vgl. dag. Farinelli's scharfe Kritik von Oelsner s 
Abh., im Giorn. stör. XXIX, S. 142. 

«) Hettner, Gesch., 8. 227. 

*) Farinelli, Giorn. stör. XXIX, 142; Bonyy, Bull. ital. 1902, 
(Chroniqvs) sagt von V. Hugo: «On n'oserait affirmer que V. H. 
connüt ä fond la Div. Com. . . . Mais il est certain que le grand poete 
frangais nourrissait un vrai culte pour Dante, et quHl avait de Vensemble 
de son poeme une idee claire et vive. Le Purgafoire et le Paradis n'ont 
pas autant d^attrait pour V. H que VEnfer, bien quHl les ju^e eux aussi 
extraordinaires.» 

*) Körting's Geschichte des frz. Romans beschäftigt sich nicht 
mit Quellenforschung. Auch sonst ist dieser Gegenstand noch wenig be- 
handelt worden. 

•) Suchier u. Birch-H., Gesch., 8. 262. 



— 30 — 

Straparola's erschienen waren ^), gewann auch die fran- 
zösische Novelle Lebenskraft und errang bald eine der italieni- 
schen Literatur nahezu gleichkommende Stellung in der Novellen- 
literatur. 

1536 vollendete der Sattler Nicolas aus Troyes eine zwei- 
bändige Sammlung von Novellen, von welchen uns jedoch nur 
der 2. Band (180 Novellen) unter dem Titel: Le grand Paran- 
gon des nouvelles nouvelles enthalten ist. Der Verfasser benützt 
vornehmlich Ant. de la Säle, außerdem besonders Boccaccio 
und andere italienische novellieri. Die Comptes du monde aven- 
tureux werden 1555 publiziert; 15571 erscheinen die Joyevx 
Devis Des Periers'; 1565 veröffentlicht Tahureau seine 
Dialogues, 1572 werden die Discours non plus melancoliques que 
divers und der Printemps Iver's veröffentlicht^); 1547 er- 
scheinen die Propos rustiqu£s und 1548 die Baliverneries des 
Noel du Fail und 1585 die Contes et discours d^Eutrapel von 
demselben ; die Matinees erscheinen 1585 — 86 und die Apres 

disnees 1587 — 88, beide von Choliöres verfaßt. Die Contes 
amoureux des Flores, um 1531 veröffentlicht, sind zum größten 

Teil dem Boccaccio entlehnt, während die 1584 veröffentlichten 
Facetieuses joumees des Chapuis den Notti Strapola's ent- 
nommen sind.^) 

Auch das 17. Jahrhundert hat mehrere solche Samm- 
lungen von Erzählungen aufzuweisen : 1603 le Tresor des rS- 
creations ; 1646 die Galerie des curieux; 1668 den Courrier facetieux; 
1695 den Bouffon de la Cour und die Caquets de VAccoucMe. 
Diese Angaben sind größtenteils nach Toldo's erstmaliger 
Zusammenstellung gemacht.*) Die meisten sind Bahmen- 
erzählungen, gehen also in ihrer Form auf Boccaccio zurück. 



^) Vher die ital. Nov. 8. Näheres 6ei Wiese -Pferc, Gesch., S. 376 ff. 

2) Cf. KocKs Z. IV, 274; IX, 33ff., 54ff.; ZDA. XXI, 445ff.; 
Schnorr^ 8 Ar eh. VI, 130 Anm.; Herr. Ar eh. XC, 182; Lieb au, König 
Edw. III, S. 90 ff. 

*) Toldo, Contrihuto, 8. V u. S. 83 ff., 106 ff. 

*) Contrihuto, S. Vf. Toldo^s Zusammenstellung ist nicht vollständig. 
Es fehlen z. B. noch: Belleforesfs Bist, {prodigieuses) tragiques eX' 
traites des oeuvres ital. de Bändel. P. 1547 {s. Du Verdier, S. 366) und 
Henri Philippe de Villiers' Hecatomythie {eine Übertragung der Liebes- 
briefe Parabosc&s, 1536; s. Du Verdier, S. 572). 



— 31 — 

Schwerer, oft sogar unmöglich ist es, festzustellen, ob auch 
der Inhalt der Novellen vom Italienischen genommen ist, oder 
ob die behandelten Sto£fe auf den mittelalterlichen Anekdoten- 
schatz des franz. Volkes zurückzuführen sind ; viele von ihnen 
sind übrigens Gemeingut aller damaligen Kulturvölker. Von 
den Cent NouveUes Nouvelks gehen mehr als 30 auf italienische 
Quellen zurück^); eine große Anzahl italienischer Novellen 
hat auch Margarete von Navarra in ihren Eeptameron auf- 
genommen.^) Im Orand Parangon findet Toldo 87 Novellen *), 
denen italienische Quellen zugrunde liegen, die Comptes du 
monde aventurenx enthalten 44*), die Joyeux devis endlich 50 
italienische Novellen.*) 

Dieses Ergebnis von Toldo's Untersuchung wurde jedoch 
von G. Paris angezweifelt®), der darauf hinweist, daß eine 
Keihe der von Toldo als italienisch bezeichneten Novellen 
teils in den Fableaux bereits zu finden seien, teils in der 
mündlichen Überlieferung des Volkes schon seit Jahrhunderten 
lebten. So behauptet Paris, die Novellen des Orand Parangon 
seien puremeni fran^ais ') ; vom Heptameron sagt er, daß der 
italienische Einfluß sich nur auf die Anlage der Sammlung 
und auf viele Ideen, aber „literarisch" auf keine der Er- 
zählungen erstrecke.®) Ahnlich spricht er von den JoyeKx 



^) Toldo, Contr,, S. 1—29, 

«) Ibd., S. 30—82. 

») Ibd., S. 83—105. 

*) Ibd., 8. 106—127. 

») Ibd., 8. 128—153. Such.-Birch-Hirschf., 8.330 bezeichnen 
die Joyeux Devis einfach als eine Art Fortsetzung der Fableaux. 

•) La nouv. frang. {Journ. d. Sav. 1895. mai-juin, 289 — 303 u. 
347 — 361). Auch Tobler hat einmal gesagt: „Toldo^s Verweisungen auf 
itul. Vorbilder {Herr. Ar eh. Bd. 98, 8. 211) sind sehr oft ivenig überzeugend.^ 

') La nouv. fr., 8. 298; Wagner, Mellin de 8t'Q., S. 119 da- 
gegen: „In dem Grand Par. wird die ital. Überlieferung fortgesetzt.^ 

8) Ibd., 8. 350; Such -Birch'B.., Gesch., 8. 331: „Einzelne (No- 
vellen) stammen aus litt. Quellen, aus Ariost, Masuccio, G. Cinthio, 
Sacchetti etc.". Mort, Gesch., 8. 80 sagt, das Hept. erinnere an 
Boccaccio. — Wenn wir bedenken, daß Le Magon von Marg. be- 
auftragt wurde, den Decameron zu übersetzen, so ist wohl anzunehmen, 
daß die eine oder andere Nov. ihrer 8ammlung aus dem Decameron 
stammt 



— 32 — 

Devis.^) Doch gibt er am Schlüsse seiner Arbeit den 
itaUenischen Einfluß, wenn auch in beschränkterem Grade m. 
Einen zwingenden Beweis, daß Toldo im Irrtum sei, hat er 
jedoch nach unserer Ansicht nicht geliefert, da ein solcher 
vielleicht überhaupt nicht zu liefern ist. 

Für die übrigen bei Toldo aufgezählten Novellensamm- 
lungen ist eine genaue Quellenuntersuchung bis jetzt nicht 
angestellt worden; aber es ist wahrscheinlich, daß auch hier 
eine reiche Ausbeute italienischer Quellen sich ergeben würde; 

Die beiden Hauptwerke Rabelais', der Oargantua und 
der Pantagruel, stehen auch vielfach unter dem Einflüsse 
italienischer Dichter und Schriftsteller. Toldo hat sich zum 
erstenmal mit ziemlich eingehender Genauigkeit darüber ge- 
äußert.^) Doch bedarf es, um ein vollständiges Bild dieses 
Einflusses zu geben, noch der Zuhilfenahme einer Anzahl 
anderer Forscher. 

Aus Pulci's Morgante Maggiore nahm Kabelais die Gestalt 
seines Morgan; nach demselben Italiener führt er in seiner 
Genealogie PantagrueFs (Garg. II, 1) 62 Kolosse an, die dem 
Stammbaume des Kiesen zur Zierde gereichen.^) Femer ent- 
hält die Keise PantagruePs Anklänge an Pulci und Folengo, 
welch letzterer zweimal von Kabelais erwähnt wird.*) Das 
Erziehungssystem, wie es der französische Satiriker 
aufstellt, ist teils seinen eigenen Ideen entsprungen, teils nach 
den Theorien der Kenaissance geschaffen, wobei Castiglione's 
Cortigiano besonders berücksichtigt wird.^) Einfluß der italieni- 
schen Kenaissancekultur ist es, wenn Kabelais ganz besonders 
das Gefühl der Ehre betont.®) Die Gestalt des Panurge er- 



*) Ihd., 8. H50; Morf, Gesch., S. 80: „Sie erinnern an Sacchetti." 

«) LWte ital nelV opera di F. R, in : Herr.'s Arch., Bd. 100, S. 103 
— 147; Arnould, Ess., S. 465, behauptet, daß ein bestimmter Einfluß 
Italiens auf Rabelais sich nicht nachweisen lasse. 

8) Morf, Gesch., S. 77. 

*) Garg. II, 7; III, 11. PulcVs Morgante wird in Garg. II, 1 
angeführt. 

*) Toldo, Varte ital, in Herr.'s Arch. C, 119. 

^) Zumbini, Siudj d. lett. stran.; cap. IV, Rabelais. Unsere 
Stelle ist angeführt nach dem Referat über das Buch im Giom. stör. 
XXIII, 292 ff. 



- 33 - 

innert an den Brunello des Innamorato (C. II, 5) und an 
den des Orl. für. (C. III), an den Margutte des Morgante 
Maggiore (0. XIX) und an den Cingar Folengo's (Macch. 
11).^) Die Anekdote über das Almoseugeben findet sich bereits 
bei Poggio (C. N. N. XXV); ebenso erinnert an diesen das 
Gelübde im Sturm. ^) F. Colonna's Polifilo wird im I. Buche 
(Kap. 9) des Gargantua erwähnt, und der Schluß des 5. Buches 
ist nahezu eine wörtliche Übersetzung dieses 1499 in Italien 
erschienenen Werkes.*) Die Abtei Thelöme ist beschrieben 
nach dem Vorbilde der Renaissancepaläste; die Liebe der 
Thelemiten war die platonische Liebe Petrarca's.*) In den 
Regierungstheorien endlich, die er in seiner großen Satire auf- 
stellt, sind Macchiavel imd Castiglione seine Quellen. 

Eine Reihe italienischer Schriftsteller trägt außerdem 
noch zur Bildung Rabelais' bei; er selbst nennt sie uns: 
Poliziano (Garg. I, 24), Lorenzo Valla (I, 10), Passavante 
(I, 14), Pontano (I, 19), Alberti (II, 7), Pico della Mirandola 
(II, 18), P. Giovio (V, 31).*) 

So konnte selbst dieser sonst so unabhängige Geist sich 
dem Einflüsse der italienischen Literatur nicht entziehen, viel- 
mehr erwuchsen ihm seine besten Ideen aus dem Studium der 
italienischen Dichter und Schriftsteller. Mit Recht hat Phil. 
Ghasles einmal gesagt, daß Rabelais die Elemente seiner 
„großen Ironie" hauptsächlich in Italien sammelte.®) 



^) Luzio's Spigolature FolenghianCy Bergamo, 1897, in welchen 
ein Kapitel über die Nachahm. FoVs bei Rabelais handelt, konnte nicht 
benützt werden; vgl. Toldo, l. c, 8. 124. 

«) JRabelais, Garg. IV, 18 u. 19. 

*)Sölthoft -Jensen, Le 5^ livre de Rabelais, etc. {Rev. d^Hist. 
litt. 1896. III, 608 ff.). 

*) Toldo, l. c, S. 137 ; ferner das Referat v. ZumbinVs Studj in 
dem Gior. stör. XXIII, S. 292 ff., wo noch AriosVs Insel der Alcina 
und Bemi^s rifojcimento delV Orl. innam. als Quellen angeführt werden. 

*) Lanson, Hist, S. 254, nennt außer den bisher ertoähnten Vor- 
bildem noch Coccaie und Aretin. Das Verhältnis des Ersteren zu Rab. 
wird untersucht von Loforte-Randi in den «ümoristiy* [Lett. stran. 
Palermo. 1901. 5«. seria, S. 179 ff.); der Artikel ist sehr allgemein ge- 
halten; vßl. Krit. desselben in dem Bull. it. 1901. I, 317. 

«) Etudes, S. 446. 
Hfinchener Beiträge z. romanischen u. engl. Philologie. XXXIY. 3 



•— 34 - 

Im 17. Jahrhundert sind außer den bereits erwähnten 
Novellensammlungen noch Lafontaine's Contes, eigentlich nur 
Novellen in Versform, zu nennen. Ihre Quellen sind zum 
großen Teil in Italien zu suchen.^) 

A. Regnier hat allerdings die Quellen sämtlicher Conus 
in der Lafontaine-Ausgabe der Grands ^crivains eingehend 
untersucht und festgestellt, doch fehlt bei ihm eine übersicht- 
liche Zusammenstellung der Ergebnisse, die wir nun hier 
geben wollen. 

I. Teil der Contes: 

Conte 1 = Ariost, Orl. f., Canto XXVIII, 4 ff. 



7J 


3- „ 


77 


J»j \J(X\JJLL1, JLJ.J., I. 

„ VII, 7. 


>7 


11 — Candelaio 


(letzte Szenen). 


IL Teil: 






Conte 1 Bocc. 


, Dec 


. VIII, 8. 


7> 


3 


7» 


TX, 6. 


V 


4 


77 


III, 2. 


?7 


5- „ 


7? 


II, 2. 


?> 


7- „ 


7> 


VII, 5, 8 u. 9. 


J> 


8_ „ 


77 


II, 10, 


?> 


9 


77 


VIII, 1. 


?? 


13 


77 


I, 2 (oder aus den Diporti des 
Parabosco). 


» 


14 Bocc. 


, Dec 


. II, 7. 


W 


15 


77 


IV, 2. 


77 


16 


77 


III, 1. 


ni. Teil: 






Conte 4 = Orl. 


für., 1 


0. X 1,111, 17flf. 



') Bekannt ist ja Lafontaine's Vorliebe für die ital. Dichter^ welche 
er in folgenden an den Bischof von S o i s s o n s gerichteten Versen zum 
Ausdruck bringt: 

«Je cheris VArioste, et festime le Tasse; 

Plein de Machiavel^ entete de Boccace, 

Ten parle s% souvent qu''on en est etourdi; 

Ten lis qui sont du Nord et qui sont du Midi,i> 
(Gr. tor. IX, 204, Vers 77—80.) 



— 35 — 

Conte 5 = Bocc, Dec. V, 9. 
„ 13 = Orl. für., G. XLIII, 67 ff. 

IV. Teil: 

Conte 6 = Bocc, Dec. III, 8. 
99 7 = „ „ UL, 2. 

8 = Pecorone, Giorn. I, 2. 

9 = Bocc, Dec. III, 10. 
10 = „ „ IX, 10. 

15 = „ „ III, 5. 

16 = Ragionamenti dell' Aretino, Giorn. I, 1. 






V. Teil : 

Conte 3 = Bocc, Dec. III, 3. 

,, 7 = Novella piacevolissima des Macchiavel. 

Von den 64 Erzählungen des großen Dichters sind also 
nicht weniger als 27 auf eine italienische Quelle zurück- 
zuführen. 

Als eine Fortsetzung des Ritterromans haben wir den 
Schäferroman zu betrachten, welcher besonders in der ersten 
Hälfte des 17. Jahrhunderts in Frankreich in Blüte stand. 
Sannazaro aus Neapel schuf dieses Genre mit seiner Arcadia 
(1489 — 1495). Spanien entwickelte es weiter und übertraf 
die Arkadia mit Montemayor's Diana 1560; von Spanien aus 
gelangte diese Dichtungsart sodann nach Frankreich. Indessen 
macht sich auch manchmal ein direkter Einfluß Italiens 
geltend, wie z. B. bei Honore d'ürfe. Die Quellen seiner 
Astree sind in Sannazaro's Arcadia^ in Tasso's Aminta und in 
Guarini's Pastor fido zu suchen.^) Birch-Hirschfeld bemißt 
den italienischen Einfluß auf d'ürfe sehr hoch, wenn er sagt: 
„Neben den spanischen Mustern sind es die Erzeugnisse der 
italienischen Schäferdichtung, denen d'ürf§ für seine Schöpf- 
ungen am meisten zu verdanken hat. Die Vereinigung mittel- 
alterlicher, antiker und italienischer Bildungsbestandteile 



1) Lanson, Eist, S. 369 u. 370. 

3* 



— 36 — 

machte das Werk zu einem Lieblingsbuch der Zeitgenossen, 
deren Stimmungen und Lebensideale es aussprach/^ ^) 

Während das Schäferspiel für die ersten Jahrzehnte des 
17. Jahrhunderts sich eine hervorragende Stelle im dramati- 
schen Genre errang und bis in die Mitte desselben Jahrhunderts 
sich auf der Bühne erhielt, ward dem Schäferroman eine viel 
kürzere Lebensdauer zuteil. Bald nach dem Erscheinen der 
Astree wandte sich die Mode dem historischen, und später 
dem mehr realistischen Roman a la Princesse de Cleve zu; 
andererseits verfiel in Italien die Prosaerzählung nach Art der 
Arcadia, ohne daß ein neues Genre an ihre Stelle getreten 
wäre; daher hört mit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts 
der Einfluß Italiens auf diesem Gebiete auf.^) Nur wenige 
französische Erzähler des 18. Jahrhunderts wenden ihre Blicke 
dorthin. Montesquieu^) schreibt seine Lettres persanes nach 
dem Vorbilde G. P. Marana's Vesploratore turco e le di lui 
relazioni segrete alla Porta ottomana, M™® d'Aulnoy nach dem- 
selben Muster ihren Prince Marcassin,^) 

Der komische Roman der Franzosen hat seinen Ursprung 
in Spanien, wo Lazarillo de Tormes, 1553, die glänzende 
Reihe der novehs picarescas eröflfnete. Ab und zu jedoch 
scheinen sich auch italienische Einflüsse bemerkbar zu machen ; 
so geht in Cyrano de Bergerac's Histoire coDiiqice des Etats et 
Empires de la Lune, 1656 oder 1659, und desselben Ver- 
fassers Histoire comique des Etats du Soleil, 1662, die Idee 
der Mond- und Sonnenreise auf Dante und Ariost zurück.*^) 



1) Sucb.-B.-Hirschf., Gesch., S. S72, 

^) Nach Lintilhac [Hist., S. ^40) benützen in der 2. Hälfte des 
17. Jahrh., der Märchendichter Perrault und die schriftstellernden Damen 
aus dem Gesellschaftskreise der Marquise de Lambert die von J. Louveau 
1560 übersetzten FacHieuses Nuits des Straparola. 

») Wiese- Pferc, Gesch., S. 47(K Marana (1642-1698) lebU drei 
Jahre in Paris und übersetzte selbst sein Werk ins Franz. Siehe auch 
Toldo: Les Lettres persanes et V Espion de Mar. {Gior. stör., Bd. XXIX, 
S. 47-49). 

*) Darm, et Hatzf. , Le 16^ s., S. 64 u. Anm. 5. 

*) Körting, Gesch. d. frz. Rom., Bd. II, Kap. VII; Hönncher 
{Fahrten nach Mond und Sonne in d. frz. Lit. des 17. Jhrh.^s) streift diese 



— 37 — 



5. Elnflnß Italiens auf das franz. Theater. 

I. Italienische Schauspieler in Frankreich. 

Der Einfluß der italienischen Schauspieler auf die fran- 
zösische Bühne kann nicht hoch genug angeschlagen werden; 
daher ist er auch schon von einer großen Anzahl von Literar- 
historikern einer eingehenden Untersuchung gewürdigt worden. 
Freilich ist es oft geradezu unmöglich, diesen Einfluß, soweit 
er die bloße Kunst des Schauspielers betrifft, festzustellen, 
da wir hierüber für die italienische Bühne des 16. u. 17. Jahr- 
hunderts nur spärliche ^), für die französische überhaupt keine 
schriftlichen Aufzeichnungen besitzen. 

Gewöhnlich bezeichnen die Literarhistoriker als Datum 
des ersten Auftretens italienischer Schauspieler in Paris das 
Jahr 1571, so z. B. Lucas, Campardon, Baschet, Julleville; 
D'Ancona schwankt zwischen 1570 und 1571; ßigal nimmt 
1572 an. Fest gibt als Datum das „Ende des 16. Jahr- 
hunderts" an. Es ist jedoch wahrscheinlich, daß bereits 
früher schon ital. Wandertruppen in Paris gespielt haben. 
Wir wissen, daß solche Truppen wiederholt vor 1571 einen 



Quellenfr. nicht. Nach Bengesco, Bibliogr. Volt. Z, 440, geht Voltaire' 8 
MtcromSgas in seiner Idee auf Cyrano^s beiden Romane, also indirekt 
auf it. Einfl. zurück. 

*) Hierher gehören vor allem die Scenarii Gherardi's, 1694^ 
1697 und 1700 erschienen; ihnen gingen voraus die weniger bedeutenden 
Scenarii von Flam. Scala und Dom. Biancolelli, bekannt unter dem 
Namen Dominique I. Für die Zeit von lö60 — 1665 ist Dorefs Muse 
historique {3 vols. ; neue Ausg. F. 1867. 4 vols.) wichtig. Eine ausführliche 
kritische Bibliographie über das ital. Theater in Paris findet sich bei 
Klingler, Die Com.-Ital., S. 19 ff. Doch vermisse ich folg. für diesen 
Gegenstand in Betracht kommenden, wichtigen Werke: Ebert, Ent- 
wicklungsgesch., S. 122 ff. ; Lucas, Hist., III, 137 — 168; Fournier, 
Varietes hist. et litt. V, 69 ff.; D'Ancona, Dell. orig. IL 455 ff.; 
Julleville, Les comediens fr., p. 67 ff.; Fest, Der miles glor. {Münch. 
Beitr,) 8.43; Riga!, Le Th. fr. avant la periode class., S. Iff. Ver- 
einzelt steht K 1 i n g 1 e r mit seinem Lobe von Sand's Masques et Bouffons, 
deisen biogr. Teü jedoch auch von ihm als unzuverlässig bezeichnet wird 
{8. 8. 21, Änm. 2). 



— 38 — 

Ruf nach Frankreich erhielten, und bei einer solchen Ge- 
legenheit mögen sie wohl auch die Hauptstadt des Landes 
betreten haben. Ebert hält es nicht für unmöglich, daß die 
geistlichen Komödien der Königin von Navarra (gestorben 
1549) durch italienische Komödianten gespielt wurden.^) Von 
Trautmann wissen wir, daß bereits im Jahre 1496 italienische 
Schauspieler sich nach Frankreich „zerstreut" hatten.^) Proelss 
verlegt ebenfalls das erste Erscheinen derselben in Frankreich 
in das Ende des 15. Jahrhunderts^) und Birch-Hirschfeld 
datiert es, allerdings ohne Quellenangabe, von 1486 an.*) 
Lotheissen endlich nimmt das Jahr 1533 an, in dem be- 
kanntlich die italienischen Komödianten zu Lyon die Calandria 
Bibbiena's aufführten.^) 

Von 1571 an finden sich solche Wandertruppen beständig 
in der französischen Hauptstadt. Ganassa war der Direktor 
der ersten Gesellschaft; gleichzeitig mit dieser wirkten noch 
zwei andere, von denen wir nichts Näheres wissen.^) Als 
Heinrich III. 1576 eine Versammlung der Reichsstände nach 
Blois entbot, lud er, um sie zu unterhalten, an seinen dortigen 
Hof die berühmte italienische Schauspielergesellschaft der 
Comici gelosi, welche er auf seiner Reise nach Ober- 
italien kennen gelernt hatte.') Diese spielten so vortreflFlich, 



^) Entwicklungsgesch., S. 122^ Anm. 184. Laur, Marg., S. 302, 
tveiß dasselbe zu berichten. 

^) Ital. Schauspieler j S. 224. Die betr. Stelle lautet: „Am 5. Februar 
1496 schrieb Herzog Ercole von Ferrara an Franz von Gonzaga, da^J 
die Schauspieler, loelche terenzinische und plautinische Stücke an seinem 
Hofe gespielt hätten, nach aller Herren Ländern, besonders nach Neapel 
und Frankreich sich zerstreut hätten. "^ 

3) Proelss, Gesch., Bd. I, Halbbd. II, S. 98, 121, 156; Bd, II, 
Halbbd. I, S. 8. 

*) Suchier und Birch-H., Gesch., S. 357. 

«) Gesch. I, 265. 

^) Nur bei Baschet erwähnt, L c, S. 39. 

') Mol and, Moliere et la com. it. 2. Aufl., S. 38; Lotheissen-, 
Gesch., I, 266 ; NolhaceSolerti, Viaggio di Enr. III (Giom. stör. 
Bd. XVII, 139ff. und 446f.); d'Ancona, Yarietä si. e lett, 2^ serie, 
beschäftigt sich haupts. mit der inneren Geschichte dieser Truppe; 
Proelss (/, 1. 26), Morf {Gesch. 197) und Klingler {Die Com,'It., 



— 39 — 

daß „sie mehr Zulauf hatten^ als die yier besten Prediger 
zusammengenommen".^) Weitere Gesellschaften waren die 
Fedeli^), unter dem berühmten Direktor und Theaterdichter 
E. G. Andreini, welche von Baschet die mattres des mattres de 
Molüre genannt werden.^) Das berühmteste weibliche Mitglied 
dieser Truppe war Isabella d' Andreini, welche man mit der 
Isabella im Orl, für, verglich. 1584 spielte Fabricio de Por- 
naris*), 1600 kamen die Gelosi abermals, jetzt unter Plam. 
Scala, welchem später ein Saal im Palais Bourbon zur Ver- 
fügung gestellt wurde. 

Alle diese Truppen erfreuten sich unvermindert des größten 
Beifalls, waren ihre Mitglieder doch wirkliche Künstler und den 
franz. Schauspielern weit überlegen. In Frankreich wurden 
außerdem die Frauenrollen noch von jungen Burschen gespielt, 
während bei den Italienern auch Frauen die Bühne betraten 
und die Zuschauer durch den Glanz ihrer Schönheit und 
durch ihr anmutiges Spiel blendeten.^) Die italienische 
Sprache war dabei kein Hindernis, da das Spiel der Komö- 
dianten so deutlich und lebendig war, daß auch der italieni- 
schen Sprache nicht mächtige Zuschauer das Stück verstehen 
konnten.®) Vielleicht wurden sie auch vor dem Beginn der 
Vorstellung mit dem kurzen Inhalt des betr. Stückes bekannt 
gemacht. Dieses war immer ganz im Charakter der commedta 
delV arte aufgebaut: Liebesintriguen, Entführungen oder Ver- 
wechslungen, dabei Übertreibungen einzelner Charakterzüge, 
wie Prahlerei, Geiz, Furchtsamkeit etc. Daneben aber ver- 



S. Iff.) netmen das Jahr 1577, wo die Gelosi bereits von Blois nach 
Faris gezogen waren. 

1) Morf, Gesch., 197; ähnlich Ruth, Gesch. 11, 493. 

^) Näheres über die Fedeli siehe: Bevilacqiia, Andreini e la comp, 
dei Fedeli {Giom. st, Bd. XXIII, 76). 

•) Les com., S. 334; über die weiteren Schicksale dieser Fedeli s. 
Parfaict Rist, du Theätre fr. III, 236 f., ebenso in ihrer Hist. du 
TMatre itaX. (P. 1753), welche nach Klingler {Die Com.-ltcU., S. 19) ein 
vollst. Plagiat der handschriftl. Aufzeichnungen Gueulette's sind. 

*) Proelss, Gesch. II 1, S. 26. 

*) Lotheissen, Gesch., I, 266. 

*) Ein großer Teil der besseren Pariser Gesellschaftskreise verstand 
damals das Italienische geläufig. 



— 40 — 

sachläsi^gteD sie auch die comniedia erudita nicht, welche sich 
jedoch nie einbürgern konnte, da sie für denjenigen, welcher 
des ItaUenischen nicht mächtig war, unverständlich sein mußte. 

Der Einfluß der italienischen Bühnenkünstler wirkte wohl 
zunächst auf die französischen Schauspieler ; diese hatten keine 
andere Tradition, als das künstlerisch wertlose Spiel der 
Basochiene und der Gonfreres de la Passion, Die Kunst der 
Italiener, die von Natur aus schon zu Schauspielern geboren 
sind, und bei denen ständige Theater sich an den Fürsten- 
höfen schon seit Beginn des 15. Jahrhunderts befanden, wo 
sich die Kunst von Vater auf Sohn vererbte, mußte für die 
französischen Kollegen eine Offenbarung sein. Sie werden 
zunächst versucht haben, ihr Gebärdenspiel, ihr für die Bühne 
berechnetes Kostüm, ihre Art des Vortrages und der Be- 
wegungen nachzuahmen. 

Dann ging man daran, einzelne Rollen, die auf der 
italienischen Bühne immer wiederkehrten und stets den Bei- 
fall der Pariser fanden, auf ihr eigenes Theater zu übertragen, 
endlich aber übersetzte man eine Reihe von italienischen 
Stücken oder ahmte sie nach, um mit den Italienern kon- 
kurrieren zu können. So lassen sich zweifelsohne die in der 
zweiten Hälfte des 16. und in der ersten Hälfte des 17. Jahr- 
hunderts in Paris erschienenen ÜbersetzuDgen, besonders die- 
jenigen von Larivey auf diese Entwicklung des ital. Einflusses 
zurückführen.^) 

Von den typischen Rollen, die in der commedia delV arte 
gebräuchlich waren, ging vor allem die des großsprecherischen 
Soldaten auf die französische Bühne über. Pest, welcher 
unter Benutzung der einschlägigen Literatur die Geschichte des 
miles gloriosus bis auf Moliöre's Zeit untersucht hat, betont 
hierbei zu sehr den antiken Einfluß auf Kosten des italieni- 
schen.^) Er übersieht, daß vor .EW^mc (der ersten französischen 
Komödie) bereits ein italienisches Lustspiel ins Pranzösische 
übersetzt wurde, welches den prahlerischen Soldaten aufzu- 
weisen hat. Es sind dies die higannati Giglio's, 1531 



^) Proelss, Gesch. Bd. II, Halhbd. J, 26. 
•) Der mü. glor. in d. frz. Litt., pass. 



— 41 — 

erschienen und 1643 übersetzt^), nicht zu verwechseln mit 
den Ingannati Secchi's, c. 1551. Wenn Fest femer be- 
hauptet, daß Grevin bei der Zeichnung des Panthaleone den 
antiken €müesi im Auge hatte, so müssen wir auf die 
neuesten Forschungen Toldo's hinweisen, welcher zeigt, daß 
Q-rerin's Quellen neben der erwähnten Übersetzung der 7n- 
gannati nur noch Eugene und die Tresoriere, also keine an- 
tiken Lustspiele waren. ^) Andererseits ist nicht unmöglich, 
daß der Rodomonte des Orl, für. dem französischen Dichter 
vorschwebte, da er aus diesem Epos die beiden An- 
fangsverse des zweiten Gesanges anführt (Akt II, Szene 3). 
Auch ß. Belleau's Capitaine Eodomont steht, nach Fest, 
unter klassischem Einfluß; demgegenüber ist jedoch einzu- 
wenden, daß der Name tRodonionh an das Epos des Ariost 
denken läßt, welches damals bereits in französischer Über- 
setzung in mehreren Auflagen erschienen war. Toldo erinnert 
daran, daß die Szene, wo Rodomont erscheint, eine auffallende 
Ähnlichkeit mit einer Stelle im Orl, für, (XLVI, 101) habe.^ 
Daß überhaupt mit dem Namen Rodomont nicht allein 
die Idee eines großsprecherischen Soldaten, sondern auch 
die des Ariost'schen Helden verknüpft war, beweisen die 
Verse einer 1622 erschienenen, dem Gros Guillaume zuge- 
schriebenen Satire, worin dieser Volkskomiker von den Cour- 
tisans sagt: 

«7fe fönt les Eodomonts , les Bogers, les Bravaches, 

Es arboriseront quatre ou cinq cens pennaches 

Au feste sourcilleux dhin ckapeau de cocu 

Et n^ont pas dans la poche un demy quart d^escti,'»^) 



1) Toldo, La com. de la Ben, {Bev. d'Hist. litt 1897, S. 379). 
Der Schöpfer der Bolle des •matamoros» der comm. delV arte ist Silvio 
FiorilU^ welcher sich urkundlich erst 1599 so benannte {s. Stiefel, 
in: ZfSp. Bd. 26. Bez. u. Bef.j S. 35). Sein Sohn war der berühmte 
8chau^«£ler Tiberio Fiorilli, langjähriger Darsteller des Scaramuccio, 
welcher vielleicht den matamoros nach Frankr. verpflanzte {s. Klingler, 
l. c, S. 113). 

«) La com. de la Ben. {Bev. d'Hist. litt 1898, S. 556). 

») Ibd., S. 564. 

*) Bei Fest, l. c, S. 72, in anderem Zusammenhange zitiert 



— 42 — 

Moli^re ließ den traditionellen Capüaine fallen, behielt 
aber einige seiner Züge in verfeinerter Gestalt bei.^) Der 
Grund, warum er diese Figur nicht vollständig beibehielt, 
während er doch eine Reihe anderer komischer Typen der 
ccyinm, delV arte herübernahm, scheint mir ein ganz äußer- 
licher zu sein. Die italienischen Schauspieler verbannten bereits 
vor der Mitte des 17. Jahrhunderts den Capitano von ihrer 
Bühne und ersetzten ihn durch andere Charakterfiguren, 
die allerdings mehr oder minder mit jenem verwandt waren. ^) 
Infolgedessen verschwand er auch bald von der französischen 
Bühne, oder fristete dort nur noch ein kümmerliches Dasein.^) 
Denn man muß stets im Auge behalten, daß, wie Moliöre, 
ebenso die späteren Lustspieldichter bei den Italienern in 
die Schule gingen, und, wie wir sehen werden, für sie sogar 
ihre Erstlingsstücke schrieben. 

Von weiteren Typen ging auf das französische Theater 
der Pedant über, welcher zuerst durch den Cleandro der Suppo- 
siti (übers. 1545) in Frankreich Eingang fand. Im Laquais 
Larivey's, einer Übersetzung aus dem Italienischen, findet 
sich ebenfalls ein pedantischer Professor. Die Amme in 
ihrer wichtigen Rolle ist nach Fournel eine Schöpfung des 
italienischen ßenaissancelustspiels.*) Durch die balia in Ariost's 
Suppositi wurde sie den Franzosen bekannt. Der Einfluß 
des Altertums auf den valet ist allerdings unbestreitbar, aber 
es wirkt auch italienischer Einfluß mit.*^) In den Esbahisy der 
Hauptsache nach einer Nachahmung der Ingannati^ also eines 
italienischen Lustspiels, tritt uns bereits der Typus des Dieners 
des 17. Jahrhunderts entgegen delure, heaii parleur, abondunt 
en proverhes, cheville ouvriere de Vaciion»^) Die ersten Diener 
Moliöre's, hauptsächlich Mascarille im Etoiirdij zeigen vornehm- 
lich italienischen Einfluß, desgleichen die von Regnard, der 



1) Fest, Der mil. glor., S. lJ9^. 

^) Schon die scenari des Flam. Scala {1611) haben kernen Kapitä 
aufzuweisen; ebensowenig die des Dominique u. des Gherardi. 

3) Fest, Der miles glor., S. 12S, 

4) Fournel, Le Th. au 17 e s., S. 114. 
">) Ibd., S. 117. 

«) Ibd., S. 117. 



— 43 — 

sich ja selbst an den Italienern heranbildete.^) Lucas-) zählt 
noch weitere Typen auf, die Moliöre der comm, deW arte entlehnt 
habe, z. B. den Pantalon (den Arnolphe des Mol.), den 
Docteur (Metaphraste und Pancrace), den Arlequin, 
den Pierrot, welcher die Rolle des Arlequin spielt, 
den Mezzetin (Gros Rene und Covielle), den Scara- 
muccio (Scaramouche). Fournel nennt dagegen nur Mas- 
carüle, Sganarelle, Metaphraste und Marphusius, den Docteur^ den 
Mexxetin oder Leandro, als Typen, deren Vorbilder auf der 
italienischen Bühne zu suchen seien.^) 

Es erübrigt noch, das Schicksal der italienischen Schau- 
spieler in Paris bis zu ihrem endgültigen Verschwinden zu 
verfolgen. 

!Nach dem Tode Mohöre's nahmen ihr Einfluß und ihr An- 
sehen etwas ab. Der Grund davon lag darin, daß ihre Schau- 
spielkunst keine Entwicklung aufzuweisen hatte*); die Steg- 
reifkomödie wurde nach einem konventionellen ca/zevoÄ gespielt *^), 
die Handlung blieb im großen und ganzen dieselbe, nur die 
Rollen änderten sich ab und zu. Außerdem hatten die Fran- 
zosen jetzt ein eigenes, unübertreffliches, abwechslungsreiches 
Lustspielrepertoire in Moliöre's Meisterwerken, Trotzdem aber 
geben die ital. Künstler seit 1680, wo sie das Hotel de Bour- 
gogne beziehen, täglich Vorstellungen. Von 1682 spielen sie 
auch rein französische Stücke in französischer Sprache, nach- 
dem schon seit einem ganzen Jahrhundert häufig längere Stellen 
in französischer Sprache in ihren Stücken vorkamen.®) Damit 



') Ihd., S. 119. 

^) Hist. phil. J, 1S8. Seine Quelle scheint allerdings der unzuver- 
lässige Chamfort gewesen zu sein. 

') Fournel, l. c, S. 134; Morf, Gesch. [S. 197), sagt sehr allge- 
mein: „Diese italienischen Truppen haben tiefe . . . Spuren^^ zurückgelassen; 
Schneegans, Moliere {S. 29) zählt die einzelnen Typen der ital. Com. 
auf, bespricht aber nur ihr Verhältnis zu Moliere. 

*) Despois, Hist. du th.fr., S. 59f.; Fest, Der mil. glor., S. 58. 

• *) über die Darstellung und Improvisation s. besonders Albo'ize, Le 

theätre de Tabarin {Le monde dram. 1835. I, S. 361 f.). Betz gibt 

fälschlicherweise in seiner Litt. comp. {S. 56) als Titel dieser Arbeit an : 

Hist. de la Com. ital. en France. 

«) Klingler, Die Com.-Ital, S. 171/f. 



— 44 — 

fangt für dieCömici italiani eine völlig neue Epoche an, 
die sich dann durch das ganze achtzehnte Jahrhundert hinaus- 
zieht; man kann sodann ihre Bühne als eine national-fran- 
zösische bezeichnen. 

Auch als solche wußte sie das Interesse der Franzosen 
ganz besonders zu fesseln, indem sie es sich zur Aufgabe 
machte, bald aktuelle Ereignisse, Skandalgeschichten aus der 
Pariser Gesellschaft, bald Parodien berühmter Theaterstücke 
und Opern auf die Bühne zu bringen.^) 

In der Parodie sind sie unübertrefflich: Götter und 
Menscheu, Meisterwerke, wie der Od (1682) des großen Oor- 
neille, alles fällt ihrem Spotte anheim.^) „Id viel weiterem 
Umfange als die Tragödie wird die Oper parodiert: die Par- 
titur LuUi's, die Libretti Quinault's, . . . P^court's Tänze und 
der lärmende, praugende, szenische Apparat, den man dort 
entfaltete, Musik, Tanz, Spektakel! Das gibt Augen- und 
Ohrenweide die Fülle." *) Man kann geradezu sagen, daß die 
Italiener dieses genre begründeten, da es vor ihnen außer 
Donneau's «La Cocue imaginaire» (1660) wohl nur wenige 
Parodien gegeben haben mag. Noch unzweifelhafter gebührt 
ihnen das Verdienst, das Vaudeville und die komische 
Oper geschaffen zu haben. 

Sobald die Musik der Lulli'schen Opern im Volke be- 
kannt zu werden begann, bemächtigten sich die findigen 
Italiener einiger besonders beliebter Arien, versahen sie mit 
parodierenden, oder derbhumoristischen Texten und flochten 
sie in ihre Possen und Lustspiele. Damit ist das Vaudeville 
schon geschaffen. Bald schrieb man anstatt der den ernsten 
Opern entlehnten Musik eigene Partituren und es entstand so 
die Operette. Favart, der bei den Italienern sich heranbildete, 
hat die erste derartige Operette geschrieben; auf der Bühne 
der Comici italiani fand diese neue, schnell beliebt ge- 
wordene Gattung ausgezeichnete Darstellung. 

1697 wurde die Comedie italienne unterdrückt wegen der 

^) P. d'Estree, Les orig. de la Revue au theätre {Bev. d'Hint. 
litt. 1901. VIIT, 234—280). 

2) Klingler, l c, S. 179ff; Despois Le th. fr., S. 65. 
ä) Klingler, l c, S. 183. 



— 46 — 

Aufführung der Fatcsse Prüde, in welcher man M™® de Main- 
tenon leicht erkennen konnte^); erst 1716, als der Regent 
an der Spitze des Staates stand, durften sie wieder zurück- 
kehren. Während der Zeit ihrer Verbannung wurde das 
Theätre de la Foire gegründet, mit welchem sich die 
Italiener später (1762) verschmolzen^); erst mit Beginn der 
Revolution verließen sie für immer die Seinestadt; 1793 wurde 
ihr Theater 'zur Opera comique national, aus der dann 1810 
die heutige Opira comique hervorging. 

n. Die Tragödie. 

Seit dem 15. Jahrhundert begannen die Italiener, sich 
eine eigene Tragödie nach den regelmäßigen Formen der 
antiken dramatischen Kunst zu schaffen. Auf Trissiuo's 
Sophonisbe folgte die JRosmunda und der Oreste BucceUai's, die 
Thdlia Martelli's und die neun Tragödien Giraldi Cinthio's, von 
denen zwei Didone und Cleopatra betitelt sind. Diese 
neue Kunst Italiens konnte in Frankreich nicht unbeachtet 
bleiben und unter der doppelten Beeinflussung durch Italien 
und Griechenland treten um die Mitte des 16. Jahrhunderts 
die Jünger des Humanismus mit dem Bestreben hervor, eine 
dramatische Dichtung zu schaffen, die in heimischer Sprache 
den großen Mustern des Altertums und Italiens nacheiferte. 
Bereits hatte Quinziano Stoa, der Erzieher Franz' I., eine 
Anzahl von Stücken geschrieben, deren Stoffe der römischen 
Geschichte entlehnt, und deren Vorbilder griechische Tra- 
gödien waren. ^) Alamanni, der eigentliche Vertreter der 



*) D e 8 p o i s , Le tJieätre fr., S. 65. Ein Gemälde von Wa tteau, 
Le dipart des comediens Italiens (um 1718 gemalt)^ verewigt dieses denk- 
würdige Ereignis. Eine Reproduktion dieses Bildes findet sich in der 
Lit.'Gesch. von Suchier und Birch-Hirschf., S. 515f. und hei 
Klingler, L c, S. 13. 

*) Wie populär die ital. Komödianten noch im 18. Jahrh. waren, 
beweist liarmontel's Klage, daß die »Diguisements» der ital. Schau- 
spieler die Werke des großen Moliere in Vergessenheit brächten (». 
E. Chafiles La com. fr.., S. 5). 

*) Darmeiteter et Hatzf., Le 16« »., S. 155, ebenso Birch- 
Hirschf., Geschichte der franz, Lit, 62 ff. 



— 46 — 

italienischen Literatur am Hofe Franz' I., bearbeitete die 
Antigene in italienischer Sprache, die dann zuerst in Frank- 
reich gedruckt wurde. ^) Italienische Schauspieler führten^ 
wie wir bereits gehört haben, lateinische und italienische 
Tragödien am Ende des 15. Jahrhunderts in Frankreich auf. 
Bald wurden italienische Übersetzungen antiker Tragödien an 
den Hof gebracht. In einer solchen Zeit entstanden Jodelle's 
zwei Tragödien Cleopätre und Didon. Der Einfluß 
Seneca's ist unverkennbar^); aber auch die Italiener dienten 
ihm als Vorbilder. Arnould hält es für gewiß, — beweist 
es allerdings nicht — daß der franz. Dichter die gleich- 
namigen Stücke C in thio 's kannte.*) Auch Levrault ist der- 
selben Ansicht. Er sagt: tCest ä Ciniio quHl s'adressa. M 
les Premiers pas de la Muse franguise sur lu scene tragique furent 
guides . . .par unpoete italien.^^) Doch ist diese Behauptung bis 
jetzt nicht bewiesen worden. Rigal leugnet jede Abhängigkeit 
der Jodelle'schen Didon vom gleichnamigen ital. Trauerspiel, 
da dieses viel weniger klassischen Geist in sich trage ^) ; über 
die Cleopätre äußert er sich überhaupt nicht. Böhm*) ver- 
mutet, daß Rigal vielleicht auf Grund einer von ihm zitierten 
Stelle bei Du Verdier '^ auf die Möglichkeit eines Abhängigkeits- 
verhältnisses der beiden französ. Stücke von G. Cinthio ge- 
kommen sei. Nach Friedrich's Untersuchungen über die 
Didodramen ist eine Benützung von Dolce's Didon e seitens 
Jodelle ebenfalls ausgeschlossen.®) 

Birch-Hirschfeld erwähnt bei Jodelle's Tragödien 
überhaupt keinen italienischen Einfluß.®) Morf gibt als Vor- 

^) Darm est. et flatzf. , Le 16« siede, S. 155. 

^) Siehe darüber die gründliche Arbeit B ö h m's (Der Einfl. Seneca^s), 
woselbst toeitere Literaturangaben über Seneca's Einflvß auf die ersten 
franz. Tragödien sich finden. 

») Essais, S. 466. 

*) Drame, S. 19. 

*) Le theätre fr. avant la per. class., S. 271, Anm. 

•) Einfluß Seneca's S. 74; Böhm gibt als Hauptquelle der ClSopäire 
die Antoniusbiographie von Plutarch an {ibd., S. 76). 

') Bibliothequej S. 286; vgl. Böhm, l. c, S. 74 u. Anm, 2, 

^) Die Didodramen, S. 45; vgl. Böhm, ibd.j S. 47. 

») Suchier und B.-H., Gesch., S. 357. 



— 47 — 

bilder Seneca und die Italiener an und findet, daß Jodelle 
nach dem Beispiele der Italiener den Chor häufiger am 
Dialoge teilnehmen läßt als Seneca.^) Texte spricht allerdings 
nicht speziell von Jodelle's Stücken, doch legt er ganz be- 
sonderen Nachdruck auf den italienischen Einfluß bei den 
ersten Tragikern der französischen Bühne.®) Böhm äußert 
sich selbst nicht über diese Quellenfragen der beiden Stücke^ 
da sie außerhalb des Rahmens seiner Untersuchung liegen^ 
führt aber diejenigen Literarhistoriker an, welche nun Seneca 
als Vorbild nennen.^) 

In der von Böhm aufgestellten Zeittafel der zwischen 
1552 — 1573 veröffentlichten franz. Tragödien findet sich an 
vierter Stelle die Sophonisbe St-Gelais'*), über die bereits 
eine stattliche Literatur existiert. Die umfangreichste und 
gediegenste Abhandlung über St-Gelais' Sopkonwbe in ihrem 
Abhängigkeitsverhältnis zur gleichnamigen Tragödie Trissino's 
mit Berücksichtigung der weiteren französischen und außer- 
französischen Bearbeitungen dieses Stoffes ist die von An- 
drae, welcher 12 französische, 5 italienische, 2 spanische, 
1 portugiesische, 3 niederländische, 3 englische, 13 deutsche 
und 2 russische Tragödien über diesen Stoff eingehend be- 
handelt hat.'^) 

Was St-Gelais' Stück betrifft, so haben die Untersuchungen 
von Fries •) und Wagner "^ ergeben, daß es eine Übersetzung 
von Trissino's Sophonisbe ist mit einigen wesentlichen Ab- 
weichungen am Schlüsse, indem er den Tod der Heldin nicht 



1) Gesch., S. 200. 

') Les Origines de la Ren., in: Rev. des cours et conf. 1894; nov. 
— nmrs, 8.248: «lls ont pleine la houche de la tragidie grecque; enfait 
ils lisent et relisent la Sophonisbe de Trissin. lls feignent de se demander 
s'ils imiterant Terence ou Flaute; leur vrai modele est une comedie de 
Bibbiena.» 

«) Einflvfi Seneca's, S. 57 ff. 

*) Ibd., S. 27. 

**) Siehe StiefePs anerkennende Kritik dieser Arbeit in Vollm.'» 
J.'B. IV. 2. S. 555 f.; daselbst {S. 5 56 ff.) handelt St. nonh über den- 
Einfluß des italienischen Dramas auf das anderer Länder. 

•) Monchrestien^s Sophonisbe, seine Vorgänger u. Quellen, pass. 

') Mellin de St-Qelais, S. 120 ff. 



- 48 — 

auf der Bühne vor sich gehen läßt, sondern ihn nur erzählt^ 
offenbar um damit einer von den italienischen Dramaturgen 
aufgestellten Forderung zu genügen. 

Der von Böhm auf „1556?" datierte Josias des Messer 
Philone ^), unter dem er den Tragiker Des Mazures vermutet, 
und die 1561 gedruckte Soltans des ßounyn^) werden von 
einigen Literarhistorikern als Übersetzungen aus dem Italieni- 
schen bezeichnet^); doch wurde bis jetzt noch nicht untw- 
sucht, inwieweit diese Behauptung auf Wahrheit beruht. Die 
Soltane bezeichnet der auf Venema's*) Dissertation fußende 
Morf als eine „stümperhafte Nachahmung Seneca's, ins- 
besondere seiner Medea".^) Böhm kommt zu demselben Ur- 
teile, wenn er, allerdings in gemilderter Form, die Soltane 
als eine „Kopie" der Senecatragödien bezeichnet.®) 

Dagegen sind unstreitig die Italiener als die Vorbilder 
der TuUia, eines von Böhm nicht erwähnten Stückes Le 
Breton's, anzusehen, das dieser nach der gleichnamigen Tra- 
gödie Martelli's 1533 schrieb.') 

Selbst das religiöse Tendenzdrama kommt, wenn auch 
vereinzelt, von jenseits der Alpen herüber und gibt den Pro- 
testanten eine Waffe in die Hand zur Verteidigung ihres neuen 
Glaubens. 1558 übersetzte nämlich Jean Crespin aus dem 
Italieuischen des Francesco Negro seine Tragedie du Boy Francs 
Arbitre, einen „Prosatraktat von 426 Seiten, ein dialogisiertes 
Pamphlet von unheimlicher Beredsamkeit".®) 

Von Le Jars' Lucelle bemerkt Ebert, der sie sehr ein- 
gehend behandelt, daß ihr eine italienische Novelle zugrunde 



') Einfl. Seneca'8, S, 27. 

2) Ihd., S. 27. 

^) Ibd., S. 75, Anm. 1 sind die betr. Autoren gennannt. Ho 11 
(Tendenzdr., S. 169) erwähnt den JosiaSj den er ebenf. dem Des Mazures 
zuschreibt. 

*) Venema besorgte einen Neudruck der Soltane (Marb. Diss. 
1888. A. u. A. Nr. 81). 

*) Gesch., 8. 205. 

ö) Einfl. Seneca^s, S. 152. Über den Ausdr. „Kopie^, ibd.j S. 150. 

') Morf, Gesch. 204. 

*) Holl, Das rel. u. pol. Tendenzdr.^ S. 136 u. Anm, 1; Morf, 
Gesch., S. 210. 



— 49 — 

liege. ^) Nach Morf sieht sie wie die Bearbeitung eines 
italienischen Originals aus.^) 

Von ß. Garnier und Änt. de Montchrestien werden 
wir später noch reden; auch diese beiden Hauptyertreter 
des Renaissancedramas können sich dem italienischen Ein- 
fluß nicht entziehen. Doch können wir hier gleich Mont- 
chrestien's Sophonisbe erwähnen, die dem Gange der Hand- 
lung in Trissino's Trauerspiel folgt. ^) Eine weitere nur von 

Andrae erwähnte Sophonisbe Mermet's (1584) ist nichts 

.* 

anderes als eine Übersetzung der Sophonisbe des italienischen 
Dichters.*) 

Hardy, der fruchtbarste Theaterdichter, den Frankreich 
gesehen, blieb in seinen Tragödien unabhängig vom Einfluß 
des ital. Theaters ^), während dagegen in Theophile de Viau's 
Fyranie et Thisbe sich eine bedenkliche Neigung zum Marinis- 
mus bemerkbar macht, welcher allmählich die ganze fran- 
zösische Literatur ergreift und sie mehrere Dezennien hin- 
durch beherrscht.^) Selbst Corneille bleibt nicht frei von 
dieser geschmacklosen Moderichtung, und ßoileau hat allen 
Grund, sie zu bekämpfen.*^) 

Von Mairet's Tragödien gehören hierher seine Soplimiisbe 
und sein Marc-Antoine, welch letzterer neben Plutarch und 



*) Ebert, Entw., S. IV. 

3) Morf, Gesch., S. 211. 

') Vgl. Kritik von Andrae's Sophonisbe (ZfSp. 1891, Suppl. 6, S. 5). 

*) Ibd., S. 5. Eine neugedruckte Sophonisbe von Mond ot aus dem 
gleichen Jahre icird von Andrae ebenfalls envähnt. 

*) In seinem grundlegenden Werke über Alex. Hardy erwähnt Rigal 
keine ital. Quelle. Dagegen hält Morf , l. c, S. 226, seine Schäferspiele 
stofflich von Italien beeinfliifit. Wir iva-den darauf in einem späteren 
Abschnitte zurückkommen. 

®) Marinismen: Akt I, Sz. 1 (Vers 6—10) und I, 1, Vers 38 f. 
Akt V, 2. Vers 6öf. Vgl. Lotheissen, Gesch. I, 311 ff . Nach Luc&a, 
Hist {III, 27 S) und Lotheissen, Gesch. {I, 309) fand die erste Auf- 
führung von Fyrame et Thisbe 1617 statt. 

') Art poetique I, 43 ff.; 11, 106 f. G. Scudery, Boisrobert, Cyr. 
de Bergerac, La Calprenede und Benserade, die sich in der Tragödie ver- 
suchten, als diese ihren Aufschwung nahm und die vornehmste DicJitungs- 
form wurde, verrieten eine große Neigung zum Marinismus. 

Münchener Beiträge z. romanischen u. engl. Philologie. XXXIY. 4 



— 50 — 

und Garnier auch auf Gir. Cinthio zurückgeht ^) ; die Mariamne 
des Tristan THermite, die in demselben Jahre wie der 
Cid ihre Erstaufführung erlebte und einen fast ebenso lebhaften 
Erfolg errang, weist auf die €Mariannay> Dolce's zurück.^) 

Mit der nun folgenden Blütezeit des französischen Trauer- 
spiels und dem gleichzeitig eintretenden raschen Verfalle der 
italienischen Literatur mußte naturgemäß der Einfluß Italiens 
immer mehr zurücktreten. Die Epigonen eines Corneille und 
eines Racine ^) brauchten nun nicht mehr über die Alpen zu 
gehen, um Vorbilder für ihre Dichtungen zu finden; und 
selbst wenn sie dort nach solchen gesucht hätten, würde ihr 
Bemühen vergeblich gewesen sein. Denn das 17. und die 
erste Hälfte des 18. Jahrhunderts bezeichnen den traurigsten 
Tiefstand des italienischen Dramas und der italienischen Lite- 
ratur überhaupt. Erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahr- 
hunderts beginnt in Italien mit Metastasio ^) eine neue Periode 
der dramatischen, vorzüglich der tragischen Kunst, die in 
Frankreich nicht unbemerkt blieb. Metastasio wird gelesen 
und nachgeahmt; seine vorzüglichsten Bewunderer sind Vol- 
taire, Marmontel, La Harpe, Rousseau.*) Voltaire folgt ihm 
in der Nichtbeachtung der drei Einheiten (Semiramis); die 
Idee, mit dem Orphelin de la Chine ein chinesisches Stück 
auf die Bühne zu bringen, kam ihm bei der Lektüre des 
Eroe cinese von Metastasio.*) Lefranc de Pompignan soll ihn 
zum Vorbild in seiner Didon gewählt haben ') ; Lemierre schreibt 
seinen Artaxerce und seine Ypermnestre in Anlehnung an Meta- 
stasio's gleichnamige Tragödien^); der Tüus Du Belloy's ist 



^) Dannheisser, Stud. zu Mairefs Leb. u. Werken, S. 110, 

*) W i e s e - P ^ r c, Gesch., S. 300. Vgl. noch Landau, Die Ih'amen 
von Herodes u. Mariamne, in: Z. f. vgl. Lit 1895, VIII, 175 ff., 279 ff. 

•) Dejob, EtudeSj S. 158, glaubt bei Racine ital. Einfl. zu finden^ 
der auf die ital. Lektüre in seiner Jugend zurückzuführen sei. 

*) Ibd., S. 151—172. 

*) Ibd., S. 152, Hettner geht in s. Liit.-Gesch. auf Quellenfragen 
nicht ein. 

«) ßouvy, Voltaire, 8. 212, 

') Dejob, l. c, S. 153; ebenso ßouvy, l. c, S, 205 

*) Petitot, Repertoire, Bd. IV, S. i95 wnd Dejob, l c, S, 153f. 



— 51 — 

eine Nachahmung der Clemenxa di Tito Metastasio's, seine Zelmire 
eine Nachbildung der Issipile. ^) Marmontel und Deriaux 
arbeiten seinen Demofoonte zu Operntexten um.^) Vieuville 
ahmt 1766 dasselbe Stück nach. Bursay und La Ville 
endlich bringen je einen Ärtaxerce nach dem Vorbilde des 
Artaserse des italienischen Tragikers auf die Bühne, und am 
Ende des 18. Jahrhunderts ist es wiederum Metastasio, den 
Lamac in seinem Themistocle vor Augen hat. Ja, bis ins 
19. Jahrhundert reicht noch sein Einfluß. Denn Delrieu's 
Ärtaxerce (1808) und Arnault's Begulus verdanken ihr Ent- 
stehen dem großen Italiener. Goldoni, der lange Zeit in 
Paris weilt, berichtet besonders von der Beliebtheit der Stücke 
Meta Stasi o's.^) Von Voltaire ist noch zu erwähnen, daß 
seine Merope durch die Lektüre von Maffei's gleichnamigem 
Stücke veranlaßt wurde*), beabsichtigte er doch ursprünglich 
das italienische Stück selbst zu übersetzen. Bouvy weist auf 
eine Eeihe von Entlehnungen, welche Voltaire bei Maffei 
machte, hin. Auch in seiner ißcossaise läßt sich eine italienische 
Quelle nachweisen, und zwar ist es diesmal Goldoni's Bottega 
del caß, welche ihm einige Szenen lieferte, wie d'Ancona ^\ 
Neri ®) und Toldo "^ nachgewiesen haben. Die Quellen zu 
Diderot's Rührstücken Le Fere de familJe und Le füs natnrel 



^) Dejob, ihd.^ S. 154 tt. Petitot, l. c, iF, 19o. 

^) Ibd., S. 154; ebenso für die folgenden hier angef Stücke ^ die vo7i 
Metastasio heeinfl, worden sind. 

') Goldoni, Memoires^ Teil III, Kap. 8. Goldoni seihst ist lange 
ohne Einfluß auf die franz. Lit. gehliehen. Mit seinem französisch ge- 
schriehenen «Bourru hienfaisant» hat er sich jedoch in der Literatur 
seiner Zeit einen ehrenvollen Platz errungen und ist von den Kritikern 
einstimmig hewundert worden (J. Merz, C. Goldoni, S. 67). 

*) In Hartmann's Merope im it. u. fr. Dr., S. 76, werden die 
Meinungen einzelner Literarhistoriker üher Volt.^s Entlehnungen von 
Maffei angeführt. Jedoch geht aus seinen Ausführungen nicht klar hervor, 
worin Maffei den frz. Dichter heeinflußt hat. S. Krit. üher Harimann's 
Merope, in: Z. f. vergl. Litt. 1903. N. F. VI, 416. 

^) I comici italiani in Francia, in: Varietä, 3<* serie, S. 280. 

*) TJna fönte delV icossaise . di Voltaire, in : Rassegna hihliogr. d. 
lett. it., VII, S. 44. 

') Giom. stör., Bd. XXXI, 442 ff.; Merz (C. Goldoni, S. 37) üher- 
geht diese Frage. 

4* 



— 52 — 

sind noch nicht eingehend untersucht worden. Freron nennt 
das erstere geradezu ein Plagiat des gleichnamigen Goldoni- 
schen Stückes, während Eosenkranz, der Herausgeber Diderot's, 
nur eine teilweise Benützung desselben zugibt.^) Von dem 
zweiten Stücke erklärt Diderot selbst, daß es unter &oldoni's 
Einfluß geschrieben wurde. ^) 

Auch Alfieri fand Nachahmer in Frankreich. Lemercier 
verdankt ihm zum großen Teil den Erfolg seines Agamemnonj 
Legouve pöre entlehnte den Schluß seines Jßteocle dem Polinice 
des Italieners.^) 

Noch in der Restaurationszeit finden wir Spuren italieni- 
schen Einflusses. Denn 1821 brachte Janin einen Oreste 
auf die Bühne, der die meisten Szenen des gleichnamigen 
Alfieri'schen Stückes enthielt; dasselbe kann man von der 
im nächsten Jahre aufgeführten Clytemnestre Soumet's sagen. 
Endlich zeigt sich Alfieri's Einfluß noch 1827 in Guirand's 
Virginie.^) 

Das ganze 19. Jahrhundert hindurch werden italienische 
Tragödien auf franz. Boden in italienischer Sprache auf die 
Bühne gebracht. M.^^ Eistori, die große Tragödin der 
ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts führte mit ihrer Truppe 
mehrmals ital. Trauerspiele in Paris auf.*) 1830 ließ die 
Herzogin von Berry italienische Tragödien in der Haupt- 
stadt Frankreichs aufführen; doch machte die Julirevolution 
diesen Vorstellungen bald ein Ende. 25 Jahre später trat 
M"^® Eistori noch ein letztes Mal mit einer Truppe auf und 
spielte mit außerordentlichem Beifall Alfieri's Mitra und Pellico's 
Francesca da Bimim,^) Erst gegen 1860 hören diese Gastspiele 



^) über Frtroii's Behauptung s. Kosen kränz, Diderofs Leb. u, 
W. I, 275. 

'^) Ausg, V. Rosenkr, VII, 3S7. 

3) Dejob, Ekides, 227 ff. 

*) Dejob, ihd., S. 227 f. 

*) Dejob, ibd.j S. 284, Anm. 1, mit weiteren Lit.-Ang. Jedoch 
vermissen wir: Perrens, La comedie ital. ä Paris. iV/"»< Ristori {Rev. des 
deux M. 15. Juni 1855 %md 15. Juni 1857). 

^) Dejob, ibd., S. 282. 



— 53 — 

der Italiener auf, um nochmal gegen Ende des Jahrhunderts 
durch Eleonore Düse in Mode gebracht zu werden.^) 



III. Die Komödie. 

Noch mehr als die französische Tragödie steht die Ko- 
mödie in ihren Anfängen unter italienischem Einflüsse. Bereits 
9 Jahre bevor Jodelle's Eugene ou la Rencontre über die Bühne 
ging, hatte Ch. Estienne ein Lustspiel ^) aus dem Italienischen 
übersetzt, nachdem die Franzosen schon 1533 zu Lyon die 
Calandria Bibbiena's auf der Bühne hatten sehen können. In 
der Vorrede zu seiner Übersetzung teilt Estienne dem Leser 
mit, daß er die LenUy den Negromant und den Marescalco, 
welchen er fälschlicherweise ebenfalls Ariost zuschreibt, ge- 
lesen habe, und führt sie seinen Landsleuten als Muster vor. 
Im Jahre 1545 erscheint die Übersetzung der Supposiii des 
Ariost durch J. Bourgeois^); 1549 empfiehlt Du Bellay in 
dem Manifeste der Pleiade die Komödie und die Tragödie im 
Gegensatz zu den mittelalterlichen Gattungen des Dramas.*) 

Im Jahre 1552 endlich erhalten die Franzosen in Eugene 
ou la Rencontre ihre erste Originalkomödie. Wir finden im 
Stücke selbst keinen italienischen Einfluß, allein der Prolog 
ist ganz nach italienischer Manier aufgebaut, indem er die 
im Stücke auftretenden Personen kurz andeutet.*^) 

Aus dem Umstände nun, daß diese erste französische 
Komödie nicht unter italienischem, sondern teils unter antikem, 
teils unter mittelalterlich-französischem Einfluß steht, haben 
viele, selbst moderne Forscher den italienischen Einfluß auf 
das Lustspiel überhaupt viel zu wenig betont. Wir wollen 



^) Larroumet, La Düse et le public parisien {Xouv. Et. Paris. 
1899, 8, 239 f,). 

*) Das Sacrifizio der Intronati zu Siena lodS. 

*) Nach Creizenach (Gesch.^ III^ 89) wurden wahrscheinlich in 
Paris die Lucidi des Firenzuola lö55 und Anfang März des folgenden 
Jahres in Fontainebleau die Flora des Alamanni vor der Hofgesellscliaft 
aufgeführt 

*) Vgl. Lanson, Hist, S. 275, 

*) Ygl. den Prolog in den iial. Komödien Androsiaj Cassaria etc. 



— 64 — 

hier die Ansichten einiger wichtiger Autoritäten auf diesem 
Gebiete anführen. 

Schon Vauquelin gibt zu, daß Frankreich sein Lustspiel 
nicht selbst geschaffen, sondern es den Italienern und Lateinern 
entlehnt habe.^) Auch Beauchamps gibt den italienischen 
Einfluß auf die Komödie zu, wenn er auch meint, daß seine 
Landsleute nur die Fehler der Italiener entlehnt hätten.^) 

£. Chasles nennt den italienischen Einfluß auf das franz. 
Theater (Komödie) vorherrschend, bezeichnet jedoch Italien 
als ein „trügerisches Vorbild und als einen gefährlichen Führer" *), 
während dagegen Lenient die Eenaissancekomödie auf die 
mittelalterliche Farce zurückführt.*) 

Mahrenholtz hinwiederum gesteht dem franz. Lustspiele 
nationale Selbständigkeit zu, bedauert aber, daß daneben 
„immer wieder die plumpsten Nachahmungen der spanischen 
und römischen Komödie und namentlich, was am meisten zu 
bedauern sei, die italienische commedia deW arte sich Bahn 
brachen".*^) 

In seiner Einleitung zur Farce de Pathelin erklärt endlich 
Genin, daß die Verwicklungs- , wie die Charakterkomödie, 
aus der Farce entstanden sei.*) Genin's Ansicht wird auch 
von Aubertin vertreten'), während Darmesteter und Hatz- 
feld jene Komödie aus dem italienischen Lustspiele und der 
Farce erstehen lassen, wobei sie jedoch der letzteren die größere 
Bedeutung beilegen. ®) Ganz besonders vertritt Petit de 
JuUeville die Entwicklung der franz. Komödie aus der Farce 



^) Art poetiquCj Chant III, v. 130 ff. 

^) Rech, I. Teil, S. 150 ff.: ^Nous lümes leurs ouvrages, nous les 
imitämeSf il nous arriva ce qui arrive, quand on suit ses guides sans dis- 
cernement, nous prtmes leurs defauts, et ne tirämes point de parti de 
leurs heautes.» 

*) La Comedie en Fr., S, 109; vgl. ibd., S. 10: «Ow lit les anciens 
ou les imite ä travers Vinfluence de VItalie; VItalie fut un modele di' 
cevant et un guide dangereux.» 

*) La Comedie en Fr., S. 572. 

*) Meliere, Abschn. i, S. 68. 

**) Farce de Pathelin, Einleitung, S. IV ff. 

?) Hist. du th. fr, I, 583. 

«) Le 16* siech, S. 176. 



— So- 
und verteidigt seinen Standpunkt mehr als einmal in seinen 
Werken.^) Dagegen erkennt Rigal voll und ganz die Be- 
deutung des italienischen Einflusses an^); als einen Aus- 
fluß der mittelalterlichen Farce bezeichnet er diejenigen 
Stücke, welche nur belustigen wollen; auch betont er, daß 
die meisten Personen der französischen Komödie sich bereits 
im italienischen Lustspiele vorfinden.^) Barthelemy, dessen 
Geschichte des franz. Lustspieles übrigens jedes wissenschaft- 
lichen Wertes entbehrt, spricht vom italienischen Einfluß erst 
gelegentlich der Erwähnung Scarron's.*) 

Nach Lotheissen ist das Lustspiel aus dem französischen 
Volksgeiste hervorgegangen *) ; an einer anderen Stelle läßt er es 
jedoch von „der ausgelassenen Commedia delV arte^ ausgehen.*) 

Der italienische Einfluß wird ganz besonders von Lanson 
betont, welcher das französische Lustspiel geradezu einen Ab- 
glanz des italienischen nennt.') Creizenach schätzt die Be- 



^) La com. et les mceurs^ S. 1. Ferner: Le th. en Fr., S. 84 ff": «La 
com. demeura originale .... Un ilement nouveau fut empruntij non de 
VantiquitSj mais de la com. ital.^ qui inspira aux Frangais le goüt et levr 
do^ina les modeles dune intrigue plus compliquee^ de ces imhroglios que 
la simplicite du mögen äge avait ignores ou dedaignes.» Hier gibt 
Julleville also den ital. Einfl. wenigstens teilweise zu. Dagegen sagt er in 
Bd. Ily S. 421, seiner großen Litt.-Gesch. : «La moralitS aboutit ä la gr&nde 
comedie de caracteres; la sotie devient la comedie politique et sociale.» 

*) Julleville, Hist, III, 216^818, S. 266: «Les eamedies etant 
souvent de simples traductions, sont construites ä VitaUenne plutöt qu^ä 
la frangaise.» 

') Ihd., S. 311; Rigal zäJUt hier die bereits im ital. Lustspiel 
befindlichen Personen auf, die später auf die frz. Bühne übergingen: 
•Leandre et Isäbelle, les amoureux; Scapin ou Arlequin, les valets; 
Fantalon, le vieux marchand; le Docteur, le pedant de Bologne; et le 
capitaine terrible etc.» 

*) Hist de la Com. fr., S. 178. 

*) Gesch., I, 24. 

«) Ibd., I, 335. 

') Hist, S. 502 f. : «Notre comedie du XVI^ siede, depuis VAndrienne 
jusqxCaux trois dernieres comedies de Larivey {1540 — 1611), n'est qu'un 
reflet de la comedie des Italiens .... Cest aux Italiens qu^on va 
directement, et exclusivement. Leur exemple vaut assez pour imposer 
la prose ä certains de nos auteurs, en d^pit des exemples contraires des 
anciens, Intrigue, dialogue, types, comique, tout vient d'eux, et ceux qui 



— Be- 
deutung der Vorbilder des klassischen Altertums für das Lust- 
spiel bei weitem nicht so hoch wie für das Trauerspiel, da 
in der Komödie der italienische Einfluß weit stärker ein- 
gewirkt habe.^) Morf endlich betont, daß Jodelle's Nachfolger 
zwar am französischen Schauplatz der Handlung festhalten, 
daß sie sich jedoch im Geiste mehr dem römischen und dem 
auf ihm beruhenden italienischen Lustspiele nähern.^) — Wir 
haben hier also eine ßeihe der verschiedenartigsten Ansichten, 
deren Extreme einerseits von Julleville mit der Betonung der 
Fortentwicklung aus der Farce, andererseits von Lanson mit der 
exklusiven Hervorhebung des italienischen Einflusses vertreten 
werden. Eine genaue Unterscheidung der verschiedenen 
Strömungen, die auf die Entwicklung des franz. Lustspiels 
eingewirkt haben, wird wohl nie möglich sein, und wir dürfen 
Kigal recht geben, wenn er sagt: tUhistoire de la coniedie 
frangaise du 16 * sUck doit se resigner ä remplacer quelquefois les 
certitudes par les prohabüites.'* ^) 

Während die erste französische Komödie*), wie wir be- 
merkten, keinen italienischen Einfluß aufzuweisen hat, vielmehr 
als eine aus den damaligen Zeitverhältnissen herausgewachsene 
„beißende Satire auf die Zuchtlosigkeit der katholischen Geist- 
lichkeit" angesehen werden kann ^), schöpft der Verfasser der 
1560 erschienenen Esbahis, J. Grevin, mit vollen Händen aus 
einer italienischen Quelle, nämlich aus den von Ch. Estienne 
übersetzten Ingannati od. Sacrifizio.^) Wie wir bereits oben 

essaient ou se vantent de faire des compositions originales^ ne se distiri' 
gnent pas du tout des traducteurs.y> 

1) Gesch., Bd. III, 77. 

«) Ge»ch., S. 217. Levrault {La ComSdie, 1903, S. 23) rechnet 
Eugene und La Reconnue noch zu den Farcen, u. datiert den it. Einfl. 
erst von den nachfolgenden Stücken an. 

3) Julleville, l. c, 111, 296. 

*) Die Bezeichnung y^comedie"^ findet sich urkundlich unseres Wissens 
1545 gelegentlich eines «mystere» der Königin von Navarra [Fr. Parfaict 
III, 56), vielleicht nach der in demselben Jahre erschienenen „Co midie 
tres Sligante"^ von J. Bourgeois, welches der Titel für die Über^ 
Setzung der Stippositi des Ariost ist. 

5) Holl, Tendenzdrama, S. 204. 

•) Morf, Gesch., S. 218; Chasles (La com., S. 47) gibt keine 
Quelle an. Das Datum ist nach Holt (Tendenzdr., S. 206) angegeben. 



— 57 — 

gesagt haben, spielen auch Reminiscenzen an des Dichters 
früheres Lustspiel tLa Trisoriere^ und an Jodelle's <^Eugene» 
mit herein. G-r6vin flicht satirische AustäUe ein, deren 
Kosten vorzüglich die Italiener tragen. In der Figur des 
Pantaleone, welcher sich von nun ab auf der komischen Bühne 
Frankreichs einbürgert, stellt Grßvin den bramarbasierenden 
italienischen Kurschneider dar. 

ßemi Belleau's Lustspiel La Reconnue ^), welches wir gleich- 
falls schon erwähnt haben, ist allerdings nach den lateinischen 
Mustern des Flau tu s undTerenz gedichtet, aber es finden 
sich, wie Toldo nachgewiesen hat, darin auch Spuren des 
italienischen Renaissancelustspieles. ^) Hpll hält die Esbdhis 
für eine Originalkomödie, welcher die geschichtlichen Ereig- 
nisse von 1562 und 1563 zugrunde liegen.^) 

F. le Loyer entlehnt in seinen beiden Stücken le Muet 
insense und Nephclococugie eine Anzahl von Zügen dem italieni- 
schen Theater.*) 

Schwierig scheint es dagegen, das Vorbild der Napoletaines 
des Frangois d'Amboise zu finden. Rigal will in ihnen eine 
Nachahmung des Alessandro von Piccolomini sehen. '^) Toldo 
dagegen glaubt als Quelle eine Novelle im Decamerone gefunden 
zu haben.*) Birch-Hirschfeld und Morf äußern sich über die 
Quellenfrage überhaupt nicht. 

Tumöbe's Les Contents (1584) sind nicht den Contenti 
des Parabosco, sondern der Hauptsache nach dem Älessayidro 
des Piccolomini mit Benutzung einiger anderer italienischer 
Komödien entlehnt.') 



*) Aufgef. 1564. Abgedruckt im Ancien Th. fr. IV, S41—4S8. 

*) La com. fr., in: Rev. d'Hist. litt. 1898, S. 567. 

») Tendenzdr., S. 204. 

*) Toldo, La com. fr., in: Rev. d'Hist. litt. 1898, S. 564. 

*) Kigal, La com. de la Ren. (in: Jullev., Hist., III, 301). 

*») Toldo, /. c, S. 585. 

') Morf, Gesch., S. 220; ebenso Toldo, l. c, 1899, S. 571 ff., 
welcher besonders Kawczynski {Festschrift zum VIII. deutschen NeU' 
phü.'Tage: Über das Verhältnis von «Les Contents» zu «Les Esbahis» 
und beider zu den Italienern) berücksichtigt; Fest {Der miles, S. 66) 6e- 
handelt sie als Origi7ialkomödie. 



— 68 — 

"Wichtiger für die französische Komödie ist Pierre Larivey, 
dessen Übertragungen von 9 italienischen Lustspielen ins 
Französische wir jedoch hier nicht erwähnen, da sie bei 
Darmesteter und Hatzfeld^), Rigal^), Morf*), 
Suchier-Birch-Hirschfeld*) angegeben sind. Interessant 
ist aber, daß man ihn lange Zeit hindurch für einen Original- 
dichter hielt, der die Lateiner und Italiener nicht mehr oder 
weniger nachahmte, als es die anderen franz. Lustspieldichter 
taten. Die Gebrüder Parfaict nennen seine Lustspiele ^pieces 
de theätre ä Vimitation des anciens Qrecs et Latins et modernes 
Italiens.^ ^) Chasles sagt von Larivey, er habe sich von 
der direkten Nachahmung freigemacht, besonders habe er 
die Komödie wieder zurückgeführt zur ursprünglichen Quelle, 
dem lateinischen imd griechischen Theater.®) Auch Lenient 
stellt den französischen Dichter als selbständig hin, der 
sich allerdings von der Stegreifkomödie, der Farce und den 
Lateinern beeinflussen lasse, aber seine Stücke unabhängig 
aufbaue.') 

Nach Janet (1855) und Lucas (1682; I, 25 ff.) werfe» 
Darmesteter und Hatzfeld von neuem die Frage auf, 
was Entlehntes und was Originales in den Lustspielen 
Larivey's sei. Sie finden, daß Larivey nur Übersetzungen, 
allerdings init einzelnen Änderungen, geliefert habe. Die 
letzteren bestehen darin, daß er den Schauplatz der Hand- 
lung gewöhnlich nach Frankreich verlegte, daß er Neben- 
personen hinzufügte, einige Szenen und Rollen fortfallen li^, 
so daß die Stücke scheinbar den Charakter von Original- 
komödien bekamen.^) Zu einem ganz ähnlichen Resultate 



^) Le Iße «., S. 179. 

«) La com. /r., iw Julie ville's Hist. III, 305 und IV, 191, 

») Gesch., S. 245. 

*) Gesell., S. 362. 

'^) Hist du th. III, 390 u. 425. 

•) La com., S. 115. 

') La com., S. 576. 

») Le 16^ s., S. 179. 



— 59 — 

kommen auch G. WenzeH), Morf^), Birch-Hirschf eld ') und 
Toldo.*) 

Larivey's Verdienst liegt darin, den Franzosen das Ver- 
ständnis der italienischen Lustspiele erleichtert und sie mit 
einer Menge neuer Gestalten und Ideen, mit einer Fülle von 
echt komischen Szenen und mit einer Reihe stereotyper 
Charaktere bekannt gemacht zu haben, welche von nun an 
in den französischen Lustspielen immer, wenn auch in ver- 
änderter Gestalt, wiederkehren. 

Die Escolliers P er r in 's 1589 werden von Chasles*) 
imd Darmesteter und Hatzfeld*) als ein Originallustspiel 
angesehen. Doch findet Toldo einige auffallende Ähnlich- 
keiten mit den Suppodti des Ariost, der Müesia des Gia- 
notto, und er bemerkt, daß der in den Escolliers behandelte 
Stoff auch bei einer Eeihe italienischer Novellisten vor- 
handen sei.') Die Tasse des Cl. Bonet geht in ihrem Stoffe 
auf eine Erzählung in Sacchetti's Novellino zurück.®) Die 
Deguisez TrottereVs, welche übrigens in keinem Zusammenhang 
mit dem gleichnamigen Stücke Godard's stehen, sind ganz in 
der Manier der italienischen Stegreif komödie geschrieben.^) 
Die ComSdie des proverbes erinnert durch die Dreizahl der 
Akte an die scenarii des Fl. Scala^®); das Auftreten der 
Bohemiens in diesem Stücke geht ohne Zweifel auf die Oingana 
des Giancarli (1595) zurück. ^^) Der Stoff zu Mairet's Duo 



*) Larivey^s Komödien u. ihr Einfl. auf. Moliere (Herr, Arch., Bd. 82, 
S. ÖS— 80). 

2) Gesch., S. 245. 

») Such, und ß.-H., Gesch., S. 362. 

•*) La com, fr. {Eev. dHist litt 1898, S, 582 ff.). — Holl [Teyidenz- 
drama, S, 211) glaubt, daß Larivey seinen Komödien vielfach die Ereig- 
nisse der Zeit zugrunde legt. 

*) La Com., S. 116. 

^ Le 16' «., S. 180. 

^ Bev. d'Hist, litt, 1899, S. 586. 

8) Ibd., S. 590 ff. 

») Toldo, ibd,, S. 605; Mori (Gesch., S. 221) sagt: „Die Dieyier- 
rollen sind ganz italienischen Geistes."' 

10) Toldo, ibd., 1900, S, 270. 

") Toldo, ibd, S, 270. 



— 60 — 

d/Ossone endlich (1627) findet sich in der 41. Novelle des 
Massuccio; eine ähnliche Erzählung lesen wir in den Diporti 
des Parabosco (giom. I, nov. 2), welche in die Joyeux Devis 
überging, woraus sie später Scarron für sein Lustspiel Pr6- 
eauiion inutile nahm.^) Rotrou^s Quellen sind bereits eingehend 
von Stiefel untersucht worden, welcher für Ciarice, Celie und 
La Soeur italienische Stücke als Vorbilder gefunden hat.^) 

Wir kommen nun zu Moliöre, von dessen Beziehungen 
zu den Italienern wir bereits gelegentlich des Abschnittes 
über die italienischen Schauspieler in Frankreich gesprochen 
haben. Eine beträchtliche Anzahl von Abhandlungen über 
diese Beziehungen ist bereits vorhanden, und wir werden im 
folgenden die wichtigsten derselben in Betracht ziehen. 

Grundlegend ist vor allem Moland's Moliere et la ccyniedie 
italiefine (1867), worin Moliere's Verhältnis zu den Comici 
italiani gründlich dargelegt wird, während Fournel die Stellung 
des großen Dichters zur zeitgenössischen Komödie betrachtet.^) 
Den Einfluß des plautinischen Lustspiels schildert Eeinhard- 
stöttner's bekanntes Werk.^) Die gründlichste, umfangreichste 
wissenschaftliche Arbeit aber bildet die von Despois und Mes- 
nard veranstaltete Ausgabe von des Dichters Werken in der 
Sammlung der Grands ^crivains,^) Die neueste Arbeit über 
Moliöre, welche die bisherigen Moli^reforschungen gewissenhaft 
berücksichtigt, bildet Schneegans' Moliere,^) 

Was des Dichters Verhältnis zur italienischen Schau- 
spielertruppe betrifft, so wissen wir, daß er schon in früher 
Jugend ihre Stücke sah, daß er später, als seine Truppe ab- 
wechselnd mit den Italienern im Palais Bourbon spielte, mit 



^) Unbek. it. Quellen Rotrou's {ZfSp. 1891, Suppl. 5), tvoselbst reich-- 
Jialtige hihliogr. Angaben zu finden sind. Der Stoff der AmSlie ist nach 
Stiefel {ibd.j S. 2T) zwei spanischen Stücken und einem ital. PastoraU 
drama entlehnt, s. auch Vianey, Denx sources inconnues de Rotrou, 
pass.j und Fest, Der mil, S. 77 f. 

*) Les contemporains de Moliere. Recueil de comedies, s. Introduction, 

') Spätere Bearbeitungen plautinischer Lustspiele. 

*) Doch fehlt es dem Werke an einer übersichtlichen Zusammen" 
Stellung der Quellen. 

*) Geisteshelden, Bd. 42 {1902). 



— 61 — 

diesem stets auf gutem Fuße stand, mit einigen Mitgliedern 
sogar freundschaftlich verkehrte.^) Da Moliöre ein ebenso 
guter Schauspieler wie Lustspieldichter war, darf man an- 
nehmen, daß er die mimische Kunst bei den Italienern gelernt 
hat. Despois deutet sogar die Möglichkeit an, daß er sich 
in seinen großen Stücken von der Schauspielkunst eines 
Charakterdarstellers wie Scaramouche beeinflussen ließ, wenn 
auch zu bemerken ist, daß die Comici italiani schließlich 
doch nur immer tpet-sofinages de Convention» auf der Bühne 
darstellten.^) 

Ihr Personal bestand so ziemlich für alle Stücke aus 
zwei Liebhabern, drei weiblichen Personen, zwei für die 
ernsten, eine für die komische Rolle, ferner aus Scaramouche, 
Pantalon, dem Docteur, einem Mezzetin und einem Arlequin % 
so daß im ganzen nur 10 Personen für eine Aufführung 
nötig waren ; dabei war nicht ausgeschlossen, daß bei manchen 
Stücken diese Zahl nicht einmal erreicht wurde. Moliöre, 
und darauf wurde bis jetzt nicht hingewiesen, braucht für 
seine Lustspiele gewöhnlich dieselbe Anzahl. Gewiß schwebten 
ihm daher bei der Abfassung seiner Komödien die italienischen 
Schauspieler und ihre canevas vor, und sicherlich bildete er 
seine eigene Truppe nach dem Muster jener. Freilich scheint 
nicht ein Mitglied von der Moli^reschen Truppe annähernd so 
berühmt und beliebt geworden zu sein wie Scaramouche, 
Trivelin und Aurelie, mit ihren wahren Namen Tiberio Fiorelli, 
Domenico Locatelli und Brigida Bianchi. 

Jedenfalls lernte Moliöre viel mehr bei den Italienern als 
bei den französischen Lustspieldichtern des 16. Jahrhunderts, 
bei Jodelle, de la Taille u. a., deren Stücke schwerfällig in 



^) Vollhart, Die Quelle von Moliere's Tartuffe {Herr,\'i Arch. 
Bd. XCIj S. 91 f.). Siehe auch die Kritik von Toldo {Giorn. stör. 
XXIV. 297), wo derselbe darauf hinweist, daß Moliere die Aufführungen 
italienischer Künstler besuchte, und dafi er auch später, als er in 
den SchaiMpiderstand trat, in intimem Verkehr mit seinen Kunstge- 
nüssen blieb. 

^) Despois, Le th., S. oU. 

') Despois, ibd., S. 61. 



— 62 — 

der Handlung, mangelhaft in der Charakterzeichnnng, un- 
künstlerisch in der ganzen Komposition sind, während er 
an den Stegreifkomödien dramatische Lebendigkeit, scharfe 
Charakterisierung und genialen Aufbau eines Stückes studieren 
konnte.^) 

Untersuchen wir nun kurz, in welchen Stücken sich hin- 
sichtlich des Stoffes Einflüsse sowohl der Stegreifkomödie, wie 
der tcommedia ericdita-» bemerkbar machen. 

Wir wissen, daß Moliöre während seiner Wanderjahre 
Farcen nach dem Muster der Possen der commedia deW arte 
entwarf und aufführen ließ ^) ; wir kennen nur die Titel von 
drei derartigen Stücken: Le docieur amoureux, Les trois 
docteurs und Le maitre d^ecole, von denen das letztere wahr- 
schdnlich sich an die Stegreif komödie tArlequin ecolier^ an- 
schließt. Schneegans hält es nicht für ausgeschlossen, daß 
die drei Titel sich auf ein Stück beziehen.*) 

Von den erhaltenen Stücken gehören hierher: 

1) La Jalousie du Barhouille. Nach Despois findet sich 
der Stoff zur Handlung dieser Posse im Decamerone (VII, 
4)^); doch lag Moliöre ein bis jetzt nicht aufgefundener 
italienischer canevas vor. Schneegans gibt als Stoffquelle 
Decam. IV, 3 an.*^) 

2) Le Medeein volant ist die Nachahmung eines Des- 
pois ®) und Schneegans '^) unbekannten Medico volanie , den 



*) Ähnlich Wenzel, La com. de Larivey {Herr, Arch. Bd, LXXlly 
80), und Fest, Der mil., S. 66, welcher Wenzel zitiert ; ferner M o 1 a n d ^ 
La com. it., S. 5, und A. d. Breton {bei Julleville, Hist, Bd, F, 15),. 
welche beide den Einfl, der ital. Stegreifkomödie auf Moliere in bezug 
auf die Lebendigkeit der Handlung betonen. 

®) Schneegans, Mol, S. 29; über MoVs Stegreifkom. hat 
Young in der ZfSp., Bd. XXII, 190 ff. ausführlich gehandelt 

^) Moliere, S. 32; Young, i6d., S, 192, der sich über diese 
Frage nicht äußert, nennt noch die Titel von 9 weiteren, Mol, zuge- 
schriebenen Farcen. 

*) Despois, Les ceuvres de Mol. 1, 11; ebenso Young, l. c, S. 198^ 

*) Moliere, S. 3L 

«) (Euvres de Mol. I, 47. 

') Molüre, S. 32. 



— 63 — 

Young unter den Scenarii inedäi ddla Comm. delV arte gefunden 
zu haben glaubt.^) 

3) VJ^Jtourdi geht nach Despois^) und Schneegans*) 
auf den Innaveriito des Barbieri, genannt Beltrame 
(1629/1630) zurück; in Akt IV, Sz. 2 übersetzt er geradezu 
aus Em. Groto*) und L. de Fomaris. Eigal sucht zu 
beweisen, daß neben dem Innavertito des N. Barbieri besonders 
der Parasite des Tristan l'Ermite in Betracht konune.'^) Ab- 
weichungen von Barbieri's Stück finden sich insofern, als 
Moli^re den tCapüano Bellerofont€y> wegläßt und dafür den 
alten Anselnie mit seinen Eigenschaften, wenigstens zum Teil 
ausstattet.®) Nach Schneegans ist das „Gepräge dieses Lust- 
spiels durchaus italienisch".') 

4) Der erste Teil des Depit nmoitrevx hat Ähnlichkeit 
mit der Komödie Secchi's: Vinteressc.^) 

5) Don Garde beruht auf den Gelöste del principe RodHgo 
Oigognini's (1654)®); die Heldin des Stückes, ein kriege- 
risches Mädchen, erinnert außerdem an die Frauengestalten 
bei Ariost und Tasso. 

6) In der &ole des maris sind einige Szenen den Esprits 
Larivey's, welche selbst eine ital. Übersetzung sind, entlehnt.^®) 

7) Le Fdckeux wurde nach einem. Can^m« italieu gedichtet, 
welcher den Titel führt: Pantalpotie a?nante sfortunato ^^) \ übri- 
gens behandelt die 8. Satire Regnier's denselben Gegenstand. 

8) Den Stofif zu seiner iJcole des femmes fand Moli^re 
entweder im Pecorone des Ser Giovanni Fiorentino, oder in 



^) L. c, S. 207. — Scenarj ined.j S. 105 — 116. Diese Sammlung 
Viird auch hei Klingler {La Com.-Ital. etc.. S. 21) erwähnt. 
») (Euvres d. M. /, 79. 
») Molüre, S. SS. 
*) Ihd., S. 38. 

*) JLes com. d, Mol. {Revue universitaire, 15 fevr. 1903). 
«) Fest, l. c, S. 121. 
^ Molih-e, 8. 40. 

') Despois, Mol.-Axisg. /, 381, wo ausführl. darüber gehandelt ivird. 
*) Ibd.y l c. IIj 217. Ebenso Schneegans, l. c, S. 74. 
^) Despois, /. c. II, 340, bei Schneegans nicht erwähnt, 
") Despois, l. c. HI, 6. 






— 64 — 

den Notti faceziose Straparola's ^), oder endlich in der ersten 
der nouvelles tragiques Scarron's.^) 

9) Von dem Stücke Le Mariage force sagt Schneegans: 
„Die Komik darin beruht sehr häufig nur auf technischen 
Kniflfen, die Moliere namentlich in seinen schnell entworfenen 
Possen immer wieder zu verwenden weiß, die er vielleicht 
auch der italienischen Stegreifkomödie abge- 
lauscht hatte." ^ Ein bestimmtes Vorbild läßt sich jedoch 
nicht anführen. Despois gibt mehrere Canevas an, die Ähnlich- 
keiten mit Moliöre's Lustspiel haben.*) Jedenfalls liegt eine 
italienische Quelle zugrunde.* 

10) Bezüglich der Quelle des Tartuffe ^) haben die neuesten 
Forschungen ergeben, daß der französische Dichter ihn nach 
dem Muster der italienischen Stegreifkomödie // PedanU 
schrieb.®) Moland gibt als Vorbilder den Finto Ipocrito und 
den canevas <s^Dottore Bacchettone^ an, welcher in der erhaltenen 
Fassung allerdings erst nach dem Tartuffe erschien; auch 
Decameron III, 8 erinnert an die Fabel des Stückes. 

11) Für den Avare hat Moliere eine Reihe von italieni- 
schen Lustspielen benützt, nämlich die Sporta Grelli's, die 
Oase sval^igiate, den Cameriere mobile, den Amante traditOj alle 
drei Stegreifkomödien von unbekannten Verfassern, endlich 
die Suppositi des Ariost. Knörich hat 1886 diese Quellen 
des Avare einer eingehenden Untersuchung unterzogen.*) 

12) Der Don Juan geht* allerdings auf den Burlador di 
Sevilla zurück '), allein dieses Stück wurde bereits in den 30er 



^) Schneegans, Moliere^ S. 91. 

2) Despois, l c. 111, 144. 

«) Moliere, S. 112. 

*) (Euvr, de Mol, S. IV, 8. 

») Vollhardt, Die Quelle des Tartuffe {Herr .'s Arch., Bd. XCI, 
ooff.). Vollhardt bemcksichtigt die vorausgehenden Forschungen, bes. die 
von Mahrenholtz. — Schneegans {Mol., S. 117) kommt zu demselben 
Resxdtate. 

®) In den ZfSp. VIII, 51—68: doch ist die Arbeit keineswegs als 
eitle abschliefiende z\(, betrachten. 

') Lucas, Hist. I, 73; Lotheissen, Gesch. IV, 40; Mesnard, 
(Euvres de Mol, Bd. V, Iff.: Schneegans, l. c, S. 130 ff. Eine Zu- 
sammenstellung über die neuesten Forschungen in der Don Juan-Sage 



— 65 — 

Jahren des 17. Jahrhunderts tod dem Stegreif komödiendichter 
Giliberto am italienischen Theater in Paris gespielt, so daß 
der Stoff dem Theaterpublikum schon vor Moli^re bekannt 
war. Zudem wurde das italienische Stück 11 Convitato di 
pietra des Giliberto von zwei Franzosen, Dorimond und De 
Villers, bearbeitet. Die Bearbeitung des letzteren, le Festin 
de Pierre^ diente Moliöre als Grundlage seines Don Juan, 

13. In dem Schwanke Le hourgeois genüUiomme (1671) ist 
die türkische Zeremonie (Akt IV, Szene 6 — 13) dem Steg- 
reiflustspiel Le disgraxie d^ Arlecchino entnommen.^) 

14. Le Malade imaginaire verdankt mehrere Züge, wie 
Moland behauptet, der Gestalt des Manfurio im Candelaio des 
Giord. Bruno. ^) 

15. In den Fourberies de Scapin, welche sich ganz der Manier 
der italienischen Komödie nähern, ist die Szene mit dem Sack 
den Notti faeeziose Straparola's entnommen.^) 

Diese Übersicht der stofflichen Entlehnungen, die Moliöre 
bei den Italienern machte, beweist, wie tiefgehend der lite- 
rarische Einfluß Italiens damals war. Wiese*) sagt daher 
ganz richtig, daß Moliöre's Lustspiele die herrlichsten Früchte 
der italienischen Stegreif komödie seien. 

Von den zeitgenössischen, komischen Dichtern kommt 
vor allem Tristan l'Hermite in Betracht, dessen Parasite, wie 
Stiefel bewiesen hat, eine Nachahmung von Pomarie's Angelica 
(1584) ist, welche selbst als ein Plagiat der Olimpia des della 
Porta angesehen werden kann.*^) Der Amant discret Quinault's 



gibt Stiefel in dem Jahresbericht für neue deutsche Literaturgesch, hrsg. ^ 
V. E, Schmidt. 1899. Bd. X, 1. Abteilung^ 7, AbhandL 

1) Mesnard, (Euvres de Moliere, Bd. VIll, i/f, 35. 

*) Molihre et la comedie it., S. 105 — 111. 

') Mesnard, (Euvres de Moliere VIII, 390. Vgl, Schneegans, 
Mol, S. 212. 

*) Wiese-Pferc. , Gesch., S. 435. Auch Schneegans bezeichnet 
diesen Einfl. d. Ital. als „nur vorteilhaft^ (Mol. S. 30). Siehe femer 
Toldo {Kritik v. Vollharfs „Quellen des Tartuff e^ Giom. stör. XXIV, 
301): *Negli albori del Rinasdmento la commedia deW arte fu scuola 
alle nazioni d^ Europa, alla Francia sopratutto, di vera e sana comicitä.* 

*) Tristan VHermite^s Le Parasite u. s. Quelle, in: HerrJs Arch. 
Bd. 86, S. 47 ff. 

Münchener Beiträge z. romanischen u. engl. Philologie. XXXIV. ^ 



— Be- 
geht ebenfalls auf eine italieDische Quelle zurück. Corneille 
lehht sich in seinen ersten Lustspielen an die italienische 
Stegreif komödie an. Der matamore in der lUtcsion comique ist 
nicht ein Abklatsch des Capitano der commedia dell' arte, 
sondern, wie Pest beweist, und wie Corneille in seinem 
^Examen* selber sagt, ein Phantasiegebilde. ^) Eegnard, 
der würdigste Erbe von Moliöre's Kunst, arbeitete in seiner 
Jugend für die Comedie italienne.^) Sein Stück La Serenade 
ist ganz im Stile der ital. Farce. ^) Le Bai und die Folies 
amoureicses, deren Gegenstand der Finta pazza von Strozzi ent- 
lehnt ist, sind ebenfalls Nachahmungen der italienischen Steg- 
reifkomödien. ^) Auch in der Komödie Le divorce finden sich 
einige der ital. Bühne entlehnte Szenen.^) 

In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts nahm der 
vielseitige La Motte-Houdar den Stoff seiner Komödien zum 
großen Teil aus Boccaccio; drei dieser Novellen des ital- 
Dichters hatte bereits Lafontaine in seinen Contes bearbeitet 
doch geht aus verschiedenen Einzelheiten hervor, daß La Motte 
direkt die italienische Quelle benutzte.^) Es kommen folgende 
Komödien in Frage: 

1. La Venitienne, comedie-hallet^ 1705, läßt aU die Masken 
der ital. Komödie wieder an uns vorüberziehen. 

2. Le Talisman = Bocc.^ Dec. II, 10. 

3. Le Magnifique = Bocc, Dec. III, 5. 

4. Minutolo = Bocc, Dec. HI, 6. 

5. Le Calendrier des Vieillards = Bocc, Dec. II, 9. 

So sehen wir, wie der Altmeister der Erzählung, Boccaccio, 
noch im 18. Jahrhundert, im Zeitalter der nüchternen Auf- 
klärung, seinen Zauber auf die Franzosen ausübte. 

Fast alle Komödiendichter des 18. Jahrhunderts bilden 



^) Der mil. glor., S. 97. 

2) Lucas, Hist, 7, 283 ff.; III, UOff. Nach L. schrieb er 10 Stücke 
für die ital. Bühne. Nach Fournel {Le th,, S. 343) verfaßte er für 
diese auch seine letzten Stücke. 

5) Leniönt, La Comedie 7, 25 u. 28. 

*) IM., S. 29. 

^) Lucas, Hist. phil. III, 141. 

^) Vgl. Toldo, Quelques sources, in: Bull, it. I, 200 ff. 



— 67 .- 

sich in ihren Werken an dem italienischen Theater zu Paris. 
Florion arbeitet ganz nach den canevas der italienischen Ko- 
mödie. Dufiresny, Piron, Delisle und Marivaux verkehren in 
ihren Lehrjahren vorzüglich bei den Italienern und studieren 
deren Technik, die sich durch eine größere Freiheit aus- 
zeichnete als diejenige der Comedie fran^aise,^) Mit Beginn 
der Revolution wurde das Theater der Italiener endgültig ge- 
schlossen und damit endete der 200 Jahre andauernde Einfluß 
desselben. 

Ein Lustspieldichter des 19. Jahrhunderts, welcher ganz 
besondere Vorliebe für Italien und für die italienische Lite- 
ratur besaß, darf hier nicht unerwähnt bleiben. Es ist dies der 
geniale Alfred de Musset, von dessen künstlerisch so wunder- 
bar gebauten Komödien einige auf italienische Chroniken 
zurückgehen. Seinen Lorenzacclo entlehnt er, wie Lafoscade ^) 
nachweist, der Chronik Varchi's, die ^Quenouille de Barberine* 
ist aus einer Novelle Bandello's, die <^Carmosin6» aus einer 
Erzählung im Decamerone entstanden; sein Andre del Sario 
endlich kann als eine Frucht seiner italienischen Reisen an- 
gesehen werden. 

IV. Die Pastorale. 

Die Pastorale nimmt einen so wichtigen Platz in der 
Geschichte des französischen Theaters ein, und der Einfluß 
Italiens auf dieselbe ist so bedeutend, daß wir ihr einen 
eigenen Abschnitt widmen wollen. 

Der Ursprung der italienischen Pastorale geht nach 
W i e s e ^) zurück auf die griechischen dramatischen Eklogen, 
und es war kein Geringerer als Boccaccio ^), der sie zuerst 
nachahmte, bis sie sich dann im Laufe des 15. Jahrhunderts 
zum Schäferdrama weiter entwickelte, mit welchem Namen 
wir als erstes die Flavia 1528 bezeichnen dürfen. **) Den 

^) LansoD, Hist.j S. 646. 

2) Theätre d'Alf. de Müsset ^ S. 136. Vgl. auch E. Bouvy in der 
Chroniqiie des Bull. itäl. 1902. II, 248. 
^) Gesch. der it. Lit.j I, 316. 
*) Lotheissen, Gesch., I, 137. 
*) Wiese u. Perc, Gesch., S. 316, 



— 68 — 

Gipfelpunkt in ihrer Entwicklung erreichte die Pastorale in 
Tasso's Aminta 1681 und in Guarini's Pastor fido 1590.^) 
Die Elemente dieses dramatischen Genres sind nach Weinberg 
folgende: die spröde Geliebte, der liebedtirftige Schäfer, der 
weltkluge Vertraute, die Entstehungsgeschichte der Liebe, 
der erste Kuß und die schließliche Vereinigung der Liebes- 
paare ; dazu kommt meist noch ein Wahrsager und ein Satyr. ^) 
Was die Entstehung der französischen Pastorale betrifft, 
so sind so ziemlich alle modernen Forscher darin einig, daß 
Frankreich diese Literaturgattung der apenninischen Halbinsel 
verdankt. Allerdings erwähnt Goujet bei der Pastorale nur 
die Nachahmung der alten Griechen und Lateiner.*) Ra- 
thery*) jedoch führt als die hauptsächlichsten Vorbilder der 
französischen Pastorale Sannazaro, Tasso und Guarini an. 
Amould bezeichnet Tasso, Guarini und Marino als die wahren 
Leiter des französischen Geschmackes in der ersten Hälfte des 
17. Jahrhunderts und bezeichnet den italienischen Einfluß auf 
die Pastorale als vorherrschend^): „Sie (d. ital. Past.) verlieh 
der franz. Literatur einen feinen, zarten Ausdruck für subtile 
Gedanken und innige Gefühle ; doch wäre ihr Einfluß auf die 
Dauer unheilvoll geworden, wenn nicht mit der Princesse de 
Cleve eine neue Periode auf dem Gebiete der Erzählung ein- 
geleitet worden wäre." Morf glaubt in der französischen 
Pastorale einen dreifachen Einfluß zu finden.*) Nach ihm ist 
sie entstanden unter der Einwirkung des Altertums, der Bibel 
und Italiens. Wie Rigal weist er auf das comedie betitelte 
Hirten- und Satyrspiel Les ombres hin, welches unabhängig 
vom italienischen Einfluß zu sein scheint. Rigal, der dasselbe 
ins Jahr 1666 verlegt, findet darin bereits einige der Haupt- 
charakterzüge der Pastorale, einen Wahrsager, einen Satyr 
und eine spröde Schäferin.') Weinberg®), der sich be- 

^) Rigal, in: Julleville, Hist III, 316. 

2) Das frz. Schäferspiel, S. 5 ff. 

3) Bibl fr., III, 247. 
*) Infi., S. 110 ff. 

'') Essais, S. 452. 

«) Gesch., S. J224. 

') La Pastorale, in: Jullev., Hist., Bd. III, 316. 

*) Das frz. Schäfersp., S. 4. 



^ 69 ^ 

soiKlers eingehend mit dem französischeü Schäferdrama be- 
schäftigt, hebt hervor, daß während der Blütezeit des fran- 
zösischen Schäferspiels gerade der italienische Einfluß dem 
spanischen weichen mußte, daß jedoch die italienischen Fasto- 
ralen eines Tasso und Guarini zu bedeutend gewesen wären, 
um nicht beachtet zu werden. Auch Dannheisser führt 
den UrspruDg der französischen Pastorale auf italienischen 
Einfluß zurück; nur die Einführung eines neuen Elementes, 
der Zauberei, sei spanischer Herkunft.^) Seiner Ansicht 
schließt sich Birch-Hirschfeld ^) an, während Lanson sich 
hierüber nicht äußert. Stiefel betont ganz besonders den 
Einfluß Italiens und die große Anzahl von Übersetzungen 
italienischer Pastoralen.^) 

Groto's Dieromena ist das erste italienische Schäfer- 
drama, welches von Brisset 1692 ins Französische über- 
tragen wurde.*) Während der erste französische Pastoral- 
dichter Montreux, den wir später noch kennen lernen 
werden, ganz in den Fußstapfen Montemayor's wandelt, 
ahmt Hardy den Pastor fido Guarini's nach**); ebenso ist die 
Theords des P. Trotterei, 1610, eine Nachbildung des „treuen 
Hirten".*) In den Bergeries Bacan's finden sich stellenweise 
Anklänge an die nämliche italienische Pastorale, nur ist 
in der letzteren die Intrigue viel feiner.') Nach Amould 
sind sie in Inhalt und Stil Nachahmungen Boccaccio's und 



1) Zfwr Gesch. des Schäfersp.'s in Fr., in: ZfSp. 1889, II, 68: „Schon 
im 16. Jahrh. drängte sich die it. Fastorale der Beachtung und Nach- 
ahmung der Franzosen aup^ 

«) Such. u. ßirch-H., Gesch., S. 383. 

') ZfSp.. Bd. XX VL Ref. w. Bez. 1 u. 2, S. 38: „Von 1594^1630 
befassen sich einige 40 Dichter mit der Fastorale. Zahlreiche Uber^ 
Setzungen wurden den ital. Fast, von Grotto, Ongaro, Braceiolini, Bona^-elli, 
Isahella Andreini zuteil. 

*) Blanc, Bihl. II, 1305. Dagegen gibt Goujet {Bibl. fr., XIII, 
373) 1595 als Erscheinungsjahr an. 

^) Rigal, Hardy, S. 513 ff.; Weinberg, Das frz. Schaf er sp., 
8. 36; Weinberg geht leider nur selten auf die Quellenfrage ein. 

ö) Weinberg, ibd., S. 53; Parfaict, Hist, IV, 151. 

"') Weinberg, ibd, S. 53: „Racan bezeichnet sich als Nachfolger 
GuarlnVs.'' Vgl. Dannheisser {ZfSp. XI, 75). 



— 70 — 

Sannazaro's.^) Mairet hat den Stoff, nicht aber die Form 
seiner Pastoralen den Italienern abgelauscht.^) Wichtig ist 
die bereits erwähnte Übersetzung der Füis de Sdro (1607)*), 
1629 von Du Gros, 1630 von Pichou übersetzt.*) Richelieu 
hielt sie für die richtigste und am besten komponierte 
Pastorale.'^) Eine Reihe von französischen Dichtem, die sich 
dieser Literaturgattung widmen, halten streng an den italieni- 
schen Vorbildern fest. Zu dieser italianisierenden Richtung 
gehören besonders d'ürfe mit seiner Silvanire (1627), Rays- 
siguier, der Übersetzer des ^Aminta:» Marechal, der bereits 
erwähnte du Gros und Baro.®) 

Auch der besser bekannte Rotrou schöpft gerne die 
Stoffe zu seinen Tragikomödien und Schäferspielen aus italieni- 
schen Quellen, wie Stiefel eingehend bewiesen hat.') Die 
Pelerine amoureicse 1634 ist nachgebildet der Pellegrina des 
G. Bargagli ^) ; Rotrou's ganz in der Manier der Pastorale 
sich bewegende Tragikomödie Celie hat als Vorbild Oli duoi 
fratelli rivali des della Porta ®) ; auch in seinen anderen Stücken 
Mlandre, Clorinde, Amelie und Florismonde ist der italienische 
Einfluß unverkennbar.^^) 

Von 1638—1650 erscheinen, wie Weinberg^^) bemerkt, 
keine Schäferspiele mehr ; was dann folgt, ist schon als Uber- 



^). Essais, S. 452. 

2)Dannheisser, Z. Gesch. d. drei Einh. (ZfSp. XIV^ S. 3); 
ferner Birch-H. {SMchier u. Birch-H., Gesch., S. 384): „Mairets Sil- 
vanire wird gedichtet in all der Strenge, die in dieser Dichtungsart bei 
den Italienern beobachtet tourde^. 

») Wiese-Pörc, S. 336, 

*) E-igal (JuUev., Hist, Bd. IV, 348); Dannh., Z. Gesch, d. dr. Einh. 
{ZfSp., Bd. XIV, 66): Übers, v. Du Gros 1628 {?), Lucas gibt als Jahres- 
zahl für die Abfassung v. Du Cros* «La Fillis» 1629 an. Auch Wein- 
berg nimmt als Abfassungszeit 1629, als Druckjahr 1647 an. 

'^) Birch-H. {Such. u. B.-H., Gesch., S. 383). 

«)Dannheisser, Z. Gesch. d. Seh. (ZfSp., Bd. XI, 85), 

') Unbekannte Quellen BotrotCs {ZfSp. 1891, Suppl. V, Iff'.), 

8) Ibd., S, 4ff. 

») Ibd., S. 49 ff. 

10) Rigal, in; Jullev., Hist. IV, 348. 

ii) Das frz. Schaf ersp., S. 136. 



— 71 — 

gang zur Oper zu betrachten, von welcher wir im folgenden 
Abschnitte sprechen werden. 



V. Die Oper. 

Die Oper im modernen Sinne hat ihren Ursprung in den 
Kesidenzen der italienischen Fürsten des 16. Jahrhunderts, 
in den prunkliebenden Kreisen der florentiner und lombardi- 
schen Aristokratie, an den Höfen der Medici und Sforza.^) 
Gegen Ende dieses Jahrhunderts tritt nämlich die Musik in 
Verbindung mit der Lyrik, indem Gedichte Sannazaro's, 
lyrische Stellen aus Ariosto's Orlando furioso und aus Tasso 
in Musik gesetzt werden.^) Tragödien und Schäferspiele werden 
mit Chören ausgestattet, die gesungen wurden, Konzerte, 
Ballette und allegorische Darstellung unter musikalischer Be- 
gleitung bildeten die Zwischenakte. So entstanden die Opern 
eines Peri und Monteverde, welche bald über die Grenzen 
des Landes hinaus bekannt wurden.^ 

In Frankreich erfolgte die Einführung der italienischen 
Oper durch Mazarin, der selber ein Italiener war, und welcher 
1642 italienische Schauspieler und Tänzer nach Paris kommen 
ließ. Diese spielten hier zum erstenmal (1645) eine Oper vor 
dem französischen Publikum, welche teils gesungen, teils vor- 
getragen wurde und einige Ähnlichkeit mit dem bereits seit dem 
14. Jahrhundert existierenden Ballett {ballet de cour) hatte.*) 

Es war dies Strozzi's Festa teatrale della finta pazxa, 
zu der Sacrati die Musik geschrieben hatte. Zwei Jahre 
später ging eine zweite nicht minder berühmte Oper, der 
Orfeo Monte verde's, über die Bühne, ohne jedoch einen großen 
Erfolg beim französischen Publikum zu erringen.^) 



1) Schure, Eist, S, 234. 

2) Wiese-Perc, Gesch., S. 437. 

3) Schure, Bist, S. 234. 

*) Chouquet, Hist., S. 90; vgl. La Porte u. Chamf., Dict, 
J, 161; Nuitter, Les orig., S. 33; Vapereau, S. 1515, 

*) Chouquet, l. c, S, 92ff,; La Harpe, Cours de litt. I, 654: 
«Ce spectaele ennuyait toxit Paris. Trls peu de gens entendaient V Italien j 
et presque personne ne savait la musiqiie.» Dagegen behauptet ßouvy 



— 72 — 

Schon 1646, also ein Jahr nach der Erstaufführung der 
Finta pazxa, traten die Franzosen mit regeknäßigen comedies 
de musique, die sich im Geleise der italienischen Oper be- 
wegten, hervor, konnten aber mit der italienischen Oper nicht 
konkurrieren, auch nicht als diese neue französische Gattung 
in Cambert einen genialen Schöpfer und in Lully und Rameau 
talentvolle Fortsetzer fand.^) 

Das erste französische musikalische Drama, das mit der 
italienischen Oper annähernd verglichen werden kann, ist 
Cambert's Muse ingrate, 1659, deren Text von dem geschickten 
Perrin verfaßt war und ein Pastoralthema behandelte.^) Musik 
und Text, stehen so vollständig unter italienischem Einfluß, 
daß von einem selbständigen Erstehen der franz. Oper nicht 
gesprochen werden kann.^) Daher gibt auch La Porte-Cham- 
fort bereits im 18. Jahrhundert zu, daß die Franzosen keine 
eigene Oper geschaflfen haben. ^) Arnould^) und Birch- 
Hirschfeld®) bezeichnen die italienische Oper als eine 
„italienische Erfindung". Proelss dagegen nimmt eine 
Weiterentwicklung des französischen Balletts und der fran- 
zösischen Ballettmusik an, deren Ergebnis, unter Hinzutritt 
italienischen Einflusses, die franz. Oper wäre.*^) Demgegenüber 
muß aber behauptet werden, daß das französische Ballett, 
wie es seit dem 14. Jahrhundert bestand, unter Katharina 
von Medici durch das nach Frankreich gebrachte italienische 
Ballett verdrängt wurde, wie Doumic nachgewiesen hat. 8) 



(B%dl. it. J, 263\ daß sich der Einfluß des Orfeo in Frankreich hes* a'uf 
dem Theater, dwrch das Erstehen mehrerer lyrischer Tragödien unmittelbar 
bemerkbar machte, 

^) Chouquet, ITist, S. 90 u. 91. 

2) Nuitter, Les orig., S. 34 f., wo er das Entstehen der franz. Oper 
ausführlich schildert. 

3) Koestlin, Gesch., S. 322. 
*) Dict. dram. II, 332. 

ö) Essais, S. 481. 

•) S u c h i e r u. B.-H., Gesch., 479 ; L a n s o n , Hist, S, 531, Anm 1, 
berührt das Abhängigkeitsverh. d. frz. Oper nicht. 

^3 Gesch., Bd. II, Halbband 2, S. 238. 

^ Kritik v. Boüand^a Gesch, d. Oper^ Bev. des 2 Mondes, juiUet, 
1996, S. U7. 



— 73 — 

Zehn Jahre nach Cambert's erster Oper erfolgte, wiederum 
naeh dem Beispiele Italiens, die Gründung einer Mn£dkakadeniie, 
tpour y reprisenter et ekanter en public des operas et reprSsentaiions 
en rmmque ei en vers fran^is pareilles et semblables d ceüe (fltalie*,^) 
Lully brachte diese neugeschaffene und staatlich anerkannt» 
Oper bald auf eine hohe Stufe, wenn er auch die italienische 
Oper zu Paris nicht verdrängen konnte. So sehr Lully in 
seinem späteren Leben seine eigenen Wege ging, verdankte 
er doch seine ganze musikalische Ausbildung den Italienern, 
besonders dem berühmten Caletti, genannt Cavalli, dessen 
Serse er in seiner Jugend aufführen sah.^) Bameau, der 
zweit« Hauptv^ireter der französischen Oper, ist ein Be- 
vnmderer Pergolese's, welcher mit seiner Serva padrona 1746 
einen ungeheuren Erfolg in Paris errang.^) 

Die Oper nahm überhaupt im 18. Jahrhundert eine so 
bedeutende Stellung unter den dramatischen Grenres ein, daß 
das Publikum, wie zur Zeit der Erstaufführung des Cid, für 
diese» oder jenes Stück leidenschaftlich Partei ergriff, und 
daß literarisch hervorragende Männer in diesen Streitigkeiten 
die Führerrollen übernahmen.^) Fast durchgehends handelte 
es sich hier um die Bivalität der sogenannten französischen 
und der italienischen Oper. Bereits 1702 begann der Streit 
mit Baguenet's Parallele des Italiens et des Francis, worin er 
den Italienern den Vorzug gibt.*) Mit dem Auftreten Gluck's 
xmd Piccini's, den damals berühmtesten italienischen Opem- 
komponisten, brach der Kampf der beiden Bichtungen heißer 
aus denn je. Bekanntlich endete derselbe mit dem Siege der 
Gluckisten^ der jedoch nur »ein vorübergehender war. Denn 



^) Chouquet, Hist., S. 102; chemo Ko.es tlin, Gesch.f S. 224u 

2) Koestlin, Gesch., 8. 222. 

*) Proelss, Gesch., Bd. II, Hhd. 2, S, 252; Chouquet, ihd., 
8. 134 f., bezeichnet als Datum der Erstaufführung dieser Oper in Paris 
1746, durch die Truppe RiccohonVs ; 1752 erschien eine neue Ttiippe aus 
Italien, welche einen durchschlagenden Erfolg errang. 

^) Lanson, Hist, S. 643, sagt hierüber: ^L^ Opera devient au 
18^ stiele notre premiere scene. La pompe du spectacle, les machines, 
les costumes, tout Veclat de la mise en scene Hatte les yeux et amuse la 
frivolite du public mondain.* 

») Koestlin, Gesch., S. 229, 



— 74 — 

neben ihm und besonders nach seinem Weggange wurden mit 
Vorliebe italienische Komponisten zur Bühne zugelassen: 
Salieri, Sacchini, Paisiello, Guglielmi, Cimarosa, Bianchi, Prid- 
zeri, Prati, Oambini, Bruni und Mengozzi.^) Im 19. Jahr- 
hundert treten die Namen eines Spontini, Rossini, Bellini, 
Donizetti und Verdi in den Vordergrund ^), und sie bezeichnen 
ebensoviele Siege der italienischen Oper, die schon längst ihr 
eigenes Theater in Paris hatte und stets über vorzügliche 
Kräfte verfügte. Noch zur Zeit des zweiten Kaiserreiches 
stand die italienische Oper in voller Blüte, besonders weil 
Napoleon III. große Liebe zur Musik hatte. Cimarosa und 
Paisiello waren seine Lieblingskomponisten. '^) In neuester 
Zeit brachte es Mascagni allerdings nur zu einem leichten Er- 
folge, während dagegen den Franzosen eine Reihe einheimischer 
Opemdichter in Meyerbeer, Halevy, A. Thomas, Gounod und 
Bizet erstand.*) 

In einer Geschichte der französischen Oper darf die 
komische Oper {opera batfffe, opera comique) nicht vergessen 
werden. Lenient nennt sie ein „nationales Produkt", doch 
konstatiert er eine gewisse Verwandtschaft mit der italieni- 
schen Stegreif komödie. ^) Koestlin sieht die Keime der 
komischen Oper {conudie ä ariettes) in den Voix de ville,^) 
Besonders aber war es der italienische Opemkomponist Duni, 
welcher mehrere französische Singspiele schrieb und der tat- 
sächliche Begründer des französischen Singspiels ist. Als den 
bedeutendsten Franzosen in diesem Genre nennt Koestlin Grfttry, 
welcher sich an italienische Vorbilder hält. Proelss läßt die 
komische Oper aus dem Jahrmarkttheater hervorgehen, gibt 
aber zu, daß ihre Komponisten die Italiener als Vorbilder 
hattön.'') Vapereau endlich weist darauf hin, daß die italieni- 
schen Schauspieler eine Truppe von comediens clmntants in ihrem 



^) Chouquet, Hiat, S. 177f. 

2) Proelss, Gesch., Bd. II, 2, S. 260. 

») Chouquet, Hist. 211, 212. 

*) Proelss, Gesch. II, 2, S. 261; Chouquet, l. c, S. 184, 

**) La Com. II, 16S u. 166. 

«) Gesch., S. 233. 

') Gesch. II, 2, S. 247 u. 252. 



— 75 — 

Saale spielen ließen.^) Diese comediens chantants müssen jedoch 
Italiener gewesen sein, da sie sonst schwerlich von den Schau- 
spielern diese Erlaubnis erhalten hätten. Aus diesen Anfängen 
entwickelte sich die Opera comique zu einem bedeutenden 
Faktor im literarischen Leben der französischen Hauptstadt.*) 
Mit Panard, welcher neben Gretry als ihr hervorragendster 
Librettist anzusehen ist, macht sie sich vom italienischen 
Einfluß völlig unabhängig und bildet sich zu einer vor- 
herrschend moralischen Bühnengattung aus, während sie vorher, 
hauptsächlich mit italienischen Kräften, Parodien und Vau- 
devilles aufführte.^) 

Nachdem wir im vorausgehenden eine kurze Übersicht 
des italienischen Einflusses auf die Literatur der Franzosen 
zu geben versucht haben, kommen wir nun zum Hauptteile 
unserer Abhandlung, nämlich zur Untersuchung des Ver- 
hältnisses, in welchem Ariosto's unsterbliches Epos zur 
französischen Literatur, insbesondere zum französischen Thea- 
ter steht. 

Ariost in Frankreich. 

I. Übersetzungen. 

So beliebt auch die italienische Sprache im 16. und 
17. Jahrhundert in Frankreich war, so blieb ihre gründliche 
Kenntnis immerhin nur auf kleine Kreise beschränkt. Um 
daher eine Einsicht in die Meisterwerke der italienischen 
Literatur zu gewinnen, mußten sich die weiteren Kreise des 
gebildeten Publikums mit Übersetzungen aus dem Italienischen 
behelfen, von denen die hauptsächlichsten bereits eingangs 
erwähnt wurden. Was die Übersetzungen betri£Ft, welche 
Ariost's Orlando furioso und seine minder bedeutenden Dich- 
tungen erfuhren, so haben wir im Anhange dieser Ab- 
handlung zum erstenmal versucht, ein vollständiges Verzeichnis 



1) Dict, S. 1507. 

^) Claris (i. e. Claretie\ Le Th. de la foire Saint-Laurent Kap, 
112, 8, 95. 

*) Lenient, La Com., Bd. IT, 171. 



— 76 — 

der französischen Ariost-Ubersetznngen aufzustellen. Für die 
älteren Übersetzungen stehen uns du Verdier ^) und Goujet ^) 
zur Verfügung, für die neueren machten Ferrazzi*), Blanc^) 
und Guidi '^) Zusammenstellungen, von denen jedoch keine auch 
nur annähernd vollständig ist. Am lückenhaftesten ist die 
Yon Ferrazzi, relativ am vollständigsten die von Guidi. 



IL Ariost in der französischen Lyrik. 

Obwohl Ariost in erster Linie Epiker war, übte er doch 
einen ganz bedeutenden Einfluß auf die französische Lyrik, 
insbesondere des 16. Jahrhunderts aus. Wir werden sehen^ 
auf welche Weise die französischen Lyriker es verstanden 
haben, einzelne Stanzen des Orlando auszusuchen und sie in 
geschmeidige Sonette zu verwandeln, oder seine Satiren oft 
nahezu wörtlich nachzubilden. 

Nachdem der Orlando fiirioso durch die erste Lyoner 
Übersetzung von 1543 weiteren Kreisen des gebildeten 
Publikums zugänglich gemacht worden war, gewann er bald 
einen allgemeinen Buf, und die zahlreichen Übersetzungen be- 
zeugen, daß er schon damals eines der meist verlangten Bücher 
war. Besonders schnell muß er sich in Lyon, dem Er- 
scheinungsorte der ersten Übersetzung und dem Sitze einer 
reichen, blühenden Kolonie eingebürgert haben. Wir hören 
bereits von der schönen Seilerin Louise Labe (1526 — 1566)^ 
daß sie den „Rasenden Roland^' gelesen, und sich mit den 
beiden Heldinnen des Epos Marfisa und Bradamante verglichen 
habe.^) Taillemont, gleichfalls ein Lyoner und ein bedeutendes 



^) La Bibl. de Dxi Verdier ^ pass. 

*) Bibl. fran{'. VII, 345 ff, — Weder du Verdier^ 8 noch Ghujef» 
Verzeichnis kann Anspruch auf Vollständigkeit erheben, wie aus unserer 
Zusammenstelluny [s. AnJiany) hervorgeht. 

») BiUiogr. Ariostesca. S. 172—176. 

*) Bibl. it.'fr. II, 1271-1275. 

^) Annali, S. 177 ff. — Rathery, Lifl., S. 96, erwähnt nw, daß 
zahlr. Ubersetzmigen des Ariost erschienen seien. 

«jßirch- Hirsch f., Gesch. d. frz. Lit. d. 16. Jahrh., S. 176; 
ebenso Laur, Louise Labe, S. S. 



— 77 ~ 

Mitglied der dortigen Dichterschule, in welcher eine „Haupt- 
quelle der preziösen Literatur zu erkennen ist", bearbeitet, 
wie wir später sehen werden, eine Episode aus Ariost. 

Auch am Hofe der schöngeistigen Königin von Nararra 
£ndet der Divmo Äriosto schnell Anhangt); wir wissen zwar 
nicht, ob der OrL für, sich unter den Lieblingsbüchem Mar- 
garetens befand, aber wir wissen, daß ihr Sekretär Guill. 
Belliard ein Buch lyrischer Gedichte verfaßte, unter denen 
sich Nachahmungen aus Ariost befinden.^) Vielleicht wählte 
er gerade diesen Dichter als Vorbild, um einen Wunsch seiner 
königlichen Gebieterin zu erfüllen. 

Bedeutend aber wird Ariost's Einfluß erst, als die Dichter 
der Pleiade ihre Tätigkeit beginnen, und die lyrische Poesie 
unter ihnen eine Blütenperiode, wie kaum ein zweites Mal 
wieder, erlebt. Diese Dichter der Ronsard'schen Schule, 
einschließlich ihres Hauptes, waren keine genialen Schöpfer, 
die aus eigenem Herzensbronnen ihre Lieder hätten quellen 
lassen und, unbekümmert um die Regel und Autorität, sagen 
können, was ihre Brust bewegte ; diese Schüler der Renaissance 
brauchten vor allem Vorbilder, an die sie sich klammern, 
auf die sie sich berufen konnten, sie brauchten Stoff, der ihnen 
würdig genug schien, um in antike Verse gekleidet zu werden ; 
und selbst da, wo ihr Herz spricht, wo die Liebe ihnen eine 
beredte Zunge verleiht, wagen sie es nicht, einen Schritt allein 
zu tun, selbst da füllen sie ihre Verse mit fremden Worten 
und Ideen aus. 

Die glühende Begeisterung für Petrarca und den Petrarkis- 
mus war bald verraucht ; man merkte bald, daß der Stoff, der 
jenen Dichtem zugrunde lag, einer Entwicklung nicht fähig 
war; er mochte die lyrischen Geister in ihren Jugendjahren 
begeistern, ihnen den rechten Ausdruck für die Form ihrer 
Lieder geben, den zum Manne herangereiften Dichter jedoch 
konnte Petrarca's monotoner Piatonismus nicht befriedigen. 

Welche Fülle von Ideen und Idealen bot dagegen der 



^) El amini, Varietäy 8. 265, bemerkt, daß ihn Franz I. in seinen 
lyrischen Versuchen naohahmte; doch erfahren wir nichts Näheres darüber, 
*) La Croix, Bibl. I, 311. 



— 78 — 

wunderbar vielseitige Dichter des Orl. für, ! Mit welch' zartem 
Empfinden schildert er nicht die Liebe, die im Herzen seiner 
Mädchengestalten glüht; und wie lebendig weiß er nicht uns 
diese selbst zu schildern! Wie blaß und verschwommen, 
wie seelenlos mußte da im Vergleiche zu diesen Heldinnen 
Petrarca's Laura erscheinen! 

So sehen wir denn, wie die Pleiade und ihre Epigonen 
erfüllt sind von dem Geiste, der aus dem Orlando weht, wie 
sie alle, die antik sein wollenden Jünger Ronsard's, halben 
Wegs stehen bleiben, um die Schätze aufzulesen, die ihnen 
eine erst kurz verflossene Epoche anbot, und die das Alter- 
tum niemals geben konnte. 

Als einen Vorläufer der Pleiade können wir den eifrigsten 
Schüler Petrarca's auf französischem Boden, M ellin de 
Saint-Gelais betrachten; aber man findet bereits bei ihm 
Spuren Ariost'scher Nachahmung. Hören wir zuerst, was 
einzelne Kritiker hierüber sagen. 

Kathery begnügt sich mit der Bemerkung, daß er dem 
Ariost „einige Stücke" entlehnt habe^), während Elamini die 
6. Elegie des italienischen Dichters erwähnt, die St-Gelais 
nachgeahmt habe.^) Wagner dagegen, welcher hauptsächlich 
den Epiker St-Gelais studiert ^) , zählt zu diesen Nach- 
ahmungen das Gedicht, welches D'u7i Eslongementhetiteltist^), 
und jenes, welches beginnt mit den Versen: 

«Et toy doidx vent faisant doulx hruit en Vair 
Qui farrete j^our enteiidre mes dicts.j 

Vianey endlich bezeichnet die 6. und 7. Elegie des Ariost 
als Vorbilder von St-Gelais.^) 

Allgemein drückt sich Morf aus, indem er sagt, St-Gelais 
schreibe Terzinen auf der Spur Bembo's und Ariost's.*} 



^) Inp,iience^ S. 107. 

2) Studi, S. 265, 

3) Mclin de St-Gelays, S. 127, 

*) (Euvres de Mellin 7, 210; die Quelle ist dort {S. 212) mit folgenden 
Worten angegeben: «Cecy^ pris d^Ariosto, est pour r edier sur le luth 
ou guiterre avec le chant qu'on appelle Bomanesque.» 

^) Arioste et la Pleiade, BidL ital. I, 295 ff. 

«) Gesch., S. 53. 



— 79 — 

Ebenso erwähnen Birch-Hirschfeld ^) und Bourciez ^) den 
Lyriker Mellin nur allgemein als Nachahmer der Italiener 
und der alten Klassiker. 

Es scheint auch in der Tat, daß, außer den eben ge- 
nannten Stellen, sich keine nachweisbaren Entlehnungen oder 
Anklänge an das italienische Epos bei Mellin de Saint-Gelais 
finden; wenigstens führte uns unsere Untersuchung über den 
lyrischen Teil Saint-Gelais' zu diesem Schlüsse; der Epiker 
Saint-Gelais dagegen ist, wie wir später sehen werden, ein 
eifriger Nachahmer Ariost's. 

Weit bedeutender jedoch ist die Einwirkung Ariost's auf 
Joachim Du Bellay, neben Ronsard das fähigste Mitglied 
der Plejade. 

Pflänzel, welcher eine eingehende Studie über dessen 
Sonettensammlung Olive (1549) veröffentlicht hat, findet in 
derselben folgende Einflüsse:. Petrarca, die blasoneurs, 
Ariost, die neuplatonische Lehre, einen gewissen christiani- 
sierenden Zug,*) 

Von Ariost erwähnt er nur eine Nachahmung ; allgemein 
sagt er, daß Du Bellay ihn besonders in der Schilderung der 
sinnlichen Reize nachgeahmt habe. Pflänzel kennt augen- 
scheinlich den italienischen Dichter viel zu wenig, sonst hätte 
er finden müssen, daß Sonette 7, 8, 10, 11, 18, 30, 35 in der 
Olive den Sonetten 23, 7, 17, 12, 8, 10, 2 bei Ariost ent- 
sprechen, d. h. mehr oder minder frei übersetzt sind. Aber nicht 
genug : die schönsten Reden, welche Ariost den Helden seines 
Epos in den Mund legt, verwendet Du Bellay für seine Sonette, 
oder vielmehr, er gießt sie in die Sonettenform, die er in 
Italien kennen gelernt hatte. Jene berühmten Klagen, welche 
Bradamante um ihren geKebten Roger anstimmt*), teilt Du 



^) Gesch. der frz, Lit des 16, Jhr.^ S, 161. 

*) Les mcewrs polies, S. 282, wo besonders der ital. Einfl. auf die 
Sprache des Dichters hervorgehoben wird. 

') über die Sonette des J. Du Bellay S. 28 ff, — An Ariost 
(C, IX, 67) erinnert Sonett 14: die Reize Olivens sind ähnlich geschildert 
tvie die Schönheit der Ariosf sehen Olimpia. 

*) Orl. für. C, XXXII, st. 18—26, C. XLIV, st. 41—48 u. 61—65; 
C. XLV, st. 26—40. 



— 80 — 

Bellay für seine Zwecke in drei Teile ein, d. h. er bildet 
daraus drei Sonette. Eoland's Klagen bei der Nachricht; 
daß Angelika mit Medor Liebesschwüre getauscht, werden 
bei Du Bellay in zwei Sonetten wiedergegeben^); ein Sonett 
behandelt Sacripant's Klage über die Untreue Angelika's.*) 
Die Schönheiten seiner Geliebten Olive weiß der französische 
Dichter mit keinen anderen Worten besser zu preisen, als mit 
denen, welche Ariost gebraucht, um Alcinens Beize zu schildern, 
mit denen sie Euggiero zu betören sucht. ^) Wir können hier 
auf eine nähere Vergleichung der beiden Dichter nicht ein- 
gehen, doch wollen wir nach Vianey eine Zusammenstellung 
derjenigen Sonette der Olive geben, welche unverkennbar ihren 
Ursprung in Ariost's Rasendem Roland haben*): 

Olive: Son. 25^) = Oii. für.: C. XLIV, 61—62 
S. 39 = „ „ C. XLIV, 63—64 
S. 29 = „ „ C. II, 65—66 

^) Orl für., a XXIII, st 108—109; st. 128—129, 
*) Son. 25; dessen 1. Strophe lautet: 

«Je ne croy point, veu le dueil que ie meine 

Pour Vapre ardeur Wune flamme suhtilCj 

Que mon ml feust en larmes si fertihi 

Si n^eusse au chef Weau vive une fontaine» etc. 
^) Orl. für., C. Vlly 12 ff. Daneben wird auch AriosVs prächtige 
Schilderung von Olimpia^s körperlichen Reizen gerne nachgeahmt; 8, Orl. 
für., C. XI, 67 ff. 

*) Bull. ital. I, 293. 

^) Die ersten vier Verse des Sonetts 25 lauten: 

«Me soit amour ou rüde, ou favorable, 

Oll hault, ou has me pousse la fortune, 

Tout ce qu'au coeur ie sens pour Vamour d'une 

Jusq^ä la mort, et plus, sera durable.» 

Vgl. Orl. f., a XLIV, 61, 2—5: 

«0 siami Amor benigno, o m^usi orgoglio, 
me Fortuna in alto o in basso ruote; 
Immobil son di vera fedes coglio.» 

Oder, um ein anderes Beispiel zu wählen, Sonett 97: 

«Qui a peu voir la matinale rose 

D^une liqueur Celeste emmieUee 

Quand sa rougeur de blanc entremeslee 

Sur le na'if de sa branche repose* etc. 
Vgl. Orl. f., C. J, st. 42, 43. 



-^ 81 rr^ 

Olive: S. 47 = (hl. für.: C. XXXIII, 63—64 

S. 31 = „ „ C. XLV, 37—39 

S. 37 = „ „ C. XXXII, 20—21 

S. 25 = „ „ C. XXni, 125—126 

S. 42 = „ „ C. XXIII, 127 

S. 97 = „ „ C. I, 42—43 

S. 91 = „ „ C. VII, 11—14. 

Ziehen wir außerdem in Betracht, daß der Dichter der 
Olive außer Ariost noch dreißig andere italienische Lyriker 
ausplündert^), dann bleibt nicht mehr viel für Petrarca's 
Nachahmung übrig. Wir müssen daher die Meinung einer 
Anzahl von Forschern, welche in der Olive ausschließlich eine 
Nachahmung Petrarca's sehen, entschieden als irrtümlich zu- 
rückweisen. 

Während nämlich Sainte-Beuve von einem italienischen 
Einfluß bei Du Bellay überhaupt nichts zu wissen scheint*), 
erwähnen St. Marc-Girardin^), Lanson*), Pellissier*), 
ja selbst noch Morf *) und Birch-Hirschfeld ') nur Petrarka als 
Vorbild für die Olive, Auch in den Äntiqiätez de Ronie und 
in den Regrets, die gewöhnlich als Ausfluß persönlichster Ge- 
fühle betrachtet werden, finden sich Anklänge an Ariost, 
und zwar an dessen Satiren, wie Vianey nachgewiesen hat; 
Alcina und Buggier o werden in den Eegrets in den So- 
netten LXXXVII — XC genannt ®) ; in dem berühmten Sonett 



^) Vianey, Les sourcea ital. de V Olive (Annales internationales 
d'Hist Congres de Baris, 1900. F. 1901. S. 73ff.) 

2) Le 16 e siecle, S. 70-80. 

») Tabkau, S. 70. 

*) Eist., S, 281 ff. 

*) Bonsard et la Pleiade (Hist., p, p. Jullev. Bd. HI, 192): «Tous 
{ses S07inets) sHnspirent, fond et forme, du chantre de Laure.» 

**) Gesch., S. 163. „Olive, eine Sonettdichtung nach dem Muster 
Betrarkas." 

') Suchier u. B.-Hirschf'., Gesch., S. 347: Die Sonette in der 
Olive sind freie Übertragungen aus Betrarcä's «Canzoniere» und Nach- 
ahmungen des Meisters. 

*) Vgl, die letzten drei Verse von Sonett LXXXVII: 
^Bref, ie ne suis plus rien qu^un vieil tronc anime, 

Münchener Beiträge z. romanischen u. engl. Philologie. XXXIV. ^ 



— 82 — 

CXXIX, wo er das Ende seiner Verbannung begrüßt, bedient 
er sich jener zwei Stanzen, in denen Ariost das Ende seines 
Epos ankündigt; wir wollen beide Stellen zum Vergleiche 
anführen : 

Du Bellay: 

«Je voy (Dillie^'s) je voy serener la tempeste, 
Je voy le vieil Pt'oie son troppeau renfermery 
Je voy le verd Triton s'egäier sur la meVj 
Et voy VÄstre jumeau flamhoier sur ma teste: 

Ja le vent favorable d mon retour s'appreste, 
Ja vers le front du port je commence ä ramer, 
Et voy ja tant d'amis, que tie les puis nonuner, 
Tendant les bras vers moy, sur le hord faire feste: 

Je voy mon grand Eonsard, je le cognois d^id, 
Je voy mon eher Morel, et mon Dorat au^si, 
Je voy mon Delahaie, et mon Pa^chal encore: 

Et voy un peu phis hin (si je ne suis deceu) 
Mon divin Mauleon, duqu^l sans Tavoir veu, 
La grace, le sgavoir^ et la vertu j'adore, 

Ariost, Orl. für., C. XL VI, st. 2 u. 3: 

<cSento venir per allegrexza un tuono, 
Che fremer Varia e riynhomhar fa Tonde. 
Odo di squille, odo di tromhe un suono, 
Che Valto populär grido confonde, 
Or comincio a discer^iere chi sono 
Questij ch^empion del porto ambe le sponde, 
Par che tutti s'allegrino, ch\o sia 
Venuto a fin di cosl lunga via. 



Qui se plaint de se voir ä ce hord transforme^ 
Comme le myrte Anglois au riuage WAlcine,» 

Ebenso Son. LXXXVIIT, Vers 4-8: 

«Qwi ni'estremdra le doigt de Vanneau de Melisse, 
Four me desencJianter comme U7i autre Roger?» etc. 

Ferner Son, XC Vers S, m?o die alten Zauberinnen u. die bösen 
Sieben „Alcines^^ genannt iverden. 



— 83 — 

Oh de che belle, e sagge donne veggio, 
Oh de die Cavalieri il lito adomo! 
Oh de cKamiei, a chl in eterno deggio, 
Per la letiziaj ch^han del mio retomo! 
Mammaj e Oinem^a, e Valtre da Coreggio 
Veggo del moh in siilV estremo como. 
Veronica da Gamhera e con loro, 
Si grata a Feho, e al santo Äonio coro,* 

Wir sehen hier, wie Du Bellay nahezu Vers für Vers 
seinem Vorhilde folgt, wir bemerken zugleich den häufigen 
Gebrauch mythologischer Anspielung bei dem französischen 
Dichter, den wir als eine charakteristische Eigentümlichkeit 
der Pleiade ansehen können.^) 

In den Antiquitex de Bome^ deren Quellen neben einigen 
lateinischen Dichtern besonders Castiglione, Guidiccioni und 
Ariost sind, kommt für unsere Untersuchung namentlich Sonett 
14 in Betracht, das eine Nachbildung von Orl. fur, C. XXXVII, 
80 und 110 ist. 2) 

Da Du Bellay bereits die schönsten lyrischen Stellen aus 
dem „Basenden Roland" in seine Sonette herübergenommen 
hatte, konnten die nachfolgenden Dichter nicht mehr viel 
Neues in ihm entdecken; doch gehen auch sie noch oft auf 



*) Morf, Gesch., S, 163, bezeichnet als Vorbilder Du Bellay^ s in 
diesen beiden Sammlungen Navagero, Sannazar und Castiglione, dagegen 
nicht Ariost. Suchier-Birch-H., Gesch. 352, scheint sie für unab- 
hängig von ital. Einfluß zu halten. — Von der Art, loie Du Bellay den 
ferraresischen Dichter im den Regrets nachahmt, sagt Vianey in dem 
Bulletin italien (t. IV, fasc. 1, S. 47) : «II ne copie jamais VArioste, sans 
deute; mais il a sa malice, et son äjprete, sa ligne precise et son coloris 
discret, son art d'enfermer un gravid sujet dans un petit cadre.>> 

') «Comme an passe en este le torrent sans danger, 
Qui souloit en hyver estre roy de la plaine. 
Et ravir par les champs dhme fuite hautaine 
L'espoir du laboureur, et Vespoir du berger» etc. 

Vgl. Orl. f., C. 37, st. 110: 

<<Come torrente che superbo faccia 

Lunga pioggia talvolta o nievi sciolte», etc. 

6* 



-^ «4 — 

diese Quelle zurück, so Eonsard im I. Teile der Amours de 
Cassa7idre, Sonette 183^) und 192.«) 

Wo Ronsard die Beize seiner Kassandra schildert, schwebt 
ihm Ariost's Beschreibung von Alcina und Olympia vor. 
Manchmal ist es unmöglich, festzustellen, ob Bonsard Du 
Bellay oder Ariost unmittelbar nachgeahmt hat, so beim Liede 
welches beginnt mit den Worten: 

^Las! je n^eusse Jamals pensey^y 

welches sich bereits bei Du Bellay ganz ähnlich vorfindet 
(Sonett 35), und welches auf Orl. für. C. XLIV, 61—62 zu- 
rückgeht.*) 

Baif, der in seinen epischen Versuchen einer der glück- 
lichsten Ariostnachahmer ist, greift auch in seinen lyrischen 
Gedichten auf den Orl, für. zurück. Gerade so wie Bonsard 
seine Cassandre, so besingt Baif seine Maine und später 
seine Frandne^ indem er sie mit der Schönheit einer Alcina 
und Olympia ausstattet. Das Gedicht Dieu garde le hois^) 
enthält z. B. eine besonders lange Beschreibung Möline's, 
die der Hauptsache nach Ariost's „Basendem Boland" ent- 
lehnt ist; wenn er sagt, seine Geliebte habe eine Nase, «ow 



^) o^Son chef est d'or, son front est un tableau 
Qu je voy peint le gain de mon dommage; 
Belle est sa main^ qui me fait devant dge 
Changer de teint, de cheveux et de peau» etc. 

Vgl. O. für., C. YII, 12. 

^) «Qiiand le grand cell dans les Jumeaux arrive, 

TJn jour plus doux serena Vunivers, 

D^espies crestez ondoyent les champs vers, 

Et de couleiirs se peinture la rive» etc. 
Vgl. 0. für., C. XVI, 68. 

^) Das Lied ist nach jenem Briefe, den Bradamante an Roger 
sendet^ gedichtet. Die erste Strophe lautet: 
«Las je n'eusse jamais pense, 
Dame qui causes ma langueur, 
De voir ainsi recompense 
Mon Service d'une rigueurj 
Et qii'en Heu de me secourir 

Ta o^uaute m'eust fait mourir.» {(Euvr. de Bons.,' S. 81.) 
*) (Euvres de Baif {p. p. Marty-Lav.) t. /, S. 63. 



— 85 — 

Penvie ne trouve rien d reprendre^, so entlehnt er diesen Vorzug* 
der Alcina des Ariost: 

€Quindi il naso per mexxo il viso scende, 
Che non trova Vinridm ove remende^ ^). 

Von den Hüften Meline's rühmt er, sie seien faits au iouvj 
wobei er sicherlich an Olympia denkt, von deren fianchi . . . e 
coscie Ariost sagt: <iPareano faiii Da Fidia a tm-no.'^) 

In den Diverses Ämours übersetzt er jene schlüpfrige 
Elegie 6, wo Ariost der Nacht dankt, daß sie seiner Liebe 
günstig gewesen, und Elegie 7, wo die Nacht vom Dichter 
verwünscht wird, weil sie zu hell geblieben sei.*) 

Die erstere der beiden Elegien Ariost's findet sich auch 
bei Bemy Belleau^), der ebenfalls als ein Nachahmer des 
Italieners zu bezeichnen ist, wenn er auch in erster Linie 
sich von den bernesken Dichtem beeinflussen läßt. In der 
premiere joumee de la Bergerie zitiert Vianey eine Stelle, 
wdche die bereits erwähnten Klagen Bradamante's para- 
phrasiert ^) ; allerdings könnte auch Du ßellay's Olive (Son. 27) 
ihm als Quelle gedient haben, die aber selber wieder auf 
Ariost zurückgeht. 

Zu den Jüngern der Pleiade, und zu den ersten französi- 
schen Sonettisten dieser Schule gehört Olivier deMagny, 
dessen Muster und Vorbild in Sannazar zu suchen ist.®) In 
seinen Soupirs machen sich auch Spuren Ariost'scher Lyrik 
bemerkbar. Die Sonette 36 und 91 ') sind freie Übersetzungen 
der Sonette 10 und 12 Ariost's. Sonett 17, welches das Lob 



1) Orl fiir. a VII 12. 

2) Ibd. C. XI, 69, 

') Ed. Marty-Laveaux 7, 380. 

*) Ed. Marty-Lav. I, ISO. 

*) Bull. ital. 1901, 1, 274. Die Stelle findet sieh in R. Belleau's (Envres, 
(p. p. Mart'Lav, 7, 256); sie entspricht Orl. für. XXXII, 21. 

*) Favre geht in seinem Olimer de Magny auf eine Quellen- 
Untersuchung nicht ein. 

') Siehe Vianey, L^Arioste et la Pleiade. Bullet, ital. 1901, t. I, 
295 ff, — Eine ausführliche Beschreiburig von Magny 's Aufenthalt in 
Italien findet sich in der Vorrede von Courbet's Ausgabe der Oden 
V. Ol. d. Magny, S. XXIV ff. 



— 86 — 

der Treue singt, ist dem Anfang des XXI. Gesanges (St. 1 
u. 2) im „Roland" entlehnt.^) 

Der galante Abbe und Hofdichter Ph. Desportes, be- 
kannt als Verfasser eines Boland furieux, eines Mort de Bodo- 
mont etc., hat sich den Ruf eines großen Plagiators erworben, 
unter den ausnahmslos italienischen Nachahmungen befindet 
sich sein oft zitiertes Gedicht Contre une nuict trop claire ^), das 
eine Übersetzung der bereits mehrfach behandelten siebenten 
Elegie Ariost's ist. 

Als einer der letzten Vertreter der Ronsard'schen Schule 
ist der Satiriker J. Vauquelin de la Fresnaye zu be- 
zeichnen, der erst in neuester Zeit eine gebührende Wür- 
digung erfahren hat. Ste.-Beuve erwähnt ihn nur vorüber- 
gehend.^) St. Marc-Girardin nnd Nisard übergehen ihn mit 
Stillschweigen, während Darmesteter und Hatzfeld ihn nur als 
Nachahmer von Horaz kennen.*) 

Erst Lemercier unterzieht seine Satiren einer eingehenden 
Quellenuntersuchung, die ein sehr überraschendes Resultat 
ergibt.*^) Seine Satiren sind nämlich zum großen Teile nur 
Übertragungen aus Sansovino's Sammlung Seite libri di Satire 
(1560), in welcher Vauquelin auch Ariost's Satiren fand; in 
der Vorrede sagt er allerdings: tPArioste qne fay pareUlement 



^) Ne fune intorto crederö che stringa 

Soma cosl, ne cosi legno chiodo, 
Come la fe ch'una bella alma cinga 
Del suo tenace indissolubil nodo. 
Nk dagli aniiqui par che si dipinga 
La Santa Fe vestita in altro modo, 
Che d^un vel bianco che la cuopra iutta; 
Ch'un 8ol punto, un sol neo la pud far brutta. 
*) S. Flamini, Studi, S. 431 — 4dl. Neben Desportes erwähnt er 
Gilles Durand, der denselben Gegenstand nachahmte. Im 2. Buche 
der «Diane» (Son. 63) schildert er die Reize seiner Geliebten nach Ariosfs 
Beschr. v. Olympia u. Älcina (p. p. MichielSy S. 108). 
®) La poesie fr. du 16 ^ siecle, S. .112. 

*) Le 16« siede, S. 143. Auch Lanson, Hist.j S. 340, erwähnt 
nichts von einem ital. Einfl. auf den Satiriker. Suchier u. Birch-Hirschf. 
erwähnen ihn zwar im Index^ wo auf Seite 357 verwiesen tvird, doch 
ist er dort nicht genannt. 

*) J^tudes sur Vauquelin etc., S. 189 ff. 



— 87 — 

suivi en quelques uties de nies Satires» ; doch geht daraus nicht 
hervor, daß er, wie es tatsächlich der Fall ist, fünf von den 
sieben Satiren des Ariost ganz oder teilweise übersetzt hat: 

1) Sat. II, 2, an d'Auberville gerichtet = Ariost: Sat. 3. 
Teilweise ist sie fast wörtlich übersetzt. 

2) Sat. m, 2, an J. de Morel = Ar., Sat. 4, an Sig. Malag. 

3) Sat. II, 8, an M. Le Blanc = Ar., Sat. 5 (über die 
Frauen u. d. Ehe), an Ant. Malag. 

4) Sat. n, 3, an M. de Perron = Anfang v. Ar., Sat. 6 
(gegen die Humanisten), an P. Bembo. 

5) Sat. I, 3, an M. de Piron = Ar., Sat. 7. Vauquelin 
(Satire I, 3) furchtet sich nach Paris zu gehen und gibt dafür 
nahezu dieselben Gründe an, wie Ariost für seine Weigerung, 
sich nach Born zu begeben.^) 

Die Forestefies, eine Jugendarbeit nach dem Muster der 
Arcadia Sannaxaro's, weist eine Stelle auf, die unverkennbar 
den Stempel der farbenglühenden Sprache Ariost's trägt ^) ; es 
ist dies die Idylle, welche A sa Ninfe betitelt ist.^ Die Be- 
schreibung der Schönheit dieser Nymphe ist eine Nachbildung 
der schon mehrmals erwähnten Schilderung Alcina's und 
Olympia's.*) 

Endlich spendet Vauquelin in dem Art poeiique dem 
Dichter des „Rasenden Roland" ein hohes Lob: 

Plus hardiment a pris les gestes hasardeux 

De nos vieux paladins connus par tout le monde, 

Et des yreux Chevaliers de nostre Table Bonde.^) 

Auch der bedeutendste Satiriker dieser Zeit, Math. 
B6gnier, schöpft ebenso gerne aus den Italienern wie aus 
Horaz. Lanson bezeichnet Bemi, Caporali und Aretino als 



^) Flamini, Studi Sil— 316 erwähnt einen getoissen in Paris 
lebenden Simeonij welcher die Satiren Ariost's nachahmte; doch sind 
nur einige seiner Schriften bis jetzt gedruckt worden, — Nach Le- 
mercier's TJrteü [l. c, S. 267) gelang es Vauquelin nicht, den feinen 
Spott des Italieners zu erreichen. 

«) 3Iorf, Gesch., S. 176. 

3) IL Teil, 2. Son, 

*) Orl. für., C. VII, 12 f u. C. XI, 76 f 

») Kap. II, Vers 902—904. 



— 88 -^ 

söine italienischen Vorbilder^); Birch-Hirschfeld ftthrt eben- 
falls nut Berni und Aretino an ') ; Petit de JuUeville dagegen 
erwähnt außerdem noch Mauro.*) Keiner von ihnen scheint 
von den zwei Stellen in Rfegnier's Satiren zu wissen, die 
aus Ariost übersetzt sind; sie zeigen, daß der französische 
Dichter die Satiren Ariost's zum mindesten kannte. Die 
beiden fraglichen Stellen sind: 

1) Regnier, Sat. III, 173—180 = Ariost, Sat. I, 154 
— 165 (an Galasso Ariosto). 

2) ßegnier, Sat. II, 40—42 = Ariosto Sat. II, 88—90 
(an Aless. Ariosto u. an S. ßagno). Als Beispiel geben wir 
diese letztere Entlehnung ßögnier's: 

Il6gDier, Sat. II, 40—42: 

« C*est que la pauvrete coynme moy les affoh, 
Et que grace ä Dien, Phosbus et son troupeau, 
Nous n^eitsmes sur le dos iamais un hon manteau,'^ 

Ariost, Sat. II, 88—90: 

^ApoüOy tua merce, tua merccy santo 

Cüllegio della Muse, io non possiedo 

Tanto per voi, cKio possa fartni im mayito,^ 

Mit dem Erbleichen des Pleiadengestirnes endete auch 
die kurze Blütezeit der französischen Renaissancelyrik. Ver- 
gebens suchte Malherbe ihr neues Leben einzuhauchen, ver- 
gebens wies er auf Rom und Griechenland hin; es waren 
falsche Wege, die er seinen Landsleuten zeigte. So sehen 
wir auch, wie Ariost nicht weiter mehr mit dem Zauber seiner 
Sprache, mit der Farbenpracht seiner Bilder und der Innig- 
keit seiner Gefühle den Geist der jugendlichen Lyriker Frank- 
reichs fesselt und ihnen nicht mehr die zahlreichen Liebes-* 
Sonette einflößt, durch die ihre Namen unsterblich wurden. 

III. Ariost im französischen Epos. 

Wir behandeln in diesem Abschnitte zugleich auch das 
Epos in ungebundener Sprache, der Erzählung, und beginnen 



^J Hist, S. 341. 

*) Such. u. Birch-H., Gesch., S. 378. 

3) Eist. IV, 32. 



— 89 -- 

Tikit Aettt originellsteD Erzähler des 16. Jahrhunderts, ntit 
Rabelais, welcher, wie wir bereits gehört haben, eine um- 
fassende Kenntnis der italienischen Literatur besaß, und der 
auch Ariost's Orl, für, gelesen und in seinen Oarganttm und 
Pdntagruel mehrmals verwertet hatte. Vor allem ist es die 
berühmte Sturmscene (Pantagruel, livre IV, chap. XVIII ff.) ^), 
zu Aet eine Episode im Orl, für. Anlaß gegeben hat (Orl. 
für. C. XI, st. 37, 38). Ferner, wie Ariost, so verwünscht auch 
Rabelais die Erfindung des Pulvers.^) Panurge's Gestalt er- 
it^nert an den Brunei des III. Gesanges im „Rasenden 
Roland". Für seine Reise in den Mond ist das Vorbild iö 
Astolf s Mondreise zu suchen. Endlich geht die Beschreibung 
der Abtei Theleme auf die unvergleichliche Schilderung der 
l^auberinsel Alcinen's zurück. Auch Rabelais' Ansichten über 
die Ehe enthalten Andeutungen an die Satiren Ariost's. 

Bald nach der ersten Übersetzung des Oi-l. für. ins Fran- 
zösische, versuchte Berenger de laTour eine der schönsten 
Episoden daraus frei nachzuahmen (24. Gesang: Isabelle und 
Zerbin), die 1558 unter dem Titel VAmie des Amies erschien.*) 
Goujet, von dem wir allein ein urteil über diese Nachahmung 
haben, stellt sie über Desportes' Rolmul furieux.^) 

Das Jahr 1572 ist für die französische Epik bedeutungs- 
voll, weil damals Ronsard's Franeiade erschien. Von den meisten 
Forschem wird Vergil oder Ovid als Hauptquelle und Vorbild 
des französischen Epikers angegeben. Mit Unrecht; denn Ronsard 
ahmt mit Vorliebe einen obskuren alexandrinischen Dichter, 
Apollonius, der eine Argonautica verfaßte, nach und 
übersetzt ihn, weil dieser in der Beschreibung ganz besonders 
glänzende Partien aufzuweisen hatte.*) Seine Bewunderung für 



^) Kap. 18 : Comment Pantagruel evada une forte tempeste en mer. 

-) Pantagruel, Livre IV. eh. LXII: «Comment Gaster inventoyt 
art et moyen de non estre bless^. ni touche par coupz de canon.* 

^) Vollst. Titel: Vamie des amies, imitation de VArioste, divisee en 
dlivres par Berenger de la Tour., Lyon. 1558, 8^. — Vgl. La Croix, 
Bihl I, 77. 

*) Bihl. fr. VIT, 359: «Les vers ont un tour plus aise et plus 
naturel que cewc de . . . Ph. Desportes.» — Das Gedicht ist in Zehn- 
nlbern abgefaßt» 

*) Vianey, LArioste et la PUiade, Bull. ital. I, 305. 



— 90 — 

den spätgriecbischen Dichter war jedoch nicht so einseitig^ 
daß er nicht auch nach anderen Quellen sich umgesehen 
hätte. Die wichtigste dieser sekundären Quellen ist der 
OrL fur,j den er bereits in drei kleineren, vor der Fran- 
«iade erschienenen, epischen Erzählungen stofflich benützt 
hatte, nämlich 

1) In V Hymne de la Lais et de ZetheSj wo die Senapes^ 
Episode zweifellos einen Einfluß der Harpyenerzählung im 
Orl für. (C. XXXin, 102 ff.) aufweist, i) 

2) Im Poeme d^Orphee^), in welchem die Geschichte von 
Pleurdöpine und Richarde (Piordiligi und Ricciardetto) teil- 
weise nachgeahmt ist*); teilweise übersetzt ist sie in der Er- 
zählung von Iphis. 

3) Im Hymne de Pollux et de CastoVy insofern der Zwei- 
kampf zwischen Pollux und Amycus an verschiedene Episoden 
im Orl, für, erinnern, in denen Ariost mit einer etwas er- 
müdenden Monotonie Zweikämpfe seiner Helden schildert.*) 



^) (Eunres de Ronsard {p. p. Blanchem.) F, 19—42. Vgl. z. B. das 
Erscheinen der Harpyen an der Tafel des Senapes bei beiden Dichtem: 
Rons., ibd., S. 40 u. Orl. für. C. XXXIIl, st. 119 ii. 120. 
*) (Euvr. de Ronsard {p. p, Blanchem.) III, 425. 
») Orl. für., C. XXV, st. S5/f. Vgl. Rons, ibd., 429: 

«Tu exerces, amour, siir mon coeur ta malice: 

On ne voit qu^une vache aime une antre genisse, 

La jument, la jument, la brebis^ la brebis; 

La biche n'aime point Vautre Hohe; et je s^iis 

Seilte pucelle au monde aimant une piicelle, 

Forgant la majeste de la loi naturelle.» 

Vgl. Orl. f., C. XXV, st 35: 

«Se pur volevi, Amor, darmi tormento, 
Che fincrescesse il mio felice stato, 
D^alcun martir dovevi star contento. 
Che fosse ancor negli altri amanti usato. 
Ne tra gli uomini mai ne tra Varmento, 
Che femmina ami femmina ho trovato: 
Non par la donna alV altre donne bella, 
Ne a cervie cervia, ne alV agnelle agnella.» 

*■) (Euvr es de Ronsard (p. p. Blanchem.) V, 2 ff.; vgl. S. 55; femer 
S. 59, wo die Mädchen mit Frühlingsblumen verglichen werden. Vgl, 
die bekannte Stanze im Orl. f., C. I, st. 43. 



— 91 — 

In der Franciade sind es vor allem zwei Schilderungen 
die den unverkennbaren Stempel der deskriptiven Manier des 
italienischen Epikers tragen: die Schilderung eines Turniers^) 
und eines Schiffbruches^); einige Gleichnisse sind sogar 
wörtlich ins Französische herübergenommen worden. 

In demselben Jahre , wo Ronsard den Franzosen das 
erste moderne Epos gab, erschienen zwei weitere Nach- 
ahmungen aus dem OrL für. Die erste besteht in einer 
Sammlung von Gedichten^) verschiedener Autoren, welche 
in bunter Reihenfolge die verschiedensten Episoden des 
„Rasenden Roland" behandeln: 

1) Eoland furieux Ph. Desportes 

2) Bodomont y, 

^) (Euvres de Ronsard (p. p. Blanchem. IIT, 128). 
Vgl.: «Du coup donne le rivage tremhla, 

La mer fremit, le fleuve se troubla; 

En mille esclats les pointes acerees 

Furent toucher les vaüters etherees»^ etc. 
Vgl. damit OrL, für. C. XL V, st. 62, wo der Angriff der Gegner 
im Zweikampf dem Sturme auf der hohen See verglichen wird. 
*) Franciade {III, 94 ff): 

« Tantost pendus ils voisinent les cieux, 

Tantost ils sont aux enfers stygieux.» 

Vgl Ort. für., C. X. st. 106: 

«Si forte ella nel mar hatte la coda, 

Che fa vicino al ciel Vacqua innalzare», etc. 

Vgl. ferner t. III, 96 u. 97, wo das Eindringen de^' Wogen auf 
das Schiff geschildert wird, u. Orl. für. C. XL, st. 29^30 : 
'iAinsi, de mille et mille flots voutez 
Qui r^assailloient la nef de tous costez», etc. 

Ferner : 

*0u les filks, Sans chois, florissent tout ainsi 
En gräces et beautez es maisons de leur mere, 
Qiie les fleurs des jardins en la saison premiere.y 

Orl. für., l. c: 

*Come nel mar che per tempesta freme, 
Assaglion Vacque il temerario legno, 
CNor della prora, or dalle parti estreme 
Cercano entrar con rabbia e con isdegno», etc. 

*) Titel: Imitations de quelques chans de VArioste, par divers poetes 
frangois, nommez en la quatrieme page suyvante. P. XDLXXII. 8^.» 



— 92 — 

3) Dmjix cotnplaintes de Bradamant Ph. Desportes 

4) Le Premier livre d'Angeliqtie „ 

5) Oenevre le commencent Saingelais 

6) La Suyte J. Ä, de Bdif 

7) Fleurdepine „ 

8) Benaud Loys d^ Orleans 

Von Desportes' Nachahmungen sagt Goujet, daß sie 
dfessen erste poetische Versuche gewesen seien: «// Us croyoit 
peu dignes de voir le jour»,^) Den ersten Teil, Boland 
fiirieuxy welcher im Vergleich zum Original sehr abgekürzt 
ist, schrieb der Dichter zu seiner Unterhaltung ^) ; vom zweiten 
Teile, der Geschichte des Rodomont 2), behandelt die Einleitung 
ßodomont's Kampf mit Roger und seinen Tod von der Hand 
des letzteren, wie Ariost ihn im 46. Gesänge darstellt.^) Der 
weitere Teil dieser Episode jedoch und «Le premier livre 
d'Angelique» sind nicht, wie Goujet meint, «c?e Vinvention du 
Poete fran^oisi^), sondern freie Nachahmungen von Aretino's 
Marfisa und Le lagrifne di Angelica,^) Die beiden Klagen Bra- 
damante's behandeln endlich j«nen Schmerzensausbruch des 
ritterlichen Mädchens, der mit der bekannten Strophe beginnt : 

^Misera! a cid mai piü creder debh* io? 

Fo' dir eKognuno e perfido e crudele, 

Se perfido e crudel sei, Euggier mio, 

Che si pietoso tenni, e si fedele. 

^) Bibl fr. VII, 352. F a g u e t , Desportes {R. d. c. et c, 1894, mars, 
S, 417) nennt sie *adaptati(ms» aus seinen Jugendjahren und nach seiner 
Rückkehr aus Italien; ihr literarischer Wert ist, nach Faguei, sehr mittel- 
niä/äg. Doch erhielt er nach Goujet {Bibl, fr. Bd. XIV, 68) für seinen 
„Roland'' 800 Taler. 

^) Der vollst. Titel lautet: •La mort de Rodomont et sa descente 
aux enfers.» Vgl. Orl. für. C. XLVI, st. 101 ff. 

^) Such. u. ßirch-fl. , Gesch., S. 865, geben den ungenauen Titel 
•Angelique et Medor» an. 

*) Bibl. fr. Bd. VII, 352. 

') Vgl. Darmest. et Hatzf., Le 16* s., S. 137; Morillot, 
in: Hist, p.p. Julleville III, 250 ff. erwähnt nichts von einer Nachahmung 
Ariosfs; Lanson, Bist, S. 290; Morf {Gesch., S. 177) wwdßirch- 
Hirschf. {Such. u. B.-H., Gesch., S. 365) bezeichnen Ariost nur im 
allgem. als Vorbild. — über Aretin^s Marfisa, Le Lagrime di Angelica 
6tc., 8. Gasparg, Gesch. der it. Lit. Bd. II, 522. 



— 98 — 

Qiial crudeltäj quäl tradimento rio 
UhqiMi' s^udi per tragiche querele, 
Che non trovi minw, se penaar mal 
AI mio merio, e al tuo debito vorrai?^ ^) 

und der sich im 33. Gesänge ^) nach ihrer seltsamen Vision 
YQn den Ruhmestaten ihrer französischen Landsleute in Italien 
erneuert. 

Wichtiger als Desportes' Versuche sind Saint-Gelais' 
und Baif's Behandlungen der Ginevra-Episode, St-Gelais' An- 
teil beginnt bei Stanze 2 des 4. Gesanges und geht nicht 
über die neunte Stanze des fünften Gesanges hinaus, während 
Baif den Rest der Episode nicht ganz bis zur Mitte des 6. Ge- 
säuges (Stanze 18) paraphrasiert. 

Nach Wagner ist Mellin de St-Gelais dem Originale 
großenteils treu gefolgt, hat aber die ottava rima durch den 
.paarweis gereimten Zehnsilbner ersetzt.^) Die Abweichungen, 
die ab und zu vorkommen, sind im ganzen unglücklich zu 
nenneU; indem er öfter das Original abschwächt oder unnötig 
ausmalt. Wenn aber Wagner daraus dem französischen 
Dichter einen Vorwurf macht, daß er die vier ersten Stanzen 
des fünften Gesanges übergangen hat^), so ist ihm entgegen 
zu halten, daß dieselben überhaupt nicht in den Zusammen- 
hang der epischen Erzählung gehören. 

Mit Bai'f s Anteil an der Genevre und mit seiner Flenrde- 
pine haben sich die Forscher bis jetzt nicht beschäftigt. Weder 
Darmesteter u. Hatzfeld, noch Pellissier, Morf oder Birch- 
jHirschfeld erwähnen diese Nachdichtungen, nicht einmal 
H. Nagel, der doch Baifs Leben und Werke eingehend 
bearbeitet hat, liefert uns mehr als eine Angabe ihrer Titel.*) 
Was endlich den letzten Teil der erwähnten Sammlung be- 
triflFt, so gehört er nicht in den Rahmen dieser Arbeit, da 



^) Orl für. C. XXXII, 37. 
*) Ibd., C. XXXIIL 62. 
3) Mellin de St-Gelais, S. U5ff. 
*) Mellin de St-G., S. 148. 

*) Baif, Werke, in: Herr. Arch. Bd. LX, 241 ff. ti. Bd. LXI, 
53ff., 64ff. 



— 94 — 

Louis d'Orleans' Benaud auf den Rinaldo Tasso's zurückgeht.^) 
Renavd erschien 1672 auch als besondere Schrift.^) 

Aus demselben Jahre stammt eine Nachdichtung der 
Joconde-Episode (Orl, für, C. XXVIII) von dem als Mitverfasser 
äer Satire Menippee bekannten Nicolas Rapin^), über die 
eine Untersuchung noch nicht angestellt worden ist. 

Ein sehr wenig bekanntes episches Gedicht ist Fumee's 
Mirroir de Loyaute (1576), welcher das rührende Geschick Isa- 
beilas und Zerbinos, wie es uns Ariosto im 24. Gesänge darstellt, 
frei nacherzählt *) ; allerdings werden seine Verse als schlecht 
und seine Ausdrucksweise als ungemein roh bezeichnet.^) 

Vielleicht war es dieser Mißerfolg Fumee's, welcher de 
Laval®) veranlaßte, dieselbe Geschichte im nächsten Jahre 
noch einmal zu behandeln. Er wählte die Erzählungsform 
und brachte das Ganze in den Rahmen eines Dialogs zwischen 
Isabella und Zerbino, ohne die Sache jedoch besser zu machen. 

Es scheint um diese Zeit Mode gewesen zu sein, einzelne 
Teile aus dem „Rasenden Roland" nachzudichten. Denn be- 
reits zwei Jahre später haben wir zwei weitere Nachdichtungen 
dieser Art zu verzeichnen, die allerdings literarisch sehr ge- 
ringwertig und längst in Vergessenheit geraten sind. Das 
erste Gedicht sind die Plaintes de Boger pour Bradaniante von 
Hesteau, sieur de Nuysement.') Es ist im Versmaß 



^) Groujet, Bihl. fr. VII, 357; La Croix/, ^89, nennt den •Be- 
tia^id» irrtümlich eine Nachahmung Äriosfs. 

^) Benaud, imite de VArio8te{!). P. (X. Breyer) 1572. S. 8^; 8. ferner 
(roujet, Bihl fr. VII, 358. 

*) Le 28^ chant du Bol. für. par N. R. [Nicolas Bapin\ P. 1572^ 
12^. Bei Goujet, t. XIV, 131 und t. VII, 358 erwähnt. Das Gedicht 
ist im Versmaß des Originals geschrieben. 

*) Miroir de* Loyaute imite du XXIV ^ chant de VArioste p. Grilles 
Fiimee. P. 1575. 8^. — La Croix du Maine {Bibl. I, 289) erwähnt das 
Werk nicht, dagegen Goujet, Bibl. fr. VII, 360. Von neueren Forschern 
wird die Dichtung nicht erwähnt. 

'^) Uoujet, 2. c, VII, 360. 

*) Isabelle, Imitation de VArioste, p. Ant. Martineu de Laval. P. 1576. 
8^; Guidi (A^m. S. 193) schreibt de La Valle. 

") Nur bei Goujet {l. c, t. XIII, 205) haben wir die Dichtung 
erwähnt gefunden. — Hesteau, sietir de N., (Euvres poetiques. P. 1578. 4^, 
Siehe daselbst Buch III. 



~ 95 — 

des Oi'h für, abgefaßt und paraphrasiert Roger's Klagen nach 
dem Kampf mit Bradamante {Orl. für., C. XLV, st. 87 ff.). 
Die zweite Nachahmung ist von Guill. Belliard^), dem 
bereitserwähnten Sekretär der Königin von Navarra, welcher 
die Klagen Bradamante's im 45. Gesang des „Basenden Bo- 
land" behandelt.^) 

Von der OZ«/w/na-Episode, die bei Ariost im elften Ge- 
sang (st. 51 ff.) sich findet, gab Pierre du Brach, sieur de 
la Motte eine Nachahmung (1584).*) Dieselbe Geschichte 
wurde 1598 von Guill. Bernard de Vervese behandelt und 
zwar im zweiten Teile seiner Gedichte unter dem Titel: Les 
Ämours et les Regrets (TOlympe,^) 

1599 erschienen die Ämours de Cloridan et de Marphise 
des Sieur de la Roque, von dem Goujet boshaft sagt: «Le 
ckoix qtCil a fait des endroits d^Arioste et de cenx d^Ovide sont 
une preuve quHl alloii partout eher eher du feu pour augmenter 
Vemhrasement qui le tourmentoit,'»^) 

Für die im folgenden Jahre gedichtete Angeliqus delivree 
gibt Guidi als Verfasser einen gewissen de Bazire an*), 
während Barbier das Gedicht in sein Dictionnaire des Anonyme 
aufnimmt und den Namen Bazire in Klammern setzt.') 

^) Gr. Belliard, Foemes. Livre 1, contenant les delicieuses ämours 
de Marc-Antoine et de Cleopatre: Les triomphes d'Amour de la mort et 
autres imitations d''Ovide, de Fetrarque^ et de VArioste. F. 1578, 4^ 
Angeführt bei Farfaict, Beauchamps und du Verdier, Bibl., J, 22aif. 

«) 0. /•.; C. XLV, St. 28 ff. 

') Du Verdier, Bibl. S. 1219. F. du Brach wird hier «Controlleur 
pour le Roy en sa chancellerie de Bordeaux» genannt. 

*) Goujet, Bibl fr. XIV, 228; Guidi (Ann. 180) kennt diese Aus- 
gabe nicht, dagegen erwähnt er (S. 194) eine solche von 1605 mit dem ver- 
änderten Titel: f<Les Ämours d'Olimpie et de Birene ä Vimitation de 
VArioste par de Vervese. Lyon. 1605. 12^. 

*) G o u j e t , Bibl. fr. XIII, 430 ff. ; da bei Ariost Marfisa u. Cloridano 
in keiner Beziehung zueinander stehen {vgl. C. XVIII, st. 154 ff.), scheint 
das Gedicht eine ziemlich freie Nachahmung z\i sein. 

*) Blanc, /. c, II, 1274, gibt folgenden Titel: Angelique delivree, 
trad. ou imitation par de Bazire, F. 1600. 12^. 

') Dict. des auteurs anon. Bd. VI, 190 : Ang. delivree ä Vimitation 
de VArioste {Far de Bazire) F. 1600, 12^. — Auch der edle La Boetie ver- 
suchte sich an einer Faraphrasierung der Klagen Bradamante's. S. (Euvres 
compl. de la Boetie, p. p. Feugere F. 1846, S. 473 ff. Der Titel derselben 



— ^ ^ 

Das 17. jÄhrhundert ist dem Epos in Frankreich nicht 
günstig ; die Literatur dieser Zeit steht im Zeichen des Dramas. 
Wir werden daher verhältnismäßig wenige Dichter finden, die 
sich im OL für, ihre Stofife holen, und wir müssen nahezu 
die erste Hälfte des Jahrhunderts übergehen, bis wir auf eine 
Ariost'sche Nachahmung stoßen. 

Nach Goujet veröffentlichte Guill. du Peyrat 1645 die 
Eegrets de Bradamante et de Boger tires de PArioste, wo, wie 
jener sagt, der Geist ebensowenig auf seine Rechnung kommt, 
wie das Herz.^) Elf Jahre später eröffnet Chapelain's 
Bucelle (1656) die Reihe jener heroischen Epen, die irgend einen 
Helden aus ferner Zeit und seine Taten in stolzen und prunk- 
vollen Alexandrinern besingen, und besonders reich an Be- 
schreibungen und Vergleichen sind. 

Scudery's Älaric, Desmaret's Clovis und Le Moine's 
St. Loms begeistern sich alle, wie Arnaud behauptet, an Ariost 
und Tasso^); allerdings bleibt er uns den Beweis für diese Be- 
hauptung schuldig.^) Schönherr, der auf einige ähnliche 
heroische Epen zu sprechen kommt, erwähnt unter den 
italienischen Quellen derselben das Epos des Ariost überhaupt 
nicht. ^) 

In Boileau's heroisch-komischem Epos Le Lutrin geht, 



lautet : A Marguerite de Carle sur la traduction des plaintes de Brada- 
mante au 32 *: chant de Loys Arioste. Weder bei Guidij noch bei Blanc, 
noch in irgend einer der in dieser Arbeit genannten Kompilationen ist 
diese Schrift aufgeführt worden. 

^) Bibl. XVy 42. — Die von Goujet erwähnte Ausgabe ist jedoch 
nicht die erste j da diese bereits 1593 zu Tours erschien; vgl. Pasquier, 
Becherches de la France VU, 7. 

*) Essays, S. 442. 

') Ztvar versucht er einige Entlehnungen anzuführen, doch besteht 
kein zwingender Grund, die betr. Steüen auf den Orl. für. zurückzuführen, 
da Vergil u. Tasso ganz ähnliche Begebenheiten, wie Reisen, Schlachten, 
Stürme, SchiffhrücJie, Heldentaten von Amazonen erzählen. So behauptet 
Arnould ferner, ohne es zu beweisen, der Held des Le Moyne'schen Epos, 
St. Louis, habe nach dem Muster der Ariosf sehen Helden eine Anzahl 
von Abenteuern zu bestehen; Oiapelain dagegen habe seine tBucelle* nach 
Ai-iosVs Bradamante gezeichnet, mit dem Bewußtsein, die Heldin des itaU 
Dichters in den Schatten gestellt zu haben. 

*) St.'Amant, in: ZfSp. XI, 113 ff. Vgl 147, 163, 158. 



— 97 — 

wie Tröverret glaubt^), die Idee und Schilderung der Discordia^) 
auf ebendieselbe allegorische Gestalt im ^Käsenden Roland^ *) 
zurück, wo sie ebenfalls in einem Kloster ihre unheilvolle 
Tätigkeit ausübt. Ein eifriger Verehrer und Leser des OrL 
für, war Lafontaine ; von seinen Contes et Nouvelles suchen die 
schönsten ihr Vorbild in diesem Epos. Gleich die erste der- 
selben, die Erzählung der Joconde, ist dem 28. Gesänge des 
OrL entlehnt; von allen Nachdichtungen des OrL für. kann 
sie als die gelungenste betrachtet werden. Bekanntlich gab 
Boileau der französischen Bearbeitung den Vorzug vor der 
italienischen*), während Voltaire Ariost's Joco^ieZe-Episode höher 
stellte.^) Der wesentliche Unterschied liegt nach Regnier 
darin, daß Lafontaine die anstößigsten Stellen wegließ. 
Außerdem ' aber ergibt, nach unserer Meinung, eine sorg- 
fältige Vergleichung der beiden Bearbeitungen, daß Lafontaine 
viel ärmer an Bildern, daher auch weniger anschaulich ist, 
und daß seiner Sprache der Fluß und der Wohllaut der 
Verse Ariost's fehlen. 

Hans CarveTs Ring®), eine Erzählung, die sich be- 
reits in Poggio's „Facezie"' (Nr. 133) und in den Cent Nouvelles 
Nouvelles (Nr. 11) findet, und die Ariost am Schlüsse der 
fünften Satire in Reim gesetzt hat, wird von Lafontaine in 
der zwölften Erzählung des ersten Buches behandelt, wobei 
sein direktes Vorbild allerdings Rabelais war. Auch hier 
behauptet Voltaire Ariost's Überlegenheit '), während Regnier 



^) ntalie au XVI^ siech, II, 147, S. 120. 

^) Le Lutrin, Ch. I, v, 25. 

») C. XIV, 8t. 78—96; 0. XXYII, st. 37—39. 

*) S. hierüber Cotronei, Lafontaine et VArioste {Boss, della lett. 
ital. e Siran., S. 29), dessen Arbeit sich mit der Vergleichung der beiden 
Dichtet und mit der Wertschätzung von Boileau'' s Urteil beschäftigt Cotr, 
gibt im Gegensatz zu Boileau dem Dichter des OrL für, den Vorzug, 

*) (Euvres de Lafontaine, p. p. Regnier I V, 376, wo über diesen lit. 
Streit ausführlich gehandelt wird. 

*) (Euvres de Lafont., p, p. Regnier IV, 376 ff. 

^) Discours aux Welches t, XLI, 561. S. auch Carducci, 
L^Ariosto ed il Voltaire (Fanfulla della Dom., 5. Juni 1S81), wo sämtliche 
Urteile Voltaire^ s über Ariost zusammengestellt sind. Ebenso Donati, 
L^Ariosto ed il Tasso giudicati dal Voltaire, pass. 

Mttnchener Beiträge z. romanischen u. engl. Philologie. XXXIV. 7 



— 98 — 

sie weg^i der höheren Komik, die in der ErzahluDg des fran* 
zösischen Dichters liege, {bestreitet. Die Erzählung vom Zauber- 
becher iirt Ton Lafontaine ^) bedeutend verkürzt worden (UI. Teil, 
4. Erz,) ans dem Od. fw. (C. XLH, st 70 bis C. XLIII 
st. 67) ; oft drückt er in einem einzigen Verse das aus, wofür 
Ariost eine ganze Stanze nötig hat; daß bei einem solchen 
Verfahren die epische Eleinmalerei zu kurz kommt, ist klar. 
Während z. B. Ariost^) sagt: 

<E It piü rieche gemme avea con hi, 
Che mai mandassin gVIndi agli Eritrei», 

läßt der französische Dichter das Bild vollständig fallen und 
gibt nur den trockenen Sinn wieder: proposa de Vargent,^ 

Die 13. Erzählung desselben Teiles: Le petH; chien qui 
secoue de Fargent et des jnerreries^), gleichfalls eine Nachahmung 
aus dem „Rasenden ßoland^, leidet au der nämlichen Bilder- 
armut, und steht deshalb dem Originale ohne Zweifel nach ; 
damit soll jedoch den berühmten Fabeldichter kein Vorwurf 
treffen, dieser fällt vielmehr auf die französische Sprache über- 
haupt, die niemals jene Geschmeidigkeit erreichte, wie sie 
die italienische Schwestersprache schon längst besaß. '^) 

Nahezu gleichzeitig ®J mit der Joco/icfo-Erzählung La- 
fontaine's erschien eine Übersetzung derselben Episode von 



^) (Euvres 7, 88 ff, 

^) Orl für., C. XLIII, st. 35. 

*) Vers 310; vgl. außerdem: 

Lafont. V. 95 = Orl, C. XLIII, st 13. 
„ V. 114, 115 = Orl, a XLIU, st 14. 
„ V. 284 = Orl, C. XLIII, st 34. 

*■) (Euvres V, 242 f. 

') Dieser Mangel der Sprache wa/r es auch, der nach Arnould 
(E9S., S. 446) verhinderte, daß m Frankreich ein wirkliches Kunstlos ge- 
schaffen wurde: «On n'oubliait qWune ehose, &est que oes ouvrages {die 
italienischen Epen) s'etaAent soutentLS par le style admirable de faciliti, 
de mouvement, de gräce, d'eUgance, dans le Roland, moirhs pur, moinn 
flexible, moins pleine de couleur, d'eclat et souvent de force dans l^&rusalemj 
affectiv recherche et faux, moAs du woins ing^n'fjffux et brillant, dans 
VAdone . . , et que le style n^est pas seulement %m resultat du talent in- 
dividv^l, maie la fleur meme du genie et de la langue de V Italic.» 

^) (Euvres de BouiUon, contenant Vhistoire de Joamde, le Mari 



— 98 ^- 

BouiUon. Eine Y^rgleichisiDg der Arbeiten lag nahe^ und bo 
TuiterDahm es Beoleau^ die Vorzüge und die Mängel d^ beiden 
Joconde zu prüfen und ein entscheidendes Urteil abzugeben, 
das zugunsten des ersteren ausfiel. 

Die epische Dichtung des 18. Jahrhunderts wird be- 
sonders ^vertreten durch Yoltaire's Henriade und La FttceUe, 
welche beide Spuren Ariostischen Einflusses tragen. Boutjt, 
wdcher sich in neuester Zeit mit der Frage der Abhängigkeit 
des großen Philosophen von der italienischen Literatur be- 
schäftigt hat, zitiert eine Reihe von Stellen aus seiner 
Korrespondenz, aus denen hervorgeht, daß Voltaire zur Zeit 
der Ab&ssung seiner epischen Gedichte sich mit der Lektüre 
des Orl, für, befaßte.^) Wir wissen auch, daß Voltaire das 
Epos Ariost's mit Unrecht für eine Parodie des Rittertums 
ansah und daß er es deshalb in seinem Essai sur la poesie 
^»ique nicht unter die epischen Dichtungen einreihte, sondern 
inline Anmerkung verwies.^) Trotzdem war der Orl. für. eines 
seiner Lieblingsbücher, von dem er sagte: tSi on lit Homere 
par une espece de devoir, on lit et reUt Ärioste pour son plaisir,»^) 
Er nimmt das Buch mit auf seine Reisen, sein ^stes Wort, 
das er bei seiner Ankunft in Berlin an Collini richtet, ist eine 
Frage betreffend Ariost.*) Alt und fast blind geworden, läßt 
er sich von Waguiere|täglich ein oder zwei Gresänge daraus 
vorlesen**); ja ganze Afcsalze konnte er aus dem Gedächtnisse 
vortragen. Wiederholt äußerte sich Voltaire in den Aus- 
drücken des höchsten Lobes über den italienischen Dichter ^) | 



commode . . . P. 1663. 12^. Bouillon war Sekretär des Herzogs Guston 
von OrUans. 

^) VoltaWe et V Italic, chap. III, S. 79—129. Bouvy sagt von 
Voltaire^ s Verhältnis zu Ariost {8. 79): ^Voltaire a eprouve powr Arioste 
plus que de la Sympathie. II Va aim4 jusqu'ä VappeUr son «dißit* et le ' 
prendre plusieurs fois pour modHe.» An einer anderen Stelle heißt es: 
*Des 1730 le Roland furieux est dejä Vun de ses livres de chevet.» 

«) Bouvy, ibd., S. 101. 

») Ibd., S. 101. 

*) Ihd., S. 103. 

^) Casanova, Memoires III, 197. 

*) SiMe de Louis XIV, chap. 32; Essai sur les mceurs, chap. 28 u. 

7* 



— 100 — 

als Mirabeau's Übersetzung seinen Beifall nicht finden konnte, 
versuchte er selber, einige Stanzen aus der italienischen 
Dichtung allerdings mit der größten Freiheit zu tibersetzen. 
Als er die Henriade schrieb (vor 1723), war er noch besser 
mit Tasso als mit Ariost bekannt; doch glauben wir in der 
Einführung der Discordia in die Henriade ^) eine Entlehnung 
aus Ariost zu sehen ^); einzelne Kampfesschilderungen er- 
innern lebhaft an die Art und Weise, wie der italienische 
Epiker Zweikämpfe und Schlachten zu beschreiben pflegte. 
Zahlreicher sind die Nachahmungen in Voltaire's komischem 
Epos La Pucelle, von dem die ersten fünfzehn Gesänge be- 
reits 1753 erschienen, während das Ganze zwei Jahre später 
gedruckt wurde. Nach seinem eigenen Geständnisse schwebte 
ihm bei der Dichtung besonders der Orl. für. vor.^) Die 
Versuchung der Pucelle durch den Barfüßermönch Grisbour- 
don ^) erinnert an Angelika, wie ihr im Schafe vom lüsternen 
Eremiten Gefahr droht (C. VIII, st. 48 u. 49) ; die Beschreibung 
des Esels, beginnend mit den Worten*): 

< Ce beau grison deux alles possedait 

Sur son echine et souvent s^en servaiU , . ., 

erinnert lebhaft an den Ippogriffo des Orl. für. (C. IV, 
st. 5). In beiden Epen wird eine Reise in den Mond ge- 
schildert*) und im 13. Gesang widmet der französische Dichter 
Astolfs Mondreise einige Verse.') Die Schilderung von 



121; Candide, chap. 25; s. weitere Urteile bei ßouvy, Voltaire, S. 106, 
107 u. 108. 

^) La Henriade L 53 ff. 

3) Orl. für., C. XIV, 78 ff. 

') ßouvy, Volt., S. 117, ICO eine Reihe von Brief stellen Volt, zitiert 
werden, aus denen dies hervorgeht; so schreibt Volt. z. B. an Cideville 
(8. Mai 1734): «Cest plutot dans le goüt de VArioste que dans celui du 
Tasse que fai travaille.» 

*) La Pucelle, eh. V, v. 48 ff. 

6) Ibd., eh. II, V. 245 ff. 

«) Orl. für., C. XXXIV, Iff.; La Pucelle, Chant UI^, v. 46 ff, 

"') La Pucelle, ibd., II, v. 12 ff.: 

«Un autre Jean eut la bonnefortune 
De voyager au pays de la lune 
Ävec Astolphe, et rendit la raison. 



^ 101 — 

DuQois' Beise nach Mailand und seine dortigen Heldentaten 
(Chant VII) haben eine auffällige Ähnlichkeit mit der Olimpior 
Episode (C. XI, st. 55flf.), teilweise auch mit der Ginevror 
Episode (C. V); der im 11. Gesänge der Pucelle erwähnte 
Wunderfelsen von Sainte-Beaume ist eine Nachahmung der 
Wunderquellen im Ariost'schen Epos (C. I, st. 78); das 
Palais de r Imagination (Chant III, V. 1 ff.) mit seinen verzauberten 
Bewohnern ist das getreue Abbild des Zauberschlosses des 
Atlante (C. IV, st. 11 f.). Während des Zweikampfes 
zwischen Trimouille und Arondel ^) fliehen ihre Geliebten, um 
derentwillen sie sich schlagen; auch diese Episode ist dem 
italienischen Dichter abgelauscht (0. 1, st. 17 f.).^) Endlich 
sind die Einleitungen zu den einzelnen Gesangen in beiden 
Epen durchwegs ähnlich, so z. B. spricht die Einleitung zum 
21. Gesang der Pucelle von den Wunden, die der lose Amo^ 
schlägt, im Orl, für, wird derselbe Gegenstand im Eingang 
zum 2. Gesang behandelt. Die ersten zwei Verse des 17. Ge- 
sanges der Pucelle sind nahezu eine wörtliche Übersetzung 
der zwei einleitenden Verse des 8. Gesanges im Ariost'schen 
Epos. Man vergleiche die beiden Stellen: 

La Pucelle: tOh qite ce monde est rempli d'enchanteurs/ 

Je ne dirai rien des enchanieresses,* 
Orl. für, : « Oh qimnte sono incantairidj oh qtcanti 
Incantator tra noi, che non si sanno:» I 

La Harpe stellt den Orl. für. weit über die Pucelle Voltaire's, 
welche ihn weder durch das Interesse des Stoffes noch durch 
die Zeichnung der Charaktere anziehen kann.*) 

Von den Erzählungen in Prosa, die Voltaire geschrieben 
hat, kommt für unsere Untersuchung Zadig ou la Destinee 



Si Von en croit un auteur veridique, 
Au paladin amouretix d^Angelique.» 
*) La PucelUf chant VIII u. IX. 

*) Aiu)h die schmutzige Geschichte der männlichen Nonne Besogne 
am Schlüsse des 10. Gesanges dürfte auf die Ricciardetto-Episode im 
Orl, für. (0. XXVj Iff.) zurückgehen. Femer erinnert der Umstand, daß 
der Erzbischof St. Denis eine reine Jungfrau suchen ^vill^ an Joconde, 
l^Orl. fj C. XXVIII), der auf der Suche nach einer treuen Ehefrau ist 
») Cours de litt. I, 872. 



■^ 102 — 

(1747) in Bdtracbt. Der Hauptsache nach ist diese Geschichte 
dem Engländer Pamell entlehnt, Welcher sie in den Homilien 
des Albert von Padna gefunden hat.^) Seele gibt noch einige 
weitere Quellen an^ darunter den OrL für. für das 19. Kapitel, 
Les combats betitelt, die jedoch nur ganz allgemein die 
Kampfesschilderungen im italienischen Epos nachahmen. 

Damit endet der Einfluß Ariost's auf das französische 
Epos; wir dürfen ihn durchaus als einen fruchtbringenden 
bezeichnen, wenn er auch nicht bewirken konnte, den Fran- 
zosen zu einem wirkliehen Künstepos zu verhelfen.^) 



IV. Äriost im französischen Theater. 

Ein Versuch, die Beziehungen Ariost's zum französischen 
Theater zu untersuchen, wurde bis jetzt noch nicht gemacht. 

Vianey's Arbeit über Ariost's Einfluß auf das Drama 
der Pleiade umfaßt kaum drei Seiten und behandelt nur 
Montchrestien und Garnier in ganz allgemeiner Weise ; andere 
Beeinflussungen scheint er überhaupt nicht zu kennen.^) 
Eicke sagt zwar von Ariost's Orlando, er sei von den franzö- 
sischen Dramatikern geradezu ausgeplündert worden, zumal 
für Textbücher zu Opern, doch erwähnt er nur Mairet's und 
Quinault's Boland furievx.^) Von den vielen Theaterstücken, 
die in Betracht kommen, wurden bislang nur zwei, die Brada- 
mante von Garnier und der Boland furieux von Mairet, ein- 
gehend behandelt. Bezüglich der Verlässigkeit der Urteile 
der Brüder Parfaict, von Leris, Beauchamps , Mouhy, La 
Valliöre und Higal verweisen wir auf die vortreffliche Kritik 
Böhm's, der wir in allen Punkten beistimmen.*) Einige 



') Bengesco, Bibliogr. Volt J, 435 ; ähnlich Seele, der in seinem 
•Zadig ou la Destinee» diese Qtteüe eingehend behandelt hat. 

*) Vgl. Dejob, £tifdes, S.288: *Notre vive et slculaire admiration 
pour VArioste et pour le Tasse n'a pas pu inspirer ä nos poetes une 
Beule ipopSe vraiment vivante.* 

») Vlnfl. de VArioste sur la Pleiade [Bull, ital 1901. I, 313 SIS); 
die Brad. Garnier^s wird nur kurz erwähnt. 

*) Zur neueren Gesch. d. Bol. Sage in De^Uschl. u. Frankr.. S, 12, 

'^) Der Evnfl. Seneca% S. 27 ff. 



— 103 — 

Urteile dieser Autoren, welche bei Böhm, sich nicht finden, 
seien hier noch angeführt. Von Parfaict's Geschichte des fra»- 
^ösischen Theaters sagt der Ver&sser der Trcm ateclea litUrarires ^), 
eie sei eine Kompilation okne Gesdunaek und Methode; das 
Dictionnaire det theätrea de Paris wimmle Ton Ungenarngkeiten. 
Moreri bezeichnet ihre „Gsschichte^ als ein konfuses Madir 
werk, Toll Fehler und Widersprüche ^ ; diese kämen daher, daß 
die Brüder Parfaict sich eine Eeihe von Mitarbeitern hielten. 
Mouhy's AbregS genießt nach Bigal einen sddecfaten Bnf.^) 
Über L6ris' Dictiormaire möchten wir b^nerken, daß es nicht 
nur eine Kompilation von untergeordneter Bedeutung ist, 
wie Böhm sagt, sondern geradezu ein Plagiat Ton Beau- 
champs' EecherckeSj sowohl in bezttg auf Daten, als auch hin- 
sichtlich der kritischen Bemerkungen, die oft wörtlich her- 
übergenommen sind. 

Nic6ron's Memoires werden von dem Verfasser der Trois 
Stieles Uttiraires ein €chaos eterneh genannt, das nur Fehler 
und Irrtümer aufweise.*) La Harpe unterzieht die Anecdotes 
dramaüques einer schärfen Kritik und weist nach, daß eine 
große Anzahl derselben erlogen sind.*) Betreffs Goujet's Bib- 
liotheque frangaise, über deren Wert wir bei Böhm eine Kritik 
vermissen, Nicfiron's Memoires und Maupoint's Bibliotheqite du 
Tkedtre fran^ ist Steffens zu vergleichen.®) Vapereau 
schätzt Goujet's Werk als eines der nützlichsten, die wir 
haben. ') 

Außer den hier angeführten Autoren benützten wir be- 
sonders Maupoint, der allerdings aus dem unzuverlässigen 
Niceron schöpft, und das Dictionnaire des theätres de Paris von 
La Porte et Ohamfort, welches von dem Verfasser der « Trois 



1) Bd. III, 458. 

*) Dict. hist.j III, 373: «Les mensonges, hs errews, les contra^ 
dkti(ms y fourmiüent* 

^Alex, Hardy, S, 688. 

^) Bd. 111 j 405: *ll se contenta de copier les Joumalistes et le$ 
Biographes, vrai moyen de perp4tuer les faules et les erreurs.^ 

«) Limratwre et CHtique, IV, 273. 

«) Botrm-Studien, S. 13. 

') Dict,, S. 914: •Vun des plus utiles que nous ayons». 



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.'.,-• 



— 104 — 

siedes liMra%res7> als eine gewissenhafte Kompilation bezeichnet 
wird.^) 

Was die Einteilung der in Frage kommenden Stücke be- 
trifFt; so scheint es uns praktischer und besonders übersicht«- 
licher zu sein, dieselben nach dem Stoffe zu ordnen, als sie 
in chronologischer Reihenfolge zu behandeln, da ja das Epos 
Ariost's sich leicht in eine Reihe von Episoden zerlegen läßt, 
und da die französischen Dramatiker immer nur einzelne 
solche Episoden, die oft gar nicht mit der Haupterzählung 
verknüpft sind, für ihre Zwecke auswählten. 



1. Die Bradamante-Episode. 

Die Bradamanteepisode im Orh für. umfaßt den 44. Ge- 
von Stanze 36 an, den ganzen 45. und den 46. bis 
Stanze^Oö- ^), und erzählt den Zweikampf Roger's mit der 
von ihm geliebten Bradamante, zu dem ihn sein um ihre 
Hand werbender Ereund Leon auffordert. Kein geringerer 
als Rob. Garnier versuchte es diesen Stoff dramatisch zi; 
bearbeiten und bühnengerecht zu machen. Seine Bradamante 
nimmt eine wichtige Stellung im französischen Theater des 
16. Jahrhunderts ein; bereits Ebert beschäftigt sich daher 
eingehend mit ihr; die Inhaltsangabe, die er von den^ 
Stücke gibt, kann heute noch als Muster gelten.^) Trost's 
£tude analytique et critique sur le theätre de Bob, Oamier^) 



^) Bd. III, 77, ^ 

2) Förster ^t in seinem Neudniek {Bd. 17, S. XXXV) als 
V Qtielle den 43. Gesang an, toahrscJieinlich der Angabe Gamier\s in der 
Vorrede zur Brad. folgend. Der Irrtum des Dichters u. des Heraus- 
gebers beruht darin, da/J sie die ursprüngliche Ausgäbe des Orl. für. in 
44 Gesängen im Auge hatten, loährend die später von Ariost vervoll- 
ständigte Ausg. 46 Gesänge aufweist; diese letztere ist aUein noch ge- 
bräuchlich. Eine Ausg. mit 44 Ges. wurde noch von Giovachino Avesani 
{Firenze. 1826. 3 vol. 8^) veranstaltet. 

«) Entw., S. 169 ff. 

*) Programm einer Bielefelder Schule, 20 Seiten umfassend. Haupt- 
sächlich wird der Einfiufi Seneca^s u. Horaz' angedeutet; von Ariost 
spricht er nicht. 



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% 



^ ^ 105 — 

ist ein Plagiat von Ebert's Entwicklungsgesctiichte, in franzö- 
sicher Sprache geschrieben und mit einigen , wertlosen Ztu- 
Sätzen versehen. Eaguet widmet dem Stücke in seiner 
tTragedie fran^ise du 16^ sieclej einige Seiten 0, ist jedoch, was 
den historischen Teil betrifft, mit Vorsicht zu benutzen, da 
seine Daten sich auf das <^ Journal du Theätre fran^uis^ stützen.^) 
W. Eörster's mustergültiger Neudruck von Gamier's Stücken, 
der sich hauptsächlich auf die Ausgabe von 1585 stützt ^), ist 
mit einer wertvollen biographischen und bibliographischen Ein- 
leitung versehen, die sämtliche Ausgaben der Werke Gamier's 
bis in die Gegenwart aufzählt.*) Ferner besitzen wir eine 
Pariser Dissertation von Bernage, die das Hauptgewicht auf 
die ästhetische Betrachtung legt, im übrigen aber sich eng 
an Eaguet anschließt. **) Endlich gab uns E. Pasini im siebenten 
Jahrgange (1900 — 1901) des Ännuario degJi Studenti Trentini 
(S. 122 flf.) eine eingehende, wenn auch nicht fehlerfreie Ver* 
gleichung der Garnier'schen Bradamante und ihrer italienischen 
Quelle, auf die wir noch öfters zurückkommen werden. Die 
erste Ausgabe der Bradamante ist nach Förster's Unter- 
suchungen wohl zweifellos im Jahre 1582 erschienen^), da 
ein Exemplar der von Eaguet ') angeführten Ausgabe vom 
Jahre 1580 bis jetzt nicht gefunden werden konnte.^) 



1) S. 212ff. 

^) Siehe darüber Böhm, S. SO [daselbst weitere Lit.-Ang.). 

') Nach Förster (s. Vorrede^ Bd. J, S. XIY) die beste Ausgabe. 

*) Ibd. J, S. XII. 

») :^tiide sur Bob. Garnier. P. 1880. 8^. 

«) Ibd., Vorrede, Bd. 7, S. XII 

') La trag, fr., S. 212. 

®) Als Datum der Erstausg. geben 1580 an: Mouhy (Abr. II, 164, y 
während er im I. Bd. S. 69 und in den Tablettes, S. 38 das Datum 
y 1582 angibt)', Didot {Biogr. univ. Bd. XIX, 509); Vapereau [Dict., 
S. 85€f); Darm, et Hatzf,, [Le 16^ s., S. 172); Lintilhac (Hist., 
8. 214); Brunet (Manuel II, 1490) drückt sich vorsichtiger aus: „Eine 
Ausg, von 1580 ist vorhanden, doch enthält sie weder die Juives noch die 
Bradamante. Es ist entweder anzunehmen, daß diese beiden in einem se- 
paraten Exemplar veröffentlicht wurden, oder da/i die Ausgabe von 1582 
dieselben zum erstenmal enthielt. 

Das Jahr 1582 nehmen an: Beauchamps (Rech., Bd. II, 40); 
Leris {Dict, S. 88); Mouhy [Tabl, S. 38, Abr. I, 69); Ebert {Entw., 



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A 



— 106 -- « 

Eine Aufführung de» Stückes im 16. Jahrhundert ist Us 
jetet geschichtlich nicht nachgewiesen worden. Zwar behauptet 
das Journal du Theätre fran^cds^ daß eine erfolgreiche Auf- 
fthrung der Bradamante im Jahre 1580 im Hotel de Bour- 
gogne stattgefunden habe^); doch haben EigaP) und im 
letzten Jahre noch Lanson ^) es als unzweifelhaft hingestellt, 
daB die Benaissancetragödien, und speziell Oamier's Stücke 
im 16. Jahrhundert nicht auf einer öffentlichen Pariser Bühne 
angeführt wurden.^) Da es jedoch neben dieser ständigen 

S. i45); Lucas {mst, Bd, III, 270); Mol and {Molüre ete., S. 126); 
Proelss {Gesch., Bd. 11, Halhh. J, S. 25); Morf (Gesch., S. 211).; 
Rigal (Sist, p. p. JuUev.y Bd. III,S98); Suchier u. Birch-Hirschf. 
{Gesch., S. 358) u. Pasini {l c, 8. 122). 

^) Ebenso Leris (Diet, S. 88); Mouhy {Ahr. 11, 164), der Ver- 
fasser der Trois sieeles littSraires (Bd. II, 375 : ^Ävec un sticcks prodi- 
gieux»); Mich and (Biogr. gin. Bd. XV, 587); Faguet (La trag 
fr., S. 212), welcher sich auf das Joum. du th. fr. beruft. 

*) Le Thiätre frang. avant la piriode classique., S. 117 — 128. 

') ^tudes sur Us origines de la Trag, class. en Framce (Rev. d'Hist. 
m. 1903, Bd. X, S. 177 ff. u. S. 413 ff.), 

^) Rigal, Alex. Hardy, S. 93, sagt über die • Bradamante» Fol- 
gendes : «ill est vrai que Garnier, en icrivant sa Brad., a pensi qu'elle 
pourrait itre reprisentee, et que cette tragi-comedie a 4te representee en 
effet tout au commencement du 17^ sihile. Quoi d'Honnant, puisque la 
Bradamante est la plus dramatique — je devrais dire la seule dramatique — 
des pieces de Garnier ? Mais les expressions memes de Vtmtewr montrent 
que, sHl privoit une reprlsentation possible, hd-mime n'a pas fait et ne 
songepas ä faire representer son oeuvre.» In seiner Hist. du J%, fr. avant 
la Periode classique (S. 116 ff.) hält derselbe Forscher diese Behauptung 
aufrecht und sagt weiterhin, die Tragödien aus dem letzten Drittel des 
16. Jahrh. seien überhaupt nur für die Lektüre geschrieen worden, eine 
Annahme, die bereits Ebert (Entw., S. 149) geäußert hatte, und die 
Stiefel in seiner Kritik des RigaV sehen Werkes (ZfSp. Bd. XXVI, 
S. 28 der Bez. u. Ref.) für richtig erklärt, wenn er auch zugibt, daß 
derartige Stücke von Wandertruppen sicherlich aufgeführt wurden. 
Allerdings läßt uns Stiefel im unklaren, ob er von Paris oder von 
der Provinz spricht. Daß solche Stücke in der Provinz gespielt wurden, 
hat Lanson (Bev. dHist. litt. 1903, S. 192 ff.) bewiesen; eine große An- 
zahl von Stücken zählt dieser Forseher auf, die in der zweiten Hälfte 
des 16. Jahrh. in der Provinz gespielt wurden, darunter mehrere Tror 
gödien. Von Garnier sagt er (ibd., S. 416), er scheine seine Stücke 
ntw zum Lesen geschrieben zu haben, doch habe er a die Möglichkeit 
einer Aufführung seiner Bradamante gedacht 



— 107 — 

Bühne auch sogenanDte ,^iegende Bühnen^ gab, auf denen die 
Wandertruppen ihre Stück» lot das Publikum brachten, so 
ist es immerhin nicht ausgeschlossen, daß eine dieser Be^ 
naissancetragödien auch in Paris gespielt wurde, besonders 
weil, wie Stiefel sagt, die Tragödie damals im Geschmacke des 
Pablikums lag.^) 

Wenn wir auch keine schriftliche Aufzeichnung über eine ^ 
Bradamanteaufführung aus dem 16. Jahrhundert haben, so 
besitzen wir dagegen zwei ausfuhrliche Schilderungen einer 
solchen aus dem Anfang des 17. Jahrhunderts. In H^roard's ^ 
Journal sur Venfance de Louis XIII findet sich für den 29. JuH 
1611 folgender Eintrag: A six heures il va chex la Herne oü il voit 
achever la Bradamante refpresentee par Madame (unter tMadame> ist 
die Königin zu verstehen) ei aiUres.^) Einen zweiten Eintrag >^ 
macht Heroard am 2. August desselben Jahres: tA trois 
heures mene en carosae au vieux ehäteau, en la solle du hol, oü, en 
sa presence (L e. des Dauphin), ceUe de la Bmiej des princes, 
princesses et seigneurs, de M, le chancelier et prSsident Jeannin, a 
ete representee sur le thiätre' tout aecommodS la tragi-comedie de 
Bradamante, par ces personnages.y^*) Es folgt nun das RoUenrer- 
zeichnis, welches sich jedoch nicht genau mit den entsprechenden 
Personen bei Garnier deckt, ein Zeichen, daß einige Ab- 
änderungen am Stücke gemacht worden waren. So tritt hier v — - 
eine LSonor**), Tochter KarPs des Großen auf, femer ein 
griechischer Gesandter •), Personen welche sich bei Garnier 
nicht finden. Interessant ist auch, daß ein großer Teil der v - 
IfännerroUen durch Frauen gespielt wird, so z. B. wird der 
alte Aymon durch ein Fräulein de Renel dargestellt, Benaud 
durch Fräulein d'Harambure gespielt, ein Umstand, der uns 



^) ZfSp. Bd. XXVI, 29. 

') Nach Heroard [Bd. J, 392) fand eine BradamanteauffUknmg 
bereits am 27. April 1609 am kgl. Hofe statt, bei welcher der Dauphin 
{der spätere Louis XIV) sieben Verse sagen sollte , aber plötzlich erklärte: 
•Tai oublii mon rolet.» 

») Bd. II, 71. 

^) Bd. II, 72. 

*) Gespielt von M"^* Christienne. 

•) Dargestellt von M^^« de Vernueil. 



— 108 — 

jedoch nicht besonders auffallen darf, wenn wir bedenken^ 
daß in unserer Zeit sogar Rollen wie Hamlet von EraueU; 
" > -allerdings Berufsschauspielerinnen, wiedergegeben werden. Von 
eben dieser Vorstellung haben wir einen Bericht aus der 
maßgebenden Feder Malherbes ^) , welcher sie in zwei 
Briefen (s. u. 4. August 1611) erwähnt und welcher die 
Durchführung der Rolle der Marphise durch die Königin, 
^ welche als Amazone gekleidet war, rühmt. ^) Malherbe nennt 
das Stück eine „comödie" und zitiert einige Verse aus der- 
selben, welche der Herzog von Vendome, ein Sohn des Königs, 
zu sprechen hatte; dieselben lauten: 

i^Charlemagne, Leon, Roger et Bradamante 

Sont de gaxe et carton d Ja comediante, 

Des lis farhorerai les braves etendards ; 

Du Gange jusqu'au Rhin et vers les hards d^Afrique 

Pour rmm <jpetit papa» donray des coups de piqice,* 

Die Worte finden sich indes nicht in dem uns vorliegenden 
^ Texte der Tragikomödie; es besfötigt sich hier die oben aus 

der Hin^jifügung neuer Rollen geschlossene Behauptung, daß 
das Stück mit einiger Veränderung über die Bühne ging; 
wir dürfen jedoch annehmen, daß diese Einschiebungen nicht 
wesentlicher Natur waren, sondern aus eingestreuten Be^- 
merkungen aktueller Art sich zusammensetzten, die dem an- 
wesenden königlichen Hofe gelten sollten. 

y Auch Scarron läßt in seinem Roman comique die 

Schauspielerin La CaTerne von einer Bradamanteaufführung 
erzählen, die diese in ihrer frühesten Jugendzeit gesehen hat.^) 



^) (Euvres, p, p. Lalanne, t. III, p. 247 — 248. 

^) Auch La Caverne trägt als Bradanmnie ein Amazonenkostüm 
{Scarron, Born, com., i, 273). 

^) Boman comique, 2. Teil, 3, Kap. (Bd. I, 273), La Caverne nennt 
das Stück <i Boger et Bradamante» ; das Theater des perigordischen Edel- 
Sitzes war, wie sie sagt, höchst bequem und die Dekoration der Handlung 
angepa/it. Auch bei dieser Aufführung wurden Abstriche gemacht, wc" 
nigstens für die Bolle La Boque's. Die Barone und Edelleute fanden 
solches Vergnügen an dem Stücke, dafi die Truppe noch längere Zeit dort 
spielen durfte. 



-^ 



— 109 — 

Da nun der Bonian comique zwischen 1651 und 1657 erschien 
und La Caveme damals bereits ziemlich bejahrt war, können 
wir jene Aufführung mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit in 
das erste oder zweite Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts setzen. 

Die Tatsache nun, daß Garnier's Bradamante in den ^ _ 
ersten zwei Dezennien des 17. Jahrhunderts Aufführungen 
erlebte, und zwar auf einer öffentlichen und auf einer 
privaten ßühne , berechtigt uns zu dem Schlüsse , daß 
ähnliche Inszenierungen dieses Stückes schon früher statt- 
fanden, höchst wahrscheinlich bereits im 16. Jahrhundert; ob 
nun an Privattheatern, oder auf Wanderbühnen, oder vielleicht 
auch im Hotel de Bourgogne, das kann allerdings heute noch 
nicht festgestellt werden.^) Denn es ist kaum anzunehmen, 
daß unsere Bradamante 20 oder 30 Jahre hindurch das be< 
scheidene Dasein eines Buchdramas fristete^ dann aber, durch 
irgend einen Zufall, plötzlich bühnenfähig wurde. Betrachten 
wir endlich auch jene sich in keinem anderen Stücke -r 
Oarnier's findende Stelle in der Vorrede des Dichters 
zum Drama: tCeluy qui vovdroü faire representer cette BradU' 
mantei^ 2), so ergibt sich daraus unzweifelhaft, daß er, erstens, 
-das Stück für die Bühne geschrieben und zweitens, an die 
Möglichkeit, wahrscheinlich sogar an die Gewißheit einer 
Aufführung gedacht hat; und wenn er sich etwas vorsichtig 



^) K. Saar, der Übersetzer des Roman comique j und ein guter 
Kenner des frz. Theaters jener Zeitj sagt von Garnier {der Komö- 
diantenroman, Teil IIIj 198): „Bei Garnier zeigt das Renaissancedrama 
schon ein nationaleres Gesicht. In patngtischer_Absicht wählte er Stoffe. "^ ^ 
in^enen er die Zeitereignisse spiegeln, 8§inen Schmerz über die Zustände 
seines _vom Bürgerkriege zerfleischten Vaterlandes ausdrücken konnte ... 
Die anderen Trag, aus der Schule Ronsard's blieben ewig Schulkomödien ^ 
sie gingen niemals auf der lebendigen volkstümlichen Bühne in Fleisch und 
Blut der Nation über. Garnier^ s Dramen hingegen bildeten den Übergang 
:zu den Stücken Hardy^s, und zur Zeit der Festsetzung der Wanderschau- 
Spieler im Hotel de Bourgogne den Grundstock des ersten Repertoires.» 

') Die ganze Stelle lautet: «Et par-ce quHl n'y a point de ChceurSj 
comme aux Tragedies precedentes, pour la distinction des Actes: Cehiy 
qui voudroit faire representer cette Bradamante, sera sHl luy piaist, 
aduerty d'vser d^entremets, et les interposer entre les Actes pour ne les 
^onfondrCj et ne mettre en continuation de propos ce qui requie^'t quelque 
distance de temps.» {Les Tragedies de Garn., ed. Förster j IV, 5.) 



\ 



>• 



V 



— 110 — 

und bescheiden ausdrückt, so bringt das eben der ganze Ton 
einer Vorrede mit sich. Endlich möchten wir noch auf einen 
weiteren, von den Forschem bis jetzt ebenfedls unbeachteten, 
sdir wesentlichen Grund hinweisen, der eine Aufführung 
unseres Stückes noch im Laufe des 16. Jahrhunderts wahr- 
scheinlich macht. Garnier hat bis zur Abfassung der Brada* 
mante an^^ Stoffe nach d6m Muster Seneca's dramatisiert 
oder er schöpft, wie in den luifves, aus der Bibel ^), — plötzlich 
greift er zu einem diametral entgegengesetzten Stoffe, dessen 
Handlung in dem von den Männern der Eenaissance so sehr 
geschmähten Mittelalter sich abspielt. Was mochte wohl den 
Dichter zu dieser Wahl bewogen haben ? Wir wissen, daß be- 
reits um 1576 J. de Fumee ^) eine Episode aus dem „Easenden 
Eoland^, von dem uns allerdings weiter nichts bekannt ist, für 
die Bühne bearbeitete^), daß femer ein ähnliches, später zu 
besprechendes Stück ^) 1564 zu Blois am königlichen Hofe, end- 
lich 1581 auf dem Theater von Le Havre ein tBoland fwieux» 
aufgeführt wurde % der vielleicht schon seit mehreren Jahren 
\ auf den französischen Bühnen gespielt worden war ; wir wissen 
endlich aus Lanson's Verzeichnis der in der zweiten Hälfte des 
16. Jahrhunderts außerhalb Paris aufgeführten Stücke, daß 
Stoffe romantischen Inhaltes zu jener Zeit überaus gerne auf 
der Bühne gesehen wurden und großen Erfolg hatten.^) Alle 
diese Umstände lassen es uns als geradezu gewiß erscheinen, 
daß Garnier diesen Stoff wählte, zunächst weil er ein Bühnen- 
stück schreiben wollte, und ferner daß das Stück, wie die 
beiden vorher zitierten, bei seinem großen dramatischen Ge- 
halte noch im Laufe des 16. Jahrhunderts eine oder mehrere 
Aufführungen erlebte. 



») S. Goujet, Bibl fr., Bd. VII, 360: o^B avoit ite tenti de mettre 
h meme aujet (Orl. für., C. XXIV, Cloridan und Medor) en TragSdie», 
Da Fumee^s «Mirroir de Loyaute» 1575 erschien, dürfte dieses Stück um 
dieselbe Zeit, jedenfalls vor Gamier^s Bradamante, anzusetzen sein. 

*) Der GinevrorEpisode {Orl. für., C. V, VI) entnommen. 

») Lanson {Bev. d'Hist. litt., 1903. Bd. X, 207). 

*) Ibd., S. 413 ff. Lanson findet eine große Anzahl von Stüdeen, 
u>elche zwischen 1552 und 1600 nach beglaubigten Zeugnissen gespieU; 
wurden. «2Vm^ itait jouable entre 1550 — 1630.» 



J. _- 



— 111 — 

Da eine mehr oder weniger auBfiihrliche Analyse der 
Bradamante bereits öfters gegeben worden ist^), setzen wir 
die Eekanutschaft des Inhaltes unseres Stückes Toraus und 
beschäftigen uns sofort mit d^ Untersuchung des Yerhält- 
niases Garnier's zu dem Orl ßtr.f welches von den genannten 
Forschem entweder überhaupt nicht, oder nur sehr obi^- 
äächlich in das Auge gefaßt worden ist.^) 

Folgende Personen (Entre^arlevrs), welche sich in der betr. 
Episode des italienischen Epos nicht finden, sind von Garnier 
hinzugefügt worden: Nymes, Duc de Bauieresy Basüe, I>uc d^Athenes^ 
La Montagne, Hippcdqt^e und La Boque, Der Dichter hat die 
beiden ersteren und Hippalque eingeführt, um die aUsu langen 
Menage im italienischen Epos durch _Dialoge_ wied ergeb gn 
zu können. La Montagne vertritt die Rolle des „antiken^ 
Soten, wohl eine Reminiszenz an Seneca. La Roque endlich, 
der unverschämte Diener des alten Aymon, scheint uns eine 
fkitlehnung aus der commedia deW arte zu sein, die damals 
bereits seit einem Jahrzehnt in Paris blühte. Denn weder 
bei Ariost, noch in den früheren Stücken Garnier's läßt sich 
eine derartige komische Dienergestalt nachweisen, dagegen 
war sie eine beständige Figur in der italienischen Stegreif- ^ 
komödie.^) / // H' 

/ 

*) z. B. von Ebert, Entw., S. 169ff.; Faguet, La trag, frang^ - 
S. 212 ff.; Trost, Etüde anal, S.löff.; Darmesteter et ^a^Tffeld, 
Le 16^ 8., S. 172ff,; Bernage, Bob. Garnier, S. irf^Kigal, Le th. 
de la Ben. {Hist litt., p, p. JiUleviüe, Bd. III, 312); Pasini, La Brad, 
di R. Garn., Annuario . VII, 125. 

*) z. B. Ebert [Entw., S. 172) sagt nur von Szene 2 des 3. Aktes, 
daß dieselbe „ganz nach Ariost" geschrieben sei. Weitaus die eingehendste 
Abhandlung hierüber ist die von Pasini, der leider die früheren 
Forschungen über diesen Gegenstand unberücksichiigt läßt, weshalb sei/ne 
Arbeit sehr an wissenschaftlichem Wert verliert; nur BigaVs Kapitel 
über die Renaissancetragödie in Jullevilys Lit.-Gesch. wird von ihm 
herüehsichtigt. Pasini zitiert au/ierdem nicht nach Verszahl, sondern bloß 
nach Akten und Szenen. 

^ Pasini, l. c, S. 129, unterschätzt dagegen nach unserer Ansicht 
die Wichtigkeit dieser komischen Bolle, wenn er sie als eine Statisten- 
roUe bezeichnet: «iZ paggio La Boqu>e (A. II sc. II} . . . serve piü da 






/-u. 



— ~ x^ 



\: 



— 112 — 

Weder Ort noch Zeit der Handlung ist im Stücke an- 
gegeben; als ersteren haben wir uns den Hof KarVs des 
Großen zu Paris zu denken. Für die Zeit lassen sich 

y natürlich keine bestimmten Angaben machen. Interessant ist 

die von den Forschern bisher nicht erwähnte Erscheinung, 
daß Garnier innerhalb des Stückes alle bei Ariost vor- 
kommenden Zeitbestimmungen wegließ, um die Einheit der 

A Zeit zu bewahren. Während ferner im italienischen Epos 
eine Eeihe von Schauplätzen für die Bradamante-Episode 
(Wald, Zelt vor der Stadt, Palast, Zimmer der Bradamante 
etc.) besteht; fehlen bei Garnier alle Bühnenanweisungen, wahr- 
scheinlich um die Einheit des Ortes zu retten ; auch im Stücke 
selbst sind Angaben über die Örtlichkeit der einzelnen Szenen 
vermieden ; es ist daher auch anzunehmen, daß daselbe ohne 
jeden Kulissenwechsel gespielt wurde. 

Der erste Akt, welcher die Exposition der Tragikomödie 
bildet, besteht nur aus zwei Szenen ^) und ist vom französischen 
Dichter {t^i erfunden.^) Auffällig sind die vielen mytholo- 
gischen Anspielungen, welche beweisen, daß Garnier sich von 
der Seneca'schen Tradition nicht ganz frei machen konnte; 
so wird Roland als unverwundbar wie Achilles geschildert 
(I, 1, V. 21): 

«A jRoland Vinuindble, ä qui Dieu faicorable 
Naissani a compose le corps invulnerable ?> 

Renaud wird vom Kaiser «nostre Hectory genannt (I, 1, 
V. 107); daneben aber nehmen Anrufungen des Christen- 
gottes ^), Schilderungen seiner Macht und seines Zornes 
einen breiten Platz ein*); mehrmals wird hervorgehoben, daß 



comparsa che da attoi-e». Indes hält er sie für wichtiger als die Rolle 
der Hippalque. 

^) Monolog Karls und sein Zwiegespräch mit dem Herzog von Bayern. 

^) Nur die Ankündigung ^ daß der Krieg ein Ende habe (V. 115 ff.) 
und daß die Hochzeit Roger^s und Bradamante's in aller Pracht gefeiert 
werden solle, falls Leon im Zweikampf unterliege, ist aus Ariost ge- 
nommen (C. 43, St. 150—153; C. 44, st. 12—13 u. st. 27—33). 

3) Vgl. I, 1, V. 29 ff.; I, 1, v. 49 ff. 

*) Vgl besonders J, 1, v. 95 ff. 



\ 



\ 



— 113 -^ 

Karl der Beschützer der Kirche sei nnd daß Q-ott ihm die 
Macht verliehen ^), dieselbe zu verteidigen : 

€ QuHls (les Makometans) veuleiit par le fer Mahumetique 

rendre.y (I, 1, 34.) 

Es ist ganz gut möglich, daß Garnier dabei an die reli- 
giösen Wirren seiner Zeit dachte und als treuer Legitimist 
des „allerchristliohsten" Königs B[errschergewalt über die 
Religion seines Landes betonen wollte, wenn auch Holl, der 
allerdings diese Stelle nicht herbeizieht, behauptet, solcherlei 
Anspielungen hätten dem Dichter fern gelegen.^) Besonders ^■ 
die ersten Verse, welche Garnier dem großen Kaiser in den 
Mund legt, scheinen uns geradezu eine Apologie des König- 
tums von Gottes Gnaden gegenüber den Angriffen der Liguisten 
zu sein (I, 1, v. 1 — 4): 

«Les sceptres des grmids Bois vien7ient du Dimt supreme, 

C^est luy qui c&int nos chefs d^vn royal diademe, 

Qui 710US fait quand il veut regner sur Vunivers 

Et quand 'il veut fait choir nostre einpire ä renuers.* 

Erst gegen Schluß des ersten Aktes beginnt die Expo- > 
sition des Stückes, indem der Kaiser erklärt, er wolle deih 
ritterlichen Helden Roger die Hand Bradamante's als Lohn 
für seine treuen Dienste geben; als ihn der Herzog von 
Bayern darauf aufmerksam macht, daß der alte, starrköpfige 
Aymon seine Tochter nur an Leon, den zukünftigen Kaiser 
^ von Byzanz, verheiraten werde, drückt Karl die Hoffnung 
( aus, Leon würde im Zweikampfe mit dem kriegerischen 
Mädchen sicherlich unterliegen. Hier liegt offenbar ein 
Widerspruch vor; denn will der Kaiser seinem Paladine die 
Tochter Aymon's wirklich geben, dann braucht er den Byzan- 
tiner überhaupt nicht zum Zweikampfe zuzulassen.?) Noch 



«II a mis sur mon chef la Frangoise couronne, 
II a fait que ma voix toute la tewe estonne» etc. 
^) Tendenzdrama, S. 209. 

') Die beiden sich widersprechenden Stellen lauten: 
ä) iBradamante et Roger sous vn amour egal 
Conioindre ensemblement d'rn lien coniugal.» 

{Akt J, 3. V. 167 ff.) 
Münchener Beiträge z. romanischen u. engl. Philologie. XXXIV. 8 



\ 



— 114 — 

unklarer aber wird diese Sache, wenn wir später aus Brada- 
manten's Munde vernehmen, daß sie selbst die Zweikampfs- 
bedingung festgesetzt habe. In der ersten Szene des 2. Aktes 
(V. 218 ff.) sagt nämlich der Dichter von ihr: 

tEUe a faict tout expres par le mo7ide s^voir, 
Que quiconque voudra pour espouse Cavoir, 
Doit la combatre armee,:» . 

\ Im Orl für. (C. XLV, st. 22) läßt Karl der Große 

auf Bitten des ritterlichen Mädchens die Kampfesbedingung 
ergehen. 

Pasini hält den ganzen ersten Akt für eine recht un- 
glückliche Erfindung des französischen Dichters und deutet 
an, daß dieser besser getan hätte, den Einzug der Paladine 
in Paris nach dem siegreichen Kampfe gegen die Sarazenen 
im 1. Akt darzustellen (cfr. Orl. für. C. XLIV, st. 27—34). 
Dem ist aber entgegenzuhalten, daß dann zwischen dem 1. und 
dem 2. Akte ein langer Zeitraum liegen müßte, währenddessen 
Koger seine Heldentaten in Bulgarien und die darauffolgenden 
Abenteuer zu bestehen hätte. Nun aber hat Garnier, wie wir 
bereits bemerkten, alles getan, um die^ Einheit der Zeit zu 
bewahren; er hätte also mit der Einführung der von Pasini 
vorgeschlagenen Szene ein ihm so teures Prinzip preisgeben 
müssen. Außerdem, — und das wäre viel schlimmer — , 
stünde diese Szene in noch geringerem Zusammenhange mit 
der Handlung des Stückes, als die von Garnier gewählte 
Exposition. Wir können daher den 1. Akt Garnier's keines- 
wegs als verfehlt, sondern vielmehr als ziemlich glücklich er- 
funden bezeichnen, wenn wir von den oben aufgedeckten 
Widersprüchen absehen. Denn in dieser Exposition hat 
Garnier ,einen überaus prächtigen Charakter geschaffen, der 
bei Ariost so verunstaltet und verschwommen uns entgegen- 
tritt, wir meinen die ideal gezeichnete, königliche Figur des 
großen Kaisers. 



b) «Mais 81 de la combatre il rCauoit le pouuoir, 
Selon mon ordonnance il ne sgauroii Vauoir,^^ 

{Akt J, ^, 170.) 



r 






— 115 — 

Von der ersten Szene des/ 2. Aktes an hält Garnier sich 
>^ mehr an sein Vorbild. Das ZWiegespräch der beiden Gatten, v 
Aymon und Beatrix^) (Akt I, 1), der Streit zwischen Vater 
und Sohn 2) (II, 2) und Beatrix' Zwiegespräch mit ihrer un- 
glücklichen Tochter^) (IT, 3) entwickeln sich aus dem Orl. 
für. (C. XLIV, st. 35 — 47). Doch nur das Gerippe zu diesen v 
prächtigsten Szenen des ganzen Stückes gab Ariost dem 
\ französischen Dichter. Nur eine Stanze widmet der italienische 
Dichter dem Unwillen Aymon's über die Widerspenstigkeit 
seiner Kinder (C. XLIV, st. 36)^): 

€ Ode Amone il figlniol con qtialque sdegno, 

Che, senza conferirlo seco, gli osa 

La figlia maritar, ch^esso ha disegno,' 

Che del figliuol di Costantin sia sposa, 

Non di Buggier, il quäl non ch^dbhi^ regno, 

Ma non puö dl Mondo dir: Questa e mia cosa; 

Ne sa che nohiltä poco si prezxa, 

E men virtü, se non v'e ancor riechezza,* 

Wie unbestimmt und schwach drückt sich Ariost aus, 
wie wenig plastisch ist doch hier der alte polternde Kriegs- 
mann gezeichnet! tCon qimlque sdegno^, „etwas zornig" tritt 
hier der Vater dem Sohne entgegen, der ihm zu widersprechen 
. wagt! Wie ganz anders läßt Garnier den alten Aymon reden! v 
Eine Mut von Schmähworten schleudert dieser dem undank- 
baren Sohne ins Gesicht (Akt II, 2, v. 397) : 

Äym. t Arrogant, plein d'audace. 



^) Orl für. C. 44, st 36-37. 

*) Orl. für. C. 44, st 36 u. st 75. Bei Ariost (C. 44, st 37) zankt 
auch Beatrix, und zwar noch schärfer als ihr Gemahl, den unfolgsamen 
Sohn aus: 

*Ma piü d'Amon la moglie Beatrice 
Biasma il figliuolo e chiamalo arrogante.» 
8) Orl für. C. 44, st 38—47. 

*) Pasini, l. c, S. 139, läßt diese Streitszene sich aus Orl. für, 
C. 44, si. 75 V. 4—8 entwickeln. Doch ist jene. Stelle ganz allgemein 
gehalten, während die von uns zitierten Verse das Wesentliche der 
Grarnier^ sehen Szene enthalten: Aymon'' s Yorumrfüher die Armut Roger^s; 
die Verse 191 — 195 spielen sogar auf diese Szene an. 

8* 



\ 



— 116 — 

Oses-tii proferer ces mots deuant ma face ? 
Qiie tu Va^ accordee? impudent, eshontd/* 

^ Je entscliiedener Renaud auf seiner Meinung besteht, 

daß Roger und Bradamante nicht mehr getrennt werden 
dürften, desto mehr gerät Aymon in Wut, bis ihm Worte 
nicht mehr genug erscheinen, bis er seinem Diener die 
Rüstung zu bringen befiehlt, um seine Widersacher zu be- 

V kämpfen. So schuf Garnier aus einigen schwachen An- 
deutungen bei Ariost eine höchst dramatische Szene, vielleicht 
d^e beste des ganzen Stückes.^) 

Andererseits verkürzt und streicht der französische Dichter, 
wenn er irgend eine Stelle im italienischen Epos nicht dra- 
matis ch genüge findet« So sagt Ariost von Aymon's Gattin 
(C. XLIV7'37): ' ■ 

tMa piü d'Amon la mogJie Beatrice 
Biasma il figlirwlo^ e chiamalo arrogante.^ 

Mit ganz richtigem Gefühle ließ Garnier diese Szene 
zwischen Mutter und Sohn weg und legte die Worte der 
ersteren dem Vater in. den Mund, für den sie auch geeigneter 
erscheinen. 

Für die dritte Szene des 2. Aktes war die Grundlage 
bei Ariost allerdings gegeben; dort sucht Beatrix vergebens, 
ihr geliebtes Kind von der Heirat mit dem „armen Ritter** 
abzubringen, Bradamante jedoch gibt ihr auf alles Zureden 
keine Antwort; nur Tränen hat sie statt eines Wortes der 
Entgegnung. Im französischen Stücke malt Beatrix ihrer 
Tochter eine Zukunft an der Seite Leon's mit den glänzendsten 
Farben aus (Akt II, 3, v. 531 ff.): 

<cLa femme vous serez düvn puissant EmpereuVf 
De Charles le compaing: encores Charlemagne 
Auec la France n'a qvUxm quartier d^Älemagne, 
Et les champs Milanois, m c'est qu^ Constantin 
Tient inille regions de V Empire Lathu 



*) Mit Unrecht sagt Pasini, l. c, S. 135, Aymon sei ein getreues 
Abbild des Ariosfschen Heldefi («il. ^ riprodotto tale e quäle dalV 
Ariostescoy). Gerade die stufenweise Steigerung des Zornes im Herzen 
des alten Aymon ist Garnier^ s selbsteigenes Werk. 



\ 



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\ 



— 117 — 

// a la Macedone et Ja Thrace suiette, 

II commande au Dalviate, au Gregeois, et au Gete: 

Vitale, La Sidle et les isles qui sont 

Depuis nostre Ocean iusqu^ä la mer du Pont 

Eeuerent sa puissance ...» 

Bradamante bleibt nicht stumm, wie bei Ariost; sie hält ^ 
der Mutter die weite Entfernung entgegen, die sie vom Eltern- 
hause trennen würde ; sie macht die Mutter auf die Gefahren 
aufmerksam, die ihr bei den unsicheren Bechtszuständen im 
byzantinischen Keiche drohen würden; doch Beatrix erklärt / 
sich bereit, mit ihr n ach K onstantin opel zu gehen ; alles ver- 
gebens; schließlich versichert das arme Mädchen, lieber ins ^ 
Kloster sich flüchten zu wollen, als Leon zum Gemahl zu 
nehmen, und nun siegt auch im Mutterherzen die Liebe zum 
Kinde über den Kitzel des Ehrgeizes und des Größenwahnes ; ^ 
Beatrix verspricht, für Bradamante Fürbitte beim Vater ein- 
zulegen. 

Von all dem findet sich nichts im „Rasenden Roland" 
sondern Garnier's dramatisches Genie allein hat auch diese 
Szene geschaffen.^) 

Der 3. Akt unseres Stückes beginnt mit einer Unter- 
redung Leon's mit seinem Freunde Roger ;^) die Andeutung 
zu derselben hatte Garnier im Orl, für. (C. XLV, st. 65 f.) 
gefanden, wo Ariost von Leon sagt: 

tE pregal poi con efficaci deiU^ 

Ch'egli sia quelj cKa questa pugna vegna 

Col nojne altrui, sotto mentita insegna,> 

Diese ^efficaci dettu und Roger's Einwendungen und Aus- v 
flüchte, über die sich der italienische Epiker nicht näher 
äußert, bilden die erste Szene dieses Aktes, und sind durch- 
weg freie Erfindung des französischen Dichters.^) 



*) Pasini sagt von dieser prächtigen Szene toeiter nichts, als dafi 
sie dem Ariost entlehnt sei. 

") Bei Ariost spielt diese Szene noch in Konstantinopel, bei Ga^mier^s 
Stück sind wir über die Örtlichkeit der Szene vollständig im urüdaren 
\ gelassen. 
y^^^ ') Pasini tadelt^ daß Garnier die beiden Helden erst vorführe, aUi 



i^ 



— 118 — 

Dagegen ist die nächste Szene, der Monolog Bradamante's, 
mit Ausnahme der ersten acht Verse und des Schlusses, ge- /^ 
radezu eiue Nachdichtung der betreflfenden Stelle bei Ariost 
(C. XLV, st. 26 — 40) ; so drückt Bradamante ihre Befürchtung, 
Roger möchte ihrer Liebe untreu werden, bei Ariost in folgen- 
den Versen aus (C. XLV, st. 28 v. 3 ff.): 

< Oh come sopra ogni timor le preme, 
Che per porla in obblio se ne sia gitol 
Che vistosi Amon contra^ et ogni speme 
Perduta mai piii d'esserle maritOj 
Si sia fatto da lei lontano, forse 
Cosl sperando dal suo amor disciorse,:» 

Dasselbe sagt Garnier's Bradamante (v. 819 — 826) 

<iQitelque fiouitelle amour (ce qice Dieu ne permette) 
Vous eschauferait point d^une flamme secreUe ? 
Quelque face angelique auroit point engraue 
Ses traits daiis vostre canir de ses yeux esdaue? 
He Dieu ! qice sgay-ie ? helas / si d^Aymon la ricdesse 
Vous a desespere de m^auoir pour maistresse, 
Que pour vous arracher cei amour ennuyeux 
Vous soyez pour iam/zis esloigne de mes yeux,* 

Wir sehen hier, daß derselbe Gedanke bei beiden Dichtem 
mit nahezu den nämlichen Worten ausgedrückt wird, nur daß 
der französische Dichter etwas weitschweifiger ist. Die Gleich- 
nisse in Stanze 34, 36 'und 38 des 45. Gesanges finden sich 
auch bei Garnier nahezu wörtlich übersetzt, so z. B. Orl, für. 
(0. XLV, 34): 

^Son simile aW avar, chlm il cor si intento 
AI suo tesoroj e si ve Vha sepolto. 



Koger das Versprechen, für Leon in die Schranken zu treten, bereits ge- 
geben habe; Garnißr habß auger^scheinlich vermieden, den inneren Kampf 
i£Q23^ vor der EinioiUigung zu schildern, den Ariost so wunderbar er- 
zählt habe. Wir müssen gestehen, daß Ariost Roger^s Seelenqualen gerade 
nach der Abgabe des Versprechens in mehreren Stanzen darstellt (0. /*., 
C; ^^. 57—60), während jenem Teil nur eine Stanze {ibd. st. 56) 
gewidmet 

1 
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! 1 




/C C^IJ^ ^ 



c. 



V 



— 119 — 

Che non ne puö hntan viver contenio, 
Ne non sempre temer 6he gli sia toltoS 

Garnier, Brad. v. 831—^35: 

€je ressemble ä celuy.qui de son or auare 
Ne Vesloigne de peur qu'vn larron s^en empare: 
Tousiours le voudroit. voir^ Fatwir d son cosie, 
Craignant incessamment quHl ne luy soit oste*, etc. 

Die nächste Szene (Sp. 3), ist der 62. und 63. Stanze 
des 45. Gesanges entnommen, wo Leon, der eben vor Paris 
angekommen ist, sich bei Karl dem Großen zum Zweikampfe 
mit Bradamante anmeldet; während aber bei Ariost der 
Griechenfürst in vier Zeilen seine Bitte vorträgt und von 
Karl nur gesagt wird, daß er dieselbe gewähren wolle, bildet 
Garnier daraus eine Szene von 25 Versen (V. 859 — 885), 

y ohne einen neuen Gedanken hinzuzufügen.^) Ganz frei er- 
fanden ist Szene 4 des 3. Aktes, in welcher Bradamante mit 
Karl und ihrer Dienerin Hippalqiie die Vorbereitungen zum 
Kampfe bespricht und ihrem Abscheu gegen den „Gregeois" 
Ausdruck verleiht. Mit epischer Breite erzählt uns Ariost, 
wie Roger Stück für Stück seiner Kampfesrüstung anlegt. 

^ Garnier ahmte diese Schilderung zum Nachteil seiner Tragi- 
komödie in der 5. Szene nach, nur daß Roger bereits in 

' voller Rüstung auf die Bühne tritt. Aber erst von Vers 973 
an hält er sich an sein Vorbild, wobei er auch viel weit- 
schweifiger ist als jenes (cfr. Orl, für., C. XLV, st. 69 und 
70). Ein weiterer Monolog folgt bei Garnier in der nächsten 
Szene, indem Bradamante ebenfalls in Kampfesrüstung er- 
scheint und nach Art der Helden vor Troja Drohungen 
gegen ihren byzantinischen Partner im bevorstehenden Kampfe 

\^ ausstößt.^) Ariost dagegen läßt seine Amazone wortlos sich 
in den Kampf stürzen, und erzielt dadurch zweifelsohne eine 
größere ^Wirkung. 



y- 



^) Dagegen läßt Garnier hier sorgfältigst die bei Ariost befind- 
lichen Zeitbestimmungen Hl medesmo du und ^Valtro d)» (0. f. C. 45, 
8t, 62 u. 63) weg. 

^) Auch Pasini bezeichnet [l. c, S. 131) diese Schmährede Brad.^ 
gegen Leon als eine unglückliche Erfindung des franz» Dichters, 



V 



— 120 — 

Zwischen dem 3. und 4. Akt ist eine gewisse Zwischen- 
zeit zu denken, 'in welcher der Kampf sich abspielt; der- 
selbe dauert bei Ariost den ganzen Tag hindurch, bei Garnier 
fehlt eine Zeitangabe. Die 1. Szene des 4. Aktes ist \c 
von dem französischen Dichter frei erfunden: die Eltern 
Bradamante's erfahren von La Montagne den Verlauf und 
Ausgang des Kampfes, von dem das Schicksal ihrer Tochter 
abhängt. La Montagne's Schilderung hält sich eng, oft 
sogar wörtlich, besonders bei den Gleichnissen, an das Ori- 
X ginal {Orl für., C. XLV, st. 71—82), nur der Schluß ist bei 
Garnier anders gestaltet; hier bedrängt Roger ^comme en \ 
ayant pitie> (v. 1109), nachdem er sich zuvor immer in 
Defensive gehalten, seine Gegnerin derart, daß sie kampfes- 
müde sich ergibt, im Orl, fiir. macht erst der Einbruch der \ 
Nacht und der Befehl des Kaisers (cfr. Oi-l, fur,, C. XLIV, st. 82) 
dem Kampfe ein Ende^); Roger hält sich bis zum Schlüsse 
in Defensive und das Motiv, warum er überhaupt Wieder- 
stand leistet, liegt in dem Versprechen, das er seinem Freund 
und Lebensretter gegeben hat. Für die folgenden 2 Szenen 
war die Situation allerdings im „Rasenden Roland" gegeben, 
allein Garnier arbeitete dieselbe ganz selbständig aus. Die 
Monologe JBpger's und Bradamante's sind im französischen 
viel lyrischer, exklamativer als bei Ariost, wo z. B. Roger 
in ganz logischer Weise die Folgen seines Sieges überdenkt 
und, als er keinen anderen Ausweg als den Tod sieht, von 
seinem Schlachtroß und Schwerte Abschied nimmt (0. XLV, 
st. 86—95). 

Wie schon früher bemerkt, liebt es der französische 
Dichter, mythologische Anspielungen da und dort einzu- 
schalten. Hier haben wir ein weiteres Beispiel (Akt IV, 
Sz. 2, V. 1127ff.): 

^Goujfrcs des a'eux eiifers, Tenariens riuages^ 
OmhreSy Larues, Fureurs, Mo7istres, Demons, et Eages, 
Ayrachez moy d'ici poiir me rouer lä bas» ctc, 



^) Püsini, U)d., S, 127 findet in den beiden Erzählungen des Zwei- 
kampfes keinen Unterschied. 



— 121 



'X- 



später noch in demselben Monolog wird Mars, Hector und 
der trojanische Krieg erwähnt. 

Bradamante's Klagen nach ihrer Niederlage sind bei 
Ariost (C. XLV, st. 98 — 103) einfach, aber rührend, sie 
enden in dem erneuten Versprechen, ihrem vermeintlich 
fernen Geliebten treu zu bleiben, wenn auch hinter den 
stillen Mauern eines Klosters. Bei Garnier bricht sie zuerst 
in heftige Vorwürfe gegen sich selbst aus, erst von v. lr§9&^. 
beklagt sie ähnlich wie im „Käsenden Koland" das Femsein 
xles Geliebten. Wir wollen den Anfang der Klagen Brada- 
mante's in den beiden Dichtungen gegenüberstellen, um zu 
zeigen, wie verschieden ein und dasselbe Grundmotiv behandelt 
worden ist. Ariost (C. XLV, st. 97): 

fZ^eÄ, Ruggier mio (dicea) dove sei gito ? 
Puote esser che tu sia tanto discosto, 
Que tu non abbi qicesto bando vdito^ 
Ä nessun altro, fuor ch!a te, nascosto^» 
Garnier, Brad. (Akt IV, 3, v. 11 73 ff.): 

BracL: ^nHa fille iniserable et regorgeant de' maux! 
du sort outrageux trop outrageivx assauts! 
malheureuse vie en 7niseres plongeef 
mon ame, ö mon ame ä iamais affligee!i> ^) 
\ Wieviel würdiger weiß doch Ariost den Schmerz auszu- 

X^ drücken! Szene 4 des 4. Aktes ist wiederum freie Erfindung 
Gamier's; sie ist als ein sehr glücklicher Griff des Dichters 
zu bezeichnen, da sie sehr dramatisch wirkt und uns eine der 
interessantesten Gestalten des Ariost'schen Epos, ^aijhise, 
die edle Schwester Roger's und die treue FreundinBrada- 
mante's vorführt.^) Szene 5 hingegen geht auf C. XLV, 
st. 103 — 116)^) des Orl. für. zurück; jedoch folgt Garnier 

^) Pasini {l. c, S. 127) geht stillschiveigend über diese Unterschiede 
hinioeg, 

*) Irrtümlicherweise läßt P&sini {l. c, S. 127) diese Szene aus dem 
Orl. /*., C. 45, st. 103 sich entivickelnj während doch dort nur gesagt 
unrd, da(i Marphise zu Karl d. Großen geht und für Roger und Brada- 
mante Fürbitte einlegt. Sz. 4 des 4. Aktes dagegen spielt zwischen Mar.j- 
Brad. u. Hippalque und ist^ vom franz. Dichter eingef ügt. 

*) Bei Pasini, ibd.^ ist fälschlich st. 104 u. 105 desselben Gesanges 
angegeben. 



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— 122 — 

keineswegs sklavisch diesem Vorbilde. Während bei Ariost, ^ 
Marphise die Szene eröffnet und trotzig vom Kaiser verlangt, / 
Leon müsse noch mit ihrem Bruder auf Leben und Tod 
kämpfen, wenn er Bradamante, die doch mit Eoger bereits 
verlobt sei, als Gattin haben wolle, worauf Karl dem „Griechen- 
fürsten" diese Aufforderung mitteilen läßt — , ist es in Gamier's v 
Stück Leon, welcher zuerst das Wort ergreift und den Kaiser 
>- um seinen Siegespreis bittet. Auch hier ist Aymon ganz 
verschieden von dem Amon des Orl, fur,\ zwar weigert er 
sich in beiden Fällen Marphise nachzugeben, allein bei Garnier 
tritt er viel entschiedener und lärmender auf als bei Ariost; 
y er führt einen höchst komischen Wortwechsel mit dem furchtlosen 
Mädchen, er wird sogar von seiner Frau unterstützt, die dort 
überhaupt nicht auftritt.^) Doch nimmt er ab und zu einen 
Vers wörtlich aus dem Epos herüber, so z. B. v. 1381: 

Äy. : « Cest vne pure fraude ourdie encontre moy. » 

Ariost sagt (C. XLV, st. 108, 5): 

<aQuesto e (diceva Amon) questo e un inganno 
Contra me ordito ...» 

Karl der Große endlich, welcher im Epos an dieser 
Stelle ganz in den Hintergrund tritt, nimmt in der Tragi- 
komödie lebhaften Anteil an dem Gespräche und sucht die 
streitenden Parteien zu versöhnen. Die letzte Szene (6) des 
4. Aktes gehört ganz Garnier an, die Person des Herzogs 
von Athen ist von Garnier erfunden, um die Szene zu er- 
möglichen; im Orlando heißt es bloß von Leon (C. XLV. 
St. 117): 

tPer cittadi mandöy ville e castella, 
D^appresso e da lontan, per rürovarlo.^ 

Im 5. Akt mehren sich die Abweichungen von der 
Quelle. Das Zwiegespräch zwischen Leon und Roger findet 
bei Ariost im Walde statt, wo Roger den Tod suchen wollte ; 
Garnier unterläßt wiederum jede Ortsangabe, die Szene be- 
ginnt erst, nachdem Roger seinen wahren Namen geoffenbart. ^) 



*) Auch diese Untei'schiede sind von Pasini 7iicht bemerkt ivorden 
(vgl. 0. c, S, 127). 

^) Pasini, S. 1S3, tadelt es, daß, wie hier, Garnieruns oft vor eine 



— 123 — 

Charakteristisch für Garnier sind die zwei letzten Verse 

dieser Szene (v. 1639 f.): 

tBetournons au logis pour vn peu votcs refaire, 
Puis irons au chasteau pour vos nopces par faire,'» 

Im Orl. für, bleiben die beiden im ganzen drei Tage im > 
Walde, bis Roger, der von der Aufregung der letzten Zeit 
[ ganz entkräftet war, seine frühere Kraft wiederfindet.^) Auf 
diese Weise wird im Drama die Orts- und Zeiteinheit ohne 
Schwierigkeit beobachtet.^) In der 2. Szene erscheint die bul- / 
garische Gesandtschaft vor dem Kaiser des Abendlandes und 
erzählt von Roger's Heldentaten in der Schlacht bei Hoven- 
garde; bei Ariost ist die Gesandtschaft nur in der <LOittä 
Beah, nicht aber vor dem Kaiser (C. XL VI, st. 48). Der m 
Schlachtbericht ist im Vergleich zur nämlichen Schilderung 
bei dem italienischen Dichter (C. XLIV, st. 79 ff.) farblos 
und nüchtern. 

So wird die wunderbare Stanze 87 durch den einfachen 
Vers (1564) wiedergegeben: 

<üEt des Orecs ennemis fit vn sanglant carnage,»^) 

Die nächste Szene bat Garnier wahrscheinlich eingeschoben, 
um Aymon und Beatrix, die beiden komischen Rollen, noch 
einmal auftreten zu lassen, aus dem „armen Ritter" Roger 
ist ja nun ein mächtiger König geworden und diese Verände- 
rung konnte nicht ohne Wirkung auf das Eltempaar bleiben. 
Karl teilt ihnen mit, daß die Bulgaren den tapferen Roger 
\ zum Könige haben wollen ; daraufhin ändern sie sofort ihre 
Gesinnung gegen den vorher so arg geschmähten Ritter, gerne 
möchten sie ihn nun zum Schwiegersohne haben: 



vollendete Tatsache stelle^ ohne dieselbe loie hei Ariost zu entivickeln. 
Doch können wir nicht einsehen^ was diese Szene gewonnen hätte durch 
^ eine Schilderung der Art und Weise, wie Leon seinem Freunde das Ge- 
^ ständnis abringt. 

^) Cfr, Orl für. (C. XLYl, st. 48): 

Ove posaro il resto di quel giorno, 
E Valtro appresso, e Valtro tutto intero 
Tanto che 7 Cavalier dal liocorno 
Tornato fu nel suo vigor primiero.^ 
^) Pasini scheint diese Zeitverschiebungen übersehen zu haben. 
^) Pasini, S. 119, gibt ein ähnliches Beispiel aus dieser Szene an. 



V 






— 124 — 

tPuis qu'il est maintenant Boy de la Bulgarie.:» 

(v. 1624.) 

T Szene 4 bringt die Auflösung des dramatischen Knotens: 

Von Roger begleitet, tritt Leon vor den Kaiser hin und er- V 
zäMt, wie er seines Freundes Bekanntschaft gemacht, dessen 
Tapferkeit in der Schlacht bei Hovengarde bewundert, und 
wie er ihn für sich in den Zweikampf gesandt habe. All dies Y 
ist jedoch viel ausführlicher geschildert als im Orlando, doch 
folgt der französische Dichter der Hauptsache nach seiner 
Quelle. Der Anfang von Leon^s Erzählung (Brad. v. Garnier, 
Akt V, 4, V. 1629; vgl. Chi. für. C. XL VI, st. 54) weicht / 
insofern ab, als auch hier Garnier die bei Ariost sich findende 
Ang?*^® ^^^ Dauer des Kampfes fallen läßt. Die Fragen, die V'; 
Karl an den Byzantiner stellt, sind von Garnier erfunden. . 
-4lich Ajmon's Zwischenreden, die plötzliche Umwandlung 
seiner Gesinnung, als er hört, daß Roger der Sieger im Zwei- 
kampfe gewesen ist, die Worte der Beatrix, die bei Ariost 
an dieser Stelle überhaupt nicht erwähnt wird, sind Ein- 
schieb ungen des französischen Dramatikers.^) 

Wir sehen, daß Garnier das Elternpaar Bradamanten's '\ 
bei jeder Gelegenheit in den Vordergrund stellt, während 
es im Epos eine sehr unbedeutende Rolle spielt. Szene 5 des 
5. Aktes geht auf Stanzen 65 und 66 (C. XLVI) zurück, 
doch zeigt uns in diesen der Dichter die glückliche Braut 
allein, in der Kammer weinend vor Freude 

<üPiangea i siioi casi in camer a segreia» ] 

bald stürzen mehrere Boten herein und verkünden ihr die 
Wendung. Der Dramatiker vereinfachte diese Szene, indem 
er Hippalque allein ihrer Freundin die Botschaft übermitteln 
läßt. Die letzten zwei Szenen, welche aus dem unmotivierten 
Erscheinen Melisse's und aus der Entschädigung Leon's durch 
die Hand Leonoren's bestehen, der Tochter Karl des Großen, 
wären besser fortgeblieben, da sie in keiner Weise zum 
Stücke gehören. 2) Weder von Melisse noch von Leonore 



*"! Pasini (S. 128) erwähnt auch hier keine Verschiedenheiten 
zioischen dem ital, Poem und dem Theaterstücke. 

*) Auch Pasini ist hier unserer Ansicht. Er sagt hierüber {l. c, 



— 125 — 

wurde einmal im Stücke gesprochen, vielleicht glaubte Garnier, 
ein derartiger, romantischer Stoff müßte notwendigerweise von 
Geistererscheinungen u. dgl. begleitet sein, und in einer Tragi- 
komödie dürfte am Schlüsse des letzten Aktes auch nicht 
eine Person Grund zur Traurigkeit haben. 

Wenn wir das Resultat unserer Untersuchung noch kurz 
zusammenfassen, so ergibt sich, daß von_den 23 Szenen, aus / 
denen das Stück besteht, 15, also mehr als die Hälfte durch 
den französischen Dichter teilweise oder ganz geschaffen 
werden mußten, während die übrigen bei Ariost sich bereit^ 
vorfinden. Mit der freien Behandlung des Stoffes geht eine v 
ebenso freie Gestaltung der Charaktere Hand in Hand. 
Am wenigsten verändert ist die Person Eoger's, welcher ' 
ebenso entsagungsvoll und edelmütig im Gamier'schen Stück 
ist, wie im Epos Ariost's. In beiden Dichtungen tritt uns 
besonders die Gefühlsseite dieses Helden entgegen, seine 
Klagen um die Geliebte, um sein eigenes Glück, nehmen einen 
breiten Kaum ein; was aber im Epos sich gut durchführen 
läßt, ist nicht immer für die Bühne vom Vorteil; so dürfen 
wir sagen, daß Roger's Gestalt im Stück verfehlt zu nennen 
ist, weil sie zuviel spricht, immer spricht, nie aber auf 
offener Szene handelt.^) Von Ariost'schen Helden möchten 
wir Taten sehen und Abenteuer, nicht aber endlose Klagen 
hören. Erscheint uns Roger's Charakter zu schwächlich und 
weiblich, so finden wir Garnier's Bradamante etwas allzu 
männlich, ganz verschieden von jener echten Jungfrauenge- 
stalt in der Panzerrüstung bei Ariost. Wie hätte ihr der 
italienische Epiker so unweibliche Worte in den Mund gelegt 
wie Garnier in Akt III, 6, v. 989 ff. : 



S. 130) : «L^unica vera novitä inseriia, anzi posta in coda dal francesCj 
voglio dire la <:ombinazi(me improvista del matrimonio di Leonora con 
Leone, non poteva essere piü infelice.» Ähnlich äti/krt er sich über 
Melisse' 8 Auftreten. Pasini glaubt, daß Garnier sie eingeführt habe, 
weil sie sich auch bei Ariost finde. Er wirft daher dem franz. Dichter 
Mangel an Selbständigkeit vor. Warum hat aber der Dichter so sdb- 
ständ igerwei se die Leonore eingeführt? Auch sonst geht de^' franz. 
Tragiker sehr selbständig vor; wir glauben daher nicht, daß P.'s Moti- 
vierung richtig ist. 

^) Dasselbe sagt Pasini, S. 187. 



\ 



\ 



— 126 — 

« Ä* ie le piiis atteindre anec le coiäelas, 

Je Venuoiroy ckercher vne femme lä bas: 

Ce jnignon, ce beau fils, qiti n^a houge de Grece, 

Et qui ne feit iamais preuue de sa prouesse 

N\t couru la fortune et ne^ s'est hasqrdej> eic}) 

^ Leon ist wie bei Ario8t der zaghafte und feige theau fils^, 

der verweichlichste Orientale,' der nur auf den starken Arm 
seines Freundes vertraut, dessen Liebe zu Bradamante nur 
eine Laune ist, da er so leicht auf sie verzichten kann. Als 
er zum Schlüsse die ihm angebotene Hand Leonoren's ohne 
Zögern annimmt, müssen wir überhaupt zweifeln, ob sein 
Charakter ernst zu nehmen ist. Viel ehrenvoller verläßt er 
im Epos den Schauplatz, da er dort sich stillschweigend ent- 
fernt, nachdem Roger und Bradamante sich wiedergefunden 
haben. ^) 

Auf die Umwandlung, die Garnier mit den Eltern 
Bradamante's vornimmt, haben wir bereits mehrmals hinge- 
wiesen. Ihre vorzügliche Charakterzeichnung beweist, daß 
der französische Dichter auch über eine glückliche komische 
^der verfügt. Der tostinato* Aymon im OrL für, wird zum 
habsüchtigen Kleinbürger, dem vor allem darum zu tun ist, 
seine einzige Tochter möglichst vorteilhaft, vor allem tsans dot^^ 
an den Mann zu bringen (v. 176 ff.): 

« Ce que ie prise plus en si belle alliance, 

Cest qii'il ne faudra pohit desbourser de finanee» 

II ne demande rien. » [IJ 

worauf seine würdige Gattin erwidert: 

tll est trop grand seignenr, 
QiCa besoing de nos Mens le fils dhn Empereur?> 

Aymon ist der geizige Alte der italienischen Komödie, der 
Damonio der Suppositi, welcher seine Tochter dem reichen 



^) Vgl. Akt IV, 5, V, 1077 if. — Pasini {S, 136) berührt diesen 
Clmrdkterzug nicht , dagegen findet er, daß die Brad, Garnier^ 8 eine 
größere «delicatezza» zeige^ ivenn sie nicht dem Vater, sondern der Mutter, 
und zwar in schonendster Weise mitteile, daß sie Roger allein liebe. 

2) Äh7ilich Pasini, S. 137. 



— 127 — 

^^^oktor der Rechte, Cleaudro, anbietet. Levrault glaubt, Y 
K^ daß kein geringerer als Moli^re eine Reihe dieser komischen 
Svenen (Akt IT, 1, 2, 3), in denen die beiden Gatten auf- 
\ treten, in seinem Ayare^ verwertet hat.^) Neben dem Geize - 
macht sich bei dem alten Aymon eine gewisse Prahlerei ^ 
geltend, von der wir bei Ariost nicht das Mindeste hören. 
\ Ebert glaubt daher, in Aymon den Matamoros, der Komödie zu ' 
C: sehen. ^) Besonders glücklich gelang dem französischen Dichter 
/ die Charakterzeichnung der Beatrix; ganz unter dem Einfluß 
ihres rauhen Gemahles stehend, schätzt sie wie dieser das 
gleißende Gold und den kaiserlichen Purpur höher als alle 
V anderen irdischen Güter; aber noch höher steht ihrem Mutter- 
herzen das Glück ihrer geliebten Tochter, der sie alles opfert 
(vgT A. II, Sz. 3 V. 510) : 

tvn iour m^est ennuyeux 
Quand vn iour ie nie treuue absente de vos yeuxf» 

\ Als sie sieht, daß Bradamante lieber ins Kloster gehen V 

will, als Leon nach Byzanz zu folgen, gibt sie ihre Heirats- 
pläne auf und verspricht sogar beim Vater Fürbitte einlegen 
zu wollen.*) 

An die italieni^he Komödie erinnert auch die Gestalt 
^ des Dieners L a Roqu e, eine ganz selbständige Schöpfung des 
französischen Dramatikers. Zwar tritt er nur in einer Szene 
(II, 1) auf, aber die wenigen Worte, die er spricht, könnten 
ihn nicht besser charakterisieren. Als der alte Aymon voll 
Wut über Renault's Ungehorsam nach Waffen ruft und die 
lächerlich schreckliche Drohung ausstößt (v. 457): 
«Je set^ay dans le sang iusques ä la ceinturef» 

unterbricht ihn der Diener mit unverschämtem Spotte : 

«Monsieur, entrons dedans, ie crains que vous iombiex, 
Vous fixestes pas trop bien asseure sur vos pieds.» 

Da die übrigen auftretenden Personen eine sehr unter- 



^) Les genres litt La Comediej S. 27(?). 
«) Vgl Akt II, 2, n. 449, 461 ii. 473. 



') Ähnlich nennt Rigal den Aymon einen Rodomont oder einen \ 
Taillebras {Le Th. de la Ren., in Jxdleville^s Lit.-Ges., Bd. III, 313). 
*) Pasini bespricht diesen Charakter nicht. 



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— 128 — 

geordnete Bedeutung im Stück haben, wollen wir sie nicht 
in das Bereich unserer Untersuchung ziehen. Im ganzen 
könneD wir sagen, daß die Änderungen, die Garnier in der 
Behandlung des Stoffes vornahm, nachteilig für den Wert 
der Bradamante, die Änderungen und Neugestaltung der 
Charaktere dagegen yorteilhaft zu nennen sind.^) 

Wie wir bereits bemerkt haben, nimmt Garnier ganz be- 
sonders die Gleichnisse aus Ariost herüber, indem er sie y^ 
meist wörtlich übersetzt. Selbst, da wo die Szene ganz frei 
erfunden ist, werden Vergleiche aus dem Epos eingestreut. 
Im folgenden stellen wir eine Liste dieser meist wörtlichen 
Entlehnungen auf. 

Vergleich : 

Akt I, 1, V. . 87—90 = Orl. für. C. XLIV, st. 92 

Akt III, 2, V. 815—818 = „ „ C. XLV, „ 26 

V. 831—834 = „ ,, C. XLV, „ 34 

V. 837-842 = „ „ C. XLV, „ 36 

V. 843—849 = „ „ C. XLV, „ 38 

Akt IV, 1, V. 1046—1050 = „ „ C. XLV, „ 71 ' 

V. 1051—1054 = „ „ C. XLV, „ 72 

V. 1059—1669 = „ „ C. XLV, „ 73 

V. 1083—1089 = „ „ Ö. XLV, „ 75 

Akt IV, 2, V. 1150—1154 = „ „ C. XLIV, „ 45 

Akt V, 2, V. 1567—1568 = „ „ C. XLIV, „ 87.«) 

Neben dem Orl, für. bildeten auch die Dichtungen von 
Vergil und Seneca, teilweise auch von Bforaz eine Quelle 
für die vielen Vergleiche, die Garnier in seine Tragikomödie 
eingeschoben hat, und welche die an und für sich schon zu 
langen Monologe noch mehr ausdehnen.^) 

Aus der von uns angestellten Untersuchung ergibt sich für 






1) Ahnlich Rigal (l c, S. 312) ^m<Z Pasini, Z. c, S, 138. > 

') Über diese Entlehnungen siehe bes. in Pasini's Arbeit {S. 139 
— 164) das Kapitel «La forma» j welches der beste Teil der ganzen Ab- 
handlung ist. Der Rahmen unserer Arbeit erlaubt uns nicht, nä/ter 
auf diese entlehnten Stellen einzugehen, Pasini's Zusammenstellung 
ist außerdem so genau^ daß kaum etwas nachzutragen wäre. 

') Vgl. Trost, Mude^ S. 20ff.j wo diese Quellen untersucht sind. 



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— 129 — 

das Verhältnis Garnier's zu Ariost folgendes Resultat: die 
Handlung in der französischen Tragikomödie beruht in der 
Hauptsache auf den letzten zwei G-esängen des Orl, für. 
A usgenomm en den 1. Akt und die beiden letzten Szenen / 
des 5. Aktes, folgt derfranzösische Dichter seinem Vorbilde 
in^^ajlen wesentlichen Punkten, ist aber stets bestrebt, den 
epischen Stoff dramatisch . zu . gestalten und schiebt ein bei 
Ariost nicht vorkommendes komisches Element ein. Wörtliche 
Entlehnungen finden sich meist nur in den Vergleichungen. 
Was den Bau des Stückes betrifft, so ist Garnier darauf be- 
dacht, die Einheiten der Zeit un^ des Ortes, im Gegensatze 
zu seiner Quelle, zu bewahren, d. h. in den Fußstapfen Sen<|ca's 
zu bleiben, w odurc h jedoch der Stoff viel von seinem ur- 
sprünglichen Reize verlieft. 

Von einer großen Anzahl von Forschern besitzen wir Urteile 
über den historischen und ästhetischen Wert unseres Stückes. 

Als sehr wichtig scheint uns vor allem das von Vau- 
quelin de la Fresnaie in seinem Art poetique gefällte 
Urteil, das von keinem der von uns angeführten Autoren an- 
gedeutet oder zitiert wird. Im 1. Bd. seiner poesies diverses 
(hrgs. z. Caen 1869, 3 Bde.) findet sich auf S. 86 u. 87 
eine kurze Inhaltsang, der Brad. in Versen, und zum Schlüsse 
wird das Stück als das Muster eines Dramas in bezug auf die 
Wiedererkennung („reconnoissance") und auf die Vermischung 
desTragschenjnit dem Komischen genannt. 

Die Brüder Parfaict zählen es zu den schwächsten 
unter den Dramen Gamier's ^), bezeichnen es aber irrtümlicher- 
weise als die erste Tragikojnödie.^) La Harpe, der große 
Kritiker des 18. Jahrhunderts, erwähnt die Bradamante nicht. ^) 
Dagegen lobt Sainte-Beuve den Dichter, daß er nicht den 
Chor und die allzu große Einfachheit der klassischen Tragödie 
verwandt habe.*) Ebert nennt die Bradamante neben den \ 



*) Hist du Th. fr., Bd. III, 454 f 

*) Dasselbe tut M a u p o i n t {S. 58), welcher sagt, daß das Stück 
„Ariosf* ganz nachgeahmt sei. — Über die erste Tragikomödie s. Böhm, 
Seneca, 8. 4, Änm. 2. 

») Cours de litt, Bd. 1, 460. 

*) Le 16^ s., S. 274. 
Hünchener Beiträge z. romanischen u. engl. Philologie. XXXIV. ^ 



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— 130 — 

\ 

Jüdinnen das bedeutendste Drama untres Dichters, hebt be- 
sonders den Reichtum der Handlung he^rvor, tadelt aber das 
Vorherrschen desjilonologesund die lockere Szenenverbindung^^^) 
Moland konstatiert die Beliebtheit unseres Stückes, das 
noch zur Zeit Scarron's populär gewesen sei.*), Darmesteter 
und Hatzfeld bezeichnen es als das beste von allen 
Stücken Garnier's, nur finden sie die Mischung zwischen 
Komischem und Tragischem nicht immer gelungen. ^) Nach 
Wenzel ist die Exposition des Stückes kur^, die Hand- X 
lung einheitlich, während die Verwicklung durch flie entg egen - Vi 
gesetzten Ansichten der Hauptpersonen ungemein interessiere.*) 
Ganz besonders eingehend kritisiert Faguet Garniöir's Brada- 
mante. Er tadelt vor allem, daß Roger und Bradamante U' 
sich während des ganzen Stückes nicht sehen und daß nicht y 
letztere anstatt Marphisens den Leon zum Kampfe heraus- 
fordert, iloger's Klagen, sagt er, würden mehr wirken, wenn 
sie in einem weniger geschraubten Tone gehalten wären; 
auch Karl's Sprache findet er schwülstig (boursoufl6). *^) 
Bernage, welcher sich speziell mit Garnier befaßt, urteilt 
sehr günstig über die Entwicklung der Handlung und der 
Charaktere und über die Sprache, welche manchmal an 
„Corneille*' erinnere.*) Rigal ist voll des Lobes für unsere 
Tragikomödie, doch sei es dem französischen Dichter nicht 
gelungen, die feinen, zarten Nuancen des italienischen Epos 
wiederzugeben, da er bald die tragische, bald die komische 
Seite des StofiFes übertreibe. Dagegen ist die Handlung, 
nach Rigal, leicht entwickelt und natürlich; bestreiten müssen 
wir aber seine Behauptung, daß die Szene zwischen Aymon, 
Benaud und Beatrix bloße Entlehnungen aus Ariost seien.') 
Levrault®) endlich sagt von Garnier's Stück: «jB^n com- 

^) S. 169. — Weiterhin tadelt er, daß die Mischung zwischen Ko- 
mischem und Tragischem nicht überall durchgeführt sei. 
*) Moliere et la Com. it., S. 126. 
'J Das Urteil stimmt genau mit dem Eberfs überein ! 
*) Montchrestien, S. 18. 
*) La Tr. fr., 216-236. 
•) Etüde, S. 235. 

') Le theätre de la Ren. {Hist, in: Jullev., Bd. III, 293 ff.). 
^) Drame et Trag., 8. 25. Die Behauptung LewraulVs, daß die 



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V 



- 131 — 

posee et fort ingenieuse, eile renferme ä cöte d^ipisodes chevaleres- 
qiies et toiicha?its des seines dSun haut comiqus. • . . Ce fut le 
jpremier eocemplaire de cette tragieomedie qui devait innrer plus 
tard ä des novateurs Videe du drame romantiqus,* 

Erst 22 Jahre nach dem Erscheinen von Gamier's Brada- 
mante macht wieder ein Dichter den Versuch, dieselbe Epi- 
sode dramatisch zu bearbeiten. 1605 nämlich veröffentlichte 
Charles Baut er seine beiden Tragödien tLa Bodoinontade» und 
«La mort de Bodomont*,^) Irrtümlicherweise findet sich bei 
einigen Autoren die Jahreszahl 1603.^)/ über den Verfasser 
wissen wir kaum mehr, als daß er von 1680 — 1630 lebte 
und ein Pariser war.*) Aus dem Datum seiner Geburt geht 
hervor, daß die beiden Tragödien Jugendarbeiten waren, und 
wir werden sehen, wie ihnen alle die Fehler und Schwächen 
solcher Jugendsünden anhängen. 



Brad, die Urquelle des romantischen Dramas seij ist mit Vorsicht auf- 
zurahmen. Jedenfalls wirken noch eine Reihe anderer Faktoren mit zur 
Entstehung des «drame romantique». 

^) Das benützte Exemplar befindet sich in der Bibl. Not. von Paris 
(YS 6680) und trägt den Titel: «^La Rodomontade. Mort de Roger. Tra- 
gedies et Amours de Catherine. A Monsieur le Lieutenant Civil. Paris. 
MDCY». Darunter ist bemerkt: «De Meliglosse, Clarus vates orbis», 
worauf noch ein Vierzeiler folgt: 

«Je chante Rodomonty ses fureurSj ses boutades, 
Et comme un grand Roger Vesclava sous les fers 
Des Parques vaillamment^ et comme les enfers 
Tremblerent de fraieur par ses Rodomontades.» 

Den Tragödien selbst gehen dreizehn Sonette voraus, die dem Ver- 
fasser desselben die Unsterblichkeit versprechen; unter den Sonetten be* 
findet sich ein lateinisches, das sein Bruder gedichtet und mit der Unter' 
Schrift: J. B. Par. [isien] versehen hat. Daraus und aus dem Anagramm 
Meliglosse sowie aus dem Clarus vates orbis [= Carolus Basterius] fand 
man seinen wahren Namen Charles Bauter oder Bautier. 

«) Leris, Dict. port, S. 387; Mouhy, Abregi, Bd. II, 23; 
Maupoint Eist, S. 273. 

«) Goujet, Bibl. fr., Bd. XV, 104—108. Weitere Einzelheiten 
bieten noch: Parfaict, Hist, Bd. IV, 38; Beauchamps, Rech. 2. T., 
8.73; Mouhy, Tabl, 204 u. AJbr., Bd. J, 419; M i c h a u d , Biogr. univ., 
Bd. III, 317 {am ausführlichsten); Didot, Nouv. B. g., Bd. IV, 836 \ 
Vapereau, Dict. univ., S. 213; Or. Enc, Bd. F, 910. 

9* 



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— 132 — 

Über die Quellen der beiden Stücke finden sich bei allen 
von uns zu Rate gezogenen Forschern irrtümliche Angaben. 
Parfaict's Histoire du Th. fr. erwähnt für das erste der beiden 
Stücke keine Quelle, das zweite ^La mort de Eogeri^ nennt 
er «wne grossiere traditctioni^ de l'Arioste ^) ; er scheint also 
nicht zu wissen, daß der jugendliche Roger am Schlüsse des 
Orl, für, heil und gesund aus dem Kampfe mit Rodomont 
hervorgeht. Beauchamps bezeichnet das zweite Stück als 
eine „Nachahmung aus Ariost'S während er vom ersten be- 
hauptet, es sei aus Ariost genommen (prise de VÄrioste).^) 
Andere Literarhistoriker geben als Quellen beider Stücke den 
* Roland furieux> an.*) 

Von dem zweiten Stücke erwähnten wir bereits, daß es 
nicht aus dem OrL für. entnommen sein kann, da das Epos 
mit der Heirat, keineswegs aber mit dem Tode Rogers endet. 

Das erste Stück dagegen geht nur teilweise auf das Epos 
Ariost's zurück, nämlich bis zur zweiten Szene des dritten 
Aktes (inklusive), von wo an uns Bauter Rodomont's Helden- 
taten in der Unterwelt vorführt. 

Der Inhalt des dem Orl. für. entlehnten Teiles ist 
folgender. Akt I: Umgeben von seinen getreuen Roland, 
Regnaut, Olivier, Roger, Aymon, Marphise, Bradamante und 
Leon, rühmt Karl der Große die Tapferkeit seiner Paladine, 
die Paris von den Sarazenen befreit, und die ganze Welt mit 
ihrem Ruhm erfüllt haben. Nur das Schicksal Bradamante's 
macht ihm einige Sorgen; wohl weiß er, daß sie den Roger 
herzlich liebt, aber er hofft, daß sie ihn doch allmählich 
vergessen und dem Leon, der sie im Zweikampf soeben be- 
siegt hat, die Hand zum ewigen Bunde reichen werde, 

€Avisi que le crayon trace premierement 
Sur la ioile s^efface apres fort aisement 



1) Bd. 77, 77; ebenso Goujet, Bibl XV, 104. 

') Rech., 2, Teil, S. 73; ebenso Vapereau, Dict, S. 21S. 

») La Vall., Bibl. I, 365; Mouhy, Tabl, S. 204; Maupoint, 
Bibl, S. 272. — JwMichaud's Biogr. univ. Bd. IV, 853 ivird am 
Ende des Artikels aw/'Moreri, I}ict. hist, hingewiesen, doch fanden 
wir dort Bauter nicht verzeichnet. 



— 133 — 

Par une autre coiileur, ainsi Vamour iwemiere 
Uune fille souvent se ehange en la derniere,^ 

Aymon dagegen ist voller Freude über den Ausgang des 
Kampfes und er gerät in maßlose Wut, als Boland, Marphise 
und sein eigener Sohn Regnaut gegen eine Heirat zwischen 
Leon und Bradamante sich erklären, da diese bereits mit 
Roger verlobt sei. Von seinem Vater bekommt Kegnaut 
die härtesten Schmähungen zu hören: 

« Voicy mon imjmdent qui sans cesse gromelhf . . . 
Qui te fait si Imrdy de faroistre ä mes yeux, . . . 
Si fempoigne un baston, je te feray plics sage 
Respecter cest endroit, et changer de langage.i^ 

Der Kaiser ist auf Seite des alten Aymon, während die 
übrigen ßegnaut's Partei ergreifen und den rücksichtslosen 
Ehrgeiz des Vaters scharf tadeln. Schon will der jähzornige 
Alte zum Schwerte greifen, als Roger und Leon erscheinen: 
so wird durch die Erzählung des Griechenfürsten vom wirk- 
lichen Sieger ein glückliches Ende des Streites herbeigeführt. 
Aymon fügt sich sofort, ohne jede Motivierung, in die neue 
Situation und nimmt Roger mit Vergnügen als Schwieger- 
sohn an. Karl, der kurz vorher erklärt hat, er kenne Roger 
kaum, überhäuft ihn nun mit Lobreden, so daß dieser ge- 
rührt dankt und dem Kaiser seine Dienste anbietet. Leon 
tröstet sich augenscheinlich schnell über seinen Verlust, denn 
nun will er Doralice, von der wir jedoch weiter nichts hören, 
zur Frau nehmen. Gerne gewährt ihm der Kaiser die Ein- 
willigung dazu. 

Akt II: Rodomont zählt die Heldentaten auf, die er vor 
Paris vollführt hat, erklärt, daß selbst Pluto in der Unterwelt 
sich ängstige, es möchte die Erde unter seinen wuchtigen 
Tritten zusammenstürzen. Trotz alledem aber muß er sich 
schämen, da ihn vor nicht gar langer Zeit Bradamante aus 
dem Sattel geworfen hat; seine Ehre wieder herzustellen, ist er 
nun gekommen; als er aber von seinem begleitenden Schild- 
knappen vernimmt, daß auch der von seinem heidnischen 
Glauben abgefallene Roger anwesend sei, beschließt er vor- 
erst, diesem die Schärfe seines Schwertes fühlen zu lassen. 



-^ 184 — 

In der nächsten Szene bittet Aymon seinen neuen Schwieger- 
söhn um Verzeihuog, daß er ihm früher so feindlich gesinnt 
gewesen sei, was Roger ihm gerne vergessen will. Die dritte 
Szene zeigt uns die Hochzeitsgäste, die unter den Klängen 
der Musik sich an die festliche Tafel setzen, ehe das große 
Turnier seinen Anfang nimmt. Wir hören, wie OUvier seinen 
Freund Roland wegen] seiner tollen Liebe zu Angelica ver- 
spottet: 

... «/e regard (TAngelique, 

Cousin, comme je croiSj le courage vous picque 

Non Vhonneur de Boger t>^ 

worauf Roland erwidert: 

. . . « Oliver fay franchy 
Heureusement ce saut et je vis affranchy 
De ses cruelles loi^s, cognoissani sa inalice 
Et le hautain refus de mon humble service.y> 

Karl verkündet nunmehr das Festprogramm für die nächsten 
acht Tage, und eröffnet das Hochzeitsmahl, während Chöre 
lyrische Weisen zu Ehren der Venus und anderer Grottheiten 
anstimmen. Da tritt plötzlich Rodomont herein und fordert 
unter schrecklichen Drohungen nicht nur den abtrünnigen 
Bräutigam Bradamante's zum Kampfe heraus, sondern aUe 
die Ritter der Tafelrunde. Doch flößt er diesen nicht den 
geringsten Schrecken ein, vielmehr verspottet ihn Roland 
wegen seiner Niederlage durch den Arm Bradamante^s und 
Roger macht sich sofort zum Zweikampf fertig, ohne sich 
von den Befürchtungen seiner Braut abhalten zu lassen. 

Akt III: Als Roger nicht sofort auf dem Kampfplatze 
erscheint, bezichtigt ihn der prahlerische Rodomont der 
Schwäche und der Furcht, da es doch ehrenvoll für ihn 
sein müße, von Rodomont's Hand zu fallen. Endlich findet 
sich jener am Platze ein (2. Sz.), begleitet von den Hoch- 
zeitsgästen und der w^einenden Braut, die er vergebens 
zu trösten sucht. Ehe die beiden Gegner aufeinander los- 
stürzen, schleudern sie sich, nach Art der Helden vor lUon, 
Drohungen und Schimpfworte ins Gesicht. Der Kampf 
dauert nicht lange; Rodomont's Rüstung wird durchbohrt^ 



— 135 — 

sein Degen bricht entzwei, er stürzt sich ohne WafiPe auf 
den Gegner, der ihm jedoch den Todesstoß versetzt; so stirbt 
er mit den Worten: 

<Je renie Mahon, fenrage, je despite.^ 

Mit dieser Szene endet bei Ariost der 46. und letzte 
Gesang seines Epos. Für den folgenden Teil istChapuys* 
Bohnd furieiiXj die Quelle, die keiner der oben genannten 
Forscher zu kennen scheint, und die sich am Ende der 
Chapuys'schen Übersetzung des Rol, für, von Ariost be- 
findet, ohne durch eine besondere Angabe von dieser getrennt 
zu sein.^) 

Über das Verhältnis des ersten Teiles zum OrL für, ist 
folgendes zu bemerken: 

Der erste Akt des Stückes zeigt einige Ähnlichkeit niit 
Garnier's Bradamante, besonders die Eede Karl's des Großen 
bewegt sich großenteils in demselben Ideengeleise. Ch. Bauter 
kannte ohne Zweifel die Tragikomödie ; eine Stelle derselben 
entnimmt er sogar nahezu wörtlich dem Stücke Gamier's ^) ; 
außerdem deutet eines der erwähnten Sonette^) darauf hin, 
daß man ihn bei Lebzeiten schon für einen Nachahmer des 
Dichters der Bradamante hielt. Bauter setzt mit seiner 
Handlung da ein, wo Garnier die Lösung des dramatischen 
Knotens herbeiführt (Akt V, 4), nur daß bei diesem die 



^) G. Chapuys, Roland furieux, contenant la mort de Roger . . . 
mise d'italien de J. B. Pescatore. Lyon. 1553. 8^. 

*) Garnier, Brad., Akt IV, 2, v. 1151: 

^Ainsi pour vous, taureaux, vous n'escorchez la plaine, 
Ainsi pour vous, moutons, voii9 ne portez la laine, 
Ainsiy mouscheSy pour vous aux champs vous ne riichez, 
Ainsi pour vous, oiseaux, aux bois vovs ne nichez». 

Vgl. damit Bauter, La Rod. (J. AM): 

<.Ainsi mouches pour vous ne sont pas vos ruchees, 
Ainsi oyseavac pour vous ne sont point vos nichies, 
Ainsi moutons pour vous la laine ne portez 
Ainsi taureaux pour vous la terre n'escartez,» 

*) Die letzten Verse desselben lauten: 
viS'il est ainsi tu as, comme je crois, 
Lame, Ve^prit, d^Euripide Gregeois 
Ou de Garnier Vesprit dans toy repose.» 



— 136 — 

Szene mit der Enthüllung Leon's • beginnt ^), während bei 
Bauter dies erst in der Mitte des ersten Aktes geschieht, als 
Aymon noch im heftigen Streite mit Eoland, Marphise und 
Kegnaut liegt. Der Verfasser der Kodomontade hält sich 
hier jedoch mehr an Ariost; er führt Roland und Olivier 
redend ein, wie es dieser tut (C. XLIV, st. 60), läßt, wie der 
italienische Dichter, (C. XLV, st. 104), Bradamante an dem 
Streite Aymon's mit seinen Widersachern teilnehmen, wogegen 
sie bei Garnier nicht anwesend ist (Akt IV, 5). Wie bei 
Ariost (C. XLVI, st. 64), so bittet Aymon in der Rodo- 
montade seinen Schwiegersohn Roger um Verzeihung wegen 
seines früheren Verhaltens^); bei Grarnier ist die Stelle aus- 
gelassen.^) Dagegen ahmt er den letzteren darin nach, daß 
er Bradamante am Ende des Streites auf der Bühne erscheinen 
läßt, während sie bei Ariost in ihrer Kemmenate bleibt, und 
daß er Leon mit Doralice sich vermählen läßt (bei G-amier 
mit Leonore). 

Vom 2. Akte an hat Bauter kein anderes Vorbild mehr 
als den OrL fur,^) Rodomont's erstes Auftreten '^) ist eigene 
Zutat des dramatischen Dichters, wobei er sich allerdings 
auf die beiden Stanzen 102 u. 103 des 46. Gesanges stützt; 
eigene Erfindung des französischen Tragikers ist auch die 
Schilderung des Hochzeitsmahles ®) , die Einführung von 
Chören '), augenscheinlich eine Nachahmung der klassischen 
Tragödie, endlich die Worte Karl's und das Gespräch zwischen 
Olivier und Roland vor dem zweiten Auftreten Rodomont's.®) 



1) Akt F, 4, F. 1630: 

«Voicy le CJievalier dHncroyable vertu» etc. 

«) Akt 7, Sz. 3. 

») Vgl. Akt 7, Sz. 7. 

*) Orl. f., C. XLVI, 8t. 101—140, 

^) Im Epos erscheint Rodomont am letzten, d. h. neunten Tage der 
Hochzeitsfestlichkeiten (C. XLVI, st. 74 u. 101), bei Bauter kommt 
Rodomont zwei Tage vor der Hochzeit an {Akt II, 1). 

*) yg^' Orl. fur.y C. XLVI, st. 73, 74 und 75, wo nur ein paar 
Verse dasselbe schildern. — Ariost gibt dagegen eine lange Beschreibung 
eines von Melisse gewirkten Teppichs (ibd., st. 76 — 101), 

') Die Verse des Chores werden hier gesungen {«Chceur des Musiciens»), 

*) Karl setzt in einer langen Rede das Programm für die Festlich- 



— 137 — 

Auch Bodomont's Aufschneidereien bei diesem letzten 
Auftreten finden sich nicht bei Ariost, der dem Helden 
nur wenige Worte bei dieser Gelegenheit in den Mund legt.^) 
Dagegen ist der rührende Abschied £.oger's von seiner ge- 
liebten Braut ganz nach der Quelle geschildert und ist als 
der schönste Teil des Stückes anzusehen. Wie besorgt fragt 
Boger nicht seine Braut, warum sie denn so furchtsam sei: 

tEt qu'est ceei/y mon cceur, ma chere Bradamante, 
Je vous vois toute pasle et cf'aintifve et tremblante?> 

(Akt III, 2). 
Und wie rührend ist deren Antwort: 

tPuis je avoir du plaisir voics voyant ä mes yeux 
Marteller et blesser par cet audadeux ? 
Non, non, autant de coups qui toucheront vos armes, 
Me seront tout autant de fleches et d'alafines, 
Qui mendront mJassaülir ...» (ibd.) 

Der Zweikampf der beiden Helden mußte natürlich im 
Drama anders dargestellt sein, als im Epos ; hier ^) wird 
Bodomont am Schenkel verwundet, so daß er zu Boden 
sinkt, worauf sich Boger auf ihn stürzt und ihm nach kurzem 
Bingen den Todesstoß versetzt. In der Tragödie bricht 
Eodomont*s Degen entzwei, und Boger tötet mit Leichtigkeit 
den waffenlosen Gegner. Das Gespräch, das während des 
Kampfes zwischen Boger und Bodomont geführt wird, ebenso 
die Beglückwünschung des Siegers durch die Zuschauer und 
die Anordnung Earl's, daß die Leiche des Bodomont den 
Baben zum Fräße vorgeworfen werde, sind Zutaten Bauter's. 
Bei Ariost flieht bekanntlich die Seele Bodomont's aus dem 
Leibe und eilt hinab in das düstere Beich der Unterwelt: 

€AUe squallide ripe d^Acheronte, 

Sdolta dal corpo piü freddo che ghiaccio, 



keiten fest und fordert die Bitter zur eifrigen Teilnahme an den Turnieren 
auf Olivier^s und Rolandes Gespräch ist bereits erwähnt worden. 

^) Orl. f, C. XLVIj 105 u. 106. Nur der vorletzte Vers von st. 106 
enthält eine gewisse Prahlerei: 

«Äe non basta uno, e quattro e sei n^accetto.^ 

«) Orl. für., a XLVl, st. 130 ff. 



— 138 — 

Bestemmiando fuggi VAlma sdegnosa^ 

Che fu si altiera dl Mondo e si orgogliosa^)i^ 

Von den VerändeningeD, die in der Rodomontade an 
einzelnen Charakteren gemacht wurden, heben wir be- 
sonders diejenigen hervor, welche an dem Charakter der 
Hauptperson, an Eodomont, zu bemerken sind. Ariost 
charakterisiert, wie soeben bemerkt wurde, seinen Helden: 

€ Che {VÄlma sdegnosa) fu si altera al Mondo e si orgogliosa, > 

Stolz und hochmütig ist er auch bei Bauter, aber dieser 
stolze Hochmut wird zum Spott durch die ungeheuerlichen 
Aufschneidereien, die sich nahezu in jedem Gedanken finden, 
den er ausspricht. Führen wir einige seiner „Rodomontaden" 
an. Von seinen Heldentaten bei der Belagerung von Paris 
erzählt er u. a. folgendes: 

« Quand je frappois du pied, le carreau offense^ 

Sur lequel je frappois esioit tout emhraxe 

Le feu de ce carreau croissoit en teile sorte 

De carreaux en carreaux, que soudain une parte 

Se irouvoit emhrasee, et ses rameaux ardans 

Alloyent de coup sur coup tellement s^estendaiis 

Dedans ceste maison qu^aussi tost sa voisine 

Ärse ni'estoü apres sa voisine en ruine.^ (Akt II, 1,) 

Pluto zittert in seinem Reiche, wenn des Helden Tritt 
auf der Erde erdröhnt, Nereus beschwichtigt die Wogen auf 
Rodomont^s Befehl. Bei Ariost will dieser mit vier oder 
sechs Rittern den Kampf aufnehmen ^), bei Bauter fordert er 
alle Anwesenden in die Schranken (II, 3): 
ۆh de tes paUadins n^estre pas suffizant 
Pour s^ attaquer ä moy, qu^üs viennent tous ensemble,'> 

Als er bereits den tödlichen Streich empfangen hat, ruft 
er noch prahlend und drohend seinem Sieger zu: 
«... Ah je suis assez fort 
Pour ores te dompter et te donner la mort!> 

(Akt III, 2) 



*) Letzte Stanze des Epos. 

«) Orl für,, C, XL VI, st 106. 



— 139 — 

Wie kommt Bauter zu dieser fundamentalen Verände- 
rung eines bei Ariost ganz ernst zu nehmenden Charakters? 
Zwei Möglichkeiten einer ErkläruDg sind vorhanden. Dem 
Dichter konnte die Gestellt Aymon's in Grarnier's Brada- 
mante Yorgeschwebt haben, die ja ganz lebhaft an Eodo- 
jnont erinnert, oder — und das ist das Wahrscheinlichere — 
Bauter dachte an den tmües gloriosiis:^ der französischen 
und der italienischen Komödie.^) Dort fand er nicht nur einen 
derartigen Charakter fertig geschaffen vor, sondern er fand 
sogar schon einen Bodo mont in der französischen Komödie, 
der mit denselben Eigenschaften ausgestattet war, wie er ihn 
dann in seiner Bodomontade schuf.*) Natürlich wollte Bauter 
mit seinem Bodomont nicht einen Lustspielhelden, sondern 
eine echt tragische Bühnengestalt schaffen. 

Neben dieser Hauptperson des Stückes treten die übrigen 
Rollen nur wenig hervor. Auch fehlt ihnen jede psycholo- 
gische Grundlage; so will Aymon zuerst nur Leon, den Thron- 
folger d^s byzantinischen Reiches, zum Schwiegersohn, nimmt 
aber dann mit Roger ebensogut vorlieb, ohne daß dieser, wie 
bei Garnier, die Königskrone von Bulgarien erhalten hat ; die 
Sinnesänderung Aymon's ist also nicht motiviert. Leon's 
plötzliche Verlobung mit Doralice ist ebensowenig begründet. 

Nur Roland's Charakter weist eine Eigentümlichkeit auf, 
die wir bei Ariost an dieser Stelle nicht bemerken. Olivier 
neckt ihn wegen seiner Liebe zu Angelica, indem er seines 
Freundes brennende Begierde, im Turniere aufzutreten, dahin 
auslegt, daß dieser dort von Angelika gesehen zu werden 
wünsche. Roland entgegnet ihm aber, seine törichte Liebe 
zu dieser spröden Schönen sei längst schon gestorben. Später 
(Akt II, 3) heißt es, daß Thetis ihn unverwundbar .gemacht 
habe. Diese beiden neu hinzugefügten Bemerkungen über 
Roland wären sicherlich besser weggeblieben, da sie uns diese 
bei Ariost so menschlich sympathische Figur etwas entfremden, 
und unnatürlich erscheinen lassen. 



^) S. Fest, Der mil. glor.j S. 58 ff., wo diese Gestalt in einer Reihe 
von Komödien des 16. Jahrh. nachgewiesen wird. 

*) In Remy Belleau's Reconniie findet sich der Cap. Bodomont; 
9, darüber Fest, l. c, S. 34ff. 



— 140 — 

Bradamante und Roger, das glückliche Brautpaar, sind 
entschieden am besten gezeichnet, doch treten sie nur in der 
rührenden Abschiedsszene hervor, auch ist nicht eine Spur 
psychologischer Entwicklung in ihrer Liebe vorhanden, die 
uns die beiden Gestalten interessant machen könnte. 

Wörtliche Entlehnungen, wie sie bei Garnier's Tragi- 
komödie zu finden sind, haben wir hier nicht entdeckt; die 
bereits zitierten zwei Gleichnisse sind die einzigen in der 
Rodomontade. 

Fassen wir die vorstehende Untersuchung kurz zusammen, 
so müssen wir sagen, daß das Stück, soweit es seinen Stoff 
Ariost's Epos entlehnte, wohl eine lebendige Handlung auf- 
zuweisen hat, daß ihm dagegen jede psychologische Entwicklung 
sowohl im Aufbau der Handlung wie in der Zeichnung der 
Charaktere fehlt. Da der Eindruck, den die Rodomontade 
macht, ein durchaus komischer ist, verdient sie überhaupt 
nicht den Namen Tragödie. Eher wäre man versucht, sie 
für die Parodie einiger der Ariost'schen Heldengestalten 
anzusehen. 

Nur wenige Forscher haben sich mit diesem Stücke be- 
schäftigt. Die Brüder Parfaict tadeln vor allem die 
Rodomontade.^) Goujet nennt La Rodomontade Und La 
mort de Roger Stücke, welche die Aufmerksamkeit des Lesers 
nur in geringem Maße verdienten.^) Nach Mouhy ist die 
erstgenannte «une tragedie on ne pent pas plus foihle»,^) Bei 
Michaud endlich heißt es von Gh. Bauter : tll j^rend le nom 
de Meliglosse — c^est ä dire langue de miel, qui ne kd eonvenait 
guere ; car sa versification est tres dure,-»^) Wir können den 
absprechenden Urteilen, welche wir soeben angeführt haben, 
nur beistimmen. 

Trotz ihrer Minderwertigkeit erlebte die Rodomontade 
mehrere Auflagen. Bereits 1613^) erschien die zweite zu 



1) Eist d. Th. fr., Bd. 77, 7o. 

«) Bihl, Bd. XV, 104. 

3) Tablettes, S. 204. 

*) Biogr. icniv., Bd. III, 317. 

^) Leris, Dict., S. 387: «fort rare et peu connue». Dasselbe sagt 



— 141 — 

Ronen, welche nach Brunet einige Veränderung aufweist und 
von der nur mehr wenige Exemplare existieren ; zwei weitere 
Auflagen erschienen 1619 und 1620 zu Troyes.^) 

Das nächste Stück, welches uns beschäftigt, ist die Bra- 
damante La Calpren^de's, welche 1637, also ein Jahr 
nach Corneille's „Cid", im Drucke erschien^), nicht 1636, 
wie G-oujet fälschlicherweise angibt. ^) La Calprenöde ist 
eigentlich nur als Romanschriftsteller in der Literatur be- 
kannt, doch ist seine Tätigkeit als Dramatiker nahezu ebenso 
umfangreich. 

Geboren in der Gascogne, trat er frühzeitig iü ein Pariser 
Garderegiment ein mit dem Manuskript des Mithridate in der 
Tasche, welcher im nämlichen Jahre wie die BrAdamante ge- 
druckt und aufgeführt wurde. Auf diese beiden Stücke folgen 



M o D h y , Ahr., Bd. J, 419 ; Anecd. dram., Bd. II, Ml ; Brunet, Man. du 
Uhr., Bd. III, 1590. 

1) Parfaict, Eist, Bd. IV, 38; La Valliere, Bibl. d. Th. fr., 
Bd. J, 365; Beauchamps, Beck., 2. Teil, S. 73; Brunet, Man., 
Bd. III 1590. 

®) Wie belieht die Fortsetzungen des Orl. für., in denen die Schick- 
säle der Ariosf sehen Helden meist in grotesker Weise weiter erzählt 
werden, in Frankreich waren, beweist der Umstand, dafi noch zwei Tra- 
gödien diesen Stoff behandeln. Wir haben aus dem Jahre 1625 <iLa mort 
de Roger» und «La mort de Bradamante, tragedies tirees de la suite de 
VArioste» {s. Parf., Bist, Bd. IV, 77; Beauchamps, Rech., 2. Teil, 
S. 97; La Valliere, Bibl, Bd. I, 365: L6ris, Dict., S. 88). Beide 
Stücke erschienen in der Sammlung «Le Thedtre frangois», Paris, Gr. Loyson, 
1623, bzw. 1625, 8^. Von der «Mort de Bradamante» erschien übrigens, 
nach Parfaict, BAst. (ibd.), bereits 1622 eine Sonderausgabe {s. auch 
Leris, Dict, S. 88). 

») Bibi. fr. XVllI, 226, ebenso Leris {Dict. SS); Lucas, Bist., 
Bd. III, 280. — Das Datum 1637 geben an: Beauchamps [Rech., 
2. Teil, S. 171); Parfaict {Bist, Bd. V, 217); Mouhy {Tabl. I, 30; 
Äbr., Bd. /, 7Ö); Niceron (Mem., Bd. XXXVIl 235 u. 243); La 
Porte et Cham fort (Dict, Bd. III, 562); Michaud [Biogr. univ., 
Bd. IV, 428); Didot {Biogr. gen., Bd. XXVIU, 447); Vapereau 
{Dict. univ., S. 1151); La Grande Encycl., Bd. XXI, 705, woselbst Aus- 
führlicheres über sein Leben nachzulesen ist. Auch sei hier noch auf 
Körting {Gesch. d. frz. Romans, I. 245) hingewiesen, der aus den oft 
höchst dramatisch geschriebenen Romanen schliefU, daß La Calpy\''s Dramen 
„relativ wertvoll^ seien. 



— 142 — 

noch sieben weitere, meist historischen Inhalts, welche sich 
bei Beauchamps verzeichnet finden.^) 

Folgendes ist kurz der Inhalt der Bradamante. ^) 

Akt I: Roger wird von Leon gebeten, den Zweikampf 
mit Bradamante für ihn und in seiner Rüstung auszufechten ; 
vergebens sträubt sich der unglückliche Held dagegen, doch 
die Bitten des Griechen sind so eindringlich, die Dankesschuld 
dünkt Roger so gfoß, daß er schließlich zusagt, nicht ohne 
seine eigene Tapferkeit zu verwünschen, die ihm ein so ver- 
hängnisvolles Geschenk geworden sei. Bradamante, welche 
ihren geliebten Roger weit in der Ferne glaubt, wünscht 
seine Ankunft dringend herbei, um sie aus der drohenden 
Gefahr zu befreien, im Kampfe gegen den Griechen jüngling 
zu unterliegen. Denn die Stunde des Kampfes ist bereits 
nahe, und Karl läßt sich trotz der Bitten Marphise's und 
Leon*s, welch' letzterer aus aufrichtiger Liebe zu Bradamante 
vom Kampfe zurückschreckt, nicht bewegen, im letzten Augen- 
blick den Zweikampf zu verbieten. Der Akt schließt mit 
einem Dialoge zwischen Aymon und Marphise, in dessen Ver- 
laufe der Vater Bradamante's das kühne Amazonenmädchen 
wegen ihrer Parteinahme für Roger mit scharfen Worten tadelt. 

Akt II: Zwei Monologe eröffnen diesen Akt; in dem 
einen Sucht Leon seinen Betrug, Roger an seiner Statt in 
den Kampf zu schicken, zu rechtfertigen, indem er darauf 
hinweist, daß seine Liebe zur Gegnerin während desselben 
ihn verwirren möchte; in dem anderen Monologe überlegt 
Roger vergeblich, wie er seiner ihn nicht kennenden Geliebten 
im Kampfe gegenübertreten solle; die Bradamante besiegen, 
heißt für ihn, sie verlieren, sich von ihr besiegen lassen, ist 
gleichbedeutend mit Treubruch an dem Freunde. Nachdem 
Aymon noch einmal den Versuch gemacht hat, seine Tochter 
vom Kampfe abzuhalten und Leon's Hand ohne Kampfes- 
bedingung anzunehmen, beginnt der Zweikampf; lange hält 



^) Recherches, 2. Teil, S. 125ff, 

*) Benutztes Exemplar: La Bradamante^ Tragicomedie, A FariSj 
1637. 4®. Das Priv, ist ausgestellt am 7, Febr. 1637 j während das des 
Mithridate bereits das Datum des 30. Sept. 1636 trägt. 



— 143 — 

sich Eoger in der Verteidigang; als aber Bradamante einea 
Augenblick zurückweicht, drängt er ihr nach, entreißt ihr den 
Degen, so daß sie sich für besiegt erklären muß. 

Akt III: Während Bradamante trostlos über ihre Nieder« 
läge ist und sich weder von ihrem Bruder Renaud noch von 
ihrer Freundin Marphise freudig stimmen läßt, wird auch 
Boger seines Sieges nicht einen Augenblick froh, sondern 
klagt laut das Schicksal an. Schon will Karl dem Griechen- 
fürsten, der ja als Sieger gilt, den köstlichen Preis, die Hand 
Bradamante's, zuerkennen, als Renaud und Marphise, zum 
größten. Arger des alten Aymon, den königlichen Richter 
bewegen, Leon nur dann den Preis zu gewähren, wenn er 
noch mit Roger, dem heimlichen Verlobten Bradamante's, 
kämpfe. 

Akt IV: Leon, der feige Orientale, welcher auch dies- 
mal nicht in die Schranken des Kampfplatzes zu treten wagt, 
sucht seinen Helfer auf; er findet ihn in tiefster Traurigkeit, 
deren Grund zu erfahren ihm auch gelingt. Nun will 
Leon zeigen, daß auch er edel sein kann und verzichtet auf 
weitere Bewerbung um die schöne Tochter Aymon's. 

Akt V : Beide gehen nun an den Hof, an welchem man 
schon glaubt, der Grieche habe die Flucht ergriffen. Sie 
enthüllen nun, wer der eigentliche Sieger im Kampfe gewesen 
ist; da gleichzeitig bulgarische Gesandte dem Roger, der 
ihr Volk so ritterlich in der Schlacht von Novengardes unter- 
stützt hatte, die königliche Krone anbieten, steht einer end- 
gültigen Verlobung der beiden Liebenden auch von Seite des 
ehrgeizigen Aymon kein Hindernis mehr im Wege. 

Der Gang der Handlung ist nahezu ganz derselbe wie 
bei Ariost Die wenigen Punkte, in denen er von seiner 
Quelle abweicht, sind folgende: Der französische Dichter 
drängt die ganze Handlung in den Zeitraum eines Tages zu" 
sammen, um die Einheit der Zeit zu retten, während bei Ariost, 
wie wir früher gesehen haben, eine viel längere Zeit ange- 
geben ist. Auch die Beobachtung der Ortseinheit zwingt den 
dramatischen Dichter, vom Epos abzuweichen, wo verschiedene 
Schauplätze (Leon's Heimat, Bradamante's Wohnung, die 
Kaiserpfalz, die Wildnis etc.) anzunehmen sind. Von den 



— 144 — 

Personen, die im OrL für. auftreten, vermissen wir bei La 
Calpren^de Aymon's Frau, Beatrix, wogegen La Calprenöde 
eine neue Rolle in Zenon, dem „Freunde" (Vertrauten!) 
Leon's, schafft. 

Femer ließ der französische Dichter mit richtigem Ge- 
fühle die Zauberin Melisse aus seiner Tragödie fort, indem 
er Leon nicht durch die Führung Melisse's, sondern auf 
eigenen Antrieb den Ort besuchen läßt, wo Roger sich 
aufhält : 

«Je me sens inspire de visiter ce bois* 

(Akt IV, Sz. 3, S. 85). 

Endlich erscheint bei La Calprenede in der Schlußszene 
die glückliche Bradamante auf der Bühne, während sie bei 
Ariost in der stillen Kammer Freudentränen vergießt {OrL 
für., G. XLVI, st. 65). 

Was die Charaktere der einzelnen Personen betrifft, so 
leiden sie an demselben Fehler, wie die Gamier's ; sie sprechen 
zu viel, und handeln zu wenig; entweder sind sie ohne jede 
Entwicklung, oder, wenn sie ihren Sinn ändern, gibt der 
Dichter kein hinreichendes Motiv an (z. B. im Falle Leon's); 
während Gamier's Helden immer noch eine gewisse Rau- 
heit und unbeholfene Naivität an sich haben, fehlt den Ge- 
stalten im Stücke La Calprenöde's auch diese, bei Ariost 
so scharf hervortretende Eigenschaft. Roger und Leon denken 
zu viel, sprechen zu viel in Antithesen, als hätten sie die 
Logik des Aristoteles im Kopfe. Man merkt, daß der 
Verfasser des Stückes den Cid kannte, wo ähnliche innere 
Konflikte auf der Bühne analysiert werden. La Calprenöde 
scheint überhaupt nicht die Absicht gehabt zu haben, einiger- 
maßen historisch getreue Charaktere zu schaffen, sondern 
er wollte ein ganz modernes Stück schreiben mit Franzosen 
des 17. Jahrhunderts auf der Bühne. Darum macht er Kaiser 
Karl zum „König". Roger ist bei ihm das Vorbild eines ga- 
lanten Hofmannes; gleich bei seinem ersten Auftreten am 
Hofe sagt er dem Könige und seinem Gefolge die plattesten 
Schmeicheleien (Akt I, Sz. 6, S. 24). Die Bradamante La 
Calprenöde's ergeht sich in herben Vorwürfen gegen ihren 
Geliebten den sie wiederholt des Treubruchs beschuldigt; 



— 146 -^ 

trotzdem erklärt sie, ihn noch zu lieben; wir sehen in ihr 
das leidenschaftliche Weib, leidenschaftlich im Zorne nnd in 
der Liebe. Vgl. z. B. Akt I, 3, S. 27 : 

€Mon comr ne retient phis la douleur qui te presse 

II est vray ce perfide a faiisse sa promesse, 

L'ingrat a vioU sa foy^ 

11 n^a point de regret de favoir dSlaissee, 

Et ne se souvient plus de toy 

Quoiqu^U mve dans ta pensee, 

Quel esprit prevoyant ettst recognu la faule 

Des serments quHl me fit d'une amiti4 si saincte, 

Et de tant de fidelite? 

Que feusse creu faillir conire mon grand courage, 

De soupQonner de lächetej 

Ses discours et son beau visage,i^ 

In diesem Tone schmäht sie den abwesenden Boger den 
ganzen ersten Teil des Stückes hindurch. Wieviel edler 
spricht doch die Bradamante des Ariost von ihrem fernen 
Geliebten ! Zwar furchtet auch sie dann und wann, er könnte 
sie vergessen haben, aber gleich fassen wieder Hoffnung und 
Zuversicht in ihrem Herzen Platz: 

tNuovo pensier ch^a qtieslo poi snccede, 
Le dipinge Ruggier pieiio di fede.T> 

(C. XLV, St. 29.) 

Wie bei Garnier, so hat auch in diesem Stücke der alte 
Aymon einen Stich ins Derbkomische. So sagt er z. B. in 
der 3. Szene des 2. Aktes (S. 29) zu seiner eigenen Tochter : 

«Fflf, tygresse, va rrionstrey horreur de la nature, 
Veuille le Ciel sur toy venger ta propre injure 
Et pour te faire voir son pouvoir ahsoluy 
Te perdre en ce combat, puisque tu Vas voulu,^ ^) 

Doch als er seine Tochter am Kampfplatze erscheinen 
siebt, vergißt er seinen Groll und ruft in gerechtem Vater- 
stolze aus: 



*) Vgl. Akt I, 7, S. 19y die Worte, welche er an Marphise richtet, 
femer Akt II, 5, S. 32, wo Aymon seinen Sohn Renaud zurechtweist. 
Münchener Beiträge z. romanischeu u. engl. Philologie. XXXIV. 10 



— : 146 — 

aCette ferocüe pleine de tant d'cmdacej 

Qui mesine sous Varmet se remarque en sa face, 

Ce port majestueux et doux egalement 

Paroist en mestne temps redoutable et charmant,» 

(Akt n, 4, S. 31.) 

Im Stile und im sprachlichen Ausdrucke ist das Stück La 
Calprenede's vollständig unabhängig von seiner stofflichen 
Quelle ; die vielen bei Ariost und bei Garnier vorkommenden 
Vergleiche sind hier verschwunden bis auf einen, der dem 
OrL für. entlehnt zu sein scheint: 

«Et le sang qui ruisselle en mille et mille lieux,» 

(Akt V, 2, S. 92.) 

Vergleiche damit OrL für. (C. XLIV, st. 87): 
<^E il sanguey come un rio, corre alla valle,» 

Die PreresParfaict meinen, daß der Verfasser seinen 
Vorgänger Garnier nachgeahmt habe ^) ; es kann das höchstens 
für die Charakterzeichnung Aymon's gelten ; im übrigen schließt 
er sich, wie wir gesehen haben, ausschließlich an die italienische 
Quelle an. 

Wollen wir ein kurzes Urteil über die Bradamante La 
Calprenöde's fällen, so müssen wir vor allem von einer Ver- 
gleichung mit der Bradamante-Episode im ital. Epos absehen; 
wir dürfen die Ariost'schen Helden nicht mit den höfischen 
Gestalten La Calprenede's in Zusammenhang bringen. Unter 
dieser Bedingung aber ist dem Stücke ein gewisser Wert nicht 
abzusprechen: psychologische Vertiefung einzelner Charaktere, 
spannender Gang der Handlung und leicht dahinfließende 
Sprache sind die Hauptvorzüge des Stückes. 

Die wenigen Kritiker, welche das Werk erwähnen, scheinen 
unsere Meinung über dessen Wert nicht zu teilen. So nennen 
es die Fröres Parfaict das schwächste Stück des Dichters 
in bezug auf den Aufbau, die Versifikation und die Charaktere.^) 



^) Hist., Bd. 7, 217. 

*) Hist., Bd. Vj 217 : «De toutes les pieces de M. de la CalprenMe, 
voici la plus faible pour la conduite, et la versification, et nulle noblesse 
dans la peinture des car acter es de ses personnages. On y troiive meme des 
scenes qui frisent les discours des petits bourgeois.» 



— 147 -^ 

Mouhy gibt ihm die Epitheta <iimediocr6 et mal diahguee*.'^) 
Ahnlich urteilt Pifteäu darüber, wenn er sagt: nBradamanie 
est iine des plus faibles pieces de VAuteur ä tous les points de 
vue, n'ayant rien de rettssi: ni Vintriguey ni Us verSy ni les carac- 
ieres, ni le ton qui n'est celui d'une comedie bourgeoise.*^) 

Es scheint, als ob die Bradamante La Calpren^de's 
eine Zeitlang dem bekannten Eestarrangeur Ludwig XIV., 
dem Herzog von Saint- A ig n an zugeschrieben worden sei; 
wenigstens finden sich diesbezügliche Bemerkungen bei Be au- 
ch amps^) und Goujet;^) der Irrtum kam wohl daher, 
daß La Calpren^de's Tragödie anonym erschien und daß 
Saint-Aignan, allerdings 27 Jahre später (1664), eine 
Bradamante ridicule schrieb, die jedoch nicht gedruckt wurde. 

Zu den Stücken, welche ebenfalls die Bradamante-Episode 
behandeln, gehören auch ^Les amours d^Angeliqiie et de Medor> 
von Gabriel Gilbert^), obwohl der Titel eher eine Nach- 
ahmung der später zu besprechenden Roland-Episode ver- 
muten ließe. Das Stück erschien im Drucke 1664.®) In der 

^) Tablettes, Bd. 1, SO. 

^) Bist., S. 139. Pifteau's Urteil scheint ein Plagiat der Br. 
Parfaict zu sein. 

') Rech., 2. Teil, S. 153: «Cette pi^ce, suivant M. d. C, est douteuse 
entre lui et le duc de Saint-Aignan.» 

^) Bibl. fr., Bd. XVIII, 226: <^L'Abh6 de Marolles, dans soti De- 
nombrement d^Anteurs, attribue ä Fr. de Beauvilliers, duc de Saint-Aignan, 
une piece de Theätre intitulee Bradamante, et M. VAbbe d'Olivet dit quHl 
y eut en effet une Tragi-Comedie sous ce titre, imprimee sans nom d'Auteur 
en 1637. Les Ecrivains de VHist. du Th. fr. (Parfaict) ne la nomment 
point; ils ne parlent que de la Tragi-Comedie de Bradamante, du Sieur 
de la Calprenede qui est de 1636.» Die beiden Stücke von 1637 u. 1636 
^ind identisch, da ja, wie tvir bereits bemerkt, La Calprenede^s «B^'ada- 
mantei^ 1637 erschien. 

^) Das benützte Exemplar [s. Bibliogr.) befindet sich in der Bibl. 
nat. zu Paris (Y. Th. 806). 

*) Alle von uns zu Rate gezogenen Forscher führen dieses, Datum 
an: Fr. Parfaict {Eist. IX, 247); Beauch. {Rech., 2. Teil, S. 169); 
lieris {Dict, S.33); Lü.Y alli er e {Bibl, Bd. III, 17); Anecd. drara. 
(Bd. 1, 65); La Porte et Chamfort {Dict. I, 87), die auch eiyie 
kurze Inhaltsangabe des Stückes bringen; Didot {Biogr. gen., Bd. XX, 
495); Brunei [Man., Bd. II, 1591); Vapereau {Dict un., S. 884); 
Lucas, Bist. III, 295. mir Mouhy {Abr. I, 36; II, 170) gibt 

10* 



— 148 — 

Vorrede sagt der Verfasser, daß es sein 16. Drama sei. Von 
Gilbert wissen wir, daß er der reformierten Kirche angehörte 
nnd im Dienste der Königin Christine von Schweden stand; 
nachGoujet nahm er (vor 1657) einen längeren Aufenthalt 
in Italien^); trotz seiner hohen Stellung als «Secretaire des 
commandements:» bei der Königin Christine und trotz seiner 
fruchtbaren Schriftstellerei ^) waren seine Vermögensverhält- 
nisse stets zerrüttet; er starb um 1680 in großer Armut in 
einem fremden Hause.^) 

Wir wollen nunmehr versuchen, die etwas verwickelte 
Handlung der tÄmours (TAngelique et de Medor» in kurzen 
Zügen zu schildern. 

Akt I: Arimand (mit seinem wahren Namen Medoi'), 
erzählt seinem Vertrauten, daß er aus Liebe zu Angelika 
ihres Vaters Reich vor Aufruhr geschützt habe und nun- 
mehr schon seit sechs Monaten am französischen Hofe weile, 
um stets in ihrer Nähe zu sein. Ein bevorstehendes Turnier, 
für welches jede der Damen am Hofe einen ihr sympathischen 
Ritter als Kämpen auszuwählen hat, soll dem verliebten 
Arimand zeigen, ob seine Geliebte ihm wirklich zugetan 
ist. Zu diesem Zwecke streut Alidor, der Vertraute Ari- 
mand's, das Gerücht aus, Medor sei aus Spanien zurück- 
gekehrt, und wolle sich als Ritter für Angelika anbieten und 
so, laut Beschluß des Kaisers, deren Hand gewinnen. Da 

das Datum 1644 an, was zweifellos auf einen Druckfehler zurücksni- 
führen ist. 

^) Bibl. fr., Bd. XVIlIj 87. — G. Hartmann scheint Goujefs 
Angaben nicht zu berücksichtigen {s. Hartm., Merope, S. 15); vgl. 
Kritik d. Arbeit v. Stiefel {ZfSp. 1893, Bd. XV, S. 43 ff.). — Auf 
Goujet stützen sich Haag, La Fr. prot, Bd. V, 265 — 267; La Ghr. 
Enc, Bd XVIII, 930. 

«) Nach Goujet (Bibl. fr., Bd. XVIII, 86) ist er der Verfasser 
von 5 Tragödien, 4 Tragikomödien, 2 Schäferdramen n. 1 Komödie; 
außerdem schrieb er noch einige lyrische Sachen. Goujefs Angaben 
können nicht richtig sein, da ja Gilbert seine Tragikomödie Angilique 
et Medor bereits das 16. Stück nennt, ßeauchamps behauptet, die 
anderen Stücke seien unbekannt (Rech. II, 168). Auch Brunet {Man., 
Bd. 11, 1591) führt nur die von Goujet erwähnten Stücke an. Demnach 
scheinen die fehlenden bis jetzt nicht bekannt zu sein. 

') Beauchamps, Bech. II, 170. 



— 149 — 

aber Angelika befürchtet, Medor möchte zu spät erscheinen, 
bittet sie Arimand, den sie wegen seines opferwilligen Dienst- 
eifers heimlich liebt, an Stelle jenes Ritters für sie in die 
Schranken zu treten. 

Akt II : Nachdem Angelika erzählt hat, daß sie Medor 
Liebe schulde, weil er sie von den verderbbringenden Klauea 
einer Bärin gerettet habe, erhält sie den Besuch dreier 
„Freundinnen", deren Namen uns gut bekannt sind, nämüch 
von Marphise, Isabelle und Bradamante; dank ihrem weib^ 
liehen Scharfsinne entdecken sie bald, daß Angelika eine 
stille Neigung für den schönen Arimand hegt, die dieser 
nicht unerwidert läßt und da nun jede von ihnen gleichfalls 
in Liebe zu dem Jüngling entbrannt ist und den Wunsch hegt, 
er möchte ihr Kämpfer im Turniere sein, so verleumden 
sie ihre „Freundin" in ganz schändlicher Weise und bieten 
sich gegenseitig deren Verehrer als „Turnierdamen" an; als 
Arimand zum Kaiser befohlen wird, fallen die drei Frauen 
über Angelika her und schleudern ihr die unsinnigsten Ver- 
dächtigungen ins Gesicht. 

Akt III: Roland, Renaud und Roger versuchen von 
Arimand zu erfahren, ob er Angelika's Liebe sicher sei und 
ob er für sie im Turniere kämpfen werde. Da aber ihr Be- 
mühen fruchtlos bleibt, bietet sich jeder von ihnen dem 
Mädchen als Ritter im Zweikampfe an und erzählt dabei mit 
den größten Übertreibungen seine Heldentaten, während 
jeder den Medor, der ja als Verlobter Angelika's gilt, ver- 
leumdet. 

Akt IV : Nun bringen Marphise, Bradamante und Isabella 
der Angelika die Nachricht von Medor's Ankunft am Hofe, 
nicht ohne ihr dabei einige grobe Beleidigungen zu sagen; 
Angelika ist jedoch keineswegs über diese Nachricht erfreut, 
da, sie bereits Arimand mehr zu lieben glaubt als Medor, 
und als ersterer, um sie auf die Probe zu stellen, ihr die 
Mitteilung macht, daß Medor schon seit einem halben Jahre 
am Hofe weile, da erschrickt sie so sehr, daß Arimand nun- 
mehr der Liebe Angelikas sicher ist. 

Akt V: Nachdem Angelika in einigen Stanzen ihr 
Liebesleid geklagt hat, das eigentlich nur in der Ungewißheit 



— 150 — 

besteht, ob sie ihr Herz Arimand oder Medor zuwenden soll, 
will sie durch Melinde, ihre Vertraute, die Gewißheit er- 
langen, ob Medor zum eben begonnenen Kampfe erschienen 
sei ; man teilt ihr statt dessen mit, daß er im letzten Jahre 
in ihres Vaters ßeiche die Dynastie gerettet und sie in 
ihrer Abwesenheit auf den Thron erhoben habe. Schon hat 
sie den Entschluß gefaßt, dorthin zurückzukehren und mit 
Medor den Thron zu teilen, als Arimand, der eben im 
Turniere an Stelle Medor's siegreich kämpft, vor seine Ge- 
liebte tritt und sich ihr als Medor zu erkennen gibt. Als 
Beweis, daß er wirklich Medor ist, zeigt er ihr die Schärpe, 
die sie einst beim Angriff des Bären hat fallen lassen. Angelika 
bietet ihm als Lohn seiner treuen Liebe Herz und Thron an. 
Das Stück endet mit einer Lobrede Medor's auf Karl den 
Großen, welche wohl als eine Verherrlichung Ludwigs XIV. 
angesehen werden muß: 

<Mais allons rendre gräce au Heros des Ffancois 
Le plus sage mortel et le pkis grand des Rois 
Qui se fait rehommer en paix, aussi qu^en giterre^ 
Qui vient de partager Vempire de la ten^e, 
Dont la rare vertu brille de iouies partSj 
Et mesle avec les Lys VÄigh en ses etendarts.^ 

(Akt V. 8, S. 70). 1) 

Dieser Gang der Handlung zeigt, wie frei der Dichter 
seine Quelle benützt hat. Er entlehnt der Bradamante-Epi- 
sode die Idee des Zweikampfes, der Verkleidung des einen 
der beiden Kämpfenden, der als Sieger aus dem Turnier 
hervorgeht und die Hand der Geliebten erhält. Um diese 
Grundidee des Stückes gruppieren sich Szenen von sekundärer 
Bedeutung, welche teils auf den Orl, für. zurückgehen, teils 
eigene Erfindung des französischen Dichters sind. Wenn 
Angelika sich um den abwesenden Medor härmt, so hat Gilbert 
offenbar Bradamante's Klagen um den fernen Roger im Auge; 
ebenso, wenn Karl bei Gilbert bestimmt, daß Angelika den- 
jenigen zum Gatten wählen müsse, der von ihr als Kämpe 
im Turnier aufgestellt werde, falls er als Sieger aus dem 



^) Das Stück igt ohne Verszählung. 



— 151 — 

Kampfe hervorgehe. Aber diese Szenen, in welchen die drei 
Helden Roland, Renaud und Roger, und die drei Frauen- 
gestalten Marphise^ Isabelle und Bradamante auftreten, sind 
nicht aus dem italienischen Epos genommen. 

Zeugt schon die Art und Weise, wie Gilbert die Hand- 
lung seines Stückes ummodelt, von einer großen Unabhängigkeit 
des Dichters von der ital. Quelle, so tritt diese Freiheit noch 
mehr hervor, wenn wir uns die Charaktere näher ansehen. 
Angelika (Bradamante bei Ariost) ist eine vollendete Intri- 
gantin vom Anfang bis zum Schluß der Tragikomödie. Sie 
kann Medor nicht vergessen, hängt aber auch an Arimand, 
in dem sie ja nicht im entferntesten den Medor vermutet; 
sie versucht nicht, diese aufkeimende Liebe zu ihrem Dienst- 
knappen zu unterdrücken, sondern bedauert fast, daß Medor 
immer noch in ihrer Seele lebendig ist: 

«JEif si Medor rCestoit le Maistre de mon coeur, 
Ärimant pourroit seid en esire le vainqneur,» 

(Akt II, 1, S. 17). 

Als sie dann erfährt, daß Medor am Hofe weilt, jubelt 
sie nicht laut auf vor Glück, sondern seufzt und denkt, wie 
herrlich doch Arimand sei, und gesteht es ihm offen: 

« Ouyf je trouve dans votcs un charme qui in^attire, 
Je crains d'en dire trop^ et n'en 'puis assex dire; 
Vous partagez mon coeur avec votre rival: 
Oest luy seul qui vous nuit, luy seul vous est fatal. 
Apres ce qvHl a fait, le sort veut qus je Vayrne; 
Mais rrCarrachant ä vous je m'arrache ä moy mesme 
Pour finir 7)ies ennuis et mon, cruel tourment] 
Que fixestes vous Medor, ^ 

(Akt IV, 4, S. 53.) 

Daß am Schlüsse des Stückes dieser im letzten Verse 
geäußerte Wunsch ihr erfüllt wird, steht daher im krassesten 
Widerspruch zur Gerechtigkeit, während dagegen die Brada- 
mante Ariost's ihr Glück vollauf verdient. Medor (Roger 
im Orlando) hat mit diesem keine andere Ähnlichkeit, als 
daß er für seine Geliebte den Zweikampf, allerdings nicht 
auf Leben und Tod, wagt; ganz unverständlich an Medor ist 



— 162 — 

uns, daß er sich überhaupt verkleidet, nachdem er sich be- 
reite von Angelika geliebt weiß. Die drei Helden Boland, 
Benaud, fix)ger sind vom französischen Dichter frei erfunden ^) ; 
sie sind das Abbild der Mehrzahl jener Hofleute zur Zeit 
Gilberts, die ihr Leben in galanten Abenteuern vertändeln. 
Zuerst werben sie um Angelika; als diese sie zurückweist, 
nehmen sie mit Bradamante, Isabelle und Marphise vorlieb, 
die geradezu Karikaturen der entsprechenden Gestalten bei 
Ariost sind. 

Direkte Anklänge an den italienischen Dichter lassen 
sich nur an zwei Stellen nachweisen, nämlich Akt I, 1: 

Apres le grand combat dant tu mens de parier, 
Des Sarrazins vainqueurs poursuivant la victoire, 
fPentre avec les fuyards dans une forest noire. 
Je rrCegare parmi les pins et les cyprex; 
Et seul dans un vallon ddideux et frais, 
Je vois une Amazone au hord d^une fontaine 
La visiere levee et qui prenoit haleine,> 

Man vergleiche damit die wundervolle Beschreibung dieser 
Quelle bei Ariost (C. I, st. 37 und 38). 

Die zweite Stelle lautet: 

tDe ces adroits Ghuerriers les detix lances rompues 
On en voit les eclats voler jicsques avx nues, 
Et chacun n'en a que le trongon, 
JJun et Vautre pourtant est ferme sur Vargon.^ 

(Akt V, 7.) 

Das Vorbild hierzu ist im Orl. für, zu finden (0. XL VI, 
st. 115): 

«Le lance aW incontrar parver di geh, 
I tronchi, augelli a salir verso il cielo,» 



*) Roland's Charakter erinnert auffällig an den typischen tniles 
gloriosus. Vgl. Akt 7F, 5, S. 55: 

«Bleust au Ciel quHl eust fait un si hardi dessein 
La peur en me voyant lui glaceroit le sein.» 

Ferner Akt F, 7, 8. 68: 

*Il (= Rol.) murmurCj il eclate, il devient furieuXj 
Et 8ort en menagant et la terre et les Cieux.» 



— 153 -r- 

Im ganzen betrachtet scheinen uns Les amours (TAnge* 
liqtie et de Medor die Übergangsstufe zu den Parodien Ariosti- 
scher Gestalten und Episoden zu sein; einen künstlerischen 
oder ästhetischen Wert können wir dem Stück nicht zusprechen. 

Die Brüder Parfaict geben von Gilberts Werken eine 
kurze Charakteristik, weiche neben den vielen Fehlem zwei 
Vorzüge hervorhebt, nämlich glückliche Situationen imd einen 
leichten Versbau,^) Doch können wir ihnen nicht beistimmen, 
wenn sie behaupten, daß, mit Ausnahme der Kamen, Gilbert 
der Erfinder des Stoffes und der Charaktere sei. ^) Leris 
nennt die Amours d'Angeliqiie et de Medor ein sehr schlechtes 
Stück ^); dasselbe urteil fallt Mo uhy*): Medor ist nach ihm 
ein Geck, Angelika eine Preziöse, Boland endlich ein roher 
Mensch. In der Grande Encyclopedie wird ein Urteil 
Chapelain's über unseren Dichter zitiert, welches wir hier 
wieder geben: <iC^est un esprit delicat, duqtiel on a des ödes, 
de päits poemes et plusieurs pieces de thiätre pleines de cotif 
versation^ .^) Chapelains lobende Charakteristik hält uns nicht 
ab, unserem Stücke jeden Wert abzuerkennen. 

In demselben Jahre, in dem Gilberts Angelique et Medor 
erschien, wurde im Palais Royal eine Bradamante ridicule^) 
aufgeführt, deren Verfasserschaft, wie schon oben erwähnt, 
dem Herzog von Saint- Aign an zugeschrieben wird. Leider 
ist das Stück nicht im Drucke erschienen, doch läßt sich aus 
seinem Titel der Schluß ziehen, daß wir es mit einer Parodie zu 
tun haben. Da Gilbert's Tragikomödie nahezu eine Parodie 



') Hist.j Bd, V, 119: «^Les pieces que cet auieur donna au theätre 
ne sont pas bomies; mais ä travers les defauts elks sont remplies de 
situations heureuses et, dans touteSj la versification est aisee.» 

*) Hist.^ Bd. IX, 24:7 : nA Vexception des noms des Acteurs, qui sont 
dans le Poeme de VArioste, M, Gilbert est absolument inventeur de la 
fable, de la conduite et des car acter es de ses Personnages,» 

3) Dict, S. 26. 

*) Tahl., Bd. I, 20 u. Abr.y Bd. I, 36. — M. kopiert wörtlich diese 
Stelle aus der Gesch. der Brüder Parfaict. 

*) Bd. XVIIl 930. 

*) Erwähnt bei ßeauchamps, Bech., 2. Teil, S. 153; Leris, 
ZHct.j S. 88; Lucas, Hist, Bd. III, 295, welcher das Stück einem 
unbekannten Verfasser zuschreibt. 



— 154 — 

genannt werden kann, ist es naheliegend anzunehmen, daß eines 
der beiden Werke das andere veranlaßt oder beeinflußt hat. 

Der Versuch, die Bradamanteepisode in ein ernstes Drama 
umzuarbeiten, wurde auch von Thomas Corneille ge- 
macht.^) Seine Bradamante wurde 1696 gedruckt^), ruhte 
aber bereits seit mehr denn 15 Jahren als Manuskript unter 
den Papieren des Dichters. ^) Nach Reynier erlebte das 
Stück zwölf Aufführungen.*) Da Reynier, der sonst die 
meisten Dramen Corneille' s analysiert und bespricht, für 
dieses Stück nur ein paar Zeilen vernichtender Kritik hat, 
wollen wir hier zum erstenmal eine kurze Analyse desselben 
geben. '^) 

Akt I : Leon, der schon lange am Hofe Karl's um Brada- 
mante's Hand geworben hat, will von ihr endlich eine definitive 
Antwort haben. Doralice, die Vertraute Bradamante's, welche 
die Bewerbung des Griechenfürsten begünstigt, sucht Roger 
bei ihrer Herrin zu verdächtigen, weil er sich jetzt, wo alle 
Welt weiß, daß Leon um Bradamante wirbt, verborgen halte. 
Obwohl nun diese dem unangenehmen Freier die Bitte abschlägt, 
ihm ohne vorausgegangenen Kampf die Hand zu reichen, glaubt 
Roger's Schwester Marphise dennoch, daß Bradamante im 



^) Eine äußerst reichhaltige Biographie des Dichters findet sich in 
Keynier's Th, Corneille (S. ijf). Siehe femer Michaud, Biogr. gen., 
Bd. IX, 283: Didot, Biogr. univ., Bd. XI, 876; La Gr. Enc, Bd. XII, 
997). Unser Baum erlaubt uns nicht, eine Schilderung seines Lehensganges 
zu gehen. 

'^) Siehe unsere Bibliographie, S. X. 

*) Der Dichter selbst sagt hierüber in der Vorrede: «Hy aplus de 
quinze ans que cette piece auroit paru au Theätre, si je n^eusse pas ap- 
prehende que la reputation de VArioste, tout fameux quHl est, n^eust pas 
este d'un assez grand poids, pour autoriser Vincident sur lequel tonte 
Veconomie en est fondee», etc. 

*) Thomas Com., S. 367. — Die erste Aufführung fand 1695 statt. — 
Doch scheinen die Aufführungen enttäuscht zu haben, da Beauch. 
(Rech., 2. Teil, S. 199) sagt, das Stück habe nicht den Erfolg gehabt, den 
es verdiente. 

*) L. Geiger [Nation, X, 769) sagt von Reynier' s Arbeit, sie sei 
sehr gelehrt und fleißig, aber der Dichter iverde darin sehr nüchtern 
und kühl beurteilt; wir können wis dieser Kritik von L. Geiger nur an^ 
schließen. 



.— 15& — 

Grunde ihren Verlobten längst vergessen habe und sich des- 
halb im Zweikampfe freiwillig von Leon besiegen lassen werde. 

Akt II: Inzwischen ist aber Roger aus der Fremde 
zurückgekehrt; er erzählt seiner Schwester all die Abenteuer, die 
er bei dem Bulgarenvolke bestanden hat, seine Rettung, dann 
das edelmütige Eintreten Leons und seine weiteren Irrfahrten. 
Er läßt sich von Marphise nicht irre machen in seinem Glauben, 
daß Bradamante den unkriegerischen Griechen besiegen werde. 
Bevor jedoch der Zweikampf stattfindet, eilt Leon zu seinem 
Freunde Roger, dessen wahren Namen er nicht kennt, und bittißt 
ihn, an seiner Stelle in die Schranken des Kampfplatzes zu 
treten, was jener auch nach einigem Sträuben zu tun sich 
bereit erklärt. 

Akt III: Der Kampf hat eben zugunsten Leon's ge- 
endet. Bradamante beschönigt Roger gegenüber ihre Nieder- 
lage nicht, erklärt aber, als dieser Mißtrauen zu hegen scheint, 
voll Zorn, daß sie Leon's stürmischer Bewerbung nachgeben 
werde, wenn Roger an ihrer Liebe zweifle. Marphise glaubt 
natürlich fest, daß Bradamante sich freiwillig besiegen ließ 
und überredet ihren Bruder, dagegen Einspruch zu erheben. 

Akt IV: Roger mächt sich inzwischen auf, Leon zu 
suchen, entdeckt ihm seinen wahren Namen und erzählt ihm, 
wie er mit Aymon's Tochter schon lange heimlich verlobt 
sei; während die kriegerische Marphise den Zerstörer des 
Glückes ihres Bruders zum Zweikampfe herausfordert, falls 
er noch Ansprüche auf Bradamante mache. 

Akt V: Auch Bradamante tut das Äußerste, um Leon 
zu bewegen, nicht von seinem durch den Sieg erlangten Rechte 
Gebrauch zu machen, so daß dieser, nachdem er noch eine 
Zeitlang hartnäckig darauf bestanden hat, plötzlich auf Brada- 
mante's Hand verzichtet, welche nun der glückliche Roger 
erhält. Letzterer erklärt noch zum Schlüsse seiner Geliebten, 
daß auch er der Braut eine Krone ^) anbieten könne: 
€Si vons doutez encor de mon amour extreme, 
Madmne^ venex voir avec comhien d^ardeur 
Je joins une Couroniie ä Voffre de mon coßur. > 
(Akt V, 5, S. 74). 

^) Er meint natürlich die Krone Bulgariens. 



-^ 166 — 

Die Handlung schließt sich der Hauptsache nach an die 
betreffende Episode im OrL für. an: Jßoger wird Yon Leon, 
der seinen wahren Namen nicht kennt, aufgefordert, gegen 
s^ne eigene Geliebte zu kämpfen, die er durch seinen Sieg ver- 
liert, wenn nicht Leon im letzten Augenblick auf sie Verzicht 
leistet. Um diese Grundidee jedoch gruppieren sich mehrere 
Nebenhandlungen untergeordneter Bedeutung, die eigene Zu* 
taten des französischen Dichters sind ; andererseits läßt er eine 
Reihe von Personen, die sich in seiner Quelle finden, ganz fort, 
so z. B. das Elternpaar Bradamante's, und ihren Bruder 
Kenaud, was sehr zu bedauern ist; femer die Person des 
Kaisers, endlich die bulgarische Gesandtschaft. Durch diese 
Vereinfachung war es dem Dramatiker leichter, das Interesse 
ausschließlich auf die Hauptpersonen Roger und Bradamante 
zu legen. Was Faguet bei Garnier tadelt, daß nämlich die 
beiden Liebenden sich nie im Stücke treffen ^), hat Corneille 
vermieden, dadurch aber die Wahrscheinlichkeit der ganzen 
Handlung vermindert, da bei der mehrmaligen Zusammen- 
kunft der Liebenden leicht ein Mittel hätte gefunden werden 
können, um den Zweikampf überhaupt zu vermeiden. Außer- 
dem tritt nicht klar hervor, warum denn Bradamante den 
Geliebten nicht offen als ihren Bräutigam und zukünftigen 
Gemahl bezeichnet. Die unglücklichste Änderung in der Tra- 
gödie jedoch ist die Rolle Marphise's, welche die Intrigantin 
zu spielen hat und Bradamante mit den niedrigsten Ver- 
dächtigungen überhäuft. Auch hier fehlt das Motiv, welches 
Marphise zu ihrem Argwohn veranlaßt, da diese ja von Brada- 
mante in keiner Weise beleidigt wird. 

Da der Schauplatz der Handlung nach den damals 
geltenden Regeln ein einheitlicher sein muß, werden die in 
Konstantinopel etc. spielenden Handlungen nach Paris an den 
Hof des großen Karl verlegt ; die Zeit für dieselben ist eben- 
falls, wie bei Garnier, auf 24 Stunden zusammengedrängt. 

Die Charaktere sind alle von der idealen Höhe, auf die 
sie die luftige Phantasie des italienischen Dichters stellte, 
herabgesunken zum gewöhnlichen Niveau von Bühneuintri- 



^) La trag, frang., S. 218, 



— 157 — 

ganten. Das Liebespaar ist von gegenseitigem Mißtrauen 
erfüllt (vgl. Akt III, S. 2 u. 3), Marphise mißtraut der 
Verlobten ihres Bruders^), Doralice verleumdet Roger, 
den Bräutigam ihrer Herrin®); nur Leon wird uns vom 
Dichter als ein Held geschildert, für den wir Bewunderung 
liegen können. So legt er ihm gleich am Anfange des 
Stückes (2. 8z. des 1, Aktes, S. 5) folgende stolze Worte in 
den Mund: 

<Viennent tous ces Qnerriers, dont la haute vaittance 
Ä remply VUnivers du renom de la France, 
QuHls ni'osent disputer le nom de vostre Epoux, 
Ferme et sans m^etonner, je les attendray tous?-» 

Später (Akt II, 1, S. 22) schildert Th. Corneille diesen 
Helden mit folgenden Worten : 

€Leon est un Gtterrier, qui fameux, redoutabkf 
Avant qus de ceder sera de tout capable. 
Son amour sans espoir^ sHl ne triomphe pasy 
En depit de luy-mesme animera son bras,^ 

Als endlich Leon am Schlüsse des Stückes Bradamante 
die Mitteilung macht, daß nicht er, sondern Koger im Kampfe, 
gesiegt habe, schließt er mit dem stolzen Verse: 

tCPest ainsi que Leon se venge düun Rivah. 

(Akt V, 3, S. 70). 

Stil und Sprechweise sind völlig unabhängig vom italieni- 
schen Vorbild ; Corneille's Sprache ist die in den Dramen der 
nachklassizistischen Zeit übliche: ihr Vorbild sind Pierre 
Corneille und Racine. 

Nach dem eben Gesagten kann unser Urteil über das 
Stück nur ein ungünstiges sein: Die Veränderungen, die 
Th. Corneille an seinem dem Ariost entlehnten Stoffe macht, 
sind durchgehends als Verschlechterungen anzusehen; die 
Charaktere aber, ob nun im Vergleiche zu denen im Ort. für, 
oder für sich betrachtet, sind uninteressant, weil ihnen allen 



*) Vgl Akt J, 4; A. II, 2; A. III, 4. 
») Vgl Akt J, 1, 



^ 158 -- 

der heldenhafte Zug fehlt, und \veil wir von einer inneren 
Entwicklung derselben nichts sehen können. 

Nicht viel besser lauten die Urteile anderer Forscher. 
Die Brüder Parfaict, die den Dichter im allgemeinen sehr 
günstig beurteilen ^), bezeichnen das Stück als verfehlt, haupt- 
sächlich deswegen, weil der Stoff nicht interessant genug 
sei.-) Dieser Grund mag gelten für die Zeit des nüchternen 
18. Jahrhunderts, in welchem die Brüder Parfaict schreiben, 
nicht aber für die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts, 
wo derlei romantische Stoffe immer noch als anziehend 
erschienen. Leris meint, daß das Stück mehr Erfolg gehabt 
hätte, wenn Th. Corneille sich nicht so eng an Ariost an- 
gelehnt hätte, da Kämpfe zwischen Frauen und Männern 
nicht mehr nach dem Geschmacke seien. ^) La Porte et 
Cham fort werfen ihm vor, daß er Garnier benützt habe; das 
Stück sei verfehlt wie alle anderen.*) Der erstere Vorwurf, 
daß Garnier ein Vorbild Corneille's gewesen sei, ist entschieden 
zurückzuweisen. Keine Spur vom Einflüsse dieses Dichters ist 
in Corneille's Bradamante zu finden. Als das schwächste von 
allen Stücken des Dichters bezeichnet es Mouhy in seinen 
Tablettes, ^) La Harpe erwähnt zwar die Bradamante nicht, 
charakterisiert aber Corneille's Tragödien ganz allgemein: 
« On trouve daiis ses tragedies des heautis de sentiments^ des sitnations 
qiii entrawenty un pathetique attendrissant, La versification en est 
lache et soin-efit mcmrecte,y>^) Michaud's Urteil schließt sich 
nahezu wörtlich an die Kritik Beauchamps' und der Brüder 
Parfaict an. Die Grande Encyclopedie lobt die 
Stücke Th. Corneille's wegen ihres kunstvollen Aufbaues, 
tadelt aber den gekünstelten Stil; die „Bradamante" wird 



') Hist, Bd. VIII, 344 ff\ 

*) Hist, Bd. XIIIj 429 : «La principale action . . . est fondee sur 
une generosite romanesquCj qui ne peut interesser ni le cceur ni Vesprit 
des gens senses.» 

') Dict.j S. 65. — Leris schreibt hier wörtlich das Urteil Beattch.''8 
aus (s. Eech.j 2. Teil, S. 199: «On reprocha ä Vauteur de s'etre trop 
assujetti ä suivre VAriostey>). 

*) Dict, Bd. J, 183. 

^) Tablettes, S. 39. 

*) Cours de litt. I, 605. 



— 169 — 

direkt schlecht genannt.^) BerDage, welcher in seiner Studie 
über Garnier auch auf das Corneille'sche Stück zu sprechen 
kommt, stellt es weit unter G-arnier's Bradamante.^) Reynier 
glaubt, daß Th. Corneille besser getan hätte, wenn er dieses 
elende Machwerk überhaupt nicht veröffentlicht hätte, und er 
fertigt dasselbe mit ein paar Zeilen ab.^) Geiger end- 
lich übt die denkbar schärfste Kritik an den Stücken des 
jüngeren Corneille, indem er sagt: „Voll von Unmöglich- 
keiten, angefüllt mit erlogenen Gefühlen, mit hochtrabenden 
Redensarten, ohne eine Spur von Charakterentwicklung; die 
Mache ist fast in allen Stücken dieselbe ; der Held ein kühner 
Kriegsmann, Verwandlung des Helden, Empörung und Stillung 
des Aufstandes, Außer dem Helden die edelmütige Fürstin 
der Inbegriff der Zärtlichkeit nach den Regeln des Pre- 
ziosentums." *) 

Vielleicht angeregt durch die Bradamante Corneille's, 
schrieb der zu seinerzeit sehr berühmte Librettist Charles 
Roy 1707 eine lyrische Tragödie Bradamante % welche von 
dem weniger bekannten Komponisten Lacoste in Musik . ge- 
setzt wurde.®) Wir haben bereits weiter oben gesehen, daß 
di« französische Oper italienischen Ursprungs ist, daß jedoch 
das französische Ballett eine gewisse Ähnlichkeit mit jener 
hatte, indem beide mehr oder minder dekorative Zwecke ver- 
folgten. Allmählich verbanden sich diese beiden Gattungen, 
die ganz verschiedener Herkunft sind, und erfüllten vor allem 



^) Bd. XIL 997, 

^) Etüde 8. B. Garnier j S. 184: «Ce n'est pluß la Bradamante de 
VArioste^ c'est une composition de faniaisie oü les noms seuls et quelques 
incidents rappellent Vauteur original. Ce n'est plus Vaccent heroi'que, ou 
les pdntures de mceurs si comiques qui fönt le merite de Garnier. C^est 
un pele-mele de situ^tions forcies^ de froides conversations qui Stent ä 
cette histoire tout son intiret et toute sa veriti. La piece de Garnier 
est de heaucoup preferable.» 

») Th. Corneille, S. 297. 

*) Th. Corneille, Nation, X, 770. 

*) Roy lebte von 1683 — 1764. Nähere Angaben über sein Leben 
finden sich bei Mich au d (Biogr. univ., Bd. XXXVI, 666); Didot, 
Nom. Biogr. gen., Bd. XLII, 805 f.; La Gr. Enc, Bd. XXVIII, 1100. 

^) Clement u. Larousse {Dict. lyrique, S. 168) geben der Musik 
von La Coste die Schuld an dem Mißerfolge der Bradamante, 



— 160 — 

die Aufgabe, Auge und Ohr des Zuschauers zugleich zu er- 
götzen. Für den Librettisten erstand daher vornehmlich die 
Pflicht, einen Stoff zu finden und zu bearbeiten, dem deko- 
rative Seiten abzugewinnen waren, oder der bühnendekorative 
Einlagen gestattete, wie großartige Landschaftsbilder, über- 
natürliche Wesen, z. B. Geister, Kobolde, verzauberte Per- 
sonen; femer Kämpfe und Tänze, Hochzeits- und Leichen- 
züge. Götter und Helden, Fürsten und Schäfer, Zauberer 
und Feen waren unumgänglich notwendige Requisiten des 
musikalischen Dramas. Der Schauplatz des letzteren durfte 
nicht, wie in der klassizistischen Tragödie, das prunklose Ge- 
mach eines königlichen Palastes oder, wie in der Komödie, 
ein einfaches Familienhaus sein, sondern mitten in der Er- 
habenheit und Majestät der jungfräulichen Natur; eine tiefe 
Waldschlucht mit emporragenden Baumriesen und sprudelnden 
Quellen, umschlossen von moosbehängten Felsenwänden, ein 
malerisch lebendiger Seehafen mit der Musik des rauschenden 
Wassers und dem Mastenwald im Hintergrund, ein Raum im 
finstern, freudelosen Hades mit all seinen Schrecknissen, mit 
Blitz und Donner und höllischen Spukgestalten — , das waren 
die Szenen, in welche der Operndichter seine Handlung ver- 
legte, und welche der Regisseur mit bewunderungswürdiger 
Kunst vor den entzückten Augen des Publikums aufbaute. ^) 
So wurde hier der Schwerpunkt, der in der Tragödie 
auf Handlung und Charakteren beruhte, auf die Musik 
und Dekoration hin verschoben^); wir dürfen deshalb bei 



*) Vgl. Chouquet {Hist. de la musique dramatiquey S. 113) definiert 
die Oper jener Zeit als eine «tragidie reposant sur une donnie de la 
fable ou fondSe sur le merveUleux^ jeu des machineSj iclat pomp&uoi öm 
specta^le et danses introduites dans chaque acte». Eine ähnliche De- 
finition der damaligen Oper gibt N uitt er (Les origines de Vop.^ S.XIIIf,)^ 

wenn er sagt: « meler ä Vaction les divinites de la fable ou lesfees 

de VArioste; revetir les dieux et les heros, les princes et les hergers 

de pandcheSj de broderies c^est ce qu^on a appeli Vceuvre par excellence : 

V Opera!» 

^) Ähnlich sagt Grodefroy {Poetes du 18^ sieclCj S. 312 ff.): ^LHm-' 
portante question dans les opiras du 18« siede, &etaient la musique, les 
danses, les chants, la mise en scene, les decorations, les costumes, les ma- 
chines de tous genres quHls necessitent.» 



— 161 — 

der Beurteilung des Libretto nicht den Maßstab der Tra- 
gödie anlegen^ da ja der Textdichter in erster Linie den An« 
forderungen jener beiden Faktoren entgegenkommen mußte 

Eine kurze Inhaltsangabe der Bradamante wird uns einen 
Begriff von dem Gesagten geben. 

Die Oper eröffnet mit einem Prolog, oder vielmehr einem 
Vorspiel, das vor dem in einem Walde gelegenen Zauber- 
schlosse Athlante's seinen Schauplatz hat. Der alte Zauberer 
ist gerade im Begriffe, für seinen Liebling Roger unzerstörbare 
Waffen zu schmieden, als Melisse ihn dabei überrascht und 
sein Vorhaben für unnötig erklärt, da sie selber Roger ihren 
Schutz angedeihen lassen wolle. Auf einen Wink der beiden 
Zaubergestalten verschwindet der Palast und Roger's Bild, 
das auf der Bühne sichtbar ist, wird von vier Genien fort- 
getragen. 

Akt I: Bradamante wünscht sehnlichst ihren Geliebten 
Roger herbei, da ihr „ehrgeiziger" Vater sie zur Ehe mit 
Leon zwingen will; vergebens sucht Hippalque, ihre Ver- 
traute, sie zu trösten. Plötzlich jedoch kommt Melisse im 
Zauberwagen, von ihrem Spukgefolge begleitet, und ruft dem 
unglücklichen Mädchen folgende Worte zu: 
Bradamante, ce jour finira tes alarmes, 
A Vamant que tu crains, tu devras ton bonheur, 
Pour un cojnbat fameux prepare ta valeur; 
Le guerrier qui pourra te vaincre par les artnes, 
Est le seul digne de ton coeur . . . 

(Akt I, 4, S. 18.) 

Dieses Orakel versetzt die so Angeredete in große Be- 
stürzung, da sie weiß, daß heute noch ihr Zweikampf mit 
Leon stattfinden wird. 

Akt II und III: Leon und Roger haben ihre Fahrt von Kon- 
stantinopel beendet und betreten eben den Hafen von Marseille, 
der erstere voll Zuversicht auf den nahen Sieg, den Roger 
an seiner Statt über Bradamante erringen und der ihm dieses 
schöne Mädchen für immer sichern soll, der letztere in trost- 
lose Betrachtungen über sein eigenes Schicksal versunken. 
Leon beeilt sich, seine zukünftige Gattin zu begrüßen und 
ihre Liebe zu gewinnen, doch diese weist ihn stolz ab, und 

Münchener Beiträge z. romanischen u. engl. Philologie. XXXIV. H 



— 162 — 

erklärt, nur der Gewalt der Waffen weichen zu wollen. 
Herzlich willkommen dagegen heißt sie ihren Geliebte q, dem 
sie erzählt, welch' sonderbares Orakel ihr von Melissen mit- 
geteilt worden sei. Aber auch Leon erhält davon Kunde 
und ist sehr bestürzt darüber, da er nun eigenhändig gegen 
Bradamante kämpfen muß. Da eilt sein Freund in den Wald, 
um dort seinem Leben ein Ende zu machen, da Bradamante 
ihm nun völlig verloren zu sein scheint. In seiner Ver- 
zweillung erscheint Melisse, überbringt ihm eine Rüstung, 
welche Leon's Waffengewand vollständig ähnlich sieht, und 
fordert ihn auf, Leon im Kampfe mit Bradamante zuvor- 
zukommen; denn 

.... ttromper les Rivanx dont on est alaj-me, 

Cest im doux mystere 

Que VAmour eclaire 

Avec son flambean, 

Et qii'il Cache ä leurs yevx avec son handeau,'> 

(Akt III, 4, S. 39.) 

Akt IV : Roger, welcher seinem Freunde zuvorgekommen 
ist, hat den Sieg über die Geliebte errungen ; als nun Leon auf 
dem Kampfplatz erscheint, hört er bereits den Siegesjubel 
der Menge und fragt vergebens, wer der Sieger sei. Dieser 
jedoch, der kein anderer als Roger ist, wird sich jetzt bewußt, 
daß er den Freund getäuscht hat und wartet mit Unruhe auf 
dessen Kommen. Leon wird nun von Melissen benachrichtigt, 
daß er sich nur dann Hoffnung auf Bradamantens Hand 
machen könne, wenn er den ihm zuvorgekommenen Gegner 
besiege. 

Akt V: Roger's Schmerz über seinen Verrat steigert sich 
immer mehr. Er will nicht länger mehr leben ; schon legt er 
Hand an sich selbst, als Bradamante naht und bald nach 
ihr Leon, der nunmehr in seinem Freunde den Rivalen er- 
kennt, welcher ihn verraten hat. Im ersten, aufwallenden 
Zorne will er ihn töten, aber plötzlich besinnt er sich anders : 

^Non, je veux ovblier que tu m^as pü trahiVf 
Roger j je faimay trop pour te pouvoir hair,* 

(Akt V, 4, S. 5.) 



— 163 — 

Nach diesen edlen Worten verwandelt sich plötzlich auf 
das Geheiß Melisse'a die Einöde in einen herrlichen Garten ; 
die Chöre und Genien bringen dem glücklichen Brautpaare 
Eoger-Bradamante ihre Wünsche dar. 

In diese Haupthandlung sind zahlreiche lyrische Einlagen 
verflochten, die von den verschiedenartigsten Chören vorge- 
tragen werden ; außerdem treten zwischen den einzelnen Akten 
noch besondere Chöre auf. ^) 

Fragen wir nun nach dem Verhältnis der Oper zur italieni- 
schen Quelle, so sehen wir auf den ersten ßlick, daß tief 
einschneidende Veränderungen in der ersteren vor sich ge- 
gangen sind, indem nicht bloß die Bradamante-, sondern 
auch die Athlante-Episode benützt worden ist.^) Der ersteren 
sind entlehnt Bradamante's Klage um den fernen Geliebten 
(Akt I, 1 = Orl. für., C. XLV, st. 96 ff.), Leon's Bitte an 
seinen Freund, an seiner Statt zu kämpfen (II, 1 = Orl. für., 
C. XLV, st. 57), Roger's Klagen in der folgenden Szene 



^) Damit man sich einen Begriff bilden könne von dem Personen- 
apparatj den eine französiscJie Oper erfordert, wollen wir ein Verzeichnis 
all dieser Nebenpersonen in Roy^s Bradamxinte geben. Außer den in 
der Analyse genannten Bollen treten noch auf: 
TJne suivante de Melisse, 
TJn suivant de Melisse, 

La Statue de Merlin {wird im Verzeichnis bei Boy aufgeführt), 
Troupe d^Amants et d'Amantes Enchantes, 
Troupe de Grecs et de Suivants du Prince de Grece, 
Troupe de Fies et d^Esprits sous la Figure de Guerriers, 

de Guei-rieres et de Cyclopes apportant des armes ä Boger, 
Un guerrier, 
üne guerriere, 

Troupe de Peuples de Marseille, de Bergers et de Bergeres, 
Deux Marseilloises, 
ün Marseillois, 
TJn autre Marseillois, 

Troupe de Genies, sous des formes agreables, 
Un Genie, 
Deux Heros, 

Bemerkenswert unter den einzelnen Gruppen sind die Amants et 
Atnantes enchantis, da sie eine Nachahmung der verzauberten Verliebten 
auf Akinens Insel (0. VI, st. 33 ff.) zu sein scheinen. 
«) Orl. für. C. IV, st. l—öl. 

11* 



— 164 — 

(= 0. f., C. XLV, st. 68 — 61), seine erneuten Etagen nach 
dem Zweikampfe mit Bradamante (Akt III, 3 u. Akt Y, 
1 = 0. f., 0. XLV, St. 86 ff,), endlich das Wiedersehen der 
beiden Freunde und Leon's Verzicht auf Bradamante (Akt V, 
4 u. 5 = Orl für., C. XLV, st. 117 u. C. XLVI, st. 21 ff.). 

Der Athlante-Episode ist der Prolog entnommen, in welchem 
der alte Zauberer sich als Freund Koger's bekundet (Prolog 
;= 0. f., C. IV, 1 ff., wo allerdings Athlante's Liebe zu Boger 
so weit geht, daß er ihn in sein Zauberschloß sperrt, um ihn 
vor den Versuchungen der Welt zu bewahren.); die Orakel- 
szene (Akt I, 4) geht zurück auf den 3. Gesang im Orl. für,, 
wo Bradamante, gleichfalls durch den Mund der Statue 
Merlin's eine, allerdings verschiedene Prophezeiung erhält 
{Orl. für., C. III, st. 11 ff.) Das Orakel selbst, und die Art 
und Weise, wie es sich erfüllt, ist eigene Erfindung der 
Librettisten. 

Die Charaktere der Oper haben eine auffällige Ähnlich- 
keit mit den Helden, wie Ariost sie uns vorführt. Ihre stete 
Verbindung mit übernatürlichen Wesen, das fortwährende 
Sichbewegen in großen Gedanken, die lyrische Stimmung, die 
in ihnen vorherrscht, ohne jedoch dem Tatendrang Abbruch 
zu tun, endlich der Mangel jeglicher psychologischen Ent- 
wicklung dieser Charaktere — , alle diese Eigenschaften sind 
bereits in der italienischen Quelle Roy's enthalten. Nur Koger's 
Charakter ist in der französischen Oper ganz unwürdig ent- 
stellt; der Betrug an dem Freunde, wenn auch durch ein 
höheres Wesen (Melisse, s. Akt III, 4) gebilligt und ver- 
anlaßt, ist ein zu großes Schandmal an Roger's Ehrenschild, 
als daß wir diesem Helden noch dieselbe Sympathie schenken 
könnten wie dem Ruggiero des Ariost. Im großen und ganzen 
aber hat Roy jenen wunderbaren lyrischen Ton getroffen, der 
über den Oii, für. ausgegossen, und der so schwer nachzuahmen 
ist; seine Bradamante kann neben Garnier's gleichnamiger 
Tragödie als die gelungendste Dramatisierung der Bradamaute- 
Episode betrachtet werden. 

Der Wert des Stückes ist bisher von den Forschern ver- 
schieden beurteilt worden; dagegen wird Roy's dichterisches 
Talent nahezu übereinstimmend anerkannt, P alis so t rühmt 



— 165 — 

seine außerordentliche Befähigung für die Oper, und sagt, daß 
man einzelne Stellen aus seinen Operntexten allgemein aus- 
wendig lerne.^) LaPorte et Cham fort dagegen bezeichnen 
die Oper Roy's, wie alle seine übrigen lyrischen Tragödien 
als verfehlt.-) Weniger günstig urteilt über Roy La Harpe» 
der ihn unbegabt nennt und besonders seine Verskunst tadelt.^) 
Der Verfasser der Trois siecles liUeraires lobt Roy besonders 
als gefürchteten Satiriker seiner Zeit, der sich sogar mit seinem 
beißenden Spotte an Voltaire und an die Mitglieder der 
Academie fran^aise wagte. ^) InMichaud's Biographie uni- 
verselle^ welche auch eine ausführliche Lebensbeschreibung 
unseres Dichters enthält, werden, wie bei La Harpe, die 
Verse als schwerfällig beanstandet, dagegen des Dichters 
Gestaltungskraft und Vornehmheit, die manchmal bis ins Er- 
habene sich steigere, willig anerkannt.*) Chouquet*) hält 
dagegen wenig von unserem Dichter ; seine Bradamante nennt 
er tun autre ouvfage malheureiixj , während andererseits in der 
Grande Encyclopedie behauptet wird, daß diese Oper zu den 
besten lyrisch-dramatischen Erzeugnissen der frz. Bühne ge- 
höre.') Clement endlich betrachtet Roy's Bradamante als 
verfehlt, scheint aber, wie bereits bemerkt, die Schuld z. Teil 
auf die Musik zu schieben.®) 



^) MimoireSy Bd. II, 272 — 275: *ll avait des talents trhs disüngues 
pour le genre de V Opera.» 

«) Biet, Bd. J, 184. 

') Cours de litt.f Bd. II, 385: «On s'apergoü que cet ecrivain dont 
les productions sont Ms nombreuseSj eut besoin, de beaucoup de travail 
pour vaincre la natwre qui ne V avait pas fort heureusement organise. Sa 
versification est d^ordinaire penible et dure, qihelquefois meme etrangementy> 

*) Bd. IV, 158. 

*) Bd. XXXVI, S. 666: «La versification est presque toujours 
depourvue de gräce et de facilite, mais eile ne manque ni de force^ ni de 
noblesse et quelquefois le poete s'est ilevi jusqü'au sublime.» 

*) Histoire de la mus. dr., S. 331. 

") Bd. XXVIIl, 1100: «II avait peu de facilite et sa versification 
est pinible; mais il ne manquait ni de talent, ni d'esprit, peu vif d'ailletirs 
et porte ä Vepigramme.» 

^) Dict lyr., S. 199: «LHllustre ni^ce de Charlcmagne ne rtvLSsit 
pas mieux ä V Opera qu^au Theätre-Frangais. Elle 71' eut pas d'ailleurs, 
pour se faire accepter, une musique digne d'elle.» 



— 166 — 



2. Die Roland-Episode. 

Unter Roland- Episode verstehen wir hier jenen Teil des 
OrL für,, in welchem die Ursachen der Raserei Roland's, 
diese selbst, und die unmittelbaren Folgen derselben erzählt 
werden; diese Episode wird behandelt in C. XIX, ßt. 17 — 43, 
C. XXIII, st. 67—136, C. XXIX, st. 40—74, 0. XXX, 
St. 1—16. 

Als erstes französisches Stück, welches diese Episode 
dramatisch behandelt, ist ein Roland furimx zu nennen, 
Velcher 1581 zu Le Havre aufgeführt wurde ; die Vorstellung 
dauerte zwei Tage, die Schauspieler setzten sich aus Schülern 
zusammen, welche nach der Vorstellung die Stadt wieder 
verließen, um anderwärts zu spielen. Das Stück scheint 
niemals gedruckt worden zu sein ; jedenfalls haben wir keine 
weitere Nachricht von ihm. Es ist nur im Tagebuch des 
Michelle Riebe ^) und neuerdings von Laoson erwähnt worden.^) 

Ein weiteres Stück, das wahrscheinlich auch die Roland- 
episode behandelt, wird von Lepage in seinem Theätre en 
Lorraine erwähnt.^) Der Titel desselben, Zerbin et MMor^ 
kann nicht ganz richtig sein, da diese beiden Personen im 
Ariost'schen Epos nichts miteinander zu tun haben, oder man 
müßte annehmen, daß der Verfasser des Stückes seine Quelle 
bedeutend umänderte. Es wurde am Karneval 1614 zu 
Remiremont in Lothringen von einem gewissen Vichard 
und seiner Truppe aufgeführt, wofür sie „8 Francs" von der 
Stadt erhielten. Weitere Nachrichten über diese Tragödie 
besitzen wir nicht. 

In ßrunet's Manuel *) und in der Grande Encyclopedie *) 
wird in dem Artikel über Ch. Bauter gesagt, daß diesem 
Dichter auch eine 1614 erschienene Tragödie zugeschrieben 



*) Journal de Michel le Bichcj S, 344. 

*) J^tudes 8ur les orig. d l. trag, class. (Bev. d^Hist. litt. d. l. Fr,, 
1903, S, 207). 

') Le Theätre en Lorraine, S. 245. 
*) Manuel du libr., Bd, III, 1590. 
*) La Gr. Ena., Bd. 7, 910. 



— 167 — 

werde, welche betitelt sei «Le« amours d^Angelique et de 
Medorj.^) Wir konnten weder die Quelle der Gr. Encyd., 
noch das Stück selbst unter Bauter's Werken entdecken. 
Dieser Behauptung der Gr. Encycl. scheint auch Beau- 
-champs' Angabe über das Leben Bauter's zu widersprechen; 
er sagt nämlich von diesem: Bauter promet de passer de 
Limitation des Italiens (nach dem von ihm verfaßten Stücke 
La 7no9't de Boger) ä des pieees de sa propre invention; on croit 
qu'ü s'en est ienu d la promesse,^ Nun besitzen wir aus dem 
Jahre 1620 eine Tragödie, die denselben umfangreichen Titel 
hat und in dem nämlichen Verlage und Verlagsorte erschienen 
ist. Diese Amours d^Angehque et de Medor sind aber von 
Coignee de Bourron, einem ziemlich unbedeutenden 
Dichter, von dem wir noch eine Pastorale Iris besitzen.*). 

Wir werden also nicht fehlgehen, wenn wir das von 
Brunet und in der Or. Enc. erwähnte Stück mit der Tragödie 
des Coignee de Bourron für identisch und für eine erste 
Ausgabe dieses Stückes halten. 

Wir lassen zunächst eine Analyse von Coignee de 
Bourron's Tragödie folgen. 

Akt I : Angelika sitzt am Krankenlager des verwundeten 
Medor und zählt, während dieser in sanftem Schlafe ruht, 
alle seit ihrer Ankunft in Frankreich erduldeten Leiden 
aof, schildert dann ihre Flucht aus dem Christenlager, ihr 



*) Der vollständige Titel lautet: Tragedie frangoise des Amours 
d^Angelique et de Medor avecques les fu/ries de Roland ei la mort de 
Sacripant, le roy de Sercacye et plusieurs heaux effets contenus en ladite 
tragedie tiree de la Bioste {sie !). Troges^ Nie. Oudot, 1614, 8^ {s. Brunet, 
Manuel, ihd). 

') Über den Sieur H. D. Coignee de Bourron fehlen genaue bio- 
graphische Angaben. Beauchamps (Bech. II, 91), die Br. Parfaict 
{Hist, Bd, IV, 331), und die Anecd, dram. {Bd. II, 300, Nachtrag) 
erwähnen zwar unser Stück, geben aber keine Nachricht über den Autor. 
Die neueren biographischen und bibliographischen Werke führen Coignie 
de Bourron überhaupt nicht mehr an. Vgl. Michaud, Didot, LaGrr. 
Enc, Querard, Brunei und Vapereau, wo seiii Name nicht zu 
finden ist. "Weinberg {Das franz. Schäferspiel, S. 89) nennt die Iris 
des Coignee de Bourron ein unbedeutendes Machwerk, scheint aber über 
den Verfasser nichts zu wissen. 



— 168 — 

erstes Zusammentreffen mit Medor, bis sie durch dessen 
Klagen in ihrer Erzählung unterbrochen wird. Durch die 
rasenden Schmerzen seiner Wunde bis zur Verzweiflung ge- 
trieben, bittet Medor seine Pflegerin, ihn zu töten, doch diese 
sucht ihn zu beruhigen und führt ihn an eine Quelle. In- 
zwischen trägt ein Schäfer philosophische Tiraden über das 
Elend in der Welt und über die Gottlosigkeit der Menschen 
und besonders der Frauen vor; doch scheint er nicht so 
grimmig zu sein, wie man aus seinen Keden schließen könnte, 
denn, als Angelika und Medor wiederkommen, bietet er ihnen 
gastfreundlich seine Hütte als Wohnung an. 

Akt II : Medor ist wieder völlig genesen, und seine treue 
Pflegerin ist seine Geliebte geworden ; glückselig durchwandeln 
sie die prächtige Gartenlandschaft, schneiden ihre Namen in 
die Rinden der Bäume ein und entwerfen tausend Pläne für 
ihre Zukunft. Weniger glücklich ist Sakripant, da auch er 
Angelika glühend verehrt, aber kein Gehör bei seiner Ge- 
liebten findet. 

Akt III: Roland hat das nämliche Unglück zu beklagen 
wie Sakripant ; er muß sich selber vorwerfen, daß er das Glück 
aus den Händen entschlüpfen ließ, als er vor der großen 
Maurenschlacht Angelika dem alten Naymes übergab; um sein 
Unglück voll zu machen, will es das Verhängnis, daß Roland's 
Blick sich auf die verräterischen Schriftzeichen, welche die 
Liebenden in die Bäume eingeschnitten haben, richtet, und 
nun fällt es wie Schuppen von seinen Augen, und er erkennt, 
daß Angelika ihn betrogen hat. Wütend stürzt er sich in 
das Haus des Schäfers. 

Akt IV : Dieser kann aber nur berichten, daß die beiden 
Liebenden das Zimmer und das Lager in größter Unordnung 
für immer verlassen haben: 

€Et au Heu de (luvet, c^estoient charbons dedans:^, 
Roland wütet und rast auf der Bühne, während der Schäfer 
jammernd zur Seite steht. 

Akt V: Sakripant ist immer noch auf der Suche nach 
Angelika; durch einen Boten erfährt er, daß Roland in 
Raserei verfallen, und daß seine Angebetete mit Medor ver- 
schwunden ist. Der Bote hatte nämlich von der schaden- 



— 169 — 

frohen Angelika den Auftrag erhalten, ihr und Medor's Bild 
überall vorzuzeigen. Sakripant will den Anblick desselben 
nicht überleben, sondern tötet sich aus Verzweiflung. Der 
Bote verläßt den Platz mit den Worten: 

tHeureux qui rCest atteint de Vamoureux soud^. 

Damit endet das Stück. 

Der Verfasser der Tragödie folgt ziemlich genau der 
Handlung im Orl. für. Im I. Akt (OrL für., C. XIX, st. 26 
u. 27) finden sich folgende Abweichungen: die Erzählung 
Angelika's von ihren früheren Erlebnissen findet sich bei 
Ariost nicht an dieser Stelle; Anhaltspunkte dazu gibt OrL 
ftir, 0. I, st. 5 ff. ; doch ist es dort nicht Angelika's Bruder, 
der sie von Cathay nach Frankreich bringt, sondern Roland. 
Der Schäfer ist bei Ariost (Orl. für., C. XIX, st. 27) ver- 
heiratet und Familienvater, während er in unserem Stücke 
unverheiratet ist; seine philosophische Rede ist Zutat des 
französischen Dichters. 

Im IL und in den folgenden Akten schiebt Coignee de 
Bourron unbegreiflicherweise die Rolle des Sakripant ein, der 
hier bei Ariost nicht auftritt. Die Liebesszene im IL Akt 
baut sich auf st. 36 des 19. Gesanges. Im III. Akte be- 
ruhen die Klagen Roland's um die entflohene Angelika auf 
freier Erfindung, das übrige ist geschildert nach OrL für, 
C. XXIII, st. 101 — 116. Der nächste Akt dagegen folgt 
fast ganz dem italienischen Epos; nur fällt in der Tragödie 
Roland sofort nach dem Verlassen der Hütte in Raserei, 
während er bei Ariost noch eine Nacht umherirrt, ehe der 
Wahnsinn seinen Geist umdunkelt (O/. für., C. XXIII, st. 16 ff.) ; 
auch sieht im Epos nicht der Schäfer allein, sondern es sehen 
mehrere Hirten den Wutausbrüchen Roland's zu {OrL für., 
C. XXIII, St. 136). Der V. Akt ist völUg frei erdichtet. 

Zeigt schon die Analyse des Stückes, daß dem Dichter 
jeder Sinn für den richtigen Aufbau einer Handlung fehlt, so 
tritt Coignee's Schwäche noch mehr in der Zeichnung der 
Charaktere hervor. Nirgends eine Entwicklung derselben, nir- 
gends eine Beziehung zwischen Charakter und Handlung, 
keine Gegenüberstellung einzelner Personen. So trägt z. B. 



— 170 — 

Sakripant in anderen Worten genau dasselbe vor wie Roland; 
beide lieben Angelika, sind also Rivalen; aber der Dichter 
denkt nicht daran, sie einmal einander gegenübertreten zn 
lassen, was das Interesse ungemein erhöht hätte. Geradezu 
komisch wirkt die Rolle des Schäfers, durch dessen Mund, 
wie es scheint, Coignee de Bourron seine eigene Weltan- 
schauung verkünden will. So nimmt sich folgende Stelle 
über die Erschaffung der Frau im Munde des Schäfers höchst 
sonderbar aus: 

«... Quand la flamme divine 

Fut desrohe au Ciel par la main inhumaine 

Du laiTon Promeiheej Jupiter confessant, 

Ne voulid envoyer sur iceluy ä V instant 

ün foudre foudroiant^ ains une mve flamme^ 

Lächee dans les yevx d^une maligne femme, 

Les ouvrages mignards de Minerve elVapprit^ 

Pifis de Venus la belle une grace eile prini. 

Et pour r komme lounir nous eyivoya la femme,^ 

Die einzige, poetische Stelle, die sich in unserer Tragödie 
findet (Akt II, S. 13), ist eine freie Nachahmung des ita- 
lienischen Vorbildes. Es ist dies die von Medor gedichtete 
Inschrift an der Grotte, wo Angelika und Medor ihr erstes 
Liebesglück genossen haben: 

« Vous preZf vous arhriceaux qui e^tes en la plahißf 
Ou lä vous omhragex la coulante fontaine 
Ou je trouvay m^mour que jamais les troupeaux 
Des chevres et des boucs ne broutent ros rameaux 
Que jamais le vent froid de vos feuilles si vertes 
Ne vous rendent en hiver chenues et decouvertes, 
Que jamais le bestial de vous, 6 ondelettes 
Ou lä je vy jwemier mes douces amourettes 
Ne troublent votre cours, vos replis tourrioyans 
Mais satis fin vous alliez vos couleurs ondoyans,> 

Man vergleiche damit die berühmte Schilderung im OrL 
für., C. XXIII, st. 108 und 109: 

^Liete piante, rerdi herbe , limpide acque^ 
Spelunca opaca, e di fredde ombre grata, 



— 171 — 

Dovt la hella Ängelicaf che naeque 
Di Galafron f da molti invano amata, 
Spesso nelle mie braecia nuda giacque; ,, 
Della commoditä che qui trCe data, 
lo povero Medor ricompensarvi 
Ualtro non posso, che d'ognor lodarvi: 

E di pregare ogni Signore amunte, 
E Cavalieri e Damigelle, e ognuna 
Persona o paesana o viandantCj 
Che qui sua volontd meni o Fortuna; 
CK aW herbe, aWmnbra, aW antroy al rio, alle plante 
Dica: Benigno abbiate e Sole, e Luna, 
E delle Ninfe il coro, che proveggia, 
Che non condtica a voi pastor mai greggia,i^ 

Mit richtigem Gefühl hat der französische Dramatiker 
die breite epische Schilderung kürzer zusammengefaßt; freilich 
mußte dabei auch manch schönes Bild, das die Phantasie 
Ariost's in sein Epos gezaubert hat, verschwinden. 

Coignee de Bourron's Les amours d'Angelique et de Medor 
sind, um zum Schlüsse zu kommen, ein äußerst schwaches 
Theaterstück, das wohl nicht wieder der Vergessenheit ent- 
rissen werden wird; es ist entschieden die am wenigsten ge- 
lungene Dramatisierung einer Episode aus dem Orl, für. 

Die einzigen Kritiker, die sich über den Wert des Stückes 
äußern, sind La Valli^re^) und Mouhy^), und zwar be- 
zeichnen beide es als sehr mittelmäßig. 

Bekannter als das vorausgehende Stück ist Mairet's 
€Roland furieux« , welcher 1640 im Drucke erschien , jedoch 
l)ereit8 mehrere Jahr vorher vollendet und aufgeführt wurde. 
Da das Privileg bereits am 23. Februar 1639 gegeben wurde, 
müssen wir annehmen, daß unser Stück entweder im Jahre 1638 
oder noch früher entstanden ist. Während Beauchamps^) 
die Frage der Entstehungszeit nicht aufrollt, geben die Brüder 



1) BibliotUque J, 527, 

*) Abrege, Bd. J, 36 u. II, 51. 

») Rech., 2. Teil, S. 113. 



— 172 — 

Parfaict als Datum der Vollendung und Aufführung des 
Roland ftirietix 1636 an. ^) La Valli^re^), Goujet^), 
und Niceron*), Baillet^) und Menage*) führen nur das 
Druckjahr an, während La Harpe das Stück überhaupt 
übergeht.') Mich au d erwähnt die Jahreszahl 1636 als Datum 
der Vollendung und Aufführung *) ; Lucas®) Vapereau^^) 
und Lotheissen^^) nehmen 1636 an. Vorsichtiger drückt 
sich Dannheißer aus, der als bester Kenner von Mairet's 
Leben gilt; er legt die Abfassung in die Jahre 1636 — 1638.^^) 
Auf die Brüder Parfaict geht wieder die Grande Ency- 
chpedie zurück, welche 1635 annimmt.^^) Rigal endlich glaubt 
daß 1638 das richtige Datum für die Vollendung und Auf- 
führung des Roland fiirieux sei.^*) Dieses Datum scheint auch 
uns der Wirklichkeit am nächsten zu kommen, zumal kein Grund 
vorliegt, weshalb der Dichter eine verhältnismäßig so große 
Zwischenzeit zwischen Vollendung und Drucklegung hätte 
vergehen lassen sollen. 

In der Vorrede macht Mairet darauf aufmerksam, 
daß neben der ßaserei Roland's noch eine weitere Episode 
sich im Stücke finde, der Tod Zerbin's und Isabellens, 
tde fagon qii^il est veritahle de dire qiHl contient une Tragedie et 
une Tragicomedie tout ensemhle.^ Zugleich erklärt er, daß er 
wohl die Einheit des Ortes, nicht aber die der Zeit be- 
obachtet habe. 



1) Hist du Th. fr., Bd. IV, 344. 

2) Bihl. du Th. fr., Bd. II, 89. 

3) Bihl. fr., Bd. XVIII, 179 ff, 
*) Memoires, Bd. XXV, 244. 
^) Bd, IV, 4. Teil, S. 253. 

«) Anü'Baillet, Bd. I, 359. 
"') Cours de litt, Bd. I, 461. 
«) Bihl. imiv., Bd. XXVI, 163 ff. 
») Hist, Bd. III, 279, 
^0) Dict univ., S, 1309, 
^') Gesch., Bd. I, 334. 

^^) Studien, S. 110. — Später {s. Zur Gesch. d. Einheiten, ZfSp,, 
Bd. XIV, S. 66) setzt er das Datum zicischen 1637 und 1638. 
^3) Bd. XXII, 1010. 
. '*) Hist de la litt fr. {p. p. Julkville), Bd. IV, 258. 



— 173 — 

Die nachfolgende Analyse soll uns zeigen, inwieweit der 
französische Dichter seiner Quelle gefolgt ist. 

Akt I : Roland erzählt, wie er Angelika nach der Mauren- 
schlacht {OrL für, 0. I, 5 ff.) verloren habe und wie er nun 
fürchte, sie könnte in die Hände eines ihrer Verehrer gefallen 
sein. Plötzlich richtet sich sein Blick auf die von Medor in 
die Rinde der Bäume eingeschnittenen Namen der beiden 
Liebenden. Zwar ahnt schon jetzt der arme Betrogene, daß 
Angelika ihre Liebe einem anderen geschenkt hat, aber erst 
durch die Erzählung des Hirten, in dessen Hütte Angelika 
und Medor die glücklichen Tage ihrer ersten Liebe verlebten, 
erfährt er sein Unglück. 

Akt II: Nachdem Roland im tiefsten Schmerze die 
Wohnung des Hirten verlassen hat, wagt sich das Liebespaar 
aus seinem Versteck, in das es sich bei der Ankunft jenes 
Helden geflüchtet hatte. In seligem Glücke lustwandeln 
sie in dem Hain; als Medor einen Augenblick forteilt, um 
ein Messer zu holen, mit dem er sinnreiche Verse in die 
Bäume einschneiden will, begegnet Angelika Isabellen, der 
Geliebten Zerbin's, und beide erzählen sich ihre Erlebnisse. 

Akt III: Als dann Angelika und Medor wieder in die 
Hütte zurückgekehrt, und Isabella mit Zerbin allein im Haine 
zurückbleibt, sehen die beiden an einem Baume Roland's 
Waffenrüstung hängen , die gleich darauf der zufällig hier 
vorbeikommende Rodomont unter Schmähreden gegen ihren 
Besitzer sich aneignen will. Zerbin, dem Roland einst das 
Leben gerettet hat, tritt dem prahlerischen Rodomont kühn 
entgegen ; es kommt zum Kampfe, in dem der edle Zerbin nach 
kurzer Gegenwehr fällt; mit einem Schmerzensschrei stürzt 
sich Isabella auf den geliebten Leichnam, und kann erst durch 
das Erscheinen eines Eremiten von demselben entfernt werden. 
Der Einsiedler bindet den toten Zerbin auf sein Reittier und 
verläßt mit der trauernden Isabella die Unglücksstätle. 

Akt IV : Kaum hat Angelika ihr Schlafgemach verlassen, 
80 findet sie, daß Medor sich bereits entfernt hat. Schon fängt 
sie an unruhig zu werden, als Berenice, die Gattin des Schäfers, 
die Nachricht bringt, ein Mann habe entsetzliche Verheerungen 



— 174 — 

im Walde angerichtet; Angelika ahnt, wer der Unheilstifter 
ist; sie bangt um ihren geliebten Medor, den sie bereits 
für verloren hält, während dagegen der Schäfer und seine 
Frau sich in komisch -zärtlicher Weise liebkosen. Von einem 
Pfeile an der Schulter verwundet, kommt Medor inzwischen 
zurück, und beschließt mit seiner Geliebten die sofortige Ab- 
reise. Weitere Nachrichten über das tolle Beginnen Koland's 
treffen io der Hütte des Schäfers ein, so u. a. daß ein Ritter 
auf einem Pferde vom Himmel gestiegen sei mit der Er- 
klärung, Roland habe seinen Verstand verloren, und wenn ihm 
etwas Leides geschehe, so seien die Schäfer (!) dafür ver- 
antwortlich. Rodomont, der bei seinem ersten Auftreten 
über die Untreue Doralice's trostlos war, hat sich nun sterblich 
in Isabella verliebt, deren Bräutigam er soeben getötet hat; 
vergebens sucht ihn Aronthe, sein Diener, durch ein paar 
Flaschen Wein, die Rodomont, dem Koran zutrotze, bis auf 
den Grund leert, zum Weiterritt nach Paris zu bewegen, 
wohin ihn ein Brief des Maureukönigs Agramant, der eben 
diese Stadt belagert, einlädt. 

Akt V: Bald gelingt es Rodomont, seine neue Geliebte 
einzuholen , und sie mit seinen Liebes beten er ungen zu er- 
belästigeu. Isabella will jedoch lieber sterben als sich diesem 
schrecklichen Menschen ergeben ; sie erklärt daher dem Ritter, 
sie besäße eine Salbe, die jedermann unverwundbar mache, 
und fordert ihn auf, die Wunderktaft derselben an ihrem 
eigenen Leibe zu erproben. Rodomont, der bereits vom Weine 
sinnlos betrunken ist, geht in die Falle ; zu spät sieht er, wie 
nach seinem Schwerthiebe Isabellens Haupt vom schönen 
Leibe sich löst und wie er so zum Mörder seiner eigenen 
Geliebten wird; zu spät verflucht er seine Trunkenheit, die 
ihm den Verstand geraubt hat. Am Ende des Stückes sehen 
wir noch Roland, wie er eben in seiner Raserei einen Hirten 
ergreift und ihn weithin schleudert (Bühnen Weisung: Le 
jetant par-dessus la moniagne ^)). Plötzlich überfallt ihn eine 
große Müdigkeit, er sinkt zu Boden und schläft ein. Da 
kommt ihm Heilung von seinem Freunde Astolf, der ihm vom 



^) Akt 7, 4, 8. 101. 



— 175 — 

Himmel seinen verlorenen Verstand wiederbringt und der ihn 
sodann auf seinem geflügelten Rosse gen Paris führt. 

Unsere Inhaltsangabe zeigt, daß wir es mit zwei Haupt- 
handlungen zu tun haben, die nur lose durch das einmalige 
Zusammentreffen von Angelika und Isabella verknüpft sind. 
Beide Handlungen finden sich allerdings auch bei Ariost vor, 
doch folgt dort alles nicht so rasch aufeinander, auch erlaubt 
sich Mairet eine Anzahl von Änderungen und Zusätzen, die 
wir im folgenden kurz vorführen werden. 

ßoland's Monolog am Eingang des Stückes ist freie Er- 
findung des französischen Dichters. Nachdem Roland die 
verhängnisvollen Namen gelesen hat, bricht er bei Mairet in 
laute, endlose Klagen aus (Akt I, 1, S. 6); bei Ariost 
findet der Schmerz keine Worte (Cfr. OrL für,, 0. XXIII, 
St. 112): 

«iVe pote aver (cheH duol Voccupö tantoj 
Alle querele voce o umore al pianto.> 

Als Roland das Haus des Hirten betritt, sind im italieni- 
schen Epos die Liebenden längst schon in der Ferne (?gl. OrL 
für., C. XIX, st. 40, 41), in der Tragödie dagegen haben sie 
sich nur versteckt und kommen nach dem Weggang Roland's 
noch mehrmals auf die Bühne ; sie sind Zeugen der Ver- 
heerungen des rasenden Helden, Medor wird sogar durch 
einen Pfeilschuß von ihm verwundet, endlich treffen sie noch 
mit dem zweiten Liebespaare des Stückes zusammen — , 
lauter Zutaten des französischen Dichters. Dasselbe ist der 
Fall mit der komischen Szene des Hirtenehepaares (Akt IV, 
3, S. 72). Die Erzählung von dem Ritter, der vom 
Himmel auf die Erde steigt, sollte wohl eine Anspielung auf 
Afltolfs „Himmelsreise^ sein ^), findet sich aber bei Ariost an 
dieser Stelle nicht. Eine gewaltige Änderung vollzieht Mairet 
in der Episode Isabella-Zerbin-Rodomont , indem er Zerbin 
nicht von Mandricard, wie im Epos (cfr. C. XXIX^ st. 58), 
sondern von Rodomont töten läßt; allerdings hat Mairet da- 
dordi den Vorteil erreicht, den Tod des Liebespaares ohne 
Einführung einer neuen Person (Mandricard) darstellen zu 



^) Orl für., C, XXXIII, st Iff. 



— 176 — 

können. Wie die vorhin erwähnte komische Einlage, so ist auch 
die possenhafte Szene zwischen ßodomont und seinem Diener 
Erfindung des Dramatikers. 

Der Tod Isabellens ist bei Ariost zeitlich und räumlich 
weit getrennt sowohl von dem Ausbruch der Easerei Roland's 
als auch von dem Tode Zerbin's^); der französische Dichter 
läßt uns bezüglich der Zeit im unklaren, der Ort der Handlung 
bleibt unverändert, wie Mairet selber in der Vorrede sagt. 
In der Schilderung dieser zweiten Episode hält er sich jedoch 
mit Ausnahme der Einführung Eodomont's an Stelle des 
Mandricard an die italienische Quelle. 

Das letzte Auftreten Eoland's und seine endgültige Heilung 
sind je einer Stelle im Orl, für. nachgeahmt. Die Art und 
Weise, wie der rasende Held einen Hirten tötet ^), ist nach 
OrL für., C. XXIV, st. 5 geschildert: 

« Uno ne piglia, e del capo lo scema 
Con la facilitä die torria alcuno 
DalVarhor pomej o vago fwr dal jpruno,^ 

Ariost läßt seinen Helden im Zustande der Käserei eine 
lange Reihe von Taten ausführen; Frankreich, Spanien, ja 
das Mittelmeer durchquert der Wahnsinnige (cfr. OrL für., 
C. XXIX, St. 40 ff., C. XXX, st. 4—14) und erst auf afri- 
kanischem Boden bringt ihm sein Freund endgültige Heilung 
(cfr. Orl für. C, XXXIX, st. 45 ff.). Der nachfolgende Ritt 
der beiden Freunde auf dem Griffon, der sie nach dem schwer 
bedrängten Paris führen soll, ist wiederum von Mairet frei 
erfunden. 

Das Schwächste an der Tragödie ist die Zeichnung der 
Charaktere; in der Regel erzählen die einzelnen Hauptper- 
sonen beim ersten Auftreten ihre Lebensgeschichte, so Roland 
(Akt I, 1), Angelika, Medor und Isabella (Akt II, 2 u. 3, 
S. 24), dann folgen entweder Klagen über ein persönliches 
Unglück, oder es wird, wie von Seiten Roland's und Rodomont's, 
irgend eine rohe Tat vollbracht. 

Die Liebesszenen zwischen Angelika und Medor wirken 



1) Cfr. C. XXIX, 8t 8—32. 
«) Akt 7, Sz. 3 {S. 101). 



— 177 — 

durch ihre Länge und Monotonie ermüdend. Medor's erste 
Worte, die den Prahlereien Rodomont's nicht nachstehen, 
kommen ans um so befremdender Tor als wir aus Ariost wissen, 
daß Tapferkeit nicht seine stärkste Seite und daß er alles 
eher als ein Aufschneider ist: 

tNy Bolandj ny Begnard^ ny de plus danger enx, 
Fussent-üs preservez par la force des charmeSj 
N^auront point de valeur qui ne cede ä mes armes. » 

Akt II, 1, S. 25. 

und wenn er dann mitten im süßesten Liebesgeflüster 
forteilt, um sein Messer zu suchen , das ihm aus der Tasche 
gefallen ist, so wirkt das einfach komisch auf Leser und 
Zuschauer.^) Geradezu zotenhaft ist eine Stelle in der bereits 
erwähnten Szene der Schäferfamilie, in welcher nämlich die 
Frau zu ihrem etwas bejahrten Manne sagt: 

<aMon plaisir me suffitj si je le sgay borner 
Aux forces de celuy qui me le peut donner, 
En pouvant plus avoir fen voudrois davantage,> 

Bemerkenswert ist der Charakter Rodomont's.^) Wir haben 
gesehen, daß bereits Bauter diesen Helden, höchst wahr- 
scheinlich unter dem Einfluß der französischen und ita- 
lienischen Komödie, zu einem mües gloriosus der Tragödie 
umformte. Ganz dasselbe geschieht in Mairet's Roland furkux, 
Bodomont ist derselbe Aufschneider wie in Bauter's Rodo- 
montade ^) ; er weist aber noch eineü anderen Zug auf, den er 
nait dem fiodomont der Komödie gemeinsam hat, seine Ver- 



1) Akt II, 1, S. 25, Medor : 

« je rCay sur moy ny poingon ny couteau 

En venant mon estiiy rri'est tomhe de la po8che.[!] 
') Es scheint uns wahrscheinlich, daß Mairet den Rodomont deshalb 
an Stelle des Mandricard einführte, weil jener längst schon eine bekannte 
Figur auf der französischen Bühne und bei den Franzosen überhaupt 
war, wahrend Mandricard niemals diese Popularität erlangte. 
») Vgl. Rol. für. Akt III, 4, S. 56: 

*Apprens que Rodomont dans Paris si vante 
N^a jamais rien connii qui Vait epouvante.» 
Ferner die Schilderung seiner „Heldentaten^ vor Paris {Akt IV, 
5, S. 84). 

Münchener Beiträge z. romanischen u. engl. Philologie. XXXIV. 12 



— 178 — 

liebtheit und sein angebliches Glück bei den Frauen.^) Nach- 
dem er von Doralice einen Korb erhalten, verliebt er sich 
sogleich in Isabella, die er noch kaum gesehen hat (vgl. Akt 
IV, 5, S. 80). Als er von seinen Heldentaten bei der Be- 
lagerung von Paris erzählt, sagt er u. a., daß hundert Frauen 
aus Schrecken vor seinem Erscheinen in der Seinestadt, vor 
der Zeit entbanden: 

«Cew/ femmes sur la placCj avant tenne acccmcherent.^ 

(Akt IV, 5, S. 84.) 

Eine reine Possenszene ist Rodomont's Gespräch mit 
seinem Diener Aronte. Als dieser ihm ein paar Flaschen 
Wein anbietet, weist er sie keineswegs zurück, da doch sein 
Glaube ihm verwehrt, dieses Getränk zu nehmen, sondern er 
sagt ruhig: 

«jVe croyant de ma loy que ce qu^il en faut croire, 
Surtout quand il s'agit de manger et de hoire» etc. 

(Akt IV, 5, S. 82.) 

Werfen wir noch einen Blick zurück auf das Gesagte, so 
müssen wir uns folgendes Urteil über Mairet's Tragödie bilden : 

Was der Dichter in der Vorrede als Vorzug ansieht, die 
gleichzeitige Dramatisierung zweier Episoden, ist als verfehlt 
zu erklären, da der Zuschauer beiden Handlungen nicht mit 
dem gleichen Interesse folgen kann. Es fehlt dem Stücke 
ferner eine Motivierung der einzelnen Szenen, die Personen 
treten auf und verschwinden, ohne daß ein Grund dafür er- 
sichtlich ist; auch leidet es an der allzugroßen Anzahl Ton 
Monologen. Die Mischung des Komischen und Tragischen ist 
als mißlungen anzusehen. Was das Verhältnis der Tragödie 
zur Quelle betrifft, so hat der Dichter diese mit größter 
Freiheit benützt, wie wir gesehen haben. Die Kritik, welche 
einzelne Forscher an dem Roland furieux geübt haben, ist im 
allgemeinen nicht günstig. Beauchamps^) sagt von ihm: 
«Boland est romanesque et irregulier pour la fable; mais il a qiiel- 



^) Siehe Fest, Der miles, S. 66 ff.,, wo der miles in Tournehu's «Con- 
tent8^> geschildert wird. Mit der Verliebtheit paart sich eine ebenso große 
Tölpelhaftigheitj indem Rod. in die von Isabella gestellte Falle geht. 

*) Recherches, 2. Teil, S. 113 f. 



— 179 — 

ques agremens. Les vers en sont fcnbles, et pourtant ils ont une 
certaine tendresse en leurs passions qui les fait aim'er. > Die Brüder 
Parfaict nenneu das Stück geschmacklos und kunstlos und 
zählen es zu den schwächsten Leistungen des Dichters.^) 
Niceron führt, ohne Quellenangabe, das Urteil Be au champs' 
wörtlich an. ^) Mouhy tadelt den romantischen Stoff und den 
Versbau, findet dagegen einige ziemlich gute Stellen.*) La 
Porte und Ohamfort verurteilen besonders die etwas 
sinnliche Liebesszene zwischen Angelika und Medor und die 
mißlungene Mischung von Komischem und Tragischem.*) 

Aus neuerer Zeit sei das Urteil Michaud's erwähnt, 
welches mit dem der Brüder Parfaict übereinstimmt.^) Dann- 
heißer bezeichnet das Stück als recht unbedeutend, nur seine 
Entstehungsgeschichte könne als Entschuldigung dafür dienen, 
daß Mairet es überhaupt schrieb. Der romantische Zug, der 
vor allem in dieser Tragödie liege, sei zum Teil auf die Ein- 
wirkung des Grafen Belin, seines Gönners, zurückzuführen.®) 
Während Eicke nur den Namen unseres Stückes erwähnt'), 
Weinberg dagegen es gänzlich übergeht®), besitzen wir 
französischerseits noch Urteile von Bizos®) und Rigal.^^) 
Der erstere verurteilt das Stück in jeder Hinsicht und kann 
nicht begreifen, wie Mairet ein so elendes Machwerk schreiben 
konnte. ^^) Der letztere tadelt die Ungeschicktheit, mit der 



^) Hist.j Bd, Vj 118: «Sans goüt et sans art» 

«) Mimoires, Bd. XXV, 249. 

») TdbUttes, S. 204; Ahr., Bd. II, 213. 

*) Dictionnaire, Bd. III, 70. 

*) Bihl. univ., Bd. XXVIj 165: «Roland furieux .... traiti 
Sans goüt.» 

•) Studien zu Mairefs Leben und Werkenj S. 27. 

') Zur Rolandsage, S. 14. 

®) Schäferspiel, S. 90 ff., wo eine ebenso kurze wie mangelhafte 
Lehensgeschichte des Dichters zu finden ist. 

®) iJtude, S, 195. — Dann heißer {l. c, S. 2, Anm. 3) wirft dem 
Werke Bizos' Mangel an Selbständigkeit vor, ein Urteil, das wir vollauf 
bestätigen. 

10) Le Theätrefr. au XVII^ 8., in: Jullev., lY, 258. 

1*) JEltude, S. 194: «Cette piece regut le plus froid accueil du public 
Stonne d^une si triste et si prompte decadence; on se demandait comment 
le celebre ecrivain avait pu sacrifier les nobles et fiers sentiments dont 

12* 



— 180 — 

Mairet diesen Stoff behandelt und nennt die Ausdrucksweise 
des Dichters prosaisch, schleppend, schwer verständlich und 
geschmacklos.^) 

Wenige Jahre nach Mairet trat Guillaume deßiche-) 
mit einem neuen Stücke hervor unter dem Titel Les amours 
(TAngelique et de Medor etc. 1648. Der Verfasser bezeichnet 
es auf dem Titel als eine Tragödie in 8 Akten [!] mit 
Chören, aber ohne Szeneneinteilung. Mouhy meint, es habe 
auf den Theatern der Provinz vielleicht Beifall gefunden. *) 
Nähere Angaben über den Inhalt zu machen, sind wir leider 
nicht in der Lage, da das Stück verschollen zu sein scheint.*) 

Um so bedeutender dagegen ist das folgende die Roland- 
Episode behandelnde Stück, welches im Januar ^) 1685 zum ersten 
Male aufgeführt und noch in demselben Jahre gedruckt wurde.*) 



il avait su animer Sophonishe et Massinissa pour les galanteries et fa- 
deurs de son nouvel ouvrage; on ne pouvait croire que le style hizai're 
et dameretj qui n'avait Hen de dramatique, sor-tit de la phime qui avait 
^crit les beaux vers de la Sophonishe^ du Marc Antoine et du Soliman; 
il donna un mediocre canevas d^opera sous le nom de tragi-comedie.» 

^) Hist. de la litt. {p. p. Jullev.) Bd. IV, 258 : «ie R. f. unit, avec 
une rare maladresse, la tragedie que Montreux avait dejä traitee sous le 
titre d^lsdbelle ä une tragi-comedie pleine, aussi hien qu'une ancienne 

pastorahj de hizarreries, d'effets sceniqiies et dHndecences Son style est 

presque constamment p^^osaique, trainant, ohscur, plein de mauvais goüt* 

^) über G. de Riches^ Leben wissen ivir nichts; keines d&r in 
unserer Arbeit ziti&rten Literaturwerke führt seinen Namen an. Von 
Mouhy, Abrege I, 36, wird es einem Desroches zugeschrieben, unter 
welchem Namen wohl de Riche gemeint war. Dieselbe Behauptung findet 
sich auch in d. Anecd. dr. III, 152. 

*) Abrege J, 36: «Cette piece a pu reussir en province.» 

*) Wenigstens besitzt keine der drei großen Pariser BihUotheken ein 
Exemplar des genannten Stückes. 

^) Chouquet, Hist, S. 321, Clement, Dict. lyr., S. 587 u. 
Leris, S. 291, bezeichnen den 8. {18.) Januar, bzw. 8. Febr. als den Tag 
der ersten Aufführung. 

*) Quinaulfs zwölf Opern finden sich in den drei ersten Bärgen des 
Recueil des operas, Amsterdam 1684 und 1690, 12^. Eine ausführliche 
Lebensbeschreibung des Dichters kann nachgelesen werden bei Goujet, 
Bibl. fr., Bd. XVIII, 242 ff.; La Gr. Encycl, Bd. XXVII, 1160. — 
La Porte et Cham fort geben irrtümlicherweise 1689 als Datum der 
Aufführung und des Druckes an. Lucas {Hist, 111, 307) erwähnt das 
Stück nicht. 



— 181 — 

Es ist dies die Oper Roland von Ph. Quinault ^), neben seiner 
Armide die bekannteste Schöpfung dieses Librettisten. 
Folgendes ist der Inhalt von Quinault's Oper. 
Prolog : Demo[go]rgon, der Feenkönig und das Haupt der 
Erdgeister (le premier des Genies de la Terre), sitzt, umgeben 
von Feen und Erdgeistern, auf seinem Throne und preist die 
Wohltaten des Friedens und die Regierung des französischen 
Königs; sodann deutet er den Gegenstand an, welcher nun 
zu Ehren des Königs aufgeführt werden soll: 

€Du celebre Roland renouvellons VHisioii'e, 

La France luy donna le jour, 

Montrons les erreurs oü VArnmir 

Peut engager un ccenr qui neglige la gloiref^ 

Akt I : Angelika, die Königin von Cathay, hat zu Medor, 
einem jungen Gefolgsmann des afrikanischen Königs Agra- 
mant, eine tiefe Zuneigung gefaßt, doch schwankt sie noch, 
ob sie dieser Neigung folgen, oder dem ruhmbedeckten Roland 
ihre Hand geben soll. Themire, ihre Vertraute, erteilt An- 
gelika den Rat, den ersteren aus ihren Augen zu verbannen. 
Dieser aber gesteht ihr in einer der folgenden Szenen seine 
unwandelbare Liebe, wird aber mit seinem Antrage für dieses 
Mal abgewiesen. Gleich darauf überbringen Abgesandte Roland's 
ein kostbares Armband, welches für Angelika bestimmt ist. 

Akt II : Angelika steht an jenen zwei berühmten Zauber- 
quellen, aus denen man Liebe oder Haß trinken kann; sie 
zögert noch, aus welcher sie das Wasser schöpfen soll, als 
Roland auf sie zukommt. Schnell steckt das Mädchen seinen 
unsichtbar machenden Ring in den Mund und entfernt ihn erst 
wieder, als Roland fort ist, und Medor, voll Verzweiflung über 
die Härte der Geliebten, des Weges kommt und sich töten will. 
Angelika, in deren Herzen der Stolz nunmehr zurücktritt vor 
der Allgewalt der Liebe, ruft dem unglücklichen Jüngling zu, 
er solle weiter leben und sein Glück mit ihr teilen. So finden 
sich ihre Herzen, und unter dem lieblichen Gesänge von Liebes- 
göttern und verzauberten Liebespaaren feiern sie ihre Verlobung. 

Akt III: Die beiden Liebenden können ihres Glückes 



^) Quinanlt gab ihm den Titel ^tragedie-opera» . 



— 182 — 

nicht so recht froh werden, da sie Koland's Eifersucht 
fürchten müssen. Um diesen zu beruhigen, verspricht ihm 
Angelika ein Stelldichein an der Grotte, wo sie gewöhnlich 
mit ihrem Liebsten spazieren geht; den dadurch eifersüchtig 
gewordenen Medor beruhigt sie mit einschmeichelnden Worten. 
Akt IV: Roland eilt indessen voll Freude zur Q-rotte 
und achtet nicht auf die Bitten seines Freundes Astolf, der 
ihn zur Hilfeleistung für das von den Mauren schwer be- 
drängte Reich bewegen will. An dem verabredeten Orte an- 
gekommen, findet Roland keine Angelika, dafür aber entdeckt 
er jene Inschriften, welche von Medor's Hand herrühren und 
vom Glücke der beiden Liebenden in unzweideutiger Sprache 
reden. Noch kann er an die Wahrheit seiner Entdeckung 
nicht recht glauben, als ein ländlicher Hochzeitszug heran- 
naht und ihm die Kunde bringt, daß die Fürstin von Cathay 
mit ihrem jugendlichen Liebhaber eben den Hafen verlassen 
habe. Das Armband des Hirten Thersandre, in dem Roland 
sein eigenes Geschenk wieder erkennt, und das Angelika 
jenem treuen Hirten vor ihrer Abreise gegeben hat, spricht 
deutlich genug, wie schwer Roland von dem Mädchen ge- 
täuscht wurde. Der Schmerz macht ihn tobsüchtig; in seiner 
Raserei zerstört er alles, was ihm in die Hände fallt. 

Akt V: Dieser Akt versetzt uns in den Zauberpalast 
der Fee Logisstilla. Astolf, Roland's treuer Freund, erhält 
von dieser gütigen Zauberin einen Zaubertrank, der den in 
festen Schlaf versunkenen Helden zu neuem, gesunden Leben 
wieder erweckt. Gloire, Renommee und Terreur begrüßen den 
Erwachenden und wollen ihn zu neuen Taten geleiten, Logis-^ 
stilla aber ruft ihm warnend zu : 

«La Gloire vous appelle, 

Ne soupirez plus que pour eile ; 

iVbw, n^ouhliez jatnais 

Les maux que VAmour vous a faiis* 

(Akt V, 4, S. 45). 
Die vorstehende Analyse zeigt auf den ersten Blick, daß 
Quinault's Oper eine ganze Anzahl von Veränderungen gegen- 
über ihrer Quelle aufzuweisen hat. Der Prolog ist von An- 
fang bis zu Ende das Werk des Franzosen und soll eine 



— 183 — 

Ehrung des Roi-Soleil seio, welcher die erste Anregung zu 
dem Stücke gegeben haben soll. 

In der Oper selbst finden wir sehr viele Personen, 
die bei Ariost nicht vorkomnaen. „Ziliante, prince des Isles 
Orientales; Coridon, Berger, Amant de Belise; Belise, Amante 
de Coridon, femer Confidents und Confidentes, Suivants, Sui- 
vantes, troupes d'Amours, de Sirenes, de Dieux, de Fleuves, 
de Silvains, d'Amants enchantes, d'Amantes enchantees, de 
peuples de Cathay, de Bergers et de Bergöres, de F6es, 
d'Ombres d'anciens Heros" ; endlich treten am Schlüsse die 
allegorischen Gestalten Gloire, Terreur, La Renommee auf. 

Auf freier Erfindung des Librettisten beruht der ganze 
erste Akt; die Tatsache von dem Geschenk Roland's ist zwar 
bei Ariost erwähnt (C. XXIIT, st. 120), aber die Art und 
Weise des Überbringens ist von Quinault erdichtet. Vom 
zweiten Akt ist dasselbe wie vom ersten zu sagen. Nur die 
Erwähnung der beiden Zauberquellen geht auf Ariost (Ort, 
für, 0. I, st. 78) zurück. Der Schauplatz des dritten Aktes 
ist der nämliche wie beim italienischen Dichter, sonst erinnert 
jedoch nichts an das Epos Ariost's. Vom vierten Akt ist 
nur Thersandre's ^) Bericht von der Abreise der beiden 
Liebenden und das Vorzeigen seines von Angelika erhaltenen 
Ringes, endlich auch der Ausbruch der Raserei Roland's, der 
italienischen Quelle entnommen. Die Heilung Roland's durch 
Jjogisstilla vollzieht sich bei Ariost in den Sandwüsten Afrikas *), 
bei Quinault im Palaste der Logisstilla unter deren Beisein. 
Die drei erwähnten allegorischen Gestalten fehlen bei ersterem, 
wie überhaupt der ganze, echt opemhafte Abschluß des Stückes. 

Wenig ist von den Charakteren zu sagen, da bei einem 
so ausgesprochen lyrischen Stücke, wie der JRol. für,, natur- 
gemäß wenig Gewicht auf deren richtige Zeichnung und Ent- 
wicklung gelegt wird. Die Person des Roland der Quinault- 
schen Oper kann nicht den Anspruch erheben, daß man sie 
ernst nehme, wie das doch beim Orlando des Ariost der Fall 
ist; denn es wirkt gerade komisch, wenn wir sehen, wie er 
in blinder Liebe sich von Angelika zum Stelldichein verleiten 

*) Cfr, (h± fur., C. XXIII, st 118 ff. 
«) Ibd., C. XXXIX, 8t. 45 ff. 



— 184 — 

läßt; während welcher Zeit diese mit ihrem Liebhaber Yer- 
schwindet. Komisch wirkt femer die Szene, in der Koland 
in Baserei gerät (Akt IV. 4). Nach der BühnenweisaDg 
bricht er die Inschriften, die auf Holztafeln angebracht sind (!), 
in Stücke, reißt Zweige und Aste von den Bäamen und zer- 
schlägt Felsenstücke, schließlich glaubt er eine Furie zu sehen 
und beginnt zu ihr zu sprechen. So stehen wir den Titel- 
helden fortwährend in komischen Situationen und als diejenige 
Person, die getäuscht wird. Man könnte überhaupt versucht 
sein, die ganze Oper als Parodie des Orl. für. zu betrachten, 
wenn die Charaktere Angelika^s und Medor's nicht so ernst 
und tiefsinnig vom französischen Dichter gezeichnet worden 
wären. Lange sträubt sich Angelika, den Regungen ihres 
Herzens Folge zu leisten, sie weist Medor's Antrag zurück, 
aber in demselben Augenblicke bereut sie ihr hartes Wort; 
und als sie dann den Geliebten ihretwillen leiden sieht 
(Akt II, 4), stürzt sie in seine Arme und flüstert ihm leise 
zu, wie sehr sie ihn liebe, und bietet dem einfachen Knappen 
eines Königs Krone und Thron von Cathay an. Diese beiden 
Szenen zwischen Angelika und Medor sind zweifellos die 
schönsten des ganzen Stückes.^) Überhaupt tritt Roland im 
Vergleiche zu diesem Liebespaar viel zu sehr in den Hinter- 
grund, abgesehen davon, daß er auch weit weniger sympathisch 
erscheint als Angelika und Medor. 



*) Das Duo in der 4. Szene des I. Aktes wurde bald sehr populär 
und war jahrzehntelang in aller Munde {Clement^ Dict lyr.j 8. 972): 
Aug.: «... Partez Medor! Med.: Ciel! 

Ang.: Partez sans dxffbrer. 
Med. : Helas ! Ay je pü vovs deplaire ? 
Ang.: Non, non je n'ay point de colere 
Laissons les discours superflus. 
Partez 
Med. : Je ne vous verray plus» etc. 
Dieselbe Berühmtheit erlangte Sz. 4, Akt III, S. 25: 
Vivez pour nioy, quHl vous soiwienne 
Que votre Destinee est unie ä la mienne, 
Ma mort suivroit votre trepas: 
Evitons un desthi tragique; 
Medor ne veut-il pas 
Vivre pour Angelique ?» 



— 185 — 

Um Quinault's Dichtung gerecht zu beurteileü, muß man 
berücksichtigen, daß der Verfasser nicht eine Tragödie in 
den strengen Formen der Klassizität schreiben wollte, sondern 
daß es ihm vor allem darum zu tun war, einen Operntext zu 
liefern, d. h. einen möglichst romantischen Stoff zu dramati- 
sieren und ihn mit lyrischen, für Arien, Duos und Chöre 
passenden Einsätzen zu durchwirken. 

Dieser Zweck rechtfertigt Quinault's Abweichungen von 
der Quelle zur Genüge, und er erklärt auch, daß wir eine 
logische Entwicklung der Handlung und teilweise auch der 
Charaktere des Stückes schlechterdings in Abrede stellen 
müssen. Als Oper des ausgehenden 17. Jahrhunderts jedoch 
betrachtet, ist der Roland Quinault's zu den besten da- 
maligen Erzeugnissen dieses Genres zu zählen. Auch in 
musikalischer Hinsicht gehört der Roland zu den erstklassigen 
Opern jener Zeit, und LuUy, der Komponist des Stückes, er- 
klärt es für die beste seiner Tonschöpfungen. ^) 

Bald nach der Aufführung des Stückes ließen sich 
kritische Stimmen vernehmen, welche das tolle Gebärden des 
rasenden Roland's auf der Bühne und das etwas süßliche 
Liebesgesäusel Angelika's und Medor's lächerlich machten, 
und irgend ein versgewandter Kritiker, dessen Namen wir 
nicht kennen, faßte diese vernichtenden Äußerungen des 
Theaterpublikums in folgendem Gedichte zusammen: 

tDans un bois, Ängelique errante ä la ventiirej 
Voit Medor etendu, blesse, sans nul espoir\ 
Le irouve heaiij le panse avec Vemjmtre noir, 
Lui fait des houülons frais et guerit sa hlessure, 

Son amoureux Roland fait piteuse figure, 
Jone d Colin-maülard, lui ^;«r/e sans la voir, 
Feste en vain, car la Reine ouhliant son devoir, 
De son cotivalescant veut etre la monture. 

Themire a beau chanter, beait dire et beau crier, 
Qu^il est peiit-etre issii de qiielqiie cuisinier : 
Ängelique le veut et l^a giieri pour eile. 



») Clement, Dict lyr., 8. 5SS. 



— 186 — 

Elle enleve Medor et plante lä Eolandj 

Qui va dans les Hameaux faire le Capitan; 

Puis un doux mennei lui remet la cervelle,> ^) 

In L6ris' Dictionnaire portatif ^) wird der Oper Quinault's 
ein unbedingtes Lob zuteil. Während Niceron^), Mau- 
point*) nur den Namen des Stückes anführen, wird es bei 
Goujet^), der doch Quinault ausführlich behandelt, nicht 
einmal dem Namen nach erwähnt. La Porte und Cham- 
fort geben zwar zu, daß der vierte Akt große Schönheiten 
aufzuweisen hat, beanstanden aber, daß Angelika und Medor 
zu oft auf der Bühne erscheinen, und daß Roland's Raserei 
sich im Abreißen von Baumzweigen u. dgl. äußert.®) Auch 
Voltaire bezeichnet den vierten Akt als ein Meisterwerk 
Quinault's.') Voltaire's Schüler La Harpe findet, daß das 
Stück nicht so sehr eine tragedie lyrique als eine pastorale 
heroique ist, wo eine Königin einem Schäfer (sie!) den 
Vorzug gebe vor einem berühmten Helden. StoiBf und 
Verwicklung sind nach ihm etwas unbedeutend®); doch 
reicht Quinault manchmal bis zum Erhabenen. C h o u - 
quet bespricht zwar den Eoland Quinault's nicht näher*), 
fällt aber über die lyrischen Dramen dieses Dichters insge- 
samt ein sehr günstiges Urteil. ^^) Als besonderes Verdienst 



^) Zitiert hei La Porte et Cham fort, Dict.j III, 70. 

2) S. 291 f. 

3) Memoires XXVIII, 210. 
*) ßihl. fr., S. 273. 

»*) Bihl. fr., XVIII, 248. 

®) Dict. dram., III, 70: «. . . . Angelique et Medor paraissent 
trop souvent sur la scene. Les fiireurs de Roland surtout devroient le 
porter ä quelque chose de plus qu'ä ebrancher des arh'es et ä combattre 
des etres inanimes.y> 

') Dict, pliil. [Art. Art dramatique) VII, 189. 

®) Cours de litt., I, 665 : <.<... Le fond est un peu faible, Vintrigue 
est peu de chose.» 

®) Hist. du drame musical, S. 321. 

^°) Ibd., S. 112: «ic premier, il comp^'it que, h cause de sa desti- 
nation speciale, Vop^ra exige une autre coupe que celle des pieces oü il 
n'entre que du dialogue. Versificateur harmonieux, elegant et facile, 
auteur verse dans la science et dans la p-atique du theätre . . ., Ph. Quinaidt 



— 187 — 

rechnet er ihm an, daß er die Mischung des komischen 
und des tragischen Elementes, die dem französischen Gre- 
schmacke nicht behage, vermieden habe.^) Wir haben jedoch 
gesehen, daß gerade der Roland furieux sehr oft das Komische 
streift. 

E i c k e beschränkt sich auf die Betonung des szenischen 
Apparates, mit dem Quinault seine Oper ausstattete. 2) Dou- 
mic nennt die Szene, in der Roland durch den Hochzeits- 
zug die Untreue Angelika's erfährt (Akt IV, 4), geradezu ein 
Wunder der Kunst. ^) 

Ahnlich wie Chouquet hält Proelss unseren Dichter 
ganz besonders geeignet für die Oper, da er ein zartes, 
lyrisches Talent besitze und sich der Musik unterzuordnen 
wisse. Allerdings vernachlässige er dadurch die eigentlichen 
dramatischen Forderungen, die folgerichtige Entwicklung der 
Charaktere und der Handlung.*) Julleville bezeichnet den 
Roland als eine bemerkenswerte Leistung, hebt aber zugleich 
den Mangel jeglichen dramatischen Interesses hervor, der dem 
Stücke anhafte.^) Birch-Hirschfeld^) endlich erkennt 
Quinault's Unerreichbarkeit in der Handhabung des Stiles 



resolut de consacrer ses brillantes facultes ä un genre qui, de son temps, 
manquait encore ä notre littirature.» 

^) Ihd.^ S. 112: «II commenga par imiter les Italiens et par com- 
hiner Velement comique avec VSlement tragique; mais il s'apergxit vite 
que le goüt frangais repousse ce melange, et il y renonga pour toujours 
aprhs la representation d'Alceste.» 

') Z. Bolandsage^ S. 14, — Eicke beschäftigt sich nur mit Prolog 
und Personenverzeichnis des Stückes. 

') Kritik von Roland' s Histoire de V Opera, die sich mit dem 
Einfluß der Oper auf die Tragödie beschäftigt (Bevtie des 2 mondeSj 
1895, 8, 451). 

*) Gesch. d, Dramas, Bd. II, Halbbd. 2, 247. 

») Le Theätre en France, S. 247. 

•) Gesch. d. frz. Litt, (Suchier und ßirch- Hirschfeld) 
8. 479: * Quinault verstand es, in geschickter Weise Ludwig^ s XIV. Lob 
in sinnreichen Prologen zu verkünden und in seinen Operntexten dem. 
Komponisten wirkungsvolle theatralische Unterlagen zu schaffest. Wahr- 
heit und Kraft verlangte man in derartigen Dichtungen nicht, es genügte, 
wenn die Situation oberflächlich, aber doch mit Pathos gekennzeichnet 
war; das Übrige war Aufgabe der Musik. In der flüssigen Geschmeidig- 



— 188 — 

und des Verses an, spricht ihm aber jede tiefere dramatische 
Begabung ab. 

Unter den Theaterstücken, die dem bekannten, äußerst 
fruchtbaren Komödiendichter Dancourt zugeschrieben 
werden, befindet sich eine Parodie der Quinault'schen Oper, 
betitelt Angelique et Medm: Sonderbarerweise wird sie von 
nur wenigen Forschern erwähnt.^) Gespielt wurde das Stück 
zum ersten Male am 1. August des Jahres 1685 nach der 
Aufführung von Racine's Berenice ^) ; der Erfolg, den es er- 
zielte, scheint nicht bedeutend gewesen zu sein, da es nur 14 
Aufführungen erlebte.^) 

Der Inhalt des kurzen Einakters ist in wenigen Worten 
folgender: Ein junger Mann vom Lande will ein Mädchen 
der Hauptstadt heiraten, das jedoch nur von ihrer Mutter zu 
diesem Bunde gezwungen wird. Ein vornehmer Edelmann^ 
der eine tiefe Zuneigung zu der Dame gefaßt hat und sich 
von dieser wieder geliebt weiß, beschließt den unbequemen 
Freier vom Lande zu überlisten. Da nämlich der letztere 
ein leidenschaftlicher Freund der Musik ist, führt er sich 



keit und natürlichen Anmut des StilSj im Wohlklang des Verses hat 
Quinault niemand erreicht. "^ 

^) Beauchamps, Recherches, 2. Teil, 8. 369 ff.; Dictionnaire d. 
Th., II, 242; Mouhy, Tablettes L 20 und Abrege I, 36; Querard, 
La France litt., Bd. II j 381; dagegen fehlt eine Et^vähnung dieser 
Komödie bei: Palissot, M^m. d. litt., II, 91ff.; Lemazurier, Galerie 
des auteurs, I, 195 ff. ; Michaud, Bibl. univ., Bd. X, 89 {die Haupts. 
Werke werden aufgezählt und zum Schlüsse heißt es: *Il a compose 
beaucoup d'autres comedies qu'il a fait representer sur les thSätres de 
province auxqucls il etait attache»); Jal, Dict. crit., S. 466; Lucas, 
Hist.f III, 308; La Gr. Encycl, XIII, 827 {bringt eine kurze Lebens^ 
beschreibung des Dichters); Lemaitre, La comedie apres Moliert, 
S. 233 u. 234; Lion, La com. apres Mol. {Hist. d. l. litt., p. p. 
Julleville, Yl, 567 ff.). Die vollständigste Ausgabe der Werke Dan- 
court's ist nach Vapereau {Dict. univ., S. 572) die von 1760; 
doch findet sich dort unser Lustspiel nicht; dasselbe ist gedruckt in 
einem «Recueil de Pieces de Theätre», welcher unter Dancourfa Namen 
erschien. 

2) Mouhy, Tablettes, Bd. /, 20, nennt die Komödie „sehr schwach^; 
ebenso L e r i s , Dict. portatif., S. 43. Er bezeichnet sie als eine Art Fa^ 
rodie des Hol. v. Quinault. 



— 189 — 

verkleidet als Opernsänger in das Haus der Geliebten ein, wo 
eben der zukünftige Bräutigam 'weilt. Man macht den Vot- 
schlag, den Roland von Quinault auf der Hausbühne zu spielen. 
Das Mädchen übernimmt die Rolle Angelika's, der Edelmann 
die des Medor; nach einigen Szenen, in welchen Quinault's 
Oper parodiert werden soll, verschwinden die beiden Spieler 
hinter den Kulissen, ein Diener aber tritt auf die Bühne und 
meldet, daß das Liebespaar verschwunden sei: 

tAngelique est partie, et Medor avec elle,> *) 

Mutter und Bräutigam sind in Verzweiflung; denn nach 
einem solchen Skandal bleibt den beiden kein anderer Aus- 
weg übrig als auf ihren Heiratsplan zu verzichten. 

Da weiter nichts als der Titel dieses Einakters dem Orl. 
für, entlehnt ist, gehen wir sogleich zu einigen anderen Stücken 
über, die gleichfalls Parodien der Quinault'schen Oper sind. 
Strenggenommen gehören sie nicht zu unserer Abhandlung, 
aber sie dürfen nicht übergangen werden, da sie ein .glänzender 
Beweis sind, wie tief und lebendig noch in der ersten Hälfte 
des 18. Jahrhunderts die Kenntnis des Ariost'schen Epos 
war, und wie beliebt und bekannt die unsterblichen Helden 
und Heldinnen desselben in allen Kreisen des Volkes waren. 

Im Jahre 1717 wurde ein Pierrot furieux ou Fien-ot 
i2öfo^nrf2) vonEuzelier aufgeführt^); leider wurde diese Paro- 



1) Sz. 8, S. 232. 

*) Das Stück ist erwähnt hei folgenden Autoren: Beauch. , Rech, 
{nur im alphabetischen Verzeichnis der Theaterstücke); Leris, Dict. 
dram.j S. 263; Mouhy, Tablettes 7, 13 (M. gibt irrtümlich als Datum 
d. Auff. 1731 an); Maupoint, Bibl, 8.340; La Porte et GL, Dict. 
da-ojm. III^ 455. 

^) Fuzelier {1672—1752) war ein sehr fruchtbarer Theaterdichter 
und schrieb hauptsächlich für die Bühne des Theätre de la Foire de St. 
Germain. Ein scharfes Urteil fällt über ihn La Harpe {Cowrs d. litt. 
iJ, 439): «. . . Ze plus froidj et le plus plat rimeur, le bei esprit leplus 
^agant et le plus glacij qui ait faxt chanter ä V Opera des fariboles dia- 
loguies.» Lucas {Hist. II, 50) bedauert ^ daß er nur für das Theater 
gearbeitet habe. Weitere Urteile finden sich 6eiMichaud {Biogr.univ., 
XYf 309, wo auch La Harpe' s Kritik zitiert ist); Didot {Biogr. 
ginir. XIX, 77 ff.), La Gr. Encycl, XVIII, 316. 



— 190 — 

die der Quinault'schen Oper nicht gedruckt. La Porte und 
Chamfort ^) nennen dieselbe Vecht „gewöhnlich", während Des 
Boulmiers behauptet, das Stück habe einen großen Erfolg 
errungen. 2) 

Außer diesem Einakter Fuzelier's veröfifentlichten Domi- 
nique und Romagnesi^) im Jahre 1727*) eine Parodie 
der Oper Quinault's unter dem Titel Arlequin Roland, die 
nun kurz besprochen werden soll. 

Der Inhalt des Stückes ist folgender: Harlekin kann 
Angelika's Liebe trotz reichlicher Geschenke nicht gewinnen, 
da deren Herz für Medor schlägt. Um Harlekin's zudring- 
lichen Bewerbungen zu entgehen, bewilligt sie ihm ein Stell- 
dichein auf einem Balle, der in der großen Oper abgehalten 
wird, flieht aber, anstatt dorthin zu gehen, mit ihrem Ge- 
liebten nach Poissy und von da zu Schiff nach Rouen. Als 
Harlekin unterdessen auf dem Balle vergebens das treulose 
Mädchen sucht und dabei noch von zahlreichen Masken über 
sein Unglück verspottet wird, gerät er in grenzenlose Wut, 
er wirft die Kleider bis aufs Hemd von sich, prügelt einen 
Theaterdiener durch, der ihm Limonade anbietet, zerbricht 
seine Gläser und demoliert schließlich die sämtlichen neuen 
Dekorationen des Ballsaales. 

Man muß zugeben, daß die beiden Verfasser dieser 
niedrigen komischen Parodie die schwächste Seite von Quinault's 
Oper, die Darstellung von Roland's Raserei, herausgefunden 
und mit Erfolg lächerlich gemacht haben. 

Eine ähnliche Handlung weist jene im Jahre 1744 er- 



^) Dict dram., III, 455: «Parodie grossierement falte,» 

*) Hist. de Vopera com., II, 457. 

^) Beide waren Schauspieler am italienischen Theater zu Paris. 
Eine ausführliche Liste ihrer zum Teil nicht gedruckten Theaterstücke 
{meist Einakter) findet sich hei Beauchamps, Recherches, 3, Teü, 
S. 130 ff. ; über Romagnesi, der gewöhnlich den Schweizer, den Deutschen 
oder den Betrunkenen {sie!) spielte, siehe Vapereau, Dict. univ., 8. 1755; 
eine Liste seiner Werke findet sich auch 6ei Querard, La Fr, litt, Ylll, 
131, 100 mehr als 20 Stücke dieses Autors erwähnt werden. 

*) Nach Beauchamps, Rech., 3. Teil, S. 133 wurde es am 31. Dez. 
1727 aufgeführt; ebenso Maupoint, Bibl. d. Th. fr., S. 232; La 
Porte et Chamfort, Dict., Bd. I, 126 u. III, 66, 



— 191 — 

schienene Parodie auf, welche Panard^) und Sticotti^) 
zu Verfassern hat und die unter dem Titel Roland bekannt 
ist.^) Wie bei Dominique, so hat auch hier die listige An- 
gelika den aufdriüglichen Rolaad zu einem Stelldichein be- 
stellt, und zwar diesmal zum Jahrmarkt von Saint-Germain. 
Vergebens sucht Astolf, sein Freund, ihn über die Untreue 
seiner Angebeteten zu trösten. Als Roland auf einem Brette 
die Namen von Angelika und Medor liest und von einem 
eben vorüberziehenden Hochzeitszuge die Flucht der beiden 
Liebenden erfährt, da fällt er in Raserei und zerschlägt die 
Dekorationen des Theatersaales von Saint-Germain. Wir 
zitieren, um eine Probe von dem Stücke zu geben, die Schluß- 
verse in der letzten (8.) Szene: 

Rol. seul: . . . Air: Les Trembleurs (bei Quinault): 

^J^ay donc decouvert Uur trame: 

LHngrate trahit ma flamme, 

Ce trait dechire mon äme, 

Dans quel etat je me vois ! 

Que tout sente id m/i rage: 

Faisons un affreux ravage 

Burandalj sers mon courage. 

Allans ahattre du bois,T^ 



^) P a n a r d , mehr bekannt als Dichter von Trink- und Gesellschafts- 
liedern, schrieb etliche 80 Theaterstücke {s. Querard, La Fr. litt., 
Bd. yZ, 58i; Vapereau, DicL, S. 1529); Didot (Biogr. gen. XXXIX, 
125) schätzt die Zahl derselben sogar auf mehr als achtzig. La Harpe, 
Cours de litt. 11, 446, nennt Fanard^s theatralische Erzeugnisse wertlos 
und bestreitet ihm den von Marmontel gegebenen Titel «Le La Fontaine 
du Vaudeville.» Ebenso ungünstig lauten die Urteile von Desessart 
{Bibl. d'un homme de goüt V, 156) und in Michaud's {Biogr. univ., 
XXXII, 61); nach der Kritik des letzten Werkes sind die Stücke 
Fanard^s arm an Erfindung und dramatischer Wirkung. Dagegen wird 
Fanard von Lenient (La Com., II, 1711172) gelobt und als Schöpfer des 
•vaudeville mordl^ bezeichnet. 

*) Nach Des Boulmiers (Hist. de Vop. com., Bd. II, 432) wissen 
wir von diesem Autor nur, daß er Schauspieler am „neuen italienischen 
Theater^ zu Faris war und mit Fagan, Fanard und Dominique eine 
Anzahl von Farodien und Vaudevilles schrieb. 

*) Nach Leris, Dict, S. 292, wurde der „Roland'' am 20. Januar 
1744 aufgeführt. Ebenso La Porte et Chamfort, Dict. III, 71. 



— 192 — 

Mit diesen Worten beginnt er sein Zerstörungswerk. ^) 
Von einem dauernden, künstlerischen Erfolge kann bei 
diesen Parodien natürlich nicht gesprochen werden. Sie wurden 
für den Augenblick geschaffen, einzig zu dem Zwecke, die 
Lachmuskeln des Theaterpublikums für eine Stunde lang zu 
reizen, und sie verschwanden schon nach einigen Aufführungen 
für immer von der Bühne. 

Die große Beliebtheit der Quinault'schen Oper veran- 
laß te den gewaltigen Nebenbuhler Glucks Piccini, sich eben- 
falls an die Tonsetzung dieses Stoffes zu machen. Mar- 
montel, der vielgewandte Schöngeist der zweiten Häifbe des 
18. Jahrhunderts, sollte zu diesem Zwecke den Text Quinault's 
an einzelnen Stellen umarbeiten.^) So verschwindet denn der 
Prolog aus dem Stücke, die Szene, in der Roland's Raserei 
ausbricht (IV, 4), wird wesentlich verkürzt, die allegorischen 
Gestalten in der letzten Szene der Oper bleiben ebenfalls 
weg. Im großen und ganzen ist der Text und die Inszenie- 
rung einfacher geworden und nähert sich mehr der klassi- 
zistischen Tragödie ßacine's. Trotzdem scheint der Stoff 
noch zu romantisch für die vornehm einfache Musik Piccinrs *) 
gewesen zu sein. Wenigstens sagt La Harpe, der im übrigen 



*) Leris, Dict. portj S. 388 bezeichnet als Parodie der Oper von 
Quinault auch den Einakter Polichinelle Gros Jean^ der jedoch nicht 
gedruckt wurde und dessen V&rf asser nicht bekannt zu sein scheint. Das 
Datum der Auffassung ist bei Leris nicht angegeben. Dasselbe sagt der 
Verfasser der Anecd. dram., II, 84. — Barbier (Dict. des Ano- 
nymes, VII, 377) gibt noch den Titel einer anderen Parodie^ betitelt 
Roland, parodie nouvelle (Par Bailly) s. l. n. d. 8^, 48 Seiten. Leider 
gelang es uns nicht, in den drei großen Bibliotlieken von' Paris d^is 
Stück ausfindig zu machen. Höchst wahrscheinlich ist das derselbe Roland, 
den d'Estree (Rev. d'Hist. litt. 1901, S. 265) im Auge hat, wenn er 
sagt: Arlequin Roland fait son entree «ä cheval sv/r un äne». C^tst le 
frhre de Vlle de la Folie, il demande un picot en plätre pour sa mon- 
ture, mais il semble etre venu plutöt pour se quereller avec sa Boeur.* 

*) Lenient, La. comedie du 18« s., II, 232, sagt, Marmontel sei 
bereit gewesen, alles zu machen, Tragödien, Opern, Episteln. 

') Nach Chouquet, Hist. du dr. m., S. 165, ist der Roland Picdni^s 
erste Oper mit französischem Texte. Derselbe Forscher lobt besonders ver- 
schiedene Szenen, die Roland's Verzweigung behandeln, umd das Duo 
zwiscJien Angelika und Medor. 



— 193 — 

diesen zweiten Eoland für ein Meisterwerk des musikalischen 
Dramas hält ^), von der Raserei Boland's im 4. Akte (4. Sz.), 
sie hätte nur einen lächerlichen Eindruck auf die Zuschauer 
ausgeübt.^ 

Auch aus dem 19. Jahrhundert besitzen wir eine Operette^ 
deren Titel auf die Rolandepisode in Ariost's Epos Bezug 
xdmmt. Es ist dies Sauvage's Ängelique et Medar^ zu der 
kein Geringerer als der Komponist Ambroise Thomas die 
Musik schrieb. Die Operette wurde zum erstenmal am 
10. Mai 1843 aufgeführt, geriet aber bald in Vergessenheit.*) 
Doch wurde sie durch Druck der weiteren OfPentlichkeit zu- 
gänglich gemacht. 

Der Inhalt der Operette ist kurz folgender : Ein Theater- 
direktor will Piccini's Oper Roland auffüliren, aber es fehlen 
ihm noch die Rollen von Medor und-Roland. Zu denselben 
werden zwei Verehrer der Sängerin erwählt, welche die An- 
gelika zu spielen hat Schließlich einigen sich die beiden 
männlichen Rollen dahin, daß der begünstigte Verehrer der 
Angelika den Medor, der abgewiesene dagegen den Roland 
zu spielen habe. 

Wenn auch die Operette weiter keine Beziehungen zum 
Ariost'schen Epos hat als einige Namen, so ist das Stück 
immerhin interessant als Beweis, daß auch im 19. Jahrhundert 
die Gestalten des Orl, für. den Franzosen wohlbekannte Er- 
scheinungen waren, und daß besonders die Roland-Episode 
eine unvertilgbare Popularität erlangt hat. 



*) Courß de litt.^ II, 418^ Anm. 1. Doch ist er mit dem absoluten 
Lobe^ das Voltaire dem Stücke spendet, nicht einverstanden. 

*) Ibd. Ij 665. — Außer Roland schrieb Marmontel die Opern 
AmadiSy Armide, Atys, Isis, Persee, Phaeton und Thesee {sämtliche von 
Quinault) um. Von diesen Umarbeitungen sagt die Biogr. univ. 
XX VII, 34: «Les changements, ayant faxt disparaitre les taches et non 
les beautes des anciennes poisies, ont ajoute ä leur interet et les ont 
swrtout rendues susceptibles d^admetti-e toutes les formes d^une musique 
qui semblait devoir nou^ etre etrangere.» Ähnl. Didot, Biogr. gen., 
XXXIII, 899 ff. 

») Clement, Dict. lyr., S, 40. 



Münchener Beiträge z. romanischen u. engl. Philologie. XXXIV. 13 



194 — 



3. Die Isabella-Episode. 

Diese Episode, welche bekanntlich den Tod Zerbin's durch 
die Hand Mandricard's und das tragische Ende seiner Ge- 
liebten Isabella durch einen Schwerthieb Rodomont's be- 
handelt, umfaßt im italienischen Epos einen Teil des 24. Ge- 
sanges (ToddesZerbin st. 46 — 94), des 28. Gesanges (st. 95 — 102) 
und des 29. Gesanges (Tod Isabellens, st. 3 — 31). 

Wir haben bereits gesehen, daß Mairet diese Episode in 
seinen Roland verflocht und wir verurteilten diese Dramati- 
sierung zweier Episoden in einer Tragödie aufs schärfste. 

Lange Zeit^) vor Mairet versuchte bereits ein in der 
frz. Literaturgeschichte des 16. Jahrhunderts ziemlich be- 
kannter Dichter, Nicolas de Montreux (auch bekannt 
unter dem Namen Olenix du Mont Sacre), diese Episode zu 
dramatisieren.^) Nicolas de Montreux, von dem uns nichts 
bekannt ist, als daß er wegen Beteiligung an den Unruhen 
von 1601, die gegen Heinrich IV. gerichtet waren, längere 
Zeit im Gefängnis saß^), daß er ferner ein 16. Buch zum 



^) Nach Parfaict, Hist. 111 j 478 f., erschien die 1. Ausgabe am 
25. Aug. 1594; eine andere Ausgabe stammt aus dem J. 1595, das Privileg 
vom 18. Dezember 1594; ferner La Croix, Bibl. II, 171; Beau- 
champs, Rech., II. Teil, S. 52; La Va liiere i, 260; Leris, Dict, 
dratn., S. 195, 496; La Porte et Cham fort, Dict, 111, 478; 
Haiireau, Hist. du, Maine, II, 421 — 4S9; Körting, Gesch. d. frz. 
Rom., I, 67; Rigal {Theätre fr. av. la periode cla^ss., S. 114). 
Mouhy, Abrege, II, 243; Didot, Biogr. gen., XXXVI, 397 und 
J o h. B o 1 1 e , Moliereüber Setzungen, Herr. Arch., Bd. 82, S. 108, bezeicJir 
nen dagegen irrtümlicherweise 1594 als das Jahr der Veröffentlichung 
der ,.Isabella^\ 

^) Beauchamps, Rech., II, 46, bezeichnet Math, de LavaVs ^ Isa- 
belle» {1576) als Tragödie; Mouhy, Abr., I, 270 und Tablettes, II, 45, 
wo er LavaVs Isabelle eine Pastorale nennt, und Prölss, Gesch. d. 
Dramas, IIi, 31. Eine vorgenommene Prüfung hat uns jedoch gezeigt, 
daß LavaVs Bearbeitung dieser Episode kein Drama, sondern eine Ei'- 
Zählung in Stanzen ist, ivelche die Klagen Isabellens um den toten Zerbin 
imd ihr eigenes unglückseliges Ende besingt. 

3) La Croix, Bibl, II, 171; ferner La Valliere, l. c, I, 261; 
Haureau, Hist. du Maine 11, 421—439: «..ne en 1561 \ on manquf 



— 195 — 

Amadis de Gaule, vier Bücher der „Schäfereien der schÖDen 
Julia", drei Pastoralen, ebensoviele Tragödien und eine Komödie 
schrieb. ^) Er war ein eifriger Verehrer und Nachahmer der 
italienischen Literatur, besonders der ital. Schäferpoesie ^), die 
er in seinem Schäferroman geradezu sklavisch nachahmt^). 
Die dramatische Bearbeitung einer Episode aus dem Orl. für, 
ist daher als ein Ausfluß von Montreux' Begeisterung für den 
italienischen Epiker zu betrachten. *) Ob das Stück eine Auf- 
führung erlebte, ist uns nicht überliefert. Doch scheint es 
ims aus zwei Gründen wahrscheinlich : erstens wissen wir, daß 
ein anderes Stück Montreux', die Komödie La Joyeuse 1581 
in Poitiers gespielt wurde % und zweitens hatte das Stück im 
Ausgange des 16. und Anfange des 17. Jahrh. eine solche Be- 
rühmtheit erlangt, daß es 1607 sogar ins Deutsche übersetzt 
wurde. ®) Allerdings wird uns eine nähere Untersuchung des 
Stückes zeigen, daß es nichts weniger als dramatisch ist. 

Wir geben zunächst eine Inhaltsangabe der Isabella. 

Akt I ') : In einem mehrere Seiten umfassenden Monologe 
gibt sich der Geist Zeobin's (sie !) den Zuschauern zu erkennen, 
erzählt von seiner Liebe zu Isabella, von seinem tragischen 
Ende, und hofft, mit seiner Geliebten nach deren Tode in der 



de renseignements sur sa vie» ; Nouv. Biogr. gen. XXXVI, 397 f.; Holl, 
Tendenzdrama, S. ^8, 

') Nouv, Biogr., 36, 397, 

2) flaureau, l. c, 433: «11 semble preferer V Ar loste ä Virgile, 
Sannazar ä Theocrite, et Garnier ä Sophocle.>^ 

') Körting, Gesch. des frz. Rom., J, 67. 

*) La Croix du Maine, l. c., 11, 171, glaubt sogar, Montreux 
habe eine «Suite de VArioste» {soll wohl heißen du Roland furieux) ge- 
schrieben, worin die Taten der Bourbonen besungen werden-, doch sei 
das Werk nicht gedruckt worden. 

^) ßigal, Le Theätre frang., S. 114; L&Tison, La trag, class, (Rev. 
de VHist, litt. 1903, S. 207); Faguet, Trag, fr., S. 315, behauptet, daß 
auch die Tragödie Cleopätre 1594 aufgeführt tvurde; da jedoch Faguet 
sich auf das unzuverlässige Journal du Th. fr. stützt, ist die Richtigkeit 
dieser Behauptung zu bezweifeln. 

«) Näheres darüber : J. B o 1 1 e , Moliereübersetzungen in Deidschland 
[Herr, Arch., LXXXII, 108) und Trautmann, Frz. Schausp. {Jahr- 
buch f, Münch. Gesch. II, 294). 

') Das Stück ist ohne Szeneneinteilung und Verszählung. 

18* 



— 196 — 

Unterwelt weiterzuleben; weiß er doch, daß Isabelle bald ihre 
Treue mit dem Tode büßen muß, den sie von Rodomont's 
Hand erleiden wird. Nachdem Zeobin's Geist wieder ver- 
schwunden ist, erscheint Rodomont, und prahlt mit seinen 
Heldentaten vor Paris; seinem Vertrauten Sicambras teilt er 
mit, daß er in Isabellen verliebt sei und daß er dieselbe, falls 
sie nicht freiwillig ihm folge, mit Gewalt sich erobern würde. 
Vergebens stellt ihm Sicambras vor, daß Liebe sich nicht er- 
zwingen lasse, vergebens mahnt er den Helden an seine Ritter- 
pflicht. Das Gespräch über diesen Gegenstand wird mehrere 
Seiten lang zwischen den beiden weitergeführt. Ein Chor 
verherrlicht zum Schlüsse die Macht der Liebe, der Keusch- 
heit und der Treue. 

Akt n : Auch dieser Akt wird durch einen langen Mono- 
log eröffnet, in dem Isabelle den Tod ihres Zeobin's erzählt 
und den Entschluß äußert, sich das Leben nehmen zu wollen. 
Fleurdelys, ihre Vertraute, sucht sie in einem langen Zwie- 
gespräche davon abzubringen, worauf der Chor mit eiiner aber- 
maligen Verherrlichung der Liebe und Treue schließt 

Akt lU : Renault, der so unglücklich in die leichtsinnige 
Angelika verliebt war, jetzt aber vollständig von seiner Liebe 
geheilt ist, teilt uns die ganze Geschichte dieser Leidenschaft 
mit, während Brandimart, Renault^s Freund und Fleurdelys' 
Verehrer, das Schicksal Roland's, besonders den Ausbruch 
seiner Raserei erzählt, worauf zwischen den beiden ein langer 
Dialog über die Frage geführt wird, ob die Liebe glücklich 
oder unglücklich mache. Zum Schlüsse kommt Isabelle auf 
die Bühne und schildert zum zweitenmal in einem langen 
Einzelgespräch den Tod Zeobin's. Wie die folgenden, so 
wird auch dieser Akt durch einen Chorgesang beendet. 

Akt IV: Rodomont, üe fils des TitanesT>y beschließt, nach- 
dem er sich mit Sicambras noch einmal beraten hat, Isabella 
in seine Gewalt zu bringen, weil er ein Verbrechen aus Liebe 
für statthaft hält. Gleich darauf trägt er seine Bewerbungen 
Isabellen vor, die zuerst mit Bitten den immer zudringlicher 
werdenden Freier abzuwehren versucht, dann aber ihre Zu- 
flucht zu einer List nimmt. Sie erzählt Rodomont von wunder- 
baren Ejräutern, die den Körper unverwundbar machen, und 



— 197 — 

lädt ihn ein, sie mit ihr zu pflücken. Kodomont leistet der 
Einladung Folge. 

Akt V: Fleurdelys erfährt durch den langen Bericht 
eines Boten die Einzelheiten des Todes ihrer Herrin und 
bricht darauf in endlose Klagen aus, mit denen die Tragödie 
schließt. 

Von einer Handlung in der Isabella können wir, streng 
genommen, nicht sprechen. Monologe und Dialoge wechseln 
miteinander ab ; nirgends ist das Auftreten einer Person moti- 
viert, nirgends der Umschlag einer Gesinnung dargestellt. 
Alles ist Erzählung, und, was noch schlimmer ist, die Er- 
zählungen wiederholen sich ; so wird Zeobin's Tod nicht weniger 
als dreimal geschildert (Akt I von Zeobin's Geist, Akt II von 
Isabelle, Akt V vom Boten). 

Diese Schilderung und der Bericht über Isabellens Tod 
sind die einzigen größeren Entlehnungen aus der entsprechen- 
den Episode des OrL für. Ferner geht Bodomont's Meinung 
(Akt IV, S. 66), ein Verbrechen aus Liebe sei statthaft, auf 
Ariost zurück, der {OrL für,, C. XXIV, 38) sagt: 

^E faeilmente ogni scusa s^ammette, 
Quando in Amor la colpa si riflette,» 

Weder Rodomont^s Prahlereien, noch sein Zwiegespräch 
mit dem im Epos überhaupt nicht erwähnten Sicainbras, noch 
Benault's, Brandimart's und Fleurdelys' Auftreten sind vom 
französischen Dichter aus der italienischen Quelle entlehnt. 
Renault steht bei Ariost ebensowenig in Verbindung mit der 
Isabella-Episode wie das rührende Liebespaar Brandimart und 
Fleurdelys (cf. OrL für,, C. XLI, st. 101 u. C. XLIII, st. 
154 jBf.). Eigentümlich ist das Erscheinen von Zeobin's 
Geist am Anfange des Stückes ; vielleicht gehen wir nicht irre, 
wenn wir die Einführung des Geistes durch Montreux als eine 
Reminiszenz seiner Ariostlektüre betrachten, wo gleich im 1. 
Gesänge (st. 25) der Geist Argaglia's aus dem Flusse auf- 
taucht. Vielleicht auch fand Montreux das Vorbild der 
« Ornbre» in Garnier's Ilijjpolyte, einem Stücke, welches mit dem 
Auftreten des Geistes von Egee beginnt. Der Botenbericht 
am Schlüsse der Tragödie ist eine Nachahmung Garnier's, 



— 198 — 

bei dem solche Berichte, ebenso wie bei Montreux, die dra- 
matische Handlung ersetzen.^) 

Von den auftretenden Personen interessiert uns nur Hodo- 
mont, insofern er hier zum erstenmal in einer aus Ariost 
entlehnten Tragödie auftritt. ^) Offenbar schwebte dem Dichter 
der Eodomont der Komödie vor, da der fi;Odomont des Ariost, 
wie wir bereits bemerkt haben, keineswegs der Prahlhans und 

Weiberfreund ist, wie ihn Montreux darstellt. 

■• 

Die Schilderung seiner Heldentaten ist voll von Über- 
treibungen; er hält sich für einen Nachkommen der Titanen 
(Akt IV, S. 60); keiner der Paladine des großen Karl ist 
ihm gewachsen, um Isabellens Liebe zu gewinnen, lügt er 
ihr vor, daß zahllose Könige und Fürsten ihm Untertan seien; 

tCent Roys ä me servir et niille riches Princes 
Me venant faire ioug et offrir leurs provinces.j 

(Akt IV, S. 67). 

Als dann Isabella sich trotzdem ablehnend gegen ihn 
verhält, sagt er ganz erstaunt: 

^Mais Celle ne dolt j^cls penser estre en malheur 
Qui twnt de Eodomont esclave la valeur 
Qui commande mir luy comme vous Isabelle. ^ 

(Akt IV, S. 67). 

Alle Frauen, selbst die Göttinnen, begehren, wie er sich 
rühmt, seine Liebe: 

«Car quand bieti avioureux de la fiere Pallas, 
De Jwion, de Venus, et Diane, la belle, 
Chacune j^ctf'oistroit ä mes desirs cruelle ? 
Rodomont peut assez pour en despit des Dieux 
Bavir d'elles le bien dont il est ennuyeux (envieux?),* 

(Akt 1, S. 13.) 

Dagegen vermissen wir eine Hauptschwäche Bodomont's, 
die bei Ariost (O. f., 0. XXIX, 20 - 23) so prächtig geschildert 
ist, nämlich die allzu große Liebe dieses Mohamedaners für 
den Wein. 

1) Vgl Morf, Gesch., S. 2i:^ ; Suchier u. Birch-Hirschf.. 
Gesch., S. 369. 

*) ß auter 's Rodomontade fällt erst in das Jahr 1605; 8. ob, S. 131 



— 199 — 

Einige Stellen in Montreux^ Tragödie sind nahezu Über- 
setzungen des Originals, nur daß der französische Dichter 
alles mit größerer Ausführlichkeit und Schwerfälligkeit wieder- 
gibt. So sagt Eodomont zu dem Vorschlage Isabellens, die 
Wunderkräuter zu suchen: 

€je le veuXj il 7ne piaist , ensemblement allons 
Chercher toutes ces fleurs au^^dessous des vallons, 
Ällons ensemblement sur les costeanx süperbes 
Ces r deines eueillir et amasser ces herbes.:» 

(Akt IV, S. 80.) 

Man vergleiche damit Orl. für., C. XXIX, st. 19: 

<icElla per balze e per valloni oscuri 
Dalle cittä lontana e dalle ville 
Ricoglie di molf erbe; e il Saradno 
Non rabbandona, e Ve sempre viei7io.» 

Im nämlichen Akte finden sich folgende Worte Isabellens : 

«/e veux bien vous aymer, bien qu^en ayex pouvoir 
Plus belle que je suis, mille beautex avoir 
Mais je vous veux avant une rechte apprendre,> 

(Akt IV, S. 82.) 

Die entsprechende Stelle bei Ariost (O. f., 0. XXIX, 
st. 14) lautet: 

«Potrete iuttavia Htrovar cento 

E mille donne di viso giocondo; 

Ma chi vi possa dar questo mio dono, 

Nessuno al mondo, o pochi altri ci sono,» 

Eine weitere Nachahmung findet sich noch im 5. Akte, 
wo es heißt: 

^Decouvre son beau col, monstre son chaste sein, 

Dit au More cruel : Or 7naintenant espreuve, 

Si rien plus dur que moy ä ton avis se treuve,* 

(Akt V, S. 98.) 

Ahnlich hieß es schon im Orl. für., C. XXIX, st. 25: 

mBagnossi, come disse, e Heia pforse 
Air incauto Pagano il collo ignudo,y> 



— 200 — 

Man vergleiche hier die wirkangsyoUe Kürze bei Ariost 
gegenüber der Schwerfälligkeit der Montreux'schen SchüderoDg! 

Endlich gehört noch eine andere Stelle in demselben Akte 
(S. 99) hierher: 

tRodomont enyvre tire son /<?r alors, 

Eh frappe sur le col quHl separe du corps 

De la cJiaste Isabelle, et mourani venerable 

Proiionga son Zeobin (sie!) d'une voix lamentable,* 

Fast geradeso lautet die betreffende Stelle im Original 
{Chi. für,, C. XXIX, St. 25, 26): 

«. . . e scorse 
Sl colla mano et si col feiro crudo^ 
Che del bei capo, giä di Amore atbergo, 
Fe tro7ico rimanere il petto e il tergo. 

Quel fe tre balzi; e fimne udita chiara 
Vocey Muscendo nominö Zerbino.T> 

Sollen wir ein Gesamturteil über Isabelle fällen, so kar:^^^ 
dies nur ein in jeder Beziehung ungünstiges sein. Mc^^' 
treux hat in diesem Stücke bewiesen, daß ihm alles Zeug ^^ 
einem Dramatiker fehlt, daß er keine Ahnung von dran:»^*' 
tischer Handlung, von Entwicklung oder von der Zeic^l^' 
nung von Charakteren hat. Jeder der Akte beginnt mit em^^^ 
oder zwei langen Monologen, geht dann über auf eio lan^'ös 
Zwiegespräch und endet wiederum mit einem Monologe. .^— ^ 
glücklichsten ist er immer noch da, wo er sich an sei-Xio 
Quelle hält. 

Es kann uns daher nicht wundernehmen, wenn die E^Txi- 
tiken über Montreux und speziell über seine IsabeUe gerade 
nicht voll des Lobes sind. 

Die Brüder Parfaict^) bezeichnen die dramatischen Lei- 
stungen Montreux' als ungenießbar, von seiner IsabeUe ^ sagen 



^) Bist, du Th. fr. III, 479: «A notre egard, trop contens de h 
lecture de ses Poemes Dramatiques, nom nous promettons bien de n'y 
januiis retourtier.» 

^) Ibd.j S. 496: «L^Auteur n\i fait que niettre ce sujet en tnau' 
vois vers Fran^ois et lux donner une forme Dramaiiqüe ä la manitrt 
de son tems ...» | 



— 201 — 

sie nur, daß der Dichter den bei Ariost yorgefandenen Stoff 
in schlechte französische Verse gebracht und nach Art der 
Zeit dramatisiert habe. NachGoujet sind der Stil und die 
Ausdrucksweise unseres Stückes sehr hart, die Verse dagegen 
unter der Mittelmäßigkeit.^) Mouhy nennt das Stück schlecht 
und tadelt besonders den Versbau.^ HaurSau meint, die 
Isabelle sei einfach eine Paraphrasierung der Ariost'schen 
Episode, die aus einer Reihe von Eeden bestehe und deren 
größter Fehler sei, daß sie äußerst langweilig wirke.^) Gün- 
stiger ist die Kritik über unseren Dichter in der Nouv. Biogr. 
gdn.^), welche die warme Sprache und die stellenweise sehr 
schönen Verse des Stückes besonders heryorhebt. Faguet, 
nach welchem Montreux ein Schüler Gamier's ist, bezeichnet 
dessen Tragödie als zu langweilig und als veraltet für ihre 
Zeit; die Isabelle nennt er nach dem Journal du Th. fr. 
€romanesque et bizarj-e,:» ^) 

Die Grande Encyclopedie charakterisiert Montreux' Stücke 
als „ungleichwertig, meist mittelmäßig", schweigt aber über die 
Isabelle.*) ßigal endlich scheint dieselbe überhaupt nicht zu 
den regelrechten Tragödien rechnen zu wollen '), denn er sagt 
von ihr: «Ävec son apparüion d^ombre au debut et, ä la fin, son 
suicide heroique raconte par un messager, eile a la pretention d\etre 
une tragedie reguliere:»,^) 

^) Bibl fr., Bd. XV, 104. 

*) Tablettes, S. 134: «niauvaise et nial versifiSe». 

*) Hist du Maine, S. 424: «^La tragedie de Montr, est simplement 
une Paraphrase du rScit de VÄriosie et tonte cette parapkrase consiste en 
de longs discours ricites successivement par Vombre de Zeobin , par Ro* 
donwnt, par Sicambras, son ecuyer, par Isabelle, par Fleurdelys, par 
Brandimart et par le preux Retiand etc.» 

*) Nouv. Biogr. gen., XXXVI, 397, 

*) La Trag, fr., 8. 315: << Montreux est en retard sur son temps.» 
Fag. erklärt, ein Exemplar der Isabelle nicht gefunden zu haben, und beruft 
sich d^haU) auf das Journal du Th. fr. 

«) Bd. 24, 278. 

') Le thiatre de la Ren., in: Jull&oille, III, 315. 

*) Alex. Hardy, von dem bekanntlich 12 Stücke mir dem Titel nach 
durch das Stück MaheloVs {s. darüber Rigal, A. Hardy, S. 72 u. 176 u. bes. 
Rigal, Le Th. fr. avayit Corneille, S. 310 ff., wo das «Memoire» von Mahelot 
genau beschrieben ist) erhalten sind, schrieb auch eine Tragödie «La folie 



— 202 — 

Außer Montreux' Isahelle besitzen wir noch eine zweite 
Tragödie, in welcher die Isabella-Episode behandelt wird, 
welche jedoch, wie aus dem Titel derselben hervorgeht, Zerbin's 
Abenteuer mit seinen treulosen Freunden Choret und Odoric 
(Orl. für., C. XVIII) umfaßt.^) Da ein Verfasser von den 
Forschern^), die das Stück erwähnen, nicht angegeben ist, 
sind wir auf Vermutungen angewiesen, oder müssen auf eine 
Lösung der Verfasserfrage verzichten. Unseres Erachtens 
käme in erster Linie Ch. Bauter in Betracht, der ja, wie wir 
bereits sagten, außer den beiden schon erwähnten Tragödien 
noch andere ähnliche, uns aber nicht bekannte Stücke schrieb ^) ; 
als zweiter vermutlicher Verfasser wäre Coignee deBourron 
zu nennen, der 7 Jahre früher auch die Rolandepisode dra- 
matisch behandelt hatte. Da es uns bisher nicht möglich 
war, das Stück in einer der Pariser Bibliotheken ausfindig zu 
machen, können wir unsere Hypothesen nicht näher begründen. 
Wir möchten nur darauf hinweisen, daß Bourron's Stücke 



dysabelle» (= La folie d^Isahelle)^ von der La Valli^re {Bibl. I, 551) 
sagt, sie scheine dem Ariost entlehnt zu sein. Doch lä/U die dem Stücke 
hinzugefügte Bühnenweisung Mahelofs einigen Zweifel über die Richtig- 
Iceit von La Valliere^s Vermutung erstehen. Denn jener sagt in der 
Bühnenweisung u. a.: «H faut que le theätre soit beau, et ä un des 
cötes une belle chambre oü il y ait un beau lit, des sieges pour s'asseoir. 
La dite chambre s'ouvre et se ferme plusieurs fois. Vous la pouvez 
mettre au milieu du theätre, si vous voulez.» Diese Angabe des Schau- 
platzes würde absolut nicht stimmen zur Isabellaepisode bei Ariost. Auch 
eine Tragödie, in xcelcher Renault eine bedeutende Rolle spielt, scheint 
Hardy geschrieben zu haben (sieÄe Rigal, AI. Hardy, S.72); Stengel 
{Neudruck des AI. Hardy, S. IV) meint, dieselbe sei identisch mit dem 
von uns bereits erwähnten Stücke La mort de Bradamante {1622; siehe 
Parfaict, Hist. IV, 366 \i. La Vall. I, 549); doch spielt Renault 
in dieser Tragödie eine so untergeordnete Rolle, daß wir StengeVs Ver- 
mutung zurückiveisen müssen. Weitere Untersuchungen sind hietHiber 
noch nicht angestellt. 

^) Les Amours de Zerbin et d^Isabelle, princesse fugitive, oü il est 
remarque les perils et grandes fortunes passees par ledit Zerbin, recher- 
chant son Isabelle par le monde, et comme il est delivre de la mort par 
Roland. Troyes. 1621, 8^. 

«) Beauch., Rech., 2. Teil, S. 92; La Valliere, Bibl. I, 536; 
Mouhy, Abrege I, 501. 

*) Vgl. auch Beauch., l. c, S. 72. 



— 203 — 

Jngelique et Medor nnd der anonymen Tragödie ein auffällig 
langer Titel gemeinsam ist, wie ihn andere zeitgenössische 
Stücke nicht aufzuweisen haben. 

Eine Inhaltsangabe der Tragödie findet sich bei La 
Yallidre.^) Das Stück ist außerdem bei Beauchamps^) und 
Mouhy ^) erwähnt, welch' letzterer es zu seiner Zeit schon zu 
den tPieces Anonymes et Tres dif fidles d irouver> zählt. 



4. Die Ginevra-Episode. ^) 

Diese Episode gehört zu den in Frankreich am meisten 
gelesenen. Schon Mellin de Saint-Gelais und Desportes ver- 
suchten sie in ihrer Muttersprache nachzuerzählen; auch in 
England war sie, wie wir gesehen haben, schon frühzeitig be- 
kannt, und beliebt, wohl deshalb, weil der Schauplatz derselben 
Schottland ist. Die Episode umfaßt im italienischen Epos 
drei Gesänge (C. IV, st. 56—72, C. V ganz, 0. VI, st. 2—16). 

Von allen Episoden des OrL für. wird die Geschichte 
der unglücklichen schottischen Königstochter zuerst dramatisch 
behandelt. 

Am Faschingsdienstag des Jahres 1564^) nämlich wurde 
eine Tragikomödie Geniew^e im Schlosse zuFontainebleau 
vor dem königlichen Hofe aufgeführt, wobei die Rollen von 
den einzelnen Mitgliedern des Hofes gespielt wurden.®) 



1) Bihl I, 536 ff. In dem Bull, ital (IF, 00-61) gibt Tolda 
eine Inhaltsangabe des Stückes genau nach La Valliere, ohne jedoch 
seine Quelle zu nennen. Über die Verfasserfrage äußert er sich nicht, 
toie es überhaupt dem ganzen Artikel an Gründlichkeit mangelt. 

*) Rech., 2. Teil, S. 92. 

') Abrege I, 501. 

*) Über die Quelle ders. (BandellOy Novelle. /« parte, nov. 22) siehe 
Rajna, Le fonti ddV Orl. f., S. 128 ff. 

*) Madeleine, Poetes fr. ä Fontainebleau, S. 359 und Lanson, 
Les orig, de la trag, class. {Rev. d^Hist. litt. 1903. X, 418). 

*) Nach Brantome^s Erzählung, die wir nachfolgen lassen, geicinnt 
es den Anschein, als ob nur weibliche Personen spielten. Doch glauben 
wir, daß Brantome's Schilderung in diesem Falle yücht (janz genau ist, 
zumal wir loissen, daß z. B. der Epilog von Castelnau, also V07i ehiem 
Manne vorgetragen imrde. 



— 204 — 

\ Das Stück scheint yerschollen zu sein; doch haben wir 
einen ziemlich eingehenden Bericht des französischen Chronisten 
Castelnan^), welcher selber an der Aufführung der Oenievre 
tätigen Anteil nahm. Dem Lokalhistoriker Madeleine aus 
Fontainebleau gebührt das Verdienst^ auf das Stück neuer- 
dings aufmerksam gemacht zu haben. 

Wir wollen auf diese merkwürdige Aufführung näher ein-^ 
gehen und Madeleine's Bericht darüber durch Hinzuziehung 
neuer Quellen ergänzen. 

Außer Ton Castelnau wird nämlich unsere Tragödie auch 
von Brant6me^)in den Dames illustres erwähnt, wobei er die 
Vorliebe Katharina's von Medici, der damaligen französischen 
Königin, für Turniere und andere Arten von Waflfenspielen 
hervorhebt und erzählt, wie „eine Komödie von der schönen 
Ginevra aus Ariost" von «niadame d'Angouleme et par ses plus 
iwnnestes et heiles princesses et dames et filles de sa cour» so vor- 
trefflich, wie noch keine andere aufgeführt wurde. ^) Dan 
Michel erwähnt die Aufführung einer Komödie am Abend 
des Faschingssonntags, so daß wir es hier entweder mit 
einer kleinen Zeitverwechslung zu tun haben, oder wir müßten 
annehmen, Dan spreche von einem anderen Stücke.*) 

Aus der Korrespondenz der Königin selbst geht hervor, 
daß sie Anfangs Februar 1564 in Fontainebleau war, wo sie 
ihren Gemahl erwartete, doch erwähnt sie sonderbarerweise 
nichts von den Festlichkeiten.'^) 

Auch Castelnau nennt den Titel unseres Stückes nicht, 
sondern berichtet^) nur über den Epilog, den er „nach der 
Komödie, die von einem jeden bewundert wurde", vorzutragen 
hatte und dessen Verfasser kein Geringerer war als Bonsar d. 



^) Memoires sur les regnes de Frani'ois II, Charles IX, Henri III, 
et de Catherine de Medicis. P. 1621, #, S. 284 ff, 

^) (Euvres de Br. [Ausg. Laianne, II, 346). 

^) Ibd., S. 347: «Une comedie sur le sujet de la helle Genevre de 
VArioste.» 

*) Le Tresor des Merveilles de la Maison royale de Fontainehleau^ S, 5.9. 

^) Lettres de Cath. d. Medicis, Bd. IT, 146 {in der Sammlung der 
Documents inedits de VHist. de France). 

**) Memoires, S. 234: «Et apres la Comedie qui fut admiree d^ufi 
chascim ...» 



— 205 — 

In seinem Boccage Royal spielt B/onsard sogar auf die 
Oenievj'e an, als er sich an Katharina von Medici wendet und 
die Erinnerung an die Fontainebleauer Festlichkeiten auf- 
frischt; die betreflfenden Verse lauten^): 

«Qimfid voirrons-nous sur le Jiatit dhine scene 
Quelque Janni ayant la joue pleme 
Ou de farine ou d'encre qui dira 
Qudqive hon niot qui vous rejouira ? 
Qtmnd voirrons'nous un autre Folynesse 
Tromper Dalinde? . . . . » 

Ein Kommentator des Boccage Royal^ Pierre de Mar- 
cassus, nahezu ein Zeitgenosse Ronsard's, bemerkt zu den 
beiden letzten Versen, daß sie auf ein Stück anspielen, welches 
1564 zu Fontainebleau gespielt wurde. ^) 

Endlich wird inVauquelin's Art poetique^) ein Stück, 
welches die Ginerra-Episode behandelt, als Muster einer Tragi- 
komödie zitiert: 

«Pw/s qu'est il rien plus beau qiCcn aigreur adouci, 

Par le contraire euent de la Pe7'ipeiie ? 

Polinesse croyoit la mort d^Ariodant, 

Esperant voir ietie7* dans vn hrasier ardani 

Vinnocente Geneure, alors que miserable 

Au contraire il se void mourir comme coupable,-» 

Diese Verse beziehen sich sicherlich auf die in Fontaine- 
bleau aufgeführte Geniövre, es müßte denn sein, daß später 
noch ein anderes, uns unbekanntes, ähnliches Stück ver- 
öflfentlicht wurde. 

über den Verfasser der Geniewe sind wir vollständig im 
Dunkeln. Es ist indes anzunehmen, daß derselbe in dem 
damals in Fontainebleau weilenden Dichterkreis zu suchen 
ist. Sehr wichtig scheint uns die Tatsache, daß bereits 1556 
eine französische Bearbeitung unserer Episode von Claude 



*) Boccage royal {p. 2>- Blanchemain) III^ S. 384. 
*) Bei Madeleine, l. c, S. 359 angeführt. 
^ Les diverses Poesies de VauqneUn 7, 88; im 2. Buch des Art 
poHique. 



— 206 — 

Taillemont geliefert wurde, welche jener Tragödie als 
Quelle dienen konnte.^) Oder sollte Gl. Taillemont später 
seine Bearbeitung zu einem Drama umgeändert haben ? Vor- 
erst können wir jedoch über diese Frage keine genügende 
Antwort geben. 

Sind wir über die Genievre von Fontainebleau nur auf 
Vermutungen angewiesen, so besitzen wir dagegen die Oenevre 
des Claude Billard, welche dieser Dichter im Jahre 1610 
veröffentlichte und die noch im nämlichen Jahre über die 
Bühne ging. Billard, in seiner Jugend Page der Her- 
zogin von Ketz, später ein tatenloses Leben auf seinem Schlosse 
Courgenay verbringend, hinterließ sieben Tragödien und die 
Tragikomödie Genövre, einige kleinere französische und 
lateinische Gedichte und ein religiöses Epos, V^glise trioni- 
phante, das jedoch nicht veröffentlicht wurde. 

Wir lassen zunächst eine Inhaltsangabe seiner Tragi- 
komödie folgen. 

Ariodan erzählt in einem neun Seiten langen Monologe, wie 
er von seiner Geliebten Ginevra und dem Herzoge Polynesso 
verraten worden ist, und sein Schmerz hierüber ist so groß, 
daß er sich zu töten beschließt. Nachdem der Chor ein 
Klagelied über die verhängnisvollen Folgen der Eifersucht 
angestimmt hat, deutet er an, daß Ariodan vielleicht falsch 
gesehen habe und daß der Verleumder von Ginevra's Ehre 
bestraft werden würde. 

Akt II : Ariodan's Bruder, Lurquain, verflucht die treu- 
lose Ginevra, weil sie seinen Bruder in den Tod getrieben 
habe ; er will ihren Frevel blutig rächen, indem er den König, 
Ginevra's Vater, zur Anordnung eines ,, Gottesurteils" drängt, 
das die Schuld oder Unschuld des Mädchens ans Tageslicht 
bringen soll. Der Chor nimmt am Schlüsse des Aktes für 
die Königstochter Partei, da er von deren Unschuld fest 
überzeugt ist. 



*) Le conte de Vinfante Genevre figle du Roy d'Escosse pris du 
Furieiix et fet Frangoes. — Die Erzählung befindet sich in der Tricarite 
des Cl. Taillemont^ Lyonoes, Lyon, J. Temporal, 1556, 8^. Nur bei Du 
Verdier, S, 954, erwähnt. 



— 207 — 

Akt III: Giüevra beweint in einem fünf Seiten langen 
Monologe ihren tot geglaubten Ariodan, um so mehr, als sie 
den Grnnd seines Selbstmordes nicht ahnen kann, worauf 
schließlich der Chor ein Loblied auf die lindernde Wirkung 
der Tränen anstimmt. 

Akt IV : Nachdem Lurqain mit harten Worten Ginerra 
des Verrates an Ariodan beschuldigt hat, bricht diese wiederum 
in laute Klagen aus und bedauert ganz besonders, daß 
ihr in der Feme weilender Bruder Zerbin für ihre Ehre 
nicht eintreten kann. Die königlichen Eltern suchen ihr Kind 
zu trösten, und rufen Gott und die Heiligen in langen Bitten 
zum Beistande an, damit der l)eyorstehende Zweikampf ein 
gutes Ende für Ginevra nehme. In solcher Bedrängnis weiß 
auch der Chor keinen andern Trost als das unerschütterliche 
Vertrauen zu Gott, der die Unschuld rette. 

Akt V: Noch ehe, der Zweikampf zwischen Lurquain 
und dem unbekannten Ritter, der sich in letzter Stunde für 
Ginevra gemeldet hat, zum Austrag kommt, erscheint Kenault 
am Hofe. Nachdem er mit ausführlichen Worten seine Her- 
kunft und seine Heldentaten berichtet hat, erzählt er, daß er 
Dalinde, die Vertraute Ginevra's und verstoßene Geliebte 
Polynesso's, getroffen habe ; von ihr sei ihm mitgeteilt worden, 
daß sie in der Kleidung ihrer Herrin mit Polynesso das 
nächtliche Stelldichein am Balkon gehabt habe. Aus Dalinden's 
weiterem Berichte ergibt sich, daß Polynesso seinem Freunde 
Ariodan den Glauben an die Treue Ginevra's rauben und 
deren Liebe dann selber gewinnen wollte. 

Auf diese Erzählung Reoault's hin wird der Zweikampf 
sofort aufgehoben, und Polynesso auf königliche Verfügung 
hin dem Feuertode überliefert, der unbekannte Ritter aber, 
der in letzter Stunde für die Königstochter eintreten wollte, 
ist kein anderer als Ariodan, welcher sich allerdings ins Meer 
geworfen hatte, aber durch das kalte Wasser bald wieder 
zur besseren Einsicht gebracht wurde. Bereitwillig belohnt 
der König den tapferen Ariodan mit der Hand seiner Tochter. 

Was das Verhältnis dieser „Handlung" zu Ariost betriflft, 
so findet sich nur eine Abweichung von der italienischen 
Quelle; während nämlich Polinesso in der Tragikomödie den 



— 208 — 

Feuertod stirbt, scheint dieser Verräter bei Ariost ohne Be- 
strafung davongekommen zu sein (cf. OrL für., C. VI, st. 15). 
Trotz dieser engen Anlehnung an den Epiker lassen sich 
keine wörtlichen Nachahmungen oder Übersetzungen einzelner 
Szenen nachweisen. Billard ist viel weitschweifiger als sein 
Vorbild; wo Ariost mit einem oder ein paar Versen eine 
Situation zeichnet oder eine Gemütsstimmung schüdert, da 
malt der französische Dichter breit aus, wobei er besonders 
die Kumpelkammer der griechischen und römischen Mytho- 
logie ausplündert, wie es eben damals in der Schule Gamier's 
Sitte war. So beruht Ariodan's langer Monolog (Akt I, 1) 
auf den zwei Versen bei Ariost (Orl, für., C. V, 52): 

<LCadde in tanto dolor, che si dispone 

Allora, allora di voler morire,T> 

Ebenso ist Lurquain's Monolog (Akt II, 1) eine Aus- 
malung der 4 Verse im OrL für. (G. V, 61): 

«D/ tutii il sico fraiel moströ piü lutto, 
E si Sommer se nel dolor si forte y 
Ch^ad esempio di lui contra se stesso 
Voltö qitasi la man^ per irgli appresso, » ^) 

Endlich sind Ginevra's Klagen um den totgeglaubten 
Geliebten eine breit angelegte Paraphrase der 60. Stanze des 
5. Gesanges. 

Von einer Charakterisierung der Personen des Stückes 
kann streng genommen nicht gesprochen werden, da sie 
immer nur auftreten, um irgend eine Begebenheit zu er- 
zählen ; natürlich sind die männlichen Charaktere nicht mehr 
die tatendurstigen Helden Ariost's, die lieber wuchtige Streiche 
austeilen als lange Beden halten. Eine bemerkenswerte Ände- 
rung hat im französischen Drama besonders Benault erfahren; 
er spricht ungemein viel, und zwar in den hochmütigsten Aus- 
drücken, Yon sich und seinen Heldentaten, so daß er auffällig 
an den Bodomont der früher von uns behandelten Stücke 
erinnert. So tritt er gleich anfangs mit folgenden Worten auf: 



*) Im Unterschiede von Ariost geht hier [Akt lY, 2) Lurquain zu 
Ginevra selbst^ während er im Epos mir vor den König tritt und da» 
Gottesurteil verlangt 



— 80» — 

tJ^adore ce grand Dim, je löue miUe fois 

Le grand Dieu quia&nJa fait et Chretien et Fran^ois 

Et du sang de Clairmont ...» 

(Akt V, 1, S. 76). 

Von seinen Taten spricht er sodann in höchst prahle- 
rischer Weise: 

tJ^ay brave P Orient et porte sur le front 
Plus de palms» de prix, trophies de vietowea 
QuHl ne court dans la mer d'eau flottante de Loyre, 
Que le Tage n^ielot en sea flbts eeumms 
De sahhns ä grams (for, ny que le Nil famefus 
Ne voü d'arbres touffus aux grai^ds monts de la Lwne» 

(Akt V, 1, 77). 

In diesem Tone geht es mehrere Seiten hindurch. 

Den Chorgesängen jedoch kann man einen gewissen 
poetischen Wert nicht absprechen. Meist in bilderreicher 
Sprache sich bewegend, beschäftigen sie sich mit einem dem 
Iiihalt des yoraasgehenden Aktes entsprechenden Thema. 
So widmet der Chor am Schlüsse des II. Aktes der „Wahr- 
heit" folgende Zeilen: 

« Verite, fille impolue 
A pour son pere le iempsj 
Pour mere la plaine bleue 
Des Cieux au tour inconstans; 
Le temps muahle, et les Dieux, 
Deseouvrant tout ä nos yeux.> 

Besonders poetisch ist der Chorgesang am Ende des 
3. Aktes; da vernehmen wir das Lob der Tränen in folgen- 
dem Sechszeilier : 

^Nature donne aux oyseaux 

Le bec et Vaile pour armes; 

Le courage aux lyonceauxy 

Aux dames Vceü et les larrnes: 

Bei ceil le Roy de nos coeurs, 

Larrnes vengeance aux langueurs,> 

In demselben Chore ist darauf hingewiesen, daß Ginevra^s 
Schmerz der Freude Platz machen wird, wie nach langer 

Münchener Beiträge z. romanischen u. engl. Philologie. XXXIV. 14 



— 210 — 

Dürre die Blume durch erquickenden Eegen neubelebt und er- 
frischt wird: «^ 

tComme un arage (Teste 

Commence par le tonnerey 

Finit par Vkumidite, 

De pluie abreuvant ses pleurs 

Farde Vemail de nos fleurs.» 

Das Gleichnis stammt übrigens aus dem OrL für., wo 
ebenfalls die glückliche Wendung früherer Betrübnis mit der 
vom Regen erquickten Blume verglichen wurde (C. 32, 108). 

Abgesehen von diesen einzelnen lyrischen Schönheiten 
ist die Genevre Billard's ein schlechtes Machwerk, das 
den Namen Tragikomödie überhaupt nicht verdient, da es 
keine Handlung, sondern nur eine lange Eeihe von Monologen 
und ein paar Dialoge enthält. 

Nicht besser lautet das Urteil der Forscher, die das Stück 
gelesen und kritisiert haben. Beauchamps macht dem Dichter 
der Genevre den Vorwurf anberechtigter Eitelkeit, die aus 
seiner Widmung des Werkes an den König hervorgehe ^) ; aller- 
dings scheinen Billard's Zeitgenossen eine ebenso hohe 
Meinung wie dieser selbst von der Genevre und seinen anderen 
Stücken gehabt zu haben. ^) 

Der Verfasser der Anecdotes dramutiques^) spricht ihm 



^) Rech,, 2. Teil, S. 84. 

^) Li dem von uyis benutzten Sammelbande von Billard's Tragödien 
findet sich ein Sonett des Lyrikers Habert, welches Billard an die Spitze 
der tragischen Dichter stellt; man vergleiche Nr. 2 u. 3: 
9i Billard sent de Hesse emouvoir ses esprits 
De se voir le vainqueur des Fo'etes Tragiques: 
Phoebus orne son chef de fueillages Delphiques, 
A VArt de Melpomene estant le mieux appris. 
A Sophocle, Euripide et Seneque il fait honte. 
Jodele, la Peruse et Garnier il surmonte, 
Deplorant les malheurs des Princes et des Roys.» 
^) Bd. III, 46: «. . . . des pensees naives, exprimees d^un style am- 
poule et hyperbolique, forment un melange rejouissant, mais ce plaisir 
est celui que donne une Farce.» — Parfaict {Hist. TV, 129), die nur 
den Titel des StücTces anführen, behaupten irrtümlicherweise, der Stoff 
der Genevre sei der nämliche, den Nicolas Chretien bereits unter gleichem 



— 211 — 

die Kunst ab „Intrigen zn knüpfen" und Dialoge zu schaffen, 
und stellt seine Stücke auf das gleiche Niveau wie die Farcen. 
Nach Goujet ist die Genevre so langweilig, daß man sie 
kaum lesen kann; ähnlich ist das Urteil Mo uhy 's, der den 
Dichter der Genevre als eingebildet, diese selbst als „schlecht 
in jeder Beziehung" bezeichnet^). Sainte-Beuve kon- 
statiert in Billard's Tragödien einen oft grotesken Gegen- 
satz zwischen Form und Inhalt.^) Eingehend mit dem Dichter 
der Genevre, nicht aber mit dieser selbst, beschäftigt sich 
Faguet, dessen Urteil mit dem unserigen im großen und 
ganzen übereinstimmt.^) Nach ihm hat ßillard's Theater nur 
historischen Wert, weil alle seine Stücke den großen Fehler 
haben, nahezu ganz arm an Handlung und in einer schwer- 
falligen, kalten Sprache geschrieben zu sein; Faguet nennt 
sie darum nur dialogisierte Elegien, die alle Fehler der Gar- 
nier'schen Schule im höchsten Grade, dagegen nur wenige von 
deren Vorzügen besäßen. ^) G. W e n z e 1 findet, daß Billard's 
Monologe einen elegischen Zug aufweisen, welcher sich bereits 
in den antiken klassischen Stücken finde. ^) Bigal endlich 
glaubt, der Verfasser der Genevre sei von Alex. Hardy 
beeinflußt worden; mit Ausnahme der fünften Akte seien 
seine Stücke geistlos und veraltet.^) 



Titel behandelt habe, und der in ihrem Werke gelegentlich der Erwähnung 
Chritiens bereits analysiert worden sei. Eine vorgenommene TJntersuchwng 
ergab, daß es sich nicht um die Genem'Cf sondern um eine Tragödie *Alboin» 
handelt, deren Stoff von beiden Dichtern dramatisch bearbeitet wurde. 

1) Tablettes, I. Teil, S. 110, Abrege I, 219. 

2) Le 16 e sücle, S, 314. 
») La Trag, fr., S. 325 ff. 

*) Ibd., S. 330: «Peu dHnvention, une composition eocacte et mono- 
tone, avec un peu de mouvement parfois au denouement, beaucoup de 
diclamation et quelquefois un peu d'eloquence; tous les defauts de Vecole 
de Garnier pousses ä leur perfection, quelques-unes des qualites de cette 
ecole ä un degre estimahle, voilä Videe d'ensemble que Von garde de 
Claude Billard.» 

^) Die Trag. Montchrestien^s, S. 11. 

•) Le Theätre au 17 ^ siede {Jullev. IV, 190): *. . .il lui est arrive 
de mettre quelque mouvement dans ses cinquiemes actes; mais comme 
tout le reste est vide et demode!» 

14* 



— 212 — 

Em weiteres d^GFinevra-Hpisode entnommenes, fcinfaktiges 
Siiüok wurde 16M Ton dem zi^nlich unbekannten Diehtw 
J>u Recker unter dem Titel VIndienne amaureuse ou ^h&»^ 
reux Naufrage veröflfentMcht. *) Zwei Jahre sp^er Keß er- die 
Pastoralkomödie Mdixs erscheineo, welche Weinberg em 
mittelmäßiges Stack nennt^^) Wdtere Stüeke sind Yen dem 
Dichter nicht bekannt. 

Der ziemlich verwickelte Inhalt unserer Tragikomödie ist 
folgender : 

Akt I: Oleraste, Prinz von Peru, erzählt wie ein grau- 
sames Geschick ihn, seinen Bruder Rodomare und seinen Rat- 
geber und Admiral Melidor durch einen Sturm an die Küste 
von Florida geworfen hat. Diese drei Schiffbrüchigen kommen 
gerade zur rechten Zeit, um Axiane, die Tochter des Königs 
Syname aus den Händen Meander's zu befreien, welcher ihr 
Gewalt antun will. Auf Bitten Cleraste's erhält der scheinbar 
reuige Meander von Axiane Vergebung. Rosemonde ^ Prin- 
zessin von Cusko, erklärt sogar, trotz dieses Vorfalls,' Meander 
weiter lieben zu wollen. 

Akt II : Cleraste hat gleich zu Axiane beim ersten An- 
blick eine tiefe Neigung gefaßt, welche diese nicht uner- 
widert läßt. Beide gestehen sich ihre Liebe und widmen sich 
gegenseitig Liebesverse, die sie auf ein Stück Papier nieder- 
schreiben. Dann ruhen sie bei Einbruch der Nacht an». Fufi^ 
eines Baumes aus. Inzwischen entwendet jedodi MeandiMf 
dem schlafenden Cleraste die Verse, die ihm soeben Axiane 
gewidmet hat. 

Akt in : Meander, der Axiane leidenschaftlich liebt, be- 
schließt, seinen Nebenbuhler Cleraste dadurch zu beseitigen, 
daß er dessen Glauben an Axianens Treue erschüttert. Er 
übergibt ihm zu diesem Zwecke jene Verse mit der Behaup- 
tung, Axiane habe sie an ihn, den Meander, gerichtet. Außer- 



^) Siehe Bibliographie , S. XL M o u h y , Abrege II, 14S, gibt als Druck- 
jähr 1611 aw; Maupoint, Bibl, 8. 175, 1632, ßrunet mdlith 1636; 
das uns vorliegende Exemplar ist von 1631. Eine andere Ausgabe er- 
schien 1635. 

*) Das franz. Schäferspiel, 8. 124. 



— 813 — 

idem versichert er, daß «r ihm abends eine deutlichere Probe 
TOH deren Untreue atif dem Balkon de« Palastes geben wolle. 
CHeraste glaubt in der Tat an Axiane's Verrat, nachdem er 
Meander itiit einem weiblichen Wesen an dem besagten Platze 
^sehen bat. Doch war jene Gestalt nicht seine Geliebte, 
sondern Eoisemonde, welche auf Geheiß Meander's sich mit 
Axiane's Kleidern angetan hatte. Der getäuschte Cleraste will 
die yermeintliche Untreue A^ane's nicht überleben, sondern 
stürzt sieh ins Meer. 

Akt IV : Nachdem Rosemonde in einem langen Monologe 
ihrer Keue über die Freveltat Ausdruck gegeben hat, kommt 
Cleraste heil und gesund von der Meeresküste zurück und 
erzählt, daß er im kalten Wasser plötzlich wieder neue Lust 
am Leben bekommen habe, und daher wieder ans Land ge- 
schwommen sei. Unterdessen treffen sich Eosemonde und 
Cleraste zufällig noch einmal in einer Grotte, wo letzterer 
die Verräterei Meander's aus Eosemonde's Munde erfährt. 

Akt V: Axiane war von ihrem eigenen Vater ins Ge- 
fängnis geworfen worden, da Kodomare und Melidol*, die 
beiden Augenzeugen der nächtlichen Balkonszene, als ihfd 
Ankläger aufgetreten waren. Dort muß sie so lange 
bleiben, bis das vom König angeordnete Gt)ttesurteil ihre 
Schuld oder Unschuld bewiesen hat. Als jedoch Meander's 
Verrat offenbar wird, läßt der König auch ihn in Ketten 
legen, aber selbst im Kerket hört der Eilende nicht auf, 
Axiane durch die Mauer hindurch tnit Liebesbeteuerungen 
2tt bestürmen. Endlich soll das Gottesurteil in Form eines 
Kampfes zwischen den Vertretern der Anklage und den Ver- 
tretern der Angeklagten vollzogen werden. Melidor und Rodo- 
mare treten als erstere, Cleraste und Kosemonde als letztere 
in die Schranken. Nachdem aber Eosemonde im Kampfe 
den Helm verloren hat und daher erkannt wird, muß sie alle! 
erzählen. Die Folge davon ist, daß Cleraste mit der fiand 
Axiane's, Eodomare mit der Hand Eosemonde's belohnt 
Wird, während Meander seine Strafe in den Flammen findet. 

Wie aus dieser Analyse zu ersehen ist, hat Du ßocher 
eine Eeihe von Veränderungen und Zusätzen gegenüber der 
italienischen Quelle vorgenommen. 



— 214 — 

Der Schauplatz der HandluDg wird von ihm nach Peru 
und nach Florida veriegt. Die entsprechenden Personen sind 
im Drama anders benannt und gehören anderen Ständen an; 
außerdem werden auch neue Rollen eingeführt; nämlich 
Erastrote, Cleraste's Vater, die beiden Gesandten Clidamour 
und Kosemonde ; endlich wird dieEolle des Lurcanio bei Ariost, 
im Drama auf Melidor und Eodomare zugleich verteilt. Die 
Personen entsprechen sich im Stücke und in der Quelle folgen- 
dermaßen : 

Cleraste Ariodante 

Axiane Ginevra 

Kosemonde Dalinda 

Meander Polinesso 

Melidor u. Eodomare Lurcanio 

Sycame König v. Schottland. 

Im Gange der Handlung finden sich folgende Verände- 
rungen: Der Schiflfbruch des Cleraste, die Begegnung mit 
Axiane und Meander, die Liebesszene zwischen dem Prinzen 
von Peru und der Königstochter von Florida, das Entwenden 
der Verse durch Meander, also der ganze erste Teil des 
Stückes bis Akt III, 5 ist eigene Erfindung des französischen 
Dichters. Femer treflfen sich Dalinda und Ariodante bei Ariost 
nicht, während bei Du Kocher Cleraste und Kosemonde in 
der Grotte und später noch einmal (V, 2) im Zwiegespräch 
sind ; Zutaten des franz. Dichters sind auch die Kerkerszenen 
(V, 1 u. 4), die Beteiligung Dalinda-Kosemonde's am Kampfe, 
endlich die Art und Weise, wie die Aufdeckung von Poli- 
nesso-Meander's Verrat vor sich geht. Unverändert von der 
Quelle herübergenommen sind nur die Balkonszene, der Selbst- 
mordversuch Ariodante-Cleraste's und die Anordnung des 
Gottesurteils durch den König auf Veranlassung von Clerastens 
Bruder. 

Von den Charakteren haben besonders die beiden Haupt- 
helden des Stückes eine Umgestaltung erfahren. Cleraste, der dem 
edlen Ariodante bei Ariost entspricht, wird zwar bei Du Kocher 
ebenfalls als edler, hilfsbereiter Mensch geschildert; aber seine 
Sprache ist zu geziert, als daß wir ihn mit einem Helden des 



— 215 — 

Orl. für. vergleichen könnten. So schildert er z. B. die Beize 
seiner Geliebten mit folgenden Worten: 

€Ses yeux ne sont-ils pas deux soleils dont la flamme 

Sert d^un phare nouveau pour eclairer mon äme ? 

Son visage Or-t-il pas des attraits ravissans 

Qui derohent au corps la liherte des sens? 

La joue est un parietre oü dans les flsurs ecloses, 

Ses lys en se mourant fönt renaistre hs roses? 

La bouche rCest-elle pas le plus cliarmant sejour 

Oü se puissent donner les oracles d'Amour ? 

(I, 3, S. 36). 

An einer anderen Stelle (I, 2, S. 13) nennt er Axiane 
tV abrege des chefs d'oeuvre^, und die Verse, die er ihr wid- 
met , könnten ebensogut im Hotel Rambouillet geschrieben 
worden sein (Akt 11, 5, S. 45). 

Meander ist durch seinen Versuch, Axiane mit Gewalt 
sich zu erobern, durch die Entwendung der Verse und durch 
sein niedriges Verhalten im Kerker gegenüber der Königs- 
tochter weit schlimmer und abstoßender geworden, als ihn 
Ariost unter dem Namen Polinesso darstellt. Kosemonde ist 
zwar im ersten Teile des Stückes ganz die schwache Dalinda 
des italienischen Dichters, erinnert aber später durch ihre 
unerschrockene Teilnahme am Kampfe eher an Bradamante 
oder an Marphisa. 

Du ßocher's Ulndienne Amoureuse ist nach unserer 
Ansicht viel höher zu stellen als die Genevre Billard's. Das 
Stück ist reich an Handlung, hat einen lebhaften Gang, und 
beinahe jede Szene ist motiviert. Zu tadeln ist jedoch die 
gezierte mit Concetti überhäufte Sprache, die allerdings in 
der damaligen Zeit der „Pastoralmanie" Mode war. 

Der Verfasser der Änecdotes dramatiqiies'^) scheint daher 



*) Bd. III, 175: *Il paroit qua du temps de cet Auteur le goüt 
miserable des Romans regnoit dejä sur le theätre. Les deux Pihces {de 
Du Rocher) en sont infestees; des plaintes lamentables sur la perte des 
maitresses, de fades expressions sur la fidelite, des incidents pueriles qui 
rivoltent le bon sens, un enchamement continuel de jeux de mots et 
d'antithhses pitoyables, faisoient alors tout le succes des pieces de fhedtre, 
et voilä ce qiCon trouve dans du Rocher. La poesie penible et fati- 



{ 



— 216 — 

lUkch lUMäerer Ansicht zu streng zu urteilen/ wenn er sagt. 
Du Rocher sei einer der Vertreter jener «ohlechten Q^ 
schmacksrichtung, die ihr Yorhild in dem prexiösen Soman 
der Zeit sachte. 

Wir haben bereits £rüher erwähnt, daß der OrL fwr. eine 
Lieblingslektüre des Philosophen von Ferney war, -daß in 
seinen Epen und in einer seiner Erzählungen nachweisbar 
Spuren Ariost'schen Einflusses sich finden. Von seinen zahl- 
reichen dramatischen Erzeugnissen kommt für unsere Arbeit 
nur sein Trauerspiel Tancrede in Betracht. 

Die Quellenfrage des Tancrede ist indessen eine sehr 
Sichwierige, die yielleicht überhaupt nicht gelöst werden kann. 
La Harpe ist der Ansieht, daß die Oinevra-Episode im 
Orl. für. den Anlaß zu Voltaire's Tragödie gegeben habe.^) 
Beuchet^) dagegen weist darauf hin, daß bereits 1713 eine 
gewisse M™® Desfontaines einen Roman tLa Camtesse 
de Savoie^ veröffentlichte, der nichts anderes als eine Be- 
arbeitung der Ginevra-Episode ist und 1726 in Druck gelegt 
wurde. ^) Voltaire begrüßte das Erscheinen dieses Werkes mit 
einigen Verszeüen, die er an die ihm bekannte Verfasserin 
richtete. Desnoisterres*), der Biograph Voltaire's, der 
augenscheinlich auf La Harpe zurückgeht, bezeichnet den 
Stoff des Tancrede als eine direkte Entlehnung der Gineyra- 
Episode bei Ariost. Birch-Hirschfeld drückt sich hisi- 



gante trehuche ä chaque pas et ses vers mal congus sont quelquefois trls 
difficiles ä entendre.* 

^) Cours de litt 11^ 639 : *Le combat d^Äriodant paur Genhyre, gui 
dans r Orlando est une suite des lois de la cheväkrie^ indiquait ä Voltaire 
un Chevalier pour son heros. Cest une Obligation de plus b, VArioste, 
de lui avoir donne Voccasion de mettre la chevalerie sur la sc^ne.i* 

*) (Ehivres de Volt., IV, 489: «Voltaire n^eut m^m^e pas hesoin de 
puiser cette idee dans VOrl. für . . . II la trotwa dans un petit roman 
de Jf »»« De Fontaine dont il avait saluS Vapparition par une pi^ de ver» 
quand il n' avait que dix-neuf ans.» 

*) über Mme Desfontaines s. Biogr. univ., XIV, 326, — 3f«w Z>€«/1 
starb 1730 arm, und verlassen. Neugedr. wurde der Römern in den (Euvre$ 
de Mesdames de la Fayette et de Tencin. F. 1804. 5 Bde. 8^. 

*) Vie de Volt, IV, Iff,: ^Cette fable d^ailleurs n* est pas de lui^ 
c'est u/n emprunt ä VArioste qui lui-meme Vavait emprtmt^ ä notre ancien 
iheätre.» 



— 217 — 

sichtlich der ^uellenfrage etwas ucibestimmt aus ; er «agt, der 
romantischen Fabel des Tancröde liege die Geschichte voa 
Ariodaiite und Gineyra im rasenden Boland zugrunde. ^) 
Bouvy, ein gründlicher Kenner Voltaire's und seiner Be- 
gehungen zum italienischen Theater, streift nur diese Frage, 
hält aber den Boman der M^^ Desfontaines für die 
direkte Quelle des Voltaire'schen Trauerspiels.^) Toldo, 
der sich erst in der allerjüngsten Zeit damit beschäftigt hat, 
behauptet, der französische Dichter habe sehr wenig dem 
Anost, Tiel dagegen der Comtesse de Savoie entlehnt.^) 

Wir wollen nun, was die hier zitierten Autoren unter- 
lassen haben, den Inhalt des Tancrede in kurzen Worten 
wiedergeben und die Vergleichungspunkte mit der Ginevra- 
episode feststellen. 

Almenaide, die Tochter des Argire, ist angeklagt, ihre 
Vaterstadt Syrakus den Mohammedanern überliefern zu wollen. 
Das Todesurteil ist bereits über sie gesprochen, als ein un- 
bekannter Ritter sich anbietet, im ritterlichen Zweikampfe für 
ibre Unschuld einzutreten. Dieser edle Unbekannte ist kein 
anderer als Tancrede, der aus Syrakus verbannt worden ist. Er 
kämpft und bleibt Sieger gegen Orbassan, dessen Gattin Al- 
menaide werden soll. Almenaide ist nun gerettet; sie hatte früher 
ihren Retter in Byzanz kennen gelernt, sie liebt ihn seitdem und 
findet auch Gegenliebe. Tancrede dagegen hält sie für treulos, 
da er glaubt, sie wolle in kurzem aus Neigung mit Orbassan sich 
vermählen; er entfernt sich nach einer kurzen Unterredung, 
ohne sich mit Almenaide auszusöhnen, und sucht den Tod 
im Kampfe gegen die die Stadt belagernden Mohammedaner. 
Almenaide stirbt vor Schmerz beim Anblick des sterbenden 



^) Suchier und Biroh-H., Gesch. d. frz. Lit, S, 533. 

*) Voltaire et Vltalie^ S. 115. 

^) Quelques notes pour servir ä Vhist. de Vinfl. du Furioso (Bull, 
ital. 1904, IVj 56): *ll y a dans la tragedie de Voltaire fort peu de 
VArioste et heaucoup de la Comtesse de Savoie .... Toujonrs est-il qu'on 
a guelque peine ä demeler dans cette tragedie Vhistoire des malheurs 
de Genevre et que Vinspiration paratt, en maints endroits, flottante et 
incertaine.» 



— 218 — 

Tancrdde, der tödlich verwundet nach Syrakus zurückgebracht 
wird. 

Dies ist in großen Zügen die Handlung in Voltaire's 
Trauerspiel. 

Eine Ähnlichkeit mit der Ginevra-Episode im Furioso 
springt sofort in die Augen: Der Zweikampf, welcher die 
Schuld oder Unschuld eines ungerecht angeklagten Mädchens 
an den Tag bringen soll ; ferner ist der Ritter, welcher in 
diesem Kampfe für die Beschuldigte eintritt, in beiden 
Fassungen zugleich der Geliebte derselben, er kämpft für sie, 
ohne von ihrer Unschuld überzeugt zu sein, und ist Sieger 
in dem Kampfe. Die Lösung ist bei Ariost eine glückliche, 
bei Voltaire eine tragische. Andere Vergleichsmomente sind 
jedoch nicht vorhanden. Schauplatz, Exposition, Lösung, 
Nebenpersonen stehen in keiner Beziehung zu Ariost's Er- 
zählung. Der Zweikampf jedoch, die Veranlassung dazu und 
der Ausgang desselben können unmöglich als zufallige Ähnlich- 
keiten mit der Ginevra-Episode angesehen werden; hier war 
offenbar der Orl. für, die Vorlage, oder es liegt eine auf dem 
Epos beruhende Quelle vor. 

Wie verhält es sich nun mit der Comtesse de Savoie, dem 
Eomane der M"^® Desfontaines ? Voltaire hat ihn sicher ge- 
lesen, ebensogut wie den Furioso, Welche von den beiden 
Quellen schwebte ihm bei der Abfassung seines Tancrede vor? 

Die Handlung in der Comtesse de Savoie spielt, wie bei 
Voltaire, in Sizilien; gewiß ist das keine zufällige Ähnlich- 
keit. 3Iendoc€, der Hauptheld des Desfontaines'schen ßomans, 
gehört einer altadeligen, französischen Familie an, die zur 
Normannenzeit nach Sizilien auswanderte, genau so wie die 
Familie des Tancröde, und Mendoce macht seinen Namen 
auf dieser Insel ebenso berühmt, wie Tancrede ganz Sizilien 
mit seinem Ruhm erfüllt. Diese auffälligen Ähnlichkeiten 
im Schauplatz und in der Hauptperson — der Zweikampf 
und die ihn begleitenden Nebenumstände sind mit Ausnahme 
der Namen und des Schauplatzes beiM"^® Desfontaines dieselben 
wie bei Ariost — lassen es uns nahezu als gewiß erscheinen^ 
daß dem französischen Tragiker der Roman der von ihm 
hochverehrten M"^® Desfontaines vorschwebte, als er 1760 



— 219 — 

seinen Tancrede niederschrieb.^) Somit wäre Ariost's Erzählung 
im 6. Gesänge nur die indirekte Vorlage zu dieser Tragödie 
gewesen.^) Außer den oben bezeichneten Entlehnungen 
haben wir jedoch Voltaire's Stück als ein Originalwerk im 
besten Sinne des Wortes anzusehen.^) 

Am Ende des 18. Jahrhunderts, 1798, bzw. 1799*), 
erschien Mehul's Ariodant, die Lieblingsoper des Meisters, 
zu welcher F. B. Hoffmann den Text geschrieben hatte.*) 
Da der letztere nichts weiter als eine freie Übertragung des 
1796 erschienenen Tonstückes Ginevra^) von Pindemonte 
ist, wie eine Vergleichung der beiden Libretti ergeben hat, 
so beschäftigen wir uns nicht weiter mit diesem Operntexte, 
welcher die letzte dramatische Bearbeitung der Ginevra-Episode 
ist, die wir ausfindig machen konnten. 



^) Bengesco, Bibl. Volt. I, 58; das Stück tvurde zum erstenmale 
am 3. Sept. 1760 aufgeführt und erlebte 12 aufeinander folgende Auf- 
führungen; gedruckt wurde es erst im nächsten Jahre. 

*) Mehrere italienische Operntexte behandeln übrigens die Ginevra- 
Episode {s. darüber Clement, Dict. lyr.j S. 49 u. S. 318; ebenso Rie- 
mann, Opernhandbuch, S. 188). Die wichtigsten italienischen Opern, die 
diesen Gegenstand behandeln, sind die nachher zu erwähnende Ginevra 
Pindemonte's {1796) und Rossi di Verona 's Ginevra di Scozia 
{1799). Beide Opern wurden in Paris aufgeführt {s. CUment, ibd.); von 
letzterer erschien sogar eine französische Übersetzung unter dem Titel 
Genüvre d'J^cosse, opera en quatre actes, represente pour la premihre 
fois ä Paris sur le Thiätre de Vlmpiratrice, rue de LouvoiSj le . . . plu- 
viose, an YIIL 

') Ähnlich sagt auch Beuchot, (Euvres de Voltaire lY^ 489: <iDu 
reste, toute la trame est de Vinvention de Voltaire, et il n'a empruntS ä 
ßes devanciers que le fond du sujet.» 

*) Clement, Dict. lyr., S. 49; ebenso Chouquet, Hist. d. drame 
mus., S. 185; Riemann, Opernhandb.j S. 26. 

*) Hoff mann war berühmt als Kritiker und Polemiker, dabei ein 
vielseitiges Genie, das auf dem Gebiete der Naturwissenschaften ebenso 
zuhause war, wie auf dem Gebiete der schönen Literatur; über sein 
Leben s. Michaud, Biogr. univ., XIX, 499; La Gi\ Encycl., XX, 
178. — Nach Chouquet, ibd., S. 185, hatte die Oper keinen daueryiden 
Erfolg und ist nunmehr ganz der Vergessenheit anheimgefallen; ebenso 
Clement, l.^c, S. 49. 

*) Wiese-Percopo, Gesch. d. ital. Lit, S. 495. 



— 220 — 

5. Die Alcina-Episode. 

Diese Episode, welche besonders berühmt ist weg€ti dw 
herrlichen Schilderung Alcinens und ihrer Gärten, reicht bei 
Ariost von C. VI, st. 23 bis C. VII, st. 21 nnd schüdert 
Roger's Aufenthalt bei der ZaubOTin Alcinu. Wie wir schon 
an früherer Stelle bemerkten, entnahmen bereits die Schüler 
Ronsard's, und ihr Meister selbst, Ariost's Schilderung der Reiz«» 
Alcinen's (C. VII, st 11—16), um Worte zu finden für die 
Schönheit ihrer Geliebten. 

Dagegen dauerte es in Frankreich lange, ehe ein dra^ 
matischer Dichter sich an diesen Stoff wagte. Der erste 
Versuch, der in dieser Richtung gemacht wurde, ging ton 
keinem geringeren aus als von Ludwig XIV., welcher im Jahre 
1664^) seinem schon früher erwähnten Zeremonienmeister,^ 
dem Herzog von Saint- Aignan, den Auftrag erteilte, im Ver- 
sailler Schloßpark ein Fest aufzuführen, dessen Schauplatz die 
Gärten Alcinens vorstellen sollte. Dieses Fest, welches vom^ 
7. — 13. Mai 1664 gefeiert wurde, ist bekannt unter dem 
Namen Les plaisirs de Vlh enchantee. ^) EJs hat auch seinen 
Platz in der französischen Literaturgeschichte^ weil während 
der Feier desselben Moliöre's B-incesse (TElide und die drei 
ersten Akte seines Tartuffe aufgeführt wurden.®) Die Grund- 
idee des ganzen Festes ist die, daß Roger und mehrere 
andere Ritter, die im Banne der unechten Reize Alcinens 
liegen, durch den Zauberring, welchen Athalant im Auftrage 



*) Bemerkensivert scheint es uns zu sein, daß im nämliekeft Jahft 
Gilbert seine Amours d'Angelique et de Medor, also eine weitere JBe» 
arbeitung einer Ariosf sehen Episode veröffentlichte. 

^) Über dieses Fest haben ivir folgende Berichte: 

a) den offiziellen Bericht der Gazette, 21. Mai 1664. n* 60; 

b) einen sehr ausführlichen Bericht bei Marigny, Les f^teS de 
Versailles. P. 1664. 8^; 

c) SiMe de Louis XIV, chap. 25 (Ausg. v. ß e u c h o t, Bd. XX, 146^150). 
•) Despois, (Euvres de Mol. IV, 89—268, woselbst noch weitere 

Literaturangaben sich finden. Eine kurze Erwähnung des Festes findet 
sich auch bei Goujet, Bibl. XVIII, 226, ivo die von^ Herzog von 
St' Aignan gesprochenen Worte zitiert sind, Maupoint, Bibl., 8. 252; 
endlich auch Lotheissen, Gesch. IV, 33. 



Melissen» dem ßoger an den Finger steckt, befreit werden 
soUen ; der Aloina-ßpisode im Orl. für. liegt dieselbe Idee z«- 
grufide» nur daß Roger ab alleiniger Sterblicker im Beieke 
der Zauberifl weilt, nnd daß Bradamante ibm den rettende» 
Eing überreicht (vgl. Orl. für., C. VI, VII u. VIII); ne« 
eingeführt ist außerdem die Person des Oger le Danois, 
dessen Rolle vom Herzog von NoaiDe» gei^ielt wurde-. Nach 
dem Berichte der Oaxette (officieüe) fand der Häuptteil des 
Festes am ^. Tage dtatt; an diesem Tage nämlich sollet) die 
Sitter ihre Befreiung erhalten. Ale Akine, welche in einem 
von reißenden Tieren bewachten Felsenschloß haust, merkt, 
daß ihr Zauber bald nicht mehr wirksam sein wird, teilt sie 
diese Befürchtung ihrer Vertrauten Cölie mit. E» folgt sodann 
ein Ballet, welches jedech durch Melisse's Erscheinen unter- 
brochen wird; diese übergibt dem Roger durch die Hand 
Athalant's ihren Zauberring ; in demselben Augenblicke erfolgt 
ein Donnerschlag und gleichzeitig stürzt das ganze Schloß in 
Trümmer, die Gärten verschwinden, und die Helden steigen 
aus den rauchenden Trümmerhaufen hervor. Diese Darstellung 
der Alcina-Episode ist vielleicht die großartigste In^tzenierung, 
die je eine Erzählung des Orl. fm. erfahren hat. Der Schau- 
platz ist hier nicht mehr der enge Raum der Bühne mit den 
leinwandbemalten Kulissen zur Seite und im Hintergrunde; 
als Darsteller sehen wir nicht mehr arme, verachtete Schau- 
spieler, sondern Fürsten und Herzöge; wirkliche Bäume, 
Wälder und Quellen beleben die Landschaft, und an Stelle 
dtes spärlichen Lampenlichtes strahlt die goldene Maiensonne 
a^uf das ganze Bild h^nieder. 

Eine großartigere Huldigung hätte Frankreich dem 
italienischen Dichter nicht bringen können! 

Erst 1705^) wurde die Alcina-Episode dramatisch be- 
handelt^ und zwar von dem Librettisten Danchet^), in der 
Oper Äkina^ zu der Campra die Musik schrieb. 

*) Parf., Dict. J, 4:2 u. Chouquet, Hiat, S, 330^ geben als 
Datum der Aufführung den 15. Januar 1705 an. Eine zweite Auf- 
führung fand nach Parf., Dict. du Th.^ Bd. I, 43 j nicht statt, 

^ über sein Leben s, Biogr. univ.^ Bd. X, 87; La Gr. Enc.^ Bd. XIII^ 
826; in beiden Werken wird von seiner Tätigkeit als Librettist nicht 
gesprochen. 



— 222: -^ 

Der Verfasser des Textes ist, nach La Harpe, eiü 
keineswegs glücklicher . Nachahmer Quinault^s, der weniger 
durch Dichtungen al» durch den Spottvers, den J. B. Rousseau 
auf ihn schrieb, bekannt geworden sei ; doch sei er nicht ohne 
Talent.!) 

Eine kurze Analyse der Oper wird zeigen, ob das Urteil 
des französischen Kritikers gerechtfertigt ist. 

Prolog : Die beiden allegorischen Gestalten Grloire und 
Temps streiten sich, wessen Herrschaft am Dauerhaftesten sei i 
zugleich wird die Handlung des Stückes mit folgenden Worten 
angedeutet: 

tDans un spectacle Tnagnifiqtie, 
Retracez hs Heros que par son art magiqvs, 
Aldne retenoit sur des bords trop charrnants : 
Faites voir par quel art Melisse, 
Couronnant la vertu, punissant Vinjustice, 
Les ftt enfin sortir de leurs enchantements,» 

Akt I: An einer abgelegenen Stelle mitten im Gebirge 
erzählt Alcine ihrer Vertrauten, daß sie zu dem vom Sturme 
ans Ufer geworfenen, und von ihr geretteten Astolf eine tiefe 
Zuneigung gefaßt habe, und daß sie ihn zu ihrem Gemahl 
erküren möchte. In einem darauffolgenden Zwiegespräch er- 
klärt dieser jedoch, er könne nur Melanie lieben, worauf die 
wütende Zauberin durch ßachedrohungen Astolfs Liebe sich 
erzwingen will. 

Akt II: Alcinens Gemahl Athlant hat bald von deren 
sträflicher Neigung erfahren, und obwohl er behauptet, daß 
seine Liebe für die Gattin längst schon erkaltet sei, will er 
diese doch für ihre Untreue bestrafen. Während er noch 
beschäftigt ist, eine angemessene Strafe ausfindig zu machen, 
erscheint Melanie, Astolfs Geliebte, die, von Melissa nach 
einem Schiffbruch ans Ufer gerettet wurde und nun auf der 
Suche nach Astolf ist; Athlant entbrennt sofort in Liebe zu 
dem schönen Mädchen, und als dieselbe nicht erwidert wird. 



^) Cours de litt, II, 375: «H s'en faut de tout que Vauteur 

d^Hesiode [Danchet] lui (d Quinault) soit comparable II n^itaitpas 

depourvii de tälent.» Seine Alcine wird von La Harpe nicht erwähnt 



— 223 — 

beschließt er mit Alcine, die mittlerweile mit ihm zusammen- 
getrofifen ist, die beiden Liebenden voneinander fernzuhalten. 
Gerne willigt die Zauberin ein, da sie ja, den ritterlichen 
Astolf mit ihren Keizen bestricken will. 

Akt III: In der Verkleidung einer Nereide nähert sich 
Alcina der Geliebten Astolf 's und lügt ihr vor, dieser habe 
sie vei'gessen und schmachte in Liebe zur schönen Alcina, 
Als das Mädchen in Klagen gegen den Treulosen ausbricht, 
sucht Athlant sie zu trösten, indem er ihr seine Liebe an- 
bietet. Als jedoch seine Beteuerungen zurückgewiesen werden, 
denkt er nur noch daran, Astolf, seinen Nebenbuhler, von 
der Insel zu entfernen und so seiner Gemahlin einen bösen 
Streich zu spielen. 

Akt IV: Astolf will eben auf Athlant's Geheiß die 
Insel verlassen, als er seiner Geliebten, die er weit von hier 
glaubt, begegnet. Schnell stellt sich nun Melanie's Irrtum 
von Astolf s angeblicher Untreue heraus, und beide schwören 
sich Liebe und Treue. Da kommen unter Blitz und Donner 
die beiden Gatten, und mit ihnen eine ganze Schar höllischer 
Geister. 

Akt V : Während Athlant darauf besteht, daß sein Neben- 
buhler getötet werde, kann Alcine sich nicht entscheiden, ihre 
Einwilligung dazu zu geben ; liebt sie doch den Astolf auch 
jetzt noch und so will sie sein Leben erhalten. Als aber 
Athlant vorschlägt, daß sich die beiden Liebenden heiraten 
sollen, glaubt die Zauberin auch dazu ihre Genehmigung 
nicht erteilen zu können. In diesem Augenblicke steigt Melisse 
auf einem goldenen Wagen vom Himmel hernieder und ver- 
scheucht die böse Zauberin mit ihrem Spuk. Mit gütigem 
Feenlächeln schließt sie den Bund der beiden Liebenden. 

Die Handlung der Oper Danchet's beschäftigt sich nicht 
mit dem Schicksale Roger's, wie es im Orl. für, der Fall ist, 
sondern mit Astolf s Abenteuern auf der verzauberten Insel, 
die sich allerdings auf das italienische Epos (C. VI, st. 33 — 53) 
stützen, aber größtenteils vom französischen Dichter erfunden 
sind. Bei Ariost erzählt der in eine Myrte verwandelte Astolf 
seinem Freunde Roger nur, daß Alcina ihn mit ihren Reizen 
bestrickt, nach einiger Zeit aber von sich gewiesen habe. 



— 2^ — 

woFanf er, wie alle ebemaligea Liebhaber der Zauberin, in 
einen Baum verwandelt worden sei. Die Liebesgesc^ehte 
zwischen Astolf jand Melanie, welch' letztere übeffaaupt im 
Ariost'schen Epos Dicht Torkommt, ist also^ von Dan^het firei 
erfanden, oder, wais wahrscheinlicher ist, sie ist eine Beminis- 
zenz an Boger's Yerhältms mit Bradamante, welehe ihren Gef- 
liehten durch Melissa {OH. /wr., G. VII, st. 39 ff.) au» Ahrine's 
ümgamung entreißen läßt. Athlant, bei Arioet der Beschützer 
Bk^ger's, i^t hier der würdige 3atte der Zauberin, Ihre Eifers 
süchteleien und Betrügereien sind Danchefs Zutaten. Aueh 
die Lösung des dramatischen Knotens ist von ihm erfunden. 

Von den Charakteren kommt nur Ateina in Betracht, die 
uns der französische Dichter dadurch menschlich näher bringt, 
als Ariost, daß er sie, die verheiratete Frau, von einer 
tiefen Neigung zu dem bereits verlobten Astolf entbrennen 
läßt, während dieselbe Zauberin bei Ariost überhaupt nui? 
kurze Zeit ein und denselben Mann lieben kann; man: vgl. 
Orl. für,, C. VI, st. 50: 

^Conohbi tardi il suo mobil ingegno, 
Usato amare e disamare a un punto. 
Non era stato oltre a duo mesi in regno, 
CKun nuovo aniante al loco mio fu assunto. 
Da se cacdommi la Fata con sdegno, 
E dalla graxia sua nC ebbe disgiunto : 
E seppi poi, che tratti a simil porto 
Avea miW altri amanti, et tutti a torto,^ 

In diesem Charakterunterschiede liegt gerade^ der Haupt- 
reiz der Oper Danehet's : ein mit übernatürlichen Gaben aus- 
gestattetes Weib liebt einen gewöhnlichen Sterblichen und muß 
trotz ihrer Kunst auf ihn verzichten. Die Schwäche des 
Stückes liegt hauptsächlich in dem nahezu komischen Ver- 
hältnisse des Ehepaares Alcina und Athlant, dae sich fort- 
während gegenseitig zu betrügen sucht; dieser allzu sehr an 
das Alltagsleben erinnernde Teil der Oper stimmt nicht zu 
dem Grundtone, in dem diese sich bewegt 

Anklänge an die italienische Quelle in bezug auf sprach- 
lichen Ausdruck finden sich nicht ;> der französische Dichter 



^=r 228' -^ 

ifegnügte sich, die Grundidee und den Schauplatz atts Ariost 
ziä* entlehnen. 

Das Stück scheint vollständig der Vergessenheit anheint^ 
g^allen zu sein; wenigstens fanden wir hei den von uns zu 
Rate- gessogenen Forschern kein Wort der Kritik üher Dan-' 
c bot 's Alcine.^) 

Zwei weiter^ Opern, die uns jedoch nicht erhalterr sind, 
beschäfdgeH sich noch mit demselben Stoffe. Die eine ist 
voxt dem Grafen Laville de Lacepöde komponiert und 
1786 für die Pariser tOpera^ zur Aufführung angenommen, 
abör nicht aufgeführt worden. Sie ist* unseres Wissens nur 
bei Clement erwähnt.^) Der Verfasser des Libretto ist nicht 
genannt, und das ungedruckte Manuskript schlummert in der 
Theaterbibliothek der Pariser Oper. Querard erwähnt eine 
dreiaktige Oper in Prosa Alcine, deren Verfasser Sedaine 
deSarcey ist, ein Neffe des bekannten Lustspieldichters 
J. Sedaine.^) Die Oper wurde nach Querard zum ersten Male 
i. J. 1789, später dann noch einmal i. J. 1795 am Peydeau- 
theater aufgeführt; die Musik ist von Bruni; leider ist das 
Stück ebenso wie das vorausgehende nicht gedruckt worden. 



6. Die Joconde-Episode. ^) 

Wir kiommen nun zu der berüchtigtsten aller Episoden im 
Orl. für,, zur Joconde-Episode ^) , einer echten Renaissance- 



1) Beauchamps, Rech., 3, Teil, S. 105; Parfaict, Dict. J, 4:2; 
L^ris, Dict., S. 11; Manpoint, Bihl., S. 9, erwähnen das Stück nur, 
ohne es zu beurteilen. Auch neuere Werke übergehen es in ähnlicher 
Weise: La Harpe, Cours de litt., II, 375; Michaud, Biogr., X, 87; 
Ohouquet, Hist, 330; La gr. Enc. XIII, 826 und Clement, Dict, 
lyr., S. 27. 

^) Dict. lyr., 8. 18: «Alcine, opera, musique du comte Laville de 
Lacepede. Regu ä V Opera en 1786, mais non 7'epresente.» 

^) La France litt. IX, 11; Querard gibt dem Stücke den Titel 
VIsle enchantee, während Clement, Dict. lyr. Suppl., S. 1182, den Titel 
Alcine gebraucht; beide bezeichnen die Oper als ungedruckt. 

*) Orl. für. C. XX VIII, st. 1—75. 

'') Fonti dell Orl. f., S. 383. 

Münchener Beiträge z. romanischen u. engl. Philologie. XXXIV. 15 



— 226 — 

Erzählung, welche Rajna auf die Erzählung in der 446. Nacht 
in 1001 Nacht zurückführt und die das alte Thema von der 
Treulosigkeit und List der Frauen in origineller Weise be- 
handelt. Die betrogenen Ehegatten Astolfo und Giocondo 
wollen sich aus Rache über die ihnen angetane Schmach an 
dem ganzen weiblichen Geschlechte rächen, werden aber 
schließlich von einem einfachen Landmädchen ein zweitesmal 
betrogen und kehren dann zu ihren Gattinnen zurück. 

Die erste dramatische Bearbeitung auf französischem 
Boden erfuhr die Joconde-Episode i. J. 1628 durch zwei 
provengalische Dichter Claude Brueys und Charles Feau^); 
da dieses Stück jedoch in provengalischer Sprache geschrieben 
ist, gehört es nicht in den Rahmen dieser Arbeit. 

Eine weitere dramatische Behandlung des Stoffes begegnet 
uns erst wieder i. J. 1740, wo Fagan einen Einakter in 
Prosa Joconde veröffentlichte.^) Ob das Stück mehr als eine 
Aufführung erlebte, ist uns nicht berichtet. Der Verfasser 
selbst war ein sehr fruchtbarer Theaterdichter und erlangte 
besonders im Vaudeville eine gewisse Berühmtheit, so daß 
man ihn sogar den Lafontaine des Vaudevilles zu 
nennen pflegte. Palissot^), ein Zeitgenosse unseres Dichters, 
hebt seine Natürlichkeit und Ungezwungenheit hervor, tadelt 
aber die übermäßige Fruchtbarkeit des Schriftstellers, die un- 
fehlbar zur Oberflächlichkeit führen mußte. Vapereau*) 



^) Das Stück erschien im «Jardin des Musos Frovengalos» (5 Bde^ 
12^) und hat keinen besonderen Titel, wenn man nicht die Überschrift 
i<Comedie de onze personnages» , die sich bei La Yalliere, Bibl. II, 19 
findet, als Titel bezeichnen will. Toldo erwähnt das Stück in der Com, 
d. l. Renaiss. {Rev. d'Hist. litt., 1900, S. 279), ist sich aber über die 
Quelle des Stückes nicht klar. 

^) Les trois siecles litt. III, 255, woselbst der Joconde als relativ 
bestes Stück Fagan' s genannt wird; doch, so heißt es weiter, kann man es 
nicht ein gutes Stück nennen. Leris, Dict, 253 nennt es «fort bien ecrite». 

^) Memoires II, 108. 

*) Dict. Univ., S. 762. Weitere Urteile über den Dichter, dem all- 
gemeine Oberflächlichkeit vorgeworfen wird, finden sich bei La Harpe, 
Cotirs de litt. II, 448 ; M i c h a u d XIII, 441 ; La gr. Enc. X VII, 73; in diesen 
drei Werken wird Joconde jedoch nicht erwähnt — Joconde steht im 
1. Bande der Gesamtausg. der Werke Fagan' 8 vom Jahre 1760, 



— 227 — 

dagegen bezeichnet Fagan 's Stil als nachlässig und den Auf- 
bau der Stücke als unnatürlich. 

Betrachten wir zunächst die Handlung in dem Stücke 
Joconde. Astolf und Joconde haben die verschiedensten 
Gegenden Europas besucht, und überall gefunden, daß Frauen- 
treue ein leerer Wahn sei. Ein ganzes Buch war bereits 
vollgeschrieben mit den Namen derjenigen Frauen, welche 
ihren Männern die Treue brachen und sich den beiden Aben- 
teurern hingaben; nur für drei Namen ist noch Kaum. Das 
Gasthaus, in dem sie eben abgestiegen sind, beherbergt drei 
Schwesteru, welche im Rufe der Unnahbarkeit stehen. Astolf 
glaubt jedoch, in dreißig Minuten ihre Tugend zuschand'en 
machen zu können, und in der Tat gelingt es ihm auch auf 
folgende Weise: Der ältesten Schwester Marcelle, welche 
Witwe ist, bietet er seine Reichtümer an, falls sie ihm nur den 
Titel eines Gemahls ohne dessen Rechte gewähren wolle ; mit 
Freuden willigt sie selbst ohne diese Klausel ein. Suson, die 
Zweitälteste, ein zänkisches Mädchen, wird von ihm durch 
Heiratsversprechungen und dadurch, daß er ihr in Aussicht 
stellt, sie an den Hof zu führen, gewonnen. Die dritte der 
Schwestern endlich, Clorinde, eine Philosophin, wird verführt 
durch das Geschenk eines Diamantringes, nachdem zuvor 
ihr treuer Wächter und Lehrer Matasio von Astolf mit einer 
wertvollen Tabaksdose bestochen worden ist. So glänzen auch 
die Namen dieser drei Tugendengel in dem verhängnisvollen 
Buche, welches ihnen der schlaue Verführer nunmehr zeigt. 
Nur unter der Bedingung, daß die drei Schwestern ihre früher 
abgewiesenen Freier heiraten, will er von einer Veröffentlichung 
ihres Fehltrittes absehen. 

Im Gegensatz zu dem Lustspiel der beiden provengalischen 
Dichter ist Fagan's Stück sehr dezent, sogar viel dezenter als 
die Erzählung bei Ariost. Dieser letzteren sind folgende 
Punkte entlehnt: der Schauplatz des Stückes (cf. Orl. für., 
C. XXVIII, St. 52), die Erzählung von Astolf über die Er- 
folge seiner Reisen (O. f., C. XXVITI, st. 48—52), die Ver- 
führung durch Geld und Preziosen (cf. OrL für,, C. XXVIII, 
st. 48 u. st. 53), endlich die Schlußszene, welche mit einer 

dreifachen Verlobung endet (cf. O?-!. für., 0. XXVIII, st. 74, 

15* 



.— 228 .— 

wo Astolf und GioGondo Fiammetta mit dem ^Greco» yeih 
heiraten. Alles übrige in Fagan's Einakter ist entweder eigene 
Erfindung de& Dichters^ oder beruht auf anderen Quellen. 

Die Hauptänderung an dem Stoffe, nämlioh die Einführung 
von drei Schwestern an Stelle eines einzigen Mädchens, ist 
keine glückliche zu nennen. Die Art und Weise, wie die drei 
verführt werden, ist nahezu dieselbe, und die Wahrschein- 
lichkeit, daß sie in so kurzer Zeit und mit so plumpen Mitteln 
überha,upt in ihren Grundsätzen wankend gemacht werden 
können, ist nichts weniger als groß. 

Stil und Dialog des Stückes sind frisch und lebendig; 
Bede und Gegenrede folgen rasch aufeinander ; Witz und 
Ironie kommen reichlich zum Ausdruck, besonders in den Sollen 
Joconde's und Astolf s (vgl. Sz. 1, 4 und 6); am gelungensten 
scheint uns Szene 6 zu sein, in welcher die beiden Don 
Juans Clorinde und den Philosophen Matasio sich ihren Ab- 
sichten gefügig machen. Astolf erklärt, ohne Clorinde nicht 
leben zu können und fragt, nachdem er die leidenschaftlichst^:! 
Liebesschwüre getan hat: 

Ast. He ! bien ? Cela ne fait-ü aucun effet sur vous ? 

Clor. ÄiuMn, 

Matas. Ni sur moi, 

Ast. Je ne me rebuterai point. U n^y aura point de res^ 
souree qite je n'employe pour vous attendrir. Je deviendrai gcUatd 
et magnifique, Voici, par exemple, un Diamant (Laissex^moi 
suivre nia demonstration ; et pretez voils ä tout ced, je vous en 
conjure) . . . Voici un diamant d\m prix considerable, Jnuzginex- 
vous que je Vai laisse sur votre Toiktte, sans que vous vous en 
soyez apper<pA,e. Vous Vessayez; et quoiqus vou^s soyez dans le 
dessein de faire d^exactes recherches pour le rendre, voics le recevez 
en atiendant. 

Clor, (en recevant la Bague) Je le reQois? 

Ast. Oui, 

Matas. Badinage ! 

Ast. Ce n^est pas tout. Je sgais que vous avez aupres de 
vous un homme de Lettres, qui est votre conseü, votre ami^ 7}uü 
aise dans les affaires, comme la plupart le sont; je lui dis: Mon- 
sieur, ma flamme est honnete, le mariage est man- obfet^ votre 



— 229 — 

honneur ne eera pas blesse en me eervant; detemvinez VaimaMe 
Chrinde^ determinex celle que fadore; je vous promets müle 
dueats si Vaffcmre rmssü^ et void d^avance %me Tabatiere eodreme' 
ment riohe que je vous prie d'acoepter. 

(d Matasio), 

Accepiex, je vous prie, Monsieur, 

Mat., prenant la Tabatiere et la regardant, 

Oui, oui; speculaiion que ioui cela. 

Diese kurze Antwort des Philosophen zeigt uns dessen 
Charakter besser als eine lange Schilderung; das zweifache 
Oui sagt uns, wie gierig er nach der Tabaksdose greift, wie 
zugänglich er der Bestechung ist; doch daß er wenigstens 
den Schein der Unbestechlichkeit bewahren will, geht aus dto 
folgenden Worten: speculaiion que tout cela hervor. So sehen 
wir in Matasio den falschen Philosophen, den <i:faux savanU, 
der hinter der Maske der Philosophie die Laster des Geizes 
und der Verstellung geschickt zu verbergen weiß. 

Pagan's Joconde scheint den ihm geistig verwandten, 
ebenfalls äußerst fruchtbaren Theaterdichter Charles Coli e^) 
veranlaßt zu haben, 16 Jahre später denselben Gegenstand 
wieder aufzugreifen und auf die Bühne zu bringen. Sein 
Joconde erschien 1768 in der ^Thedtre de societe^ betitelten 
Sammlung seiner besten Stücke und wird als Lopera comique 
en deux actes et en vaudeviUesT^ bezeichnet.^) Aufgeführt wurde 



*) über C o 11 e ' s vielbewegtes Leben «. D i d o t , XI, 151; M i ch au d , 
yill, 587, wo dem Dichter der Vorwurf gemacht wird, in seinen Stücken 
allzusehr der Obszönität die Zügel schießen zu lassen; denselben Vorwurf 
macht ihm auch Vapereau {Dict., S. 488): «... Comedies en general 
fort licendeuses, avec ces sous-entendus et ces gravelures gazees qui 
plaisaient au grand monde du XVIII^ siMe» ; La gr. Encl., XI, 936, 
wo besonders die Vielseitigkeit und Fruchtbarkeit des Dichters hervot- 
gehoben wird: ^ColU composa pour le theätre du duc d^ Orleans des operas 
comiques, des comedies, des proverbes et des parades d'une gaiete osee, 
mais franche et bien originale.» 

*) Das Theätre de societe erschien 1768 in zwei, und 1777 in drei 
Bänden; diese zweite Ausgabe ist nur ein Neudruck der von 1768. Das 
Stück wird nur &ei Querard, La Fr. litt, II, 244—245, und in der 
gr. Enc. XI, 936 erwähnt. 



— 230 — 

diese komische Oper bereits 1756 ^), wahrscheinlich erlebte das 
Stück nur eine einzige Aufführung. 

Wir gehen sofort zu einer Analyse des Joconde von 
Colle über. Die in dem Stücke auftretenden Personen sind 
folgende : 

Astolphe, Roy de Lombardie, Joconde, Seigneur de sa 
Cour, M"^® Dutour, Concierge d'une maison situee k St. Cloud, 
et möre de Theröse. Th§rese, fiUe de M"^® Dutour, et amou- 
reux de Blaise. Blaise, jardinier de la maison dont M™® 
Dutour est la Concierge. 

Akt I: Blaise, der eben im Garten der Frau Dutour 
beschäftigt ist, drückt dieser seine Beunruhigung über die 
Anwesenheit zweier junger Reisenden im Hause aus, welche 
seiner geliebten Therese etwas zu aufdringlich den Hof 
machen ; vergebens sucht die Dame den eifersüchtigen Gärtner 
zu beruhigen ; ahnt sie doch ebensowenig wie Blaise, daß die 
beiden Reisenden niemand anders sind als Astolf und Joconde, 
welche den letzten Platz in ihrem Buche mit Theresen's 
Namen auszufüllen gedenken. Beide bestellen das junge 
Mädchen zu einem nächtlichen Stelldichein in den Garten, wozu 
sich Therese auch bereit erklärt, nachdem die Verführer sie 
mit einem wertvollen Ringe beschenkt und ihr außerdem 100 
Dukaten versprochen haben, falls sie zur rechten Zeit am 
verabredeten Orte erscheine. 

Akt II : Therese, welche ihre Absicht wohl durchschaut, 
macht dem Geliebten von ihrem Vorhaben Mitteilung und 
gibt ihm den Auftrag, das nächtliche Stelldichein aus der 
Nähe zu belauschen. Als die Dunkelheit hereinbricht, finden 
sich Blaise und Therese zuerst an dem Platze ein und sezten 
sich plaudernd auf eine Steinbank. Bald darauf erscheint 
Astolf und sieht Therese bei einem jungen Manne sitzen; er 
glaubt natürlich, sein Freund sei der Glückliche auf der 
Bank, und entfernt sich stillschweigend; nicht lange hernach 
tritt Joconde hervor, hält den ahnungslosen Blaise für seinen 
Freund Astolf, und entfernt sich ebenfalls. Beide treffen sich 
und beglückwünschen sich über den Erfolg, bis es sich heraus- 



^) La gr. Em., S. 936. 



— 231 — 

stellt, daß Therese sie zum besten gehabt hat. Sie machen 
jedoch gute Miene zum bösen Spiele, und schenken dem 
listigen Mädchen anstatt 100 sogar 200 Dukaten. Sodann 
beschließen sie, zu ihren Frauen zurückzukehren, ohne den 
leeren Platz in ihrem Buche auszufüllen : 

tBetoumons demain avec nos femmes, bien convaincus qu^elles 
sont les memes dans ious les pays.'^ (Akt H, Sz. 8), 

Die Handlung schließt sich eng an die Joconde-Episode 
im Orl. für. an. Nur wird das Obszöne, das Äriost so un- 
verhüllt erzählt, gänzlich fallen gelassen und durch ein harm- 
loses Stelldichein im Garten ersetzt. An Stelle des Gast- 
hauses zu Cattiva (Orl, für,, C. XXVIII, st. 54) führt uns 
der Dichter in den Garten eines Mietshauses der Pariser 
Vorstadt Poissy. Die Person der M"^« Dutour ist Erfindung 
des französischen Dichters; ihre Tochter Therese ist die 
Eiammetta, Blaise der Greco des 0/7. für, 

Coll6 ist es gelungen, die Joconde-Episode so umzuge- 
stalten, daß der Grundgedanke derselben erhalten bleibt, daß 
aber alles Obszöne vollständig daraus verschwunden ist. Der 
Vorwurf der Indecenz kann daher dem Dichter in diesem 
Stücke keineswegs gemacht werden; vielmehr dürfen wir es 
ihm als ein Verdienst anrechnen, den goldenen Kern, den 
diese Episode in sich schließt, von der schmutzigen Um- 
hüllung, in die ihn Ariost kleidet, befreit zu haben. 

Der Gang der Handlung schreitet rasch dahin und die 
Spannung dauert bis zur letzten Szene an, der Dialog ist 
lebhaft und wechselt ab mit lyrischen Strophen, deren Inhalt 
sich meist um das Glück der Liebe dreht. 

Sogar noch im 19. Jahrh. findet sich ein Dichter, welcher 
die Joconde-Episode einem Lustspiele zugrunde legt. Es ist 
dies M. Etienne's^) Lustspiel Joconde ou les Coureurs d'Aven- 



*) Etienne war besonders erfolgreich in der Anfertigung von Opern- 
texten; auch die uns vorliegende Frosaausgabe der Joconde wurde als 
Libretto verwendet^ zu dem Nicolo die Musik schrieb {s. Clement, Dict, 
S. 38). Über Etienne s. näheres bei Michaud, XIllj 146j wo der Joconde 
das 16. Stück des Dichters genannt wird; Didot, XFJ, 633 ff. ; Vapereau, Dict. 
univ.j 745 j nach dem das Stück einen großen Erfolg errang; la gr. Enc. 
XVL 660, wo der Joconde als das beste Stück ittienne's bezeichnet wird. 



— 232 — 

tures, welches zum ersten Male am 28. Februar 1614 j^ufge- 
führt wurde, uud van dem 1821 bereits die 9. Ausgabe 
erschien. 

Die überaus verwickelte Handlung der Komödie ist ^ia 
ihren Hauptzügen kurz folgende: 

Akt I: Grraf Robert und sein Freund Joconde gellen 
ihre Bräute Mathilde und Edile bezüglich ihrer Tr^ue auf 
die Probe stellen, indem der eine von ihnen der Verlobten 
des anderen den Hof macht. Da Mathilde und Edile daiS 
gleiche zu tun beschlossen haben, bestehen die beiden Mädchen 
scheinbar die Probe nicht, und Eobert faßt daher mit seinem 
Freund den Entschluß, aus Eache dafür alle Frauen, die »ie 
träfen, zu verführen. 

. Akt 11: Auf einem ländlichen Balle in der Nähe des 
gräflichen Schlosses wählen sich die beiden ihr erstes Opfer 
aus in der Person der hübschen Jeannette, die mit Lucas, 
einem jungen Manne, verlobt ist. Wie in dem vorausgehenden 
JStücke von CoUe hält jedoch die schlaue Jeannette die beiden 
Verführer bei einem nächtlichen Stelldicheia zum besten, sp 
daß die Betrogenen sich schließlich wieder nach ihren .ver- 
lassenen Bräuten zurücksehnen. 

Akt III: Unterdessen hat sich das Gerücht verbreitet, 
die beiden Abenteurer wollten Jeannette verführen; es wird 
deshalb ein Haftbefehl gegen sie erlassen, und schon sollen 
sich die Türen des Gefängnisses für sie öffnen, als Mathilde 
und Edile, die ihren ehemaligen Verlobten in der Verkleidung 
als Zigeunerinnen auf den Ball gefolgt waren, die wahren 
Namen der vermeintlichen Abenteurer verraten und diesen 
.80 die Schmach des Gefängnisses ersparen. Reumütig bitten 
sie um Verzeihung und versprechen treue und vertrai^ende 
Gatten zu werden. 

Etienne's Lustspiel steht unleugbar unter dem Einflüsse 
von Colle's gleichnamigen Stücke, nur Anfß,ng und Ende 
gehen teils auf Ariost zurück, teils sind auch sie vom fraziZQsi- 
schen Dichter hinzugefügt. Wie Celle, so sucht auch B t i e n n e 
alles Unanständige fern zu halten und aus der durch und 
durch derb lasziven Erzählung des Ariost eine harmlos komische 
Handlung mit einer, wenn auch nicht aufdringliclie^^ lehrhaften 



— 233 ^ 

«Pointe zn bilden. .Wie bei Clolle endlich^ sind auch hi^r 
lydsehe Strophen erotisdtien Inhaltes eingestreut, welche 
dem Grannen oft einen ernsthaften, sentimentalen Ton ver- 
leihen.^) Was Etienne dem Ariost entlehnt, ist besond^s 
die Exposition des Stückes; aber wie zart weiß er nicht 
^iae Quelle umzugestalten! Während bei Ariost Astolfo 
jind .^riocondo ihre Frauen in flagranti ertappen, denken bei 
ijtienne die beiden Bräute überhaupt nicht ernstlich daran, 
ihren Verlobten untreu zu werden; und die simulierte ün- 
rta^eue besteht nur darin, daß sie kleine Geschenke von dem 
.y^führQr annehmen. Etienne ist sogar noch moralische 
alsCoUe, bei dem Astolf und Joconde bereits am Ende ihrer 
abenteuerlichen verbrecherischen Keise stehen, während sie 
Etienne uns vorführt, wie sie dieselbe erst anfangen, und nie 
sie den Namen des ersten Opfers in ihrem Buche einzutragen 
im Begriffe sind. 

Ereie Erfindung des französischen Dichters ist das länd- 
liche J^allfest, die Verhaftung der beiden tCoureurs d'Äventures'^ 
.und ihre Befreiung durch Mathilde und Edile. Diese Zu- 
taten sind durchwegs als glücklich zu bezeichnen. Das Tanz- 
fest gibt zu einer Reihe von gelungenen dramatisch wirkungs- 
vollen Szenen (vgl. Akt II, Sz. 1 — 5) Anlaß ; die Verhaftungs- 
szene durch den Bailli des Ortes und die Ankunft der beiden 



^) Vgl. Akt III, Sz. i, wo Robert bereut, seine Braut verlassen zu 
haben: 

Str. 1. «Dans un delire extreme 

On peut fuir ce qu'on aime : 

On pritend se venger, 

On jure de changer^ 

On devient infidelej 

On court de belle en belle; 

Mais on revient toujours ä ses pr emiers amours.» 

Str. 2. Ah! d'une ardeur sincere 

Le temps ne peut distraire. 

Et nos plus doux plaisirs 

Sont dans nos souvejiirs. 

On pense^ on pense encore 

A Celle qu^on adore, 

Et Von revient toujours ä ses premiers amours,» 



— 234 — 

Damen bilden einen höchst dramatischen Schluß. Fügen wir 
noch hinzu, daß der Ort der Handlung unter dem sonnigen 
Himmel der Provence liegt, und daß sanges- und lebensfrohe 
Provengalen die Träger der Handlung sind, so haben wir die 
charakteristischen Seiten des Stückes hervorgehoben. 

Es ist schade, daß dieser so glücklich entworfene Schwank 
der völligen Vergessenheit anheimgefallen ist, und daß den 
Dichter desselben das gleiche Los ereilt zu haben scheint.^) 

Etienne's Joconde ou les Coureurs dCAventures wurde 
später von Aumer zu einem Ballett verarbeitet und von 
dem Komponisten H6rold in Musik gesetzt. Die Auf- 
führung des unter dem Titel Asiolphe et Joconde bekannten 
Balletts erfolgte am 29. Januar 1827 ^) und hatte, dank der 
Musik Heroldes, einen bedeutenden Erfolg.^) 

7. Die Erzählung vom Zauberbecher. 

Wir kommen nun zu der Erzählung vom Zauberbecher, 
welcher Ariost den ersten Teil des 43. Gesanges (st. 1 — 70) 
widmet. Welche Bewandtnis es mit diesem Becher hat, er- 
fahren wir aus Strophe 28 des genannten Gesanges, wo 
Ariost sagt: 

<iDisse Melissa: lo ii darb un vasello 
Fatto da ber, di viriü rara e strana, 
Qual gid, per fare aecorto ü suo fratello 
Dell fallo di Ginevra, fe Morgana, 
Chi la moglie ha pudica, bee eon quello: 
Ma non vi puö giä ber chi Vha puttana; 



*) Michaud XIII, 146, nennt das Stück «fameux» . Vapereau, 
Dict univ.f 745, loht besonders die Charakterzeichnung des Joconde, der 
unbeständig, frivol und allzuleicht verliebt, aber immer liebenswürdig und 
niemals hassenswert (odieux) sei. In der gr. Enc. XVI, 660 unrd Jo- 
conde, wie bereits erwähnt, das beste Stück d. Dichters genannt Clement, 
Dict. lyr. 614 endlich hält das Stück für eine der vollkommensten komi- 
schen Opern. 

2) Chouquet, Bist, S. 392. 

^) Ibd. ; Chouquet führt auch die Schauspieler an, welche die Haupt- 
rollen des Balletts zu spielen hatten. 



— 235 — 

Che 7 vin, quando lo crede in bocca porre, 
Tutto si sparge, e fuor nel petto acorre.^ 
Der erste französische Dichter, welcher diese Episode 
dramatisch behandelte, war kein geringerer als Lafontaine^ 
der gemeinschaftlich mit seinem Freunde, dem berühmten 
Schauspieler Champmesle den lustigen Einakter < La coupe 
enchantee^ verfaßte. Als Abfassungsjahr wird von Lema- 
zurier^) und Regnier^) 1688 angegeben. Welches der 
Anteil eines jeden der beiden Verfasser an dem Stücke ist, 
läßt sich jedoch nicht bestimmen. 

Maupoint^) und La Porte et Chamfort*) geben 
die beiden Dichter als Verfasser an, ohne den Anteil des 
einzelnen präzisieren zu wollen. Mouhy^) meint, das Stück 
sei von Lafontaine allein verfaßt, später aber in C h a m p - 
mesle's Gesamtausgabe eingereiht worden, obgleich dieser 
nur seinen Namen hergegeben habe; außerdem behauptet 
er irrtümlicherweise, die Coupe enchantee sei dem Boc- 
caccio entlehnt. 6) In Michaud's Biogr, wird jedoch 
in Abrede gestellt, daß Champmesle an dem Stücke über- 
haupt mitgearbeitet habe ; die Vermutung einer Mitarbeit des 
letzteren sei aus der intimen Freundschaft der beiden Männer 
hervorgegangen.') Brunetifere scheint der Ansicht zuzuneigen, 
daß Champmesle die Hauptarbeit an der Komödie geleistet 
habe.®) Regnier endlich verzichtet darauf, ein urteil über 
diese Frage abzugeben, indem er sagt : tön ne saura Jamals 
la pari que Lafontaine a prise ä la composition de cette petite 
comedie.T^^) Dieser letzteren Ansicht schließen auch wir uns 
an, denn nirgends in dem Stücke läßt sich eine Stelle nach- 



^) Galerie, I, 184. 

*) (Ehivres de Laf. {Ausg. der Gr. tcr.) VIl, 439. 

») Bibl, S. 85. 

*) Biet dram. 1, 324. 

*) Tabl, S. 60, 61. 

ö) Ihd., S. 6L 

"') Biogr. univ., VII, 465: «On pretend que Ch. a eu une tres grande 
pari . . .et ä la coupe enchantee . . . Cette assertion n'a d'autre fondement 
que les relaiions d^amitie qui existerent entre Lafontaine et ChampmesU.y» 

8) La gr. Enc, XXI, 756. 

®) (Euvres de Laf. {Ausg. der Gr. ]^cr.), VII, 442. 



— 236 — 

weisen, die aus dem Rahmen der Einheitlichkeit, in dem das- 
selbe geschrieben ist, herausträte. 

La coupe enckantee wurde zum erstenmale im Jahre 1710 
gedruckt und als Verfasser M. Chammelay (sie!) bezeicfaiiet. 
Später, 1735, wurde die Komödie in die Gesamtausgabe der 
Dichtungen Champmesle's aufgenommen, wo sie sich im 
2. Bande derselben befindet.^) H. Regnier endlich gab dem 
Stücke einen Platz im 7. Bande seiner Ausgabe Lafon- 
taine 's. ^) 

über die Veranlassung zur Abfassung unserer Komödie 
erzählt Maupoint folgende Anekdote: <^L'edtccation qm 
M, G,, architecie, voulut donner ä sa fille en la ienant enfermie et 
privee de la connaissance des hommesj fournit le sujet de ceite 
peilte piecey>. Die Behauptung M a u p o i n t ' s ^), daß diese Be- 
gebenheit den Stoff zu Lafontaine's Stücke geliefert habe, ist 
in dieser Form keinesfalls richtig, denn wir sehen nicht ein, was 
das sonderbare Erziehungssystem des Architekten G. .mit der 
Geschichte vom Zauberbecher zu tun haben könnte. Maupoint 
wurde vielleicht dadurch zu seiner Behauptung verleitet, .daß 
im Stücke unter anderen ein ähnliches Erziehungssystem 
geschildert wird. Aber dieselbe Schilderung findet sich auch 
im OrL für,] da Lafontaine außerdem schon früher diBse 
Episode aus dem italienischen Epos ins Französische über- 
setzt hat^), ist es als sicher anzunehmen, daß der große 
Fabeldichter und Ario st Verehrer den Stoff zu dieser Komödie 
direkt dem OrL für, entlehnte. 

Wir gehen nun auf die Analyse unseres Stückes über. 

Lucinde, Tochter des Normannen Tobin, flüchtet mit 
Perette, Frau des Thibaud, welche im Dienste des Töbin 
steht, zum Bauer ßertrand , weil sie den Neffen ihrer Stief- 



^) (Euvres de M. Champmesle, P. 1735, 2 vol., 12. Das Stück findet 
sich in II, 578—620. 

2) (Euvres d. Laf. {Äiisg. der Grands Ecr. de la France\ JBd Ylly 
439—495. 

5) Bibl, S. 85. 

*) Unter d. Titel: La coupe enchantee; auch die berühmte Erzähhmg 
Lafontaine's «Les oies de frere Philippe», eine Satire auf die allzustrenge 
Erziehung, ist der Episode im 43. Ges. des Qrl. für. entnommen. 



— 287 — 

OBOitter heiraten soll, während sie dagegen den jnngen Lelie^ 
den Sohn des reichen Anselm, liebt. Tbibaud, auf der Snche 
n«ch seiner flüchtig gegangenen Erau, kommt mit Lelie und 
dessen Lehrer Josselin zusammen und , yertrant ihnen sein 
efariiches Unglück an; fürchtet er doch, daß ihm seine Frau 
hereits die Treue gebrochen habe. Josselin empfiehlt ihm, 
sich mit dem Zauberbecher Anselm's in diesem Funkte 6e» 
wiBheit zu verschaffen. Anselm habe den Becher von einem 
Araber erstanden und stelle ihn jedermann zur Verfügung. 
Thibaud aber will aus den nämlichen Gründen wie sie bei 
Ariost (C. XLIII, st. 65 u. 66) angegeben sind, das gefähr« 
lichB Experiment nicht wagen, sucht jedoch einen Verwandten 
des? Tobin, der sich ebenfalls gern Gewißheit über die Treue 
seinerGemahlinTerschaffen möchte, zu dieser Frobe zubewegen, 

Anselm fängt indessen an, sich über seinen von ihm in 
ailer Sorgfalt und Abgeschlossenheit erzogenen Sohn Lelie zu 
hennruhigen, da er ihm verliebt zu sein scheint. In der Tat 
sehen wir bald nachher den Jüngling am Arme Lucindens. 

Nun erscheinen auch Lucindens Vater Tobin und sein 
V-^er Griffand, welch beide ihre Ehehälften im Verdachte 
der' Untreue haben. Als sie von der seltsamen Eigenschaft 
des Bechers hören, verlangen sie daraus zu trinken ; der Becher 
wird' ihnen gereicht, aber Beide verschütten beim Trinken 
Mllssigkeit und haben daher für den Spott der Umstehenden 
nicht zu sorgen. Anselm hat inzwischen von der Liebe seines 
ST»hnes zu Lucinden erfahren; nach einigem Widerstreben 
willigt er in die Heirat des jungen Faares ein; den Zauber- 
becher aber verspricht er zu brechen, da derselbe so manchen 
Mann schon unglücklich gemacht habe. 

Wie uns der Inhalt des Stückes gezeigt hat, ist der: 
Stoff, wie ihn der Orl, für, bietet, im wesentlichen beibe- 
halten worden. Nur der Schauplatz und der Stand der Fer- 
sonen wurde verändert; außerdem aber sind eine Reihe von 
Personen neu eingeführt worden, da ja bekanntlich in der 
Ariost^schen Erzählung nur vier Fersonen erwähnt werden: 
Das Anstößige im italienischen Original wurde soweit wie 
möglich beseitigt. Das Tragische und Bittere, das bei Ariost's 
Erzählung sich findet, ist ebenfialls fortgeblieben; selbst als 



— 238 — 

Tobin und Griffand von der Untreue ihrer Frauen wissen, 
versagt ihnen der gute Humor nicht; sie wissen sich mit 
Anstand ins Unvermeidliche zu fügen. Vollständig frei er- 
funden dagegen ist die Flucht Lucinden's, das Liebesver- 
hältnis zwischen ihr und Lelie und der anfängliche Wider- 
stand der beiderseitigen Eltern, diese Verbindung gut zu 
heißen. Französische Zutat ist es endlich auch, daß Anselm 
am Schlüsse des Stückes den Becher zu zerbrechen verspricht. 

Der literarische Wert der Komödie ist nach unserer 
Ansicht kein hoher. Es fehlt in derselben vor allem an 
Motivierung und Entwicklung; so werden wir im unklaren 
gelassen über die Gründe, die Perette zur Flucht von ihrem 
Gemahl Thibaud bestimmen, wir erfahren nicht, ob und mit 
wem sie Ehebruch getrieben; das gleiche vermissen wir bei 
den ehebrecherischen Frauen des Tobin und Griffand. Auch 
die plötzliche Einwilligung der Eltern Lucindens und Lelie's 
in deren Heirat ist unmotiviert. Endlich suchen wir in dem 
Stücke vergebens eine Hauptperson oder auch Hauptper- 
sonen, um die sich die ganze Handlung gruppiert; alles ist 
zu kurz und zu skizzenhaft behandelt, so daß das Stück eher 
den Namen Posse oder Schwank als den einer „Komödie" ver- 
dient. Vielleicht sollte es auch als eine Parodie der Ariost'schen 
Erzählung gelten, obwohl dem entgegenzuhalten ist, daß als 
Parodie betrachtet, dasselbe sich enger an das Original an- 
schließen müßte. 

Fast möchten wir aus dem Unwert der Coupe enchantee 
den Schluß ziehen, daß Lafontaine zum mindesten die Haupt- 
arbeit an der Abfassung derselben nicht getan habe, da wir 
diesem großen Geiste ein solches Machwerk unmöglich auf 
die Rechnung setzen können. 

Anderer Ansicht scheinen allerdings Petitot^) und 
Regnier^) zu sein, welche die Coupe encJmntee ziemlich günstig 
beurteilen. Doch deutet Regnier an, daß sie vor ihm in der 
Regel eine abfällige Kritik erfahren habe ^). 



^) Repertoire du TJi. fr., XVI, 250—251. 
2) (Euvres VII, 442. 

') Ibd. : «. . . . Cet ouvrage rCest pas aussi mauvais qu^on Va pre- 
tendu.» 



— 239 — 

Als Nachahmungen der Coupe enchantee bezeichnet Regnier 
die beiden Einakter Saint-Foix' UCh-acle und Les Grdces, 
von denen der erste am 22. März 1740, der zweite am 23. Juli 
am Theätre frangals aufgeführt wurden.^) Saint-Foix be- 
hauptet jedoch in der Vorrede zu Les Oräces, daß er den 
Stofif zu seinen beiden Stücken selber erfunden habe.^) 

Wir werden uns daher mit denselben nicht weiter beschäf- 
tigen, sondern sofort auf eine zweite dramatische Behandlung 
unseres Stoffes, zu der einaktigen komischen Oper La coupe 
enchantee von Rochon de Chabannes übergehen. Dieses 
kleine Stück ging am 19. Juli 1753 über die Bühne und errang 
einen ehrenvollen Erfolg. ^) Gedruckt wurde das Stück erst 
im Jahre 1765, und zwar im zweiten Bande des Nouveau 
Thiätre de la Foire, Ein Neudruck desselben wird vermutlich 
innächsterZeiterscheinen, wenigstens beabsichtigt J.-J. Olivier, 
der Herausgeber von Heureusement ^ nach und nach sämtliche 
Stücke von Rochon de Chabannes in einer Ausgabe dem 
Publikum zugänglich zu machen. 

Rochon de Chabannes gehört heute zweifelsohne 
zu den tCkiblies», während er bei Lebzeiten zu den erfolg- 
reichsten Theaterdichtern zählte. Bereits LaHarpe jedoch 
rüttelte an seinem Ruhme, indem er den Erfolg des Dichters 
nicht dessen Werken, sondern der Tüchtigkeit der Schauspieler 
und Schauspielerinnen zuschreibt.^) J.-J. Olivier wirft 
ihm Armut in der Erfindung und Nachlässigkeit im Stil vor. 



^) Ibd., S. 443. 

*) Mercure de France 21janvier 1769; dort werden die Handlungen 
in beiden Stücken als «situations si conmies» bezeichyiet. 

^) J.-J. Olivier, Heureusement. Comedie p. Roch. d. Chab, F. 
1903 j S. IVj woselbst auch zum erstenmal eingehende Studien über 
Roch. d. Chab. Leben und Wirken gemacht werden. La Coupe enchantee 
wird leider nur erwähnt. 

*) Cours d. litt. IIj 373: *Rochon ne laissa pas d'etre fort lou6 
comme versificateur^ quoiqtCil soit reste dans la derniere classe de ceux 
ä qui les acteurs ont fait au theätre une petite fortune sans consequence 
et qui ne donne point de rang dans Vopi^iion . ... II n^y a peut-etre pas 
une page de son theätre oü Von ne rencontre des fautes grossiereSj des 
fautes de sens, d^expression, de convenance, tout ce qui prouve ä la fois 
le difaut d^esprit et de jugement.^ 



--. 240 — 

bebt dagegen die Natürlichkeit, den Witzj den kunstvollen 
Aiifban und den Dialog als rührtenswert in "Roche n 's- 
Komödien hervor^). Als Gresändtsehaftssekretär in- DresdetT 
(1770 — 1772) hatte er Gelegenheit die deutsche Literatur 
kennen zu lernen, und so brachte er eine französische Bear- 
beitung der Minna von Bamhelm unter dem Titel Les Ämants 
gemreux mit nach Frankreich zurück. Da er'Miüna^ Liebe zu 
Tellheim für zu stürmisch erachtete, änderte er ihren Charatfeferi 
inäem er aus dem herrlichen deutschen Mädchen- eine Witwe (!) 
machte, die mit ihrer Leidenschaft zum Major etwJas voif- 
sichtiger zurückhält^). 

Die Handlung der Coupe enchanUe ist kurz folgende: 
Ein Liebender will durch die Fee Melisse erfahren, ob 
sein Mädchen ihn auch wirklich nur allein liebe. Die !E*ee" 
gibt ihm aus dem Zauberbecher zu trinken , und als der 
Jüngling die Flüssigkeit beim Trinken verschüttet, erklärt 
sie ihm, daß er die Liebe des jungen Mädchens nicht allein 
besäße. Drei Ehemänner kommen während dieser Probe^ 
dazu und wollen ebenfalls die Treue ihrer Frauen ergrüüxien ; 
vergebens warnt sie die Fee, den verhängnisvöUcii Thmt zu 
tun; nur einer der drei Ehemänner hatte üröache, mit dei 
Treue seiner Ehehälfte zufrieden zu sein. 

Rochon de Chabannes entlehnt nur die Idee des 
2äuberbechers und die Person der Fee Melisse dem italienischen 
Stücke (cf. Orl für., 0. XLIII, st. 28), alles andere ist' 
selbständige Bearbeitung des französischen Dichters." Wie~bei 
Lafontaine wird auch hier die Probe mit dem' Zaüberbecher 
alles Tragischen entkleidet: Die beiden gehörnten Eheniänner 



^) Op. cit.j S. XVII: «. . . si Eochon manquaii dHwoeHUdn, sHl 
nigligeait trop son style^ il avait du naturell de resprit^ saväithäHr-uVie 
piece et entendait fort bien Vart du dialogue.T» 

*) Olivier sagt hierüber- {Op. cit., S: XII): *Non content d^all4ger 
la piece allemande de ses longueurs, il avait modifii le cä/racthre de 
Vkirome, dont Vamour expansif eüt sans doute etonn^ uii pkhUc hahitui 
ä la riserve decente des Henriettes et des Sylvias. Rochon fif de Minna 
une jeune veuve et rendit plus discrHe sa passion powr le beau TeU- 
heim.» Die Aufführung des Stückes {13. Okt. 1774) bedeutete isinefi größtn 
Erfolg für den Dichter. 



— 241 — 

lachen nach dem bedeutnngsvollen Trünke über ihr eheliches 
Mißgeschick, und das Stück endet wie eine mittelalterliche 
Parce. 

8. Die verzauberten Quellen. 

Die Erzählung vom Zauberbecher erinnert unwillkürlich 
an die Geschichte jener zwei Wunderquellen im Ardennen- 
walde, welche die Kraft haben, unauslöschliche Liebe oder 
Abneigung dem einzuflößen, der von ihrem Wasser trinkt.^) 
Ariost sagt von ihnen (C. I, st. 78): 

«E questo hanno causato due fonianSj 

Che di diverso effeto hanno liqtwre, 

Ambe in Ardenna, e non sono lontane: 

D^amoroso desto Vuna empie il core; 

Chi hee deWaltra, senxa amor rimmte, 

E volge tutto in ghiacdo il primo ardore. 

Rinaldo gtcstö d^una, e Amor lo strugge; 

Angelica deW aUra, e Vodia e fugge:». 
Diese Quellen bilden auch den Mittelpunkt einer ein- 
aktigen komischen Oper von Le Sage, Les eatix de Merlin 
betitelt, welche am 25. Juli 1715 aufgeführt wurde und 
deren Handlung im Ardennenwalde spielt.^) Wir geben eine 
kurze Inhaltsangabe unseres Stückes: 

Harlekin, welcher eben von der spröden Colombine ab- 
gewiesen worden ist, will sich erhängen, wird aber von seinem 
Freund Mezzetin daran verhindert; bald darauf kommen beide 
an die zwei Wunderquellen im Ardennenwalde. Merlin, der 
gütige Zauberer, stellt ihnen einen Teil des wundervollen 
Wassers zur Verfügung, welcher die beiden in Paris auf dem 
Jahrmarkt zu verkaufen beabsichtigen. Eine iEleihe von un- 
glücklich liebenden Jünglingen, Mädchen und Frauen suchen 



^) Über das Alter dieser Sage s. P. Kajna, Le fonti delV 0. /"., 
S. 80. Rajna verlegt die Heimat derselben ins alte Griechenland. 

^) Des Boulmiers, Hist. I, 25. Nach Leris, Dict. port., S. i55, 
wurde das Stück am 11. Sept. 1735 von neuem aufgeführt. — Ebenso 
LaPorte etChamfort, Dict. J, 411. Das Stück findet sich im 2. Bande 
des ThSätre de la Foire. 

Münchener Beiträge z. romanischen u. engl. Philologie. XXXIV. Iß 



_ 2aa? — 

ondl finden Heilung hei den WasserveFkäufem. AuchJlfarinette^ 
die aprode^ Geliebte« Measzetin's , und Colbmbine stellen sioh 
ein und drücken den beiden, die sie nicht kennen, ihre B.eu6' 
aus über die ungerechte Behandlung, welche sie Harlekin und 
Mezzetin widerfahren, ließen«. Diese, geben- den; Mädchen be- 
reitwillig Wasser von der Quelle der Liebe zu trinken, worauf 
sie sidi ihnen zu erkennen geben. Colombine und Marinette 
Terspüren. alsbald^ die Wirkung des Trunkes und versuchen^ 
ihre Liebhaber zu vsersöhnen; als die liebeentbrannten Mädchen' 
dies im: guten nicht fertig bringen^ zwingen sie den Harl^in^ 
und den Mezzetin durch Anwendung von Gewalt^ vom Wasser 
der Liebe zu trinken, worauf dann eine allgemeine Versöhnung 
erfolgt. 

Diese kurze Analyse zeigt, daß Le Sage dem Ariost 
nur die Idee der Zauberquellen und den Schauplatz im Ar- 
dennenwald entnimmt, die übrigen Teile des Stückes dagegen 
selbständig erfindet und dramatisch behandelt. 

Wie in den^ vorausgehenden Stücken wird auch hier der 
Episode das Ernsthafte, Tragische genommen, auch wird alles 
vermieden, was an das italienische Original direkt erinnern 
könnte, so daß wir streng genommen von einer Parodie der 
betreffenden Erzählung im Original nicht sprechen können» 

9. Die Eczählung vom Amazonenstaate. 

Als eine Parodie der drei Heldinnen Ariost's, Brada- 
mante, A«ngelika und Marfisa, darf wohl der kleine Schwank 
L'ile des Ämaxones gelten, welcher von D'Orneval und Le 
S«ge 1718 gemeinschaftlich verfaßt wurde ^) und zwei Jahre 
später mit ziemlich großem Jffirfolge über die Bühne ging; ^) 
D'Omeval, welcher den Hauptanteil an der Arbeit hat, ist 
nach Des Boulmiers <iun auieur fecond et ingmieua>^)j 

^) Dcks Stück findet sich im dritten Bande des Theätre de la Foire 
P. 1737, 8^; tüegen der Jahreszahl vgl. Leris, Diet. dr., Ä 256) Anecdoie» 
dram, /, 464, wo überall 1718, bzw. 1720 angegeben wird. 

*) Des Boulmiers, l. c, II, 371. 

3) Ibd. II, 432; La Harpe, Cours de litt. II, 439 wne^Bemardin, 
La com., S. 153 erwähnen D'Omeval nur als Vielschreiber. 



— 248: — 

der die meisten seiner Stücke gemdnsehafttich mit'Le Saige' 
undi Enron schrieb» 

Die Handlung dieser etwas derben Parodie Ariost'sch^'' 
Gestalten ist folgende : 

Pierrot, Harlekin und «Scaramonche werden auf die 
Amazoneninsel verschlagen und müssen sich den drei Amazonen 
Atalide, Marphise und Bradamante, welche ihnen mit Pistolen 
auf den Leib rücken, ergeben und sich außerdem dem Gesetze 
des Landes unterwerfen, welches verlangt, daß jeder männ- 
liche Ankömmling drei Monate lang der Gemahl einer Ama- 
zone sein muß. Eben werden drei Männer, die diesen Dienst ^ 
getan, verabschiedet; em Schweizer, dem der Abschied schwer 
fallt, weil er während jener Zeit nach Herzenslust zu essen^- 
und trinken bekam, ein Spanier, welcher in schmachtender 
Liebe zu Bradamante entbrannt ist und gerne noch länger 
bleiben möchte, endlich ein Franzose, welcher frohgemut von 
Atalide scheidet, die ihn aber nur ungern ziehen läßt. ^) 

Das Stück ist eine recht einfältige Posse ohne Witz und 
Humor, ohne Verwicklung oder Spannung und ohne Charakter- 
zeichnung. Daß es eine Parodie der drei genannten weiblichen Ge- 
stalten aus dem Orl, für. sein soll, sagen schon die beiden Namen 
Marphise und Bradamante, welche sich in der Isle des Ama^ 
xoms finden. So ist hier Marphisa ein zänkisches Weib, das 
seinem Gemahl, der dem Trünke ergeben ist, die heftigsten 
Szenen macht. ^) Die Sprache wechselt zwischen Vers und 



^) Für das sonderbare Landesgesetz hat offenbar eine Stelle im Orl. 
fwr, als Quelle gedient (C XX, 30), wo Orontea an der Spitze der Kre- 
tenserinnen eine Amazonenherrschaft gründet. Eine Stelle scheint nahezu 
wörtlich herübergenommen zu sein; nämlich Sz. 4 sagtBrad.: *Plu9ittirs 
Isles .... de venir prendre nos enfants mäles^ et de nous donner deux 
filles pour un gargon. Vgl. damit Orl. für. C. XX, st. 33: 

«Accio il sesso viril non le soggioghi. 

Uno ogni madre vuol la legge orrenda etc.» 

*) Wir geben hier eine kleine Probe aus Szene 6. Marphisa ist im 
Begriffe sich von dem Schweizer Baron, der drei Monate lang ihr Gemahl 
war^ zu verabschieden: 

Marphise chante: En bonne foi, pouvez-vous- croire 
Que pour vous mes pleurs vont couler, 

16* 



— 244 — 

Prosa und bewegt sich oft in den niedrigsten Ausdrücken. 
Das Stück sollte 1718 über die Bühne gehen, da aber gerade 
um diese Zeit die komische Oper geschlossen wurde, mußte 
die Aufführung auf unbestimmte Zeit verschoben werden.^) 



10. Die Ring-Episode. 

Die Geschichte des unsichtbar machenden Zauberrings^ 
welcher ursprünglich im Besitze Angelikas war, ihr aber 
später vom listigen Brunello entwendet wurde, findet sich im 
3. Gesang des Ch-L für. (st. 68flf.). Sie hat den Anlaß zu 
einer kleinen französischen Komödie gegeben, welche in eine 
andere größere Komödie verwoben ist. Der Titel dieser 
Doppelkomödie von Thomas-Simon Gueul Lette lautet: Les 
wmediens par haxard et Uanneau de Brunei, Das Stück wurde 
am 15. März 1718 gegeben, ist aber nicht gedruckt.*) 



Yous qui passiez le jour ä hoire, 
Et tonte la nuit ä ronfler? 

Le bar ort: Moi, m^y riveiller qtielquefois. 
Marph.: Ouij pour chanter ä phine voix: 

Borij borij Bon 

Que le vin est hon! 

Par ma foi, fen veux hoire. 

Heu le vilain Yvrogne! 

Le baron c kante: Oh! point de fächementj mon Belle! 
Si chel trinquerai touf le jour; 
Cest dans le mn que sti VAmour 
B'allume son cJiandelle. 

Marph, Je crois quHl y eteint encore plus souvent Fussiez vous 
de ja aux Treize-Cantons. 

Le bar.: L'y etre ein petif cruelle^ ein petif VIngrate. Moipour- 
tant, Vy aimer vous toujours heaucoup grandement», etc. 

Mit derlei billigen Witzen suchten die Verfasser die Lachlust des 
Theaterpublikums rege zu halten. 

1) Parfaict, Hist. XIII, 169. 

*) Beauchamps, Nouv. theätre italien III, 29L Parf., Dict, du 
Th. fr., VII, 445. Eine ausführliche Inhaltsangabe des Stückes findet 
^ich bei Parf, Bist, du Th. fr. XUI, 169. 



— 245 — 

11. Die Ätlante-Episode. 

Atlante's Zauberschloß, in welchem der alte Zauberer 
seinen Schützling Küdiger vor den Stürmen des Lebens be- 
wahren will, wird von Ariost im 4. Q-esange (st. 12 ff.) ge- 
schildert. Die sich darin anknüpfende Befreiung des Helden 
durch Bradamante liefert dem Lustspieldichter La Grange 
den Stoff zu seinem Einakter Le palais mcha7iie, der 1761 
aufgeführt wurde, jedoch nicht im Drucke erschienen ist. ^) 

Wir geben nach den Brüdern Parfaict eine kurze Inhalts- 
angabe des Stückes. ^) 

Clorinde, die Geliebte ßoger's, wird von der Zauberin 
Urgande in dem verzauberten Schlosse gefangen gehalten. 
Roger jedoch befreit mittels eines von Merlin erhaltenen 
Zauberstabes die Geliebte aus den Händen der sich vergebens 
wehrenden Urgande. Das Zauberschloß verschwindet, Roger 
findet seine Clorinde wieder und gibt den zahlreichen Ge- 
fangenen der bösen Fee die Freiheit wieder. 

Diese kurze Handlung ist von Anfang bis zu Ende der 
Atlante-Episode des Orl, für. nachgebildet. Nur ist Atlante 
durch die aus Tasso's Befreitem Jerusalem bekannte Zauberin 
Urgande ersetzt, bei Ariost wird außerdem umgekehrt Roger 
durch Bradamante - Clorinde befreit. Nach den Brüdern 
Parfaict hatte das Stück auf der Bühne keinen Erfolg.*) 

12. Einzelne Entlehnungen aus dem Orlando furiose. 

Es erübrigt noch einige Werke anzuführen, in denen sich 
stellenweise der Einfluß des Ariost'schen Epos geltend macht. 
Auch diese legen Zeugnis davon ab, wie verbreitet die Be- 
kanntschaft mit dem gefeierten italienischen Epos war, und es 
ist anzunehmen, daß auch dort, wo sich ein unmittelbarer 
Einfluß nicht wahrnehmen läßt, es dennoch vielfach auf die 
Schaffungskraft der französischen Theaterdichter eingewirkt hat. 



') P. Parfaict, Dict IV, oof. 
'') Ibtl, Dict. IV, oof. 
'j Ibd., Dict. IV, oof 



— :M6 — 

Wie bereits von E. Köhler^) hervorgehoben worden 

ist, enthält die von Jacques de la Taille verfaßte Tra- 

fgöäie.Daire (1559 — 1662) einedemAxiost. nachgebildete Stelle! 

Im 5. Akte dieser Tragödie wird Alexander dem 6ro&en 
mitgeteilt, daß Darius mit folgenden Worten aus dem Leben 
.verschieden sei: 

<0 Aleocandre, adieu, qudque pari ou tu sois, 

Ma ^nere et ses enfants aye en recommanda — 

II ne petMt achever, cor la mort Ven garda'». 

Die entsprechende Stelle im Orl. für. (0. XLII, 14) 

lautet : 

«i7 dirgli: Orlando , fa dhe ii raccordi 
Di me nelt oraxion tite grate a Dio; 
Ne men ti raccommando la mia Fiordi — 
Ma dir non pote tligi^, e qui finiö:». 

Diese poetische Lizenz findet sich unseres Wissens nur 
bei Ariost. Daß Jaques de la Taille Ariost im Urtext kannte, 
dürfen wir wohl annehmen, besonders wenn wir bedenken, daß 
sein Bruder Jean ein gründlicher Ariostkenner war, der sogar 
den Negromant des italienischen Dichters ins Französische 
übertrug. Bei Garnier finden sich, abgesehen von seiner 
Bradamante, in einigen Stücken Beminiszenzen , wenn auch 
nur sehr unbestimmter Art, an die Lektüre des Ariost'schen 
Epos. So erinnert die Schilderung des Zweikampfes zwischetf^ 
Eteocle und Polynice in der Antigene (Akt III, s. V. 113 ff.) 
an den Kampf Roger's und ßodom.Oöt's am Schlüsse .4es -^ß. 
Gesanges (st. 100 ff.). Bei beiden Dichtern prallen die 
iKämpfenden mit solcher Gewalt aufeinander, daß die Rosse 
rücklings zu Fall kommen ; in beiden wird dann der >Kampf 
zu Fuß ausgef echten, und zwar nicht bloß mit Schwert und 
Degen, sondern auch mit Faust und Fuß ; weiter jedoch geht 
die Ähnlichkeit nicht. 

Auch Montchrestien scheint die Kampfesschilderangen 
im Orl für. zu kennen und sie sogar an einer Stelle in sei&em 
Hector nachzuahmen. 



^) Arch. f. Lit'Gesch. V, 243. 

2) Cfr. Böhm, Einfl. Senecas, S. 55 f. 



— 247 — 

Im 5. Akte wird der sich auf die Argolier stürzende 
Hektor mit einem Falken yerglichen, welcher auf eine sorg- 
los nach Atzung suchende Yogelschar jählings herabschießt. 
Dieser Vergleich findet sich nahezu wörtlich im 25. Gesänge 
(st. 12) des italienischen Epos.^) Der Zweikampf zwischen 
Hektor und Achilles in der nämlichen Tragödie erinnert lebhaft 
an die Zweikämpfe, wie sie Ariost in seinem Epos so gerne 
und so unübertrefflich schildert. ^) Doch ist es möglich, daß 
Montchrestien's Schilderung von Ariost unabhängig ist, da 
direkte Entlehnungen an dieser *St£itle nicht nachweisbar sind. 



^) S. Vianey, Arioste et la PUiade, Bull. it. IIIj 8. 319. — Die 
Stelle findet sich auf S. 62 d^ JuUevilW sehen Ausg. v, Montehrestien 
"und lautet: 

Comme quand un faucon soustenu de ses aisles 

Descouvre le voler des faibles colombelles, 

Qui retournent des champs et coupent seurement 

La ^ague remuant du venteux SUmentt 

II se laisse tomber sv/r la bände ümide; 

La plupart fuit legere oü la crainte la guide^ 

Et de bec et de mains sur terre il les abat; 

Heetor fondant de mesme en VArgoUqm armee^ 

On la void sur le chcmip de Qa de Ih senUe, 

Mais ceux lä guHl rencontre au müieu de ses ,pas 

De trenchant ou d^estoc regoivent le trespas. 
Die entsprechende Stelle im Furioso lautet: 

Come stormo d^augei, chHn ripa a un stagno 

Vola sicuro, e a sua pastura attende, 

SHmprovviso dal ciel falcon grifagno 

Gli da nel mezzo^ ed un ne batte o prende: 

Si sparge in fuga, ognun lascia il compagno, 

E dello scampo suo cura si prende: 

Cosl veduto avreste far costoro, 

Tosto cheH buon Buggier diede fra loro. 
^) 'Wuvres de Montchr. {Ausg. v. P. de JuUediUe\ S. 52 f. 



Ergebnisse. 



Am Schlüsse unserer Untersuchungen angelangt, wollen 
wir noch kurz die Resultate derselben zusammenfassen. Der 
Einfluß der italienischen Literatur auf die französische ist 
größer, als man nach dem allgemeinen Urteil über die Be- 
deutung dieses Einflusses anzunehmen geneigt ist. Nur ganz 
allmählich macht sich die Überzeugung geltend, daß Italiens 
Anteil an der Entwicklung der neufranzösischen Literatur ein 
ebenso wichtiger, manchmal sogar, wie bei den Dichtern der 
Pleiade, ein wichtigerer Faktor war als der antike Einfluß. 
Oft auch hatte Italien die Vermittlerrolle zu spielen 
zwischen antikem und französischem Schrifttum, d.h. griechischer 
und römischer Geist drangen über Italien in Frankreich ein, 
teils durch italienische Gelehrte und Künstler, die ihren 
dauernden oder vorübergehenden Wohnsitz auf französischem 
Boden nahmen, teils durch italienische Übersetzungen klassischer 
Schriftsteller oder durch italienische Originalwerke, in denen 
der Hauch hellenischen und römischen Geistes zu ver- 
spüren war. 

Mit der Einführung der terza rima durch J. Lemaire 
de Beiges beginnt der italienische Einfluß auf die franzö- 
sische Lyrik in Form und Inhalt. Die Sonettdichtung, 
die in Frankreich geradezu die regelmäßige Form der lyrischen 
Poesie wurde, hat ihre Heimat in Italien. Die Ode, die 
bisher stets als eine direkte Entlehnung aus dem klassischen 
Altertum gegolten hat, wird dem Fürsten des poetischen 
Siebengestirns durch den Italiener Alamanni näher ge- 



— 249 — 

bracht. Nicht miDder bedeutend ist Italiens Einfluß auf den 
Inhalt der lyrischen Poesie Frankreichs gewesen, wenigsten» 
in der ersten Blütenperiode der Lyrik von Marot bis zum 
Tode Malherbe's. Die Lyrik dieser ganzen Periode ist nahezu 
ausnahmslos erotisch, bald im üppigsten Sinnengenusse schwel- 
gend, bald auf den reinen Höhen platonischer Liebe wandelnd. 
In beiden Richtungen war Italien das stete Vorbild der 
französischen Sänger: von Petrarca lernten sie jene zarten, 
keuschen Liebeslieder, wie sie der Sänger der Laura seiner 
Geliebten in nahezu religiöser Liebe geweiht hatte; von Bembo 
und Ariost entnahmen sie die Schilderungen glühend schöner 
Frauenleiber, balsamisch duftender Gärten, wie sie die Menschen 
des ßenaissancezeitalters erdachten und schufen, und nach 
ihrem Vorbilde malten sie die Genüsse aus, die sinnliche 
Liebe allein zu geben vermag. Mit Malherbe trat diese 
heitere Lebensanschauung, wie die Renaissance sie hervorge- 
rufen hatte, zurück; für Frankreich kam die Blütezeit des 
Theaters, und die Lyrik fristete ein klägliches Dasein fort, 
bis sie im 19. Jahrhundert eine neue Auferstehung feierte, 
zu der das schwer damiederliegende Italien allerdings so viel 
wie gar nicht beigetragen hat. 

Das moderne französische Epos des 16. und 17. Jahr- 
hunderts geht zwar in erster Linie auf antike Vorbilder zu- 
rück, aber wir haben gesehen, daß Ronsard 's Frammde, 
welche die Reihe der französischen epischen Dichtungen er- 
öffnet, eine große Anzahl Entlehnungen aus dem Furioso 
des Ariost aufzuweisen hat; die romantischen Epen des 
Saint-Amant, Desmarest, Le Meine verdanken ihr 
Dasein den italienischen Vorbildern des Orlando und der 
Gerusalemmeliberata;die ganze burleske Poesie endlich, 
die vorzugsweise beschreibend ist, geht, wie wir eingehend 
dargelegt haben, auf die italienische burla zurück. Selbst das 
Epos des 18. Jahrhunderts, mit Voltaire's La Henriade und 
La Pucelh d'OrUa'iis an der Spitze, atmet noch den Hauch 
italienischer Ependichtung, und der große Epiker des 19. Jahrh.'s, 
VictorHugo, nennt den Dichter der Divina Commedia seinen 
nDivin maitrei^. Wir erinnern uns femer daran, daß die 
französische Novelle nicht ihren Ursprung in den Fableaux 




— SBO — 

.des Mittelalters, soiiderD in der Hauptsache in der italieni- 
■Bchen tKovdlnt hat, daß die Verserzählungen eines La- 
iontaine nahezu zur Hälfte auf italienische Quellen ziirück- 
igehen, daß endlich noch im 18. Jahrh, Montesquieu tiad 
Voltaire, der erstere in smuen Le.llres jiersanes, der letztere 
in seinem Zadig, sich an italienische Vorbilder anlehnen. 

Was das franzoBische Theater betrifft, so ist der itahenische 
üBinäuß dem antiken zum mindesten gleichzustellen. Wir 
:liaben Yon neuem darauf hingewiesen, daß mit dem Einzug 
jgewerbsmäßiger, italienischer Schauspieler in Frankreich 
und mit der Eröffnung des Theaters der commeiUa dell' 
arte in Paris eine neue Epoche für das französische Theater 
heranhricht. Nach dem Muster der italienischen Schauspieler 
Aildet sich ein fester Schauspielerstand in der französischen 
Äauptstadt, zu dem auch bald, wiederum nach dem Beispiele 
-der Italiener, weibliche Vertreter der Mimik gehörten. Die 
Komödianten des Stegreifspieles waren Meister in der Dar- 
stellung von Charakterrollen; dementsprechend waren auch 
ihre Stücke zugeschnitten, d, h. sie waren größtenteils Charakter- 
komödien. Diese letzteren hatten alsbald einen so durch- 
schlagenden Einduß auf die französische Sühne, daß die 
mitte läJter hebe Farce fast ganz verschwand, und sieb ein neues 
LLustspiel, die französische Cbarakterkomödie bildete, die 
dfare Vollendung in Moliöre erhielt, dessen Abhängigkeit 
vom italienischen Theater eingehend von uns behandelt worden 
ist. Einzelne Lustspieldichter des 18. Jahrb., ja selbst ein 
ganz moderner Dichter, der zartbesaitete Ä. de Müsset, 
atehen unter italienischem Einflüsse. 

Weniger abhängig von diesem Einäusse ist das franzö- 
diiache Trauerspiel. Die ersten Tragödien stehen insbesondere 
:in Abhängigkeit von Seueca, später wird Spanien auf lite- 
rarischem Gebiete dominierend, bis dann die Franzosen ein 
.■aelb ständiges Trauerspiel in Corneille's Cid bekommen. 
IDoch hat unsere Untersuchung gezeigt, daß zwischen 1550 — 
1636 eine Menge italieniscber Tragödien teils nachgeahmt 
lund übersetzt werden, teils ihren Stoff italienischen Erzäh- 
ilnngen und Epen entlehnen. Noch im 18. Jahrb., als Italien 
■Jiach langer, geistiger Verödung ein zweites Risorgimento 




— -SSI — — 

feiert, : macht flicii ;der rEinfluß dieses liandes auf diefzaazö- 
.sische 0?Eagödie ^Iteod, indem mehrere Tragiker ^sfieiten 
Sanges Stüoke von Metas'tasio und Alfieri, dkeen 
rbdiden genialen Yertretem «der italienischen klasaizistisohen 
Tragödie, nachahmen. Die Pastorale und die Oper dagegen 
sind spezifisch italienische Erodukte, die nach Frankreich 
^verpflanzt werden; die italienische Pastorale in Frankreich 
wird, wie wir gesehen haben, zeitweilig durch die spanische, 
welche jedoch ebenfalls ein Ableger der italieuischen ist, ver- 
drängt; doch kann sie sich in einigen von uns erwähnten 
Yertretem cbis zum :Ende der Blütezeit dieses Gtenres be- 
haupten. 

Unumschränkte Hen^sehaft jedoch fühirt in Fraiükreich 
die italienische Oper, die der Kardinal Mazarin, «ein 
SiziUaner von Q-eburt, dai Franzosen zum ersten Male bekannt 
: macht. Wir haben von den heißen Kämpfen gesprochen, die 
noch zu Ende des 18. Jahrhunderts ausgekochten werden 
zwischen den Anhängern der rein litalienischen Oper und 
denen der französischen, welch' letztere sich aus der italieni- 
schen Oper und aus dem seit Ausgang des Mittelaltei^sapi 
rfran^ösischen Hofe aufgeführten Ballette entwickelt hatte. 
'Wir nannten eine namhafte Zahl italienischer Komponisten 
bis auf Verdi herab, die in Frankreich beliebt und ton- 
angebend waren. 

Was das Schicksal Ariost':S in Frapkreich betrifft, so können 
wir dasselbe nach den .Ergebnissen unserer .Untersuchung ge- 
radezu ein glänzendes nennen. 

Nicht weniger als 97 Übersetzungen und Ausgaben^) 
dieses Epos ins Französische haben wir aufgezählt; davon 
.fallen 33 in das 16., 14 in das 17., 21 in das 16. und 34 
in das 19. Jahrhundert. Fünf Übersetzungen sind ohne An- 
gabe der Jahreszahl erschienen. Obwohl Ariost in elfter 
Linie epischer Dichter ist, finden sich manche lyrische «Stellen 
jin .seligem Orlando furioso und in seinen Satiren ; diese Stellen 
wurden wiederholt von französischen Lyrikern, besonders von 



^) In diese Zahl sind auch die unvollständigen Übersetzungen so- 
wie die Neuauflagen . mit .eingeschlosaan. 



— 252 — 

einigen Hauptvertretern der Pleiade, ihren unmittelbaren Vor- 
gängern und Nachfolgern nachgeahmt. Frühzeitig begann man< 
auch einzelne Episoden nachzuahmen oder zu paraphrasieren ; 
sogar Lafontaine verschmähte es nicht, zwei dieser Episodeoi 
frei zu übersetzen und in seine Contes aufzunehmen. 

Eingehend haben wir ferner untersucht, wie groß der 
Einfluß der OrL für. auf das französische Theater gewesen 
ist. Dieser Einfluß besteht darin, daß die französischen 
Dramatiker einzelne Episoden aus dem „Basenden Roland^ 
dramatisch bearbeiten. Seit 1564 finden wir solche drama- 
tische Bearbeitungen, wenn wir auch zum Teil nur ihre Titel 
kennen. 

JDie Bradamante-Episode findet eine Anzahl talent- 
voller und dichterisch begabter Bearbeiter. Garnier, La 
Calpren^de und Thomas Corneille sind die hervor- 
ragendsten unter ihnen ; alle drei bearbeiten den Stoflf in ganz 
ähnlicher Weise und halten sich ziemlich genau an die 
italienische Quelle. Am besten bearbeitet ihn Garnier; seine 
Gestalten haben noch das Meiste von dem Hauche Ariost- 
scher Poesie behalten. In den Tragödien der beiden letzteren 
treten uns nicht mehr Ariost'sche Wesen entgegen, sondern: 
Franzosen des 17. Jahrh.'s, Gestalten, wie wir sie auf der 
klassizistischen Bühne des Frankreich des 17. Jahrhunderts 
sehen. Roy 's Versuch, die Bradamante-Episode zu einem 
Opemtexte zu verwenden, kann als gelungen angesehen werden. 

Die Roland-Episode scheint in Frankreich beliebter 
und bekannter gewesen zu sein; trotzdem gelang es weder 
Mairet noch Quinault, den beiden bedeutendsten unter 
den dramatischen Dichtern, die sich mit dieser Episode be- 
schäftigten, ein erfolgreiches Stück auf die Bühne zu bringen. 
Die Ursache des Mißerfolges lag in der Episode selbst, in 
der es an einem Mittelpunkt fehlt, um den sich alle Neben- 
episoden, wie die Liebesgeschichte Angelica's und Medor's, 
der Tod Zerbin's und das Auftreten Rodomont's, gruppieren 
könnten. Dieser Mittelpunkt, den natürlich Rolandes Raserei 
bilden sollte, konnte für die Bühne nur schwer geschaffen 
werden. Nur ein genialer Dichter wie Shakspere ver- 
mochte den Wahnsinn durch ein ganzes Stück hindurch auf 



— 253 — 

die Bühne zu bringen, und die Nerven der Zuschauer in höchster 
Spannung zu erhalten. M a i r e t und Quinault, zwei G-eister, 
die nicht über das Mittelmaß hinausragen, wußten nicht, was 
sie mit dem rasenden Helden auf offener Szene anfangen 
sollten ; sie dachten nicht daran, diesen im G-runde so tragischen 
Helden psychologisch ernst zu nehmen, ihn in seinen Seelen- 
kämpfen, in seinem Ringen und allmählichen geistigen Dahin- 
sterben darzustellen ; statt dessen brachten sie die äußerlichste 
Seite des Wahnsinns zur Darstellung, ließen den Helden Bäume 
ausreißen u. dgl. Die Wirkung war beim Publikum eine 
komische ; so folgten denn bald Parodien auf Parodien, welche 
alle diesen Hauptmangel an der dramatischen Darstellung 
der Bolands-Episode unbarmherzig geißelten. 

Die Isabella- und die Ginevra-Episode wurden 
schon frühzeitig dramatisiert. Montreux schuf ein Zerrbild 
aus der rührend schönen Isabella-Episode, während Billard 
die Geschichte von Ariodant und Ginevra in endlos 
langen Monologen und Dialogen ohne jedes dramatische In- 
teresse und in bombastischer Sprache auf der Bühne vor- 
tragen ließ. Nicht besser machten es die Nachfolger der 
beiden Dichter, wenn wir etwa von Voltaire absehen, dessen 
Tancrede auf die Erzählung von der schottischen Königs- 
tochter zurückgeht. Ihr Fehler lag darin, daß sie allzu 
peinlich dem mit epischer Breite erzählten Gange der 
Handlung bei Ariost folgten, statt sich die Erzählung 
dramatisch zurecht zu machen, und die einzelnen Personen 
derselben zu lebendigen, wahrheitsgetreuen Charakteren zu 
gestalten. 

Diesen Versuch, eine Ariost'sche Episode wirklich dra- 
matisch zu behandeln, und die Charaktere psychologisch zu 
vertiefen, machte D auch et. In seiner ^/c?wa sehen wir, wie 
der Kampf in AIcine's liebeglühendem Herzen sich abspielt. 
Die Handlung in den einzelnen Szenen wird zum großen Teil 
motiviert; die Charaktere sind in kurzen, markigen Zügen 
dargestellt. Leider nimmt das Wunderbare, ein unerläßliches 
Requisit der damaligen Oper, in dem Stücke einen allzu- 
großen Raum ein und vermindert so bedeutend den Wert 
desselben. 



Eiß^ gFÜDtdliebe VeiräQderwg: erfuhrea dj^ Jocon d e- 
npd : di^ Z a p berbecfaer- Epi^ode^ auf dem fra&zi&sisehea - 
Tjueater. Bei Atiost liegt de^^elbea etwa« Tragisches, Pessi-r 
mistis^ßB iimet^:^ ein bittere Zweifel an deo: ideal^t^n Gütern . 
des Manschen, a&: Erauenliebe uq4 Treue sprieht sich darin.: 
auj94 dabßi; sind die obsrönsten. Situationen eingeflocditea^ 
welche selbst für die sittlich sq tief verdarbene Z[^t desv 
Dichters daa Maß des Erlaubten überschreiten^ weshalb dieser 
seine weiblichen Leser vor der Lektüre des 28v Gesanges- 
wairpen zu . m^üqsen glaubt. Diese charakteristischen Merk- 
male der beiden: Erzählungen verschwinden: nun aus den 
fro^jiösischen dramatischen Bearbeitungen derselben. Harmn 
lose, meist einaktige Kofflödien, — ^ Possen oder Schwanke 
miöchten wir sie eher nennen -^, werden aus den zwei Episoden 
gebildet, Stücke von durchwegs heiterem Tone, ohiie. jede 
obszöne Anspielung. 

Auch einige kleinere Episoden, wie die Erzählung yoni; 
Schlosse des alten Zauberers und von dem Amazonenataat 
auf Kreta, wurden ihrer Ernsthaftigkeit oder ihrer Obszönität 
entkleidet und für die komische Bühne zurecht gemacht; 
freilijQh verschwand bei einer solchen Umwandlung die zarte 
Poesie des Originals, und die unnachahmliche Mischung 
zwischen Tragischem und Komischem, wie sie sich durch den 
Orl. für, zieht, geht in. diesen für den Tageserfolg geschriebenen 
Einaktern völlig verloren*; nur die Namen der in ihnen auf- 
tretenden Personen und die einzelnen Situationen erinnern 
noch an die Quelle, welcher die Verfasser dieser Komödien 
ihre Stoffe entlehnten. 

So sehen, wir also, daß. im 16. und 17. Jahrhundert die 
Episoden aus dem Furioso nahezu ausnahmslos in ihrer vollen . 
Tragik von den französischen Dichtern aufgefaßt und in 
diesem Sinne dramatisiert weiden ; der Grund davon liegt 
wohl, dai^in, daß man in jener Zeit die Poesie des Bittenepos 
noch, versteht. Das 18. Jahrhundert^ das Zeitalter der Auf- 
klärung, das nur die Yeraunft gelten läßt, glaubt nicht mehr 
an diese Poesie, sondern spottet darüber, und so entstehen- 
die zahlreichen Parodien Ariost'scher Heldengestalten y be«! 
sonders des Eoland, dann auch der Marphise, der Bradamaate^v 



r^' 



/^ 



— 255 — 

der Angelica und anderer. Daneben aber darf der Glanz 
der Bitterepen noch erstrahlen auf der pnmkhaften Bühne 
der Oper, wohin sich die Welt des schönen Scheins während 
dieses Jahrh.'s vorzugsweise geflüchtet hat. Im 19. Jahr- 
hundert endlich hören die dramatischen Bearbeitungen des 
Orl, für. in Frankreich gänzlich auf, obwohl man glauben 
sollte, daß die romantische Schule den romantischsten aller 
Dichter wieder zu Ehren hätte bringen müssen. Doch scheinen 
die Zeiten endgültig vorüber zu sein, in denen man mit Vor- 
liebe Eitter in glänzender Küatung und Bitterfräulein in Panzer 
und Harnisch auf der Bühne ihre Waffen führen sieht. Das 
heutige Theater folgt eben dem Zuge der modernen Zeit, die 
sich immer mehr vob deoai Yerstäjadisse jener mittelalter- 
lichen Welt entfernt. 



Anhang. 



Ariost-Übersetzungen. 

1) Roland furieux compose jpremierement en ryme thuscane 
par Messire Loya Arioste, noble Ferrarois et maintenant traduict 
en prose franQoyse: partie suyvant la phrase de Vauteur^ paHie 
av^si le style de ceste nosire langue. Lyon. 1543. foh 

Von dem Übersetzer wissen wir nichts Bestimmtes. Du 
Verdier schreibt die Übersetzung dem J. des Gouttes zu^); 
doch verfaßte dieser nur die Vorrede und erklärte darin aus- 
drücklich, nicht der Verfasser derselben zu sein. Goujet 
gibt jene Stelle in der Vorrede wieder und behauptet J. des 
Gouttes scheine nicht der Verfasser der Übersetzung zu sein.*) 
Niceron's Behauptung, Jean Martin sei der Übersetzer ^), wird 
von Guidi angeführt.^) Nach Nostradamus ist der Stil der 
Übersetzung <iisuranne, devenu harhare pour nous».^) Jeder Ge- 
sang wird allegorisch gedeutet. 



^) La Bibl, S. 709. 

2) Goujet, Bibl. fr., Bd. FU, 345 f. — In der Widmung des 
Werkes an Card. Hippolyte von Este sagt J. des Gouttes: <tTeUe fut 
Vopinion du translateur du Furieux^ quand premierenient äma requete, 
il mit la main ä la plume; assavoir qu'il ne doubtoit point que V Arioste 
towme en prose Frangoise ne perdtt beaucoup de sa nayvete etc.» Da- 
nach kann J. des Gouttes der Übersetzer nicht sein, wenn wir nicht an- 
nehmen, daß er seine Autorschaft verbergen wollte. 

8) Memoires, Bd. IV, 539. 

*) Annali, S. 177. 

^) Vie des Poetes prov. Vorrede, S. VIl. 



— 257 — 

2. Dieselbe — , Lyon. 1544. in fol. ^) 

3. Rol. für . . . en prose (Seit. Ausg.) Paris. 1545. 8^ 

4. Dieselbe — , Lyon. 1545. 8^,'-) 

5. Dieselbe — , (seltene Ausg.) P. 1552. 8^ 

6. Dieselbe — , P. 1552. 8^ 

7. Le premier volume du ßol. für. . . . par Jean Fornier 
de Montauban. P. 1555. 4^ (Nur die ersten 15 Gesänge, 
ziemlich selten.) ^). 

8. Derselbe — , Anvers. 1555. 8® (Nachdruck). 

9. Derselbe, Anvers. 1555. 4® (Nachdruck). 

10. ßol. für., comp, premierement etc. (Neudruck d. 
J. d. Gouttes zugeschr. übers.) P. 1565. 8^ 

11. Derselbe — P. 1571. 8^ (Nachdr. der J. des Gouttes 
zugeschr. übers.*) 

12. Derselbe. Par. 1575. 8^. 

13. Rol. für., trad. p. G. Landre P. 1571. 8^^) 

14. D'amour furieux, Roland für., compose en rithme 
tuscane p. M. Lovys Arioste, P. 1572. 8^. ®) 

15. Rol. für., trad. en prose . . . p. Gabr. Chappuys, 
Lyon. lo76. 8«.') 

16. Derselbe — , Neudruck, Lyon. 1577, 8^») 

17. Arioste Frangois de J. D. B. Les XII premiers 
chants de PArioste traduit en vers avec les Arguments et 
Allegories sur chacun cbaot. Lyon. 1580. 8^®) 



^) Brunei, Man., Bd. 7, 167; Guidi, Ann. 177. 

^) Guidi, ihd.; ebenso die unter 5 u. 6 angeführten. 

3) Du Verdier, l. c, S. 691; Goujet, l. c, Bd. VII, 347: 
Fo(u)rnier übersetzte den Orl. für, «surtout pour des heros qui von- 
droient unir ä la valeur les qualites, qui fönt estimer Vhonneur dans le 
herosy». Die Übers, ist so buchstäblich wie möglich, entbehrt aber der 
Korrektheit und Vornehmheit. Ebert, Entwicklungsgesch.^ S. 169, er- 
wähnt diese Übersetzung. 

*) Guidi, Ann., S. 179. 

*) Nur 6ei G u i d i erwähnt; vgl. Q, u a d r i o , Stör, e rag., Bd. 1 F, 558, 

*) Nur bei Guidi erw. 

'1 Goujet, l. c, Bd. VII, 362 sagt von dieser L'bers., sie sei so 
schlecht, da^i es unmöglich sei, sie zu lesen. 

») Guidi, Ann., 179; Goujet, ib, VII, 362 gibt an: Lyon 1576. 

*) J. D. B. = Jean de Boessiere de Montfer en Auvergne; siehe 
Münchener Beiträge z. romanischen u. engl. Philologie. XXXIV. 17 



— 258 — 

18. ßol. für. (Neudruck d. Ausg. von 1543). P. 1580. 8^ 

19. UAr. fr. p. J. D. B[oe88iere] Lyon. 1580. 8^ 

20. Le Rol. für., trad. p. G. Chappuys, nouv. ed. augm. de 
figures en bois et de cinq Chants ajoutes au susdit Poöme. — 
La Suite de Rol. für., contenant la mort du vaillant Roger 
(du G. ß. Pescatore) et de quelques stances du nieme Arioste, 
trad. de Tit. par le menae Chap. Lyon. 1582. 8^.^) 

21. Rol. für. (Neudr. der Übers, von 1543). P. 1582. 8^ 

22. Rol. für. . . . p. Gabr. Chappuys. Lyon. 1582. 8^. 

23. Rol. für. (Neudruck der Übersetzung v. Chappuys 
V. 1582). P. 1583. 8 0.2) 

24. Derselbe — , Lyon. 1604. 8^'^) 

25. Derselbe — , Lyon. 1608. 8^ 

26. Derselbe — , Ronen. 1610 u. 1618. 8^ 

27. Le Divin Arioste ou Rol. le Für. trad. nouvellement 
en Prangois par Fr. de Rosset dedie ä la grande Marie 
de Medicis reine de France et de Navarre. Paris. 1615. 
2 vol., 4^^) 



Barbier, DicL des Anon., Bd. I, 272; Querard, Superch. litt, 
Bd. II, S26d. Nach Goujet {B. fr. VII, 351) übersetzte J. de 
Boessiöre diese 12 Ges. nicht allein. Wir haben es vielmehr mit 
einer Kompilation der Teilübersetzimgeii von Mellin de St-Gelais. J. A. 
Ba/if und Cl. Belliard zu tun, die wir noch kennen lernen werden. 
Boessieres^ Anteil ist nach Goujet nicht besser und nicht schlechter als der 
der übrigen. In der Vorrede sagt er, Ariost sei ihm im Traum erschienen 
und habe ihn aufgefordert, den Orl. für. zu übersetzen. Boessieres hat 
später noch den ganzen Orl. für. übersetzt, doch erschienen nur die ersten 
zwölf Bücher im Druck. 

^) Goujet, B. fr.j Bd. VII, 363: «4 Vegard de la suite du poeme 
de Rol., traduite encore par le nieme, c'est Vouvrage d'un autre Foete 
Italien, J.-B. Pescatore.» 

*) Nur bei Guidi, A7in., S. 181. 

3) Nur bei Blanc, Bibl. II, 1271. 

^) Nach Blanc enthält «Le divin Arioste» auch eine ^^suite con- 
tinuee iusques ä la mort du Paladin Roland^ ; nach Guidi findet sich 
diese Fortsetzung erst in der Ausgabe von 1644, Goujet {B. f, 
Bd. VII, 337) hält die Rosse f sehe übers, für eine Fortsetzung einer 
anderen, die zum Verf. einen Grafen Scandiano habe. Da Rosset Pro- 
venzale war, beherrschte er die franz. Sprache nicht mit der nötigen Leich- 
tigkeit. 



— 259 — 

28. Rol. für.) trad. p. G. Chappuys (Nachdruck). Rouen 
1617. 8 0.1) 

29. Derselbe, Rouen. 1618. 8^ 

30. Le Divin Arioste (Neudruck der Ubers. v. Rosset). 
P. 1625. 40. 

31. Rol. für., trad., ou iniite des vers Ital. de TArioste 
(erster Gesaug). Rouen. 1638. 8 0. 

32. Le Divin Ariost (Neudruck von Rosset). P. 1644. 8^ 

33. Arioste travesty, en vers burlesquea (sans nom de 
Pauteur). P. 1650. 4^.2) 

34. L'Arioste moderne (ohne Namen des Verf.'s), P. 1685, 
2 vol., 12 0. Nach ßrunet ist die Übersetzung von einer Dame: 
Louise Genevieve Gomez de Vasconcelle.^) 

35. Derselbe — (nnit Angabe der Verfasserin). P. 1685. 
2 vol., 12 0. 

36. Derselbe — Lyon. 1685. 2 vol., 12«.^) 

37. Derselbe — Lyon. 1686. 2 vol., 12 ^5) 

38. Derselbe — P. 1720. 2 vol., 12 0. 

39. Rol. für., poeme heroique d'apres la trad. nouv. p. M. 
(J. B. de Mirabeau). La Haye. 1741. 4 vol., 12".«) 



^) Nur Gruidi, Ann.j S. 181. Ebenso die unter J99, 30 ii. 31 ver- 
zeichneten Ubers. 

^) Nach Goujet {ibd. VII^ 375) nur ein Gesang; der anonyme 
Übersetzer loidmet ihn Scarron, dessen Nachahmer er ist. 

^) Die Übersetzung ist abgekürzt; die anstößigen Stellen sind ent- 
fernt. Anlafi zu einer solchen Übertragung gab ihr, wie sie in der Vor- 
rede sagt, Quinault's Oper: *Fuisque V Opera va faire entrer Arioste 
dans le commerce du grand nombre, il ne faut pas quHl y paroisse en 
vieux libertin; il effaroucheroit les Dames plutot que de les divertir» 
{s. Goujet VIIj 368; Barbier, Dict. d. an. I, 272). 

^) Diese u. d. vorausgeh. Ubers. erwähnt nur Guidi, ibd. S. 183, 

^) Nur bei Blanc, Bibl. II, 1172, ebenso die folgende. 

^) Goujet {VII, 369) lobt die Ubers. von Mirabeau: «. , . la plus 
elegante et la mieux ecrite que Von pouvoit esper er de ce poeme si fa- 
mcux.y> Ahnlich Moreri {Dict. hist., Bd. 1, 314): «La seule traduction 
que Von puisse estimer, est celle qui a ete faite par Mirabaud.» 
Wesentlich anders dagegen urteiltY o Mb. ive {Dict. phil, Bd. VII, 516); er 
tadelt Mirab., weil er das Ironische, das Scherzhafte des ganzen Gedichtes 

17* 



^ 260 -- 

40. Derselbe — La Haye. P. 1741. 4 vol., 12 ^ 

41. Derselbe — Amsterdam. 1756, 4 vol., 12 ^ 

42. Derselbe — P. 1758, 4 vol., 12 ». 

43. Rol. für., poeme de M. Loujs Arioste trad. en fran^ois, 
Amstd. 1766. 3 vol., 12® (ohne Namen des Verfassers).^) 

44. Derselbe (Neudr. der vorigen Übersetzung). P. 1771. 

3 vol., 12 0. 

45. Rol. für., poeme heroi'que, trad. p. d'üssieux. P. 1775 
—1783. 4 vol., 8^.2) 

46. Rol. für. (Neudruck von Mirabeau's Ubers.). P. 1775. 

4 vol., 8 0. 

47. Derselbe — P. 1776. 4 vol. 4^ 

48. Rol. für., trad. p. de Cavailhon. P. 1776—1777. 
3 vol., 18 0. 

49. Rol. für. (Neudruck v. Mirabeau's übers.). La Haye. 
1778. 4 vol., 12«. 

50. Rol. für., trad. p. E. de la Vergne, comte de Tressan.^) 
P. 1780. 5 vol. 12 0. 

51. Essai de traduction en vers du Rol.-le-Pur. de T Arioste 
par Dupont de Nemours. P. 1781. 8^*) 

52. Rol. für. (Neudr. v. Tressan's Übers.). P. 1781 (ohne 
Angabe der Zahl der Bände und des Formats).^) 

53. Derselbe — P. 1786. 5 vol. 18 ^«) 

54. Rol. für., avec Titalien ä cote, nouv. trad. p. Pan- 
ckoucke^) et Framery. P. 1787. 10 vol. 18 ^ 



nicht nachzuahmen verstehe; dann gibt er seihst eine Übersetzung der ersten 
drei Strophen des 35. Ges. 

1) Nwr Guidi, Ann., S. 184. 

') Brunei {Man. J, 442) bezeichnet sie als literarisch unbedeutend. 

^) Brunet {Man. J, 44); «La traduction de Tressan a eu jadis 
du succeSj quoiqu'elle manque tout ä fait de fidelite.» Ähnlich La gr. 
Encycl, Bd. XXXI, 363. 

*) Nach Guidi, 8. 185, in 4 vol. 

^) Barbier, Dict. des anon» Nr. 5505. 

*) Diese und die vorhergehenden übers, erw. nur Guidi, ibd. 

^ Panckoucke'a Ubers. loird von Brunet {Man. J, 443) als 
ziemlich genau bezeichnet; der ital. Text ist der übers, beigefügt. Siehe 
auch La grande Encycl.j Bd. XXV, 933. 



— 261 — 

55. ßol. für., trad. p. Tressan. P. 1787. 4 vol. 12 ^.i) 

56. Derselbe — trad. p. Tressan. Par. 1788. 3 vol. 8^ 

57. Derselbe — trad. p. Tressan. Par. 1792. 8 vol. 16^ 

58. Derselbe — trad. p. Tressan. Par. 1793. 6 vol. 8^ 

59. Derselbe — P. 1797. 6 vol. 8^.2) 

60. Derselbe — trad. p. Tressan. Par. 1800. 4 vol. 8®. 

61. Derselbe — trad. p. Laborde. Perp. 1802. S^ 

.. 

62. Eol. für. (Neudr. v. Tressan's Übersetzung). P. 1804. 
4 vol. 8 0. 

63. Derselbe — tr. en prose. P. 1810. 6 vol. 12^. 

64. Derselbe — Par. 1810. 6 vol. 16^ 

65. Essai de trad. en vers ... [p. Dupont de Nemours]. 
P. 1812. 80. 

66. Derselbe (Neudr. d. Ausg. v. 1812). P. 1813. 8». 

67. ßol. für. (Neudr. v. Tressan). P. 1818. 6 vol. 8 o. 

68. Rol. für. (Neudr. v. Tressan). P. 1822. 7 vol. 12 ». 

69. Rol. für., poeme heroi'que (Chants I — XXIII, nach 
Plane, p. XIII), P. 1822. 8^ (der Übersetzer ist unbek.).») 

70. Rol. für. (Neudr. v. Tressan). P. 1823. 4 vol. 32«. 

71. Rol. für. (Neudr. v. Tressan), suivi du Rol. amoureux, 
de Bojardo. P. 1824. 7 vol. 8». 

72. Derselbe — P. 1824. 4 vol. 32 ^ 

73. Derselbe — P. 182.6. 6 vol. 18 ^^) 

74. Rol. für., trad. en vers frangais p. Ch. Duvau de 
Chavagne.^) Angers 1829, 3 vol., 8^. 

75. Rol. für., trad. p. le baron de Prenilly. P. 1834. 
4 vol. 8«. 

76. Rol. für. (Neudr. v. Tressan), P. 1835. 3 vol. 18 ^. 

77. Rol. für. (Neudr. v. Chavagne's Übers.; Verbesserte 
Auflage). P. 1838. 3 vol. 8 o. 

78. Rol. für., nouvelle traduction en Prose avec la vie de 
l'Arioste . . . p. A. Mazuy, P. 1839—1840. 3 vol. 8 o.«) 

^) Nur Guidi, ibd. 

^) Nur Blanc, l. c; ebenso die folgenden drei. 
') Guidi, Ann., S. 187. 

*) Nur Blanc, Bibl. II, 1272. In dasselbe Jahr fällt auch die 
Übersetzung der Satiren des Ariost von Trilis. Lyon. 1826. 8°. 
^) 8. auch Brunet, Man., Bd. I, 443. 
®) In diesem Jahre werden auch die Satiren von Delecluze übers. 



— 262 — 

79. Rol. für. (Neudr. V. Panckoucke). P. 1842. 2 vol. 18 ^ 

80. Eol. für. Paris. 1842. 2 vol. 12 «, 

81. Rol. für., P. 1844. 8^ (ohne Angabe des Über- 
setzers; die Ausg. ist mit 350 Vignetten versehen).^) 

82. Rol. für. (Neudr. v. Tressan). P. 1846., 4 vol. 16 ». 

83. Rol. für. (Neudr. der Übers, von 1844. P. 1863. 
4 vol. 8^ 

84. Rol. für. (20 chants) trad. en vers p. F. Desserteaux. 
P. 1864. 12 ^ 

85. Rol. für., imite en vers p. F. Ragon. P. 1869. 

2 vol. 12 ö. 

86. Rol. für., trad. pour la Bibliotheque Nationale. P. 1875. 
6 vol., 12 ^ 

87. Rol. für., trad. p. Hippeau. P. 1876. 2 vol. 12 ^ 

88. Le Rol. de TAr. raconte . . . p. Marc-Monnier. P. 
1878. 12^2) 

89. Rol. für., trad. p. Du Pays, P. 1878. in-fol. 

90. Rol. für., trad. litt. p. Bonneau. P. 1879—1883. 

3 vol., 18 ^' (Canti I— XV). 

91. Rol. für., trad. p. Reynard. P. 1880—1883. 4 vol. 18 o. 

92. Rol. für., trad. p. Ch. Simond. P. 1890. 8^ 

Übersetzungen ohne Angabe des Datums der 
Veröffentlichung.^) 

93. Rol. für., trad. en fr., P., 4 vol., 8 ^ Die Übersetzung 
wird angeführt im 2. Bande der Bibliotheque des Romans, und 



u. mit Kommentar versehen (Satires, tr. p. D. P. 1839, 8^). — Mazny^s 
Übers, ist mit zahlreichen Anmerkungen vers., die meistens der engl. 
Ausg. d. Orl. für. von Panizzi entlehnt sind. 

^) Nach B 1 a n c [Bibl. IL 1274) ist Victor Philipon de la Madelaine 
der Übersetzer [ebenso Brunet, Man., Bd. I, 443). 

*) Ang. Degubernatis {Xuov. Ant. 1878. 5« serie, S. 380) sagt 
von Marc-Monnier, er übersetze zwar nicht mit gewissenhafter Treue, 
aber seine Übersetzung entspreche franz. Geschmacke. M.-M. läßt alle 
Episoden beiseite, welche sich nicht direkt auf den Gang der Handlung 
im Orl. für. beziehen. 

^) Die nun folgenden Übersetzungen sind 6ei Blanc, II, 1273 er- 
wähnt. 



— 263 — 

es wird dort zugleich bemerkt, daß es sich um eine abge- 
kürzte Übersetzung handle. 

94. Rol. für., po^me heroique, P., 4 vol., 4^. 

95. ßol. für., trad. en Fr. p. J. Mart. P., 8^ 

96. Rol. für., trad. p. Panckoucke et Tramery avec une 
notice sur TArioste par A. Latour, P., 2 vol., 12 ^. 

97. Rol. für., trad. p. Maruy, P., 1 vol. 4^. (Illustrierte 
Ausgabe). 



Lippert & Co. (G. Pätz'sche Buchdr.). Naumburg a. S. 






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